18 Montag, 26. August 2013 — Bern «Gott ist nicht nur eine Kraft in uns» Delia Zumbrunn-Richner gehört zu der Gruppe junger Pfarrerinnen und Pfarrer, die auf die brisanten Glaubensaussagen der Muriger Pfarrerin Ella de Groot reagiert haben. Im Interview sagt sie, worum es ihr geht – und dass sie den Synodalrat nicht ganz versteht. Interview: Dölf Barben der sich, salopp ausgedrückt, die Frommen wiederfinden – aber Sie hätten Mühe mit dieser Einteilung. Unter Frommen fühle ich mich liberal und unter Liberalen fromm. Ich bin quasi eine liberale Fromme. Frau Zumbrunn-Richner, was dachten Sie, als Sie zum ersten Mal von den Ansichten Ihrer Pfarrkollegin aus Muri, Ella de Groot, hörten? Es ging ja zunächst um die Ankündigung einer Radiosendung. Und da hiess es, eine Pfarrerin rufe dazu auf, mit dem Glauben aufzuhören. Da hatten ein paar Kolleginnen und ich schon den Eindruck, hey, unser Auftrag ist es doch, die Menschen zum Glauben einzuladen. Inwiefern äussert sich das? Ich interessiert mich für die Methoden der Wissenschaft und nutze sie, um die Bibel und den Glauben besser zu verstehen. Doch vielleicht treffender als liberal oder fromm wäre die Bezeichnung «christologisch», weil sich mein Glaube an Jesus Christus ausrichtet. Ich glaube, in Jesus ist Gott uns Menschen auf ­Augenhöhe begegnet, und hat uns vorgelebt, wie er das Leben für uns Menschen meint. Was dachten Sie nach der Sendung? Ich habe die Sendung mehrmals angehört. Sie hat mich betroffen gemacht. Wenn eine Pfarrerin sagt, es gebe keinen Gott, es gebe keinen personalen Gott, ist das aus meiner Sicht problematisch. Ein personales Gottesbild ist zentral für den christlichen Glauben. Was verstehen Sie unter einem personalen Gott? Gott ist ein Du. Gott ist ein Gegenüber, das mit uns in Beziehung sein will. Nach der Radiosendung haben Sie mit anderen jungen Pfarrerinnen und Pfarrern öffentlich Stellung genommen. Wie war das Echo ­darauf unter Pfarrern? Die Reaktionen waren positiv. Ich hatte sogar einen Anruf eines Zürcher Kollegen, der uns gedankt hat für unsere klaren Worte. Es haben auch Kolleginnen und Kollegen reagiert, die zum Teil schon lange im Kirchendienst stehen. Wie steht es denn um den Glauben der Pfarrer? Wie weit sind Frau de Groots Ansichten verbreitet? Dazu traue ich mir keine Aussage zu. Ich kenne die Pfarrerschaft noch zu wenig. Ich wüsste aber von keinem anderen Kollegen, der Gott allein als Produkt unserer Fantasie bezeichnen würde. Sie haben in der Stellungnahme die Kirchenverfassung zitiert, die den Auftrag der Kirche umschreibt. «Wir fragen uns», schrieben Sie, «­inwiefern Ella de Groot dieser Verpflichtung und Berufung ­nachkommen kann.» Heisst das, dass Frau de Groot aus Ihrer Sicht das Pfarramt aufgeben müsste? Ich kann das nicht von aussen beurteilen. Das ist die Frage, die wir an sie stellen. Wie kann sie diesen Beruf ausüben, bei dem der Glaube an Gottes Gnade eine der Grundlagen bildet. Reicht es nicht, wenn Frau de Groot sagt, «Gott sei das Leben» oder «das, was zum Leben drängt». In diesem Punkt bin ich mit Frau de Groot einig: Gott ist eine Kraft, die zum Leben drängt. Das ist für mich eine Dimension Gottes – das ist biblisch gespro- «Die Beziehung zu Gott, das persönliche Du, gibt einem Kraft.» Pfarrerin Delia Zumbrunn-Richner Anzeige Verrechnung über Ihren Konzessionär möbel Für Delia Zumbrunn-Richner ist es klar: Ein personales Gottesbild ist zentral für den christlichen Glauben. Foto: Valérie Chételat chen der Heilige Geist. Ich glaube jedoch, Gott ist nicht nur eine Kraft in uns, sondern eine Kraft, die uns übersteigt. Da sprechen wir vom Schöpfer, um zu sagen, Gott ist über uns und seine Gedanken sind grösser als unsere Gedanken. Und Gott ist neben uns – ein Gegenüber. Am deutlichsten wird das in Jesus, der als Mitmensch auf der Erde gelebt hat und dank den biblischen Schriften heute noch für uns «fassbar» ist. Dann ist sie nur halb atheistisch? Frau de Groot wirkt auf mich sehr inkonsistent. Zum einen sagt sie, sie habe sich davon verabschiedet, von Gott zu reden, gleichzeitig erklärt sie, was sie unter Gott versteht. Oder sind es bloss Wortklaubereien? Man will nicht an Gott glauben, aber auch nicht als Atheistin gelten. Wie geht das? Wenn Frau de Groot sagt, sie wolle nicht als Atheistin dargestellt werden, verstehe ich nicht ganz, was sie damit meint. Bei Klaas Hendrikse, dem holländischen Pfarrer, der vor zwei Jahren in Bern war, verstehe ich es schon eher, wenn er sich als gläubigen Atheisten ­bezeichnet. Aber auch das begreift man als Normalsterblicher nicht mehr. Wer nicht an Gott – ein Gegenüber, das uns übersteigt und für uns unfassbar ist – glaubt, ist Atheist. Doch auch ein Atheist glaubt etwas, er glaubt, dass Gott nicht existiert. In diesem Sinn würde ich behaupten, dass jeder Mensch gläubig ist, also irgendetwas glaubt. Wenn Frau de Groot aber ebenfalls eine gläubige Atheistin wäre, würde sie ja genau genommen Gott ­leugnen. Ist es dann nicht ein ­ isschen komisch, wenn der b ­Synodalrat in seiner Stellungnahme von letzter Woche schreibt, Frau de Groot tue genau dies eben nicht – andernfalls müsste er, wie er ­festhält, «deutlich widersprechen». Offen gesagt verstehe ich die Stellungnahme des Synodalrats in diesem Punkt auch nicht. Als Laie denkt man, eine Atheistin, ob gläubig oder nicht, sei nicht gerade die geeignetste Person für den Kirchendienst, weil sie ja eben nicht an einen Gott glaubt. Ja, wenn es völlig egal wäre, ob jemand im Kirchendienst an Gott glaubt, würde die Kirche zu einem beliebigen wohltätigen Verein. Aber: Was nicht im Vertrauen auf Gott gründet, kann nicht Kirche sein. Dann ist Gott für Sie etwas, das eine Präsenz hat? Also etwas, das weiss, dass Sie und alle anderen ­Lebewesen da sind? Etwas, das eine Wirkung entfalten kann? Ja, das würde ich so sagen: Gott ist ein Gegenüber, das da ist, zwar im Ganzen unfassbar, aber eine Wirkung entfalten kann – wenn wir es zulassen. Ich glaube, es ist erfahrbar, dass es Gott gibt. Man konnte lesen, Sie gehörten eher der evangelikalen Strömung an, in Glaubensfrage Die Grenze liegt bei Gottesleugnung Ella de Groot, reformierte Pfarrerin in Muri, hat Mitte Juli in der Sendung «Perspektiven» von Radio SRF 2 Aussagen gemacht, die aufhorchen liessen: «Es gibt keinen personalen Gott, es gibt keinen Gott.» («Bund» vom 19. Juli) Gott sei für sie «das Leben, das, was zum Leben drängt, was das Leben hält». Eine Gruppe junger Pfarrerinnen und Pfarrer reagierte umgehend: In der Landes­ kirche hätten vielfältige ­Glaubensformen Platz; der kleinste gemeinsame Nenner müsse aber «unser Glaube an Gott» sein. «Kirche ohne Gott ist nicht Kirche.» Letzte Woche äusserte sich ­schliesslich der Synodalrat der Reformierten ­Kirchen Bern-Jura-Solothurn: De Groot verstehe sich nicht als Atheistin; sie versuche vielmehr, die Botschaft der Bibel in einer neuen Sprache zu formulieren. Damit erfülle sie ihren Auftrag, das Evangelium nach bestem Wissen und Gewissen zu verkünden, schrieb die Kirchenleitung. Mit ihren Auffassungen bewege sie sich «im Spektrum dessen, was in der reformierten Kirche vertreten wird». Die Grenzen dieses Spektrums werden aufgezeigt: «Leugnen Mitglieder der Pfarrerschaft Gott, müsste der Synodalrat deutlich widersprechen und sie auf ihre Verpflichtung durch Ordination und Verfassung erinnern», steht in der Mitteilung. De Groot habe mit einigen Äusserungen selbst dazu beigetragen, dass dieser Eindruck entstanden sei. Sie habe dabei wohl zu wenig beachtet, «dass religiöse Aussagen sehr differenziert sein müssen». In der Kirchenverfassung steht in der Tat: Die Kirche «weiss sich berufen zum Glauben an Gottes rettende Gnade (. . .) und zu der Hoffnung auf das Kommen des Reiches Gottes.» Und: «Sie ruft ihre Glieder (. . .) zu Busse, zum Glauben und zur Heiligung (. . .).» (db) GratismöbelTag. Nicht limitierte ! Gesamtsumme Wer am verkaufsschwächsten Tag zwischen 1. und 31. August 2013 einkauft, erhält die Möbel bis zu einem Betrag von Fr. 10’000.– gratis. Ohne «wenn» und «aber» – hinfahren und gratis einkaufen! I d’diga muesch higa! 1023 Crissier/VD 8953 Dietikon/ZH 8854 Galgenen/SZ 4614 Hägendorf/SO 8600 Dübendorf/ZH 6032 Emmen/LU Neu 1763 Granges-Paccot/FR 3421 Lyssach/BE 4133 Pratteln/BL 9532 Rickenbach b. Wil/TG www.diga.ch Jesus ist fassbarer als Gott. Seine Gleichnisse und alles, was er tat, ist für sich alleine betrachtet doch schon grossartig. Wäre es nicht möglich, ein Pfarrer zu sein, der sich an Jesus orientiert, dem es aber egal ist, ob dieser nun tatsächlich Gottes Sohn ist oder nicht? Die Frage, wie wir handeln, ist zentral. Handeln und beten gehören aber zusammen. Die Beziehung zu Gott, das persönliche Du, gibt einem Kraft zum Handeln. Auch Jesus hat sich immer wieder zurückgezogen für das Gebet – erst nachher ging er zu den Leuten. Und immer wieder stellte er den Bezug zu Gott, dem Vater, her. Somit fehlt einem Pfarrer am ­Spitalbett etwas, wenn er vom Glauben abgefallen ist? Er macht etwas ganz Richtiges, wenn er bei diesem kranken Menschen ist. Aber ich glaube, es ist schwieriger, an einem Spitalbett zu sitzen ohne das Wissen, von Jesus Christus geschickt worden zu sein. Er ist es, der einen für diese Aufgabe stärkt und einen auch dazu ermächtigt. Mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht in diesem Wissen hin zu kranken Menschen gehen könnte. Können Sie einem Sterbenden mit gutem Gewissen Trost spenden, indem Sie ihm sagen, dass es ein Jenseits gibt? Ich vertraue darauf, dass es nach dem Tod weitergeht und wir auch dann aufgehoben sind in Gottes Händen. Das kann ich mit gutem Gewissen sagen. Aber versprechen kann ich es nicht. Delia Zumbrunn-Richner ist 28-jährig und eben erst – am Samstag im Berner Münster – als evangelisch-reformierte Pfarrerin ordiniert worden. Sie lebt mit ihrem Mann in Hondrich in der Kirchgemeinde Spiez, wo sie Anfang August ihre erste Pfarrstelle angetreten hat. «Sie ruft ihre Glieder (. . .) zur Busse, zum Glauben und zur Heiligung.» Verfassung der Reformierten Berner Kirche.