Vertrauen und Beteiligung - Renner Institut Oberösterreich

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Vertrauen und Beteiligung
Neue Wege sozialdemokratischer Politik
Von Michael Rosecker – Karl-Renner-Institut
Zum Geleit:
… „Man ist schlecht aufgestellt, wenn man
den Ist-Zustand nicht annimmt.“
(„Brenna tuat’s scho lang“, 2015)
Meinung zur Demokratie:
gesamt
14-19
20-24
25-29
Demokratie wichtig und gut
Mehr Volksbefragungen
Experten statt Regierung
Starker Mann
0
25
50
Quelle: Bericht zur Jugendwertestudie 2011, Institut für Jugendkulturforschung (N=1.500)
75
100
1990
1999
2008
Vertrauen in österreichische Institutionen
Quelle: Institut für praktische Theologie: Europäische Wertestudie, 2008 (N=1.500)
Vertrauen in das Parlament 2015:
eher vertrauen
eher nicht
Quelle: Europäische Kommission, November 2015 (1.002 Befragte; ab 15 Jahren)
weiß nicht
Vertrauen in die Politik 2011–2014:
sehr
eher
weniger
Quelle: OGM, Österreich; September 2011 – September 2014; (503 Befragte; ab 15 Jahren)
gar nicht
Was passt besser? In einer politischen
Protestbewegung oder Partei mitmachen:
Durchschnitt 16–19 Jährige
in Ausbildung mit Matura
60
in Ausbildung ohne Matura
53,8
45
43
30
38,5
37
27,4
26,1
24,5
30,9
18,8
15
0
Protestbewegung
Partei
weder noch
Quelle: Jugend und Zeitgeist – Institut für Jugendkulturforschung, Basisstudie 2011 (N=400, 95,5 % Sicherheit)
Unser traditionelles Politikverständnis:
✤
Die Bevölkerung teilt sich in große „Orientierungslager“
✤
Diese definiert die Position im arbeitsteiligen Produktionsprozess
✤
Dies definiert Interessen und Zugehörigkeiten
✤
Politik bedeutet daher Parteien- und Institutionenarbeit
✤
Im Kern immer schon „ein bisserl“ paternalistisch
✤
Politik ist Geben und Nehmen, beruht auf Bindung und Dankbarkeit
Ein ökonomischer Grundkonsens
✤
Wertschöpfung entsteht arbeitsteilig und besteht aus vier Arten:
✤
Löhne und Gehälter /Zinsen /Mieten und Pachten /
Unternehmerprofite
✤
Profite waren „Restgröße“
Goldenen Jahre Kreiskys …
✤
Die Partei wurde von der Systemalternative zur Reformbewegung am Puls der
Zeit. 1978: SPÖ-Mitglieder ca. 680.000
✤
Höhepunkt der Industrialisierung, der Höhepunkt der unselbstständig
Beschäftigten in der Produktion.
✤
Von der Mangel- zur Wohlstands- & Konsumgesellschaft: 1965 33 % eigenes
Auto, 1985 90 %.
✤
Das BIP wächst ab 1970 von 27,3 MIA € auf 76,4 MIA € 1980; ohne Arbeit: 2,1%
✤
1975: 93% Wählerstimmen für SPÖ/ÖVP; Wahlbeteiligung von 91%
✤
Zuwachsrate Reallöhne Ø 1964/70: 4,7 %, Ø 1970/74: 5,2 %; Zinsen 1974: 5,5%
✤
Anteil der Löhne am Volkseinkommen 1978: 77 %; 2007: 65 %
Unselbstständig Beschäftigte in Ö.:
1910:
1922:
1934:
1951:
1971:
1981:
2010:
Primärer Sektor:
39,4 %
37 %
37,1 %
32,6 %
15 %
8,5 %
5,5 %
Sekundärer Sektor:
31,1 %
34 %
32,1 %
37,6 %
42,2 %
41,0 %
24,7 %
Bruttowertschöpfung 2010:
2%
29 %
Tertiärer Sektor:
29,5 %
29 %
30,8 %
29,8 %
42,8 %
50,5 %
69,8 %
69 %
Die Drei-Sektoren-Hypothese als Symbol für die Umwälzungen
(Quelle: Hauptverband der Sozialversicherungsträger und Statistik Austria).
„Atypische“ Beschäftigung 2015:
m
1995
Quelle: Statistik Austria
2000
2015
f
Haushaltsgrößen 2013
1 Person
5 Personen
2 Personen
19,6
2.305.760 1961
3 Personen
27
20,9
36,7
3.722.000 2013
0
Quelle: Statistik Austria
25
4 Personen
28,8
50
15
15,4
75
17,5
12,7 4,5
100
Verteilung der Erwerbstätigen nach Bildungskategorien Ö. (%)
51,5
1971
14,2
2013
0
40,2
30
Pflichtschule
Lehre/Berufssch.
12,4
31 7,5
6 4
17,4
15,8
60
90
Mittlere Schule
AHS/BHS
120
Uni
Quelle: 1971: Max Haller die österreichische Gesellschaft (2005). 2013: Statistik Austria - Jahresdurchschnitt 2013
„Bewegungsstädte“ WN & L:
✤
✤
✤
✤
✤
✤
WRN 2013 (EW 42.408):
Zuzüge
Wegzüge
Binnenwanderung
EinpendlerInnen
AuspendlerInnen
✤
Linz 2014 (EW 194.522):
✤
Zuzüge
14.401 (7,4 %)
✤
Wegzüge
11.022 (5,7 %)
✤
Binnenwanderung 14.772 (7,7 %)
✤
EinpendlerInnen
89.294
✤
AuspendlerInnen
18.525
3.318 (7,5 %)
2.898 (6,8 %)
2.465 (5,8 %)
17.636
8.551
15
Männer/sehr wichtig
Frauen/sehr wichtig
90
Männer/ziemlich wichtig
Frauen/ziemlich wichtig
83
67,5
74
45
57
56
54
39
37
22,5
20
0
52
33
37
44 44 44 44
34
17
15
Familie
Bekannte
FreundInnen
Arbeit
Freizeit
25
20
31
12
Religion
27
8
Politik
Wichtigkeit der Lebensbereiche
Quelle: Regina Polak (Hg.): Die europäische Wertstudie 1990–2010. Österreich im Vergleich (2011) (N=1.500;
Kategorie „sehr wichtig“)
Werte der Jugend 14 bis 29 Jahre:
1990
2000
Quelle: Bericht zur Jugendwertestudie 2011, Institut für Jugendkulturforschung (N=1.500)
2011
Das Band soziale Schicht und Ideologie
ist zerrissen:
✤
Es kam durch das Aufbrechen von sozialer Schicht, Arbeitszusammenhang,
Wertemuster und politischem Verhalten fast zur völligen Auflösung der alten
geschlossenen sozialen Milieus.
✤
Abschmelzen von mit diesen lebensweltlichen Sozialmilieus verbundenen
kulturellen Lebensprägungen und politischen Sozialisationen.
✤
Soziologisch: Funktionale Differenzierung einzelner Gesellschaftssphären.
✤
Bildhaft: Vor die Arbeitsidentität schiebt sich eine „Konsumidentität“.
✤
Identitätsfragen werden in der Welt der Vielfalt und Pluralität zentral.
✤
Sozio-kulturelle Solidaritäten/Verbundenheitsgefühle beruhen weniger auf
ähnlichen sozialen Lagen, sondern auf ähnlichen Lebenszielen & ästhetischen
Ausdrucksformen (Freizeitinteressen, Konsumverhalten etc.).
Pluralisierung und Parteien:
✤
Parteien verlieren Funktion als Weltanschauungslieferant für
Sinnbedürfnisse, als Heimat für Milieus und als Sprachrohre der Gesellschaft.
✤
Die Hauptsozialisationsinstanzen junger Menschen (Schulsystem, Familie
und Gleichaltrigengruppen) stehen oft selbst schon in einem
(institutionen-)politikfernen Kontext.
✤
Das Sprechen über Politik nimmt ab und das Kommunizieren mit der Politik
reißt in Folge mehr und mehr ab. Gestaltungsmacht der Politik reduziert sich.
✤
Die gesellschaftliche Entwurzelung der Parteien schreitet voran.
✤
Das Vertrauen in die Politik an sich und in das Funktionieren der Demokratie
sinkt dramatisch.
Alles in einem Satz?
✤
„Wir sind kein kohärentes Kontinuum mehr, das in eine mehr
oder weniger beständige Umwelt eingebettet ist, sondern als
unzusammenhängende Serie heterogener Erlebnisse,
sporadischer Gefühlsbindungen, nicht so recht
zusammenpassender Tätigkeiten, wechselnder Wohnorte und
widersprüchlicher Werte.“
Cesar Rendueles: Soziophobie (2015)
Wo fühlen Sie sich (an erster Stelle)
zugehörig:
1994
1999
Quelle: Institut für praktische Theologie: Europäische Wertestudie, 2008 (N=1.500)
2008
Organisationsfragen:
✤
Mitarbeit in formalen Organisationen stark rückläufig, gleichzeitig Bereitschaft zur Ad-hoc-Mitarbeit in
informellen Gruppen und zur Teilnahme an direkten politischen Aktionen.
✤
Mitgliedschaft und Mitarbeit hängen heute mit Attraktivität zusammen und nicht mit Zwang und
Verpflichtung. Zeitgemäße funktionierende Gemeinschaften/Bewegungen sind Gefäße für individuelle
Neigungen, Chancen der Selbstentfaltung und Sinnstiftung.
✤
Zugang zu Beteiligung: Freiwillig, niederschwellig, ohne viel Aufhebens und problem- und folgenloses
Ausscheiden möglich.
✤
Wenig in der Gemeinschaft geteiltes Vorwissen nötig: Keine Wissensgemeinschaft, sondern
Kommunikationsgemeinschaft. Zugehörigkeit nicht über Tradition und Wissen definiert, sondern über
ständige parallele egalitäre Kommunikation und gemeinsames Schaffen.
✤
Temporäre Gefühls- und Erlebnisbeziehungen. Mit den Menschen und nicht für die Menschen.
✤
Keine intransparenten Entscheidungszirkel.
✤
UND: Direkte bzw. wechselseitige Kommunikationsbeziehungen sind bei Fragen der Verhaltensänderung
und nachhaltigen Meinungsbildung den indirekten-massenmedialen-einseitigen
Kommunikationsbeziehungen haushoch überlegen!
Drei Fragen:
✤
Wer in Zukunft Macht ausüben will, wird Macht teilen müssen.
✤
Keine innenweltliche Glaubenswelt als bloße Gesinnungsbekundung.
✤
Wünschenswertes sollte auch erreichbar sein.
Oskar Negt: Der politische Mensch (2010) und Terry Eagleton: Warum Marx doch recht hat (2012)
Veränderte Haltung und Kultur:
• Lebensweltbezug unumgänglich: Sinnvoll überschaubare Bezugsfelder
kollektiven Handelns. Sonst wird jeglicher „Internationalismus“
sinnlos, da unlebbar.
• Eine Kultur des Experiments der Kooperationen. In Einzelprojekten
kooperatives Handeln ermöglichen.
• Die Sozialdemokratie als „eine mühsame aber ehrliche Großfamilie
von Kampagnen und Bewegungen“ (Colin Crouch): Zeitlich
Koalitionen mit BürgerInnen und NGOs.
Colin Crouch: Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus (2011); Axel Honneth: Die Idee des
Sozialismus (2015) und Cesar Rendueles: Soziophobie (2015)
Element des Gemeinsamen:
✤
Durch die Erfahrung des Füreinandertätigseins wird
die Möglichkeit zu wechselseitigem Wohlwollen und
zu selbst Fremde einbeziehende Solidarität ermöglicht.
Gewagte Kampagnen-Dreifaltigkeit?
✤
Anliegen
✤
Person
✤
Organisation
Beteiligung und Kooperation:
✤
Kooperatives solidarisches Handeln und gemeinsames
demokratisches Entscheiden.
✤
Durch die Erfahrung des Füreinandertätigseins wird die Möglichkeit
zu wechselseitigem Wohlwollen und zu selbst Fremde einbeziehende
Solidarität ermöglicht.
Danke für die Aufmerksamkeit!
Freundschaft!
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