Lernen fördern - Astrid Kollmann

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Fachhochschul-Bachelorstudiengang
KOMMUNIKATION, WISSEN, MEDIEN
4232 Hagenberg, Austria
Lernen fördern
Lernfördernde Bedingungen für individuelles Lernen in
Organisationen aus systemischer Perspektive
Bachelorarbeit
Teil 2
zur Erlangung des akademischen Grades
Bachelor of Arts in Social Sciences
Eingereicht von
Astrid Kollmann
Begutachterin: Dipl.-Psych. Jeannette Hemmecke
Hagenberg, Juni 2012
ERKLÄRUNG
Ich erkläre eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe
verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen ent-
nommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.
Hagenberg, am 22. Juni 2012
Astrid Kollmann
ii
INHALTSVERZEICHNIS
Erklärung ................................................................................................................................................................................. ii
Kurzfassung ............................................................................................................................................................................ v
Abstract ................................................................................................................................................................................... vi
1.
2.
Einleitung ....................................................................................................................................................................... 1
Grundlagen der Systemtheorie ............................................................................................................................. 2
2.1
Systemtheoretische Merkmale .................................................................................................................... 2
2.3
Autopoiese: Merkmal lebender Systeme................................................................................................. 4
2.2
3.
Eigenschaften von Systemen ........................................................................................................................ 3
Lernen als Individuum ............................................................................................................................................. 5
3.1
Der Begriff Lernen ............................................................................................................................................ 5
3.3
Soziale Lerntheorien..................................................................................................................................... 10
3.2
Konstruktivistisches Lernen ........................................................................................................................ 7
3.3.1
4.
3.3.2
Soziales Lernen nach Bandura ........................................................................................................ 11
Lernen in Organisationen..................................................................................................................................... 16
4.1
4.2
Definition Lernende Organisation und Organisationales Lernen .............................................. 16
Disziplinen von Peter Senge ...................................................................................................................... 17
4.2.1
Systemdenken........................................................................................................................................ 17
4.2.3
Mentale Modelle.................................................................................................................................... 21
4.2.2
4.2.4
5.
Communities of Practice.................................................................................................................... 10
4.2.5
Personal Mastery .................................................................................................................................. 18
Eine gemeinsame Vision.................................................................................................................... 22
Team-Lernen .......................................................................................................................................... 24
Diskussion................................................................................................................................................................... 26
5.1
Fazit ..................................................................................................................................................................... 26
5.1.1
Zusammenhang individuelles und organisationales Lernen ............................................. 26
5.1.3
Szenario der optimalen Lernumgebung ..................................................................................... 30
5.1.2
5.2
Lernfördernde Faktoren für die Praxis ....................................................................................... 27
Ausblick.............................................................................................................................................................. 31
Literaturverzeichnis......................................................................................................................................................... 32
iii
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1 Systemisch-konstruktivistisches Modell des (Unternehmens-)Systems. ........................... 3
Abbildung 2 Die vier an Beobachtungslernen beteiligten Prozesse. ........................................................... 13
Abbildung 3 Der strukturelle Konflikt ...................................................................................................................... 19
Abbildung 4 Alignment: Gemeinsame Ausrichtung des Teams ..................................................................... 24
Abbildung 5 Energieverschwendung durch unterschiedliche Ausrichtung der Teammitglieder ... 25
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1 Lerntheorien im Überblick ........................................................................................................................... 7
Tabelle 2 Verhaltenskontrollsysteme nach Bandura ......................................................................................... 15
iv
KURZFASSUNG
Lernen ist ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen als soziales Wesen. Diese Arbeit behandelt
die Fragestellung, welche Bedingungen Lernen aus systemischer Sicht fördern können und wie
dies in lernenden Organisationen umgesetzt werden kann. Ausgehend von systemtheoretischen
Grundlagen werden Ansätze von Lerntheorien und Lernen in Organisationen anhand von Fachli-
teratur vorgestellt und in Verbindung gesetzt. Systemdenken bezeichnet das Denken in größeren
Zusammenhängen, es wird in zirkulären statt linearen Ursache-Wirkungsbeziehungen gedacht.
Lernen bezeichnet eine Änderung im Verhaltenspotential durch Erfahrungen. Konstruktivistische
und soziale Lerntheorien beschäftigen sich mit der Bedeutung sozialer Interaktion für das
menschliche Lernen. Der Ansatz Communities of Practice behandelt Lernen in informellen Praxis-
gemeinschaften. Gemäß der sozialkognitiven Theorie des Sozialen Lernens nach Bandura macht
das Lernen anhand von Modellen einen großen Teil des menschlichen Lernens aus. Die fünf Dis-
ziplinen einer lernenden Organisation nach Peter Senge sind Systemdenken, Personal Mastery,
Eine gemeinsame Vision, Mentale Modelle und Team-Lernen. Für das Schaffen lernförderlicher
Bedingungen ist in der sozialen Umwelt sowie im eigenen Handlungsraum anzusetzen. Es werden
sieben lernrelevante Faktoren vorgestellt, die auf Basis der lerntheoretischen Grundlagen und
Lernen in Organisationen herausgearbeitet wurden sowie ein Szenario einer optimalen Lernumgebung.
v
ABSTRACT
Learning is a fundamental need of humans as social beings. Which conditions foster learning and
how does one implement them in learning organizations? This paper deals with this question
based on a systemic point of view. Approaches of learning theories and learning in organizations
are presented using technical literature and placed into connection. Systems thinking is a way of
thinking in greater contexts and considering cyclical rather than linear cause and effect. Learning
is explained as long-term changes in behavior potential through experience. Constructivist and
social learning theories address the meaning of social interaction for learning. The Communities
of Practice approach deals with learning in informal communities. According to the social cogni-
tive theory of Bandura, observational learning makes up a large part of human learning. The five
disciplines of a learning organization according to Peter Senge are systems thinking, personal
mastery, a shared vision, mental models and team learning. To create conditions conducive to
learning, the social environment and the personal sphere of action is to be taken into account.
Seven factors relevant for learning that were elaborated based on theoretical foundations of
learning theories and learning in organizations, as well as a scenario of an optimal learning envi-
ronment, are presented.
vi
1. EINLEITUNG
Von der ersten Minute seines Lebens an lernt der Mensch. Die Lernfähigkeit des Menschen ist von
enormer Bedeutung für das Leben und die Entwicklung des Einzelnen sowie für die Gesellschaft
(vgl. Edelmann, 2000, S.278). Dabei beschränkt sich Lernen keinesfalls auf das „Drücken der
Schulbank“ in Bildungseinrichtungen, sondern durchzieht unser gesamtes Leben. Etienne Wenger
(1998, S.3) drückt es so aus: „What if we assumed that learning is as much a part of our human
nature as eating or sleeping, that it is both life-sustaining and inevitable, and that – given a chance
– we are quite good at it?“ Der Anthropologe Edward T. Hall misst dem menschlichen Lernbe-
dürfnis eine große Bedeutung zu: „Das Bedürfnis zu lernen, ist ein ebenso elementares Bedürfnis
des Menschen wie der Sexualtrieb – es setzt früher ein und bleibt länger bestehen“ (Hall, zit.n.
Senge, 2011, S.25). Davon ausgehend, dass Lernen ein sozialer Prozess ist, der über kognitive
Prozesse hinausgeht und in größere Zusammenhänge eingebettet ist, wird Lernen in dieser Arbeit
aus einer systemischen, ganzheitlichen und partizipativen Perspektive betrachtet. Diese Sichtwei-
se zeigt, dass das Feld des Lernens und die Möglichkeiten, dieses zu beeinflussen, weiter gespannt
sind, als von spezialisierteren Ansätzen dargestellt.
Vor dem Hintergrund der Wichtigkeit des Lernens für Individuum und Gesellschaft ergibt sich
diese Relevanz auch für Organisationen. Um als Organisation zu lernen, ist das Lernen der beteiligten Individuen Voraussetzung (vgl. Senge, 2011, S. 153). In „Lernenden Organisationen“ entfal-
ten Menschen kontinuierlich die „Fähigkeit, ihre wahren Ziele zu verwirklichen“, es werden „neue
Denkformen gefördert“ und „gemeinsame Hoffnungen freigesetzt“, es sind nach Peter Senge
(2011, S.13) Organisationen „in denen Menschen lernen, miteinander zu lernen“. Wie Senge
(2011, S.18) beschreibt: Es soll diskutiert werden, wie individuelles Lernen in Organisationen
gefördert werden kann, in Abgrenzung zur Lernenden Organisation als Lerneinheit, welche nicht
explizit betrachtet wird. Dabei wird „individuelles Lernen“ nicht als individuell im Sinne von „un-
abhängig von der Umwelt“ verstanden, sondern im Sinne von „auf den Menschen bezogen“, im
Vergleich zu „auf die Organisation bezogen“. Werden die weitgreifenden Einflussfaktoren des
Lernens erkannt, kann dessen Förderung aus einer ganzheitlicheren und nachhaltigeren Perspek-
tive geschehen. Darum ist die Thematik dieser Arbeit relevant für Pädagogen und Organisationsentwickler und für alle, die Lernen fördern wollen: bei sich selbst, bei anderen und in Organisationen.
Ausgehend von der vorliegenden Problemstellung soll in der vorliegenden Arbeit folgende Fragestellung behandelt werden:
Welche Bedingungen fördern das menschliche Lernen aus systemischer Sicht und
wie kann dies in lernenden Organisationen umgesetzt werden?
Es soll dabei ein Fokus auf den Mensch als soziales Wesen in Beziehung zu seinem Umfeld gesetzt
und untersucht werden, welche Rolle soziale Beziehungen und Interaktionen im Lernprozess
spielen. Die Fragestellungen sollen anhand von Fachliteratur erörtert werden, anhand welcher
unterschiedliche Ansätze und Positionen betrachtet und miteinander in Verbindung gesetzt werden. Nach einer Einführung in systemtheoretische Grundlagen in Kapitel 2 folgt in Kapitel 3 eine
Einführung in den Lernbegriff und es wird auf die konstruktivistische Lerntheorie und zwei sozia1
le Lerntheorien eingegangen. Für die Behandlung dieser Thematik „Lernen als Individuum“ aus
systemischer und partizipativer Sicht wird einschlägige Lektüre zum Thema Lernen in sozialen
Systemen und Grundlagenliteratur zur Lernpsychologie herangezogen. Darauf folgend wird in
Kapitel 4 ein Einblick in das Thema Lernende Organisationen gegeben. Nach einer Begriffsklärung
wird auf die Frage eingegangen, wie Lernen in Organisationen gefördert werden kann. Dabei liegt
der Schwerpunkt auf Peter Senges Ansatz zur Förderung von Lernender Organisationen „Die fünf-
te Disziplin“. Abschließend folgt in Kapitel 5 eine Reflexion auf Basis der erörterten Themengebie-
te. Es wird diskutiert, zu welchen Auswirkungen die Erkenntnisse aus den Grundlagen zum
menschlichen Lernen aus systemischer, partizipativer Sicht und Lernen in Organisationen in der
Praxis führen können.
2. GRUNDLAGEN DER SYSTEMTHEORIE
Dieses Kapitel soll als Basis für das behandelte Lernverständnis einen Einblick in die systemtheo-
retischen Grundlagen geben. Es gibt eine Vielzahl von systemtheoretischen und systemischkonstruktivistischen Variationen und Strömungen (vgl. Simon, 2009, S.17; Radatz, 2000, S.31). Im
Folgenden wird eine Auswahl von systemtheoretischen Grundannahmen vorgestellt.
2.1
SYSTEMTHEORETISCHE MERKMALE
Als Ausgangspunkt und gemeinsamer Nenner der systemtheoretischen Strömungen lassen sich
nach Simon feststellen: Die Betrachtung zusammengesetzter Einheiten (Systeme, Muster) sowie
die Annahme zirkulärer Kausalität (Simon, 2009, S. 17). Das zirkuläre Denken und die Betrach-
tung der Beziehungen zwischen Objekten, anstatt diese isoliert zu sehen (Simon, 2009, S.13) sieht
Simon als wesentliche Unterschiede des Systemischen Denkens im Vergleich zu anderen Formen
des Denkens. Nach Simon (2009, S.15) lässt sich in einem System, „dessen Teile oder Elemente
miteinander vernetzt sind und in Wechselbeziehung stehen“, nicht objektiv entscheiden, was Ursache und Wirkung ist (vgl. Henne-Ei-Problematik). Es wird nach dem systemisch-
konstruktivistischen Ansatz davon ausgegangen, dass es keine objektive Wirklichkeit gibt, sondern
diese subjektiv konstruiert wird (vgl. Radatz, 2000, S.33). Dies schließt den Beobachter mit ein,
welcher keine objektive Sicht auf beobachtete Vorgänge haben kann. Nach Radatz (2000, S.62)
„sind“ Menschen nicht, sie „verhalten“ sich – sie entstehen im System und verhalten sich diesem
entsprechend. Je nach System kann demnach das Verhalten eines Menschen unterschiedlich ausfallen (vgl. Radatz, 2000, S.62).
Das Systemische Denken unterscheidet sich von der „europäischen Art“ zu denken, wie sie von
Descartes herrührt (Ursprünge Platon, Aristotelische Logik) (vgl. Simon, 2009, S.9ff.). Dieser ging
davon aus, dass es einen vorgegebenen Ist-Zustand gibt (Ontologie). Die Welt ist nach dieser Auf-
fassung, so wie sie ist, von Gott geschaffen, mit statischen, unveränderlichen Mechanismen. Die
Auffassung, dass etwas wird (Ontogenese) steht nach Simon (2009, S.9f.) dem gegenüber und
lässt sich damit nicht vereinen. Aus cartesischer Sicht resultiert eine Wirkung linear aus einer
Ursache. Erkenntnis wird als ein Abbild der Wirklichkeit gesehen, Objektivität ist vorhanden und
wird als Ideal angestrebt. Weiter wird im alteuropäischen Denken von einer dualen Weltsicht
2
ausgegangen, in der Aussagen entweder „wahr“ oder „falsch“ sind (zweiwertige Logik) – was Paradoxien verunmöglicht (Simon, 2009, S.11).
2.2
EIGENSCHAFTEN VON SYSTEMEN
Systeme werden durch das Zusammenwirken vieler Elemente gebildet (Simon, 2009, S. 14). Diese
stellen Einheiten („Ganzheiten“) dar, „deren Eigenschaften (...) nicht durch die schlichte Addition
der Eigenschaften ihrer Teile herstellbar waren; und ihr Funktionieren war nicht durch die analy-
tische Aufklärung einer zeitlichen Abfolge von Ereignissen zu erklären“ (Simon, 2009, S. 14). „Das
Ganze erweist sich nicht nur als mehr, sondern als etwas qualitativ anderes als die Summe der
Teile“ (Simon, 2009, S.16). Es wird zwischen drei Ordnungen steigender Komplexität unterschieden – von Systemen, die sich aus unbelebten Einheiten zusammensetzen hin zu Systemen, die deren
Einheiten selbst produzieren (Simon, 2009, S.17). Zur dritten (und höchsten) Ordnung zählen nach
Simon (2009, S.17) Organismen, psychische Systeme und soziale Systeme. Soziale Systeme be-
schreibt Sonja Radatz (2006, S.57f.), basierend auf Maturanas ursprünglicher Definition der Au-
topoiese folgendermaßen (siehe Abbildung 1) (vereinfacht): Ein solches System beinhaltet eine
Struktur im engeren Sinne, welche den Kern bildet, weiter Beziehungen, Kommunikationen und
Handlungen, welche gemeinsam die Struktur im weiteren Sinne ausmachen, sowie die Menschen
(welche selbst wiederum jeweils ein lebendes System darstellen). Das Modell in Abbildung 1 veranschaulicht diese Zusammenhänge und zeigt, wie diese bei einem Unternehmen aussehen könn-
ten.
A BBILDUNG 1 SYSTEMISCH -KONSTRUKTIVISTISCHES MODELL DES (UNTERNEHMENS-)SYSTEMS .
Q UELLE : R ADATZ, 2006, S.58
3
Als Beispiele für soziale Systeme nennt Radatz (2000, S.57) Familien-, Vereins-, Unternehmenssys-
teme etc. Aus dieser Vernetztheit ergibt sich, dass eine Veränderung im System komplexer ist, als
einfach ein Element (z.B. Mensch) davon auszutauschen. Die im folgenden Kapitel vorgestellten
sozialen Lerntheorien Communities of Practice und Soziales Lernen nach Bandura können unter
diesem Aspekt der sozialen Systeme betrachtet werden.
2.3
AUTOPOIESE: MERKMAL LEBENDER SYSTEME
Der chilenische Biologe und Erkenntnistheoretiker und Vertreter des radikalen Konstruktivismus
Maturana prägte den Begriff der autopoietischen Organisation, welche selbstorganisiert und
strukturell geschlossen ist (Holzinger, 2001, S.148). Dies wird als wesentliches Unterscheidungs-
merkmal zwischen Lebendem und Nicht-Lebendem gesehen. Als Autopoiese wird die Fähigkeit
verstanden, „sich selbst zu erhalten, wandeln und erneuern zu können“ (Holzinger, 2001, S.148).
Lebende Systeme sind autopoietische Systeme. Demnach organisieren nach der Theorie der Au-
topoiese Systeme ihre eigenen, systeminternen Strukturen und produzieren deren Elemente
selbst (Simon, 2009, S.32). Radatz verwendet Autopoiese synonym für Selbstgestaltung und sieht
diese als Organisationsform von Lebewesen (Radatz, 2006, S. 39). Demzufolge können Menschen
(als Teil des Systems bzw. eigenes System) nicht von außen verändert werden. Diese Sichtweise
der Autopoiese, dass Menschen als lebende Systeme selbstorganisiert und fähig zur Veränderung
(Wandlung) sind und dass die Entscheidung für ein Verhalten oder eine Handlung aus dem Inne-
ren des Systems kommen muss (lebende Systeme können zwar von außen irritiert oder pertur-
biert (gestört) werden) (vgl. Radatz, 2006, S. 39ff.), ist auch relevant für die Fragestellung, wie
Lernen gefördert werden kann. Wird davon ausgegangen, dass der Mensch von außen gesteuert
wird bzw. gesteuert werden kann, impliziert dies eine andere Sicht auf das Phänomen Lernen als
eine autopoietische Sicht, nach der der Mensch als lebendes System wesentlich selbstgesteuert
bzw. -organisiert agiert.
BEZUG ZUR PROBLEMSTELLUNG
Das Denken in größeren Zusammenhängen, die wechselseitige Beeinflussung von Systemelemen-
ten untereinander sowie mit ihrer Umwelt, das Denken in zirkulären statt linearen Ursache-
Wirkungsbeziehungen und die Prozessorientiertheit im Gegensatz zur Ausrichtung auf Ereignisse
– diese systemische Grundhaltung soll die Basis für das in dieser Arbeit betrachtete Verständnis
von Lernen bilden, auch die Bedeutung der Selbststeuerung (vgl. Autopoiese) für den Lernprozess
soll berücksichtigt werden. Es wird von der Sicht des Menschen als lebendes System, das wiede-
rum Teil eines sozialen Systems ist und somit in Wechselbeziehungen mit seiner Umwelt steht,
ausgegangen. Nach dieser Auffassung müssen, um förderliche Bedingungen für Lernen zu schaf-
fen, systemische Sichtweisen und Ansätze betrachtet und berücksichtigt werden. Auch in den im
folgenden Kapitel vorgestellten konstruktivistischen Lernansätzen, die ebenso auf systemisch-
konstruktivistischen Grundlagen aufbauen, lassen sich diese Einstellungen erkennen, zum Bei-
spiel bzgl. Verständnis für größere Zusammenhänge, Prozessorientiertheit und Selbststeuerung.
Das folgende Kapitel führt in den Begriff des Lernens aus dieser Sicht ein und stellt den konstruk-
tivistischen lerntheoretischen Ansatz sowie zwei soziale Lerntheorien vor.
4
3. LERNEN ALS INDIVIDUUM
Ausgehend davon, dass der Mensch und seine Umwelt komplex aufgebaut sind und gegenseitige
Wechselwirkungen bestehen, wird das Thema Lernen aus einer systemischen, sozialen und psy-
chologischen Sicht betrachtet. Demzufolge lernt der Mensch nicht losgelöst von seiner Umwelt
und beeinflusst seinerseits seine Umwelt. Der neurobiologische Aspekt von Lernen wird dabei als
Voraussetzung und wichtig angesehen, ohne jedoch im Rahmen dieser Arbeit näher behandelt zu
werden. Nach einer Vorstellung verschiedener „klassischer“ Lerntheorien und dem Versuch der
Begriffsklärung und Einordnung in wissenschaftliche Disziplinen werden das Konzept der konstruktivistischen Lerntheorie und anschließend die Bedeutung der sozialen Interaktion für das
Lernen am Beispiel der Ansätze der Communities of Practice und des Sozialen Lernens nach
Bandura vorgestellt.
3.1
DER BEGRIFF LERNEN
Lernen wird zum einen in der Allgemeinen Psychologie behandelt (Edelmann, 2000, S.276). Dabei
wird untersucht, nach welchen allgemeinen Gesetzmäßigkeiten Lernen bei Mensch und Tier funk-
tioniert. Gegenüber diesem beschreibenden, erklärenden Ansatz liegt in der Pädagogischen Psy-
chologie der Fokus auf der Anwendung der Erkenntnisse der Lernpsychologie zur Optimierung
von Entwicklungsprozessen (vgl. Brandtstädter, Fischer, Lohmann, Reinert & Schneewind, 1979,
zit.n. Edelmann, 2000, S.277). Entwicklung als übergeordneter Begriff schließt nach Edelmann
(2000, S.277) neben Faktoren der sozialen und ökologischen Umwelt endogene (genetische) Faktoren mit ein. Sozialisation bezieht sich auf „den aktiven Umgang eines Individuums mit anderen
Menschen“ und die Verhaltens- und Erlebensmuster, die dadurch erworben werden (Edelmann,
2000, S.277). Der Lernbegriff in dieser Arbeit ist nah an das Verständnis von „Entwicklung“ ange-
lehnt, da eine ganzheitliche, umfassende Sicht auf das menschliche Lernen eingenommen werden
soll, wobei die Umwelt miteinbezogen wird. Der Begriff grenzt sich jedoch insofern vom Entwick-
lungsbegriff ab, als in dieser Arbeit endogene (genetische) Faktoren nicht explizit berücksichtigt
werden.
Eine allgemeine Definition von Lernen erklärt dieses als Veränderung im Verhaltenspotential
durch Erfahrungen (Lefrançois, 2006, S.6; Edelmann, 2000, S.278). Zu betonen ist hier, dass es
um Verhaltenspotential geht, das heißt, Möglichkeiten zum Handeln und Verhalten. Lernen nur
am offensichtlichen, sichtbaren Verhalten festzumachen, ist demnach zu kurz gegriffen (vgl.
Lefrançois, 2006, S.6; Edelmann, 2000, S.278). Lefrançois (2006, S.6) fasst als allgemeine Definiti-
on für Lernen zusammen: „Alle relativ dauerhaften Veränderungen im Verhaltenspotenzial,
die aus Erfahrung resultieren, aber nicht durch Müdigkeit, Reifung, Drogengebrauch, Ver-
letzung oder Krankheit verursacht sind.“ Dabei sieht Lefrançois Lernen als das, was im Orga-
nismus als Resultat von Erfahrungen geschieht und Verhaltensänderungen lediglich als „Belege
dafür, dass Lernen stattgefunden hat“ (2006, S.6). Andere Definitionen haben das Verhalten selbst
im Blick, im Vergleich zum oben genannten Verhaltenspotential: Die klassische verhaltensorien-
tierte Definition nach Hilgard und Bower (Hilgard und Bower (1970, S.16), zit.n. Lukesch, 2001,
S.22) kann als beobachtungsnah bezeichnet werden, diese besagt: „Lernen ist der Vorgang, durch
den eine Aktivität im Gefolge von Reaktionen des Organismus auf eine Umweltsituation entsteht
5
oder verändert wird.“ Wie Lefrançois schließt auch diese Definition bestimmte Ursachen aus:
„Dies gilt jedoch nur, wenn sich die Art der Aktivitätsänderung nicht auf der Grundlage angeborener Reaktionstendenzen, von Reifung oder von zeitweiligen organismischen Zuständen (z.B. Er-
müdung, Drogen) erklären lässt.“ Bergius (1971, S.9f., zit.n. Lukesch, 2001, S.22) sieht Lernen als
„Sammelname für Vorgänge, Prozesse oder nicht unmittelbar beobachtbare Veränderungen im
Organismus, die durch ‚Erfahrungen‘ entstehen und zu Veränderungen des Verhaltens führen.“
Die angeführten Definitionen haben gemeinsam, dass nach ihnen Erfahrungen bzw. Umweltreize
am Lernen beteiligt sind und Auswirkungen auf das Verhalten bzw. die Möglichkeit des Verhaltens (Verhaltenspotential) zur Folge haben bzw. haben können.
Nach Edelmann (2000, S.278; S.280) findet Lernen nach Auffassung einer dualistischen Lerntheorie in Auseinandersetzung mit der Umwelt statt. Gemäß dieser wird zwischen zwei Hauptkate-
gorien von Lernprozessen unterschieden: Außensteuerung, bei welcher Verhalten stark durch
Umweltreize kontrolliert werde und Innensteuerung, bei welcher der Mensch vorwiegend von
sich aus aktiv Aktivitäten vornehme. Da in dieser Arbeit von einem systemisch-
konstruktivistischen Lernverständnis ausgegangen wird und der Mensch als aktives soziales We-
sen begriffen wird, das fähig ist, reflektiert zu handeln, wird angenommen, dass die Reaktion auf
Umweltreize und Erfahrungen nicht in tatsächlichem Verhalten münden muss. Folglich werden
die letztgenannten verhaltensorientierten Auffassungen von Lernen als zu kurz greifend angese-
hen. Die Orientierung erfolgt demnach an den erstgenannten Definitionen und an der dualistischen Lerntheorie, welche Außen- und Innensteuerung als lernrelevant sieht.
Insgesamt ist zu sagen, dass Lernen weit mehr umfasst als die Aufnahme von Informationen in
klassischen Unterrichts- und Erziehungssituationen (Edelmann, 2006, S. 277ff.). Lernen ist nach
Edelmann (2000, S.278) auf keinen Entwicklungsabschnitt beschränkt, findet auch beiläufig und
zum Teil unbewusst oder parabewusst statt (Edelmann, 2000). Das Feld reicht weit über Sachwis-
sen hinaus, auch Angst und Sicherheit, Vorlieben und Abneigungen, Gewohnheiten und die Befähigung zum problemlösenden Denken und planvollen Handeln werden erlernt. Lernen findet also
auch im Alltag statt. Lernen meint nach Edelmann (2000, S.278) „nicht nur den Erwerb einzelner,
isolierter Dispositionen, sondern auch den Aufbau einer komplexen Persönlichkeit durch die Aneignung der menschlichen Kultur in einem individuellen Lebensweg“.
Es werden mehrere Lerntheorie-Ansätze unterschieden (siehe Tabelle 1). Dabei ist anzumerken,
dass die Lerntheorien jeweils Teilbereiche des Phänomens Lernen abdecken. Konstruktivistische
lerntheoretische Ansätze sind aufgaben- und handlungsorientiert und gehen davon aus, dass
Lernende durch Interaktion mit ihrer Umwelt mentale Strukturen aufbauen. Selbstbestimmung
und aktives Handeln werden als wichtig für den Lernerfolg gesehen (Piaget 1954; Papert 1980,
zit.n. Wenger, 1998, S.280). Die sozialen Lerntheorien betonen die zwischenmenschlichen Beziehungen und den Einfluss sozialer Interaktionen auf Verhalten. Dazu werden Imitation (Beobachtungslernen) anhand von Modellen (Bandura, 1977, zit.n. Wenger, 1998, S.280) und der
Ansatz Communities of Practice (Wenger, 1998, S.3) gezählt. Zu den beiden „klassischen“ Lerntheorien zählen die behavioristischen Theorien, welche sich mit dem beobachtbaren Verhalten
von Mensch und Tier und deren Reaktionen auf Stimuli beschäftigen und die kognitiven Theo-
rien. Letztere behandeln Lernen als Informationsverarbeitung und legen Augenmerk auf im Ge6
hirn ablaufende Prozesse. Problemlösen, Entscheidungsfindung, Wahrnehmung, Konzeptbildung,
Bewusstsein und Gedächtnis sind Schlüsselbegriffe kognitiver Lerntheorien (Lefrançois, 2006,
S.332).
T ABELLE 1 LERNTHEORIEN IM ÜBERBLICK
Konstruktivistische
lerntheoretische
Ansätze
Lernen als aktiver,
selbstgesteuerter
Prozess; Wissen wird
konstruiert
Soziale
Behavioristische
Kognitive
Lerntheorien
Lerntheorien
Theorien
Lernen als beobacht-
Lernen unter dem
bare Verhaltensände-
Einfluss sozialer In-
rung in Reaktion auf
teraktion
Umweltreize
Lernen als Informationsverarbeitung
ARBEITSDEFINITION
Diese Arbeit versucht, Lernen vor diesem Hintergrund und dem Verständnis eines weit gefassten
Lernbegriffs zu behandeln, wobei der Fokus auf der aktiven Rolle der Lernenden in einem sozia-
len Umfeld liegt. Demnach sollen konstruktivistische und soziale Lerntheorien im Zentrum stehen. Daraus folgt für die vorliegende Arbeit folgende Arbeitsdefinition:
Lernen bezeichnet eine durch Erfahrung entstehende Veränderung im Verhaltenspoten-
tial, welche nicht durch Müdigkeit, Reifung, Drogengebrauch, Verletzung oder Krankheit verursacht wird. Dabei findet Lernen in Auseinandersetzung mit der Umwelt statt.
Lernende und deren Umwelt wirken folglich gegenseitig aufeinander ein und soziale Interaktionen beeinflussen den Lernprozess. Lernen kann auch unbewusst und beiläufig
stattfinden.
Auf Basis der vorgestellten Ansätze und entsprechenden Erkenntnissen, welche Bedingungen
Lernen fördern, sollen Schlüsse über eine mögliche sinnvolle Gestaltung von Lernumgebungen
gezogen werden. Der Begriff „Lernumgebung“ bezeichnet dabei den Rahmen, in dem die Lernen-
den lernen, dies kann beispielsweise ein Klassenraum mit 25 Lernenden und einer Lehrkraft sein,
ein Spielplatz mit Spielgeräten und Sandkastenfreunden oder ein volles Zugabteil in der Stoßzeit
auf dem Heimweg. Im Folgenden werden der lerntheoretische Ansatz des Konstruktivismus so-
wie zwei sozialtheoretische Ansätze des Lernens näher betrachtet, um die Rolle des sozialen Umfeldes für den menschlichen Lernprozess zu erörtern: Communities of Practice und Soziales Lernen nach Bandura.
3.2
KONSTRUKTIVISTISCHES LERNEN
In dieser Arbeit soll auf konstruktivistische lerntheoretische Ansätze, nicht jedoch auf den Konstruktivismus als Strömung in der Wissenschafts- und Erkenntnistheorie eingegangen werden. Es
7
gibt mehrere konstruktivistische Ansätze mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausprägungen und nicht nur eine, noch dazu widerspruchsfreie Ausrichtung und Definition (vgl. Arnold,
2005, S.4f). Allgemein ist zu sagen, dass konstruktivistische Lerntheorie-Ansätze Wissen als Konstruktion der Lernenden auffassen (Arnold, 2005, S.5; Lefrançois, 2006, S. 350). Im Folgenden
sollen die wesentlichen Punkte des Konstruktivismus vermittelt werden, wobei zu beachten ist,
dass verschiedene konstruktivistische Ansätze zum Teil grundlegend unterschiedliche Aussagen
treffen (Arnold, 2005, S.4). Die folgende Darstellung kann daher nicht als einziggültig und absolut
angesehen werden. Sie unterliegt jedoch einer Auswahl, die in Anbetracht der vorliegenden Quellen als sinnvoll erachtet wurde.
3.2.1 GRUNDANNAHMEN, M ERKMALE, EIGENSCHAFTEN
Im Gegensatz zum Behaviorismus, in welchem Lernen als beobachtbare Verhaltensänderung in
Reaktion auf Umweltreize (Arnold, 2005, S.2) betrachtet wird und Lernende eher in einer passiven Rolle des Reagierenden auf Reize gesehen werden und dem Kognitivismus, der Lernen als
Prozess der Informationsverarbeitung behandelt (Holzinger, 2001, S.164), bei welcher interne
Prozesse und kognitive Strukturen des Verstandes des Menschen mitberücksichtigt werden
(Arnold, 2005, S.3), wird Lernen im Konstruktivismus als aktiver, selbstgesteuerter Prozess gesehen (vgl. Edelmann, 2000, S.287; Holzinger, 2001, S.149,S.163). Geht es beim Behaviorismus um
Leistung und beim Kognitivismus um Wissen, ist das Hauptziel des Konstruktivismus Kompetenz
beim Lernenden, d.h. das Erkennen des Gesamtproblems (Holzinger, 2001, S.163). Ein Kernpunkt
des Konstruktivismus ist die interne individuelle Konstruktion von Wissen, welche subjektiv ist
(Holzinger, 2001, S.146). Demnach ist Wissen nicht objektiv und auch nicht von einer Person zur
anderen übertragbar (Mandl, Gruber & Renkl, 1997, zit.n. Arnold, 2005, S.5). Wissen wird aktiv
von der lernenden Person selbst konstruiert, dies geschieht in Verbindung mit deren Vorwissen
(Thissen, 1997, zit.n. Holzinger, 2001, S.147). Nach Arnold (2005, S.5) erfolgt diese Konstruktion
„auf der Grundlage eigener Handlung und Erfahrungen, mit engem Bezug zu den Problemen der
eigenen Lebenswelt“. Im radikalen Konstruktivismus wird Lernen als autonome, individuelle
Leistung gesehen, wohingegen andere Ansätze Lernen als sozialen und kooperativen Prozess ansehen (Gaiser, 2002; Zimmer, 1996, zit.n. Arnold, 2005, S.5).
Als Merkmale von konstruktivistischen Ansätzen können zusammenfassend genannt werden:
•
•
•
•
•
Selbstgesteuertheit und Handeln der Lernenden (vgl. Arnold, 2005,S.10),
die Situiertheit des Lernens (d.h. Lernen ist an den Kontext gebunden) (vgl.
Arnold, 2005, S.5),
die Bedeutung von sozialer Interaktion (Holzinger, 2001, S.149; Arnold, 2005,
S.10),
Lernen anhand von komplexen, offenen und möglichst authentischen Problemstellungen (Arnold, 2005, S.14),
ein Verständnis für größere Zusammenhänge und eine prozessorientierte Sicht
des Lernens (vgl. Arnold, 2005; Holzinger, 2001, S.111).
Von diesem Lernverständnis soll in dieser Arbeit ausgegangen werden.
8
3.2.2 GESTALTUNG KONSTRUKTIVISTISCHER LERNUMGEBUNGEN
Unter dem Begriff „träges Wissen“ wird das Phänomen verstanden, nach dem Lernende Wissen,
das im Rahmen von organisierten Lehr- und Lernprozessen wie im klassischen Schulunterricht
erworben wurde, in konkreten Situationen nicht anwenden können (vgl. Holzinger, 2001, S.147;
Arnold, 2005, S.5). Demgegenüber legen konstruktivistische Ansätze Wert auf authentische, reale
Anwendungssituationen. Im Gegensatz zum Instruktionsdesign-Ansatz werden Inhalte, Methoden
und Lernziele nicht klar definiert und festgelegt, sondern Lernumgebungen geschaffen, „in denen
Lernende sich prinzipiell selbst gesteuert und handelnd mit ihrer Umwelt auseinandersetzen“
(Arnold, 2005, S. 10). Der Lernende soll angeregt werden, das Problem zu verstehen (vgl. Holzinger, 2001, S.149). Im Konstruktivismus steht der Lernende im Mittelpunkt. Die Rolle des Lehren-
den verlagert sich im Vergleich zu der des „Belehrenden“ in instruktionistischen Konzepten auf
die eines „Coaches“ (Trainer), welcher die Lernenden bei der Konstruktion ihres Wissens unterstützt (vgl. Holzinger, 2001, S.148). Holzinger (2001, S.148) stellt die Bedeutung von sozialer In-
teraktion und die problemlösungsorientierte Ausrichtung konstruktivistischer Lernumgebungen
dar: „Eine konstruktivistische Lernumgebung soll ein herausforderndes Milieu gewährleisten. Es
soll die Lernenden dazu anregen, Probleme in Zusammenarbeit mit anderen zu lösen“.
KRITIK
Als Kritikpunkte konstruktivistischer Lernansätze werden genannt: der hohe Komplexitätsgrad,
der die Lernenden überfordern kann, das nötige hohe Maß an Eigenverantwortung, Kompetenz
und Motivation, um selbstgesteuert zu lernen sowie aus didaktischer Sicht der hohe Entwicklungsaufwand für konstruktivistische Lernumgebungen (vgl. Holzinger, 2001, S.163). Was die
Gestaltung von Lernumgebungen nach dem konstruktivistischen Ansatz betrifft, ergibt sich, dass
Lernen in konstruktivistischen Lernumgebungen mitunter eine größere Herausforderung dar-
stellt als in instruktionistischen Umgebungen wie z.B. dem Frontalunterricht. Im Vergleich zu
anderen Ansätzen werden hier an die Lernenden hohe Ansprüche gestellt, da zum Lernen ein
hoher Grad an aktiver Beteiligung, Selbststeuerung und -motivation sowie eine gewisse Fähigkeit,
mit komplexen Situationen umzugehen, erforderlich sind. Weiter wird kritisch angemerkt, dass,
würde man dem Ansatz des Lernens in authentischen Situationen uneingeschränkt folgen, als
logische Konsequenz institutionelles Lernen als überflüssig dargestellt werde (Arnold, 2005,
S.13). Zudem kann vor einer zu starken Ausrichtung auf anwendbares Wissen und damit auf situ-
ations- bzw. vom aktuellen Arbeitsmarkt abhängiges Wissen gewarnt werden (Euler, 1997; Gaiser, 2002, zit.n. Arnold, 2005, S.13).
BEZUG ZUR PROBLEMSTELLUNG
Eigenverantwortliches Lernen und selbstbestimmtes Handeln, das Lösen von komplexen Problemstellungen in authentischen Kontexten, soziale Interaktion und Lernen im jeweiligen Kontext
sowie eine prozessorientierte Sicht des Lernens sind als Merkmale konstruktivistischen Lernens
folglich Punkte, die für die Schaffung lernförderlicher Bedingungen in Organisationen zu beachten
sind.
9
3.3
SOZIALE LERNTHEORIEN
Die sozialen Lerntheorien beschäftigen sich mit der Bedeutung von sozialen Beziehungen und
Interaktionen für den Lernprozess. Der Ansatz Communities of Practice behandelt die Teilnahme
an informellen Gemeinschaften und die Bedeutung von sozialer Interaktion für das Lernen, Banduras Theorie ist auf den Erwerb von Verhalten mittels Beobachtungslernen fokussiert.
3.3.1 COMMUNITIES OF PRACTICE
Der Begriff Communities of Practice wurde von Etienne Wenger und Jean Lave geprägt (Arnold,
2003, S.26) und bezeichnet
„Gruppen von Personen, die ein gemeinsames Anliegen haben, vor ähnlichen Proble-
men stehen oder die gleiche Leidenschaft für ein Thema empfinden und die ihr Wissen und ihre Expertise auf diesem Gebiet durch kontinuierliches aufeinander bezogenes Handeln vertiefen“ (Wenger, McDermott & Snyder, 2002, S.4, zit.n. Arnold, 2003,
S.83).
Als Communities of Practice können also Menschengruppen verstanden werden, die längerfristig
gemeinsam ihr Wissen in einem gemeinsamen Interessens- oder Aufgabengebiet steigern. Dies ist
ein aktiver Prozess. Nach Wenger sind diese sozialen Gefüge informeller Art (Wenger, 1998). Eine
deutsche Übersetzung des Begriffs kann mit „Praxisgemeinschaft“ (Arnold, 2003, S.26) versucht
werden, wobei zu beachten ist, dass diese deutsche Übersetzung mit ihrem üblicherweise damit
assoziierten Bedeutungsgehalt vom ursprünglichen Sinn des Ausdruckes abweichen kann. Communities of Practice sind nach Wenger ein wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens und
in unser Leben integriert und formlos, so dass sie selten explizit ins Blickfeld gerückt werden:
Familie, Sportverein, Bands, Gruppen von Schülern, Arbeitskollegen u.a. (vgl. Wenger, 1998, S.6f.).
Sie formen sich in „geteilten Unternehmungen bzw. gemeinsamen Unterfangen“ (engl. „shared
enterprises“) im Laufe der Zeit (Wenger, 1998).
3.3.1.1
GRUNDANNAHMEN
Als Grundannahme wird Lernen als sozialer Prozess begriffen. Wenger (1998) baut seine Lerntheorie auf der Annahme auf, dass der Mensch ein soziales Wesen ist und die Teilnahme an sozialen Erfahrungen und Tätigkeiten der grundlegende Prozess ist, durch welchen Menschen lernen
und zu dem werden, wer sie sind: „Engagement in social practice is the fundamental process by
which we learn and so become who we are“ (Wenger, 1998, preface). Beim Wissen geht es um
Kompetenz („competence“) hinsichtlich geschätzter Unternehmungen (engl. „valued enterprises“) (Wenger, 1998, S.4). Ausgehend von einem ganzheitlichen Verständnis von Lernen, das Ler-
nen als vielschichtig und multidimensional begreift, betont Wenger (1998, S.9) die Wichtigkeit
der Perspektive: Wie „Lernen“ verstanden wird, beeinflusst demnach den Umgang damit. Er
plädiert für eine Reflektion und Überdenken („Re-Thinking“) des Lernverständnisses: „If we pro-
ceed without reflecting on our fundamental assumptions about the nature of learning, we run an
increasing risk that our conceptions will have misleading ramifications” (Wenger, 1998, S.9).
Stattdessen will er Lernen aus einer weiteren Perspektive als traditionell verstanden begreifen,
über institutionelles, schulisch organisiertes Lernen hinaus und es vom Stigma des Langweiligen
10
befreien: Lernen als natürlichen, lebenserhaltenden und unweigerlichen Teil der menschlichen
Natur:
What if we adopted a different perspective, one that places learning in the context of
our lived experience of participation in the world? What if we assumed that learning
is as much a part of our human nature as eating or sleeping, that it is both lifesustaining and inevitable, and that – given a chance – we are quite good at it? And
what if, in addition, we assumed that learning is, in its essence, a fundamentally social
phenomenon, reflecting our own deeply social nature as human beings capable of
knowing? (Wenger, 1998, S.3)
Lernen soll zudem Bedeutung schaffen, das bedeutet, dass der Mensch die Welt und die aktive
Teilnahme („engagement“) daran als sinnvoll erleben kann (Wenger, 1998, S.4). Eine soziale
Lerntheorie sieht Wenger als relevant für das reale Leben, für alle, die Lernen in unseren Beziehungen, Gemeinschaften und Organisationen fördern müssen: Von Schülern bis Eltern über Manager und Bürger (Wenger, 1998, S.11). Geht es beim Wissen um Kompetenz, wie von Wenger
dargestellt, die z.B. im Reparieren von Geräten, wissenschaftliche Fakten entdecken, gesellig sein,
Poesie verfassen etc. zu finden ist, zeigt dies erneut ein „alltagstaugliches“ Wissensverständnis.
3.3.1.2
GESTALTUNG VON LERNUMGEBUNGEN
Wenger (1998, S.4) versteht soziale Teilnahme („participation“) nicht als auf Mitwirkung an Akti-
vitäten mit bestimmten Personen an einem Ort beschränkt, sondern als umfassenderen Prozess,
aktive Beteiligte in den praktischen Aktivitäten („practices“) sozialer Gemeinschaften zu sein.
Dazu gehört die Bildung von Identitäten in Bezug auf diese Gemeinschaften. Aktion und Dazuge-
hören sieht Wenger zum Beispiel in der Teilnahme in Arbeitsteams oder einer Spielgruppe
(Wenger, 1998, S.11).
BEZUG ZUR PROBLEMSTELLUNG
Folglich findet Lernen bereits in informellen Umgebungen statt, die nicht explizit als Lernumge-
bungen geschaffen wurden. Lernen wird als umfassender, ganzheitlicher und mehr in den Alltag
integriert verstanden als bei traditionellen Lernansätzen. Wird davon ausgegangen, dass Lernen
in informellen Gruppen stattfindet, ohne dass diese von den Lernenden explizit als Lernumgebungen wahrgenommen werden, kann daraus weitergefolgert werden, dass die Teilnahme und
Integration von Lernenden in diesen Communities of Practice auch in Organisationen gefördert
werden sollte.
3.3.2 SOZIALES LERNEN NACH BANDURA
Albert Banduras Theorie des Sozialen Lernens behandelt im Kern Beobachtungslernen oder Ler-
nen durch Imitation (Lefrançois, 2006, S.312). Banduras Theorie des Sozialen Lernens wird als
sozialkognitive Theorie bezeichnet (Lefrançois, 2006, S.312). Sie basiert auf behavioristischen
Theorien (Miller und Dollard, Skinner), welche von Bandura adaptiert bzw. um kognitive Aspekte
erweitert wurden (S.325).
11
3.3.2.1
BEGRIFFSKLÄRUNG
Beobachtungslernen bzw. Modelllernen stellt „eine besonders schnelle und effiziente Art der
Übernahme von Verhaltensweisen dar, besonders bei der Übernahme komplexer Verhaltensfor-
men im Bereich des sozialen und sprachlichen Verhaltens“ (Tausch & Tausch, 1973, S.49, zit.n.
Edelmann, 2000, S.189). Die Theorie des Modelllernens besagt, dass die Wahrnehmung eines Modells eine Person, die dieses beobachtet, beeinflussen kann (Edelmann, 2000, S.189). Es gibt meh-
rere theoretische Ansätze dazu, wobei in diesem Abschnitt die sozialkognitive Theorie Banduras
behandelt wird und auf rein verhaltenstheoretische Auffassungen nicht näher eingegangen wird.
Laut Bandura hat ein großer Teil unseres Lernens mit Modellen zu tun (Lefrançois, 2006, S.312).
Beobachtungslernen wird nach Edelmann (2000, S.188) als synonymer Begriff für Modelllernen
genannt, ebenso wie: Lernen am Modell, Imitationslernen, stellvertretendes Lernen. Dabei ist zu
beachten, dass manche Autoren diese Begriffe voneinander abgrenzen. In dieser Arbeit werden
diese jedoch synonym verwendet.
Modelle bezeichnen jede Repräsentation eines Verhaltensmusters (Lefrançois, 2006, S. 312).
Modelle können reale Personen sein (Life-Modell) oder durch Medien vermittelt werden (symbo-
lisches Modell) (Edelmann, 2000, S.188). Als Imitation wird ein Verhalten bezeichnet, das nach
der Beobachtung von Modellen von selbst gezeigt und verstärkt wird. Banduras Theorie des Beobachtungslernens basiert auf Skinners Theorie der operanten Konditionierung, nach welcher
Lernen als „Steigerung der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Operanten (einer von
selbst gezeigten Reaktion) als Funktion von Verstärkung“ beschrieben wird (Lefrançois, 2006,
S.313). Verstärkung spielt demnach eine große Rolle (vgl. Verhaltenskontrollsysteme).
3.3.2.2
GRUNDANNAHMEN, EIGENSCHAFTEN UND MERKMALE
Kognitive Fähigkeiten haben aus Banduras Sicht eine wesentliche Bedeutung für das Modelller-
nen. Dazu gehören Antizipation (die Vorausahnung bzw. angenommene Erwartung) von Verhaltenskonsequenzen, Symbolisierung (kognitive bzw. sprachliche Repräsentationen externer Er-
eignisse 1) und das Erkennen von Ursache-Wirkungs-Beziehungen (Lefrançois, 2006, S.313,
S.318). Zudem streben Menschen nach Einflussnahme bzw. Kontrolle über Ereignisse (Lefrançois,
2006, S.313, S.318).
Es werden vier Prozesse beim Vorgang des Beobachtungslernens unterschieden, die zwei Pha-
sen zugeteilt werden (siehe Abbildung 2; Lefrançois, 2006, S.313; Edelmann, 2000, S.191): In der
Aneignungsphase finden Aufmerksamkeitsprozesse und Behaltensprozesse (Gedächtnisprozesse)
statt. Ob dem Verhalten eines Modells Aufmerksamkeit gewidmet wird, ist stark von dessen Wert
für den Beobachtenden abhängig (Lefrançois, 2006, S.313) und wird beeinflusst durch Eigen-
schaften der Modellperson wie Prestige, Einfluss, Kompetenz (Edelmann, 2000, S.191) und Ver-
trauenswürdigkeit des Modells (Lefrançois, 2006, S.313), bzw. Eigenschaften oder Haltungen des
Beobachtenden wie emotionale Erregung und Engagement, Unklarheit und Zweifel über ange-
messene Verhaltensformen sowie ein positives Beziehungsverhältnis des Beobachters zur Modellperson (Edelmann, 2000, S.191). Weiter hängt der Grad der Aufmerksamkeit von der Unver1
Quelle: http://www.moguul.de/papil/?page_id=95
12
wechselbarkeit, Komplexität, Häufigkeit und Nützlichkeit eines Modellverhaltens ab (Lefrançois,
2006, S.313). Damit ein Beobachter Modellverhalten selbst anwenden kann, muss dieses gespeichert werden. Die Beobachtungen werden in Form von bildlichen oder sprachlichen Repräsenta-
tionen repräsentiert und im Gedächtnis behalten (Lefrançois, 2006, S.313; Edelmann, 2000,
S.191f.). Das eigentliche Lernen findet nach Bandura in dieser Aneignungsphase statt (Edelmann,
2000, S.192). Die Ausführungsphase beinhaltet motorische Reproduktionsprozesse und Verstärkungs- und Motivationsprozesse (Edelmann, 2000, S.192). Bei den motorischen Reproduktions-
prozessen geht es darum, die vorgestellten Handlungen in tatsächliches Verhalten umzusetzen,
wofür wahrscheinlich gewisse motorische und physische Fähigkeiten und möglicherweise verba-
le und intellektuelle Kapazitäten erforderlich sind (Lefrançois, 2006, S.314). Verstärkungs- und
Motivationsprozesse haben mit der Motivation des Beobachters, das Modellverhalten zu zeigen
zu tun, wobei (antizipierte) Verstärkung, Löschung und Bestrafung eine wichtige Rolle spielen
(Edelmann, 2000, S. 192). Die folgende Darstellung bildet die vier Prozesse ab (Abbildung 2).
A BBILDUNG 2 DIE VIER AN BEOBACHTUNGSLERNEN BETEILIGTEN P ROZESSE.
Q UELLE : LEFRANÇOIS, 2006, S.314; A US A.B ANDURA , SOCIAL L EARNING THEORY, © 1977, S.23
Es werden drei Wirkungen von Modellen unterschieden: Mit dem Modelleffekt wird der Erwerb
neuer Verhaltensweisen durch die Nachahmung eines Modellverhaltens beschrieben (Lefrançois,
2006, S.316). Hemmungs- und Enthemmungseffekte treten auf, wenn eine Bestrafung oder Belohnung des Modells für ein unerwünschtes Verhalten beobachtet wurde. Es findet eine Unterlassung des unerwünschten Verhaltens statt (Hemmung) bzw. wird ein zuvor gehemmtes uner-
wünschtes Verhalten gezeigt (Enthemmung). (Lefrançois, 2006, S.317). Beim Auslöseeffekt wer13
den beim Beobachtenden Reaktionen ausgelöst, die das Verhalten eines Modelles nicht exakt
nachahmen, sondern ihm nur ähnlich sind (Lefrançois, 2006, S.318).
Bandura schreibt der Selbstwirksamkeit eine große Bedeutung zu (Lefrançois, 2006, S.302,
S.321, S.323). Selbstwirksamkeit bezeichnet das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Bandura
nennt vier Hauptfaktoren, die Einfluss auf die Beurteilung der persönlichen Selbstwirksamkeit
haben (Lefrançois, 2006, S.303f., S.321f.):
1. Enaktiv: Individuelle Auswirkungen des Verhaltens (Erfolg oder Misserfolg)
2. Stellvertretend: Vergleich der eigenen Leistung mit der Leistung anderer (potentiell
Gleichrangige)
3. Überredend: Überredung zu Verhalten – Wirkung von Vertrauen oder Zweifeln anderer
Menschen (Wirkung könnte daher rühren, dass der Betroffene die Überredung als Beweis sieht, dass er für kompetent gehalten wird)
4. Emotiv: Emotionen oder Arousal (Wachsamkeit einer Person (Lefrançois, 2006, S.162))
Bandura beschreibt Menschen als Agenten (Handelnde), die handeln und nicht lediglich Erfah-
rungen erleben. Demnach ist der Mensch verantwortlich (für sein Handeln, Anm.), auch wenn ein
Einfluss biologischer Kräfte nicht bezweifelt wird (Lefrançois, 2006, S.320f.). Drei Hauptmerkma-
le des Menschen kennzeichnen nach Bandura diesen als Agenten: Intentionalität (bezeichnet ab-
sichtsvolles Handeln), Vorausschau (die Fähigkeit, Konsequenzen des eigenen Verhaltens voraus-
zusehen (durch Symbolisierung)), Selbstreaktivität und Selbstreflektion (die Fähigkeit, die eigenen
Handlungen und deren Konsequenzen zu überprüfen und darauf zu reagieren) (Lefrançois, 2006,
S.321).
Gemäß Banduras integrativem Ansatz, der behavioristische als auch kognitive Aspekte beachtet,
wird das menschliche Verhalten sowohl von der Umwelt (externale Stimulation) als auch durch
kognitive Ereignisse wie Bilder, Erinnerungen, Gefühle etc. (internale Stimulation) beeinflusst
(Lefrançois, 2006, S.319, vgl. auch „dualistische Lerntheorie“). Bandura nennt drei Kontrollsys-
teme, die bei der Steuerung der Kontrolle des menschlichen Verhaltens miteinander interagieren:
Stimuluskontrolle, Ergebniskontrolle und Symbolische Kontrolle (siehe Tabelle 2; Lefrançois, 2006,
S.319). Zu den menschlichen Verhaltensweisen, die durch externale Stimuli kontrolliert werden,
gehören autonome (reflektorische) Reaktionen auf bestimmte Stimuli (z.B. Niesen, Schreckreaktion etc.) sowie durch Verstärkung gelernte Reaktionen. Bei der Ergebniskontrolle wird das Ver-
halten in Anbetracht der erwarteten Konsequenzen kontrolliert, durch operante Konditionierung,
d.h. Verstärkung, Nichtverstärkung, Bestrafung. Symbolische Kontrolle bezieht sich auf innere
Prozesse. Dazu gehören Selbstinstruktion (internale Verbalisierung von Regeln) und die Antizipation von Verhaltenskonsequenzen bzw. symbolische Repräsentation langfristiger Konsequenzen
von Verhaltensweisen (Lefrançois, 2006, S.320). Es wird angenommen, dass die Symbolische
Kontrolle bei Menschen eine wesentlich größere Bedeutung hat als die beiden anderen Kontrollsysteme (Lefrançois, 2006, S.320).
14
T ABELLE 2 VERHALTENSKONTROLLSYSTEME NACH BANDURA
Q UELLE : NACH L EFRANÇOIS, 2006, S.318FF.
Kontrollsysteme nach Bandura
Stimuluskontrolle
Autonome (reflektorische) Reaktionen auf Stimuli und durch Verstär-
Ergebniskontrolle
Kontrolle durch Verhaltenskonsequenzen (operante Konditionierung):
Symbolische Kontrolle
3.3.2.3
kung gelernte Reaktionen
Verstärkung, Nichtverstärkung, Bestrafung
Internale Prozesse: Selbstinstruktion, Antizipation bzw. symbolische
Repräsentation von Verhaltenskonsequenzen
GESTALTUNG VON LERNUMGEBUNGEN
Da davon ausgegangen wird, dass kognitive Fähigkeiten bedeutsam für das Modelllernen sind,
sollte eine Lernumgebung geschaffen werden, in der kognitive Fähigkeiten gefördert werden.
Eine positive Beurteilung der eigenen Selbstwirksamkeit wird als bedeutsam für hohe Leistungen
und positive Lebensbewältigung sowie körperliche und geistige Gesundheit gesehen (Lefrançois,
2006, S.323, S.325). Demnach ist eine Vermittlung einer positiven Selbstwirksamkeitsbeurteilung
sowie des Gefühls persönlichen Einflusses (Personal Agency) durch Erziehungspersonen von Bedeutung. In Anbetracht der Einflüsse von Selbstwirksamkeit wird geraten, dass Wettbewerbssitu-
ationen vermieden werden (stellvertretende Einflüsse). Stattdessen soll durch individuelle Lern-
ziele ein Lernen im eigenen Tempo ermöglicht werden und Lernende sollen Erfolge erleben (en-
aktive Einflüsse), für die sie sich persönlich verantwortlich fühlen können (Lefrançois, 2006,
S.324, zit.n. Schmuck & Schmuck, 1997). Auch eine Wirkung überredender Einflüsse von Erziehungspersonen durch Zweifel- oder Vertrauensbekundungen ist zu beachten. Weiter kann der
Grad an Arousal (emotive Einflüsse) beeinflusst werden (vgl. Lefrançois, 2006, S.323f.).
BEZUG ZUR PROBLEMSTELLUNG
Demnach können (Erziehungs-)Personen durch ihre Einflussnahme auf andere deren Selbstwirk-
samkeitsbeurteilung beeinflussen, was sich in weiterer Folge lernförderlich bzw. lernhemmend
auswirkt. Die Wirkung von Modellverhalten auf das Verhalten Beobachtender lässt folgern, dass
eine konstruktive Vorbildwirkung anderer das menschliche Lernen positiv beeinflussen kann. Da
nach Bandura ein großer Teil des menschlichen Lernens mit Modellen zu tun hat (Lefrançois,
2006, S.312) und Imitation sehr häufig vorkommt (Lefrançois, 2006, S.314) ist in Organisationen
darauf zu achten, welche Modelle (Menschen und auch Medien) vorhanden sind und wie stark
und konstruktiv deren Einfluss ist.
15
FAZIT
Ausgehend von den vorgestellten Ansätzen kann zusammengefasst werden, dass Lernen als soziales Phänomen betrachtet wird und der Mensch und dessen Umwelt sich wechselseitig beeinflussen. Lernen wird als multidimensional und vielschichtig begriffen (vgl. Communities of Prac-
tice). Weiter werden die aktive Teilnahme an der Welt (vgl. Communities of Practice), das aktive
Handeln und selbstständige Konstruieren von Wissen (vgl. Konstruktivistisches Lernen) und der
Einfluss der Vorbildwirkung (vgl. Soziales Lernen nach Bandura) als relevant für Lernen gesehen.
Im folgenden Kapitel wird Lernen in Organisationen behandelt.
4. LERNEN IN ORGANISATIONEN
In diesem Kapitel soll betrachtet werden, wie Lernen in Organisationen gelingen und gefördert
werden kann. Nach einer kurzen Einführung in das Thema wird auf die „Fünf Disziplinen“ nach
Peter Senge näher eingegangen, welche dieser als wesentlich für den Lernerfolg einer Organisation ansieht.
4.1
DEFINITION LERNENDE ORGANISATION UND ORGANISATIONALES LERNEN
Argyris und Schön sowie Senge beschäftigen sich mit dem Lernen in Organisationen. Es werden
zur Einführung in das Thema und zur Begriffsklärung die Definitionen von „Organisationales Ler-
nen“ und „Lernende Organisation“ vorgestellt. Argyris und Schön (2006) beschreiben Organisationales Lernen wie folgt:
„Organisationales Lernen findet statt, wenn einzelne in einer Organisation eine prob-
lematische Situation erleben und sie im Namen der Organisation untersuchen. Sie er-
leben eine überraschende Nichtübereinstimmung zwischen erwarteten und tatsächli-
chen Aktionsergebnissen und reagieren darauf mit einem Prozeß von Gedanken und
weiteren Handlungen; dieser bringt sie dazu, ihre Vorstellungen von der Organisation
oder ihr Verständnis organisationaler Phänomene abzuändern und ihre Aktivitäten
neu zu ordnen, damit Ergebnisse und Erwartungen übereinstimmen, womit sie die
handlungsleitende Theorie von Organisationen ändern. Um organisational zu werden,
muß das Lernen, das sich aus Untersuchungen in der Organisation ergibt, in den Bildern der Organisation verankert werden, die in den Köpfen ihrer Mitglieder
und/oder den erkenntnistheoretischen Artefakten existieren (den Diagrammen,
Speichern und Programmen), die im organisationalen Umfeld angesiedelt sind“
(Argyris und Schön, 2006, S.31f.).
Organisationales Lernen bezieht sich nach diesem Ansatz auf Individuen innerhalb einer Organi-
sation, die in Reaktion auf unerwartete Folgen von Handlungen ihre Haltungen und Aktivitäten
dahingehend abändern, dass die Ergebnisse ihrer Handlungen den Erwartungen entsprechen. Das
Lernen muss, um organisational zu werden, innerhalb der Organisation verankert werden (in
deren „Bildern“ – in den Köpfen der Mitglieder oder medial expliziert). Die Organisationsmitglie16
der lernen demnach, indem sie vor ein Problem gestellt werden und dieses lösen, ein Prozess, der
innerhalb der Organisation festgehalten werden muss.
Senge sieht die Grundbedeutung einer Lernenden Organisation folgendermaßen: „Es ist eine
Organisation, die kontinuierlich die Fähigkeit ausweitet, ihre eigene Zukunft schöpferisch zu gestalten. Eine solche Organisation gibt sich nicht damit zufrieden, einfach zu überleben“ (Senge,
2011, S.25). Zum adaptiven Lernen („Überlebenstraining“) müsse sich ein „schöpferisches Lernen
hinzufügen, ein Lernen, das unsere kreative Kraft fördert“ (S.25). In Lernenden Organisationen
entfalten nach Senge die Menschen kontinuierlich die Fähigkeit, „ihre wahren Ziele zu verwirklichen, es werden neue Denkformen gefördert und gemeinsame Hoffnungen freigesetzt“ (S.13).
Den vorgestellten Definitionen zufolge ist das Lernen von Individuen bedeutend für die Organisa-
tion (Organisationales Lernen), auf der anderen Seite kann eine Lernende Organisation mit deren
Dynamik auch das Lernen von Individuen fördern. Wie Senge (2011, S.18) beschreibt: „Mein Inte-
resse gilt vor allem den Verbindungen zwischen dem individuellen Lernen und dem Lernen von
Organisationen, den gegenseitigen Verpflichtungen von Individuum und Organisation und dem
speziellen Geist eines Unternehmens, das sich aus Lernenden zusammensetzt.“ Nach dem Verständnis dieser Arbeit sind das Lernen von Individuen in Organisationen und das Lernen als Organisation im Sinne des systemischen Denkens miteinander verknüpft.
4.2
DISZIPLINEN VON PETER SENGE
Es werden die fünf (Lern-)Disziplinen vorgestellt, deren Umsetzung Senge als wesentlich sieht,
um als Organisation erfolgreich zu lernen (2011, S.23, S. 150): Systemdenken, Personal Mastery,
Team-Lernen, Mentale Modelle, Eine gemeinsame Vision.
4.2.1 SYSTEMDENKEN
Nach der Einführung in die systemtheoretischen Grundlagen in Kapitel 2 soll die Bedeutung der
Disziplin des Systemischen Denkens (syn. Systemdenken) für Lernende Organisationen aus Peter
Senges (2011) Sicht dargestellt werden. Nach Senge (2011, S.91) ist für das Lernen in Organisationen ein „grundsätzliches Umdenken“ Richtung Systemdenken erforderlich. Es gilt, das Denken,
welches ein Problem ursprünglich hervorgebracht hat, zu verändern (Senge, 2011, S.115). Peter
Senge (2011) sieht das Systemdenken als die verbindende Grundlage der „Fünf Disziplinen“, deren Ausübung er für Lernende Organisationen empfiehlt (vgl. Senge, 2011, S.23, S.87).
Wie bereits in Kapitel 2 dargelegt, ist eine grundlegende systemische Haltung das Denken in Zu-
sammenhängen (vgl. Simon, 2009, S.12). Systemdenken beinhaltet, Wechselbeziehungen statt
linearer Ursache-Wirkung-Ketten und Veränderungsprozesse statt Momentaufnahmen wahrzu-
nehmen (Senge, 2011, S.91). Das System ist als Ganzes zu sehen und dessen Komponenten sind
durch Wechselbeziehungen miteinander verbunden (vgl. Senge, 2011, S.23, S.57, S.91; Radatz,
2000, S.64). Es wird zirkulär statt linear-kausal und lösungs- und zukunftsorientiert gedacht. Nach
Senge gilt, die grundlegenden Strukturen zu erkennen, die das individuelle Handeln beeinflussen
und bestimmte Ereignisformen begünstigen (vgl. Senge, S. 56; S. 82). Schuldzuweisungen und
Ursachenforschung zu betreiben, wird vermieden (vgl. Senge, 2011, S.54, S.85; Radatz, 2000,
17
S.69). Aufgrund der wechselseitigen Beeinflussungen und Abhängigkeiten der Systemelemente ist
folglich das System als Ganzes ins Blickfeld zu nehmen, da davon auszugehen ist, dass mehrere
Elemente an einer Krise beteiligt sind.
Um ein Verständnis für Systemzusammenhänge zu erlangen und potentielle „Hebel“ zur Verände-
rung zu erkennen, ist es hilfreich, häufig vorkommende Strukturmuster („Systemarchetypen“) zu
kennen und in realen Situationen zu identifizieren (Senge, 2011, S.114f.). Diese helfen, systemischer zu denken und zu handeln (Senge, 2011, S.135). Damit eine Organisation erfolgreich lernen
kann, benötigt es nach Senge (2011, S.150) jedoch auch die Ausübung der folgenden Disziplinen.
4.2.2 PERSONAL MASTERY
Personal Mastery bezeichnet nach Peter Senge die Disziplin der Selbstführung und Persönlich-
keitsentwicklung (Senge, 2011, S.153). Eine Organisation lernt, wenn ihre Individuen lernen:
„Ohne individuelles Lernen gibt es keine lernende Organisation“ (Senge, 2011, S. 153). „Men-
schen, die einen hohen Grad an Personal Mastery erlangen, erweitern beständig ihre Fähigkeit,
die Ergebnisse zu erzielen, die sie wahrhaft anstreben. Ihr kontinuierliches Streben nach Selbst-
schulung und Selbstführung prägt den Geist der lernenden Organisation“ (S.155). Senge versteht
diese Disziplin als lebenslangen Prozess (S.157). Er sieht Lernen im Zusammenhang mit Personal
Mastery nicht als Aufnahme von zusätzlicher Information, sondern: Lernen bedeutet, die Fähigkeiten zu erweitern, die für das Erreichen der tatsächlich angestrebten Ziele für das Leben nötig sind
(S.156). Der Ansatz der Personal Mastery ist, an das Leben schöpferisch und gestaltend im Gegensatz zu mit einer reaktiven Haltung heranzugehen (S.155).
Es gibt zwei grundsätzliche Verhaltensweisen in der Personal Mastery (Senge, 2011, S.156): mit-
tels wiederholten Reflektierens die persönlichen Prioritäten im Auge zu behalten und die klarere
Wahrnehmung der gegenwärtigen Realität. Eine persönliche Vision, die von innen kommt, sieht
Peter Senge als fundamental für die Ausweitung der Personal Mastery (S.161). Es sei von Bedeu-
tung, sich auf die tatsächlichen Ziele zu konzentrieren: „Die Fähigkeit, sich auf die tiefsten intrin-
sischen Bedürfnisse zu konzentrieren, nicht nur auf sekundäre Ziele, ist ein Eckpfeiler der Personal Mastery“ (Senge, 2011, S.162). „Kreative Spannung“, nach Senge das zentrale Prinzip in der
Personal Mastery (S.166), ist die Kraft, die zwischen der wahrgenommenen Realität und dem
angestrebten Ziel (Vision) entsteht, da von Natur aus jede Spannung nach Auflösung strebt
(S.156). Im Zusammenhang mit der kreativen Spannung können häufig Angst- und Anspannungs-
gefühle einhergehen (emotionale Spannung), welche jedoch nicht mit der kreativen Spannung
selbst gleichzusetzen sind (S. 166). Wird die kreative Spannung wirken gelassen, „wird die Vision
zu einer aktiven Kraft“ (S.169). Misserfolge und „Niederlagen“ deuten dann lediglich auf die Lücke
zwischen Realität und Vision hin und sind kein Zeichen von Wert- oder Machtlosigkeit. Sie bieten
die Möglichkeit, daraus zu lernen (Senge, 2011, S.169).
Tiefe Überzeugungen der eigenen Macht- und Wertlosigkeit können die eigene Kreativität ein-
schränken und an der Verwirklichung der eigenen Ziele hindern. Das System, das sowohl die zur
Vision hinziehende Spannung als auch die an die Überzeugung bindende Spannung umfasst, wird
„struktureller Konflikt“ genannt (siehe Abbildung 3; Fritz, 1989, zit.n. Senge, 2011, S.172).
18
A BBILDUNG 3 DER STRUKTURELLE KONFLIKT
Q UELLE : S ENGE, 2011, S.173
Verlust von eigener Energie und das Auftreten von unerwarteten Hindernissen können eine Folge
sein. Senge nennt drei „Bewältigungsstrategien“ (Fritz, 1989, zit.n. Senge, 2011, S.173f.) für die
Kräfte des strukturellen Konflikts, die jedoch langfristig nicht zum gewünschten Erfolg, der Ände-
rung der inneren Überzeugung führen:
1. Erosion der Vision: Die Vision wird untergraben bzw. abgetragen, verringert.
2. Konfliktmanipulation: Durch das Herbeiführen von künstlichen Konflikten wird versucht,
sich zu größeren Anstrengungen zu manipulieren. (Bsp. Mobilisierung durch Angst) Es
geschieht eine Konzentration auf nicht angestrebte bzw. zu vermeidende Ziele.
3. Willenskraft: Menschen mit großer Willenskraft erreichen ihre Ziele, jedoch mit großem
Kraftaufwand und häufig mit unbeabsichtigten Konsequenzen (Bsp. Beziehungen in der
Familie leiden). Das Prinzip der Willenskraft löst nicht den ursprünglichen strukturellen
Konflikt.
Die Verpflichtung zur Wahrheit ist ein langfristig wirksamer Schlüssel zur Bewältigung des
strukturellen Konflikts: Dabei geht es darum, die Fähigkeit der Wahrnehmung der Realität konti-
nuierlich auszuweiten und eigene Verhaltensweisen und die dahinter stehenden strukturellen
Konflikte zu erkennen (Senge, 2011, S.176). Diese Reflexion der eigenen Verhaltensweisen kann
Aufschluss über die Gründe von strukturell verursachten Problemen und den eigenen Anteil da-
ran geben. Das Wahrnehmen der Realität, das Aufdecken der Strukturen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, die Strukturen zu verändern. Eine stärkere Verpflichtung zur Wahrheit verstärkt auch die kreative Spannung (Senge, 2011, S.177).
Ein weiterer Aspekt der Personal Mastery ist nach Senge das Nutzen des Unterbewussten. Das
Unterbewusste ist nach Senge (2011, S.180) von wesentlicher Bedeutung beim Lernen. Tätigkei-
ten und Abläufe werden laut Senge, nachdem sie in der Anfangsphase bewusst eingeübt wurden,
zunehmend unbewusst gesteuert, es ist ein gewisser Automatisierungsgrad bemerkbar (Bsp. Autofahren) (S.180f.). Das Unterbewusstsein „ist in höchstem Maße abhängig von Anleitung und
Konditionierung – worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, erhält eine besondere Bedeutung
für das Unterbewusstsein“ (Senge, 2011, S.182). Senge (S.182) empfiehlt, sich aufs Ziel zu konzentrieren. „Diese Fertigkeit [der Konzentration auf erwünschte Ergebnisse/Ziele] ist von ent-
scheidender Bedeutung, weil das Unterbewusstsein so empfänglich auf einen klaren Fokus reagiert“ (S.183). Auch das Treffen von klaren Entscheidungen sei wichtig.
19
Über die “Strukturen“ der kreativen und emotionalen Spannung und den strukturellen Konflikt
hinaus nennt Senge subtilere Aspekte der Personal Mastery, die im Folgenden kurz beleuchtet
werden (S.185).
•
•
•
•
Intuition und Vernunft wirken zusammen (S.186).
Es besteht eine Verbundenheit zwischen dem Individuum Mensch und der Welt. Ein
Mensch und seine Umwelt beeinflussen sich wechselseitig – das Individuum hat somit Einfluss auf scheinbar „äußere Faktoren“ (S.187f.).
Mitgefühl für andere Menschen entwickelt sich nach Senge verstärkt mit einem wachsenden Bewusstsein der eigenen Systeme, in denen gehandelt wird und einem Verständnis
für die wechselseitigen Zwänge (S.189).
Der Einsatz für ein höheres Ziel, begleitet von einer Vision, die über die Eigeninteressen
hinausgeht, setzt ungeahnte Kräfte frei (S.190).
Als Merkmale, die Menschen kennzeichnen, die einen hohen Grad an Personal Mastery entwickelt
haben, können nach Senge genannt werden (S.157):
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•
Entschlossenheit,
eine positive Einstellung zur gegenwärtigen Realität,
die Fähigkeit „Veränderungskräfte zu erkennen und zu nutzen, anstatt sie zu bekämpfen“,
Wissbegierde,
ein Bemühen um klarere Erkenntnis der Realität,
eine lernende Lebenshaltung, die beinhaltet, niemals „anzukommen“,
ein Bewusstsein der eigenen Unwissenheit, Inkompetenzen und Schwächen sowie
Selbstvertrauen und
ein Streben danach, alle verfügbaren Ressourcen so gut wie möglich zu nutzen (S.186).
Menschen mit einem hohen Grad an Personal Mastery sind nach Bill O’Brien (zit.n. Senge, 2011,
S.158) „engagierter. Sie zeigen mehr Initiative. Sie fühlen sich in einem umfassenderen und tieferen Sinn für ihre Arbeit verantwortlich. Sie lernen schneller.“ O’Brien sieht als weiteren wichtigen
Punkt die Wirkung auf das individuelle Glück, welche die volle Entfaltung der Persönlichkeit habe
(S.158). Er bedauert die Vernachlässigung der emotionalen Entwicklung im Vergleich zur körper-
lichen und intellektuellen Entwicklung und sieht die Förderung der Gesamtpersönlichkeit als
entscheidend für die Erreichung eines Zieles von unternehmerischer Spitzenleistung (O’Brien,
zit.n. Senge, 2011, S.157f.).
Wesentlich ist, dass die Entscheidung für die persönliche Weiterentwicklung im Sinne der Perso-
nal Mastery beim Einzelnen liegt. Versuche, diese in Unternehmen mit Zwang zu fördern, können
kontraproduktiv wirken und echten Einsatz der Mitarbeiter in Richtung Personal Mastery ver-
hindern (Senge, 2011, S.190). Gefördert werden kann diese Disziplin durch das Schaffen eines
Unternehmensklimas, in dem „die Verpflichtung zur Wahrheit die Norm ist und in der das Infrage20
stellen des Status quo erwartet wird – insbesondere wenn zu diesem Status quo gehört, dass man
bestimmte unangenehme Aspekte der gegenwärtigen Realität ausblendet“ (S.191). Eine unterstützende Umwelt sieht Senge als das Wichtigste für einen Menschen, der sich seinem persönli-
chen Wachstum verpflichtet fühlt. Diese kann im Unternehmen geschaffen werden. Als Führungskraft gilt als oberste Regel, ein Vorbild zu sein und Personal Mastery, i.e. die kontinuierliche Ausweitung der Persönlichkeitsbildung und Selbstführung zu praktizieren: Taten sprechen lauter als
Worte (Senge, 2011, S.192). Die wirkungsvollste Maßnahme zur Förderung der Personal Mastery
ist nach Senge die gemeinsame Entwicklung aller fünf Lerndisziplinen.
4.2.3 MENTALE MODELLE
Mentale Modelle sind „innere Bilder vom Wesen der Dinge“ (Senge, 2011, S.193). Mentale Mo-
delle können einen starken Einfluss auf Prozesse im Unternehmen sowie zwischenmenschliche
Prozesse und das Lernen haben, vor allem, wenn sie im Verborgenen sind (S.193ff.). Sie steuern
aktiv das menschliche Handeln und beeinflussen die menschliche Wahrnehmung – sowohl, was
wahrgenommen wird als auch, wie das Wahrgenommene interpretiert wird (S.194). Diesen Aus-
sagen liegt die Annahme zugrunde, dass Menschen die Welt subjektiv auf Basis ihrer mentalen
Modelle wahrnehmen und es keine objektive Realität oder Wahrheit gibt (vgl. Kapitel 2 Grundla-
gen der Systemtheorie). Für das Meistern der Disziplin der Mentalen Modelle ist es wesentlich,
diese „an die Oberfläche zu holen, zu überprüfen und zu verbessern“ (S.193). Es gilt, sich bewusst
zu machen, dass mentale Modelle vorhanden sind und in Folge zu lernen, diese zu beeinflussen.
Das (freiwillige) an die Oberfläche Holen und Überprüfen ist nach Senge (2011, S.209) eine Voraussetzung für generatives Lernen. Die Offenlegung der mentalen Modelle ist deshalb so wichtig,
weil unbewusste und im Verborgenen operierende Modelle die wirksame Ausübung des Systemdenkens verhindern, da letztere Disziplin darauf ausgerichtet sei, „Annahmen neu zu strukturie-
ren, damit man die Ursachen signifikanter Probleme aufdeckt“ (S.222).
Reflexion und Erkundungsfertigkeit bilden den Kern dieser Disziplin (Senge, 2011, S.207f.). Das
beinhaltet, einerseits fähig zu sein, die eigenen mentalen Modelle zu reflektieren als auch im Umgang mit anderen Menschen offen für deren Denken zu sein. Reflexion bedeutet nach Senge
(2011), die eigenen Denkprozesse zu verlangsamen, um besser zu erkennen, wie diese herausge-
bildet werden und wie diese das eigene Handeln beeinflussen (S.207). Erkundungsfertigkeiten
beziehen sich auf das Verhalten in direkten Interaktionen mit anderen, besonders bei komplexen
und konfliktträchtigen Themen (Senge, 2011, S.207). Folgende Fertigkeiten bzw. Methoden sind
in dieser Disziplin wesentlich (S.207 ff.):
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Die Unterschiede zwischen verlautbarten (was gesagt wird) und praktizierten Theorien
(wonach gehandelt wird) festzustellen,
„Abstraktionssprünge“ (Verallgemeinern von Beobachtungen, Ziehen von vorschnellen
Schlüssen) zu erkennen,
Offenlegung der eigenen Annahmen, statt die eigenen Gedanken zu verschweigen und
ein Gleichgewicht zwischen Erkunden und dem Vertreten des eigenen Standpunktes herzustellen.
21
Der Unterschied zwischen den verlautbarten handlungsleitenden Theorien und dem tatsächlichen Handeln enthält das „Potenzial für eine kreative Veränderung“ (Senge, 2011, S.209). Um
Abstraktionssprünge zu vermeiden, gilt es, zwischen Beobachtungen und den Folgerungen daraus
zu unterscheiden (S.211). Getroffene Verallgemeinerungen sollten überprüft werden, indem nach
den Gründen geforscht wird, die Menschen zu einem bestimmten Verhalten bewegen (S.212).
„Wechselseitiges Erkunden“ führt nach Senge in der Regel zum produktivsten Lernen (bei Mana-
gern) (S.217). Das bedeutet, dass die Beteiligten ihr Denken offenlegen und einer öffentlichen
Überprüfung aussetzen (S.217). Plädieren und Erkunden beinhaltet demnach die Bereitschaft, die
Grenzen des eigenen Denkens zu zeigen, auf die Gefahr hin, sich zu irren (S.220). Besonders Kon-
fliktsituationen oder heikle Themen können dazu führen, dass Beteiligte ihre Gedanken dahinter
verschweigen. Das Wahrnehmen und in weiterer Folge die Offenlegung der eigenen Annahmen
beim Ansprechen von Konfliktpunkten bzw. Problemen kann zu konstruktiver Konfliktlösung
beitragen und Lernen in Konfliktsituationen fördern (S. 215).
4.2.4 EINE GEMEINSAME VISION
Senge geht davon aus, dass Menschen den Wunsch haben, für ein höheres Ziel zu arbeiten, und
dies gemeinsam zu tun (Senge, 2011, S.251). Eine gemeinsame Vision ist nach Senge keine Idee,
sondern „eher eine Kraft im Herzen der Menschen, eine Kraft von eindrucksvoller Macht“ (2011,
S.225). Senge betont, dass eine gemeinsame Vision nicht dadurch entstehe, dass sie verordnet
werde („sollen“), z.B. von der Führungsebene. Eine Vision müsse von innen kommen („wollen“).
Gemeinsame Visionen brauchen Zeit zum Wachsen (S.237). Ihre Entwicklung sei ein fortlaufen-
der, nie endender Prozess (S.234). Gefördert werden könne die Entstehung einer gemeinsamen
Vision weiter durch die Ermutigung (von der Führungsebene), über die eigenen Visionen zu spre-
chen, dadurch wie diese über ihre eigene Vision spricht (S.232). Eine gemeinsame Vision entstehe
aus persönlichen Visionen einzelner Menschen, die sich verbinden (vgl. Senge, 2011, S.237). Sie sei
„eine natürliche Folge von Interaktionen von individuellen Visionen“ (S.237). Diese müssten bzw.
würden in der Praxis nicht völlig ident sein, da jede Person ihr persönliches Bild habe (S.233).
Demnach bilde die Grundlage dieser Disziplin die Personal Mastery, in der es um die persönliche
Vision, die Verpflichtung zur Wahrheit und die kreative Spannung geht.
Eine gemeinsame Vision begründet ein übergreifendes Ziel (Senge, 2011, S.229), sie schafft eine
gemeinsame Identität (S.228). Sie liefert nach Senge den Schwerpunkt und die Energie für das
Lernen und ist deshalb lebenswichtig für eine lernende Organisation (Senge, 2011, S. 226). Sie
gebe den Menschen Auftrieb, sei belebend und verleihe dem Menschen Mut und die Bereitschaft,
für das größere Ziel Belastungen oder schmerzliche Lernerfahrungen in Kauf zu nehmen (vgl.
S.228f.). Sie fördere Risikobereitschaft und Experimentierfreudigkeit und die Bereitschaft, Fehler
einzugestehen und Denkweisen und Überzeugungen offenzulegen und zu ändern (S.229) – „Die
hochgesteckten Ambitionen zwingen zu neuen Denk- und Handlungsweisen“ (Senge, 2011,
S.229). Senge geht so weit, zu sagen, dass es keine Lernende Organisation ohne eine gemeinsame
Vision gebe. „Während adaptives Lernen auch ohne Vision möglich ist, ist ein schöpferisches Ler-
nen nur möglich, wenn Menschen nach etwas streben, das ihnen wahrhaft am Herzen liegt“ (Sen-
ge, 2011, S. 226). Eine gemeinsame Vision fördere langfristiges Denken und Handeln und die
22
Entwicklung einer langfristigen Perspektive (S.230). Ein Beispiel dafür stellt die Kindererziehung
dar, welche ebenfalls langfristig ausgerichtet ist.
Als mögliche Haltungen einer Vision gegenüber werden unterschieden (Senge, 2011, S.239): En-
gagement, Teilnehmerschaft, Einwilligung in unterschiedlicher Ausprägung, Nichteinwilligung
und Apathie.
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Engagement steht für einen hohen Grad an Commitment zur und Identifikation mit der Vision. Die engagierte Person fühlt sich ganz dafür verantwortlich, die Vision zu verwirklichen. Sie will die Vision aus tiefstem Herzen und ist bereit, dafür notwendige Strukturen
zu schaffen.
Teilnehmerschaft bezeichnet den Willen und das Commitment zur Vision, ohne jedoch die
Vision als eigene Vision zu übernehmen.
Echte Einwilligung sieht die Vorteile der Vision und setzt sich über das Geforderte hinausgehend dafür ein, hält sich an die Regeln.
Formelle Einwilligung sieht die Vorteile im Großen und Ganzen und erfüllt die Erwartungen.
Widerstrebende Einwilligung kann als Pflichterfüllung beschrieben werden, wobei deutlich
wird, dass eine Identifikation mit der Vision fehlt. Die betreffende Person sieht die Vorteile der Version nicht.
Nichteinwilligung liegt vor, wenn die Vorteile nicht gesehen und die Erwartungen nicht erfüllt werden.
Apathie bezeichnet Interessen- und Energielosigkeit (der Vision gegenüber).
Es wird zwischen extrinsischen und intrinsischen Visionen unterschieden. Erstere sind auf ein Ziel
ausgerichtet, welches von einem Außenstehenden abhängt und bergen die Gefahr, vergänglich zu
sein und nach ihrer Erfüllung in eine Abwehrhaltung umzuschlagen. Zweitere sind folglich durch
inneren Antrieb gekennzeichnet. Beide Arten der Vision können nach Senge nebeneinander exis-
tieren, jedoch ist darauf zu achten, dass die Vision nicht ausschließlich extrinsisch motiviert wird
(z.B. „Sieg über den Widersacher“), da eine Organisation dadurch langfristig geschwächt werden
könne (S.227). Eine weitere Unterscheidung kann zwischen positiven (durch Hoffnung motiviert)
und negativen (durch Furcht motiviert) Visionen getroffen werden, wobei erstere nach Senge von
längerfristigem Wert sind (S.245).
Visionen können Senge (2011) zufolge durch mehrere Einflüsse gehemmt bzw. gefördert werden
(S.247ff.). Eine Verschiedenheit der Ansichten und Vorstellungen kann das Bild der gemeinsamen
Vision verschwimmen lassen und zu widersprüchlichen Visionen und Polarisierung führen. Die
wahrgenommene Lücke zwischen Realität und Vision kann zur Entmutigung und Verunsicherung
der beteiligten Personen führen. Dem entgegen kann die Fähigkeit wirken, die kreative Spannung
zu halten (siehe Abschnitt „Personal Mastery“). Förderlich kann sich die Fähigkeit zur Reflexion
und zum Erkunden auswirken. Visionen können durch überwältigende momentane Anforderungen der Realität aus den Augen verloren werden. Als „tödlich“ für eine Vision wird auch eine Ab-
kehr von der Verbundenheit und den Beziehungen zwischen den Menschen gesehen: Sei dieses
zerbrechliche Gefühl der Verbundenheit durch den Verlust des gegenseitigen Respekts voreinan-
der und vor den jeweiligen Visionen zerstört und das Feingefühl für Beziehungen verloren, und
gehe es schließlich darum, andere von einer Vision zu überzeugen und diese „überzustülpen“,
23
wirke sich dies negativ auf die mögliche Begeisterung der Beteiligten für die Vision aus (S.249ff.).
Weiter wird, wie bereits im Abschnitt Systemdenken beschrieben, eine reaktive Haltung und Ereignisorientierung im Gegensatz zu proaktivem, verantwortlichen und zukunftsgestaltendem
Handeln als hinderlich für eine lebendige Vision gesehen (S.252).
4.2.5 TEAM-LERNEN
Senge beschreibt die Disziplin des Team-Lernens folgendermaßen: „Das Team-Lernen ist der
Prozess, durch den ein Team seine Fähigkeit, die angestrebten Ziele zu erreichen, kontinuierlich ausrichtet und erweitert“ (Senge, 2011, S. 257). Eine Definition von Team lautet: „Ein Team
ist eine kleine, funktionsgegliederte Arbeitsgruppe, mit gemeinsamer Zielsetzung, mit relativ in-
tensiven, wechselseitigen Beziehungen und einer spezifischen Arbeitsform (teamwork). Weitere
Kennzeichen sind ein ausgeprägter Gemeinschaftsgeist (teamspirit) und eine relativ starke Grup-
penkohäsion“ (Staehle, 1999, S.270, zit.n. Heinrich, 2002, S.300f.). Eine weitere mögliche Definiti-
on beschreibt Teams als „Menschen, die zum Handeln aufeinander angewiesen sind“ (Arie de Geus, zit.n. Senge, 2011, S.257). Demnach zeichnet sich ein Team durch eine Verbindung von Men-
schen, die handeln, aus.
Das gemeinsame Arbeiten im Team kann eine außergewöhnliche Dynamik und Wirkung haben.
Es gilt, im Sinne eines „Alignments“ (gemeinsame/s Ausrichtung/Ausrichten) die Kräfte der ein-
zelnen zu bündeln und in eine Richtung zu arbeiten (siehe Abbildung 4; Senge, 2011, S.255). In
der Praxis wird häufig Energie verschwendet, da die Mitglieder eines Teams in unterschiedliche
Richtungen arbeiten (siehe Abbildung 5; S.255).
A BBILDUNG 4 ALIGNMENT: GEMEINSAME A USRICHTUNG DES TEAMS
Q UELLE : S ENGE, 2011, S.256
24
A BBILDUNG 5 ENERGIEVERSCHWENDUNG DURCH UNTERSCHIEDLICHE AUSRICHTUNG DER T EAMMITGLIEDER
Q UELLE : S ENGE, 2011, S.255
Eine bessere Ausrichtung verringert nach Senge die Vergeudung von Energie und lässt eine Sy-
nergie entstehen. Wesentlich sei dafür die gemeinsame Ausrichtung nach einer gemeinsamen
Vision, welche eine Erweiterung der persönlichen Vision darstellt (S.256). Demnach baut die Disziplin des Team-Lernens auf jene der gemeinsamen Vision auf.
Innerhalb von Organisationen werden drei wichtige Bereiche des Team-Lernens genannt (Senge,
2011, S.257f.):
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•
•
Das gemeinsame gründliche Nachdenken über komplexe Fragen zum Gewinnen neuer Einsichten und damit das Nützen der Intelligenz von mehreren Personen.
Innovatives und koordiniertes Handeln sowie das Vorhandensein von „Arbeitsvertrauen“ –
die Mitglieder können sich auf deren gegenseitiges Ergänzen in ihrem Handeln verlassen
und sind sich einander bewusst.
Das Fördern anderer Teams durch die Weiterverbreitung von Praktiken und Fertigkeiten
des Team-Lernens.
Im Folgenden werden weitere wichtige Elemente des Team-Lernens genannt: Das Beherrschen
der Gesprächstechniken Dialog und Diskussion ist von Bedeutung für das Team-Lernen (Senge,
2011, S.258). Im Dialog werden komplexe und subtile Fragen frei erforscht; intensives „Zuhören“,
ohne sich von vornherein auf eine Ansicht festzulegen, ist ein weiteres Kennzeichen davon. Die
Diskussion zeichnet eine Darstellung und Verteidigung unterschiedlicher Meinungen aus, es werden die besten Argumente für anstehende Entscheidungen gesucht. Ein weiterer Punkt ist der
Umgang mit „Abwehrroutinen“, beschrieben als „gewohnheitsmäßige Interaktionsweisen, die uns
und andere vor Bedrohungen und Peinlichkeiten schützen, die aber auch verhindern, dass wir
lernen“ (Argyris, 1985, zit.n. Senge, 2011, S.258). Die darin enthaltene Energie kann mithilfe von
Erkundungs- und Reflexionsfertigkeiten positiv für Dialoge und Diskussionen genutzt werden
(S.258, vgl. auch Abschnitt „Mentale Modelle“). Die Fähigkeit, „komplexe, konfliktträchtige Fragen
zu erforschen“ von reifen Teams sieht Senge als wesentlich für das Systemdenken (S.259). Er
sieht das Systemdenken als „anfällig“ für Abwehrreaktionen, da dieses den eigenen Einfluss auf
die vorhandene Realität betont und damit ausgesagt wird, dass Probleme selbst verursacht sind
25
(S.259). Team-Lernen erfordert darüber hinaus Übung (S.259) und wird als Prozess gesehen (vgl.
Senge, 2011, S. 257).
BEZUG ZUR PROBLEMSTELLUNG
Nach Senge (2011) ist die Ausübung aller fünf Disziplinen gemeinsam wesentlich für das Lernen
in Organisationen (Senge, 2011, S.23). Alle Disziplinen brauchen Zeit und Übung. Dabei ist die
„fünfte Disziplin“, das Systemdenken, die Disziplin welche die anderen integriert und vereint
(Senge, 2011, S.23), die Grundlage, auf der alle genannten Disziplinen aufbauen (Senge, 2011,
S.87). Die vorgestellten Disziplinen beschreiben neben Faktoren für das kollektive Lernen bzw.
das Lernen der Organisation eine Fülle von lernfördernden Bedingungen für das Lernen von Individuen in Organisationen. Dazu gehören u.a. das Vorhandensein einer persönlichen Vision, die
Verpflichtung zur Wahrheit, das Nutzen des Unterbewussten, das Bewusstsein über und das Auf-
decken von Mentalen Modellen, das Streben nach einem höheren Ziel und die Integration in ein
Arbeitsteam.
5. DISKUSSION
Im letzten Kapitel wird ein Fazit aus den Erkenntnissen der vorangegangenen Kapitel sowie ein
Ausblick zur weiteren Diskussion der Thematik präsentiert. Dies geschieht mittels eigener Reflexion auf Basis der behandelten Grundlagen.
5.1
FAZIT
Die behandelten lerntheoretischen Grundlagen zum Lernen (Kapitel 3) werden mit dem Thema
Lernen in Organisationen nach Peter Senges Ansatz der „Fünf Disziplinen“ (Kapitel 4) in Verbin-
dung gesetzt. Es wird diskutiert, zu welchen Auswirkungen die erkannten Zusammenhänge füh-
ren können und wie die Erkenntnisse praktisch umgesetzt werden können, um individuelles Lernen im organisationalen Kontext zu fördern.
5.1.1 ZUSAMMENHANG INDIVIDUELLES UND ORGANISATIONALES LERNEN
Die vorgestellten Theorien und Ansätze zeigen die Bedeutung von sozialen Interaktionen für das
individuelle Lernen und betonen auch den Einfluss von Kognitionen und Eigenverantwortung des
Menschen im Lernprozess. Es lässt sich folgern, dass bei der Frage nach dem Schaffen lernförder-
licher Bedingungen bei äußeren Faktoren, wie in der sozialen Umwelt, sowie im eigenen Handlungsraum anzusetzen ist (vgl. dazu auch „dualistische Lerntheorie“).
Peter Senge sieht einen essentiellen Zusammenhang zwischen individuellem und organisationalem Lernen, demnach kann organisationales Lernen nicht ohne individuelles Lernen stattfinden
(vgl. Senge, 2011, S.153). Ein lernendes Individuum lernt nach dem Ansatz des Systemischen
Denkens nicht losgelöst von dessen Umwelt und es geschieht eine wechselseitige Beeinflussung
zwischen den Systemelementen, so auch in Organisationen. Das In Organisationen gilt, mit Fakto-
ren umzugehen, die es beim individuellen Lernen nicht in dieser Form gibt und es gibt andere
bzw. zusätzliche Einfluss- und Steuermöglichkeiten. (vgl. Team-Lernen und Eine gemeinsame
26
Vision.) Organisationales Lernen hat also einen größeren Wirkungskreis: Das Lernen kann im
Vergleich zu seinen Systemelementen (lernende Individuen) erfolgreicher sein, als die Summe
der Einzelleistungen es erlauben würde, kann jedoch auch geringer sein, wenn negative Wirkungsfaktoren ihren Einfluss ausüben.
5.1.2 LERNFÖRDERNDE FAKTOREN FÜR DIE PRAXIS
Zur Frage, welche Bedingungen in der Praxis Lernen fördern, sollen folgende ausgewählte Faktoren herausgegriffen und kurz behandelt werden. Diese werden ausgehend von den theoretischen
Grundlagen der vorhergehenden Kapitel als lernrelevant für Individuen in Organisationen gese-
hen.
•
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•
•
Vorbildwirkung
Aktives Handeln in realen Anwendungskontexten
Lernen in informellen Umgebungen
Soziales Umfeld und Interaktion
Kognitive Vorgänge und innere Haltungen
Wirken und Arbeiten in Gemeinschaft
Zielgerichtetheit.
VORBILDWIRKUNG
Bandura geht in seiner Theorie des Sozialen Lernens auf die Bedeutung von Beobachtungslernen
bzw. Lernen anhand von Modellen ein und Senge (2011, S.191) schreibt der Vorbildwirkung der
Führungskraft eine wichtige Rolle zu. Daraus lässt sich weiter folgern, dass eine Umgebung förderlich für das Lernen ist, in welcher die lernende Person einerseits mit Modellen, die Vorbilder
mit erstrebenswerten Eigenschaften darstellen, zu tun hat und andererseits im Sinne der Wech-
selseitigkeit selbst ein Vorbild darstellt und somit positiven Einfluss auf ihr soziales Umfeld ausübt. Dies könnte in Organisationen durch die Integration in Teams geschehen, in denen Menschen,
die einen hohen Grad an Personal Mastery aufweisen, Mitglied sind. Das Modell des Mentoring, in
welchem meist jüngere bzw. unerfahrenere Menschen von erfahrenen Personen mit Hilfe deren
Erfahrungsreichtum und Lebensweisheit unterstützt und gefördert werden, bietet sich ebenfalls
als hilfreiche Möglichkeit zur Lernförderung an (vgl. Mayerhofer & Michelitsch-Riedl, 2002, S.
419f.). Im Idealfall stellt diese Beziehung eine Konstellation dar, in der Mentor und Mentee je-
weils voneinander lernen (Erfahrung und Weisheit vs. Idealismus und Tatendrang).
AKTIVES HANDELN IN REALEN ANWENDUNGSKONTEXTEN
„Learning by doing“ wird als zentral für das konstruktivistische Lernen betrachtet. Da davon
ausgegangen wird, dass Lernende Wissen aktiv konstruieren, ist eigenes Handeln von großer
Bedeutung. Auch Deters sieht aktives Handeln in Unternehmen als wesentlich im Vergleich zu
sogenannter theoretischer Bildung:
„Mitunternehmer-Kultur, Marktnähe, Innovationsfähigkeit, hohe Flexibilität und eine
entsprechende Lern - und Veränderungsbereitschaft erreicht man nicht durch Appel-
le oder Rundschreiben, man lernt dies auch nicht theoretisch aus Büchern oder auf
27
Seminaren, sondern insbesondere durch aktive Einbindung in Entscheidungs- und
Veränderungsprozesse, die Mitverantwortung für den ökonomischen Erfolg und das
sich dem Markt stellen und sich im Wettbewerb bewähren müssen“ (Deters, 1998,
S.221f., zit.n. Karmasin & Winter, 2002, S.111).
Demzufolge stellen (reale) Anwendungskontexte, in denen Lernende praktische Problemstellun-
gen behandeln können (oder müssen) eine lernförderliche Umgebung dar. In Organisationen
kann dies, wie im oben angeführten Zitat dargestellt, durch die aktive Einbindung in Unternehmensprozesse, welche eine gewisse Herausforderung darstellen, inklusive der Übergabe von Ver-
antwortung an die Lernenden geschehen. Die Ansätze des selbstkonstruierten Wissens und
selbstorganisierten Lernens (vgl. konstruktivistisches Lernen und Autopoiese) können die Arbeitsplatzgestaltung und die Gestaltung der Stelle maßgeblich beeinflussen, zum Beispiel könnte
darauf geachtet werden, dass Mitarbeiter über ein gewisses Maß an Autonomie verfügen, was die
Gestaltung ihrer Arbeitstätigkeiten, Zeiteinteilung u.a. betrifft.
LERNEN IN INFORMELLEN UMGEBUNGEN
Gemäß des Ansatzes der Communities of Practice findet Lernen bereits in informellen Umgebun-
gen statt, die nicht explizit als Lernumgebungen geschaffen wurden. Diese Annahme zeigt, dass
der Lernbegriff umfassender und ganzheitlicher, mehr in den Alltag integriert als von traditionel-
len Ansätzen verstanden, aufgefasst wird. Wenn Lernen in informellen Umgebungen stattfindet,
die von den Lernenden nicht explizit als „Lernumgebungen“ wahrgenommen werden, lässt dies
weiterdenken und traditionelle Auffassungen von Lernen (nämlich dem institutionalisierten Lernen) hinterfragen: Kann Lernen schlichtweg gefördert werden, indem die Teilnahme an bestehenden informellen Gemeinschaften gefördert wird?
SOZIALES UMFELD UND INTERAKTION
Für das Lernen von Individuen in Organisationen ergibt sich aus den vorgestellten sozialen lern-
theoretischen Ansätzen, dem Ansatz des konstruktivistischen Lernens und einer systemischen
Haltung u.a., dass soziale Interaktion bzw. das soziale Umfeld für das Lernen eine bedeutsame
Rolle spielt. Da in Organisationen in der Regel soziale Interaktionen zwischen den Organisationsmitgliedern stattfinden, ist dieser Zusammenhang von Bedeutung. Senge (2011) nennt ein
unterstützendes Umfeld als wichtigste Voraussetzung für das persönliche Wachstum (Personal
Mastery). Hier lassen sich direkte Verbindungen sowohl zum Ansatz der Communities of Practice
(Lernen als sozialer Prozess und gegenseitige Beeinflussung der Lernenden und der Umwelt) als
auch zum Sozialen Lernen nach Bandura (Beobachtungslernen) erkennen. Senge (2011) stellt in
seinen fünf Disziplinen dar, wie soziale Interaktion im Kontext von lernenden Organisationen
konkret aussehen kann. Dabei nennt er unter anderem Dialog und Diskussion (Team-Lernen) und
Plädieren und Erkunden (Mentale Modelle).
KOGNITIVE VORGÄNGE UND INNERE HALTUNGEN
In den Grundlagen zum konstruktivistischen Lernen und dem Sozialen Lernen nach Bandura wird
die Bedeutung kognitiver Vorgänge genannt: Das dieser Arbeit zugrunde liegende Lernverständ-
nis begreift Lernen als Änderung im Verhaltenspotential, was impliziert, dass Lernende die Fä28
higkeit zu reflektiertem Handeln besitzen. Beim konstruktivistischen Lernen wird vom Aufbau
mentaler Strukturen beim Lernenden ausgegangen, Bandura (Lefrançois, 2006, S.313, S.318)
sieht Antizipation (die Vorausahnung bzw. angenommene Erwartung) von Verhaltenskonsequen-
zen, Symbolisierung und das Erkennen von Ursache-Wirkungs-Beziehungen als wesentlich für
das Modelllernen. Senge nennt konkrete Ausdrucksweisen und Anwendungsgebiete kognitiver
Vorgänge sowie innerer Haltungen und wie diese in der Praxis (organisationales) Lernen be-
einflussen können. Unter anderem geht er ein auf die Bedeutung von Reflexion der persönlichen
Prioritäten, die kreative Spannung im Spannungsfeld zwischen vorhandenem und angestrebtem
Zustand, die Verpflichtung zur Wahrheit, das Zusammenspiel von Intuition und Vernunft, Mitgefühl, das Gefühl der Verbundenheit zwischen dem Menschen und der Welt, das Nutzen des Unter-
bewussten (Personal Mastery), Reflexion der eigenen mentalen Modelle und Erkundungsfertig-
keiten bzgl. des Denkens anderer, eine Vision als Kraft im Herzen, das gemeinsam über komplexe
Fragen Nachdenken und Arbeitsvertrauen (Team-Lernen) ein. Demzufolge spielen Kognitionen
und innere Einstellungen eine wichtige Rolle für den Lernerfolg.
WIRKEN UND ARBEITEN IN G EMEINSCHAFT
Die Zusammenarbeit in Gruppen bzw. Arbeitsteams stellen sowohl Wenger (1998) in seinem
Ansatz der Communities of Practice als auch Senge (2011) in der Disziplin des Team-Lernens als
bedeutend dar. Demzufolge kann Lernen durch die Integration und das Mitwirken in einer Community of Practice bzw. einem Arbeitsteam gefördert werden – sowohl die einzelnen Mitglieder
als auch das Gefüge als Ganzes (vgl. Kapitel 4, Abschnitt Team-Lernen) können dabei lernen. Da-
bei ist jedoch auf gruppendynamische Prozesse und Effekte im Vergleich zum „individuellen“
Lernen zu achten. Eine gemeinsame Ausrichtung (Alignment, vgl. Abbildung 4), das Bündeln der
Energien kann enorme Auswirkungen haben, wohingegen in einer Gruppe die Kräfte auch gegeneinander wirken können und sich aufheben können (vgl. Abbildung 5).
AUSRICHTUNG AUF EIN ZIEL
Die Ausrichtung auf ein Ziel soll schließlich als wesentlicher Punkt für einen erfolgreichen
Lernprozess genannt werden, nach dem Motto „Wer nicht weiß, wo er hin will, wird mit Sicher-
heit woanders landen“. Dies steht in engem Zusammenhang mit den Disziplinen der Personal
Mastery und der gemeinsamen Vision und wird von Peter Senge als elementar gesehen: Sowohl in
Form einer gemeinsamen Vision, welche ein übergreifendes Ziel begründet (Senge, 2011, S.229)
und überlebenswichtig für eine Lernende Organisation sei (S. 226), als auch, was die Ausrichtung
auf die persönlichen, tatsächlichen Ziele betrifft (S.162) und das im Auge Behalten der eigenen
Prioritäten (S.156). Eine Zielgerichtetheit von Individuum und Unternehmen kann also als wesentliche fördernde Lernbedingung gesehen werden. Diese kann in einer Organisation sowohl
durch Vorbildwirkung der Führungskräfte und Mitarbeiter, was die Ausübung der Personal Mas-
tery betrifft (S.232) und deren Ermutigung zur persönlichen Vision (S.232) sowie Begeisterung für
die gemeinsame Vision (S.228) gefördert werden, in informelleren sozialen Gefügen wie Communities of Practice ebenso durch Vorbildwirkung der Mitglieder.
29
5.1.3 SZENARIO DER OPTIMALEN LERNUMGEBUNG
Eine beispielhafte Darstellung einer optimalen Lernumgebung wird in Folge der vorgestellten
Ansätze versucht:
Sarah (26) ist Redaktionsleiterin der Zeitschrift „Green Future“ zum Thema Umwelt
und Nachhaltigkeit in einem kleinen Zeitschriftenverlag. Sie ist für die Akquise und
das Redigieren von Artikeln und somit für den Inhalt des Magazins verantwortlich.
Sie liebt ihren Tätigkeitsbereich und sich für Umweltschutz und für die Erhaltung ei-
ner lebenswerten Erde einzusetzen, ein Thema, das ihr am Herzen liegt. Sie arbeitet
in einem Kernteam aus zwei Journalisten und einem Redaktionsassistenten, sowie in
einem erweiterten Kontext mit der Marketing- und Vertriebsabteilung und der Chef-
redaktion. Einer der beiden Journalisten verfügt über langjährige Berufspraxis, die
zweite Journalistin ist erst einige Monate im Beruf. Der ältere Medienexperte trägt
u.a. mit seiner Erfahrung und die jüngere Kollegin mit ihrem frischen Blick zu Wertschöpfung und Lernerfolg des Teams bei. In wöchentlichen Redaktionstreffen wird im
Team über anstehende Aufgaben und aktuelle Themen gesprochen, wobei Wert da-
rauf gelegt wird, dass ein Austausch stattfindet, in dem alle Teilnehmenden sich ein-
bringen können. Dies ist auch bei Meetings mit Chefredaktion und Vertretern der an-
deren Abteilungen der Fall. Neben den regelmäßig stattfindenden konstruktiven Mitarbeitergesprächen mit der Chefredakteurin profitiert Sarah bei Bedarf auch zwi-
schendurch von deren Rat und Unterstützung. Ein Austausch findet teamintern sowie
organisationsübergreifend laufend im Arbeitsalltag statt, was durch ein Großraumbüro gefördert wird, sowie bei gemeinsamen Mittagessen und Kaffeepausen.
Zusammenfassend können folgende lernfördernde Bedingungen für Individuen in Organisationen
genannt werden: Der Lernende ist in ein Team (formell oder informell) integriert, in dem er zum
aktiven, eigenverantwortlichen Handeln angehalten und motiviert wird. Dies geschieht in einem
realen Anwendungskontext („Learning by doing“), i.e. das Handeln hat Praxisrelevanz und tatsäch-
liche Auswirkungen. Dabei wird die Motivation zum Handeln durch das Verfolgen von persönlichen Zielen in diesem Zusammenhang unterstützt, sowie durch das Engagement im Rahmen eines
gemeinsamen, höheren Zieles (Vision), das über die Eigeninteressen und -kapazitäten hinausgeht.
Diese gemeinsame Herausforderung und das Aufeinander-Angewiesensein können große gemein-
same Kräfte freisetzen und überdies motivierend wirken. Getragen ist die Gruppe von Mitglie-
dern, die Personal Mastery freiwillig praktizieren und damit Vorbildwirkung ausüben. Dabei soll
zumindest ein Teil der Mitglieder bereits einen hohen Grad in der Persönlichkeitsentwicklung
erreicht haben, um effektive Vorbildwirkung und Förderung der anderen Mitglieder z.B. in Form
von Mentoring leisten zu können. Um u.a. die Kreativität und das Erweitern der inneren Denk-
schemata (vgl. Mentale Modelle) zu fördern, setzt sich die Gruppe aus Menschen mit verschiedenen
Hintergründen, Persönlichkeitsstrukturen und fachlichen Kompetenzen zusammen. Die einzelnen
Mitglieder sind sich sowohl ihrer eigenen Schwächen und Begrenztheiten als auch ihrer Stärken
und ihres individuellen und gemeinsamen Entwicklungspotentials bewusst und streben danach,
dieses kontinuierlich auszubauen. Fehler werden als natürliche Begleiterscheinung von Wachstum angesehen. Es wird auf konstruktive Kommunikation Wert gelegt, die die Ausübung von Fer30
tigkeiten wie Dialog und Diskussion und wechselseitigem Erkunden beinhaltet. Vor allem begreifen sich die Mitglieder als Menschen, die gemeinsam „am Weg“ sind, als Lernende.
5.2
AUSBLICK
Da das in dieser Arbeit erörterte Fachgebiet begrenzt ist, sind auch die Resultate und Schlussfol-
gerungen als innerhalb dieser Grenzen entstanden zu verstehen. Grenzen ergeben sich natürli-
cherweise durch die Bearbeitung des Themas Lernen mittels eines bewusst eingegrenzten Fokus:
Dies sind erstens die systemische Haltung als Grundlage als auch die ausgewählten sozialen Lerntheorien und der konstruktivistische lerntheoretische Ansatz sowie Peter Senges „Fünf Disziplinen“.
Zur Erweiterung und Vertiefung des Themengebietes Lernen aus systemischer Sicht und lernför-
dernde Bedingungen für Individuen in Organisationen ist neben dem Heranziehen von weiteren
unterschiedlichen Quellen zum Thema Lernen in Organisationen eine Beschäftigung mit weiteren
sozialen Lerntheorien sowie konträren lerntheoretischen Ansätzen sinnvoll. Ziel davon wäre, eine
ausgewogenere Sichtweise auf das Thema zu erhalten und dementsprechend noch vielschichtige-
re Ergebnisse zu erhalten bzw. Schlüsse ziehen zu können. Um die Fragestellung differenzierter
zu behandeln, ist eine Annäherung mithilfe empirischer Daten zu empfehlen. Diese Daten dar-
über, wie Menschen in Organisationen lernen, können z.B. auf wissenschaftlichen Studien oder
eigener empirischer Forschung beruhen. Zu beachten ist auch, dass diese Arbeit aufgrund der
verwendeten Literatur auf den westlichen, postindustrialisierten Kulturraum ausgerichtet ist.
Weitere Erarbeitungshorizonte ergeben sich folglich mittels einer Ausdehnung der Fragestellung,
indem untersucht wird, welche Bedingungen individuelles Lernen in anderen Kulturkreisen und
Entwicklungsstadien als den „westlichen Ländern“ (wie Nordamerika und Europa) fördern. Die
Erkenntnisse könnten schließlich einander gegenübergestellt und vergleichend diskutiert wer-
den. Um den Erkenntnissen praktische Relevanz zu verleihen, ist die Entwicklung eines Konzepts
zur Umsetzung der vorgestellten Ergebnisse in die Praxis einer Organisation möglich. Es ist dabei
sinnvoll, die Ausarbeitung für eine konkrete Organisation vorzunehmen. Dies könnte mittels ei-
ner vorangehenden Analyse der Organisation geschehen. Darüber hinaus könnte die Fragestel-
lung vertieft werden, indem differenziert wird, worauf sich das Lernen richtet (i.e. was gelernt
wird), z.B. auf fachliche oder soziale Kompetenzen, oder welcher Zeitraum betroffen ist, z.B. punk-
tuelles bis hin zu lebenslangem Lernen (Life Long Learning). Darauf aufbauend können Konzepte
zur Lernförderung in Organisationen entwickelt werden, welche die unterschiedlichen Lernge-
genstände und -ziele zum Gegenstand haben.
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