Mastitis beeinträchtigt auch die Fruchtbarkeit

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Kühe mit gesundem Euter
haben bessere Chancen,
tragend zu werden.
Mastitis beeinträchtigt
auch die Fruchtbarkeit
Eine Euterentzündung
beeinträchtigt nicht nur
das Wohlbefinden der
Kuh, die Milchqualität
und die Milchleistung.
Kühe mit einer klinischen Mastitis oder
hohem Zellgehalt zeigen
auch eine niedrigere
Konzeptionsrate.
Der Brite Dr. John Cook
hat dazu Fruchtbarkeitsund MLP-Daten von
44 Betrieben ausgewertet, die er bei der Nutzung eines computergestützten Herdenmanagementprogrammes unterstützt. Dabei geht er
auch auf die Rolle ein,
die das körpereigene
Abwehr­system in diesem
Zusammenhang spielt.
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milchrind 2/2015
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eit Langem sind sich Milchviehhalter und
ihre Berater der negativen Auswirkungen
einer Mastitis auf die Leistungsfähigkeit von
Milchkühen bewusst. Der Rückgang der
Milchmenge und eine Beeinträchtigung des
Wohlbefindens der Tiere sind direkte Effekte
einer Euterentzündung. Mittlerweile zeigt
sich jedoch auch, dass eine Mastitis langfristigeren Einfluss auf die Produktivität einer
Kuh hat, da sie sich negativ auf die Fruchtbarkeit und damit den Verbleib in der Herde
auswirken kann.
Langzeitfolgen einer Mastitis
Werden genau erfasste Fruchtbarkeitsdaten
mit den Daten aus der Milchleistungsprüfung
kombiniert, findet man einen Zusammenhang
zwischen Eutergesundheit und Fruchtbarkeit.
Dies zeigt eine Auswertung von 30 294 Besamungen in 44 Herden. Alle Herden hatten
einen Zellgehalt in der Sammelmilch von weniger als 200 000 Zellen/ml Milch und eine
belegte Mastitisrate von weniger als 50 %.
Aus Abbildung 1 ist ersichtlich, dass Kühe,
bei denen eine Mastitis aufgetreten war oder
die einen hohen Zellgehalt hatten, sowohl bei
der ersten Besamung als auch insgesamt eine
niedrigere Konzeptionsrate aufwiesen. Abbildung 2 basiert auf demselben Datensatz,
stellt aber die Konzeptionsraten in Abhängig-
keit vom SCS (somatic cell score) am Testtag
unmittelbar vor der Besamung dar. Dabei
zeigt sich eine deutliche Veränderung der
Konzeptionsrate im Bereich von SCS 3,5 bis
4,5, was etwa einem Zellgehalt von 200 000
Zellen/ml Milch entspricht und mit dem allgemein anerkannten Grenzwert übereinstimmt, der im Gesamtgemelk eine Infektion
anzeigt.
Hormonausschüttung gestört
Die genauen Mechanismen, durch die eine
Infektion des Euters zu einer verringerten
Fruchtbarkeit führt, sind noch nicht vollständig erforscht. Ein möglicher Mechanismus
wird wahrscheinlich durch eine Störung der
hormonellen Funktion bestimmter Follikelzellen durch die infektionsbedingten Entzündungsmediatoren verursacht. Die sogenannten Granulosazellen sind sehr wichtig für die
Entwicklung des Follikels, und ihre Funktion
beruht hauptsächlich auf der Produktion von
Steroid-Hormonen. Insbesondere Östrogen
spielt eine wesentliche Rolle für die Entwicklung und Reifung der Eizelle. Diese ist entscheidend für eine erfolgreiche Befruchtung,
und es ist bekannt, dass Entzündungsstoffe
wie die von gram-negativen Bakterien freigesetzten Lipopolysaccharide (LPS) die Reifung
stören. Östrogen löst auch den Anstieg des
LH-Spiegels aus, der zum Eisprung führt. Ein
verringerter Östrogenwert zum Zeitpunkt des
Eisprungs führt bei ca. 30 % der Kühe mit
Mastitis zu einem verringerten, verzögerten
oder vollständig ausbleibenden Anstieg des
LH-Spiegels, was wahrscheinlich ein Absinken der Fruchtbarkeitsraten um 15 bis 20 %
nach sich zieht. Zu den anderen Mechanis-
TIERGESUNDHEITSDIENST
Effekt von Entzündungshemmern
In einer neuseeländischen Studie an insgesamt 727 Kühen aus 15 Herden zeigten McDougall et al (2009), dass nach einer zusätzlichen Verabreichung eines Entzündungshemmers mit dem Wirkstoff Meloxicam während
einer antibiotischen Behandlung der Mastitis
nicht nur die Zellzahlen signifikant niedriger
waren, sondern auch insgesamt weniger Kühe
abgingen als in der Kontrollgruppe. Dabei wurden in der Gruppe mit Entzündungshemmer
(n=361) 3,4 % der Kühe gemerzt, weil sie
nicht tragend geworden waren, in der Kontrollgruppe (n=366) war dies bei 8,4 % der Tiere
der Fall. Der Wissenschaftler führte dies darauf
zurück, dass durch eine Reduzierung der bei
der Mastitis ausgeschütteten Entzündungsstoffe die Kühe leichter trächtig wurden.
men, durch die erhöhte Zellzahlwerte die Fertilität beeinflussen können, zählen Bildung
und Rückbildung des Gelbkörpers. Dadurch
kann es zu Störungen der Progesteronausschüttung kommen, die ihrerseits die Funk­
tion der Gebärmutterschleimhaut im Zusammenhang mit der Entwicklung des Embryos
beeinträchtigen.
Die Rolle des angeborenen
Immunsystems
Auf welche Weise eine Entzündung genau
in der Lage ist, die hormonelle Funktion zu
stören, zeigt ein Blick auf das angeborene Immunsystem. Die Mehrzahl der Mastitisfälle
wird durch eine bakterielle Infektion des Euters verursacht, die zu einem entzündlichen
Prozess führt, auf den körpereigene Abwehrzellen wie neutrophile Granulozyten ansprechen. Sie erkennen die molekularen Muster
bestimmter Moleküle, die im Allgemeinen mit
einer Gruppe von krankmachenden Erregern
in Verbindung gebracht werden. Ein Beispiel
für diese Gruppe ist das bereits erwähnte Lipopolysaccharid (LPS), ein Molekül, das häufig in gram-negativen Bakterien wie E. Coli
vorkommt. Aber auch Moleküle wie Peptidoglykan und Lipoteichonsäure, die häufig in
gram-positiven Bakterien wie Staphylococcus
und Streptococcus vorkommen, sind in der
Lage, die Immunzellen zu aktivieren. Auf der
Oberfläche der Immunzellen befinden sich
Rezeptoren, an die sich nach dem SchlüsselSchloss-Prinzip genau diese Moleküle anlagern und dort gebunden werden.
Immunzellen sind im Follikel zwar nicht zu
finden, aber die Granulosazellen des Follikels
können ebenfalls Rezeptoren für die Entzündungsstoffe ausbilden und sind somit in der
Lage, unabhängig von der Quelle oder dem
Ort der Infektion im Körper auf das Auftreten
einer bakteriellen Infektion zu reagieren. Es
ist vorstellbar, dass diese Reaktion den nor-
Euterentzündungen
rufen eine Reaktion
des Immunsystems
vor, die eventuell
auch in die Steuerung des Hormonhaushaltes und so
ins Fruchtbarkeitsgeschehen eingreift.
Fotos: Topf
malen Aufgabenbereich der Granulosazellen
stört und somit die Störungen im Fruchtbarkeitsgeschehen auslöst.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass
die Fruchtbarkeit einer Milchkuh auch von
Erkrankungen und Entzündungen beeinflusst
wird, die außerhalb des Eierstocks auftreten,
und dass dieser Einfluss auch bei einem sehr
leichten Krankheitsverlauf im subklinischen
Bereich messbar und signifikant ist. Dies
rechtfertigt und stützt die Forderung nach
Vorbeuge- und Behandlungsstrategien, durch
die nicht nur die klinischen Symptome der
Erkrankung verhindert und beseitigt werden
können, sondern auch die subklinischen Folgen. n
In Kürze
Wie genau eine Euterentzündung zu einer verringerten
Fruchtbarkeit führen kann, ist
noch nicht vollständig erforscht.
Eine Erklärung scheint die Unterbrechung der Östrogenproduktion der Granulosazellen im
Eibläschen (Follikel) zu sein, die
die Entwicklung der Eizelle und
den für die Ausbildung eines
Gelbkörpers notwendigen Anstieg des LH-Spiegels behindert.
Granulosazellen können Rezeptoren bilden, die eine wichtige
Rolle im angeborenen Immunsystem spielen, und so direkt
auf eindringende Bakte­rien reagieren. Möglicherweise werden
sie aber dadurch von ihrer eigentlichen Aufgabe im hormonellen Geschehen rund um die
Fruchtbarkeit „abgelenkt“.
Abbildung 1:
Konzeptionsraten von Kühen mit und ohne klinische
Mastitis
Abbildung 2:
Der Einfluss der Zellzahl (SCS)
vor der Besamung auf die
Konzeptionsrate in 44 Betrieben
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