frühjahr 2015

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PharmaNews
Ausgabe 17 – Frühjahr 2015
Themen:
Ist die Pharmaindustrie bereit für den neuartigen Dialog?
Sechs digitale Trends verändern die Krankenversorgung
Patientenservices rücken ins Zentrum der Strategie
Vertriebsgemeinkosten schnell und nachhaltig halbieren
Interview: Zukunftsstrategien für Medizintechnik­
unternehmen
Industrie 4.0
Digitalisierung revolutioniert Marketing und Kundeninteraktion
Ist die Pharmaindustrie bereit für den
neuartigen Dialog?
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
willkommen zur Frühjahrsausgabe von
PharmaNews, dem Accenture-Newsletter
für die pharmazeutische Industrie.
Die Schlagworte Industrie 4.0, Patienten­services
und Digital sind in aller Munde. Aber was heißt
dies konkret für die Pharmaindus­trie? In diesem
Newsletter befassen wir uns mit diesen Themen
und geben einen ersten Ausblick auf Lösungen,
die bereits heute Einzug in die Pharmaunter­
nehmen halten.
Wir berichten über Perspektiven des Multi­
kanalmarketings und beleuchten die kritischen
Erfolgsfaktoren für die Transformation des klas­
sischen Marketing- und Vertriebsmodells.
Des Weiteren fassen wir die Kernergebnisse
unserer „Accenture Technology Vision 2014
for Life Sciences“-Studie zusammen, welche
aktuelle Technologie-Entwicklungen der Pharm­
abranche in den Mittelpunkt stellt. Zudem be­
richten wir über den Wandel vom produkt- zum
serviceorientierten Pharma­unternehmen, wel­
cher mittelfristig die erfolgreiche Kombination
von innovativen Therapien und wertschöpfen­
den Patientenservices in Aussicht stellt.
In einem weiteren Beitrag erläutern wir Ihnen
die aktuellen Optimierungsstrategien führender
Life Sciences Unternehmen in Bezug auf nicht
produktbezogene Vertriebsgemeinkosten.
Professor Emanuele Gatti, Executive Advisor für
Gesundheitsstrategien und Gesundheitspolitik
der Fresenius Medical Care, Universitätsprofes­
sor für Translation von biomedizinischen
Innovationen und Präsident der Italienischen
Handelskammer für Deutschland, spricht in un­
serem Executive-Interview über die Zukunft der
Medizintechnikunternehmen und seine Sicht
auf das Potenzial der neuen Märkte.
In einem weiteren Beitrag diskutieren wir die
Vision der „Smart Factory“ im Zusammenhang
mit der Initiative Industrie 4.0 der Bundesregie­
rung zur Stärkung des Produktionsstandorts
Deutschland und erläutern Besonderheiten für
die pharmazeutische Industrie.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen
und verbleibe mit herzlichen Grüßen
Michael Brückner
Geschäftsführer
Die digitale Revolution verändert dramatisch, wie Unternehmen mit ihren Kunden inter­
agieren. Neue Technologien werden diesen Dialog auch weiterhin deutlich transformieren.
Doch ist die Pharmaindustrie bereit für digitalen Kundenkontakt auf neuen Kanälen –
jenseits des klassischen Vertriebs, überall, zu jeder Zeit, nahtlos und präzise auf Kunden­
bedürfnisse abgestimmt? Um zu evaluieren, wie „multikanalmarketingreif“ Pharmaunternehmen heute sind, hat
Accenture eine vergleichende Studie mit
rund 20 Unternehmen durchgeführt (70 Pro­
zent davon aus der Pharma-, 30 Prozent aus
anderen Branchen). Untersucht wurden die
Fähigkeiten, Kunden mit personalisierten
Kampagnen über relevante Kanäle zu erreichen
und die dabei gewonnenen Daten zu nutzen,
um noch bessere Angebote vorzubereiten.
Das Ergebnis: Die Mehrheit der untersuchten
Pharmaunternehmen (über 80 Prozent)
befindet sich noch in der Versuchs- oder
Findungsphase, nur zehn Prozent bewegen
sich sicher und kundenzentriert in der
Multikanalwelt. In anderen Branchen sind
die Unternehmen deutlich reifer: Ein Drittel
der Nicht-Pharma-Unternehmen zählt
bereits heute zu den selbstsicher agierenden
Multikanalmarketiers und -pionieren. Sie
beeinflussen aktiv die weitere Veränderung des
Marketing- und Vertriebsmodells, auch über
ihre Branche hinaus.
Vier Erfolgsfaktoren machen den Unterschied
Laut Studie sind es vor allem vier Erfolgs­
faktoren, die die reifen Multikanalmarketiers
von den „Anfängern“ unterscheiden:
1. Klares Verständnis und gelebtes
Commitment
Erfolgreicher ist, wer klar artikuliert, wie
die neuen, multimedialen Formen der
Kundeninteraktion zum Unternehmenserfolg beitragen – und dafür sorgt, dass
Multikanalinteraktion vom Topmanagement
bis zum Rezeptionisten verstanden,
akzeptiert und gelebt wird. Drei Viertel
der befragten Pharmaunternehmen leiden
jedoch darunter, dass die formulierte
Digitalisierungsvision von der Organisation
weder verstanden noch gelebt wird.
2.Dynamisches und anpassungsfähiges
Geschäftsmodell
Digitalisierung und kundenzentrierte
Multikanalinteraktion können ihre Potenziale
erst entfalten, wenn das Geschäftsmodell
die Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit
besitzt, die es braucht, um:
• neue digitale Medien in Marketing und
Vertrieb zu integrieren,
• sich an wechselnde Kundenbedürfnissen
und neue Technologien schnell und
reibungslos anzupassen.
Viele pharmazeutische Geschäftsmodelle
sind jedoch vergleichsweise starr und auf
persönliche Kundeninteraktion konzentriert.
Marketing, Vertrieb und IT arbeiten eher
isoliert als Hand in Hand. Es fehlt an
zentraler Koordination, an interdisziplinärer
und globaler Vernetzung. So bleiben Erfolge
in der Interaktion mit Kunden oft lokal und
können nicht weitergehend genutzt werden.
3.Integrierte und skalierbare Technologielandschaft
Die Basis ist eine Technologielandschaft, die
digitale und persönliche Kundeninteraktion
unterstützt, zeitgleich aber auch eine
Vielzahl der zuvor manuellen Marketingund Vertriebsprozesse automatisiert.
In vielen Pharmaunternehmen gibt es für
die Kundeninteraktion eine Vielzahl an
kanalspezifischen Technologien, die isoliert
nebeneinander und nicht selten von externen
Agenturen betrieben werden. So fehlt es
an Vernetzung und einem 360-Grad-Blick
auf den Kunden. Ein weitgehend manueller
Marketingansatz macht es zudem nahezu
unmöglich, die Komplexität, die mit
kundenzentriertem Multikanalmarketing
einhergeht, zu managen und den
Geschwindigkeitserfordernissen digitaler
Medien gerecht zu werden.
4.Investitionen in Kundendaten und Analytik
Spitzenunternehmen investieren in
Kundendaten und Analytik, um die
nächste Generation von Kunden- und
Marketingintelligenz zu verwirklichen. In der
Pharmawelt hat bisher nur ein Fünftel der
Unternehmen definiert, woran sie den Erfolg
ihres Multikanalansatzes messen wollen.
Auf dem Weg zum Erfolg in der
digitalen Kundeninteraktion haben
Pharmaunternehmen also noch eine
beträchtliche Lücke zu schließen –
sie können aber von den Besten aus
benachbarten Branchen lernen.
Ansprechpartner:
[email protected]
Accenture Technology Vision 2014 for Life Sciences
Sechs digitale Trends verändern die Krankenversorgung
Die neuesten Technologietrends zu identifizieren und auf Chancen und Herausforderungen für spezifische Branchen und Märkte zu unter­
suchen: Das ist Aufgabe der Accenture Technology Labs. In der Accenture Technology Vision 2014 for Life Sciences stellen sie jetzt neueste
Ergebnisse für die Pharmaindustrie vor und stellen sechs Entwicklungen in den Mittelpunkt.
Bewältigung der Datenflut: Das zunehmende
Wachstum von verfügbaren und potenziell re­
levanten Daten stellt Pharmaunternehmen vor
die Herausforderung, diese Datenmenge mög­
lichst in Echtzeit verarbeiten und auswerten zu
können. Sogenannte „Hyperscale Computing
Technologien“, wie etwa SAP HANA, können
hier helfen. So analysiert z. B. Walgreens
Patientendaten bei Vorsorgeuntersuchungen
mit einem eigens dafür entwickelten Big-DataAnalytik-Verfahren, um individuelle Empfeh­
lungen für seine Kunden zu ermitteln.
Geschäftsanwendungen als Apps: Digitale
Services für Privatanwender haben neue Maß­
stäbe gesetzt. Erwartet wird, dass diese auch
im beruflichen Umfeld erfüllt werden. So wer­
den maßgeschneiderte Apps zum integralen
Bestandteil von Diagnose und Therapie – wie
beispielsweise die kommende Alzheimer-Früh­
erkennungs-App von Pfizer. Gartner geht da­
von aus, dass 25 Prozent der Unternehmen
bis 2017 einen eigenen App-Store für PC und
Smartphones aufgebaut haben werden.
Die Grenze zwischen virtueller und physischer
Welt verschwimmt: Durch die zunehmende
Durchdringung des Alltags mit digitalen, ver­
netzten Geräten können Patienten und Ärzte
enger zusammenarbeiten. Krankheitsverläufe
lassen sich so genauer beobachten, Therapie­
verläufe optimieren und individuelle Präven­
tionsmaßnahmen für Patienten anstoßen. Das
senkt die Versorgungskosten und erschließt
neue Möglichkeiten für Medizintechnik und
Leistungen „beyond the pill“ – z. B. für High­
tech-Kontaktlinsen wie die von Google, die
Blutzuckerwerte fortlaufend messen. Oder
für Anwendungsentwicklungen wie die von
Accenture und Philips, die Ärzten eine App für
Google Glass anbieten, mit der sie auf (Real­
time-)Patientendaten zugreifen und Teleprä­
senzdienste nutzen können.
Neue Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit: Digitale Plattformen eröffnen Un­
ternehmen neue Möglichkeiten, mit Personen­
gruppen wie Patienten oder externen Forschern
zusammenzuarbeiten und Forschungsvorhaben
vernetzt voranzutreiben. Eli Lilly betreibt bei­
spielsweise eine Crowdsourcing-Plattform,
über die auch unternehmensfremde Forscher
potenzielle Wirkstoffe einreichen können. Dar­
über hinaus ermöglichen soziale Medien, dass
Pharmaunternehmen die Erfahrungen von For­
schern und Patienten besser verstehen und
nutzen können. Boehringer Ingelheim nutzt
beispielsweise ein soziales Netzwerk für For­
scher, um Wettbewerbe rund um aktuelle For­
schungsfragen zu veranstalten.
Professionalisierung der „Daten Supply
Chain“: In der digitalen Welt gehören Daten
und Informationen zu den wichtigsten Vermö­
genswerten eines Unternehmens. Pharma­
unternehmen können Patientendaten aus einer
wachsenden Zahl von Quellen für klinische und
kommerzielle Auswertungen zusammenführen.
Die zentrale Herausforderung besteht darin,
die „Lieferkette“ dieser Daten und Informatio­
nen zu professionalisieren. Pfizer nutzt bei­
spielsweise eine Cloud-Plattform, um klinische
Daten über Studien hinweg aggregieren, ana­
lysieren, visualisieren und mit Partnern oder
Behörden teilen zu können.
IT-Infrastruktur wird zum kritischen Erfolgsfaktor: Mit der zunehmenden Digitalisierung
von Unternehmensprozessen und Kundeninter­
aktionen wird die Verfügbarkeit der techni­
schen Plattform zum kritischen Erfolgsfaktor.
Die durchschnittlichen Kosten des Ausfalls
eines Rechenzentrums sind seit 2010 um über
40 Prozent gestiegen. Die Zahl der Angriffe
stieg allein im vergangenen Jahr um fast
60 Prozent. Ein digitalisiertes Pharmaunter­
nehmen wird sich aufgrund der hohen Sen­
sibilität seiner Informationen gegenüber
diesen Risiken in besonderer Weise wappnen
müssen, um geistiges Eigentum sowie Patien­
ten angemessen zu schützen und die Com­
pliance zu wahren.
Diese sechs digitalen Trends bieten Pharma­
unternehmen viele Möglichkeiten, die Schnitt­
stellen zu Forschern, Patienten oder Ärzten
ganz neu zu gestalten. Entscheidend wird, die
Organisation auf digitale Anforderungen und
vernetztes Arbeiten zuzuschneiden – neue Rol­
len zu besetzen (z. B. Data Scientist, Chief Digi­
tal Officer) und funktionierende Partnerschaf­
ten innerhalb der Branche zu schaffen.
Auszüge aus der Studie „Accenture Technology
Vision 2014 for Life Sciences“
Ansprechpartner:
[email protected]
Vom produkt- zum serviceorientierten
Pharmaunternehmen
Patientenservices
rücken ins Zentrum
der Strategie
Der Wandel vom produkt- zum serviceorien­
tierten Pharmaunternehmen ist in vollem
Gange. Der erfolgreichen Kombination von
innovativen Therapien und wertschöpfenden
Patientenservices gehört die Zukunft. Bis
dahin gibt es allerdings noch einiges zu tun.
Drei Viertel aller Patienten erwarten von Arz­
neimittelherstellern nicht nur Medikamente,
sondern auch ergänzende Services. Mehr als
60 Prozent sind bereit, dafür persönliche Infor­
mationen preiszugeben. Das ergab jetzt eine
Studie von Accenture, die 2000 Patienten in
Nordamerika befragte. Gewünscht wird dem­
nach ein breites Spektrum von Leistungen: von
klassischen Produktinformationen über digitale
Therapiebegleitung, Arztempfehlungen und
den Zugang zu Patientenforen bis hin zu Infor­
mationen über klinische Studien, Erinnerung
und Überwachung der Medikation oder auch
Fernerfassung von Sensordaten für Gesund­
heitsförderungsprogramme.
Tatsächlich bieten Patientenservices vielfälti­
gen Nutzen: Pharmaunternehmen hilft der
direkte Kontakt mit Patienten, Behandlungs­
lücken zu schließen, Therapien zu verbessern,
Patientenzufriedenheit sowie -loyalität zu stei­
gern und sich zu differenzieren. Patienten, Ver­
sorger, Risikoträger und Gesellschaft profitie­
ren von dem erhöhten Patientendatenfluss und
den sich daraus ergebenden Möglichkeiten zur
selektiven Therapie.
Ungeachtet dessen gibt es in diesem Bereich
noch viel Handlungsbedarf: Nur zehn Prozent
der Befragten bekamen bisher von Pharma­
unternehmen Patientenservices (z. B. Bonuspro­
gramme oder Finanzinformationen) angeboten.
Um die wesentlichen Herausforderungen der
neuen Serviceorientierung zügig zu meistern,
arbeiten Pharmaunternehmen verstärkt mit
externen Dienstleistern zusammen.
Im Fokus:
• Identifizierung von relevanten Anforderun­
gen, Behandlungskoordinationslücken, fami­
liären und emotionalen Patientenbedürfnis­
sen sowie ergänzender Anstrengungen
(Diäten, körperliche Betätigung o. Ä.)
• Aufbau der relevanten Technologieplattfor­
men für die Serviceerbringung
• Sicherung eines konsistenten Serviceerleb­
nisses und Dialogs über alle Kontaktkanäle
SG&A-Optimierung
Vertriebsgemein­
kosten schnell und
nachhaltig halbieren
Führende Life Sciences Unternehmen sind
derzeit dabei, die nicht produktbezogenen
Vertriebskosten grundlegend neu auszurich­
ten. Indem sie historisch gewachsene Bud­
gets und Leistungsumfänge rigoros darauf
überprüfen, ob sie den zukünftigen Unter­
nehmenszielen dienen – und konsequent an­
passen, statt nur zu versuchen, Leistungen
kostengünstiger zu erbringen – können sie
ihre „Selling, General & Administrative
(SG&A) Expenses“ schnell und nachhaltig um
bis zu 20 Prozent senken, in einzelnen Berei­
chen um bis zu 50 Prozent. Gleichzeitig ver­
bessern sie die Allokation von Kapital und
Investitionen in die Zukunft.
Accentures Projekterfahrung zeigt, dass die
High Performer die bisherigen Leistungen und
Budgets hinterfragen und streichen, was nicht
den Unternehmenszielen dient (60 bis 70 Pro­
zent der Einsparungen). Dann stellen sie die
Form der Leistungserbringung (Organisations­
strukturen, Prozesse, Systeme) auf den Prüf­
stand (30 bis 40 Prozent der Optimierung). So
stellen sie sicher, dass sie die richtigen Leistun­
gen richtig erbringen, statt falsche Prozesse
günstiger zu bewältigen.
Jede SG&A-Optimierung folgt typischen
Fragen:
• Kennen und verstehen wir unsere Kosten­
basis?
• Welche Anforderungen stellt der Gesetzgeber wirklich an hoheitliche Aufgaben,
welche Dienstleistungen brauchen wir in
Zukunft noch?
• Wie wollen wir Effizienz und Effektivität un­
serer SG&A-Leistungen messen, und wer ent­
scheidet, wie viel wir zu zahlen bereit sind?
• Ermittlung des ROI für angebotene Leistun­
gen für Patienten, Versorger, Risikoträger
und Pharmaunternehmen
• Sicherung von Compliance und Datenschutz
sowie Einsatz führender Analytik bei der
Sammlung und Nutzung servicerelevanter
Patienteninformationen
Deutlich wird: Mit ihrem Potenzial für Thera­
pieverbesserung, ökonomischen Nutzen und
Mehrwert für Betroffene gehören Patienten­
services eher heute als morgen ins Zentrum
pharmazeutischer Unternehmensstrategie.
Ansprechpartner: Jeff Elton und Philip Frey
[email protected]
• Welche Dienstleistungen benötigt das opera­
tive Geschäft – und was sind die Benchmarks
für Kosten und Qualität?
• Wie sollen die Dienstleistungen erbracht
werden – und wie müssen Organisation,
Prozesse, Systeme, Mitarbeiter und Partner
weiterentwickelt werden, um dies mit unter­
nehmerischer Verantwortung zu bewältigen?
• Wie kann durch einen End-to-end-Ge­
schäftsprozessansatz versus eine rein funk­
tionale Sicht Mehrwert geschaffen werden?
• Wie setzen wir Leistungsanreize, kontrollie­
ren die Performance und vermeiden kom­
plexe Verrechnungsmodelle?
Viele Spitzenunternehmen setzen auf Shared
Services, also zentrale Einheiten, die konzern­
weite und BU-spezifische Leistungen bündeln,
transparenter strukturieren, expertenorientiert
aufstellen und professioneller organisieren, um
einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu errei­
chen. Der überwiegende Teil hat damit schon
Erfolge erzielt, und viele wollen folgen: Derzeit
bündeln lediglich fünf Prozent der Life Sciences
Unternehmen mehr als die Hälfte ihrer SG&ALeistungen in Shared Services Einheiten. Bis
2018 wird sich der Anteil verzehnfachen.
Ansprechpartner:
[email protected]
Professor Emanuele Gatti über die Zukunft der Medizintechnik-Industrie
Zukunftsstrategien für Medizintechnikunternehmen
Professor Emanuele Gatti war als Vorstand
der Fresenius Medical Care verantwortlich
für die Region Europa, Naher Osten, Afrika
und Lateinamerika sowie die weltweite Stra­
tegieentwicklung. Heute ist er als Executive
Advisor für Gesundheitsstrategien und Ge­
sundheitspolitik für das Unternehmen tätig
und zudem Universitätsprofessor für Trans­
lation von biomedizinischen Innovationen
sowie Präsident der Italienischen Handels­
kammer für Deutschland.
Herr Professor Gatti, Sie haben Ihr ganzes
Leben in der Medizintechnik gearbeitet und
mehr als zehn Jahre die Strategie von Fresenius
Medical Care geprägt. Wo sehen Sie die we­
sentlichen Wachstumsfaktoren der Branche
bis 2020?
Die Medizintechnik-Industrie steht vor umfas­
senden Veränderungen, die auch grundlegender
sein werden als in einer Vergangenheit, die von
kontinuierlichen technischen Neuerungen ge­
prägt war. In der Zukunft wird es noch stärker
darum gehen, herausragende medizinische
Ergebnisse zu bezahlbaren Preisen zu liefern.
Behörden und Auftraggeber fordern umfang­
reichere Dossiers, um die Sicherheit sowie
operative und therapeutische Verbesserungen
nachzuweisen – und eine konkurrenzfähige
Preisgestaltung der Produkte. Das ist mit der
Notwendigkeit verbunden, mehr klinische Prü­
fungen durchzuführen. Gleichzeitig muss das
umfangreicher gewordene medizinische Nut­
zenversprechen von Produktmarketing und Ver­
trieb verstanden werden, um es differenziert
am Markt darstellen zu können und mehr Pro­
dukte zu besseren Preisen zu verkaufen.
Wenn medizintechnische Firmen vor einem
grundlegenden Wandel stehen: Wie wird dann
das erfolgreiche medizintechnische Unterneh­
men der Zukunft aussehen?
Was wir brauchen, lässt sich mit zwei Stich­
worten beschreiben: Integration und vernetzte
Zusammenarbeit. Die Mehrheit der heutigen
Unternehmen macht beides noch nicht wirklich.
Dass Unternehmen, Auftraggeber und Lieferan­
ten künftig stärker kooperieren, wird eine große
Herausforderung sein. Zurzeit wird frühestens
nach der Einführung eines Produktes zusam­
mengearbeitet. Wir sollten uns jedoch bereits
zu Beginn einer Neuentwicklung überlegen: Mit
wem können wir Kräfte bündeln, um eine kriti­
sche Masse zu erreichen? Wer wäre ein guter
Partner, um das Gesundheitswesen zu beein­
flussen? Und mit wem ließen sich medizinische
Ergebnisse und Lebensqualität noch stärker
verbessern?
Sehen Sie zu den eben beschriebenen Chancen
noch weitere Wachstumspotenziale für ein me­
dizintechnisches Unternehmen?
Die Branche ist immer noch auf die Bedürfnisse
und Normen der westlichen Welt ausgerichtet –
im Jahr 2020 wird die Mehrheit der Weltbevöl­
kerung aber nicht hier leben. Die entscheidende
„Kunst“ wird deswegen sein, das eigene Pro­
duktportfolio richtig zu segmentieren. Das
heißt, die richtigen Technologien für die richti­
gen Märkte zu haben – und von den richtigen
Standorten zu liefern. Ein Beispiel: Wenn Sie
sich auf eine Behandlungsmethode spezialisiert
haben, dann könnte Ihr Produkt für Indonesien
oder Indien auf ganz anderen Technologien
basieren als das für Deutschland oder die USA.
Spielt das jeweilige Kostenerstattungssystem
eine Rolle, wenn es darum geht, seine Strategie
für das Produktportfolio zu definieren?
Ja, das und das Gesundheitswesen allgemein
werden eine wichtige Rolle spielen. Obwohl
auch der innereuropäische Markt – genau wie
in den USA – homogener werden wird, wird
es weiterhin regionale Unterschiede geben, die
auf unterschiedliche Erstattungssysteme oder
lokale Behörden zurückzuführen sind. Kein
Unternehmen wird mit der Strategie eines
Universalangebots Erfolg haben. Um die Märkte
erfolgreich zu bearbeiten, müssen die Beson­
derheiten des jeweiligen Erstattungssystems
und Gesundheitswesens ebenso berücksichtigt
werden wie die Wirtschaftsstufe des Landes.
Die meisten Unternehmen unterscheiden bei
ihrer Marktstrategie zwischen Schwellen­
ländern und entwickelten Ländern. Wodurch
wird sich eine erfolgreiche Strategie in
diesen Märkten von einer nicht erfolgreichen
unterscheiden?
In den entwickelten Märkten stammt der
überwiegende Teil der Kosten von der Behand­
lung chronischer Erkrankungen. Das heißt,
dass für diese Märkte die Komponente der
Lebensqualität entscheidend ist. Medizintech­
nik-Unternehmen behandeln manche Patien­
ten länger als 30 Jahre. Manchmal lautet die
Frage: Willst du länger leben? Und manchmal
lautet sie: Willst du länger und besser leben?
Oder: Willst du nur besser leben? Das ist eine
kulturelle und nicht nur eine medizinische
Frage. Erfolgreiche Strategien müssen die rich­
tige Balance zwischen den Bedürfnissen der
Patienten, ihrem sozialen Umfeld, ihrer Lebens­
qualität und der Behandlungsqualität finden.
Bei den Schwellenmärkten müssen Unterneh­
men zu ihren Ursprüngen zurückkehren. Sie
müssen identifizieren, was das Mindestmaß an
Qualität und Behandlung ist, das in diesen
Ländern gilt. Dann müssen sie Lösungen ent­
wickeln, die auf diese Mindestanforderungen
zugeschnitten sind. Das verlangt eine ganz an­
dere Struktur und Denkweise. Trotzdem glaube
ich, dass auch die bahnbrechenden Technolo­
gien in den Entwicklungsländern eingeführt
werden, allerdings nur für eine begrenzte An­
zahl von Therapiefeldern.
Herr Professor Gatti, wir danken Ihnen für
das Interview.
Industrie 4.0
Chancen und Her­
ausforderungen für
Pharmaunternehmen
2012 rief die Bundesregierung die Initiative
Industrie 4.0 zur Stärkung des Produktions­
standortes Deutschland ins Leben. Eines
ihrer wichtigsten Ziele ist es, durch Digitali­
sierung und Vernetzung von Produktions­
prozessen einen deutlich höheren Automa­
tisierungs- und Flexibilisierungsgrad zu
erreichen. Der Schwerpunkt der Konzepte
liegt auf der Fertigungsindustrie – doch wel­
che Potenziale birgt das Konzept für die
Pharmabranche?
Die Vision der „Smart Factory“ von Industrie
4.0 setzt auf neue Technologien, die Produk­
tionsanlagen und Werkstücke in die Lage ver­
setzen, Informationen auszutauschen und die
weitere Bearbeitung selbst zu steuern. Dazu
werden Teilsysteme und Komponenten von
Produktionsanlagen mit Sensoren und Aktoren
ausgestattet und miteinander vernetzt. Das
Ergebnis sind sogenannte cyber-physikalische
Systeme, die nicht nur innerhalb eines Unter­
nehmens wirken, sondern zunehmend auch
Partner und Kunden entlang der Wertschöp­
fungskette integrieren. „Smart Services“ wer­
den dabei eine deutlich effizientere Prozess­
steuerung erlauben.
Viele der Konzepte hinter Industrie 4.0 haben
einen starken Bezug zur Fertigungsindustrie.
Obwohl nicht unmittelbar auf eine Pharmapro­
duktion übertragbar, birgt das Thema jedoch
auch hier erhebliches Potenzial. Schon mit
heutiger Technik lassen sich beispielsweise an­
fallende Betriebsdaten in Predictive Mainte­
nance Services nutzen, um notwendige War­
tungsarbeiten besser vorherzusagen und
Stillstand- sowie Rüstzeiten von Anlagen zu
minimieren. Prozessanalysetechnik kann Pro­
zessdaten nutzen, um Prozessführung sowie
Qualitätskontrolle stark zu vereinfachen und
aufwendige Qualitätsprüfungen der Endpro­
dukte obsolet zu machen.
Konsumgüterhersteller wie Nestlé investieren
aktuell in die Entwicklung neuer, modularer
Produktionsprozesse, mit denen sich Kapazitä­
ten in Zukunft noch schneller, individueller und
flexibler bereitstellen lassen. Langfristig könnte
sich eine zunehmende Flexibilisierung in der
Pharmaproduktion zu einem Wegbereiter für
die personalisierte Medizin entwickeln.
Industrie 4.0 gilt als vierte industrielle Revolu­
tion. Sie wird sich jedoch in evolutionären
Schritten vollziehen – und es gibt für alle
Branchen noch eine Reihe von Herausforde­
rungen auf diesem Weg zu meistern. Die Har­
monisierung von Anwendungen und Daten im
Produktionsumfeld, eine Grundvoraussetzung
für den Erfolg, ist dafür nur ein Beispiel. Die
zeitnahe Definition eines Fahrplanes zum Auf­
bau der benötigten Fähigkeiten ist eine ein­
deutige Empfehlung.
Ansprechpartner:
[email protected]
Über Accenture
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nagementberatungs-, Technologie- und Out­
sourcing-Dienstleister mit mehr als 319 000
Mitarbeitern, die für Kunden in über 120 Län­
dern tätig sind. Als Partner für große BusinessTransformationen bringt das Unternehmen
umfassende Projekterfahrung, fundierte Fähig­
keiten über alle Branchen und Unternehmens­
bereiche hinweg und Wissen aus qualifizierten
Analysen der weltweit erfolgreichsten Unter­
nehmen in eine partnerschaftliche Zusam­
menarbeit mit seinen Kunden ein. Accenture
erwirtschaftete im vergangenen Fiskaljahr
(zum 31. August 2014) einen Nettoumsatz von
30 Mrd. US-Dollar. Die Internetadresse lautet
www.accenture.de / www.accenture.at /
www.accenture.ch.
Impressum
Herausgeber:
Accenture GmbH
Campus Kronberg 1
61476 Kronberg
Druck:
Druckerei Lokay e. K.
64354 Reinheim
Verantwortlicher Redakteur:
Philip Frey
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