A neurobiologically informed perspective on psychotherapy

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A neurobiologically informed perspective on psychotherapy
Gabbard (2000)
Hintergrund des Themas ist eine historische Dichotomie (Cartesischer
Dualismus) zwischen
„mind“
Aktivität des Gehirns
Psychotherapie für psychologisch
begründete Erkrankungen
psychosoziale Experten
„brain“
Ursprung mentaler Phänomene
Medikation für biologisch
begründete Erkrankungen
Neurowissenschaftler
Heutige Sichtweise ist die Integration der beiden Ansätze. Denn einerseits
sind Individuen nicht reduzierbar auf Biochemie und Physiologie. Außerdem
existiert eine Interaktion von subjektiver Erfahrung und Gehirn.
Die Konzeptualisierung einer neurobiologisch informierten Perspektive der
PT beschäftigt sich mit
o Plastizität des menschlichen Gehirns
o relevanter
Forschung:
Bildgebung
zu
PT,
tierund
humanexperimentelle Untersuchungen zur Interaktion von Gehirn und
Umwelt, Genetik von Persönlichkeit, Gedächtnis
o dynamischer Interaktion von Genen und Umwelt
Psyche, Gehirn, Umwelt, Gene
Unanwendbarkeit der Mendelschen Gesetze auf psychische Erkrankung
wegen Vorhandensein verschiedener Formen und der nie vollständigen
Erfüllung der Symptomatik der wichtigsten Störungen → Entstehung
psychischer
Erkrankung
durch
Interaktion
von
Umweltund
Entwicklungsfaktoren mit Genen (Regulation der Rate der Genexpression
durch Signale aus der Umwelt)
Einflüsse der Umwelt auf Genexpression zeigen sich bei
o Meeresschnecke Aplysia: Zunahme der Synapsen in Folge von
Lernen verbunden mit Regulation der Genexpression → Sichtweise
von PT als Form des Lernens und somit Änderung der Zahl der
Synapsen durch PT
o Ratten: Zunahme der Synapsen unter sozialer Umwelt mit
Anforderung komplexen Lernens
o Übereinstimmung von Umwelteinflüssen und kognitiven Schemata
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o Zwillingsstudien: phänotypische Unterschiede identischer Zwillinge
bei Krankheiten wie Schizophrenie → wechselseitige Beeinflussung
zwischen erblichen Faktoren der Kinder und Erziehung
o Einfluss von Stressoren auf genetische Vulnerabilität von
Depressionen: größere Zunahme der W‘keit für Erkrankung in Folge
von schlimmen Lebensereignissen bei Personen mit höherem
genetischem Risiko
Wirkmechanismen
o Beeinflussung der Transkription (Regulation der Herstellung von
Proteinen), nicht der Gensequenz
o Bildung eines komplex verbundenen, untrennbaren Netzwerks in
Folge der Gen-Umwelt-Interaktion („cells that fire together wire
together“)
Beziehungsänderungen und Gehirn
o Einfluss sozialer Cues auf Neurotransmitter
Zusammenhang des Einflusses von Serotonin (Bahnung oder
Hemmung) auf Schwanzreflex bei Flusskrebsen und sozialer
Position (dominant oder untergeordnet)
o Einfluss von Beziehungsverhältnisses auf Verhalten und Biochemie
o nach Aufwachsen ohne Mütter entwickeln Rhesusaffen soziale
Ängstlichkeit zusammen mit biochemischen Änderungen
(Kortisol, ACTH, Noradrenalin, MHPG): vorhanden in
stressreichen oder neuen Situationen, nicht vorhanden in
Zusammensein mit normal aufgezogenen Affen
o Rhesusaffen mit angeborener sozialer Ängstlichkeit und
biochemischer Veränderung → Verschwinden dieser Anlage
nach Aufwachsen mit fremden Pflegemüttern und Aufstieg in
sozialer Hierarchie
o Einfluss von leichten Traumata auf Verhalten und Biochemie
nach Aufwachsen bei ängstlichen Müttern zeigen sich bei Affen
eine verminderte Kapazität für normale soziale Interaktion,
sozialer Abstieg und serotonerge und noradrenerge
Änderungen (Manifestation im Erwachsenenalter → Konformität
zu Psychoanalyse)
Zeitfenster
o Abhängigkeit der Expression eines Gens von bestimmten
Umwelteinflüssen zu bestimmten Zeitpunkt
o nach Traumata und Deprivation zeigen sich Änderungen in
Neuromodulation und physiologischer Reaktivität, Strukturen und
Antworten des Hirnstamms, des limbischen Systems und des
Mittelhirns mit Manifestation in traumatischen Erwartungen,
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überzogenen Alarmreaktionen und erhöhter Aufmerksamkeit für
Entdeckung von Gefahr
o Verringerung des linken hippocampalen Volumens bei Erwachsenen
mit PTSS nach Missbrauch
o Änderungen im neuroendokrinen System und des CRH bei
missbrauchten Mädchen
Einfluss von PT auf das Gehirn
 Familientherapie: Lernen des richtigen Antwortens der Eltern auf
Anlagen des Kindes → positive Beeinflussung der genetischen
Expression
 Lernen über sich selbst hat Einfluss auf Struktur und Funktion des
Gehirns
 biopsychosoziale Natur jeder psychiatrischen Intervention
o Medikation mit psychologischem Effekt zusätzlich zu Einfluss auf
Gehirn
o PT mit Effekt auf Gehirn zusätzlich zu psychologischem Einfluss
 ZS: gleiche Abnahme der Aktivität (PET) im rechten Haupt des Ncl.
Caudatus nach VT oder Fluoxetin
 BorderlinePS
und
Depression:
Erholung
von
reduzierter
Serotoninaufnahme im medialen PFK und Thalamus nach PT (je 1
Person in Treatment- und Kontrollgruppe!)
 Panikerkrankung: Verhinderung von laktatinduzierter Panik durch KVT
 Depression: Abnahme von Thyroxin bei Anschlagen von KT, Ähnlichkeit
der Schlafarchitektur nach KT oder Medikation
 Krebs: länger dauernde Besserung, geringere Sterberate und längere
Überlebensdauer nach PT
Gedächtnis
PT in der psychodynamischen Sichtweise hat Einfluss auf das Gehirn in
Form der Bildung von (prozeduralem) Gedächtnis
 Freuds Konzept als Basis
o Widerspiegelung unbewusster Konflikte und internalisierter
Objektverbindungen (nicht erinnerbar) im Patient-TherapeutVerhältnis
o moderne Sichtweise: Internalisierung und Enkodierung früher
Bindungsverhältnisse als prozedurales Gedächtnis (implizit, also
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ohne Zugang zu Bewusstsein) und Übertragung und Abwehr als
prozedurales Wissen
 PT als Bindungsverhältnis mit Fähigkeit der Restrukturierung des
Bindungsbezogenen impliziten prozeduralen Gedächtnisses
o Wichtigkeit eines affektiv engagierten Therapeuten: emotionale
therapeutische Momente als Form impliziten Beziehungswissens
o Vermittlung
und
Bewusstmachung
impliziter
Muster
charakteristischer Beziehungen des Patienten (Mittel der Wahl:
Perspektive außerhalb des Patienten, Übertragung und
Gegenübertragung, Einfluss auf Andere)
o Vorhandensein von deklarativem Gedächtnis (Einstellungen,
Überzeugungen) bei Übertragung → Explizitmachen impliziter
Einstellungen
Kombination Medikation und PT
Völlige Ablehnung der medikamentösen Behandlung ist unsinnig, da PT
zwar auf biologische Substrate wirkt, aber nicht auf alle. Deshalb besteht
die Forderung nach einer spezielleren (kombinierten) Verwendung von
Medikation und PT für bestimmte Psychopathologien. Beispielhaft wird hier
das psychobiologische Modell für PS von Cloninger et al. (1993) erwähnt.
Darin ist die Persönlichkeit bestimmt durch
Temperament Charakter
Neugier, Schadensvermeidung,
Belohnungsabhängigkeit,
Hartnäckigkeit
vererbt, stabil
verantwortlich für Subtyp der PS
Behandlung durch Medikation
Selbstbezogenheit, Kooperativität,
Selbsttranszendenz
erlernt, entwickelnd
verantwortlich für PS
Behandlung durch PT
Zusammenfassung
 klinische Implikationen
o Änderung der Genexpression im Kind durch Familientherapie
(Modifikation der Eltern-Kind-Interaktion)
o ähnliche Beeinflussung des Gehirns durch PT und Medikation
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o Beeinflussung von Temperament durch Medikation und von
Charakter durch PT
 Einschränkungen
o Studien zu Änderungen im Gehirn nach PT sind nur explorativ
und nicht repliziert
o fragliche Übertragbarkeit der Tierstudien auf den Menschen
o spekulative Mechanismen der PT auf Ebene des Gehirns
 Forschungsaufgaben
o Mechanismus der Wirkung von PT
o Wechselbeziehung der Mechanismen von PT und Medikation
o Verständnis der Pathogenese
o Veränderbarkeit der Pathogenese
o präventive Messungen
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