Weibliche Genitalverstümmelung FGM Swisso Kalmo möchte in der

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Weibliche Genitalverstümmelung FGM
Swisso Kalmo möchte in der Region Galgaduud Hebammen ausbilden und hat dafür um Unterstützung
auch bei seinen Spenderinnen und Spendern in der Schweiz aufgerufen.
Die Projektidee geniesst breite Unterstützung. Aber eine Reihe besorgter Leserinnen hat nachgefragt, ob
diese Ausbildung allenfalls in Zusammenhang stünde mit der noch heute weit verbreiteten Praxis
weiblicher Genitalverstümmelung. Dr. Hersi, Mediziner und regionaler Direktor von Swisso Kalmo, nimmt
dazu Stellung.
Grundsätzlich ist weibliche Genitalverstümmelung (female genital mutilation FGM) für Swisso Kalmo eine
Verletzung der Menschenrechte und eine Praxis, die bei den Betroffenen und in der Gesellschaft schwere
Schäden anrichtet. Häufig wird FGM vom sogenannten traditionellen Geburtshelferinnen ausgeführt.
Unser geschultes medizinisches Personal praktiziert das nicht und die Ausbildung von professionellen
Hebammen sehen wir als einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen FGM.
FGM in Somalia
Genitalverstümmelung ist für die betroffenen Mädchen und Frauen ein traumatisches Erlebnis,
verbunden mit Blut und Schmerzen. Die Tortur ist mit dem Akt der Beschneidung nicht vorbei sondern
bedeutet endlose Qualen und gesundheitliche Komplikationen. Diese Risiken sind bei der sogenannten
„pharaonischen Beschneidung“, welche in Somalia verbreitet ist, besonders hoch. 1
Schätzungsweise sind heute rund 95% der somalischen Frauen und Mädchen beschnitten. FGM ist tief in
der Tradition und im Glauben der Menschen verankert. Die wichtigste Motivation dafür ist die
Keuschheitsidee: Beschneidung reduziert die sexuelle Begierde und trägt so dazu bei, das Frauen
unberührt in die Ehe gehen und als Ehefrauen treu bleiben. Allerdings sind die Haltungen zu FGM in der
somalischen Bevölkerung auch differenziert: Wir schätzen, dass FGM vor allem in armen und und
bildungsfernen Schichten verwurzelt ist, während eine urbane Mittelschicht für Wandel offener ist.
Dies zeigt sich auch bei den Praktizierenden: Ausgeführt werden Beschneidungen meist von Frauen mit
wenig Ausbildung, Analphabetinnen, oftmals von sogenannten traditionellen Geburtshelferinnen. Als
Gruppe gehören diese zu den aktiven Befürworterinnen von FGM, obwohl sie deren furchtbare
Auswirkungen kennen. Für viele geht es dabei nur bedingt um religiöse oder kulturelle Überzeugungen,
sondern um wirtschaftliche Gründe: Beschneidungen sind ihre Möglichkeit, sich ein Einkommen zu
verdienen.
1
Pharaonische Beschneidung / Infibulation ist die invasivste Form der weiblichen Genitalverstümmelung. Nach dem Entfernen des
äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris sowie Teilen der inneren und/oder äußeren Schamlippen werden die Wundränder des
äußeren Schambereiches mit Akaziendornen oder Eisenringen zusammengefügt und die Vaginal-Öffnung bis auf ein
stecknadelkopfgroßes Loch verschlossen. Quelle: www.mama-afrika.org/genitalverstuemmelung/definition. (Anm Verfasserin)
Swisso-Kalmo – Hilfe für Somalia
Was können wir gegen FGM tun?
In Somalia engagieren sich viele lokale und internationale Organisationen gegen FGM. In
Sensibilisierungsarbeit, Workshops und Kampagnen zeigen sie auf, was Genitalverstümmelung für die
Betroffenen und für die Gesellschaft bedeutet, welche Schäden sie anrichtet – und dass sich FGM nicht
mit Religion begründen lässt. Sie versuchen auch, ein Umfeld aufzubauen und zu fördern, welches die
Menschen darin unterstützt, FGM abzulehnen.
Solche Informations- und Sensibilisierungsarbeit ist wichtig. Viele Studien belegen, dass die Menschen
wenig konkretes Wissen zu FGM, den Hintergründen und Auswirkungen haben. Es braucht darum breit
abgestützte Kampagnen auf lokaler Ebene, um die Menschen und ihre Gemeinschaften zu erreichen und
zu sensibilisieren.
Ich beobachte, dass wichtige Impulse für Veränderungen auch von aussen kommen: Intellektuelle oder
Vertreter der somalischen Diaspora, die Erfahrungen aus anderen Regionen und Kulturen mitbringen; aus
Europa oder aus islamischen Ländern wie Saudiarabien, wo FGM verboten ist. Auch Migration innerhalb
Somalias kann Veränderungen fördern. Dies ist z.B. die Situation, wo Menschen aus ländlichen Regionen
in Städte migrieren – oft als Flüchtlinge – und dort in einer urbaneren Gesellschaft dazu angeregt werden,
ihre Haltungen zu FGM zu überdenken. Doch Verhaltensänderungen brauchen Zeit und sind nicht getan
mit einmaligen Kampagnen oder Begegnungen.
Wichtig ist auch die Auseinandersetzung mit den direkten Akteurinnen: Solange die Durchführung von
Beschneidungen die einzige Einkommensquelle ist, werden die „Praktizierenden“ kaum freiwillig darauf
verzichten. Gegen FGM ankämpfen bedingt, diesen Frauen Alternativen zu bieten und sie im Aufbau einer
Existenzgrundlage zu unterstützen. (Anm. Verfasserin)
Und schliesslich braucht es die Politik und Gesetzgeber: In vielen Ländern wurde Genitalverstümmelung
verboten. Somalia muss diesen Weg gehen und Exponenten der Politik müssen sich klar dazu bekennen.
Mit der Ausbildung von professionellen Hebammen und Fachleuten im Gesundheitsbereich leisten wir
einen konkreten Beitrag im Kampf gegen FGM: Die Schulung orientiert sich an modernen professionellen
Standards und die Auseinandersetzung mit gesundheitsschädlichen Praktiken und vor allem FGM ist Teil
dieser Ausbildung. Die jungen Hebammen werden ihren Patientinnen in unseren Gesundheitszentren
professionelle Betreuung und Hilfe anbieten und auch zu Verhaltensänderungen bei den Betroffenen und
ihrem Umfeld anregen.
Zusammengefasst von Ruth Daellenbach nach einem Interview mit Dr. Hersi / März 2015
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