persönlich 01/02 Januar/Februar 2013 ADe: «Auftraggeber des Monats» «Wir wollen Bilder schaffen, die man nicht so schnell vergisst» Überraschende Ideen sind heute mehr denn je gefragt, um überhaupt noch Beachtung zu finden, seine Botschaft zu vermitteln und die erwünschten Reaktionen auszulösen. Der Art Directors Club Schweiz zeichnet jedes Jahr die herausragenden Kampagnen des Landes aus. Und er zeichnet an dieser Stelle jeden Monat einen Auftraggeber aus, der seit längerer Zeit für gute Werbung steht. Diesen Monat: Adrian Kammer, Leiter Sektion Kampagnen beim BAG. Interview: Adrian Schräder Bilder: Havas Worldwide, SAG, Keystone Havas Worldwide bzw. Euro RSCG kreiert seit 2005 die «Love Life,,·Kampagne für das SAG. Hier Ausschnitte aus drei verschiedenen Werbemassnahmen . Herr Kammer, die «Love Life»-Kampagne des Zum Teil weigerte sich das Schweizer Fern- Bundesamtes für Gesundheit sorgt immer sehen auch schon, die Spots auszustrahlen. wieder für Aufsehen. Wie weit kann und darf Wurde da die Grenze überschritten? man eigentlich bei einer solchen Kampagne Bis heute wurden alle Spots ausgestrahlt, die das BAG produziert hat. Im Tessin teilweise etwas später als in der Deutschschweiz, weil dort das Abendprogramm später anfängt. gehen? Wir lösen mit unseren Kampagnen immer wieder Reaktionen und Diskussionen aus. Das ist ein Stück weit beabsichtigt. Die Bevölkerung nimmt sie aber sehr gut auf, weil wir nicht mit dem erhobenen Mahnfinger, sondern positiv und überraschend kommunizieren. Die Akzeptanzwerte liegen seit Jahren deutlich über 90 Prozent. Auch die «Love Life»-Kampagne setzt auf positive Provokation. Sie zeigt, dass man sich in riskanten Situationen selbstverständlich schützt, und verankert die drei Safer-Sex-Regeln. Wir wollen Bilder schaffen, die man nicht so schnell vergisst und die bewirken, dass man auch nach der Kampagne im entscheidenden Moment zum Kondom greift. 72 te Verhalten mit positiven Assoziationen verknüpft. So schaffen wir unverkrampft Aufmerksamkeit für ein Thema, ohne zu polarisieren. Anders gesagt: Es entsteht ein nachhaltiger Dialog mit den Zielgruppen. Ist es zugleich das erklärte Ziel, sich auch als BAG frisch und frech zu positionieren? Der Auftraggeber ist eine staatliche Institution, ein Bundesamt. Wie geht das mit kecker Werbung zusammen? Wir unterscheiden uns nicht grundsätzlich von privaten Werbetreibenden. Unsere Kampagnen und Botschaften sollen gesehen werden und ankommen. Auch wir müssen uns im Werbeumfeld behaupten, und dazu brauchen wir aussergewöhnliche Ideen. Die Kommunikationswissenschaft - an der auch wir uns selbstverständlich orientieren - zeigt, dass positives Framing bei Kampagnen im Gesundheitsbereich das gewünsch- Unsere Kampagnen basieren immer auf einem gesetzlichen Auftrag, einem nationalen Programm oder einer gesundheitspolitischen Strategie. Unsere Kampagnen sind auf die darin festgelegten Ziele ausgerichtet und sollen die Gesundheitskompetenz der Menschen stärken. Dass sich dies nebenbei positiv auf das Image des BAG als Absender der Kampagne auswirkt, freut uns natürlich. Wir haben in dieser Rubrik immer wieder gemerkt: Gute Werbung kommt nicht von ungefähr. Auftraggeber und Agentur müssen ADe: «Auftraggeber des Monats» «Wir wollen Bilder schaffen, die man nicht so schnell vergisst» werbung gut verzahnt sein. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen dem BAG und Havas Worldwide beschreiben? Die Zusammenarbeit mit Frank Bodin und seinem ganzen Team ist partnerschaftlich, professionell und respektvoll. Beide Seiten wollen so präzis und zuverlässig sein wie ein Schweizer Uhrwerk. Wir als BAG liefern klare Evidenzen, Inhalte, Ziele und Botschaften in Form eines detaillierten Briefings und einer engen Projektbegleitung. Die Agentur entwickelt zusammen mit uns eine Strategie, ein Kommunikationskonzept und die Kreatividee. Worauf kommt es an? Es ist wichtig, dass beide Seiten ihre Stärken ausspielen können. Der Auftraggeber muss vom Wissen und der Erfahrung der Agentur profitieren und diese arbeiten lassen. Die Agentur ihrerseits muss sich in das Umfeld und die Bedürfnisse des Auftraggebers hineindenken und ihre Arbeit darauf ausrichten. Natürlich hinterfragen wir uns gegenseitig auf kritisch-konstruktive Art, um noch bessere und wirkungsvollere Kampagnen realisieren zu können. Menschen normalerweise schützen, nun aber völlig ungeschützt und nackt sind. Die Botschaft «Hier schützt man sich ja auch» führt die wichtigste Botschaft zum Thema Safer Sex direkt und nachvollziehbar vor Augen. Ich erinnere mich aber auch gerne an die Kürzest-Spots mit dem Slogan «Ging 's zu schnell, um an Gummis zu denken? ». Ganz grundsätzlich: Was bildet den wunden Punkt? Nährboden für gute Werbung? Auch hier überlässt das BAG nichts dem Zufall. Die Evaluation ist fester Bestandteil jeder BAG-Kampagne. Vor dem Start führen wir eine Nullmessung zu Bekanntheit, Wissen, Einstellung und Verhalten der Bevölkerung bezüglich der Kampagne und ihrer Thematik durch und ergänzen allenfalls durch einen Pretest. Nach der Kampagne wird mit Bezug auf Pretest und Nullmessung ein Posttest durchgeführt, um die Wirkung zu überprüfen. Berührt die Kampagne tatsächlich einen Effektive Werbung entsteht, wenn sich Information und Emotion auf eine gute Art verbünden. Zudem haben sich in unseren Kampagnen, wo es oft darum geht, die Leute zu einem bestimmten Verhalten zu motivieren, Online-Risikochecks sehr bewährt. In der Auseinandersetzung mit diesen Checks setzen sich die Menschen vertieft mit unseren Botschaften auseinander. Und auch bei unseren Kampagnen ist die Wahl der richtigen Kanäle für die gute Idee ein weiterer Schlüssel für eine erfolgreiche Kommunikation . Das BAG arbeitet mit mehreren Agenturen zusammen. Wieso wird immer wieder aufwendig gepitcht? Die Kampagnen thematisieren ja Tabus. Wie bricht man diese Tabus in der Kreation? Mit Humor. 2011 mussten wir mit der «Love Life»-Kampagne erstmals die sexuell übertragbaren Krankheiten thematisieren. Dies war keine leichte Aufgabe. Die Menschen in unserem Land sind es nach 25 Jahren «STOP AIDS»-Kampagne gewohnt, über HIV und Aids zu sprechen. Geschlechtskrankheiten dagegen sind noch tabu. Um dieses Eis zu brechen, schickten wir in unseren TV-Spots einen Pizzakurier los, der sich diskret mithilfe des Treppengeländers kratzte, oder zeigten eine Yogaschülerin, die sich in schwierigsten Yogapositionen heimlich zwischen den Beinen kratzte. Wir bedienten uns also auch hier eines bewährten Ansatzes aus der Gesundheitskommunikation - dem positiven Framing. Der Bund muss die Vergabe seiner Aufträge klar regeln und transparent gestalten, den Wettbewerb unter den Anbietern stärken und den wirtschaftlichen Einsatz der öffentlichen Mittel fördern. Dafür müssen wir die Mandate und Pitches ausschreiben. Es geht uns aber auch darum, das kreative Potenzial der Schweizer Werbe wirtschaft auszuschöpfen . Selbstverständlich entschädigt das BAG die Finalisten im Pitch fair und gemäss den Empfehlungen des BSW. [!J Haben Sie einen persönlichen Favoriten unter den Werbemassnahmen, welche Havas für das BAG erarbeitet hat? Mein persönlicher Favorit ist die Kampagne aus dem Jahr 2006 mit dem Slogan «Hier schützt man sich ja auch». Die Zerbrechlichkeit des Körpers wird sehr schön, aber auch sehr emotional dargestellt. Die Kampagne zeigt spannende Szenen, in denen sich die Adrian Kammer, rechts , Leiter Sektion Kampagnen des Bundesamts für Gesundheit, mit Frank Bodin von Havas Worldwide. 73