DFG-Rundgespräch „Geowissenschaftliche Forschung in

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DFG-Rundgespräch
„Geowissenschaftliche Forschung
in den Polargebieten“
Zusammenfassungen der Vorträge
25.02.2014
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen
Inhalt
Nutzung der Infrastruktur des AWI ......................................................................................................... 2
Die Polarforschung der BGR .................................................................................................................... 3
Das DFG-SPP 1158: Antarktisforschung mit vergleichenden Untersuchungen in arktischen Eisgebieten
................................................................................................................................................................. 4
Der Arbeitskreis „Geologie und Geophysik der Polargebiete“ der "Deutschen Gesellschaft für
Polarforschung" - eine bewährte Koordinationsplattform für die deutsche geowissenschaftliche
Polarforschung ........................................................................................................................................ 5
Die Polarforschungsaktivitäten des Arbeitskreises Permafrost in der DGP ............................................ 6
Wissenschaftliches Bohren in den Polargebieten: ANDRILL, IODP & ICDP ............................................. 7
Deutsches Nationalkomitee SCAR/IASC .................................................................................................. 9
Aufschlüsse zur Weltraumphysik und Eismassendynamik aus magnetischen und seismologischen
Beobachtungen in der Arktis ................................................................................................................. 10
Dynamik der Eisschilde und Massenbilanzen........................................................................................ 11
Dynamische Permafrost-Regionen: Kohlenstoff-, Energie- und Wasserflüsse ..................................... 12
Langfristige Klimaänderungen auf tektonischen Zeitskalen ................................................................. 13
Zirkumpolare Klimavariabilität und globale Telekonnektion auf säsonalen-orbitalen Zeitskalen ........ 14
Paläoklimamodelle ................................................................................................................................ 15
Klimawandel und Geopolitik in der Arktis ............................................................................................. 16
Junge und schnelle Umweltveränderungen im Nordpolarmeer und Wechselwirkungen mit den
angrenzenden Eurasischen Landgebieten (Tischvorlage) ..................................................................... 18
Abkürzungen
ANDRILL
Antarctic Geological Drilling
AWI
Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung,
Bremerhaven
BGR
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover
DGP
Deutsche Gesellschaft für Polarforschung e.V.
GEOMAR
Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
GFZ
Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches Geoforschungszentrum
ICDP
International Continental Scientific Drilling Program
IODP
International Ocean Discovery Program
KIT
Karlsruher Institut für Technologie
SCAR
Scientific Committee on Antarctic Research
ISAC
International Arctic Science Committee
1
Nutzung der Infrastruktur des AWI
Ralf Tiedemann und Uwe Nixdorf (AWI)
Der Zugang zu den Polarregionen setzt eine leistungsfähige und auf die spezifischen Erfordernisse
abgestimmte Infrastruktur voraus. Das AWI betreibt das Forschungs- und Versorgungsschiff
Polarstern, zwei Forschungsflugzeuge, je eine permanent besetzte Station in der Arktis und Antarktis
sowie Sommerstationen, die für spezielle wissenschaftliche Fragestellungen langfristig eingerichtet
sind. Folgende Plattformen stehen für die Nutzung von Universitäten und anderen
Forschungseinrichtungen zur Verfügung:

Forschungseisbrecher FS Polarstern, ausgerüstet für biologische, geologische,
geophysikalische, glaziologische, chemische, ozeanographische und meteorologische
Forschungsarbeiten. Aktuelle Fristen und weitere Informationen zur Einreichung von
Fahrtvorschlägen sind unter http://www.awi.de/de/infrastruktur/schiffe/polarstern/
verfügbar. Die Fahrtvorschläge sind über das Portal deutsche Forschungsschiffe einzureichen.

Die antarktische Neumayer-Station III (Atka Bucht) und die arktische Station AWIPEV in
Spitzbergen werden mit ihren angegliederten Observatorien ganzjährig betrieben und dienen
auch als logistische Stützpunkte für Expeditionen. Allgemeine Informationen, Beratung und
Unterstützung zu geplanten Expeditionseinsätzen liefert die AWI-Logistikabteilung:
http://www.awi.de/de/infrastruktur/informationen_fuer_expeditionsteilnehmer/

Die deutsch-argentinische Dallmann-Station auf der King George Insel (im Bereich der
antarktischen Halbinsel) bietet während des Südsommers bis zu zwölf Biologen, Geologen
und Geographen Unterbringung und Arbeitsmöglichkeiten. Aktuelle Informationen,
Formblätter und Unterlagen zur Antragstellung sind unter folgender Adresse erhältlich:
http://www.awi.de/de/institut/allgemeine_dienste/logistik/informationen_fuer_expeditions
teilnehmer/dallmann_labor/

Für die Nutzung der Forschungsflugzeuge Polar 5 und 6 werden vom AWI allerdings Kosten
pro Flugstunde (ca. 5500 €) in Rechnung gestellt, da der Betrieb der Flugzeuge nicht über die
LK II abgedeckt wird. Antragsformulare und eine Liste der verfügbaren Instrumente sind
unter folgender Adresse abzurufen: http://www.awi.de/de/infrastruktur/fluggeraete/
Die Abteilung Logistik und Forschungsplattformen des AWI koordiniert Vorbereitungen und
Expeditionsabläufe, entwickelt und realisiert technische Vorhaben für die Polarexpeditionen und
rüstet in jedem Jahr mehr als 800 Expeditionsteilnehmer aus. Für den Betrieb der
Forschungsplattformen werden technische und logistische Leistungen im Rahmen von
Betriebsführungsverträgen erbracht. Diese umfassen den Flug- und Schiffsbetrieb, Personaleinsatz,
Wartungs- und Reparaturarbeiten, Betreuung und Weiterentwicklung wissenschaftlich-technischer
Systeme und EDV-Anlagen sowie Bereitstellung von Verpflegung und Treibstoffen. Die externe
Nutzung der AWI-Forschungsplattformen durch Universitäten und andere Forschungseinrichtungen
lag im Jahr 2012 deutlich über 50%.
2
Die Polarforschung der BGR
Andreas Läufer (BGR)
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist als Fachbehörde des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) die zentrale wissenschaftlich-technische
Institution zur Beratung der Bundesregierung in allen georelevanten Fragestellungen.
Seit 1979 führt die BGR geowissenschaftliche Forschungsarbeiten in der Antarktis in Zusammenarbeit
mit deutschen und ausländischen Universitäten und Institutionen durch. Die regionalen Schwerpunkte
lagen im Nord-Victoria-Land und im angrenzenden Rossmeer (GANOVEX: German Antarctic North
Victoria Land Expedition). Als Basis betreibt die BGR dort seit 1980 und 1983 zwei Sommerstationen,
die Lillie-Marleen-Hütte und die Gondwana-Station. Außerdem organisierte die BGR Expeditionen in
die Shackleton Range, das zentrale Transantarktische Gebirge und die Ostantarktis. Die BGR war bzw.
ist an zwei internationalen Forschungsbohrungen im Rossmeer beteiligt - dem Cape-Roberts-Projekt
und ANDRILL. Ziel der Antarktisforschung der BGR ist die Untersuchung der Lithosphäre des Kontinents
und seiner Ränder, um Erkenntnisse über die Frühgeschichte der Erde zu erhalten, insbesondere über
die Bildung und den Zerfall des Superkontinents Gondwana und dessen Vorläufer Rodinia und über die
Herausbildung des heutigen antarktischen Kontinents. Die BGR trägt damit wesentlich zu den
angestrebten wissenschaftlichen Hauptzielen der deutschen Antarktisforschung bei.
Seit 1992 führt die BGR außerdem das international erfolgreiche Programm CASE (Circum-Arctic
Structural Events) in der bis heute geowissenschaftlich noch weitgehend wenig erforschten Arktis
durch. Als überregionaler Arbeitsschwerpunkt wurde die Geodynamik der Randbereiche des
Arktischen Ozeans und deren plattentektonische Entwicklung gewählt. Neben der Strukturgeologie
sind die petrographisch-geochemische Analyse der arktischen Vulkanitprovinzen und die
aeromagnetische Aufnahme der eis- oder wasserbedeckten Gebiete weitere Arbeitsschwerpunkte.
Im Gegensatz zu den ausdrücklich grundlagenorientierten Arbeiten in der Antarktis, dient die
Arktisforschung der BGR unter anderem auch der Abschätzung des Rohstoffpotentials in diesem noch
weitgehend schlecht erforschten Frontiergebiet. Mittlerweile CASE-Programm auf 15 größere und
einige kleinere Expeditionen in beinahe alle den Arktischen Ozean umgebenen Staaten zurückblicken.
Die Forschungsaktivitäten der BGR in den Polargebieten sind in zum Teil langfristige internationale
Kooperationsverträge und Abkommen eingebunden. Gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut
für Polar- und Meeresforschung (AWI) hält die BGR den Konsultativstatus Deutschlands innerhalb des
Antarktisvertrages und ist damit verpflichtet, regelmäßige Forschungsexpeditionen in die Antarktis
durchzuführen. Es existiert hier eine Aufgabenteilung zwischen AWI und BGR. Der BGR fällt
insbesondere die terrestrische geowissenschaftliche Komponente der Antarktisforschung zu. Die
Forschungsarbeiten und die Bereitstellung der Logistik durch die BGR ermöglicht die Realisierung
zahlreicher Projekte deutscher Universitäten, die durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
gefördert werden. Die Erkenntnisse und Erfahrungen, die die BGR in der Polarforschung gewinnt,
dienen der Beratung der Bundesressorts und werden in internationale Gremien (z.B. ATCM, SCAR)
eingebracht. In der BGR ist die deutsche Filiale des SCAR Seismic Data Library System angesiedelt. Auf
Bitte des Nationalkomitees SCAR / IASC richtet die BGR seit 2007 das Nationale Polarprobenarchiv
(NAPA) ein, in dem geowissenschaftliche Proben aus den Polargebieten zentral für weitere
Untersuchungen gelagert werden.
3
Das DFG-SPP 1158: Antarktisforschung mit vergleichenden Untersuchungen in
arktischen Eisgebieten
Martin Melles (Univ. Köln), Frank Lisker (Univ. Bremen), Ulf Karsten (Univ. Rostock), Boris Koch
(AWI/HS Bremerhaven)
In Deutschland findet seit 1981 eine koordinierte DFG-Förderung der Polarforschung statt. Sie erfolgt
im Rahmen eines Schwerpunktprogramms (SPP), das zwischenzeitlich in ein „Koordiniertes
Programm“ überführt war. Die Programme sind seit Anbeginn multidisziplinär angelegt, mit einer
Gliederung in die drei Teilgebiete Physik/Chemie, Biologie und Geowissenschaften. Sie kamen und
kommen vor allem universitären Polarforschern zu Gute, welche dank dieser Förderinstrumente die
für die Forschungsarbeiten zwingend erforderliche, vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) und von der
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zur Verfügung gestellte Polarlogistik (u.a.
Forschungsschiff „Polarstern“, Forschungsstationen und Polarflugzeuge) nutzen können. Die SPPFörderung beschränkte sich in den ersten Jahren auf die Antarktisforschung, 1997 wurde sie auf
vergleichende Untersuchungen in der Arktis ausgedehnt.
Die koordinierte DFG-Förderung der Polarforschung hat sichergestellt, dass eine große Zahl
deutscher Wissenschaftler aus nahezu allen naturwissenschaftlichen Teildisziplinen und zahlreichen
universitären und außeruniversitären Einrichtungen bedeutende Beiträge zu den drängenden
wissenschaftlichen Fragen in den Polargebieten leisten konnten. Über die DFG-Programme wurden
nicht nur die für die Forschung benötigten Finanzmittel zur Verfügung gestellt, sondern auch der
Rahmen für eine koordinierte, häufig interdisziplinäre Forschung bereitet und die internationale
Einbindung gefördert. Das wäre mit dem Werkzeug des Normalverfahrens nicht in gleicher Weise zu
leisten gewesen. Außerdem hat die starke Einbindung der Universitäten dazu geführt, dass die
spezifischen Themen in den Polarregionen heute in vielen Studiengängen einen festen Bestandteil
der Lehrveranstaltungen darstellen, und dass eine hinreichend große Zahl an gut ausgebildeten, hoch
qualifizierten und motivierten Nachwuchswissenschaftlern für die wachsenden Aufgaben in der
Polarforschung zur Verfügung steht. Damit haben die polaren Förderprogramme der DFG maßgeblich
dazu beigetragen, dass die deutsche Wissenschaft, trotz des relativ späten Wiedereinstiegs in die
Polarforschung nach dem 2. Weltkrieg, im internationalen Vergleich rasch einen Platz in der
Spitzengruppe erreichen und bis heute halten konnte.
Der relative Anteil an geowissenschaftlichen Anträgen im SPP 1158 ist in den letzten Jahren mit etwa
25 % etwas geringer Zahl als der Anteil an Anträgen aus den Bereichen Physik/Chemie und Biologie.
Die Bewilligungsquote ist im langjährigen Mittel mit den anderen Disziplinen vergleichbar. Sie ist aber
stark variabel und aufgrund steigender Antragszahlen tendenziell rückläufig. Die geförderte
geowissenschaftliche Forschung umfasst ein sehr breites Spektrum. Besondere Sichtbarkeit haben
die Forschungsbeiträge zu größeren nationalen und internationalen Forschungsprogrammen erlangt,
wie zu GANOVEX (German Antarctic North Victoria Land Expedition), EPICA (European Project for Ice
Coring in Antarctica), ANDRILL (Antarctic Geological Drilling Program) oder dem marinen
biogeochemischen Programm GEOTRACES.
Weiter gehende Informationen und eine Dokumentation der SPP-Aktivitäten in den letzten Jahren
finden sich unter http://www.spp-antarktisforschung.de .
4
Der Arbeitskreis „Geologie und Geophysik der Polargebiete“ der "Deutschen
Gesellschaft für Polarforschung" - eine bewährte Koordinationsplattform für
die deutsche geowissenschaftliche Polarforschung
Solveig Estrada (BGR) und Martin Melles (Universität Köln)
Ziel des Arbeitskreises „Geologie und Geophysik der Polargebiete” bei der Deutschen Gesellschaft für
Polarforschung (DGP) ist es, den Informationsaustausch zwischen deutschen Geowissenschaftlern,
die in den Polarregionen arbeiten, zu fördern und polarbezogene geowissenschaftliche
Forschungsprogramme aufzulegen. Die Gründung des Arbeitskreises im Jahre 1983 markiert den
Beginn der modernen deutschen geowissenschaftlichen Polarforschung. Sie erfolgte, nachdem die
Bundesrepublik dem Antarktisvertrag beigetreten, das Schwerpunktprogramm „Antarktisforschung”
der DFG erstmals aufgelegt, das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)
eingerichtet, das Forschungsschiff „Polarstern” in Betrieb genommen worden war und die BGR die
GANOVEX-Landexpeditionen in der Antarktis gestartet hatte.
Im Arbeitskreis sind Geowissenschaftler verschiedener Disziplinen vertreten, die in Einrichtungen wie
dem AWI, der BGR, und Universitätsinstituten tätig sind oder waren. Der Arbeitskreis steht gemäß
der Satzung der DGP auch interessierten Laien offen. Eine Mitgliedschaft in der DGP ist jedoch keine
zwingende Voraussetzung für die Teilnahme am Arbeitskreis. Die meist zweitägigen Treffen des
Arbeitskreises finden einmal jährlich an wechselnden Orten statt. Dabei werden erste Ergebnisse von
laufenden Projekten in der Antarktis und Arktis, technologische, methodische und logistische
Möglichkeiten sowie neue Projektideen vorgestellt und diskutiert. Studenten und junge
Wissenschaftler haben hier Gelegenheit, Kontakte zu erfahrenen Polarforschern herzustellen.
Eine Aufgabe des Arbeitskreises ist die Erarbeitung von programmatischen Schriften, die
Perspektiven der geowissenschaftlichen Polarforschung im Rahmen des Polarforschungsprogrammes
der Bundesregierung aufzeigen. Zurzeit arbeitet eine Redaktionsgruppe an einer Nachfolgeschrift für
die Strategieschrift aus dem Jahre 1999 "Geowissenschaftliche Polarforschung – mittel- bis
langfristige Perspektiven in der deutschen Polarforschung", die den neuen Forschungsergebnissen
und gesellschaftlichen Erfordernissen besonders seit dem Internationalen Polarjahr (2007/08)
Rechnung tragen soll.
Der Arbeitskreis beteiligt sich an den 2 ½-jährlich stattfindenden Internationalen Polartagungen der
DGP und unterstützt Geo-Tagungen mit eigenen Sessions (wie Würzburg 2002, Hannover 2012 und
geplant Frankfurt 2014). Auf Anregung von Wissenschaftlern des Arbeitskreises wurde ein Nationales
Polarprobenarchiv an der BGR eingerichtet, in dem Festgesteinsproben, die von deutschen
Polarforschern gesammelt wurden, langfristig gelagert und weiter wissenschaftlich genutzt werden
können.
Termine, Anmeldeformulare und die Berichtshefte zu den Treffen des Arbeitskreises sind auf der
Internet-Seite der DGP frei verfügbar (http://www.dgp-ev.de/ak1-geologie-geophysik.html). Das
nächste, nunmehr 37. Treffen des Arbeitskreises findet am 8. und 9. Mai 2014 in der BGR Hannover
statt.
5
Die Polarforschungsaktivitäten des Arbeitskreises Permafrost in der DGP
Lutz Schirrmeister (AWI, Potsdam)
Mit zunehmender globaler Erwärmung rückte das Thema Permafrost in das öffentliche Bewusstsein.
In den letzten anderthalb Jahrzehnten wurden im Rahmen verschiedener gemeinsamer DFG und
BMBF Projekte Permafrostphänomene und -prozesse durch Arbeitsgruppen von deutschen
Universitäten und Großforschungseinrichtungen untersucht.
Thematisch deckt der Arbeitskreis Permafrost in der Deutschen Gesellschaft für Polarforschung die
gesamte Breite der Permafrostforschung von den Polarregionen über das Tibet-Plateau bis zum
Gebirgspermafrost ab. In den Polarregionen bewirkt tauender Permafrost weitgreifende
Landschaftsveränderungen durch Oberflächenabsenkungen, eine Zunahme der Küstenerosion sowie
die Intensivierung der Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre. In den Hochgebirgen sind hohe
Murenaktivitäten und eine Zunahme von Felsstürzen deutliche Anzeichen für die Sensitivität des
alpinen Permafrosts. Die Mitglieder des Arbeitskreises kommen aus sechszehn deutschen
Universitäten und drei Großforschungseinrichtungen sowie weiteren sechs Schweizer und
österreichischen Forschungsinstituten. Der Arbeitskreis will den Informationsaustausch zwischen
deutschsprachigen Wissenschaftlern, die sich mit Fragen des Permafrostes befassen, fördern und
gemeinsame Projekte initiieren und koordinieren. Eng verknüpft mit dem Arbeitskreis Permafrost ist
die Deutsch- Österreichisch-Schweizer Abteilung (DACH) des Permafrost Young Researchers Network
(PYRN) der International Permafrost Association (IPA).
In den arktischen Permafrostgebieten ist etwa ein Drittel des weltweiten organischen
Bodenkohlenstoffs gespeichert. Ein Teil davon wird durch Mikroorganismen zu Treibhausgasen wie
Methan und Kohlendioxid umgewandelt. Messungen haben gezeigt, dass schon ein geringer Anstieg
der Temperatur einen deutlichen Anstieg der Methanbildung bewirken kann. Um die Veränderungen
von Permafrostküsten zu erkunden und die verstärkten Einträge an Sediment, Kohlenstoff und
Schadstoffen in die arktischen Küstenmeere und den Ozean abschätzen zu können, wurde mit der
Einrichtung eines internationalen zirkumarktischen Netzwerks von Küstenobservatorien begonnen.
An der deutsch-russischen Forschungsstation „Samoylov” im Lena-Delta und auf Spitzbergen wurden
Langzeitmessungen durchgeführt, bei denen vor allem die Transportprozesse von Wärme und
Wasser in verschiedenen arktischen Ökosystemen untersucht wurden. Zur Landzeiterfassung des
Temperaturzustands des sibirischen Permafrosts wurden gemeinsam mit russischen Kollegen
mehrere Bohrungen abgeteuft und mit Temperatursonden instrumentiert. Während zahlreicher
Landexpeditionen in die sibirische und die kanadische Arktis sowie nach Alaska werden gefrorene
Sedimentsequenzen untersucht, um ein Bild der Permafrostdynamik während vergangener
Klimaschwankungen zu erhalten.
6
Wissenschaftliches Bohren in den Polargebieten: ANDRILL, IODP & ICDP
C. Gaedicke, G. Kuhn, K. Gohl, A. Läufer, F. Niessen, M. Melles, J. Erbacher, U. Röhl, R. Stein,
U. Harms
ANDRILL
ANDRILL (Antarctic Geological Drilling Program) ist ein langfristig ausgelegtes internationales
Forschungsprogramm, in seiner Struktur ähnlich organisiert wie IODP oder ICDP, unter bisheriger
Federführung der National Science Foundation (NSF) der USA. ANDRILL untersucht die bedeutende
Rolle der Antarktis bei den während der jüngeren Erdgeschichte (<60 Ma) bis heute ablaufenden
globalen Umweltveränderungen durch die Rekonstruktion des klimatischen, tektonischen und
glazialen wechselhaften Geschehens aus hochauflösenden Sedimentkernen mit herausragenden
Kerngewinnen von 98%. Das Programm wird von den USA, Neuseeland, Italien, Großbritanien,
Brasilien Südkorea und Deutschland getragen. In den vorangegangenen ANDRILL Bohrungen lieferten
(1) das McMurdo Ice Shelf (MIS) Projekt mit dem bisher längsten Sedimentkern aus der Antarktis von
1285 mbsf einen detailierten Klimarecord der Westantarktis über die letzten ca. 14 Ma, während (2)
das Southern McMurdo Sound (SMS) Projekt einen 1139 m langen Kern erbohrte, der die Geschichte
des Westantarktischen Eisschildes bis vor etwa 20 Ma widerspiegelt und in dem das Mittelmiozäne
Klimaoptimum enthalten ist. An beiden Projekten beteiligten sich neben BGR und AWI auch
Wissenschaftler der Universitäten Göttingen, Leipzip und Jena.
Das Coulman-High-Projekt (CHP) hat jetzt zum Ziel, Sedimente des Eozäns bis Miozäns des westlichen
Rossmeers von einer auf dem Schelfeis stehenden Plattform aus zu erbohren. Diese Zeitspanne
beinhaltet wesentliche klimatische und tektonische Veränderungen in der Antarktis sowie weltweit,
wie z.B. den Übergang von einem Treibhaus- zu einem Kühlhaus-Klima an der Eozän-Oligizän-Grenze.
Die Lokation liegt auf dem Coulman High zwischen dem Victoria Land Basin und dem Central Trough
des Westantarktischen Riftsystems, etwa 125 km nordöstlich der US-Antarktisstation McMurdo. Das
Ross-Schelfeis hat dort eine Dicke von etwa 270 m über einer Wassertiefe um 850 m und bewegt sich
relativ schnell mit etwa 2 m am Tag nordwärts.
Wesentliche wissenschaftliche Themen des Projektes zu dem jetzt zusätzliche zum NSF- auch ein
ICDP-Antrag eingereicht wurde sind
1) die Reaktionen des instabilen West Antarktischen Eisschildes auf Schwellenwerte im
Klimasystem,
2) die Reaktionen des kontinentalen oligozänen Eisschildes auf moderate CO2
Konzentrationsänderungen,
3) der Übergang vom Eozän zum Oligozän und die frühe Geschichte kontinentaler Eiskappen in
der West Antarktis,
4) Strukturelle und tektonische Geschichte des West Antarktischen Rift Systems und das
heutige Stress-Regime,
5) und die Antarktis im eozänen Treibhausklima während hoher CO2 Konzentrationen in der
Atmosphäre.
7
ICDP
In der Arktis hat das internationale "El´gygytgyn Drilling Project", in dem Deutschland eine
federführende Rolle eingenommen hat, wesentliche neue Erkenntnisse zur Klima- und
Umweltgeschichte geliefert. Die Bohrungen wurden im El´gygytgyn-Krater abgeteuft, der vor 3,6 Mill.
Jahren durch einen Meteoriteneinschlag entstanden ist. Da sich der Krater rasch mit Wasser gefüllt
hat und seitdem weder vergletschert noch ausgetrocknet ist, hat sich an am Grund des ElgygytgynSees kontinuierlich eine Sedimentabfolge gebildet, welche die Klima- und Umweltgeschichte seit
dem Pliozän lückenlos und mit großer Sensitivität widerspiegelt. Die wichtigsten Erkenntnisse aus der
Bearbeitung des Seesediment-Kernmaterials sind eine stufenweise Abkühlung des Klimas im
Übergang vom Pliozän zum Pleistozän sowie das unregelmäßige Auftreten von außergewöhnlich
warmen und feuchten Interglazialen (Super-Interglazialen), die ihre Ursache in Kalbungsereignissen
des Westantarktischen Eisschildes haben könnten (Melles et al. 2012, Brigham-Grette et al. 2013).
IODP
Im Jahr 2004 begann mit der Arctic Coring Expedition (ACEX, IODP Expedition 302) - der ersten
Mission Specific Platform (MSP) Expedition innerhalb des IODP - eine neue Phase der
Arktisforschung. Nach der erfolgreichen Bohrungskampagne diente eine Reihe von Workshops der
Entwicklung von neuen Bohrvorschlägen. Ziel der Projekte ist es, die tektonische und
paläozeanographische Geschichte des Arktischen Ozeans und seine Rolle im globalen Klimasystem zu
verstehen. Ergebnisse der Workshops sind Bohrvorschläge für die laufende Phase des IODP:
680-Full
Bering Strait Climate Change
S. Fowell (USA)
708-Full1
Central Arctic Paleoceanography*)
R. Stein (Germany)
750-Pre
Bering Sea Sea Level
L. Polyak (USA)
753-Pre2
Beaufort Sea Paleoceanography
M. O’Regan (Sweden)
756-Pre2
Arctic Ocean Exit Gateway
M. Jakobsson (Sweden)
797-Pre2
Alaska Beaufort Margin
C. Ruppel (USA)
806-Pre2
Beaufort Gas Hydrate
S. Dallimore (Canada)
*) send out for external review on January 09, 2014
1
German Lead proponent
2
German Co-proponents
8
Deutsches Nationalkomitee SCAR/IASC
Univ.-Prof. Dr. Günther Heinemann (Umweltmeteorologie, Universität Trier; Vorsitzender NKSCAR/IASC)
Das Präsidium der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat im Januar 1992 den Landesausschuss
SCAR/IASC eingerichtet (seit 2014 Nationalkomitee SCAR/IASC). Das Deutsche Nationalkomitee
SCAR/IASC (NK-SCAR/IASC) dient als nationales Korrespondenzorgan zum Scientific Committee on
Antarctic Research (SCAR) und zum Internationalen Arctic Science Committee (IASC).
Das NK-SCAR/IASC plant und koordiniert die Aktivitäten der deutschen Hochschulforschung auf dem
Gebiet der Polarforschung zusammen mit dem Alfred-Wegener-Institut sowie den betreffenden
Bundeseinrichtungen, welche auch die notwendige Logistik für die Hochschulforschung zu Verfügung
stellen. Das NK-SCAR/IASC vertritt die DFG und die Interessen der deutschen Polarforschung in
internationalen Gremien und Arbeitsgruppen. Mitglieder in den SCAR- und IASC-Arbeitsgruppen,
dem European Polar Board und SAON werden vom NK-SCAR/IASC benannt. Die Direktorin des AWI
und der Vorsitzende des NK-SCAR/IASC sind die beiden Delegierten für Deutschland in SCAR. Das NKSCAR/IASC ist zuständig für die Vergabe von geographischen Namen in der Antarktis für den
deutschen Sprachraum.
9
Aufschlüsse zur Weltraumphysik und Eismassendynamik aus magnetischen
und seismologischen Beobachtungen in der Arktis
C. Stolle, O. Ritter, W. Hanka, M. Weber (GFZ Potsdam), J. Matzka (DTU Space, Technical University of
Denmark)
Wir berichten über unsere Erfahrung mit den Magnetometernetzwerken in der Arktis, von der
Logistik und Messtechnik bis zur Datenanalyse. Die polaren Gebiete sind bei der Erforschung der
solarterrestrischen Beziehungen von besonderem Interesse. Hier fließen regelmäßig starke
elektrische Ströme in der Ionosphäre in einer Höhe von ca. 110km, u.a., der aurorale Strahlstrom. Zu
Zeiten von magnetischen Stürmen verstärken sich die Ströme um ein Vielfaches. Aufgrund der Form
des Erdmagnetfeldes ist die polare Ionosphäre durch feldparallele Ströme direkt mit dem
magnetosphärischen Stromsystem in mehreren Erdradien Entfernung verbunden, und es treten
direkte Verbindungen zum Sonnenwind zumeist auf der Tagseite auf.
Bodengestützte Magnetfeldmessungen werden genutzt, um Stärke und Richtung der Ströme zu
bestimmen. Als Indikatoren für den Zustand der Magnetosphäre und des Sonnenwindes leisten sie
einen erheblichen Beitrag zur Beobachtung des Weltraumwetters. Zudem dienen diese
Magnetometer-daten der zeitlichen Reduktion von marinen und aeromagnetischen Messungen und
der Überwachung der Säkularvariation des Erdmagnetfeldes sowie zur Unterstützung von
magnetischen Satellitenmissionen. Im zweiten Teil des Vortrages wird das Greenland Ice Sheet
Monitoring Network und der Beitrag des GFZ zu diesem seismologischen Netzwerk vorgestellt. Dabei
geht es neben der Beobachtung globaler und regionaler Erdbeben um die Charakterisierung von
eisinduzierten Erdbeben, Eisbeben und anderen kryoseismischen Phänomenen, die in Kombination
mit Satelliten-, GPS-, Gravimetrie- und Eisradarbeobachtungen zu einer besseren Beschreibung der
Eismassendynamik führen.
10
Dynamik der Eisschilde und Massenbilanzen
Angelika Humbert und Frank Wilhelms (AWI)
Die Dynamik von Eisschilden und die Veränderungen der Dynamik und Massenbilanzen von
Eisschilden sind von besonderer Bedeutung für den Beitrag der Eisschilde zum Meeresspiegel. Hierfür
sind Beobachtungen und Modellierungen auf vielen verschiedenen Skalen notwendig, beginnend mit
der Mikroskala, der Skala der einzelnen Eiskristalle bis hin zur Makroskala die ganze Eisschilde
betrachtet. Neben der Verbesserung des Systemverständnis, beinhaltet dies auch eine Verbesserung
Prozessverständnisses.
Auf der Mikroskala werden Fragestellungen bearbeitet, wie die Mechanismen der Verdichtung von
Firn, die Deformationseigenschaften von polykristallinem Material mit der Suche nach einem neuen,
integrativem Fließgesetz für Eis und die Rückstreueigenschaften von Schnee, Firn und Eisoberflächen.
Hierzu werden mit Computertomographen Analysen der Dichte von Firnkernen durchgeführt und mit
Messungen der Verunreinigungen verbunden, um die Mechanismen der Metamorphose von Firn zu
Eis zu untersuchen. Die Mikrostruktur eines zukünftigen physikalischen Tiefkerns EastGRIP wird
Aufschluss über die Deformationsmechanismen liefern, dem das Eis an dieser Position in einem
Eisstrom unterlag.
Auf der Skala von Zentimetern bis Metern sind vor allem die Untersuchungen der
Akkumulationsraten und deren räumliche und zeitliche Veränderung Ziel der Untersuchungen.
Hierbei werden satelliten- und flugzeuggestützte Messungen verwendet und mit Eiskernen korreliert,
um so Akkumulationsraten extrahieren zu können. Neben Akkumulationsratenverteilungen
basierend auf den Rückstreueigenschaften von Mikrowellen werden, werden Tiefkerne durch
Radarmessungen, die die obersten Schichten auflösen, miteinander verbunden. Hierzu wird auch ein
Eiskern am Halvfarryggen nahe des Ekstroemisen erbohrt, der durch die besonders hohen
Akkumulationsraten einen besonders hohe zeitliche Auflösung haben wird und dessen interne
Schichtung Aufschluss über die Stabilität der Weddellmeerregion in der Vergangenheit liefern wird.
Die nächst größeren Skala befasst sich mit Fragestellungen nach der Genese von Eisströmen und die
Rollen von subglazialem Wasser für das Gleiten von Eis über dem Untergrund. Neben
Modellierungen werden seismische Messungen und Radarmessungen durchgeführt, die
Eigenschaften an der Eisunterseite in Eisströmen der Ostantarktis untersuchen. Auf dieser Skala ist
auch die Beschreibung der Migration der Aufsetzlinie, dem Übergang zwischen Inlandeis und
Schelfeis von besonderer Bedeutung. Diese Fragestellungen werden interdisziplinär behandelt und
von Glaziologen und Ozeanographen gemeinsam in Feldkampagnen und Modellierung bearbeitet.
Besonderer Fokus sind zwei Feldkampagnen auf dem Filchner Schelfeis in der Antarktis und dem 79°
Gletscher in Grönland.
Die globale Skala ganzer Eisschilde wird mittels Fernerkundung behandelt und liefert Massenbilanzen
der Eisschilde in Grönland und der Antarktis, sowie deren Beitrag zum Meeresspiegel. Neben
Satellitenaltimetrie werden hierzu auch Befliegungen einzelner Gletscher durchgeführt, mit dem Ziel
die räumliche Ausbreitung von Massenänderungen mit hoher Genauigkeit beobachten zu können.
Modellierungen der Dynamik der Eisschilde auf dieser Skala bis 2100/2200 ergeben dann Prognosen
des zukünftigen Beitrags der Eisschilde zum Meeresspiegel.
11
Dynamische Permafrost-Regionen: Kohlenstoff-, Energie- und Wasserflüsse
Gesine Mollenhauer (AWI)
Etwa 24% der Landfläche auf der nördlichen Hemisphäre ist von Permafrostablagerungen bedeckt.
Diese enthalten etwa 1700 Pg Kohlenstoff. Für die Permaforstregionen der höheren Breiten werden
besonders starke Veränderungen des Klimas prognostiziert. Durch Abtauen des Permafrosts könnten
große Mengen Kohlenstoff mobilisiert werden, was zur Freisetzung von Treibhausgasen führen kann.
Im Rahmen von PACES II hat die Arbeit des AWI zum Ziel, die Anfälligkeit des im arktischen
Permafrost eingelagerten Kohlestoffreservoirs unter veränderten Klimabedingungen zu ermitteln. In
diesem Zusammenhang ist es von großer Wichtigkeit, die Schlüsselprozesse der Permafrostbildung
und -dynamik besser zu verstehen. Dazu zählen die Interaktionsprozesse zwischen dem gefrorenen
Boden, der ihn bedeckenden Vegetation, der Hydrosphäre und der Atmosphäre, der Wasser- und
Energieaustausch zwischen der jährlich auftauenden Schicht und der Atmosphäre, Biosphäre und
Hydrosphäre, die Küstenerosion, die Verteilung von submarinem Permafrost und seine Stabilität, und
die Nettoflüsse von partikulärem, gelöstem und gasförmigen Kohlenstoff zwischen Permafrost und
Ozean und Atmosphäre.
Die Aktivitäten des AWI konzentrieren sich im Wesentlichen auf ausgewählte Arbeitsgebiete in drei
Regionen: Lena Delta und Laptevsee, Spitzbergen und Nordamerika (Alaska und Kanada). Dort
werden automatisierte Observatorien betrieben, die u.a. Klima und Vegetation aufzeichnen.
Regelmäßige Feldkampagnen zur Beobachtung, Kartierung und Beprobung ergänzen diese. Sie
werden durch den Betrieb von Forschungsstationen auf Spitzbergen und im Lena Delta ermöglicht.
Satelliten-Fernerkundungsdaten werden ebenfalls ausgewertet. Im Feld und im Labor gewonnene
Daten gehen in numerische Modelle ein.
In den nächsten 5 Jahren wird sich die AWI-Forschung auf vier Felder konzentrieren:
1) Energie- und Wasserbilanzen, um den gegenwärtigen thermischen Zustand des Permafrosts
zu charakterisieren und die Prozesse, die für seinen Zerfall verantwortlich sind zu
identifizieren.
2) Veränderungen der Vegetation und ihr Einfluss auf die Geomorphologie und Hydrologie
3) Submariner Permafrost, Küstenerosion und Schelfmeere
4) Export von Kohlenstoff aus Permafrostablagerungen im Landesinneren und an den Küsten
durch Erosion, mikrobiellen Abbau und Emission von Treibhausgasen
Alle diese Aspekte werden in interdisziplinären Teams unter Beteiligung von Partnern aus deutschen
Universitäten und Forschungsinstituten und in intensiver Zusammenarbeit mit Kollegen aus Russland,
Kanada und den USA bearbeitet.
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Langfristige Klimaänderungen auf tektonischen Zeitskalen
Karsten Gohl (AWI)
Ein besseres Verständnis über die klimatischen Prozesse des Systems Erde in langen Zeitskalen
erfordert ein Verständnis der Beziehung zwischen tektonischen und geodynamischen Prozessen von
plattentektonischen Rekonstruktionen zur Analyse von magmatischen Ereignissen und sedimentären
Vorgängen. Die globale ozeanische Zirkulation steht im direkten Zusammenhang mit der Formation
von Tiefen- und Bodenwassern in den polaren Becken sowie der bathymetrischen und
morphologischen Ausformung der Öffnungen (gateways) zwischen den Ozeanen. Als wichtiges
Beispiel steht die Framstraße im Fokus des Verständnisses über den Zusammenhang zwischen der
tektonischen und sedimentären Entwicklung, den Veränderungen der ozeanischen Zirkulation
zwischen dem arktischen und dem atlantischen Ozean und die Vereisung der Nordhalbkugel. Die
neueste paläobathymetrische Rekonstruktion ergab ein Alter von ca. 17 Millionen Jahren für den
Beginn der Tiefenwasseröffnung. Die Entwicklung von konsistenten Alters- und PaläoWassertiefenmodellen für die känozoischen Ablagerungen ist eine grundlegende Voraussetzung für
die Rekonstruktionen der Paläoumwelt der Polargebiete. Neben den klassischen Sedimentbecken
repräsentieren insbesondere Sedimentdriftkörper und Konturite nutzbare Archive der
Bodenströmungen und Wassermassenintensität, so dass deren Untersuchung Hinweise zu
Änderungen der Zirkulation ergeben.
Tektonische Ereignisse und ihre Folgen für die Entwicklung von Sedimentbecken und Gebirgen haben
entscheidenden Einfluss auf die Dynamik der Eisschilde seit dem Beginn der Vereisung der Antarktis
und der Nordhalbkugel. So deutet die paläotopographischen Rekonstruktion der Antarktis auf einen
wesentlich größeren initialen Eisschild an der Eozän-Oligozän-Übergang als zuvor angenommen.
Unter dem Einfluss der krustalen Dehnungsprozesse des westantarktischen Riftsystems und der
Erosionsprozesse zahlreicher glazialer Zyklen entwickelte sich der heutige westantarktische Eisschild
mit primär subglazialer Basis, die dessen klimatische Sensitivität ausmacht. Die Ergebnisse des
internationalen ANDRILL-Projekts auf dem Rossmeerschelf deuten auf ein sehr dynamisches
Verhalten des westantarktischen Eisschildes zum Beispiel im Pliozän, einer Epoche mit einer
atmosphärischen Zusammensetzung, die mit der heutigen vergleichbar ist. So zeigen die Bohrdaten
direkte Hinweise auf orbital-induzierte Oszillationen des Eisschildes mit periodischen Rückzügen, die
zu lang andauernden eisfreien Zeiten im Rossmeer führten, als globale Temperaturen ca. 3°C höher
waren als heute, aber der Kohlendioxidanteil mit 400 ppm in der Atmosphäre dem heutigen
entspricht. Insofern sind in zukünftigen Projekten insbesondere die Untersuchungen der Epochen
von Interesse, die einen Analog oder aber auch Paradox zu den heutigen klimatischen Bedingungen
in Verbindung mit Eisschildrückzügen liefern.
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Zirkumpolare Klimavariabilität und globale Telekonnektion auf säsonalenorbitalen Zeitskalen
Rainer Gersonde et al. (AWI)
Ein zentrales Thema geowissenschaftlicher Forschung im Rahmen des laufenden AWIForschungsprograms PACES II „Polar regions and coasts in the changing Earth System“ (2014-2018)
ist die Untersuchung der Rolle der Polargebiete bei der Entwicklung des globalen Klimas und
Meeresspiegels während des Quartärs. Zur Erfassung der zirkumpolaren Klimaentwicklung werden
mit Hilfe verschiedenster Werkzeuge (Proxies) klimarelevante Daten aus Archiven wie dem
kontinentalen Eis und Permafrost sowie Sedimentablagerungen in polaren Ozeanen, Nebenmeeren
und Seen abgeleitet. Die Datensätze werden als Zeitreihen und flächendeckend für bestimmte
Klimazustände (Zeitscheiben) erhoben und mit Ergebnissen aus der Erdsystemmodellierung in
Beziehung gesetzt. Eine große Herausforderung stellt dabei die Synthese von Proxydaten mit
zirkumpolarer Abdeckung für den Zeitraum der letzten 30.000-40.000 Jahre (letztes Glazial bis heute)
in zeitlich möglichst hoher Auflösung dar, die mit einer transienten Paläoklimamodellierung für
diesen Zeitraum verbunden werden soll.
Weitere zum Teil übergreifende Fragestellungen beziehen sich auf
a) den Einfluss der Polargebiete bei der Entwicklung von quartären Klimazuständen, die sich
durch wärmere Temperaturen und einen höheren Meeresspiegel als heute auszeichnen,
b) die Entwicklung des Meereises und damit verbundener kimawirksamer Rückkopplungseffekte,
c) die Rolle polarer Ozeane bei der Regulierung von Treibhausgaskonzentrationen und von
biogeochemischen Kreisläufen, sowie
d) eine verbesserte Darstellung der Entwicklung der kontinentalen Eisschilde und des
Permafrostes im Wechsel quartärer Kalt- und Warmzeiten und deren Auswirkung auf den
hydrologischen Kreislauf, die Ozeanzirkulation und den Meeresspiegel.
Zur erfolgreichen Umsetzung dieser Aufgaben ist nicht nur eine enge Verzahnung von
Erdsystemmodellierung und Datenproduktion aus Polargebieten sondern auch eine enge
Zusammenarbeit mit nationalen (u.a. DFG-MARUM) und internationalen Forschergruppen geboten,
durch die die Proxy-Palette erweitert und Datensätze für globale Synthesen erstellt werden können.
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Paläoklimamodelle
Gerrit Lohmann (AWI)
Simulation von Klimaveränderungen stellen eine ernsthafte Herausforderung für die heutigen
Klimamodelle dar. Die Daten des Paläoklimas sind deshalb ein unverzichtbarer Test für diese
Modelle, weil sie Informationen über Klimavariationen enthalten, die in der Vergangenheit
tatsächlich stattgefunden haben. Klimasimulationen ermöglichen eine Trennung des extern
angetriebenen Klimasignals (z.B. durch Änderungen der Umlaufbahn der Erde um die Sonne und
damit durch die Variabilität der solaren Einstrahlung oder durch Veränderungen der
Treibhausgaskonzentrationen, hervorgerufen beispielsweise durch Vulkanausbrüche oder die
Verbrennung von fossilen Brennstoffen oder die Intensivierung der Landwirtschaft) von der
inhärenten Variabilität des Klimas. Dieses ist durch die Auswertung von Paläodaten alleine nicht
möglich. Ziel ist es daher, aus den zur Verfügung stehenden Daten und Modellsimulationen
natürliche Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten zu verstehen. Verschiedene Beispiele aus dem
Holozän, Glazial-Interglazial Schwankungen, sowie dem Känozoikum werden diskutiert. Diese
Simulationen und Vergleiche mit Proxydaten eröffnen einen neuartigen Zugang zur langfristigen
Klimavariabilität, sie zeigen gleichzeitig auch Diskrepanzen auf, die zum einen auf mögliche
Modelldefizite hinweisen und die zum anderen durch eine geeignete Interpretation der Daten mit
Modellresultaten aufgelöst werden können.
Besonders interessante Perspektiven ergeben sich in der Paläoklimamodellierung durch die
steigende Leistung der Rechenplattformen, die eine Verbindung verschiedener ErdsystemKomponenten mit hoher räumlicher Auflösung unter Einbindung von Proxymodulen erlauben. Diese
gekoppelten Ansätze ermöglichen ein tieferes quantitatives Verständnis natürlicher Zusammenhänge
und Gesetzmäßigkeiten in vergangenen und zukünftigen Klimaveränderungen. Insbesondere die
Modelleinbindung von interaktiven Eisschilden in transienten Klimasimulationen, stellt eine
grundlegende Erweiterung dar, mit deren Hilfe z.B. das mittel- und langfristige Stabilitätsverhalten
des Grönländischen und des Westantarktischen Eisschildes besser abgeschätzt werden kann.
15
Klimawandel und Geopolitik in der Arktis
F. Kürner, S. Norra, C. Kramer, H. Klüver (KIT)
Bedingt durch den Klimawandel und die dadurch verursachten veränderten naturräumlichen
Gegebenheiten, welche sich maßgeblich auf die aktuellen und zukünftigen
Ressourcenverfügbarkeiten in der Arktis auswirken, ist dieses geographische Gebiet in den Fokus
politischer Akteure gerückt. Zur Zeit (Stand Januar 2014) beanspruchen fünf Staaten (USA, Russland,
Dänemark, Kanada und Norwegen) Gebiete im Arktischen Ozean und bekräftigen damit ihren
Anspruch auf fossile Rohstoffe im Meeresboden, aber auch auf die Kontrolle über internationale
Schiffspassagen. Darüber hinaus birgt der Klimawandel Gefahrenpotential für die arktische Flora und
Fauna, beispielsweise durch die erleichterten Etablierungsbedingungen von Neobiota. Dies kann
weitreichende Folgen für die indigenen Völker der Arktis haben, deren (Jagd- und Sammler-) Kultur
essentiell vom Vorkommen bestimmter Arten sowie von den herrschenden klimatischen
Bedingungen abhängt.
Das Beispiel „Arktis“ zeigt deutlich auf, dass Gesellschaft und Natur in einer sich wechselseitig
beeinflussenden Beziehung stehen. Während die arktische Umwelt ständig durch menschliche
Handlungen, die auch außerhalb des arktischen Gebietes ausgeführt werden können, verändert wird,
beruhen gesellschaftliche Strukturen, wie Bebauungen und Ernährungssituation, auf natürlichen
Variablen. Natur und Gesellschaft lassen sich demnach als Sphären auffassen, die sich gegenseitig
überschneiden und durch Mediatoren in ebendiesem Überschneidungsbereich (Stoff- und Energie-)
Flüsse austauschen. Die Mediatoren vereinen dabei natürliche, soziale und mentale Eigenschaften,
was ihnen selbst eine hybride Struktur verschafft, und bringen durch eine Verkettung untereinander
Handlungen hervor, welche wiederum als Wechselwirkungen zwischen den Sphären registriert
werden können. Eine Verbindung der Akteur-Netzwerk-Theorie nach LATOUR mit dem Konzept
„sozial-ökologischer Systeme“ nach HABERL und FISCHER-KOWALSKI, bietet eine Möglichkeit, solche
hybriden Zusammenhänge vielschichtig zu analysieren. Beteiligte Komponenten können dabei
sowohl aus der natürlichen, der mentalen und der sozialen Sphäre stammen und darüber hinaus
unterschiedlichen Maßstabsebenen zugeordnet werden. Eine Verknüpfung des theoretischen
Hintergrundes mit Ideen der Ökosystemdienstleistungen nach dem MILLENIUM ECOSYSTEM
ASSESSMENT ermöglicht eine strukturierte Untersuchung der einzelnen hybriden Komponenten. Dies
soll anhand von Schiffsrouten verdeutlicht werden, welche gerade heute (Stand Januar 2014)
internationales Interesse hervorrufen. Schiffsrouten entstehen demnach als mentale Repräsentaten
eines Verkehrsweges. Diese mentalen Entitäten werden erst durch ein Zusammenspiel von
technischen Möglichkeiten, Wissen und naturräumlichen Veränderungen, maßgeblich dem
Abschmelzen des Eises im Arktischen Ozean, befahrbar. Weiter hängt eine Etablierung des
Transportweges aber auch von den herrschenden politschen Systemen, den Nutzungsrechten –
welche in der Arktis nicht geklärt sind – und der Infrastruktur an Land ab. So muss die Küste
beispielsweise eine Struktur aufweisen, die den Bau von Häfen und Versorgungsstraßen erlaubt. Die
Intensität der Nutzung arktischer Schiffswege wird außerdem von der ökonomischen Rentabilität und
auch von mentalen Entitäten, wie einem Gefühl der Sicherheit bestimmt. Hier wirkt sich vor allem
das bestehende Netz an Search-and-Rescue-Infrastruktur vor Ort aus, welche wiederum sowohl an
Land, als auch im Wasser vorhanden sein muss.
Anhand des Beispiels „Schiffsrouten“ kann, mit Hilfe des theoretischen Hintergrundes, aufgezeigt
werden, in welcher Weise sich Natur und Gesellschaft auf unterschiedlichen Maßstäben verknüpfen
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lassen und welche Wechselwirkungen zwischen diesen bestehen. Weiter können die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten evaluiert werden, was vor allem im Hinblick auf zukünftige
Interessenkonflikte von Bedeutung ist.
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Junge und schnelle Umweltveränderungen im Nordpolarmeer und
Wechselwirkungen mit den angrenzenden Eurasischen Landgebieten
(Tischvorlage)
J. Thiede, D. Bauch, H. Bauch, H. Kassens, R. Spielhagen (alle GEOMAR)
Nordpolare Umweltveränderungen, „ihre Vor- und Nachgeschichte“: Status-quo und brennende
Probleme
Das Verständnis der Klimageschichte der nördlichen Hemisphäre (die uns alle unmittelbar betrifft) ist
in der letzten Dekade durch eine Reihe von revolutionären Erkenntnissen und Beobachtungen
verändert worden, aus denen sich unmittelbar ein dringender Forschungsbedarf ergibt:





Keine Klimazone der Erde reagiert auf die in Echtzeit ablaufenden Klimaänderungen schneller
als die hohen nördlichen Breiten, dabei besonders der NW Eurasiens und die angrenzenden
Meeresgebiete (Beispiel Abnahme Meereisdecke, Advektion Atlantischen Wassers in das
Nordpolarmeer, cf. Spielhagen et al., 2012).
Während man bisher davon ausging, dass die känozoische Vereisung der nördlichen
Hemisphäre ein geologisch junges Phänomen ist, wissen wir aufgrund von Tiefseebohrungen,
dass die Nordkalotte seit etwa 48 Mio. Jahren zumindest zeit- und teilweise eisbedeckt war
(Thiede et al., 2011).
Die laminierten kieseligen Oberkreide-Schlämme vom Alpha-Rücken enthalten IRD in den
Winterlagen und dokumentieren, dass das Nordpolarmeer auch in warmen Klimaphasen
zeitweise von einer Meereisdecke überzogen war.
Das ESF-QUEEN-Projekt hat gezeigt, dass die glazialen Eisschilde im Quartär (auch früher?)
ganz auf Grönland, Nordamerika und das NW Segment Eurasiens beschränkt waren.
Während MIS 6 haben sie sich vermutlich auch über Teile des Nordpolarmeeres erstreckt.
Wo und wann gab es die frühesten känozoischen Eisschilde auf der nördlichen Hemisphäre?
Die arktische Meereisdecke wird durch die Zufuhr von Süßwasser von den umgebenden
Kontinenten gesteuert. Während der glazialen Maxima funktionierten nur die ostsibirischen
Ströme. Über ihre Geschichte ist nahezu nichts bekannt und soll am Beispiel der Lena im
Detail erforscht werden.
Die Kieler Arbeitsgruppe verfolgt, aufbauend auf einem größeren BMBF-geförderten Projekt
(„Transdrift...“) und einem Akademie-Vorhaben („Frühwarnsysteme...“) zentrale Probleme der ober
zitierten Forschungsaufgaben und setzt einen regionalen Schwerpunkt im östlichen Arktischen
Ozean, den angrenzenden Schelfmeeren und in NE-Sibirien.
Im Einzelnen soll folgenden Problemen nachgegangen werden:
Das Nordpolarmeer im Spätquartär
-Veränderungen der Nordpolarregion während globaler Warm- bzw. Kaltphasen (Meerespiegelhochund -niedrigstände) der Vergangenheit auf Bildung, Drift, regionale Ausbreitung und Abschmelzen
des arktischen Meereises in Wechselwirkung mit den außerregionalen Wassermassen (subpolarer
pazifischer und atlantischer Sektor) des Nordpolarmeeres.
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- Wechselwirkungen zwischen Nordpolarregion und mittleren Breiten während vergangener
Warmphasen, Veränderlichkeit der dominanten großräumigen atmosphärischen Zirkulationsmuster
(AO, NAO)
Ziel ist die Schaffung von belastbaren Daten über klimatische Szenarien - wie sie beispielsweise im
Rahmen einer fortschreitenden Erwärmung der Nordpolarregion in naher Zukunft zu erwarten sind als Wissensgrundlage für weiterführende numerische Modellierexperimente.
Ein Fokus liegt daher auf vergangenen Zeiträumen mit deutlich stärkerer Sonneneinstrahlung als
heute, z. B. im frühes Holozän um 11.000 Jahre vor heute (10 ka), oder mit global bzw. regional
deutlich höheren Temperaturen und Meeresspiegelständen, z. B. im Eem (ca. 125 ka), Holstein (ca.
400 ka)...etc.
Ein weiterer Fokus bezieht sich auf Phasen mit unterschiedlichen Meeresspiegelniedrigständen
(Beringstraße wird geschlossen bzw. wird überflutet) und deren direkte Auswirkungen auf die
arktischen Wassermassen, Schelfgebiete, zirkumarktische Vegetation und Meereisdecke sowie
atmosphärische Zirkulationsmuster.
Zu untersuchende Zeitskalen:
Kurzfristige Klimaschwankungen


Beurteilung von Ablauf und Geschwindigkeit von relativ kurzfristigen Umweltveränderungen
während der letzten ca. 11.000 Jahre sowie Einordnung der jüngsten, z.T. anthropogen
beeinflussten Klimaveränderungen und des Ist-Zustandes in die Amplituden natürlicher
Klimavariabilität (Dekaden bis Millennia).
Vergleich der Reaktion von "Frühwarnsystemen" auf die letzte nacheiszeitliche globale
Erwärmung mit den heute ablaufenden Umweltveränderungen.
Mittelfristige Klimaveränderungen und –zyklen


Abgleich der holozänen Umweltentwicklung mit den Klimazuständen vergangener
Warmzeiten (Klimaanaloge).
Untersuchung der Übergangsphasen am Ende von Warmzeiten der Vergangenheit zur
Beurteilung der Dynamik natürlicher und anthropogen beeinflusster Klimaabläufe der
mittelbaren Zukunft (nächste 5000 Jahre).
Langfristige Klimatrends


Erfassung des klimagesteuerten Einflusses auf die zeitliche und räumliche Entwicklung bzw.
Anpassung von Fauna und Flora im Quartär (z.B. Mensch, Mega- und Mikroorganismen).
Untersuchung des Einflusses großräumiger Umstellungen (Plattentektonik) auf die
hydrologischen Bedingungen inner- und außerhalb der Nordpolarregion (arktisch und global).
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Die Transpolardrift: Vergangenheit und Zukunft
Das Ausmaß und die Geschwindigkeit des Klimawandels in der Arktis in den letzten Jahrzehnten
werden mit Besorgnis betrachtet. Die Meereisbedeckung und das Meereisvolumen haben drastisch
abgenommen, und Prognosen zeigen, dass der Arktische Ozean Mitte dieses Jahrhunderts im
Sommer eisfrei sein wird. Besonders einschneidend sind die Veränderungen im Gebiet der
Transpolardrift, mit der Meereis von den Küsten Sibiriens über den Nordpol in die Framstraße
zwischen Spitzbergen und Grönland transportiert wird. Mehr und mehr verschwunden ist hier in den
letzten Jahren das mehrjährige Packeis, und die mittlere Eisdriftgeschwindigkeit hat deutlich
zugenommen. Wie sich diese Veränderungen auf den äußerst sensiblen Lebensraum auswirken und
inwieweit sie auch das Klima in Europa direkt betreffen werden, soll erfasst werden.
Als Forschungsgebiete wurden die sibirischen Schelfmeere mit ihren Hinterländern als wichtiges
Entstehungsgebiet für Meereis und die Framstraße als zentrale Schnittstelle zum Atlantik
ausgewählt. Über die Transpolardrift sind diese beiden Gebiete direkt miteinander verbunden.
Hier sollen kurz- und langfristige Veränderungen des sensiblen arktischen Lebensraums durch
Sommer- und Winterexpeditionen, wissenschaftliche Bohrungen, den Einsatz von modernen
Unterwassertechnologien, Laborexperimente und die Auswertung von Klimaarchiven auf
unterschiedlichen Zeitskalen erfasst werden. Über Klimamodellierungen sollen die Veränderungen
des transpolaren Systems und ihre Auswirkungen auf das Klima in Europa bewertet und Prognosen
erstellt werden.
Moderne Tracerstudien zur Interpretation von Sauerstoffisotopen (δ18O) in Klimaarchiven
Moderne Studien der stabile Sauerstoffisotopen (δ18O) in der Wassersäule bieten durch die sich zur
Zeit stark verändernden Arktischen Umwelt die einmalige Chance den Zusammenhang zwischen der
sich verändernden Eisbildung auf den arktischen Schelfen und der Wassermassenstruktur
prozessorientiert zu verstehen.
Die Wassermassenverteilung und die Zirkulation der oberen ~500 m im Arktischen Ozean ist von
extremen Salzgehaltsunterschieden bestimmt. Die Wassermassen werden durch Atlantische und
Pazifische Wassermassen und durch vom Schelf stammende Süßwasserkomponenten (Flusswasser
und Meereis-Schmelze oder Bildung) bestimmt und können mit Hilfe von stabile Sauerstoffisotopen
(δ18O) des Wassers quantitativ analysiert werden. Stabile Sauerstoffisotopen sind ein konservativer
Tracer welche auch in Klimaarchiven wie zum Beispiel in den Kalkgehäusen planktischer
Foraminiferen abgebildet werden. Zur Interpretation der δ18O Werten in Klimaarchiven ist ein
Verständnis des Zusammenhangs zwischen Wassermassenstruktur und Eisbildung in der Arktis eine
notwendige Voraussetzung.
Sibirische Süßwasserzufuhr zum Nordpolarmeer
Nahezu alle sibirischen Ströme ergießen sich in das Nordpolarmeer; ihr Süßwassereintrag hat einen
bestimmenden Einfluss auf arktische Meereisdecke. Die Vereisungsgeschichte der nördlichen
Hemisphäre begann vor knapp 50 Mio. Jahren mit dem „Azolla“-Event, als plötzlich die Sporen
subtropischer Süßwasserfarne in großen Mengen in den Sedimenten des Nordpolarmeeres und des
Europäischen Nordmeeres auftauchten. Wir vermuten, dieses Ereignis war eine Folge der
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plattentektonischen Kollision Indiens mit dem südlichen Kontinentalrand der Eurasischen Platte,
wodurch Sibirien nach Norden „gekippt“ wurde.
Die känozoische Flussgeschichte des sibirischen Stromsystems ist trotz seiner überragenden
Bedeutung für das Verständnis der nordpolaren Umweltgeschichte ist bisher nur rudimentär
untersucht worden. Ein Forschungsschwerpunkt soll sich daher auf die Geschichte der Lena
konzentrieren. Sie entwässert die zentralen und nördlichen Teile Ostsibiriens vom Baikalsee bis zur
Laptevsee, sie befindet sich im Gegensatz zu den meisten anderen großen sibirischen Strömen über
große Strecken hinweg in einem ungestörten natürlichen Zustand; ihre Geschichte ist in großen, aber
meist undatierten Terassensystemen dokumentiert. Ihre Erforschung ist von großer Bedeutung für
unser Verständnis der zeitlichen Veränderungen des Klimasystems auf der nördlichen Hemisphäre, in
der geologischen Vergangenheit wie auch in der Zukunft.
Bibliographie
(vollständige Bibliographien sind in den Berichten zum BMBF-geförderten Transdrift-Projekt Kassens- und in den Jahresberichten der Erdwissenschaftlichen Kommission der Akademie der
Wissenschaften und Literatur zu Mainz –Spielhagen- zugänglich):
Spielhagen, R.F., et al., 2011. Enhanced modern heat transfer to the Arctic by warm Atlantic Water.
Science 331, 450-453. doi: 10.1126/science.1197397.
Thiede, J., et al., 2011: Scientific deep-sea drilling in high northern latitudes.- p. 703-714, in Spencer,
A. M., et al. (eds.): Arctic Petroleum Geology.- Geol. Soc. London, Mem. 35.
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