Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation

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Max-Planck-Institut
für Dynamik und Selbstorganisation
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Datum: 15. März 2011
Schneller im Team
Göttinger Wissenschaftler entdecken, warum Neuronen Meister der
Datenverarbeitung sind.
Gruppen von Neuronen in der Großhirnrinde können deutlich schnellere Signale
verarbeiten und weiterleiten als lange vermutet. Für diesen erstaunlichen experimentellen
Fund haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation
(MPIDS), vom Bernstein Center for Computational Neuroscience Göttingen und von der
Universität Göttingen jetzt erstmals eine Erklärung gefunden. Ihre theoretischen
Berechnungen zeigen, dass allein die Geschwindigkeit, mit der ein einzelnes Neuron ein
Signal abfeuert, die Kommunikationsgeschwindigkeit einer Gruppe begrenzt.
Neuronenverbunde können somit mit einigen hundert Einzelreizen pro Sekunde umgehen.
Von ihren Ergebnissen berichten die Göttinger Wissenschaftler in der Fachzeitschrift
Physical Review Letters.
(Physical Review Letters, 106, 088102 (2011))
Jedes Neuron in der Großhirnrinde steht unter „Dauerbeschuss“: Es empfängt ständig elektrische
Pulse, so genannte Spikes, von etwa 10000 anderen Nervenzellen, leitet selbst aber nur etwa
zehnmal pro Sekunde einen eigenen Puls weiter. Nach getaner Arbeit benötigt jedes Neuron
danach eine kurze Erholungszeit: Treffen in direkter Folge nach einem eigenen Spike weitere
Pulse die Zelle, ist sie noch nicht wieder aufnahmebereit und kann die neue Information nicht
verarbeiten. Das Neuron verstummt. Bisher gingen Wissenschaftler deshalb davon aus, dass die
Großhirnrinde nur Signale mit Frequenzen von bis maximal 20 Hertz bewältigen kann. Doch
jüngste Experimente haben gezeigt, dass Gruppen von Neuronen deutlich schneller reagieren
können als gedacht. Sie kommen mit Signalen von bis zu 200 Hertz zurecht. Eine Erklärung für
dieses Verhalten gab es bisher nicht.
„Damit ein theoretisches Modell dieses Verhalten erklären kann, muss es die Dynamik der
elektrischen Ströme in der Zellmembran genau berücksichtigen“, erklärt Prof. Dr. Fred Wolf vom
MPIDS den Ansatz seiner neuen Studie. Trifft ein Spike an einer Nervenzelle ein, baut sich eine
elektrische Spannung an der Zellwand auf. Wegen der Vielzahl der ankommenden Pulse fluktuiert
diese Spannung permanent. Doch erst wenn sie einen bestimmten Wert überschreitet, entscheidet
sich das Neuron, ebenfalls einen Puls abzufeuern. Dieser Prozess des Abfeuerns dauert nur
wenige Bruchteile einer Millisekunde.
Den Göttinger Wissenschaftlern ist es nun erstmals gelungen, diesen komplizierten Ablauf in ein
Modell so einzubeziehen, dass zu einem eingehenden Signal die Antwort einer Neuronengruppe
direkt berechnet werden konnte. „Leitet die Gruppe kein Ausgangssignal mehr weiter, ist dies ein
Zeichen, dass das Eingangssignal zu schnell war und die Neuronen überfordert hat“, erklärt Dr.
Wei Wei vom MPIDS den Grundgedanken des Modells. Die Rechnungen der Forscher zeigen,
dass keinesfalls die Dauer der Erholungsphase die Geschwindigkeit der neuronalen
Kommunikation begrenzt. Denn während sich ein Neuron erholt, kann ein anderes einspringen.
Eine obere Grenze für die Verarbeitungsgeschwindigkeit hängt stattdessen nur von der deutlich
kürzeren Zeit ab, die das Neuron zum Aufbau eines Pulses benötigt. Teams von Neuronen können
somit problemlos hochfrequente Signale von einigen hundert Hertz empfangen und weiterleiten.
Die neuen Ergebnisse könnten unter anderem von großer Bedeutung für die
Entwicklungsneurobiologie sein. Schon lange wissen Forscher, dass bei Säuglingen und
Jungtieren visuelle Erfahrungen erst ab einem bestimmten Alter neue Verknüpfungen der
Nervenzellen in der Großhirnrinde auslösen. „Die allerersten Reize hingegen verändern die
Architektur des Neuronennetzes kaum“, erklärt Prof. Dr. Siegrid Löwel, Neurobiologin an der
Universität Göttingen. Mithilfe der neuen Ergebnisse ließe sich dieses Phänomen nun im Prinzip
erklären. Denn das Knüpfen neuer Verbindungen funktioniert nur dann zuverlässig, wenn die
Neuronen möglichst schnell und präzise auf eingehende Sinnesinformationen reagieren können.
Sollte sich im Experiment herausstellen, dass die Neuronen von Jungtieren nicht so schnelle
Signale verarbeiten können wie die ausgewachsener Tiere, würde dies diese Erklärung bestätigen.
Abbildung 1: Neuronen in der
Großhirnrinde empfangen
tausende, synaptische Signale von
anderen Zellen. Dieses so
genannte „synaptische
Bombardement“ führt dazu, dass
der elektrische Strom in die Zelle
stark fluktuiert.
Grafik: MPIDS, Hintergrund:
Thomas Dresbach/University
Göttingen
Abbildung 2: Prof. Dr. Siegrid
Löwel, Dr. Wei Wei und Prof.
Dr. Fred Wolf (von links)
diskutieren die neuen
Ergebnisse.
Foto: MPIDS
Originalveröffentlichung:
Wei Wei and Fred Wolf:
Spike Onset Dynamics and Response Speed in Neuronal Populations
Phys. Rev. Lett. 106, 088102 (2011)
http://prl.aps.org/pdf/PRL/v106/i8/e088102
Kontakt:
Dr. Birgit Krummheuer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Tel.: 0551 5176-668
Mobil: 0173 3958625
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Fred Wolf
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und
Universität Göttingen
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E-Mail: [email protected]
Dr. Wei Wei
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Tel.: 0551 5176-421
E-Mail: [email protected]
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