Messung des inklusiven Verzweigungsverhältnisses B → Xc τ ν am Belle Experiment Jan Hasenbuch Physikalisches Institut, Universität Bonn Zerfälle von B Mesonen mit einem τ Lepton im Endzustand eignen sich ideal für die Suche nach Neuer Physik (NP) jenseits des Standardmodells (SM). Das τ ist als schwerstes bekanntes Lepton und Teilchen der 3. Generation ein Fenster zu Neuer Physik. In vielen Modellen für Neue Physik ist die Kopplung des τ Leptons an neue Ströme erhöht, zum Beispiel an einen geladenes Higgs, wie es in 2 Higgs-Doublet-Modellen (2HDM) vorhergesagt wird. Diese neuen Beiträge können konstruktiv oder destruktiv mit denen des Standardmodells interferieren und so Observablen wie das Verzweigungsverhältnis oder kinematische Spektren beeinflussen. Leptonische und semipletonische B Zerfälle in τ Endzustände sind ein aktuelles Thema der Forschung, da in der Vergangenheit, sowohl von Belle als auch von BABAR , an den e+ e− B-Fabriken KEKB in Japan und SLAC in den USA, von den Vorhersagen des SM abweichende Verzweigungsverhältnisse gemessen wurden. Die Mehrzahl der bisherigen Messungen des Verzweigungsverhältnisses von B → τ ν ergab größere Werte als vom SM vorhergesagt. Die aktuelle Belle Messung liegt allerdings unterhalb der bisherigen Messungen und reduziert so die Diskrepanz zwischen Weltmittelwert und globalem Fit an Parameter des CKM-Mechanismus. Eine weitere Diskrepanz zeigt sich bei den exklusiven Zerfällen B → D(∗) τ ν. Die vorläufige Kombination der Ergebnisse von Belle und BABAR zeigen Abweichungen von bis zu 4.8σ zum SM auf. Eine Gegenprobe zu den exklusiven Messungen von B → D(∗) τ ν stellt die inklusive Analyse B → Xc τ ν dar. An den LEP-Experimenten wurde das Verzweigungsverhältnis B (b → Xτ ν) = (2.41 ± 0.23)% bereits in Übereinstimmung mit der SM Vorhersage B (b → Xτ ν) = (2.42 ± 0.06)% gemessen. Genau genommen wurde hier eine Mischung aus B, Bs und b-Baryonen gemessen; mit einem Faktor zur Korrektur der Zerfallsbreite, der nahezu eins ist, kann das Ergebnis aber auf reine B Meson Zerfälle übertragen werden. Die Zerfallsbreite wird nahezu vollständig von b → c Übergängen ausgefüllt und macht eine Unterscheidung von Xc und X = Xc + Xu überflüssig. Die Summe der exklusiven B → D(∗) τ ν Zerfälle ergibt bereits ein größeres Verweigungsverhältnis als die inklusiven Messungen der LEP-Experimente. Dabei fehlen – bislang unbeobachtete aber vorhandene – Zerfälle der Art B → D∗∗ τ ν, mit höher angeregten Charm-Mesonen D∗∗ . Für eine verlässliche Gegenprobe zu den bislang nur an B-Fabriken gemessenen exklusiven B → D(∗) τ ν Zerfällen muss auch die inklusive Analyse an den B-Fabriken durchgeführt werden. Wie alle B Meson Zerfälle mit einem τ Lepton im Endzustand ist der Zerfall B → Xc τ ν experimentell eine besondere Herausforderung, da der Signal-B-Zerfall (im Folgenden Bsignal ) durch mehre Neutrinos im Endzustand nicht rekonstruiert werden kann. Der Belle-Detektor ist für die Untersuchung von Zerfällen dieser Art ideal geeignet. Er befindet sich am KEKB Beschleuniger in Tsukuba (Japan), in dem Elektronen und Positronen beschleunigt und im Detektor bei einer Schwerpunktenergie, die der Masse der Υ(4S) Resonanz entspricht, zur Kollision gebracht werden. Die Υ(4S) Resonanz ist ein bb Zustand, der mit nahezu 100% in ein BB Paar zerfällt. Das Belle Experiment hat auf der Υ(4S) Resonanz einen großen Datensatz mit einer integrierten Luminosität von 710 fb−1 aufgezeichnet, was rund 770 × 106 BB Paaren entspricht. Um einen bessere Untergrundunterdrückung sowie eine bessere Kenntnis der Kinematik des Signalzerfalls zu erhalten, wird eines der beiden B Mesonen (Btag ) im Ereignis vollständig in einem hadronischen Zerfallskanal rekonstruiert ( hadronisches B” Tagging“). Der Algorithmus rekonstruiert das Btag in über 1000 Zerfallskanälen, die von einem Neuronalen Netzwerk klassifiziert wenden. Aufgrund der bekannten Anfangsbedingungen in der e+ e− Kollision und der vollständigen Rekonstruktion sind Ladung, Flavour und Viererimpuls beider B Mesonen im Ereignis bekannt. Mit dem Wissen über die zerfallenen B Mesonen kann nun die Signalseite des Ereignisses alleinstehend betrachtet werden: Das τ wird in seinen leptonischen Zerfallskanälen rekonstruiert. Ein wichtiger Untergrund sind die semileptonischen Zerfälle B → D(∗) `ν, die sich durch ein schnelles Lepton auszeichnen, während im Signalzerfall ein langsames sekundäres Lepton erzeugt wird. Der Impuls des Leptons ist daher eine der wichtigen Variablen in dieser Analyse. Eine andere wichtige Observable ist der Viererimpuls, der von den Neutrinos getragen wird. Diese sind für den Detektor unsichtbar und erzeugen einen fehlenden Impuls pmiss bzw. eine fehlende Masse m2miss ≡ p2miss . Letztere verschwindet, wenn kein oder nur ein Neutrino erzeugt wurde und stellt damit eine weitere mächtige Variable dar, die sowohl semileptonische als auch hadronische B-Zerfälle von Signalereignissen separiert. In rund 20% der Ereignisse ist das Charm-Meson in B → Xc `ν (` = e, µ, τ ) selbst (semi-) leptonisch zerfallen, wodurch die Separation in mmiss geschmälert wird. Daher werden zwei disjunkte B → Xc τ ν Samples gebildet, eines mit Xc → Hadronen und eines mit Xc → X`ν, letzteres wird erst in Zukunft näher analysiert werden. Der Signalanteil wird in einem gebinnten 2D Maximum-Likelihood Fit an den Leptonimpuls und m2miss bestimmt. Die Analyse wird blind durch geführt, d.h. Effizienzen werden anhand von Monte-Carlo Simulationen abgeschätzt. Die Beschreibung der Untergründe in der Simulation wird anhand von Daten in Seitenbändern überprüft. Insgesamt wird auf das Verzeigungsverhältnis eine statistische und systematische Unsicherheit von 4% bzw. 9% erwartet. Die größten Unsicherheiten ergeben sich aus der Modellierung des B → X`ν Untergrunds und der Unsicherheit auf die Lepton-Identifikation.