Elektrodynamik-Seminar Felder Bewegter Ladungen

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Elektrodynamik-Seminar
Felder Bewegter Ladungen
Igor Bröckel
Universität Heidelberg - Fakultät für Physik und Astronomie
Abstract. Im folgenden Artikel werden ausgehend von den Maxwellgleichungen im
Vakuum die Liénard-Wiechert-Potentiale hergeleitet. Hierfür werden zunächst Bewegungsgleichungen für die elektormagnetischen Potentiale aufgestellt und anschließend mit funktionentheoretischen Mitteln gelöst. Aus den resultierenden retardierten Potentialen werden
die gesuchten Potentiale berechnet.
Anschließend werden einige physikalische Folgerungen aus den Liénard-Wiechert-Potentialen
skizziert und auf unterschiedliche Teilchehnbeschleuniger angewandt.
Herleitung der retardierten Potentiale
Unser Ausgangspunkt sind die Maxwellgleichungen im Vakuum:
→
−→
−
∇ E = 4πρ
→
−→
−
∇B = 0
→
−
→
− →
−
1 ∂B
∇×E =−
c ∂t
→
−
→
− →
−
4π →
1 ∂E
−
∇×B =
j +
c
c ∂t
(1)
(2)
(3)
(4)
Wir wissen, dass sich die elektrischen und magnetischen Felder mit Hilfe des skalaren
→
− −
−
Potentials Φ(→
r , t) und des Vektorpotentials A (→
r , t) darstellen lassen.
→
−
→
− →
−
B =∇×A
(5)
→
−
→
−
→
−
1∂A
E = − ∇Φ −
c ∂t
(6)
Setzt man die Gl. (5), (6) in (1) und (4) ein so ergeben sich folgende gekoppelte
Differentialgleichungen für die Potentiale:
→
−→
−
∂
∇
A
1
∆Φ +
= −4πρ
c
∂t
→
−
→
−
− →
−→
−
4π →
1 ∂2 A →
1 ∂Φ
−
∆A − 2
− ∇ ∇A +
=−
j
2
c ∂t
c ∂t
c
1
(7)
(8)
Die obigen Gleichungen entsprechen schon ungefähr den gesuchten Bewegungsgleichungen für die Potentialfelder. Leider sind die Gl. (7) und (8) gekoppelt, was eine Lösung
erschwert. Um die Ausdrücke nun weiter zu vereinfachen greifen wir auf die Eichfreiheit
der Theorie zurück. Hierbei benutzen wir die Lorenzeichung, da diese genau dem dritten
Term in Gl. (8) entspricht und die Gleichungen erheblich vereinfacht. Diese ist durch
folgenden Ausdruck gegeben:
−→
−
1 ∂Φ0 →
+ ∇ A0 = 0
c ∂t
(9)
Die gesrichenen Felder sollen verdeutlichen, dass dies die bereits transformierten Felder
sind und die Eichfreiheit dahingehend genutzt wurde um Gl.(9) zu erfüllen. Die Striche
werden im Folgenden weggelassen. Nutzt man Gl.(9) so ergeben sich die folgenden vier
entkoppelten Bewegungsgleichungen für die Potentialfelder:
−
r , t)
1 ∂ 2 Φ(→
−
−
= −4πρ(→
r , t)
∆Φ(→
r , t) − 2
2
c
∂t
→
− −
→
− −
1 ∂ 2 A (→
r , t)
4π →
− →
∆ A (→
r , t) − 2
=−
j (−
r , t)
2
c
∂t
c
(10)
(11)
Es gilt nun Lösungen für die obigen Gleichungen zu finden. Betrachten wir Gl. (10) und
(11) etwas näher. Es ist leicht zu sehen, dass es sich hierbei - mathematisch gesehen - um
4 identische partielle lineare Differentialgleichungen handelt, welche sich lediglich in ihrer
Inhomogenität unterscheiden. Durch diese Beobachtung motiviert definieren wir folgenden
Ausdruck:
−
1 ∂ 2 Ψ(→
r , t)
−
−
∆Ψ(→
r , t) − 2
= −4πf (→
r , t)
c
∂t2
(12)
Finden wir eine Lösung zu Gl.(12), so lässt sich mit der entsprechenden Inhomogenität
→
−
Φ bzw. A ermitteln.
Als Lösungsansatz benutzen wir eine Green’sche Funktion, welche wir jedoch erst konstruieren müssen. Diese ist gegeben durch die Lösung der folgenden Gleichung:
−
−
−
−
G(→
r , t; →
r 0 , t0 ) = −4πδ (3) (→
r −→
r 0 )δ(t − t0 )
(13)
Haben wir eine solche Green’sche Funktion ersteinmal gefunden so ergibt sich die eigentlich
gesuchte Lösung als eine Faltung der Green’schen Funktion mit der jeweiligen Inhomogenität:
Z
→
−
−
−
−
Ψ( r , t) = G(→
r , t; →
r 0 , t0 )f (→
r 0 , t0 )dV 0 dt0
(14)
2
Um Gl.(13) zu lösen gehen wir in den Fourierraum:
Z Z
−
→ −
→ −
→0
→
−
0
→
−
→
−
0 0
G( r , t; r , t ) = d3 kdωg( k , ω)ei k ( r − r ) e−iω(t−t )
2
−
Z Z
→ −
→ −
→0
ω
0
3
2
=
d kdωg
− k ei k ( r − r ) e−iω(t−t ) )
2
c
Als nächstes benutzen wir die Fourierdarstellung der Delta-Distribution.
Z Z
−
→ −
→ −
→0
1
0
−
−
δ (3) (→
r −→
r 0 )δ(t − t0 ) =
d3 kdωei k ( r − r ) e−iω(t−t )
4
(2π)
(15)
Damit wird aus Gl.(13)
Z Z
3
d kdωg
−
Z Z
→ → −
−
→ → −
ω2
−1
2
i k (−
r −→
r 0 ) −iω(t−t0 )
3
i k (−
r −→
r 0 ) −iω(t−t0 )
−
k
e
e
)
=
d
kdωe
e
2
3
c
(4π )
(16)
Mittels Koeffizientenvgl. folgt für die Fouriertranformierte der Green’schen Funktion:
→
−
1
1
g( k , ω) = 3
4π k 2 −
(17)
ω2
c2
Dadurch bekommen wir für die Green’sche Funktion folgende integrale Darstellung:
1
−
−
G(→
r , t; →
r 0 , t0 ) = 3
4π
Z
−
→−
→
d3 kei k R
Z
dω
c2
e−iωτ
c2 k 2 − ω 2
(18)
→
−
−
−
wobei wir der Kürze wegen die Definitionen R := →
r −→
r 0 und τ := t − t0 eingeführt haben.
Es gilt nun die beiden Integrale zu lösen. Betrachten wir nun das indimensionale Integral
etwas genauer:
Z
c2
I(k, ω) := dω 2 2
e−iωτ
(19)
c k − ω2
Es ist leicht zu sehen, dass an den Punkten ±ck das Integral divergiert und somit Singularitäten aufweist. Um diesen Ausdruck dennoch auszuwerten bedienen wir uns einiger
Hilfsmittel aus der Funktionentheorie:
• Sei z ∈ C. Dann heißt die Funktion f (z) holomorph auf G ⊆ C wenn sie dort differenzierbar ist.
3
• Cauchy’scher Integralsatz
Ist f (z) holomorph auf G und ist C eine einfach geschlossene Kurve in G, so gilt:
I
dzf (z) = 0
C
• Hat f (z) in einem Punkt z0 einen Pol ersten Grades, dann heißt
Resz0 f (z) = lim (z − z0 )f (z)
z→z0
das Residuum von f (z) in z0 .
• Residuumsatz
Sei D ⊆ C ein Elementargebiet und seien z1 , ..., zk endl. viele paarweise verschiedene
Punkte in D. Sei weiter f : D \ {z1 , ..., zk } → C holomorph und C eine geschlossene
stückweise glatte Kurve in D \ {z1 , ..., zk }. Dann gilt
k
X
Z
dzf (z) = 2πi
C
χ(C; zj )Resz=zj f (z)
j=1
Mit diesen Hilfsmitteln lässt sich nun das eindimensionale Integral I(k, ω) sehr elegant
lösen. Hierfür definieren wir zuerst folgendes komplexes Kurvenintegral:
2
c
I
1
dω 2 2
e−iωτ = Θ(τ )c2
c k − ω2
C
I
1
dω 2 2
e−iωτ + Θ(−τ )c2
c k − ω2
C1
I
dω
C2
c2 k 2
1
e−iωτ
− ω2
(20)
Hierbei bezeichnet C eine Kurve um den Ursprung in der komplexen ω-Ebene mit
dem Radius R. Die Kurven C1 und C2 sind Aufspaltungen der obigen Kurve und zwar
dergestallt, dass C1 einen Halbkreis in den unteren zwei Quadranten bildet und C2 einen
Halbkreis in den obigen zwei Quadranten. Als nächstes führen wir einen kleinen Shift
∈ R+ ein und verschieben die Singularitäten ±ck um nach unten auf der imaginären
Achse. Dies führt dazu, dass das C2 -Integral aufgrund des CIS verschwindet und das
C1 -Integral mit Hilfe des RS einen endlichen Beitrag liefert. Am Ende der Rechnungen
lassen wir dann → 0 laufen um das ursprüngliche Integral zu bekommen. Mit diesen
Überlegungen folgt:
2
I
I(k, ω) = Θ(τ )c
dω
C1
4
c2 k 2
1
e−iωτ
− ω2
(21)
Dieses Integral lässt sich nun mit Dem Residuensatz auswerten. Hierfür berechnen wir
die Residuen des Integranden in ω1/2 = ±ck − i
Resω1 f (ω, k) = lim (ω − ω1 )
ω→ω1
=
e−iωτ c2
c2 k 2 − (ω + i)2
−c2 e−iω1 τ
ck + ω1 + i
Insgesamt folgt nach Ausführung des -Limes für beide Residuen:
Resω1/2 f (ω, k) = ∓
e∓ickτ
2k
Damit bekommen wir folgenden Ausdruck für die Green’sche Funktion:
→
−
c
G( R , τ ) = 2
2π
Z
∞
−
→−
→ sin(cτ k)
d3 kei k R
−∞
k
; für t > t0
(22)
Für die Berechnung des dreidimensionalen Integrals drehen wir unser Koordinatensys→
−
→
−
tem so, dass der R -Vektor in die Richtung der kz -Komponente zeigt. Dies führt dazu, dass
→
−
→
−
der Winkel zwischen dem R -Vektor und dem k -Vektor genau dem Polarwinkel entspricht.
Schlussendlich bekommen wir folgenden Ausdruck für die Green’sche Funktion:
−
→ −
→0
δ (3) (t − t0 − | r −c r | )
−
−
G(→
r , t; →
r 0 , t0 ) =
−
−
|→
r −→
r 0|
(23)
Mit Gl.(14) ergeben sich nun die gesuchten retardierten Potentiale:
−
→ −
→0
− t0 − | r −c r | )
dV
−
−
|→
r −→
r 0|
→
→
→
−
Z
|−
r −−
r 0|
0
)
→
− →
1
−
0 j (t − t −
c
A ( r , t) =
dV
→
−
→
−
c
| r − r 0|
−
Φ(→
r , t) =
Z
0 ρ(t
5
(24)
(25)
Herleitung der Liénard-Wiechert-Potentiale
Gesucht sind explizite Ausdrücke für die elektromagnetischen Potentiale. Um solche zu
bekommen, wird zunächst eine konkrete Trajektorie der Ladungsdichten vorgegeben. Die
resultierenden Potentiale, beschreiben die Felder, welche von diesen Ladungen auf ihrer
Bahnkurve hervorgerufen werden. Seien nun folgende Ladungs- und Stromverteilungen
gegeben:
−
−
−
ρ(→
r , t) = eδ (3) (→
r −→
r0 (t))
→
− →
−
−
−
j (−
r , t) = e→
v (t)δ (3) (→
r −→
r (t))
0
(26)
(27)
Für die Berechnung starten wir bei Gl.(14) und führen die Volumensintegration durch.
Dies führt uns auf:
−
Φ(→
r , t) = e
Z
−
−
|→
r −→
r0 |
1
0
δ(t
−
t
+
dt0 →
)
−
→
−
c
| r − r 0|
(28)
Als nächstes führen wir eine Substitution durch.
−
−
|→
r −→
r0 |
c
→
−
du
v
(t0 )
→
−
0
=
1
−
n
(t
)
dt0
c
u = t0 − t +
Damit lässt sich das Integral ausführen und man bekommt einen expliziten Ausdruck.
Die Rechnung für das vektoriele Potential geht analog. Zusammen bekommt man die
Liénard-Wiechert-Potentiale :
e
−
Φ(→
r , t) =
−
→ 0) −
−
−
|→
r −→
r 0 (t0 )| 1 − →
n (t0 ) v (t
c
→
−
0
→
− →
e
v (t )
A (−
r , t) =
−
→ 0) −
→
−
−
c |→
r − r 0 (t0 )| 1 − →
n (t0 ) v (t
c
6
(29)
(30)
Anwendungen
Zum Schuss betrachten wir einige Folgerungen aus den obigen Gleichungen und wenden diese qualitativ auf konkrete physikalische Systeme an. Aus den berechneten LiénardWiechert-Potentialen lassen sich unter einigem Rechenaufwand das elektrische und magnetische Feld berechnen:
→
−
→
−
→
−̇
−
−
−
e[→
n − β]
n × [(→
n − β ) × β ])
e→
+
→
−− 3 2
→
−− 3
c
γ 2 (1 − β →
n) R
(1 − β →
n) R
→
−
→
−
→
−
B = [n × E]
→
− →
E (−
r , t) =
(31)
(32)
Der zweite Term des elektrischen Feldes ist das sogenannte Beschleunigungsfeld. Damit
und mit Hilfe des Poynting-Vektors. Lässt sich die berkannte Larmorformel herleiten:
2 e2
P =−
3 m2 c3
dpµ dpµ
dτ dτ
(33)
Diese sagt aus wie viel Leistung von einer beschleunigten Ladung abgestrahlt wird. An
dieser Stelle können wir uns das konkrete Beispiel eines Linearbeschleunigers anschauen.
Hierbei handelt es sich um einen Teilchenbeschleuniger, welcher die beteiligten Teilchen
auf einer linearen Strecke beschleunigt und zur Kollision bringt. In einer Dimension wird
aus Gl.(33):
2 e2
P =
3 m2 c3
dp
dt
2
(34)
Schauen wir uns obige Formel etwas genauer an. Man erkennt sofort eine m−2 Abhängigkeit,
die zeigt, dass schwere Teilchen weniger abstrahlen.
2
Interessant ist auch die Abhängigkeit dE
dx . Diese zeigt, dass die abgestrahlte Leistung
nur von der äußeren Kraft abhängt, die eine räumliche Änderung der Energie bestimmt.
Und nicht von der tatsächlichen Energie des Teilchens.
Darüber hinaus können wir uns das Verhältnis anschauen zwischen der abgestrahlten und
in das System gegebener Leistung:
P
dE
dt
=
e2
2
1 dE
2
→
2
3
3 m c v dx
3
e2
mc2
mc2
dE
dx
(35)
Der rechte Term stellt den relativistischen Grenzfall dar. Quantitativ ergibt sich, dass
14 M eV gilt. Im Allgemeinen
der Strahlungsverlusst vernachlässigbar ist solange dE
dx < 2 · 10
m
7
M eV
hat man für heutige Beschleuniger aber eine Begrenzung von ca. dE
dx < 10 m . Das zeigt,
dass die Strahlung in Linearbeschleunigern zu vernachlässigen ist.
Ähnliche Überlegungen lassen sich auch für andere Beschleunigergeometrien anstellen.
Betrachten wir nun zwei Ringbeschleuniger, e.g den 2000 eingestellten LEP und den 2008
in Betrieb genommenen LHC. Der LEP ist ein Elektronen bzw. Positronen Beschleuniger,
während der LHC Protonen bzw. Bleikerne beschleunigt. Bei beiden Beschleunigern stellt
sich ein Strahlungsbedingtes Energielimit ein, dass die Teilchen haben können.
• LEP → 200 GeV
• LHC → 13000 GeV
Diese Einschränkungen lassen sich folgendermaßen einsehen. Es lässt sich mit ähnlichen
Rechnungen wie bei der Berechnung der Larmorformel der strahlungsbedingte Energieverlust pro Umlauf bestimmen:
δE =
4πe2 β 3 E 4
3 r(m0 c2 )4
Erneut erkennen wir neben einer reziproken Radiusabhängigkeit eine starke Abhängigkeit
von der Masse der Teilchen. Auch hier können wir festhalten, dass schwerere Teilchen
weniger Abstrahlen und somit auf höhere Energien beschleunigt werden können.
8
Referenzen
[1]W.Greiner, Klassische Elektrodynamik
[2]J.D.Jackson, Klassische Elektrodynamik
[3]C.Ewerz, Skript zur Klassischen Elektrodynamik
[4]G.W olschin, Skript zur Klassischen Elektrodynamik
9
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