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congena Texte
congena Texte 2013 – Gestaltung lohnt sich
Gestaltung
lohnt sich
2013
Laura Potthoff, Christoph Kitterle
»One Company – One Spirit«
Der neue Hauptsitz der Allianz Suisse in Zürich
3
Sarah Spranz
Was Büros l[i]ebenswert macht
Das Potenzial der Materialien
7
Professor Axel Venn Plädoyer für den gesunden Büroalltag
Die Eigenschaftsmerkmale des Lebensraums Büro
11
Ralf Kirberg Kunst – Element der Unternehmenskultur?
Kreativität wagen
17
Daniel Neves Pimenta LED als Chance
Die [sanfte] Revolution im Leuchtenmarkt
21
Gabriele Allendorf Light Identity
Potenzial des Lichts
25
Ivo Lai Prima Klima
Optimales Raumklima mit Wasser und Grün
31
Malte Kopmann Kann Nachhaltigkeit Gestalt[ung] annehmen?
Und wenn ja, wie viel?
35
Mirjana Loitzl Persönlicher Arbeitsplatz oder Aufenthaltsqualität?
»Smart Working« bei der HypoVereinsbank München
39
1
Mirjana Loitzl
congena Texte 2013
Gestaltung lohnt sich
In einem Großteil der Büros dominiert
nach wie vor ein mutiges Lichtgrau als
zentrales Gestaltungselement. Bis zu einem
gewissen Grad ist der Ansatz nachvoll­
ziehbar. Lichtgrau ist in jedem Fall richt­
linienkonform, pflegeleicht und so neu­
tral, dass es sowohl zeitlos ist, als auch
keinerlei Angriffspunkte für Geschmacks­
diskussionen bietet. Aber trägt dieser
Ansatz wirklich zu Mitarbeitergewinnung,
-identifikation und -motivation bei? Oder
bewirkt er nicht vielmehr das Gegenteil?
Gleichzeitig kann vermehrt der Trend
beobachtet werden, dass Unternehmen
bei der Planung ihrer Büros gezielt in
Gestaltung investieren. Sie verstehen ihre
Büroräume als Lebensräume – nicht zuletzt
verbringen wir einen Großteil unserer Zeit
im Büro – und als Ausdruck der Unter­
nehmenskultur. Unternehmensspezifische
Gestaltungskonzepte, Farben, Materialien
und Ausstattung, die sich vermehrt bei der
Wohnwelt bedienen, schaffen Alleinstel­
lungsmerkmale im Bemühen um die bes­
ten Mitarbeiter.
Leider ist deren Wirkung in der Regel
schwer bis kaum messbar bzw. nachweis­
bar. Etwas einfacher verhält es sich mit
Licht bzw. Begrünung im Büro. Die phy­
siologischen Auswirkungen von gutem
Licht bzw. der Nutzen von Pflanzen sind
umfangreich wissenschaftlich untersucht
und belegt. In den letzten Jahren gewinnt
auch deren gestalterischer Aspekt an
Bedeutung, beim Licht mitunter aufgrund
neuer technischer Möglichkeiten.
Wer an gute Gestaltung denkt, verbindet
damit häufig die Befürchtung, dass sie
mehr kostet als das gewohnte Einheits­
grau. Dass sie auch einen Beitrag zur
Nachhaltigkeit leisten kann, liegt vielleicht
nicht sofort auf der Hand. Auf den nächs­
ten Seiten wollen wir Ihnen einige Ansätze
dazu aufzeigen.
Kunst als Gestaltungselement im Unter­
nehmen wird erst einmal niemanden
überraschen. Meist ist sie Ausdruck von
Kultiviertheit, Stil und wirtschaftlicher Leis­
tungsfähigkeit. Uns interessiert mehr, wie
sie eine Unternehmenskultur, das tägliche
Miteinander und die Arbeitsweise in einem
Unternehmen beeinflussen kann.
Wie all diese Aspekte im wirklichen Leben
zusammenwirken können, zeigen unsere
jüngsten Projekte bei der Allianz Suisse
in Zürich und der HypoVereinsbank in
München.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lek­
türe und freuen uns, wenn Sie auch auf
den Geschmack von gezielter Gestaltung
im Büro kommen!
Mirjana Loitzl
congena GmbH
Laura Potthoff, Christoph Kitterle
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congena Texte 2013
»One Company – One Spirit«
Der neue Hauptsitz der Allianz Suisse in Zürich
2008 traf die Allianz Suisse die Entscheidung, ca. 1.900 Mitarbeitende aus insgesamt sieben Standorten an einem neuen
Hauptsitz in Wallisellen im neu entwickelten Richti Areal zu konzentrieren. Neben
der Verbesserung von Kommunikationsbeziehungen, der Förderung des Teamgedankens und der Steigerung der Produktivität sollte der neue Hauptsitz vor allem
zur Identifikation der Mitarbeitenden mit
der Allianz Suisse beitragen. Gleichzeitig
sollte eine neue motivierende Arbeitswelt
implementiert werden, die gleichermaßen
attraktiv für bestehende wie neue Mitarbeitende ist.
Architektur
Das vom niederländischen Architekturbüro
Wiel Arets entworfene Gebäude besteht
aus einem 17-stöckigen Turm mit Dachterrasse und einem fünfstöckigen Ringhaus
mit begrüntem Innenhof. In Summe stehen für knapp 1.900 Mitarbeitende der
Allianz Suisse ca. 42.000 qm Fläche zur
Verfügung. Die beiden Gebäude sind horizontal durch insgesamt fünf Passerellen
miteinander verbunden.
Die Arbeitsplätze entlang der Fassaden
werden durch vielfältige Mittelzonen mit
Angeboten für Konzentration, Kommunikation, Zusammenarbeit, Entspannung
und informelle Kontakte ergänzt. Alle Arbeitsplätze können modular als ­Zweier-,
Vierer- oder Sechsergruppen, je nach
Bedarf der Abteilungen, in den offenen
Büro­­flächen angeordnet werden.
Rückzugsräume wie Think Tanks, gemüt­
liche Lounges sowie Meetingräume für bis
zu acht Personen und »Touchdown« Module für temporäre konzentrierte Arbeiten
gliedern und strukturieren die Bürobereiche. Unterstützende Infrastrukturelemente
wie Document Center und Garderoben
ergänzen und vervollständigen die Mittelzonen und stellen alle für die tägliche Arbeit notwendigen Funktionen auf kurzem
Wege bereit.
Offene Treppen, sogenannte Voids, verbinden die Büroetagen, schaffen Sichtkontakte und sorgen für eine schnelle und
einfache Kommunikation zwischen den
Abteilungen.
Sonderflächen
Als congena 2010 in den Planungsprozess involviert wurde, stand das neue Gebäude bereits fest. Die ersten Aufgaben
bestanden in einer Analyse des damaligen
Planungsstandes und in der Entwicklung
alternativer Nutzungskonzepte vor dem
Hintergrund der Belegungskapazität.
Bürokonzept
Die Mitarbeitenden der Allianz Suisse lebten und arbeiteten bis dahin überwiegend in konventionellen Zellenbüro Strukturen. Diese Strukturen entsprachen jedoch
nicht mehr den Ansprüchen an eine teamorientierte, innovative und kommunikative Zusammenarbeit. Nach sorgfältiger
Untersuchung unterschiedlicher Nutzungskonzepte fiel die Entscheidung, ein
»Multispace Büro« mit einer anregenden,
flexibel nutzbaren und atmosphärisch variantenreichen Arbeitsumgebung zu realisieren. Das Konzept erreichte zudem die
erforderliche Belegungskapazität.
Die Arbeitsbereiche werden durch eine
Vielzahl an Zentralen Sonderflächen ergänzt. Im Erdgeschoss empfangen die
zweigeschossige, großzügige Lobby mit
öffentlicher Cafeteria sowie eine »Welcome« und eine »Work Lounge« die Mitarbeitenden und Besucher. Die Lobby im
Erdgeschoss öffnet sich bis ins 5. Obergeschoss. Eine beeindruckende Freitreppe
füllt den Raum und verbindet die Sonderbereiche im Gebäude. Auf der in die
Lobby abgehängten Empore im 1. Obergeschoss befindet sich die »Business
Lounge«, in der in gemütlicher Atmosphäre Kundengespräche geführt werden können. Unter der Empore kann im
Erdgeschoss mit mobilen Glaswänden ein
Auditorium abgetrennt werden. Im vierten Obergeschoss erreicht man über die
Treppe das zentral angeordnete Konferenzzentrum. Eine Etage höher, im Turm,
befindet sich das Restaurant sowie das
Bistro mit einer »Garden« und einer »Club
Laura Potthoff
congena GmbH
Christoph Kitterle
congena GmbH
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Laura Potthoff, Christoph Kitterle
»One Company – One Spirit«
congena Texte 2013
Lounge« im Ringhaus. Zudem bietet jede
Büroetage mindestens eine Espressobar als informellen Treffpunkt und für
die arbeitsplatznahe Verpflegung der
Mitarbeitenden.
Ein wichtiger Schritt im Planungsprozess
war die Ergänzung einer geschlossenen
Passerelle im 5. Obergeschoss sowie eines
Umlaufs, der alle sechs vertikalen Erschließungskerne verbindet. Dieses »Erschließungsgeschoss« sorgt dafür, dass die
ca. 1.200 Mitarbeitenden im Ringhaus zur
Mittagszeit das Restaurant im Turm erreichen können, ohne störenden Durchgangsverkehr in den Bürogeschossen zu
verursachen.
Medientechnik
Für Nutzungsflexibilität sorgt schließlich
die Technik. Das gesamte Haus ist mit
WLAN ausgestattet, so dass z.B. jede der
fünf Lounges oder das Restaurant außerhalb der Essenszeiten als alternative
Arbeitsumgebung genutzt werden können. Jeder Meetingraum ist mit einem
modernen Flatscreen ausgestattet. Dank
eines einfachen Plug-and-play-Konzepts
muss der Laptop am Tisch nur noch angesteckt werden. Die Wiedergabe funktioniert dann ohne weitere zusätzliche
Handgriffe.
Innenarchitektur & Gestaltung
Die Architektur des Gebäudes folgt einem klaren Schwarz-Weiß-Konzept.
Für die Arbeitswelten jedoch wurde
Cafeteria
Meeting
Farbkonzept 65° S
ein Konzept gewählt, das sich gestalterisch von der Strenge des Gebäudes löst
und dieser eine angenehme Arbeitsatmosphäre entgegensetzt.
Das Farbkonzept stellt sicher, dass jedes
der 17 Geschosse eine eigene Identität bekommt. Die Idee für das Innenarchitekturkonzept entstand bei der Frage nach der
Lage des neuen Hauptsitzes: »Auf welcher
geographischen Länge steht das Gebäude
eigentlich?« Der Blick auf die Weltkarte
zeigte den achten Ostmeridian. Hiermit
war der Grundstein für das Gestaltungskonzept gelegt.
Jeder Etage wurde ein Breitengrad mit
spezifischem Landschaftscharakter und
der daraus resultierenden Farbstimmung
zugeordnet. Alle Meetingräume und Think
Tanks wurden neben den entsprechend
farbigen Sitzmöbeln mit einem Sichtschutz aus halbtransparenter Glasdekorfolie ausgestattet. Dieser zeigt die Umrisse
Welcome Lounge
Espressobar
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congena Texte 2013
Fotos: Luksas Palik
Laura Potthoff, Christoph Kitterle
»One Company – One Spirit«
Touch Down
Farbkonzept 45° N
typischer Landschaften, wie sie in Breitengraden entlang des achten Ostmeridians
vorkommen, zum Beispiel Eisberge, tropische Küsten oder Wüstengebiete. Bewegt
man sich vertikal durch das Gebäude kann
man die verschiedenen Landschaften und
Breitengrade in den Etagen ablesen und
sich entsprechend orientieren.
gestattet. Jeder Mitarbeitende erhält einen
elektromotorisch höhenverstellbaren
Schreibtisch, einen Schrank mit persönlicher Ablage und eigenem abschließbaren
Fach sowie einen ergonomischen Bürodrehstuhl. Die Schreibtische werden durch
Akustik-Screens abgeschirmt. Ergänzend
stehen allen Abteilungen in den Mittelzonen Gruppenablagen mit Pflanzaufsätzen,
bequeme Lounge Module für Meetings
mit bis zu vier Personen, abgeschirmte
Touchdown Arbeitsplätze und die Infrastrukturelemente Document Center für
Drucker, Papierschredder, Büroutensilien
und eine Garderobe zur Verfügung.
Die Farbgestaltung der Arbeitsplätze ist
farblich neutral gehalten, um ein ruhiges, professionelles Arbeitsambiente zu
schaffen. Stimmungsvolle Akzente setzen
die farbigen Innenauszüge der persönlichen Schränke, Aufsatzregale sowie die
Stoffbezüge der Meetingstühle und Mittelzonenmodule. Jede Etage erhält durch
die eigene Akzentfarbe ein individuelles
Gesicht.
Umsetzung & Realisierung
Die Allianz Suisse hat großen Wert auf die
Einbeziehung aller Mitarbeitenden gelegt.
Botschaftergruppen waren stets aus erster Hand über die aktuellen Entscheidungen und Fortschritte informiert und durch
Diskussionen und Workshops eingebunden. Das große Richtfest im Juni 2012 bot
die erste Gelegenheit, gemeinsam mit
der Familie bei einer Bratwurst den neuen
Standort zu erkunden.
Möblierung
Fotos: Luksas Palik
Alle Arbeitsplätze im Gebäude werden
gleichwertig mit hoher Qualität aus-
Club Lounge
Alle Mitarbeitenden waren eingeladen, die
im Zuge der Mobiliarausschreibung eingerichtete, knapp 1.000 qm große Musterfläche im neuen Gebäude zu besuchen.
16 Standardarbeitsplätze mit höhenverstellbaren Schreibtischen und dem speziell
für die Allianz Suisse entwickelten Schrank
mit Apothekerauszug wurden von unterschiedlichen Herstellern im Layout des zu-
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Laura Potthoff, Christoph Kitterle
»One Company – One Spirit«
künftigen »Multispace Konzeptes« bemustert. Im Bereich der Mittelzone wurden voll
ausgestattete Think Tanks, Meetingräume
und alle geplanten Mittelzonen Module
zum Testen eingerichtet. Gleichzeitig war
es für die zukünftigen Nutzer die erste Gelegenheit, das neue »Multispace Konzept«
hautnah zu erleben.
Das Mobiliar wurde von knapp 900 Mitarbeitenden innerhalb von vier Wochen
genau unter die Lupe genommen, getestet und mit Hilfe von Fragebögen bewertet. Ergänzend wurden die Bürostühle
von Kollegen im alltäglichen Büroablauf
über einen Zeitraum von vier Wochen auf
Sitzkomfort und Flexibilität geprüft. Der
Siegerstuhl steht heute an jedem Arbeitsplatz und bietet allen Mitarbeitenden einen ergonomisch optimal einstellbaren
Bürodrehstuhl.
congena Texte 2013
verstellbare Bürotische und Bürostühle,
300 Meetingtische mit 898 Meetingstühlen, 1.700 Steh- und Deckenleuchten sowie 4.200 Sondermöbel und Schränke innerhalb von vier Wochen in das Gebäude
einzubringen und aufzubauen. Dies gelang mit viel Einsatz aller Beteiligten im
Projektteam und ermöglichte der Allianz
Suisse, termingerecht im Oktober 2013
mit der ersten Pilotgruppe einzuziehen.
Der Hauptumzug erfolgte schrittweise an
den darauf folgenden Wochenenden im
November. Das erste Feedback der Nutzer
ist durchweg positiv, die Mitarbeitenden
fühlen sich wohl und die neue Arbeitswelt
wird angenommen.
Der Bezug des neuen Gebäudes wurde
passend zu Weihnachten 2013 mit einer großen Party für alle Mitarbeitenden
der Allianz Suisse gefeiert, frei nach dem
Motto: »One Company – One Spirit!«
Zum Schluss wurde es noch einmal
spannend. Es galt, rund 1.900 höhenArchitektur
Wiel Arets Architects
Projektlaufzeit
Oktober 2010 – Dezember 2013
Fläche
42.000 qm
Kapazität
1.900 Arbeitsplätze
Bürokonzept
Multi Space
congena Leistungen Planungsanalyse und -optimierung, Bürokonzept, Innenarchitektur, Belegungsplanung,
Mobiliarplanung und -ausschreibung, Unterstützung Akzeptanzsicherung
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Sarah Spranz
congena Texte 2013
Was Büros l[i]ebenswert macht
Das Potenzial der Materialien
Das jüngste Yahoo Beispiel zeigt es: In der
Diskussion um Home Office und Präsenzpflicht ist das Büro als Anlaufstelle und Ort
des kreativen, gemeinsamen und produktiven Schaffens allen Trendbekundungen
zum Trotz noch nicht aus dem Rennen!
Die Herausforderung liegt in der Gestaltung: der Mitarbeiter wünscht sich das
Büro als attraktiven Arbeitsplatz und nicht
als Sinnbild für Nüchternheit, Tristesse und
grauen Arbeitsalltag.
erkennungswert zugrunde. Unternehmen
wollen sich abheben, anders sein, die eigene Identität unterstreichen und sie als
Arbeitgeber den Mitarbeitenden vermitteln. Nicht nur wirtschaftliche Faktoren,
sondern auch ein moderner und hochwertiger Arbeitsplatz locken potenzielle Mitarbeiter und unterstützen die Identifikation
mit einem Unternehmen.
Voraussetzung hierfür ist eine Unternehmenskultur mit Identifikationspotenzial,
die ein behagliches Arbeitsumfeld bietet und den Büroraum zum Lebensraum
macht!
Neben materiellen Leistungen spielen weiche Faktoren eine zentrale Rolle, wenn es
darum geht, sich an seinem Arbeitsplatz
wohlzufühlen.
Die Erfüllung der Anforderungen an Technik und Flexibilität sowie intellektuell und
emotional ansprechende Räume fördern
Motivation und Kreativität. Dennoch ist
der gängige Büro Look in der Regel nach
wie vor gläsern, grau und metallisch,
zweckmäßig und kühl-ästhetisch, aber
wenig mutig. Unternehmen möchten zeitlose Modernität ausstrahlen und gleichzeitig bleibende Werte vermitteln. Wohnliche
Wohlfühlelemente werden ins heimische
Umfeld verbannt.
Motivierende Arbeitsplatzqualität
Unternehmen wie Google & Co. machen
es seit langem vor, wie zukunftsorientiertes Arbeiten weltweit aussehen und
funktionieren kann. Im täglichen Umgang mit unseren Kunden stellen wir fest,
dass die Akzeptanz dieser modernen Arbeitswelten fortschreitet und die Bereitschaft zu grundlegenden Veränderungen
zunimmt. Es sind vermehrt Arbeitsumgebungen gefragt, die Emotionalität zulassen und Atmosphäre schaffen. Farben
und Materialien können als wesentliches
Gestaltungselement eingesetzt werden,
Ambiente schaffen und Räume mit Leben
füllen.
Einer ganzheitlichen Planung mit Farben,
innovativen Materialien und einer gezielten Formensprache liegt auch der Wunsch
nach einer repräsentativen Außenwirkung
und einer Selbstdarstellung mit Wieder-
Wohlfühlfaktor Material
Sympathie, Sicherheit, Geborgenheit, Anerkennung, Entspannung, ökologisches
Bewusstsein ... all das sind Begriffe, die
ein gutes und gesundes Arbeitsklima beschreiben und ein durchgängiges und präzise ausgearbeitetes Gestaltungskonzept
erfordern.
Die Faszination der Materialien kann in ihrer
Optik, Haptik oder ihrem kreativen, unkonventionellen Einsatz liegen.
Der bewusste Umgang mit Materialeigenschaften und die gelungene Kombination
unterschiedlicher Werkstoffe lässt spannende und begeisternde Räume entstehen, birgt nahezu unbegrenzte Gestaltungsfreiheit und stellt heute ein großes
Potenzial bei der Planung dar.
Benötigt werden neben optischem Komfort besonders multifunktionale Produkte,
wie schallschluckende Stoffe und raumgliedernde Elemente, die dem Mitarbeiter
trotz flexibler und verdichteter Arbeitsplätze Privatsphäre, Ungestörtheit und
Wertigkeit vermitteln.
Der Einsatz von Stoff vermittelt eine
freundliche, lebendige und kommunikative
Stimmung, Textilien steigern das Wohlgefühl, schaffen wohnliche Büroräume und
setzen Akzente.
Moderne Stoffe in Form von dichtem
oder transparentem Gewebe gliedern
und strukturieren Räume, haben eine
Sarah Spranz
congena GmbH
Sarah Spranz
Was Büros l[i]ebenswert macht
Trendmaterialien und
-farben, gesehen auf
der imm cologne 2013
schallvermindernde Wirkung, dienen
als Sichtschutz und gegebenenfalls der
Verdunkelung.
Textile Materialien werden als Bezüge,
Wandverkleidungen und Bodenbeläge
eingesetzt und verleihen Flächen und Möbeln Wärme und akustische Wirksamkeit.
Neben dem kreativen Einsatz von Farbe
und Material als optisch ansprechendem
Gestaltungsmerkmal und haptischem Erlebnis sind auch gesundheitsfördernde
Aspekte hinreichend bekannt.
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congena Texte 2013
diese Faktoren sorgen nachweislich für
Ausgleich und Harmonie.
In Zeiten des stetig steigenden Anspruchs,
wachsender Anforderungen und Schnelllebigkeit erhöht sich das Bedürfnis nach
einem Gegenpol, einem Ausgleich, nach
Beständigkeit und Sicherheit.
Eine gesunde Work-Life-Balance, individuell nutzbare Bürolandschaften sowie ökologische Aspekte gewinnen zunehmend
an Bedeutung.
Zonierung durch Materialien
Zusätzlich zu Barrierefreiheit und Ergonomie spielen Abwechslung und Vielfalt eine
übergeordnete Rolle.
Die Stimmung der Räume, die Ausstrahlung, Wirkung und der Geruch der Werkstoffe und Bauteile, die Haptik der Oberflächen, die Verwendung natürlicher
Materialen und organischer Formen, all
Projektbeispiel HVB
Zonierung durch
Materialien
Flexible Arbeitsformen fördern den Austausch der Mitarbeiter untereinander, unterschiedliche Arbeitsweisen und Bedürfnisse werden respektiert und gestärkt
und sorgen für Synergien und positive
Impulse. Unterschiedlich gestaltete Bereiche unterstützen die jeweiligen Arbeitsprozesse. Eine abgestimmte Farb- und
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Sarah Spranz
Was Büros l[i]ebenswert macht
congena Texte 2013
Materialwahl erzielt individuell erlebbare
Stimmungen.
Eine ruhige Formensprache und unaufdringliche Gestaltung der Arbeitsplätze
fördert die Konzentration und lässt den
Arbeitsplatz sauber, neuwertig und seriös
wirken. Eine dunkle Farbgebung im Zusammenspiel mit hellen Möbeloberflächen
mit mittlerem Reflexionsgrad dient der
Erholung der Augen, schützt vor Blendungen und hat positiven Einfluss auf die Arbeitsleistung der Mitarbeiter. Wenig optische Ablenkung unterstützt Denkprozesse
und die Fokussierung auf das Wesentliche,
die Arbeit.
Aufgeweckter darf es in den kommunikativen Bereichen zugehen. Hier herrscht
vermehrt entspannte Atmosphäre, der
Aufenthalt ist zeitlich begrenzt. Das Abtauchen in eine andere Umgebung entspannt und wirkt gleichzeitig anregend.
Teambesprechungen und Kundenkontakte
Gezielt eingesetzte Farbakzente in Konferenzbereichen, an informellen Treffpunkten oder Flächen für Teamarbeit zonieren
den Raum, dienen der Orientierung und
unterstreichen den hohen Stellenwert der
Kommunikation, welche die Basis eines jeden erfolgreichen Unternehmens ist.
Material als Trend
Wie jede Entwicklung unterliegt auch der
Befreiungsschlag des EQs [der Emotionalen Intelligenz] gegen den unmenschlichen Funktionalismus vergangener Zeiten
einem Trend. In der Möbelbranche gelten
Trends jedoch als langlebiger. Wandlungen und Neuerungen vollziehen sich deutlich langsamer als beispielsweise in der
Modeindustrie, wo saisonal neue Kollektionen entwickelt werden. Möbel werden
in recht langen Zyklen ausgetauscht, neue
Trends setzen sich langsam durch, haben
folglich aber eine wesentlich längere Lebensdauer. Zwar folgt jedem Trend bekanntlich ein Gegentrend, dennoch scheint
es in der heutigen Zeit kaum vorstellbar,
dass eine komplette Umkehrung weg von
den großen Themen nachwachsender
Rohstoffe, Wiederverwertung und Nachhaltigkeit überhaupt noch möglich ist.
Eine Entwicklung, die kontinuierlich weiter
vorangetrieben wird, ist der Einsatz modernster Techniken. High-Tech-Materialien
und technische Neuerungen nehmen ei-
Fotos: H.G. Esch
Fotos: congena
verlaufen besser, wenn sie in einer Umgebung stattfinden, die Emotionalität zulässt oder sogar betont.
Sarah Spranz
Was Büros l[i]ebenswert macht
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congena Texte 2013
nen immer größeren Stellenwert ein, auch
die [Um]nutzung, Zweckentfremdung und
Wiederaufbereitung recycelter Materialien
sind Teil der aktuellen Trendbewegung.
Produkte aus organischen Abfällen und
recycelbare Materialien sowie wachsendes Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein
spielen in der Möbelbranche eine ebenso
große Rolle, wie in allen anderen Bereichen
des täglichen Lebens. Der Trend geht auch
weiterhin zum mutigen aber bewussten
Umgang mit Farbe und Material.
wachsen, ermöglicht so eine ideale Nutzung als Raumteiler und schafft ein lebendiges Ambiente.
Wo es früher praktisch und nicht anheimelnd sein sollte, geht es heute experimenteller und innovativer zu. Wände, die
bei Temperaturschwankungen ihre Farbe
verändern, Stoffoberflächen, die beim Reiben angenehm duften: die Verknüpfung
verschiedener Sinneserlebnisse löst Überraschungsmomente aus, begeistert und
bleibt in Erinnerung.
Neben Hinweisen auf themenbezogene
Veranstaltungen werden hier auch Herstellungsverfahren, Preise und Produktdetails aufgeführt.
Um sich in der Vielfalt der gängigen und
außergewöhnlichen Materialien zurechtzufinden und auf dem neusten Stand zu
bleiben, bieten verschiedene Foren und
Plattformen [z.B. www.Raumprobe.de]
Vorschläge, Neuheiten und Inspirationen
zum Stöbern sowie Hilfestellungen bei der
Materialfindung.
Jährlich stattfindende Design- und Möbelmessen präsentieren die Highlights und
Entwicklungen und zeigen interessante
Einblicke in die Welt der Materialien, Farben und Formen.
Trendfarben und -materialien
Die Trendfarben auf der imm cologne
2013 sind neben Blau- und Gelbtönen besonders intensive Naturtöne, die in ihrer
Farbigkeit an Gewürze wie Safran, Curry
oder Senf erinnern. Aber auch sanfte und
ruhige Pastellfarben in verschiedenen
Nuancen und Abstufungen sind weiterhin
sehr beliebt.
Holz taucht besonders in unbehandelten
Oberflächen und hervorgehobenen Maserungen auf, Kupfer und metallische Töne
ersetzen Weißaluminium an Tischbeinen,
Leuchten und Beschlägen, Wollfilze und
Linoleum halten Einzug im Büroumfeld.
Der Einsatz von Pflanzen erreicht mit soge­
nannten »Grünen Wänden« neue Dimensionen. Diese Art der Innenraumbegrünung lässt Pflanzen auf vertikalen Böden
Durch die Gestaltung der Arbeitsplätze
lässt sich eine Botschaft transportieren,
die ein Unternehmen repräsentiert, Allein­
stellungsmerkmale schafft und die Attraktivität für Arbeitnehmer und Kunden steigert. Natürlich kann aufwändiges
­Design vorhandene Mängel in Teamqualität und Unternehmensstruktur nicht
­kaschieren, die Außendarstellung muss
mit den »inneren Werten«, dem eigenen
Anspruch und der gelebten Unternehmenskultur übereinstimmen. Fest steht
aber, dass ein durchgängiges und ansprechendes Gestaltungskonzept weiche Faktoren wie Kommunikation, Arbeitsklima
und Identifikation mit dem Arbeitgeber
positiv beeinflusst und »Wohlfühlatmosphäre« schafft. Und die Investition zahlt
sich aus: Schließlich sind zufriedene Mitarbeiter die beste Werbung für ein Unternehmen!
11
Professor Axel Venn
congena Texte 2013
Plädoyer für den gesunden Büroalltag
Die Eigenschaftsmerkmale des Lebensraums Büro
Nach Erstellung der »Werteskala für den
Alltag« und der Sonntagswerte-Skala
habe ich anschließend in meinem Forschungskasten der »semantischen und
semiotischen Profile« nachgesehen, wie
wohl mein persönliches, sonntägliches
Arbeitsumfeld, im Gegensatz zu dem weniger geliebten Alltagsumfeld, aussehen
mag. Die Farbskizzen auf den nachstehenden Seiten stammen von 49 Probanden,
denen ich Begriffe, Papier und Farbkasten
zusandte und gebeten hatte, ihren Assoziationen und Gefühlen bei der Interpretation vollen Lauf zu lassen und loszumalen. Die Ergebnisse entstanden also
gänzlich unmoderiert, unbeobachtet und
unbeeinflusst.
Nennen wir ihn schlicht »Wertekatalog
für den Alltag«. Wenn man sich die Matrix betrachtet, kommt man nach gewissenhafter Durchsicht zu der Überzeugung, dass sie recht realitätsnah,
anständig und von Sachverstand gekennzeichnet zu sein scheint und einen ziemlich bedeutenden Akzeptanzwert besitzen muss. Ich habe den Katalog aufgrund
einer Vorgabe der congena Texte »Zwischen Ordnung und Chaos« S. 28, Ausgabe 2011, manipulativ fortentwickelt.
Dabei habe ich mir die Frage gestellt:
»Welche der fünfundzwanzig Eigenschaften oder Wertmerkmale, die ich als meine
persönliche, hier gefakte, best-of Liste einem Bewerbungsschreiben beifüge, sind
es, die mich am ehesten zum Büroleiter
befähigen mit einer inkludierten Aufstiegschance zum Prokuristen?«
Nachdem die Werteliste A fertiggestellt
war, kümmerte ich mich um die Liste B,
der ich meine authentischen Top-Werte
anvertraute. Sie sieht dann so aus, wie auf
Seite 13 oben dargestellt.
Nach einigen Gesprächen mit Freunden
und Bekannten stellte ich fest, dass ich
zwischen zwei Stühlen sitze. Dabei habe
ich diese Matrizen einzig aus dem Grunde
erstellt, um mir Klarheit darüber zu verschaffen, welche Fähigkeiten, Temperamente, Kulturen, Vorlieben, Wünsche und
Erfahrungen im Lebensumfeld Büro aufeinandertreffen können.
Wertekatalog
congena Texte 2011
Ich habe die Resultate eingesammelt, interpretiert und eine RAL Codierung vergeben, um einen bleibenden Farbwert der
Forschungsergebnisse zu gewährleisten.
Die Resultate liegen gesammelt in drei
Werken vor: »Das Farbwörterbuch«,
»Farben der Gesundheit«, »Farben der Hotels« [Mai 2013], alle bei Callwey erschienen. Insgesamt enthalten alle drei Werke
rund 600 verschiedene in Farbskalen übersetzte Adjektive.
Übrigens haben an den Farbrecherchen
stets rund 65% Personen weiblichen Geschlechts mitgearbeitet, da im Gegensatz
zu ihnen immerhin 8,0% aller männlichen
Wesen Farbsehdefizite aufweisen, während dies bei Frauen nur 0,4% sind.
Abenteuer
Beruflicher
Erfolg
Ehrlichkeit
Finanzielle
Freiheit
Fleiß
Freundschaft
Geborgenheit
Gerechtigkeit
Gesundheit
Gewinner sein
Glückliche
Familie
Großzügigkeit
Güte
Harmonische
Partnerschaft
Kooperation statt
Konkurrenz
Künstlerischer
Ausdruck
Liebe
Macht
Mut
Offen sein für
Neues
Persönliche
Freiheit
Politisches
Interesse
Respekt
Sicherheit
Soziales
Engagement
Spirituelle
Entwicklung
Toleranz
Treue
Vertrauen
Zuverlässigkeit
Professor Axel Venn
Berlin
Professor Axel Venn
Plädoyer für den gesunden Büroalltag
12
congena Texte 2013
Farbmatrizen
für den Alltag
Farbmatrizen
für den Sonntag
»Alles im Grünen Bereich!« Grün
ist der Hauptton, die Garantie für
sicheren Betrieb. Grün gewährt
das umfassende O.K. für alle
technisch relevanten Belange.
Neben Blau und Schwarz wird
das Effektive erstaunlicherweise
sehr rein, pastellig und heiter
definiert.
So beweist man Kraft: Viel Karminrot, ein paar Prisen Schwarz,
Blau, Gelb und grün, fertig ist die
Gewürzmischung.
sicher
effektiv
kraftvoll
kreativ
elegant
leidenschaftlich
So schön ist Kreativität: nämlich
der krasse Gegenpol zur Lethargie.
Kreativität ist immer in Bewegung
und stets vibrierend lebendig.
Womöglich erinnerten sich die
Probanden an das ewige »kleine
Schwarze«, als sie sich farblich
äußerten. 35 Prozent immerhin
erkoren Schwarz zur Farbe der
Eleganz.
Schön, wild und leidenschaftlich
sind die Rothaarigen, so sagt man.
Furchterregend die Krieger, legendär die rotköpfigen Choleriker.
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Professor Axel Venn
Plädoyer für den gesunden Büroalltag
congena Texte 2013
Kompetenz
Kraft
Ortung
Gewinner
Funktionen
Sauberkeit
Pünktlichkeit
Sicherheit
Zuverlässigkeit
Präzision
Tüchtigkeit
Berechenbarkeit
Konzepte
Respekt
Effektivität
System
Meeting
Differenzierung
Einkommen
Ordnung
Organisation
Training
Nutzen
Planung
Solidität
Gründlichkeit
Methodik
Identifikation
Individualität
Bewusstsein
Wir werden im Verlauf der Auseinandersetzung erkennen, dass jeder Begriff ein
heuristisches Modell – auch für den Arbeitsplatz Büro – darstellen kann. [Heuristik ist die Lehre von der Gewinnung neuer
Erkenntnisse.] Um neue Eigenschaften
und Optionen für das Büro der Zukunft zu
entwickeln, dafür nutze man am besten
Erfindungskunst, Widerspruchsgeist, ein
chaotisches Bewusstsein und suche verschollene Erfahrungswerte.
Sprache und ihr narrativer Gehalt helfen
uns weiter, zu neuen Erkenntnissen zu
kommen. Deutlicher noch und ergiebiger
als der sprachdefinierte Begriff, stellt sich
das farbsemantische und semiotische Pro-
Liste A
Wertekatalog
für den Alltag
fil eines Wortes dar. Wie die dargestellten
Mal-Matrizen zeigen, verbergen sich unter
der »Metasprache Farbe und Zeichen« eindeutigere, präzisere und obendrein vorzeigbarere Informationen, als dies das
gesprochene Wort alleine auzudrücken
vermag. Gestik, Mimik, Körperhaltung
und Dynamik und weitere Neben-Ausdrucks- und Kommunikationsformen sind
da noch weniger informativ.
Die meisten Büros sind in der Realität
Horte des Schreckens, der Überfüllung,
der Unordnung, der Verwahrlosung und
Nachlässigkeit und eines latenten, vorhersehbaren Vandalismus. Die dort arbeitenden Menschen nehmen die täglich
Spaß
Traum
Sympathie
Spontaneität
Kreativität
Emotionalität
Intelligenz
Schnelligkeit
Empathie
Kennerschaft
Zukunft
Trend
Kollektivität
Integrität
Komfort
Familie
Befreundung
Sehnsucht
Neugierde
Wissen
Geschmack
Leidenschaft
Vertrauen
Philanthropie
Eleganz
Lebenswerk
Ideenreichtum
Kultur
Intuition
Manieren
Liste B
Wertekatalog
für den Sonntag
14
Professor Axel Venn
Plädoyer für den gesunden Büroalltag
congena Texte 2013
Die Motivationen der absichtlich-unabsichtlichen Entweihung des Autos, der Küche,
des Hausstands, des Büros ist ursächlich in
einer nie stattgefundenen Verbrüderung,
zumindest Akzeptanz von Mensch zu Produkt und Umgebung zu suchen. Die Sehnsucht nach dem genetisch-willkommenen
Ebenbild von Mensch zu Ding oder »Design« fand also niemals statt.
vorgeführten Horror-Bilder ihrer Arbeits­
umgebung kaum mehr wahr. Der Überlebenswille zwingt sie dazu, ihre verletzten Sympathien und Gefühle hinter einer
Schmerzhaltung masochistisch anmutender Realitäts-Verweigerung mit Bambus,
Kakteen, Palmen-Grünzeug zu verbergen.
Weitere Unzier zeigen halb private Verwandten-Fotos und Niedlichkeitsbilder aus
Afrika oder der angrenzenden Kita.
Ich nenne das eine Ikeasierung [völlige
Entindividualisierung] der Produktcharaktere. Da helfen auch keine Produktnamen
und keine lauen Sprüche: Aus Billy wird
kein Adonis oder Dorian Gray und aus Trixi
keine Isabella oder Kleopatra. Wenn ein
Produkt nachlässig konstruiert, designed
Aus eigenen Untersuchungen weiß ich,
dass Missachtungen und Destruktionen
der Umgebungssubstanz bereits zwei
Jahre nach Neuanschaffungen oder Renovierungen beginnen.
DIE EIGENSCHAFTSMERKMALE DES LEBENSRAUMES BÜRO
ÄSTHETIK
GESTALTUNG
Schönheit + Design
schön
ordentlich
hübsch
balanciert
kontrolliert
innovativ
funktionell
aktuell
schlicht
gepflegt
preiswürdig
frisch
sachlich
VITAL
FUNKTION
Der Nutzen
im Vordergrund
funktionell
solide
sachlich
analytisch
ergonomisch
freundlich
echt
Der Mensch
im Mittelpunkt
bequem
sozial
begleitend
liebevoll
menschlich
schwesterlich
helfend
HUMAN
FUNKTION
schonend
beruhigend
wohlfühlend
zugewandt
anspruchsvoll
körperlich
konkret
deutlich
materialgerecht
sportiv
gesund
kennerschaftlich
prägnant
nützlich
heiter
gefühlig
sympathisch
rational
perfekt
ökologisch
aufregend
wohltuend
dynamisch
logisch
stark
verständlich
dynamisch
natürlich
praktisch
langlebig
sicher
nachhaltig
lebendig
konkret
stimulierend
kreativ
designed
auffallend
angenehm
einfach
haltbar
kostbar
anregend
sanft
befreundend
philanthropisch
altruistisch
menschenfreundlich
pflegend
ETHIK +
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Empathie +
Soziabilität
-
PROF. AXEL VENN . STUBENRAUCHSTR: 10 . D 12161 BERLIN . TEL. 030-81096955. FAX
030-81096956
Die Eigenschaftsmerkmale des Lebensraums Büro: Die Cloud-Grafik demonstriert das Zukunftsbüro.
Sein philosophischer Standort ist durch die Merkmale von Effektivität, Empfindungs- und GefühlsSynthese und Sachorientierung bestimmt. Die Komplexität des Erscheinungsbildes wird durch Ausgleich und Komplementarität seiner Eigenschaften gekennzeichnet.
15
congena Texte 2013
Fotos: Axel Venn
Professor Axel Venn
Plädoyer für den gesunden Büroalltag
ist und installiert wird, bleibt die Freude
kurz und getrübt. Die Entzauberung
beginnt beim ersten Quietschen und
Gewackel.
Funktionalität bleibt das Fundament der
Interpretation von Design. Alle anderen
Attribute vermitteln die wesentlicheren
Werte, so u.a. Nobilitierungs-, Anspruchsund Sympathie-Generierung.
Wenn schon Büros wie Büros aussehen,
ist einiges schief gelaufen. Das beste Büro
ist eine Mixtur aus Spielzimmer, Wohnzimmer und Hotellobby. Büros von der Stange
sind ähnlich unangenehm wie Ortsbesichtigungen im Finanzamt, Bahnfahrten im
Winter mit der DB oder das Übernachten
in puristischen Designer-Hotels mit Badewanne im Zentrum des Raumes.
Immer wieder wundere ich mich, dass es
noch weiße Büros gibt. Sie sind genauso
menschenfreundlich wie schwarze Wände
im Kinder- oder Arbeitszimmer, genauso
unmöglich wie blutrote Wände im Operationssaal oder Resonanzböden im Großraumbüro. – Jedes Büro benötigt eigendefinierte Kolorits. Eine Mindest­erwartung
lautet: Jeder Raum braucht eine »anregende« Sehachse und eine »beruhigende«. Eine rhythmische bzw. zyklische
Form von Gestaltung, die nicht monothematisch orientiert ist, sondern den Menschen und seine wechselnden Stimmungen unterstützt, seinem Eingesperrtsein
Abwechslung verschafft und ihn als emotionales Wesen und nicht als Homunkulus
begreift.
Eines brauchen wir nicht im Büroalltag
oder -sonntag: technologisches Wettrüsten. Ich zitiere einen wunderbaren Bericht aus dem Spiegel 38 | 2011. Da erwähnt Frank Thadeusz Jonathan Olivares
Buch »A Taxonomy of Office Chairs«. Die
Quintessenz lautet: »Der beste Bürostuhl
ist der, auf dem man nicht sitzen muss«,
sagt der Ergonomie-Experte ... Malte Lenkeit. Unter anderem heißt es weiter: »Die
mutmaßlich kühnste Idee findet derzeit
in den USA und in Südkorea Zulauf: Eine
wachsende Zahl von Angestellten verbringt ihre Arbeitstage mittlerweile auf
einem Laufband, das unter eine Arbeitsplatte geschraubt ist. Beim gemächlichen
Tempo von etwa 1,1 Kilometern pro
Stunde traben die fitten Bürohengste
telefonierend und tippend dem Feierabend entgegen.«
Läuten wir den gesunden Büroalltag ein.
Nehmen wir uns wichtiger als die sparsamen Käfighalter-Oberschlauen.
Bürobereich
Landau Media AG
Berlin
16
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congena Texte 2013
Grün ist die Hoffnung, rot die Liebe …
Wir alle kennen die üblichen Farbzuordnungen, doch kann ein Begriff tatsächlich
über eine einzige Farbe zum Ausdruck
gebracht werden? Dieses Werk gibt den
bekannten Regeln der Farbenlehre eine
neue Dimension. Mehr als 60 Probanden
haben für diesen Zweck zu 360 Adjektiven
Stimmungsbilder angefertigt, die vom Autor anschließend dem RAL DESIGN System
zugeordnet wurden.
Die Spannweite der Adjektive reicht von
komfortabel bis ungemütlich, von paradiesisch bis nützlich, von edel bis wertlos oder
von trendy bis archaisch. Jede so entstandene Farbskala zeigt, inwiefern Farben als
Instrument des Ausdrucks oder der Sprache gelten können und belegt, dass nicht
eine Farbe allein einen Begriff beschreiben
kann, sondern erst die richtige Komposition der Farben den gewünschten Effekt
erzielt. Ein Buch, das einen einzigartigen,
spannenden Überblick auf die faszinierende Welt der Farben bietet.
Das Farbwörterbuch
Die Farbigkeit der Begriffe.
Das Lexikon für Designer und Gestalter
Axel Venn | Janina Venn-Rosky
Erscheinungsdatum: 21.03.2010
Seitenzahl: 864
ISBN-Nummer: 978-3-7667-1825-9
Preis: 139,00 € Inkl. 7% MwSt.
Dass Farben einen Einfluss auf unsere
Gemütsverfassung haben, ist bereits seit
Langem bekannt. Dieses Wissen ist vor
allem für die Bauten des Gesundheitswesens – wie Arztpraxen, Krankenhäuser
oder Reha-Kliniken – wichtig, da die dort
eingesetzten Farben das Wohl der Patienten entscheidend beeinflussen.
Farben der Gesundheit
Colours of Health & Care
Das Planungshandbuch für Gestalter im
Gesundheitswesen
Zweisprachig: Deutsch | Englisch
Axel Venn | Herbert Schmitmeier |
Janina Venn-Rosky
Erscheinungsdatum:05.12.2011
Seitenzahl: 384
ISBN-Nummer: 978-3-7667-1850-1
Preis: 69,00 € Inkl. 7% MwSt.
Dieses Callwey Buch basiert auf einer
analytisch-wissenschaftlichen Arbeit, die
sich den Farben der Gesundheit widmet.
120 thematisch relevante Adjektive wurden von Probanden farblich dargestellt
und anschließend dem RAL DESIGN System zugeordnet. Ausgewählte Praxisbeispiele veranschaulichen die jeweilige Farbwirkung in der Anwendung. Dieses Buch
dient als wichtiges Planungsinstrument für
alle Gestalter im Gesundheitswesen.
17
Ralf Kirberg
congena Texte 2013
Kunst – Element der Unternehmenskultur?
Kreativität wagen
»Was bleibt von der Kunst? Wir als Veränderte bleiben.« Robert Musil
Die nachfolgenden Überlegungen basieren auf Erfahrungen aus der Praxis der Unternehmensführung. Die dargelegten Ansichten und Einsichten wurden vor vielen
Jahren formuliert. Im Unternehmensalltag
mit den dort tätigen Menschen geübt und
diskutiert, haben sie ihre Wirkung erprobt.
Sie werden fortgelebt auch in der nächsten Generation des erfolgreichen und auf
die Kreativität seiner Mitarbeiter angewiesenen Dienstleistungsunternehmens.
von Mitarbeitern leben Menschen, denen
Kunst etwas bedeutet. Deren Leidenschaft
auch im Unternehmen Raum geben, heißt
einen Prozess der geistigen Auseinandersetzung in Gang zu bringen.
Und es ist kein Privileg der Frauen, sich mit
solchem Schnickschnack zu befassen, wie
man so häufig aus dem Munde des vermeintlich starken Geschlechts hören kann.
Ein Beispiel aus der Praxis
Der Autor behandelt das Thema folglich
nicht aus der Sicht des Fachmanns der
Kunstwissenschaft, sondern als ehemaliger Manager, der für den Unternehmenserfolg Verantwortung getragen hat.
In jüngerer Zeit werden zunehmend die
Wechselwirkungen zwischen Kunst und
Wissenschaft untersucht. Sie sind inzwischen Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Dies ist für die Wirtschaft noch
kaum zu beobachten, doch nach Ansicht
des Autors wünschenswert.
Unbestreitbar hat die Anwesenheit von
Werken der Bildenden Kunst in der Welt
geschäftlicher Aktivität eine willkommene
und bei richtiger Vorgehensweise fördernde Wirkung auf die Unternehmenskultur,
Image desselben und damit die Corporate Identity. Diese Wirkungen richten sich
nach gängigen Vorstellungen der obersten
Führung meist nach außen. Doch sollten
sie nicht im Vordergrund der Motivation
stehen, denn sie sind sozusagen Kollateral-Nutzen einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Kunst im Unternehmen.
Was ist darunter zu verstehen? Gemeint
ist eine bewusste Konfrontation mit zeitgenössischer Kunst. Konfrontation hier
verstanden als Prozess der geistigen Auseinandersetzung von Gleichen unter Gleichen, kein Diktat von oben. Von oben
allerdings – das heißt aus der obersten
Führung – kommen Signale der Akzeptanz und Anerkennung der Bedeutung
von Kunst in unserem gesellschaftlichen
Zusammenleben. In jeder Gemeinschaft
Errichtung und Gestaltung der Niederlassung
[ca. 50 bis 60 Arbeitsplätze] eines Dienstleistungsbetriebes. In der Planungsphase
Bildung einer Jury aus kunstinteressierten
Mitarbeitern – Sachbearbeiter und mittlere Führung – Architekt und Kunstberater.
Erarbeitung eines Kunstkonzeptes und daraus einer Ausschreibung zur Auswahl der
verschiedenen Künstler. Kommunikation
hierüber mit allen Mitarbeitern. Erstellung
und Installation der Kunstwerke, Präsentation und Prozess der Auseinandersetzung.
Aneignung und Besitzergreifung.
Wozu das Ganze? Nun, der zeitgenössische Künstler lebt uns sichtbar vor, dass
er in der kreativen Realisierung seiner sich
selbst gesetzten Aufgabe, der Schaffung
seines Werkes, unkonventionell vorgeht.
Er überrascht, er überschreitet Grenzen, ja
er bricht Regeln.
Mit diesem Beispiel ermuntert er zum Verlassen ausgetretener Pfade. Er lebt uns
den Paradigmenwechsel vor, der zur Findung neuer Lösungsansätze unerlässlich
erscheint.
Der Künstler nimmt die Gegebenheiten,
die Realität sensibler wahr als wir anderen
Menschen und fühlt sich weniger gebunden an das was ist, was vermeintlich gültig
ist. Er ist freier in seinen Äußerungen und
seiner Kritik.
So gesehen kann er Vorbild sein für den
Menschen in seiner »nicht selbständigen
Tätigkeit« im Rahmen von Organisation
Ralf Kirberg
Sculpture network
18
congena Texte 2013
Fotos: Rainer Jacob
Ralf Kirberg Kunst – Element der Unternehmenskultur?
Rainer Jacob
»Landschaft mit
Eisheizung«
und Weisungsgebundenheit. Die Produktion von nicht stofflichen Gütern, also
Dienstleistungen im engeren wie weiteren Sinne unterliegt in der modernen
Geschäftswelt einer Fülle von Regeln und
Normen, die inzwischen eine lähmende
Wirkung erzeugen.
Sogenannte Fachleute zeichnen sich gerne
dadurch aus, dass sie genau und vor dem
ersten Handstreich wissen, warum etwas
nicht geht. Ihnen fehlt meist die Phantasie, wie etwas gehen könnte; vom Mut
zur Umsetzung gar nicht zu reden. Hier
soll nicht zur Anarchie aufgefordert werden, sondern zur Freiheit der Idee. Natürlich bedarf die Idee tiefer Durchdringung
und des Ringens um ihre Umsetzbarkeit –
selbstverständlich im Rahmen zwingender
Vorschriften.
Der Künstler ist nicht frei, wenn es um
Grenzen geht, z.B. von Material. Doch
wird er nichts Neues schaffen ohne den
Mut zum Grenzgang.
An diesem Punkt stellt sich die Frage des
Nutzens seines Tuns. Nun, solcher liegt
vor allem in der Auseinandersetzung des
Betrachters mit dem Kunstwerk. Getreu
dem vorangestellten Zitat von Musil ist die
Auseinandersetzung mit Kunst geeignet,
unser Denken zu verändern, es auch mal
»quer« zuzulassen.
Finales Denken ist ja recht lobenswert,
doch vergisst es zuweilen, den Blick aufs
scheinbar Unwesentliche zu richten. Die
Geschichte der Erfindungen des mensch­
lichen Geistes liefert beredte Beispiele.
So gesehen wird das Ergebnis ein reich­
haltigeres Schaffen und »Produzieren«
von Unternehmensleistungen sein.
Kunst ist sicherlich kein zentrales Element der Unternehmenskultur, doch
sollte es ein wichtiges Instrument sein
im hoffentlich ausgewogen sortierten
Instrumentenkasten.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis wird die
Kultur des Miteinanders im Unternehmen
sowie der gegenseitigen Wertschätzung
sein – über Hierarchiegrenzen hinweg.
Muss es nicht grotesk erscheinen, dass die
regelmäßig stattfindenden Erhebungen
zur Mitarbeiterzufriedenheit ein beschämend schwaches Bild davon belegen? Ist
es nicht lohnenswert, neben der materiellen, steten Qualitätsverbesserung der
stofflichen Produktionsprozesse, den Menschen in ihrer beruflichen Welt Raum zu
mehr Selbstverwirklichung zu geben? Die
Gewinn- und Verlustrechnung wird es zeigen, verehrte Betriebswirtschaftler!
Schließlich sei noch auf einen weiteren
Kollateral-Nutzen hingewiesen. Dienstleistungen ähneln sich ab einer bestimmten
Qualitätsstufe auf nahezu fatale Weise.
Das erschwert die Durchsetzung im Wettbewerb. Wo bleibt die Unterscheidbarkeit,
die Entscheidungsfindung für das eine
oder andere Unternehmen? Sie liegt in der
Ausstrahlungskraft der Menschen und der
Atmosphäre, die die Arbeitswelt vermittelt.
Rainer Jacob
»Eisobjekt«
Ralf Kirberg Kunst – Element der Unternehmenskultur?
19
congena Texte 2013
Anmerkung von Bildhauer Rainer Jakob zum Text von Ralf Kirberg
»Kunst – Element der Unternehmenskultur?«
In der Wirtschaft geht man in der Regel z.B. bei einer Produktentwicklung von der Stufe
aus, auf der man sich gerade befindet [»der Stand der Technik«]. Diese Stufe ist genau
definiert und eingegrenzt, man ist schon aus Kostengründen kaum bereit, Stufen zurückzugehen, geschweige denn, die Treppe zu wechseln.
Künstler überspringen Stufen, gehen zurück zum Anfang bzw. laufen auf zwei Treppen
gleichzeitig bzw. versuchen, ohne eine Treppe den Gipfel zu stürmen.
So ging ich bei der Idee des Rippenheizkörpers aus Eis nicht vom Eisblock, sondern der
Vorstufe Wasser aus. Ich ging eine Stufe zurück.
Beides soll der Kunde empfinden und dann
entscheiden: mit denen will ich arbeiten!
Sind die Einsichten und Wünsche so weit
gediehen, dass der hier ausgebreitete
Denkansatz überzeugt, so stellt sich die
Frage nach der Umsetzung. Geduld und
Phantasie sind gefragt. Die positiven Kräfte unter den Mitarbeitern werden ihren
Beitrag leisten, wenn man sie fordert und
lässt. Eine pädagogisch besonders begabte Kunstpädagogin kann hier Wunder wirken. Ihr Schwerpunkt sollte nicht in der
Kunstwissenschaft liegen, sondern der
praktischen Erfahrung aus Museums- und
Ausstellungsführungen. Das kann der Anfang eines langen und schönen Entwicklungsprozesses sein.
20
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congena Texte 2013
Stand up for Sculpture
Ralf Kirberg ist Vorsitzender von sculpture
network e.V. Die 2004 von ihm zusammen mit dem Bildhauer Hartmut Stielow
gegründete non-profit Organisation hat
es sich zur Aufgabe gemacht, dreidimensionale Kunst in Europa zu fördern. Sie
bietet eine Plattform, die Künstler, Kunstvermittler, Museen, Galerien, Dienstleister,
Sammler und Kunstfreunde miteinander
vernetzt. »Die meisten Bildhauer und
Ausstellungshäuser haben ein lebendiges
lokales Netzwerk, ihr Radius ist aber begrenzt. Internationale Kontakte eröffnen
neue Chancen. Wer das Potenzial erkennt,
kann unser Netzwerk als Trittbrett nutzen,
um europaweit Aufmerksamkeit und Bekanntheit zu erlangen. Die vielen Erfolgsstories bestärken uns in unserem Ansatz«,
sagt Ralf Kirberg.
Inzwischen zählt die Organisation stolze
1.000 Mitglieder, die den Aufruf »stand
up for sculpture« in 43 Ländern in die Tat
umsetzen. Ob sie, wie kürzlich in Berlin,
eine Gruppenausstellung auf die Beine
stellen, an einem Symposium teilnehmen,
eine Kunstreise unternehmen oder beim
alljährlichen New Year´s Brunch ins Gespräch kommen – Ziel ist die persönliche
Begegnung und der professionelle Austausch von Menschen, die ein starkes berufliches oder privates Interesse für Skulptur verbindet, unkompliziert, direkt und
interdisziplinär.
Vom Netzwerk profitieren
Darüber hinaus bietet sculpture network
ein umfassendes Informationsangebot
zum Thema dreidimensionale Kunst. Auf
der Website www.sculpture-network.
org findet man einen Terminkalender
mit wichtigen Skulpturen-Ausstellungen
und Messen in ganz Europa, kann Ausschreibungen für Skulpturenwettbewerbe oder kuratorische Projekte recherchieren, Künstlerportfolios einsehen oder
in der Linksammlung nach spannenden
Skulpturenparks und Kunstmuseen in
Foto: Ronald van Wieren
Über sculpture network
Europa recherchieren. Der monatlich in drei
Sprachen erscheinende Newsletter berichtet über die wichtigsten Neuigkeiten der
Bildhauerszene, weist auf interessante Ausstellungen hin und wird ergänzt durch
Literaturempfehlungen und Reisetipps zu
sehenswerten Skulpturenorten in Europa.
International punkten
Die interdisziplinäre und internationale
Ausrichtung war es, die die Europäische
Kommission von sculpture network überzeugte. Im Rahmen der Studie »Culturemap« wählte die Kommission Webseiten
aus, die sich in Europa für den grenzübergreifenden Dialog und Austausch einsetzen, darunter die von sculpture network.
Einen solchen Dialog suchte und fand
auch Marco Flierl, als er mit seiner Kunstgießerei einen Betriebsausflug nach Madrid unternahm. Dort besuchte er mit seinem Team die Kollegen der Gießerei Capa
Escultura – ohne sculpture network wäre
er wohl in Berlin geblieben.
Kontakt:
sculpture network
Fäustlestraße 3
80339 München
Tel.: +49 (0)89 5168 9792
[email protected]
www.sculpture-network.org
Bildhauer im Gespräch
mit Sammler beim XII.
Internationalen Forum
2013 in Den Haag
21
Daniel Neves Pimenta
congena Texte 2013
LED als Chance
Die [sanfte] Revolution im Leuchtenmarkt
LED-Beleuchtung ist heute in aller Munde
und wird gerne als revolutionäre Technologie bezeichnet. Mit ein wenig Abstand
könnte man aber auch von einer sanften
Evolution sprechen, welche die träge Beleuchtungsindustrie aus einem tiefen
Schlaf weckt. Für den Nutzer hingegen
ist der Einsatz von LED-Leuchten im Vergleich zu der bereits seit Jahrzehnten im
Einsatz befindlichen Leuchtstoff- und Entladungslampen-Technologie nur ein kleiner Schritt.
Aber halten wir uns die Geschehnisse der
vergangenen Jahrhundertwende bezüglich der Entwicklung der Beleuchtung vor
Augen: Waren etwa um 1890 noch Gaslampen und die dazu gehörenden teuren Kupferrohre »en vogue«, sind diese
schnell durch günstigere Stromleitungen
und effizientere Glühbirnen in der uns bis
heute bekannten Form ersetzt worden.
Dass noch immer tausende Gaslampen
im öffentlichen Bereich ihren Dienst leisten, hat neben Denkmalschutzgründen
sicherlich auch mit dem kontinuierlichen
Lichtspektrum zu tun. Doch die Gestaltung der damals neuartigen elektrischen
Beleuchtung orientierte sich klar an den
bekannten Gaslampen – vermutlich, um
die Akzeptanz der neuen und unbekannten Technologie zu erhöhen. Aber auch
die elektrischen Leuchtmittel profitieren
von den gut belüfteten Bauformen der
ehemals für Gas entwickelten Leuchtkörper, weil sie ihre Wärme ebenfalls in Form
von Strahlung abgeben können und somit
ihrer Funktion und Lebensdauer gerecht
werden. In ähnlicher Form entwickelte
sich damals die Kutsche zur motorisierten Variante, dem ersten Automobil. Die
heutige Form der Fahrzeuge hat jedoch
mit denen der Pferdekutschen bekanntlich nichts mehr zu tun, und somit hat die
technische Revolution über viele Jahre zu
einer formalen Evolution geführt.
Hundert Jahre später scheint sich dieser
Prozess nun zu wiederholen: Viele Stromfahrzeuge unterscheiden sich [noch] nicht
vom bekannten Blechkleid der mit Verbrennungsmotor angetriebenen Automobile. Und auch in der Beleuchtung bahnt
sich eine neue Technologie ihren Weg in
die Häuser der Nutzer – und wird doch
in einer bekannten Erscheinung getarnt.
Ganz als wollte man die Erinnerung an
die guten alten Zeiten der Gaslaterne und
der Glühbirne noch nicht aufgeben. Es
mangelt bei vielen Leuchtenherstellern
am Mut zum gestalterischen Bekenntnis
zur LED.
Dass diese sozusagen traditionelle Herangehensweise der LED-Technologie widerstrebt, sie in ihrem Potenzial gar schädigt
und beschneidet, das will die Industrie nur
zögerlich akzeptieren. Zu sehr haben sich
die Unternehmen und Konzerne an die
Regeln und eigens manifestierten Richtlinien gewöhnt. Aufwändige Entwicklungen und Fertigungstechnologien, aber
auch sehr gute Margen, haben sie in eine
zu komfortable Situation gebracht. Sich
mit einer neuen Technologie formal und
lichttechnisch auseinanderzusetzen, inklusive aller notwendigen Änderungen von
der Entwicklung bis zur industriell perfektionierten und ausgereiften Fertigung, bedeutet einen massiven Wandel in Struktur
und Belegschaft sowie eine hohe Investition in die Forschung. Das Know-how um
die innovativen, Licht emittierenden Halbleiter haben sich bereits in den achtziger
und neunziger Jahren die asiatischen Hersteller von Displays und Monitoren angeeignet. Diese »heizen« – um beim Bild der
alten Gaslampe zu bleiben – nun den alten amerikanischen und europäischen Riesen der Beleuchtungsindustrie richtig ein.
Licht in seiner reinsten Form
Schon früh [um 1999] beobachtet und
untersucht man bei der Stuttgarter Leuchtenmanufaktur Nimbus das Potenzial, welches die kleinen Lichtpunkte für Beleuchtungsaufgaben mit sich bringen können.
Das Team um den Firmengründer, Geschäftsführer und Architekten Dietrich F.
Brennenstuhl war stets darauf bedacht,
keine dekorativen Installationen oder gar
bunte Effektbeleuchtung zu generieren.
Das Gegenteil sollte viel mehr der Fall
sein: Die in der Architektur immer wieder gestellte Frage nach dem »immateriellen Licht« sollte beantwortet und formal
neue Antworten gefunden werden, um
Daniel Neves Pimenta
Innenarchitekt
Leitung
Produktentwicklung
Nimbus Group
22
Daniel Neves Pimenta
LED als Chance
dem Licht in seiner reinsten Form näher zu
kommen.
Materialien, neuen Montagetechniken und
bewährten Fertigungsmethoden.
2005 stehen Nimbus dann endlich LEDs
zur Verfügung, welche die notwendige
Leistung und Lichtfarbe besitzen, um die
konkrete Entwicklung von neuartigen LED‑
Leuchten anzugehen. Zudem hatte man
sich in den Jahren zuvor auch das nötige
Know-how angeeignet und ein neues
Netzwerk aus Lieferanten aufgebaut.
Dietrich F. Brennenstuhl, der in sich ein
Wissen aus einem kreativen und visionären Architekturstudium, seine Erfahrungen
als passionierter Architekt, aber auch die
Fertigkeiten aus einer soliden und präzisen
Werkzeugmacherlehre vereint, war sich
sofort bewusst, mit seinem Team an dieser Stelle Pionierarbeit leisten zu können.
Ihr Schaffen sollte Spuren in der Leuchtenbranche hinterlassen – oder gar eine
ganze Lichtgeneration prägen.
Die direkte Auseinandersetzung mit der
Technologie, gepaart mit der 20-jährigen
Erfahrung des Entwicklungsteams im Umgang mit Licht und Beleuchtungslösungen sowie der Wille, kompromisslos neue
Formen der Beleuchtung zu generieren,
führte bereits Mitte des letzten Jahrzehnts
zu einer umfassenden Leuchtenfamilie.
Schon sie betitelte mit den Attributen
»flat, cool, smart« die noch heute gültigen Merkmale der »Nimbus DNA«. Die
Produkte hatten 2006 auf der Leitmesse
der Lichtbranche, der Light + Building in
Frankfurt, eine überragende Resonanz.
... flat, cool, smart
Fotos: Nimbus Group | Roland Halbe
Man setzte also radikal auf die neuen
Möglichkeiten und Gestaltungsregeln,
welche diese auf Platinen bestückten Dioden thermisch vorgaben und brachte diese
in die für Nimbus typischen archaischen
aber dennoch sensiblen Formen. Das
De­sign­team war fasziniert von der Miniaturisierung der Lichtquelle und stürzte sich
in die Arbeit. Sie entwarfen, verwarfen
und experimentierten, dank des hochwertigen manufakturellen Umfelds, mit neuen
Haus im Haus
Hamburg
congena Texte 2013
Die Leuchten waren unvergleichbar zu
allem, was bis dahin im Leuchtenmarkt zu
sehen war. Hier schwebte ein 5 Millimeter
flaches Aluminiumprofil, von einer mit Silber bedampften Folie und einem hauchdünnen Drahtseil in der Luft gehalten. Da
sah man magnetisch, werkzeuglos montierte und justierbare 10 Millimeter flache
Acrylkörper mit präzisen Fräsungen zur
effizienten Entblendung. Dort hielten sich
ultraflache Wandleuchten an einem imaginären Stangenwald mit filigransten Federn
fest, um die bis dahin unbekannten Einbaumaße zu verdeutlichen. Das Raumgefühl, die aufwändige Inszenierung und die
völlig neuartigen Lichtlösungen – all das
versetzte die sichtbar begeisterten Messebesucher ins Staunen.
23
Daniel Neves Pimenta
congena Texte 2013
LED als Chance
Foto: Mauser Einrichtungssysteme
Kein Jahr nach der Light + Building realisierte das noch überschaubare Nimbus
Entwicklungsteam in enger Zusammenarbeit mit dem renommierten Stuttgarter Architekturbüro um Stefan Behnisch
dann auch das weltweit erste Gebäude,
welches ausschließlich mit LEDs beleuchtet wurde: das Haus im Haus in der Handelskammer in Hamburg. Der ehrwürdige
Verband Hamburger Kaufleute hatte sich
zum 400-jährigen Jubiläum entschieden,
einen internationalen Wettbewerb auszuloben, um neue repräsentative Flächen in
einer großzügigen klassizistischen Halle
zu schaffen. Es sollte ein preisgekröntes »Schmuckstück« in der Hamburger
Architekturlandschaft werden. Es waren
viele neue Anforderungen, die das Team
aus Architekten, Fachingenieuren, Designern und Elektronikern zu erfüllen hatten.
Aufgrund der durch das unter Denkmalschutz stehende Gebäude vorgegebenen begrenzten Raumhöhe, mussten die
Planer sehr flache und in die Architektur integrierte Lichtelemente entwickeln.
Dem Wunsch Stefan Behnischs, Tageslicht
durch die Halle und somit das gesamte
Gebäude strömen zu lassen, wurden sowohl der gläserne Fußboden, als auch die
Beleuchtung durch eine offene Aluminiumstruktur gerecht. Unter einem engen
Zeitfenster konnten über 380 LED-Lichtelemente mit jeweils 400 LEDs ausgestattet, gefertigt und montiert werden. Durch
eine aus der Bühnentechnik bekannten
DMX Steuerung sind diese zu einer steuerbaren Einheit verbunden, um eine Choreographie abzubilden, welche in Zusammenarbeit mit der projektleitenden Architektin
über die vier Etagen des Gebäudes komponiert wurde.
Der Bauherr, welcher die Entwicklung von
Anfang an mit kritischer Distanz doch vertrauensvoll betrachtet hatte, aber auch
die Fachzeitschriften waren begeistert.
Sowohl in den Architekturmagazinen als
auch in den Lichtmagazinen wird das Projekt auf den Titelseiten gefeiert.
Die Entwicklung geht weiter
Für Nimbus – mittlerweile auf 160 Mitarbeiter gewachsen – ist der Umgang mit
der neuen Technologie inzwischen zur
Routine geworden. Neben der Gestaltung
spielen die Faktoren der Effizienz und Lebensdauer, aber auch Amortisation und
Service eine große Rolle. Nimbus kann inzwischen auf über 7.000 realisierte Projekte, vom Wohnhaus in Australien bis zur
Zentrale des ADAC mit über 3.000 LEDLeuchten, zurückblicken.
Als Dietrich F. Brennenstuhl voller Euphorie nach der Light + Building 2006 in
Publikationen mit den folgenden visionären Zeilen zitiert wurde, wurde er vom
Wettbewerb noch belächelt: »In zehn
Jahren wird es keine Leuchtmittel mehr
Foto: Nimbus Group | Xaver Lockau
Das weltweit erste Gebäude ...
ADAC Zentrale
München
Einsatz Office Air LED
24
Daniel Neves Pimenta
LED als Chance
neben der LED geben.« Vor nunmehr sieben Jahren war diese Aussage noch mutig, doch bereits heute ist die Technologie
nicht mehr aus der Beleuchtungsindustrie wegzudenken. Inzwischen wird bereits
die nächste Evolutionsstufe der Beleuchtungstechnik diskutiert: die organische
congena Texte 2013
Leuchtdiode [OLED]. Das leuchtende
Dünnschichtbauelement aus organischen
halbleitenden Materialien wird den Bau
von flächigen, hauchdünnen und auch
verformbaren Leuchten erlauben und
sucht derzeit nach seiner zeitgemäßen Gestaltung.
Aufbau/Funktionsprinzip einer SMD LED
Illustration: Nimbus
Group/Frank Ockert
Über LED
Hochwertige LED-Leuchten haben im Vergleich zu konventionellen Leuchten eine wesentlich höhere Effizienz. Dies kommt durch den 5–6 fach höheren Wirkungsgrad der
LEDs im Vergleich zur Glühlampe und durch die Tatsache, dass das Licht der LED nicht
etwa erst über Optiken gebündelt und in die gewünschte Richtung gelenkt werden
muss. So kann die Lichtleistung einer 10 Watt Nimbus LED-Leuchte etwa der einer
100 Watt Glühlampe bzw. einer 50 Watt Halogenlampe entsprechen. Auch LEDs unterliegen Alterungserscheinungen. Der Lichtstrom reduziert sich bei einem guten Thermomanagement jedoch sehr langsam. LED-Leuchten erreichen somit eine Lebensdauer von
bis zu 50.000 Stunden. Danach leuchten sie noch immer mit einer Leistung von
ca. 70% weiter. Preiswerte LED-Produkte erreichen diese lange Lebensdauer in der
Regel nicht, da sie meist über keine ausreichende Abfuhr der Wärme von der LED
verfügen.
Durch den Einsatz hochwertiger LED-Leuchten lassen sich im Vergleich bis zu 70% der
Energiekosten einsparen. Zwar kostet derzeit eine hochwertige LED-Leuchte in der Anschaffung noch ca. 20–30% mehr als eine vergleichbare konventionelle Leuchte, innerhalb kürzester Zeit hat sich der höhere Anschaffungspreis durch die deutlich geringeren
Betriebs- und Wartungskosten amortisiert.
25
Gabriele Allendorf
congena Texte 2013
Light Identity
Potenzial des Lichts
Bei einem Rundgang durch die Produktionsstätten der Firma Erco in Lüdenscheid
gab ich meiner Bewunderung Ausdruck,
wie alles, was mit Otl Aicher entwickelt
wurde, Klarheit ausstrahlte: das Logo, die
Typographie, die Zeichen, die Plätze für
Produktionen und Wege des komplexen
Produktionsablaufes. Die Antwort steigerte meine Bewunderung in Freude: In
all den Jahren, seit 1984 das Gesamterscheinungsbild mit Otl Aicher entwickelt
wurde, gab es keinen einzigen Unfall in
den Büros und in der Produktion.
Klarheit beginnt im Kopf
In jedem Unternehmen, egal welche
Größe es hat, gehört es zu einer der spannendsten und nervenaufreibendsten Phasen, sich über das, was man macht, wie
man es macht und wohin man will, klar
zu werden – und dies verständlich zu
kommunizieren.
Erst wenn diese Phase geglückt ist, kann
man beginnen, über das Logo, die Typographie, die Architektur, die Lichtarchitektur usw. nachzudenken. Stolpersteine
können hierbei sein: ein Abdriften in modische Formen oder andere Ablenkungen,
die die Aussagen eher verschleiern als klar
darstellen. Es lohnt sich einen guten Sparringspartner zu haben, mit dem es gelingt,
immer wieder das Ziel klar vor Augen zu
haben und nicht die Messlatte zu senken.
Nun kommt das Licht ins Spiel – und das
fängt schon weit vor dem Gebäude an.
Denn wochentags gehen diejenigen, die
in und mit der Firma arbeiten, auf dieses
zu. Als ebenfalls wichtiger, meist vernachlässigter Bereich sei hier der Zugang über
die Tiefgarage genannt.
Die Monate November bis Februar bedingen in Europa morgens und nachmittags den Einsatz von Kunstlicht. Wie ist
dies gestaltet? Ist es so gestaltet, dass ich
froh und energiegeladen zum Eingang
komme? Im Foyer mich eine freundliche
Atmosphäre erwartet, in der ich mich gut
zurechtfinden kann? Eine klare Lichtsituation, welche die Wegeführung unterstützt, bedeutet wenig Energieaufwand
für denjenigen, der sich im Gebäude befindet. Er kann seine Energie voll und ganz
auf sich und seine Arbeit konzentrieren.
Mit dieser gebündelten Energie kann ich
natürlich viel schneller und leichter Erfolge
erzielen. Das macht den Einzelnen und das
Unternehmen glücklich und erfüllt und generiert Wohlstand.
Natürlich setzt sich dieser Grundgedanke
der Klarheit durch das ganze Gebäude
fort. Ob wir an Büros oder Besprechungsräume denken, es geht immer um uns
Menschen und unser schöpferisches Potenzial, das unterstützt werden soll.
Neben den Arbeitsstättenrichtlinien gibt
es die jeweiligen unternehmensspezifischen
Situationen, die vom Lichtplaner untersucht werden und denen in der Lichtplanung Rechnung getragen werden sollten.
Nun werden solche Überlegungen und
Planungen, die über die Richtlinien hinausgehen, oft als »add on« oder »nice
to have« belächelt. Jedoch, wie zweifelsfrei in wissenschaftlichen Untersuchungen festgestellt werden konnte, geht es
um den Menschen, um das menschliche
Potenzial, mit dem zu einer bestimmten
Zeit an einem bestimmten Ort Wertvolles
geschaffen werden kann oder, wenn die
Rahmenbedingungen nicht stimmen, nicht
geschaffen werden kann.
Diese Zeiten und Orte sind auch nicht wiederholbar, sondern endlich. Am Ende der
Skala stehen Identitätsverlust und Frustration oder eben Erfüllung, Glück und
Erfolg.
Identität als zutiefst menschliches Maß,
als Maß unseres Glücks- und Erfolgsbarometers?
Gabriele Allendorf
büro für corporate
light and architecture
26
Gabriele Allendorf
Light Identity
congena Texte 2013
Gabriele Allendorf
– Light Identity
Roche Penzberg
Roche Penzberg
Die Firma Roche beschäftigt sich mit der
Gesundheit des Menschen und forscht
u.a. auf der Grundlage der Erbinformationen. Das Bild der sequenziellen DNA
bildet die thematische Grundlage dieses
Beleuchtungsentwurfs. Lichtstreifen überziehen als dynamische Struktur die Decke
des Foyers. Im Casino und in der Cafeteria beleben zurückgesetzte Felder das Deckenbild, welche verschiedene Gruppen
von Leuchten zusammenfassen. In den
Lobbybereichen der Obergeschosse findet
die DNA-Streifenstruktur ihre Fortsetzung.
Eine vertikale Adaption der Streifen an die
Treppenhauswand signalisiert die Funktion
der vertikalen Erschließung. Im Konferenz-
Gabriele Allendorf
– Light Identity
Stadtsparkasse München
vorher [links]
nachher [rechts]
saal können verschiedene Downlights und
eine wandbegleitende Lichtvoute je nach
Nutzung zentral angesteuert werden. Die
Büros werden mittels Stehleuchten mit
einem Indirekt-/Direktanteil flexibel beleuchtet. Im Flur wird die Wand von einem
Lichtband in Szene gesetzt.
Stadtsparkasse München
Bei der Revitalisierung des Verwaltungsgebäudes am Isartor galt das besondere Augenmerk dem äußeren Erscheinungsbild.
Die Beleuchtung der Arkaden wurde so
gestaltet, als wäre sie eine Spiegelung des
Stadtbaches, der an exakt dieser Stelle bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts verlief. Die
Lichtstimmungen wechseln je nach Tages-
27
congena Texte 2013
Fotos: Gabriele Allendorf
Gabriele Allendorf
Light Identity
Bevor die Eingangssituation mit Licht neu
gestaltet wurde, war der Zugang nicht klar
ersichtlich und völlig verbaut.
Der geweitete Eingang wird nun durch die
»Treasure Wall« betont – eine Tresorwand
aus Licht in warmen gelb-grün Tönen.
Treppenhaus und Flure sind mit Lichtfugen
ausgestattet, die direktes und indirektes
Licht über Wände und Decken geben. In
den Bürofluren betonen einseitige Lichtschlitze das minimalistische Konzept.
Abendzeitung München
In den Innenhöfen des Verlagshauses der
Abendzeitung erheben sich dunkle Holzterrassen aus imaginären Wasserläufen
türkisfarbenen Glasgranulats. Sanft werden Bambusparavents, einige Pflanzen
und das Glasgranulat in Szene gesetzt.
Durch die integrative Lichtplanung ist es
gelungen, ein Spannungsfeld aus Ruhe
und Bewegung, Wirtschaftlichkeit und
optischer Eleganz, Understatement und
Adressbildung zu generieren. Der Innenhof ist ein Ort der Kommunikation und
des Austausches. Ein Treffpunkt zu später
Stunde, der durch akzentuierte Beleuchtung zum Verweilen und Erholen einlädt.
Fotos: Gabriele Allendorf
zeit – analog den imaginären Lichtspiegelungen auf dem Wasser – von Minzigweiß
am Morgen bis zu einem Bernsteinton in
der Nacht.
Gabriele Allendorf
– Light Identity
»Treasure Wall«
28
Gabriele Allendorf
Light Identity
congena Texte 2013
Gabriele Allendorf
– Light Identity
Terrasse und Lichthof
Abendzeitung
Europäisches Patentamt
Die Form der Spirale bildet im Foyer des
Europäischen Patentamtes den architektonischen Mittelpunkt als Metapher für die
rasante Entwicklung der Technologien.
Dynamische Lichtspuren im Deckenspiegel führen diese Bewegung fort. Das Foyer flankierend bilden sich die einzelnen
Geschosse wie überdimensionierte Holzregale ab, deren Form durch Lichtvouten
nachgezeichnet wird.
Fotos: Gabriele Allendorf
Gabriele Allendorf
– Light Identity
Europäisches
Patentamt
Das Thema der formalen Zurückhaltung
wird bis in die Gastronomiebereiche weitergeführt und durch neue Lichtqualitäten
bereichert: Lichtmöbel in der Lounge, die
den Raum wie selbstverständlich unterteilen; runde Deckenausschnitte in der Cafeteria mit einer pointierten Lichtfuge über
der Bar; elegante, abgependelte Leuchten
im Casino.
Die konstruktive Zusammenarbeit mit
Bauherren und Architekten von einem
sehr frühen Zeitpunkt an führte zu einem
Verwaltungsbau mit einem außergewöhnlich hohen architektonischen Niveau –
und einem Lichtkonzept, das die Botschaft des EPOs den Besuchern weltweit
kommuniziert.
Pariser Höfe
Die Pariser Höfe sind ein soeben fertiggestellter Wohn- und Bürokomplex im neuen
Stuttgarter Europaviertel. Mit Bewegung
und Licht sollen die Passanten auf die
Eingangssituation aufmerksam gemacht
werden.
Die hohen Arkaden an der Frontseite des
Bürogebäudes werden mit modernen Lüstern erhellt. Aus minimalistischem Design
29
congena Texte 2013
Fotos: Gabriele Allendorf
Gabriele Allendorf
Light Identity
Gabriele Allendorf
– Light Identity
Lichtstelen und Foyer
Pariser Höfe
und einer professionellen Lichtführung
wird eine Leuchte, welche die Form der
Lichtstelen im Innenhof aufnimmt und das
Thema des klassischen Lüsters modern
interpretiert.
Die Stelen und Lüster sowie die Leuchten
im Foyer wurden speziell für das Projekt
»Pariser Höfe« entworfen und geben dem
Ensemble eine unverwechselbare Identität
– eine Light Identity.
Deutsche Bank Tower
Fotos: Copyright: Deutsche Bank AG
Kunstvoll inszeniertes Licht vermittelt im
Foyer des Deutsche Bank Towers alles
andere als den Eindruck eines spießigen
Büroalltags. Die gestaltete integrative Beleuchtung in Kombination mit einer künstlerischen Architekturlösung schafft eine
kraftvolle Atmosphäre.
»Green Towers«
Deutsche Bank Frankfurt
Architekten:
Mario Bellini Milano
mit gmp Frankfurt
Lichtplanung: ag Licht
30
Anzeige
congena Texte 2013
congena Texte
congena Texte2010
congena Texte2011
congena Texte2012
Rückblick in die Zukunft
des Büros
Zwischen Ordnung und Chaos
Schöne neue Arbeitswelt
Maren Puffert
Ordnung – Das Durcheinander,
an das man sich gewöhnt hat?
Markus Albers
Wozu noch Büros?
Abschied von der Anwesenheitspflicht
Eckhard Miketta
Anno 1970 – congena startet
Idee und Wirklichkeit eines
Beratungsunternehmens
Maren Puffert
Rückblick in die Zukunft
20 Jahre Entwicklung Kombibüro
Susanne Köster-Liebrich
Raster, Module, Ordnung
Bleibt da noch Platz für
Gestaltungsspielräume?
Susanne Köster-Liebrich
Vom Zellenbüro zum Business
Club
Stephan Schmidpeter
Über das Chaos zu einer neuen
Ordnung
Christoph Kitterle
»Smart Working« – 10 Jahre
danach – Ein Business Club für
die Credit Suisse in Zürich
Jörg Herkommer
Lean-Office – Effizienzsteigerung
in der Verwaltung der Karl
Knauer KG
Richard Puell
Das Layout-Raster
Die Geburt wahrer Flexibilität
Stephan Schmidpeter
Papier ist geduldig – Daten
sind kleiner
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Nutzwert-Ranking
Benchmark der Flächenwirtschaftlichkeit zeitgenössischer
Bürohäuser
Wolfgang Inderwies
Was ist sauber?
Gebäudereinigung zwischen SLA
und KPI!
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Mieterhandbuch
Orientierungshilfe für Nutzer und
Investoren
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Belegungs- und Umzugsplanung
mit Visio
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LHI Pullach – Standortwechsel
vom Herzen der Stadt ins Grüne
Conny Lang
Wieviel wovon und wofür
eigentlich? Zumindestens das
Wichtigste selbst steuern!
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It’s all about people
Die neue KAEFER Unternehmeszentrale im Herzen von Bremen
Sandra Mehliss
Neue Arbeitswelt
Das Mehrgenerationenbüro
für moderne Wissensarbeit
Nicola Lorber
Coworking
Was können Unternehmen
davon lernen?
Eva Becker, Andreas Puffert
Von Open Innovation über das
ba-Konzept zum Wissensraum der
Zukunft?
Lukas Windlinger
Workplace Management und die
Rolle der Büroumgebung in der
Office Ecology
Manfred della Schiava
Der menschliche Weg in die
Zukunft der Arbeit
Wolfram Fuchs
Das i-Prinzip
Strategie zur Modernisierung
der Bürowelt
Michael Gleich
Nonterritoriales Arbeiten in
Banken
Wohin die Reise geht
Tjeu Verheijen
The Future Office
Vodafone – Mobiles Arbeiten
verändert Umgebung und
Verhalten
Dr. Martin Kleibrink
Smart Working
Lessons Learned
31
Ivo Lai
congena Texte 2013
Prima Klima
Optimales Raumklima mit Wasser und Grün
Aus der Erkenntnis heraus, dass Räume
über die Leistungsfähigkeit von Menschen
und den Erfolg von Unternehmen entscheiden, begann vor über 20 Jahren die
Entwicklung von Wasserobjekten und später Naturinstallationen für Privatpersonen
und Firmenkunden.
Bald fanden sich die Mitarbeiter der eigenen Firmengruppe zwischen gestalteten Pflanzen und Wasserwelten wieder.
Wissenschaftler stellten fest, dass sich
das Raumklima hierdurch verbesserte und
auch Feinstaub, Gerüche und Elektrosmog
wurden jetzt auf natürliche Weise eliminiert. Was die Mitarbeiter empfanden,
konnten Messgeräte alleine nicht ausdrücken. Sie sprachen von »stärker, ausgeglichener und motivierter«, »sich einfach
wohler fühlen«.
Die Wasserinstallationen und Grünen
Wände wurden aus dem Wissen heraus
entwickelt, dass sich Arbeits- und Wohnräume, die mit Wasserflächen und Pflanzen ausgestattet sind, positiv auf Körper,
Geist und Seele auswirken. Dabei wirkt
sich das Erleben von Natur allgemein ausgleichend auf das Gemüt aus, während
die reinigende Wirkung der Naturelemente
die körperliche Regeneration unterstützt.
Die Wasser- und Pflanzeninstallationen
sorgen für ein gesundheits- und leistungsförderndes Raumklima.
Teile eines Ganzen
Bei der Planung eines neuen Gebäudes
machen sich viele Bauherren bezogen
auf das Büro lediglich Gedanken über die
neue Büroeinrichtung. Dabei besteht ein
Raum aus einer komplexen Symbiose diverser Teilbereiche. Hierzu gehören neben
der konventionellen Raumplanung auch
die natürliche Innenraumbegrünung, das
Raumklima sowie die Akustik. Gerade im
Hinblick auf das Behaglichkeitsempfinden
innerhalb eines Gebäudes sollten sämtliche Aspekte im Voraus in die Überlegungen einbezogen werden. Pflanzelemente
und Wasser ergänzen sich zu einem Kreislauf des Lebens. Verschmelzen die Bereiche zu einem funktionierenden Ganzen,
so ist die Einheit von Mensch und Gebäude garantiert.
Wohlfühlzone Arbeitsplatz
Das Fraunhofer Institut macht die Gesamtheit der unterschiedlichen Auswirkungen
auf die Belegschaft mittels eines umfangreichen Fragebogens deutlich. In der Befindlichkeitsanalyse werden von der persönlichen Wahrnehmung des Raumklimas,
über die Akustik, bis hin zur bisherigen
Verwendung von pflanzlichen Elementen,
sämtliche Themen berücksichtigt. Die
hieraus gewonnenen Erkenntnisse fließen unter anderem in das Projekt »Office 21« ein, welches sich mit der Erforschung des Arbeitsplatzes der Zukunft
beschäftigt. Die Befragung der Mitarbeiter zeigt, dass bei der raumklimatischen
Optimierung der Mensch im Vordergrund steht.
Probleme frühzeitig erkennen
Im Spannungsfeld von Gebäudetechnik
und Erwartungen von Menschen, die täglich in den Räumen arbeiten, existieren einige – noch nicht nachhaltig ergründete –
»psychologische Phänomene«. Es ist nicht
einfach, sämtlichen Individuen in einem
Raum gerecht zu werden. Pflanzwände
und Wasserwände als »Raumklimakomponenten« können ein Ansatz sein. Sie
lösen ihre Aufgabe nicht technisch, sondern rein biologisch. Diese »Raumklimakomponenten« wirken zweifach: Zum
einen gewährleisten sie eine individuelle
Befeuchtung und Sauerstoffproduktion
direkt am Menschen. Zum anderen wirken sie wie selbstverständlich als funktionales Trennelement zwischen den Arbeitsplätzen sowie formschönes Interieur
zugleich.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer profitieren
gleichermaßen: Fehltage durch Erkältungskrankheiten werden reduziert, die Effizienz dank besserer Konzentrationsfähigkeit
erhöht. Allen Menschen im Gebäude geht
es besser: Schadstoffe von elektrischen
Geräten, Feinstaub, Ozon, Gerüche, elektrostatische Aufladungen sowie Elektro-
Ivo Lai
art aqua
32
Ivo Lai
Prima Klima
smog werden von Wasserinstallationen
und Grünen Wänden herausgefiltert oder
reduziert. Der »Energieträger Wasser«
überzeugt: Feuchte Luft wird vom Menschen wärmer empfunden als trockene
Luft. Der optimale Behaglichkeitsbereich,
der in der Praxis so gut wie nie erreicht
wird, liegt zwischen 50 % und 55 % Luftfeuchtigkeit. Gemäß einer Faustregel sinken die Heizkosten um 6 %, wenn man
die Raumtemperatur um 1 Grad Celsius
senkt.
Richtwerte, mit deren Hilfe die optimale
Luftfeuchtigkeit im Verhältnis zur benötigten Temperatur ermittelt werden kann:
• 40% r.F.1 bei 24° C Raumtemperatur
• 45% r.F. bei 22° C Raumtemperatur
• 50% r.F. bei 20° C Raumtemperatur
Die Grenzen moderner Klimatechnik
überwinden
Gerade in den kalten Monaten im Jahr ist
die Raumluft zu trocken. Zwar gibt es etliche technische Möglichkeiten mittels Luftaustausch einen kühlenden oder heizenden Effekt zu erzielen, jedoch ist mit Hilfe
dieser zentralen Lüftungsanlagen keine
»Basisbefeuchtung« möglich. Spezielle
Pflanzen- und Wasserwände können genau dies leisten. Eine individuell dosierte
Befeuchtungsleistung in kleinerer Menge
– dafür direkt am Mitarbeiter. Auch die
1=
Klinik Medalp Imst
congena Texte 2013
Nachrüstung ist einfach. Die Installation einer »biologischen Befeuchtung« hat den
Vorteil, dass nicht in ein bestehendes Gesamtsystem eingegriffen werden muss.
Die passive Verdunstung bietet viele Vorteile. Physikalisch betrachtet erfolgt die
Befeuchtung durch den selbstständigen
Feuchtigkeitsausgleich zwischen einer
humiden Oberfläche und der trockeneren Umluft [Raumluft]. Während bei der
aktiven Verdunstung schädliche Keime in
die Raumluft gelangen können, ist dies bei
der passiven Verdunstung – aufgrund des
gasförmig und somit unsichtbar verlaufenden Prozesses – nicht möglich. Die Technik
der aktiven Verdunstung zerstäubt Wasser
mittels mechanischem Druck, Vibration
einer befeuchteten Fläche oder thermischer Verdampfung. Wasserdampf ist hierbei deutlich sichtbar.
Im Gegensatz zu anderen Herstellern wird
bei den Grünen Wänden von art aqua
keine Erde verwendet. Die Pflanzen wurzeln in einem anorganischen Pflanzmedium, welches aufgrund seiner Durchlässigkeit einem Wasserstau effektiv vorbeugt.
Die Entstehung von Keimen und Gerüchen
ist somit nicht möglich. Um die gesundheitliche Unbedenklichkeit dieses Systems
zu bestätigen, wurde das Institut Fresenius
– von einem klinischen Auftraggeber – mit
der Aufgabe betraut, eine entsprechende
Analyse vorzunehmen. Mit Erfolg.
relative Feuchtigkeit
HSE Darmstadt 33
congena Texte 2013
Fotos: art aqua
Ivo Lai
Prima Klima
HSE Darmstadt
Damit in einem Gebäude die optimale
Menge an Wasser verdunsten kann, bedarf es qualifizierter Berechnungen. Unter
Einbeziehung eines Baubiologen können
bereits in der Planungsphase detaillierte
Lösungen für die Räumlichkeiten entwickelt werden. So wird sichergestellt, dass
Anzahl und Größe der eingesetzten Objekte den gewünschten raumklimatischen
Effekt erzielen.
Der Weg der Natur
Gleichzeitig eignen sich die Elemente hervorragend als Raumtrennsysteme. Die
Beruhigung des gesamten Arbeitsbereiches wirkt sich merklich auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter aus. Die Nähe zu
einer Grünen Wand sorgt für einen
natürlichen Kontrast gegenüber der
Funktionalität des Arbeitsplatzes und
schafft einen Bereich des persönlichen
Wohlbefindens.
Fotos: art aqua
Grüne Wände schaffen eine Atmosphäre
wie im Park: Stoffe wie Kohlendioxyd
[CO2], Kohlenmonoxid [CO], Formaldehyd,
Benzol oder Phenol werden aus der Luft
ge­filtert und in Sauerstoff umgewandelt.
Die gesamte Raumakustik verbessert sich:
Lebendige und bewegte Oberflächen
schlucken störende Geräusche und reduzieren generell den gefühlten Lärmpegel.
Auch der Nachhall von Geräuschen wirkt
viel unaufdringlicher.
GLL Real Estate Partners München
Ivo Lai
Prima Klima
congena Texte 2013
Bekannte Probleme – bewährte
Lösungen
Diese biologischen Systeme bestechen
nicht nur durch ihr Design und ihre Funktionalität, sondern können – wenn dies der
Anspruch der Architekten ist – auch ein
gutes Stück Natur in offene Bürostrukturen
integrieren. Inwiefern sich das auf das
menschliche Wohlbefinden in geschlossenen Räumen auswirken kann – abgesehen
von den biologischen Kernleistungen der
Sauerstoffproduktion und der Befeuchtung – ist in seinen positiven Auswirkungen nur zu erahnen. Die helfende Kraft
hierbei ist die »Physiologie«. Pflanzenphysiologie ist die Wissenschaft von den
Lebensvorgängen [der Physiologie] der
Pflanze, besonders von deren [bio]chemischen Grundlagen. Zentraler – aber nicht
alleiniger – Vorgang ist die Photosynthese.
Mit Pflanzen- und Wasserwänden ist es
möglich, das technische Lüftungs- und Klimakonzept so zu ergänzen, dass eine optimale »Behaglichkeit« für jeden Raumnutzer erzeugt werden kann.
Ein Gebäude, welches mittels natürlicher
Klimatisierung optimiert wird, verfügt gegenüber herkömmlichen Lösungen über
einen wahrnehmbaren Mehrwert. Die Optimierung der raumklimatischen Verhältnisse verwandelt die Bausubstanz in einen
Leistungsträger, der sowohl die Fähigkeiten
der Mitarbeiter unterstützt, als auch die
Optik des Gesamtkonzeptes ergänzt.
35
Malte Kopmann
congena Texte 2013
Kann Nachhaltigkeit Gestalt[ung] annehmen?
Und wenn ja, wie viel?
Der Begriff der Nachhaltigkeit hat seine
Wurzeln in der Forstwirtschaft, wo er vor
ein paar hundert Jahren die Forderung
nach einem Gleichgewicht zwischen dem
Abholzen und dem Wiederaufforsten
der Wälder bezeichnete. Gemeint war
schlichtweg, nicht auf Kosten zukünftiger
Generationen zu wirtschaften und damit
einhergehend den Bedarf am Rohstoff
Holz kritisch zu hinterfragen. Längst hat
die Nachhaltigkeit ihre Gültigkeit auf vielen anderen Gebieten entdeckt. Da es
jedoch im Kern oft auch um die Minimierung des Verbrauchs begrenzt verfügbarer
natürlicher Rohstoffe und Flächen geht,
teilen sich Verfechter nachhaltigen Planens
und Handelns schnell eine Schublade mit
klischeebehafteten Naturschützern. Die
Schublade wird dann gemäß des entsprechenden Sujets mit schütterhaarigen Vegetariern [in Batiktracht], zottelbärtigen
Ökogurus [barfuß] und anarchischen Umweltaktivisten [mit Arafatschal] aufgefüllt,
die gemeinsam die Wale retten und Tibet
befreien wollen. Die Schublade riecht
nach Schweiß und Teebaumöl und man
hört Joan Baez und Bob Dylan.
Wer in diesem Sinne an eine nachhaltige
Büroraumgestaltung denkt, dem dürfte
sich vor seinem inneren Auge etwa folgendes Bild bieten: Ein Raum ist zu etwa
einem Drittel mit Pflanzen gefüllt, die aus
geflochtenen, von der Decke baumelnden Rattankörben herabranken. Einige
davon sind bewohnt. Ein Hund liegt quer
auf dem Flickenteppich, er riecht ein wenig nach dem Regen von gestern. Hinten
ist wahrscheinlich da, wo es wedelt, genau sagen kann man das aber erst nach
der überfälligen Schur. Die Wände sind
mit indischgelbem Lehm verspachtelt, die
Decke ist in honigfarbenem, astlochgesprenkeltem Fichtenholz nut- und federverschalt, am Boden wurden die Korkfliesen diagonal verlegt. Vor den Fenstern
hängen Bastrollos auf Halbmast, neben einem davon sitzen an einem Tisch das bärtige Hundeherrchen, der anarchische Umweltaktivist und ein spärlich aber strähnig
Behaarter in Batikkutte. Die drei erstellen
gerade einen Terminplan auf zusammengeklebten DIN-A4 Recyclingpapierbögen mit Hilfe eines langen und fast gera-
den Holzlineals und einiger Bleistifte mit
Verlängerungsaufsatz.
So wenig sich Nachhaltigkeit aufs Bäumepflanzen beschränkt, so wenig stimmt das
beschriebene Bild eines nachhaltig gestalteten Arbeitsplatzes – was aber kennzeichnet eine nachhaltige Gestaltung von
Arbeitsumgebungen?
Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit wird heute in Bezug auf
Architektur und damit auf die Gestaltung
von Räumen anhand von wirtschaftlichen,
ökologischen, funktionalen und sozialen
Kriterien bewertet, und zwar sowohl in
Planung und Realisierung als auch im
Betrieb. Nachweisbar wird der Erfüllungsgrad in den einzelnen Disziplinen durch
Kennwerte [z.B. die Flächeneffizienz im
Verhältnis Nutzfläche zu Bruttogrundfläche], durch Gutachten oder Zertifikate,
die entweder einzelne Themen [z.B. das
FSC-Zertifikat für Hölzer aus nachhaltiger
Forstwirtschaft] oder die Nachhaltigkeit insgesamt [z.B. LEED oder DGNB]
bewerten.
Im Folgenden wird gezeigt, wie diese Disziplinen der Nachhaltigkeit die Planung,
Gestaltung und Realisierung von Arbeits­umgebungen beeinflussen.
Wirtschaftlichkeit
In der Regel steht die Wirtschaftlichkeit
eines Projektes im Vordergrund der Planung. Das bedeutet jedoch nicht, dass
lediglich die günstigsten Produkte auf
möglichst wenig Quadratmetern zu planen sind. Vielmehr gilt es, die Wirtschaftlichkeit über die gesamte Lebensdauer
der Produkte zu betrachten und gleichzeitig darauf zu achten, dass diese Lebensdauer zur geplanten Nutzungsdauer passt.
Das eingesetzte Mobiliar sollte möglichst
flexibel sein und unterschiedliche Anordnungen und Nutzungen ermöglichen, um
Neuanschaffungen oder Umbauten zu
vermeiden. Verwendete Ausbaumaterialien wie Bodenbeläge oder Trennwände
sollten leicht austausch- oder versetzbar
sein. Sonderräume, die vom Standard ab-
Malte Kopmann
congena GmbH
Malte Kopmann
Kann Nachhaltigkeit Gestalt[ung] annehmen?
weichende Ausstattung und Haustechnik
benötigen, sollten räumlich separat geplant werden, um möglichst große Bereiche zu erhalten, die sich leicht verändern
können.
Die Flächeneffizienz kann mitunter durch
das Mobiliar beeinträchtigt werden, wenn
Fassadenraster und Ausbautiefe eines
Gebäudes bereits definiert sind und damit die möglichen Raumgrößen und die
Möblierbarkeit bestimmen. Unpassendes
Mobiliar kann in so einem Fall dazu führen, dass sich auf ein und derselben Fläche weniger Arbeitsplätze unterbringen
lassen. Bereits 10 cm Tischtiefe – 80 oder
90 cm – können ausschlaggebend sein,
ob ein Büro mit einem Arbeitsplatz mehr
ausgestattet werden kann. Bei einem
durchschnittlichen Flächenverbrauch pro
Arbeitsplatz von 20 – 25 qm BGF [Regelgeschoss] und Baukosten von ca. 1.500
bis 2.000 € je qm BGF bedeutet das einen
Wertverlust von 30.000 – 50.000 € pro
Arbeitsplatz.
Ökologie
Ökologische Kriterien beschreiben Anforderungen über die gesamte Lebensdauer
eines Produktes, angefangen von Art und
Menge der eingesetzten Rohstoffe und
Primärenergie bei Herstellung und Logistik,
über die Vermeidung umwelt- und gesundheitsschädlicher Stoffe bei der Verarbeitung der Produkte und den logistischen
Aufwand beim Hersteller bis zur sortenreinen Rückbaubarkeit und Entsorgung am
Ende der Nutzungsdauer und der Recyclingfähigkeit. Wie bei der wirtschaftlichen
Betrachtung ist die Optimierung der Flächeneffizienz auch eine ökologische Maßgabe. Oft schont der Verzicht auf einen als
vermeidbar identifizierten Aufwand nicht
nur den Geldbeutel, sondern auch die
Umwelt. Im Bereich der Arbeitsplatzgestaltung wird den ökologischen Kriterien
vor allem in Form von Zertifikaten bzw.
Nachweisen über die Einhaltung bestimmter Richtlinien begegnet. Darüber hinaus ist auch aus ökologischer Sicht eine
Gestaltung sinnvoll, die weitgehend standardisiert und modular konzipiert wird
und flexibel allen zu erwartenden Nutzer-
36
congena Texte 2013
anforderungen über den gesamten Nutzungszeitraum entsprechen kann.
Funktionalität
Funktionale Kriterien sind seit jeher Merkmale guter Gestaltung. Vor etwa 2.000
Jahren schreibt der römische Architekt
Vitruv, dass Architektur auf drei Prinzipien
beruhe: firmitas [Festigkeit, Stabilität], utilitas [Zweckmäßigkeit, Nützlichkeit] und
venustas [Anmut, Schönheit]. Während
firmitas der technischen Nachhaltigkeit
entspricht und man venustas dem Streben
nach zeitlos schönem Design zuordnen
kann, steht utilitas für die funktionale
Nachhaltigkeit der Architektur. Um dem
Anspruch an funktionale Nachhaltigkeit
einer Bürokonzeption gerecht zu werden,
ist eine individuelle und zukunftsorientierte
Bedarfsplanung erforderlich. Hierbei ist
ein konsequentes Hinterfragen von räumlichen und technischen Anforderungen
nötig, um zu vermeiden, dass aus einer
vermeintlichen Weiterentwicklung einer
Arbeitswelt eine bloße Verlagerung von
Gewohnheitsrechten wird. Im Fall eines
Hausmeisters kann das vereinfacht heißen,
dass die alte Werkstatt – ein Erbstück –
nicht ungefragt mitgenommen werden
muss, sondern den zukünftigen Aufgaben
mit einem Standard Bildschirmarbeitsplatz
und einem gut sortierten Werkzeugkoffer gegebenenfalls besser begegnet werden kann. Die Frage, ob Taschenmesser
und iPad noch zukunftsfähiger wären, sei
zunächst dahingestellt, hilft jedoch dem
Angesprochenen dabei, sich gedanklich
von Erbstücken zu lösen und sich mit zeitund zukunftsgemäßen Lösungsansätzen
zu befassen.
Kernaussage der Bedarfsplanung ist die
Übersetzung einer funktionalen und organisatorischen Analyse eines Unternehmens
in ein flächenbezogenes Funktionsprogramm, das als Leitfaden für die Umsetzung dient. In Bezug auf das Bürogebäude
kommt erschwerend hinzu, dass dessen
Nutzer häufig über die Lebendsauer wechseln. Die durchschnittliche Lebensdauer
von Bürogebäuden wird heute mit 20 bis
30 Jahren angesetzt, die durchschnittliche
Laufzeit von Mietverträgen liegt bei fünf
Malte Kopmann
Kann Nachhaltigkeit Gestalt[ung] annehmen?
bis zehn Jahren, demzufolge sollte ein Bürogebäude imstande sein, den Anforderungen von bis zu sechs unterschiedlichen
Nutzern gerecht zu werden. Die Umsetzung einer nutzerbezogenen Bedarfsplanung setzt Gebäude voraus, die einerseits
nutzerneutral, andererseits aber nutzungsoptimiert konzipiert wurden.
Soziales
Soziale Kriterien stellen den Nutzer in den
Mittelpunkt. Bereits ein halbes Jahrtausend
vor Vitruv beschreibt der griechische Philosoph Protagoras den Menschen »als Maß
aller Dinge«. Auf der physischen Ebene
entspricht das den heutigen Anforderungen an Ergonomie, auf der psychischen
Ebene dem Streben nach Sicherheit und
Behaglichkeit, nach Identifikation und Heimat. Eine sozial nachhaltige Planung von
Büroräumen muss einerseits den Grundanforderungen an Ergonomie, beispielsweise an Größe und Belichtung von Arbeitsflächen, entsprechen oder diese
übererfüllen, beispielsweise durch Schreibtische, die sich von Sitz- in Stehhöhe verstellen lassen, selbst wenn kein dienstärztliches Attest ein Rückenleiden bescheinigt.
Vor allem aber sollte die Konzeption und
Gestaltung von Arbeitsplätzen gewährleisten, dass sich die Mitarbeiter an ihrem
Arbeitsplatz so wohlfühlen, dass sie sich
dort gern aufhalten, denn die meisten von
ihnen tun das den Großteil ihrer Lebenszeit. So unstrittig wie die Tatsache, dass
Menschen, denen es gut geht, produktiver
sind, so schwer ist dieser Mehrwert zu beziffern. Sicher ist jedoch, dass potenzielle
Mitarbeiter sich immer öfter auch an der
37
congena Texte 2013
sozialen Attraktivität eines Arbeitsumfeldes orientieren, also solche Arbeitsplätze
bevorzugen, an denen sie sich wohlfühlen.
Gestaltung
Dasselbe gilt für die Qualität der Gestaltung von Bürokonzepten. Gestaltung wird
im Allgemeinen nach ihrem konsequenten und ästhetischen Umgang mit Farbe,
Materialien, Oberflächen, Formensprache
und Proportionen sowie in Bezug auf die
technische Ausführungsqualität bewertet. Um dem Anspruch an Nachhaltigkeit
zu entsprechen, sollte Gestaltung auch in
der Zukunft, bezogen auf die zu erwartende Nutzungsdauer, diesen Anforderungen entsprechen, also eine Zeit lang
»zeitlos« sein. Demzufolge gilt es, kurzlebige Moden und Trends zu [er]kennen
und um diese einen Bogen zu machen.
Die Abgrenzung ist hier mitunter recht unscharf, sowohl bei der Identifizierung von
Moden als auch bei der Abschätzung von
Zeitlosigkeit.
In Summe sind das sehr hohe Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um ein
gut gestaltetes und nachhaltig geplantes
Büroraumkonzept zu erreichen. Erschwerend kommt hinzu, dass es keine Musterlösung für diese Anforderungen gibt. Jedoch kann nur so gewährleistet werden,
dass das Resultat trotz der hohen Anforderungen individuell und einzigartig sein
kann und sowohl einzelnen Mitarbeitern
als auch dem Unternehmen als sozialem
und kulturellem Organismus die Identifikation mit den Räumen und letztlich miteinander ermöglicht.
Veranstaltungsreihe der congena
38
congena Texte 2013
Schule des Respekts
congena Zwischenraum Januar 2012
Michael Gleich – Reporter auf der Suche
nach Lösungen.
Michael Gleich ist ein international anerkannter Journalist, aber auch Netzwerker
und Gründer der Stiftungen Peace Counts,
Nature Counts und Culture Counts.
Er sucht im konstruktiven Journalismus
Antworten auf die Konflikte in unserer
Welt. Dabei ist nicht das Problem, sondern
die Lösung Fokus seiner Betrachtung. Er
recherchiert unabhängig und konzentriert
sich darauf, Lösungen, Modelle und Vorbilder vorzustellen. »Er tue das, weil er,
wie vermutlich alle Menschen, gerne ein
paar gute Gründe für Zuversicht habe.«
Konflikte haben häufig ähnliche Ursachen.
Ob in Familie, Schule, in Unternehmen
oder zwischen Regionen: nicht Gemeinsamkeiten werden gesucht, gefördert und
gepflegt, sondern Unterschiede werden
ideologisch begründet, manifestiert und
nicht selten noch moralisch gerechtfertigt.
Die Berichte über den Ausgang derartiger Konflikte bestimmen täglich unsere
Medien.
Michael Gleich berichtet über hoffnungsvolle und positive Projekte aus den Krisengebieten dieser Welt – die in unseren
täglichen Nachrichten nicht vorkommen.
Ihn interessieren Menschen, die sich auf
den beschwerlichen Weg machen, aus
existenziellen Konfliktsituationen handhabbare und steuerbare Szenarien zu
entwickeln. Die Konfliktpalette reicht von
Bürgerkrieg über staatlich reglementierte
Umweltzerstörung bis hin zu kulturellen
Integrationsproblemen.
Als leidenschaftlicher Verfechter des sozialen und kulturellen Wandels in der Welt
trainiert und vernetzt er Journalisten in
allen Erdteilen und ermutigt sie, über die
vielen Erfolgsprojekte und die Kultur des
gegenseitigen Respekts zu berichten.
39
Mirjana Loitzl
congena Texte 2013
Persönlicher Arbeitsplatz oder Aufenthaltsqualität?
»Smart Working« bei der HypoVereinsbank München
Auch wenn sich immer mehr die Tendenz
zu nonterritorialen Arbeitsplätzen abzeichnet und manche sogar schon die
provokante Frage nach der langfristigen
Berechtigung des Büros stellen, ist der
persönliche Arbeitsplatz für viele nach
wie vor ein liebevoll gehegtes Heiligtum.
Insofern mag es um so mehr erstaunen,
dass die »Wahl« zwischen persönlichem
Arbeitsplatz oder Aufenthaltsqualität am
ersten Tag im »Smart Working« Pilotprojekt schnell entschieden war. Bis hin zu
der Aussage: »Das ist mein schönster Arbeitsplatz in vielen Jahren bei der Bank.«
Und das, obwohl die Mitarbeiter gar keinen
»eigenen« Arbeitsplatz mehr haben …!
Aber beginnen wir von vorne. Wie in
München inzwischen weithin sichtbar ist,
wird der 1981 bezogene HVB Tower im
Arabellapark generalsaniert. Nach der Besichtigung verschiedener Referenzprojekte
entschloss sich die HVB 2011, die Eignung
eines nonterritorialen Bürokonzeptes für
die Bank zu testen. Das war der Startschuss für das Pilotprojekt »Smart Working« im Tucherpark.
Im Rahmen des Pilotprojektes sollten folgende Fragen geklärt werden:
beiter können ihr Arbeitsumfeld aufgaben- und stimmungsabhängig wählen.
Eine hohe Gestaltungs- und Aufenthaltsqualität gleichen den »Verlust« des persönlichen Arbeitsplatzes aus. Wahlfreiheit und Selbstbestimmung fördern die
Mitarbeitermotivation und -identifikation.
Zufällige Begegnungen führen zu einem
hohen Maß an informeller Kommunikation und unterstützen Innovation und
Produktivität.
Durch das aufgabenbezogene Wechseln
des Arbeitsumfeldes ist eine persönliche
Zuordnung von Mitarbeitern zu Arbeitsplätzen nicht mehr erforderlich. Nachdem
aufgrund von Urlauben, Krankheit, Weiterbildung etc. in der Regel deutlich weniger als 100% der Mitarbeiter anwesend
sind, können im Verhältnis zu den Mitarbeitern weniger Arbeitsplätze vorgehalten
werden.
Messungen an den konventionellen Arbeitsplätzen vor dem Umzug der Piloteinheiten in die Smart Working Umgebung
bestätigen, dass sich die Mitarbeiter zu
einem guten Teil nicht am Arbeitsplatz
aufhalten.
Bedarfsplanung
• Ist Desk Sharing für Zentraleinheiten
in der UniCredit Group in Deutschland
umsetzbar?
• Wie kann man Mitarbeiter im Umstellungsprozess begleiten?
• Welche Sharing Ratio [Arbeitsplätze zu
Mitarbeiter] ist umsetzbar?
• Welche verschiedenen Einrichtungsmodule und -elemente werden benötigt und akzeptiert?
• Welche technischen und organisatorischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden?
Pilotnutzer sind der Immobilien- und der
Personalbereich.
Smart Working
Das Smart Working Konzept basiert auf
der Idee von Vielfalt und Wahlfreiheit –
von hochkonzentrierter Tätigkeit bis zu
kommunikativen Aufgaben. Die Mitar-
Den Ausgangspunkt für die Planung bildete
eine intensive Phase der Bedarfsplanung.
Einem Startworkshop mit dem obersten
Führungskreis folgten Interviews mit Bereichsvertretern und verschiedene quantitative Erfassungen – von Besprechungsbis Ablagebedarf.
Die Sharing Rate für das Pilotprojekt wurde
durch zwei Belegungsmessungen verifiziert. Für zehn Mitarbeiter stehen im
Schnitt acht vollwertige Bildschirmarbeitsplätze zur Verfügung.
IT und Kommunikationstechnik
Schnell wurde deutlich, dass die IT eine
zentrale Rolle beim Gelingen des Projektes
spielen würde. Die IT- und Kommunikationstechnik bildet die Grundlage der Mobilität im Rahmen von »Smart Working«.
Mit Blick auf die Mitarbeiterakzeptanz
Mirjana Loitzl
congena GmbH
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Mirjana Loitzl
Persönlicher Arbeitsplatz oder Aufenthaltsqualität?
congena Texte 2013
stand die Benutzerfreundlichkeit – plug
and work – im Fokus des IT Konzeptes.
Hinzu kam, dass die gemeinsam entwickelten Anforderungen – insbesondere die
flächendeckende Einführung von Laptops
– durch das Projektteam mit den IT Verantwortlichen geklärt werden mussten.
Aber auch die technischen Detaillösungen
waren häufig neu im IT Umfeld der HVB
und entsprachen nicht dem Standard der
Bank. Sie stellten die IT vor große Herausforderungen und ließen diese bis zur
letzten Minute unter Hochdruck arbeiten: WLAN unterstützt den Internet- und
Netzwerkzugriff in sämtlichen Arbeitsbereichen, die Telefonie über Softphone löst
die Hygieneprobleme von geteilten Telefonhörern, Follow me printing unterstützt
die Flexibilität, gewährleistet die Vertraulichkeit von Dokumenten und löst so Arbeitsplatzdrucker ab, Round Table Devices
übernehmen auf der Basis von Lync die
Funktion einer Videokonferenz. Und nicht
zuletzt werden Maus, Tastatur und externer Monitor mit nur einem USB Kabel angeschlossen! Zeitaufwändige Arbeitsplatz­
installationen werden dadurch vermieden
und die Mitarbeiterakzeptanz gesteigert.
klärt werden. Schließlich waren sämtliche
zukünftige Nutzer zu einem eintägigen
Infomarkt eingeladen, bei dem man einen
Vorgeschmack von dem neuen Konzept
bekommen konnte: Die neue IT- und Kommunikationsinfrastruktur wurde an echten
Arbeitsplätzen demonstriert und erläutert.
Ausstattungskomponenten konnten getestet werden und sämtliche Mitglieder
des Projektteams standen für Fragen, Anregungen und persönlichen Austausch zur
Verfügung.
Akzeptanzsicherung
Jeder Gebäudeteil begrüßt die Mitarbeiter mit einem kommunikativen »Zentrum«
bestehend aus einer Espressobar, Lounge
und Besprechungsräumen. Ein integrierter Wasserspender sowie eine hochwertige Kaffeemaschine übernehmen die
Getränkeversorgung.
Wichtig waren die regelmäßigen Workshops
mit Bereichsvertretern, die als Schnittstelle
und Botschafter in den Bereichen dienten.
Neben der Präsentation und Diskussion
von Planungsergebnissen konnten die Bedürfnisse der Kollegen diskutiert und ge-
Business Lounge | Espressobar
»Smart Working« live
Seit Sommer 2012 können die Mitarbeiter
Smart Working im Alltag [er]leben. Ein
Verwaltungsgebäude der Bank am Tucherpark in München aus dem Jahr 1974
wurde für das Pilotprojekt umfassend
saniert und den Bedürfnissen angepasst.
Das Pilotprojekt wurde auf drei Geschossen mit jeweils zwei gesonderten Gebäudeteilen realisiert. Für ca. 300 Mitarbeiter
wurden ca. 250 vollausgestattete Arbeitsplätze geschaffen. Hinzu kommen Touch
down Arbeitsmöglichkeiten, formelle und
informelle Meetingbereiche, etc.
Co-Working Seaside
Worklounge
Mirjana Loitzl
Persönlicher Arbeitsplatz oder Aufenthaltsqualität?
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congena Texte 2013
Meeting 2 – 4 P
Meeting 6 – 8 P
Espressobar | Lounge
Docu Center
Ablage | Rollregalanlagen
Verkehrswege
Kommunikation
Konzentration
Grundrissorganisation
5. OG
Anforderungen entsprechend organisiert
sind. Wenn diese jedoch nicht durch eine
Assistenz genutzt werden, stehen sie für
jeden Mitarbeiter zur Verfügung.
Heimat
Kommunikation
Die Abteilungen sind organisatorisch einzelnen Homebases zugeordnet. Diese sind
sozusagen der Heimathafen einer Abteilung. Sie sind die erste Anlaufstelle, wo
sich auch die Assistenzarbeitsplätze befinden. Für Assistenzfunktionen werden Arbeitsplätze definiert, die den spezifischen
Für kommunikative Tätigkeiten stehen die
Project Areas und Co-Working Bereiche
zur Verfügung. Die Project Areas bieten
Teams bis zu sechs Personen einen gemeinschaftlichen Arbeitsbereich. Integrierte
Monitore ermöglichen die notwendigen
Visualisierungsmöglichkeiten.
Fotos: H.G. Esch
Die Arbeitsbereiche in den Geschossen
entwickeln sich von kommunikativen zu
ruhigen Arbeitsbereichen für fokussierte
Aufgaben.
Homebase
Project Area
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Mirjana Loitzl
Persönlicher Arbeitsplatz oder Aufenthaltsqualität?
Die Co-Working Bereiche können sowohl
für individuelle Tätigkeiten als auch für
Aufgaben in kleinen Teams genutzt werden. Sie zeichnen sich mitunter durch ihre
Gestaltung aus, die sich am Arbeiten am
Wasser bzw. im Grünen anlehnen und so
ein inspirierendes und abwechslungsreiches Arbeitsumfeld schaffen.
Konzentration
Die Quiet Areas sind hochkonzentrierten
Aufgaben vorbehalten. Die Arbeitsplätze
sind gegeneinander abgeschirmt und
schaffen ein klausurartiges Umfeld.
Außerdem bieten Einzelbüros und Phone
Booths Rückzugsmöglichkeiten für
vertrauliche Themen und ungestörtes
Arbeiten.
Gemeinschaft
Neben den Lounges sind in der sogenannten »Multiline« Module für Büroinfrastruktur und informelle Besprechungsund Arbeitsmöglichkeiten konzentriert,
vom Think Tank bis zu Touch Down
Arbeitsplätzen.
Arbeitsplatzausstattung
Um die Arbeitsplätze ergonomisch optimal an die Bedürfnisse unterschiedlicher
Nutzer anpassen zu können, sind alle
Bildschirmarbeitsplätze mit elektromoto-
Quiet Area
congena Texte 2013
risch höhenverstellbaren Schreibtischen
ausgestattet. Gleichzeitig erlauben sie
eine wechselnde Tätigkeit im Sitzen und
Stehen und beugen so den heute weit
verbreiteten Rückenleiden vor.
Hochwertige Bürodrehstühle bieten Einstellmöglichkeiten für unterschiedliche
Körpergrößen: Sitzhöhen- und Sitztiefenverstellung, höhenverstellbare Rückenlehne, in Höhe, Tiefe und Abstand
verstellbare Armlehnen.
Stauraum
Für persönliche Materialien steht jedem
Mitarbeiter an zentraler Stelle ein Schließfach zur Verfügung, das individuell gekennzeichnet werden kann. Für den Transport von Laptop und Unterlagen wird ein
Pilotenkoffer genutzt, der in das Schließfach passt.
Großzügige Rollregalanlagen an den Gebäudekernen konzentrieren das Stauraumangebot gut erreichbar. Damit die
Rollregalanlage nicht die Atmosphäre
eines Kellerarchivs erzeugt, ist sie passend
zur Architektur des Gebäudes gestaltet
und hat – ganz zum Bankumfeld passend
– einen schwarzen Anzug mit einem gestreiftem »Futter« bekommen. Neben der
hochwertigen Gestaltung erfolgt die Bedienung über individualisierte PIN-Codes.
Der Zugang zu den Akten wird über eine
elektronische Freigabe sowie elektrisches
Co-Working Greenspace
Rollregalanlage
Mirjana Loitzl
Persönlicher Arbeitsplatz oder Aufenthaltsqualität?
43
congena Texte 2013
Nonterritoriale Bürokonzepte haben weniger Arbeitsplätze als Nutzer. Die Arbeitsplätze sind den Mitarbeitenden nicht fest zugeordnet, um die Auslastung zu optimieren
und damit den Flächenbedarf zu reduzieren.
Aktivitätsbasierte Bürokonzepte sind ebenfalls nonterritoriale Bürokonzepte. Sie
zeichnen sich zudem durch vielfältige Arbeitsbereiche und Wahlfreiheit sowie eine hohe
Gestaltungsqualität aus. Dadurch können die Mitarbeitenden ihr Arbeitsumfeld
aufgaben- und stimmungsabhängig selbst bestimmen.
Bewegen, Öffnen und Schließen der Anlage ermöglicht. Zusätzlich konnten organisatorische Maßnahmen, die professionell
moderiert wurden, das Ablagevolumen in
manchen Bereichen deutlich reduzieren.
Dezentrale Schrankelemente in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen bieten
arbeitsplatznahe Ablagemöglichkeiten.
Hier lässt sich gut arbeiten und leben
Mit dem Pilotprojekt ist für die Bank ein
flexibles und zukunftsfähiges Bürokonzept
entstanden, das den Mitarbeitern ein
Arbeitsumfeld mit einer hohen Aufenthaltsqualität bietet – trotz nonterritorialer
Arbeitsplätze. Oder vielleicht gerade
deshalb?
Sepp Ruf
Projektlaufzeit
Mai 2011 – Oktober 2012
Fläche
4.985 qm BGF
Kapazität
ca. 250 Arbeitsplätze für ca. 300 Mitarbeitende
Bürokonzept
Business Club
congena
Bedarfsplanung, Bürokonzept, Innenarchitektur, Belegungsplanung, Mobiliarplanung
Leistungen
und -ausschreibung, Bauleitung Innenausbau, Unterstützung Akzeptanzsicherung
Fotos: H.G. Esch
Architektur
Business Lounge
Stand up Meeting
45
Autoren
congena Texte 2013
Die Autoren in diesem Heft
Gabriele Allendorf
büro für corporate light and architecture
München
Ralf Kirberg
Sculpture Network
München
Christoph Kitterle
congena GmbH
München
Malte Kopmann
congena GmbH
München
Ivo Lai
art aqua
Bietigheim-Bissingen
Mirjana Loitzl
congena GmbH
München
Daniel Neves Pimenta
Nimbus Group
Stuttgart
Laura Potthoff
congena GmbH
München
Sarah Spranz
congena GmbH
München
Professor Axel Venn
Berlin
46
Bildnachweis
Bildnachweis
S. 4-5 S. 8-9 S. 15 S. 18 S. 20
S. 22 S. 23 S. 24 S. 26-27
S. 28
S. 29
S. 29
S. 32-33
S. 40-41
S. 42-43
Fotos: Lukas Palik
Fotos oben: congena
Fotos unten: H.G. Esch
Fotos: Axel Venn
Fotos: Rainer Jacob
Foto: Ronald van Wieren
Fotos: Nimbus Group | Roland Halbe
Foto links: Mauser Einrichtungssysteme
Foto rechts: Nimbus Group | Xaver Lockau
Illustration: Nimbus Group | Frank Ockert
Fotos oben und unten: Gabriele Allendorf
Fotos oben und unten: Gabriele Allendorf
Fotos oben: Gabriele Allendorf
Fotos unten: Copyright: Deutsche Bank AG
alle Fotos: art aqua
alle Fotos: H.G. Esch
Planzeichnung S. 41 oben: congena
alle Fotos: H.G. Esch
Quellen und Lektüre
S. 10
S. 11
S.15
S. 26-29
www.Raumprobe.de
Artikel Professor Axel Venn
A.Venn, J. Venn-Rosky, Das Farbwörterbuch, Callwey 2010
A.Venn u.a. Farben der Gesundheit, Callwey 2011
A.Venn u.a. Farben der Hotels, Callwey 2013
Frank Thadeusz, Kisschen an der Lehne, Der Spiegel 38 | 2011
Jonathan Olivares: A Taxonomy of Office Chairs, Phaidon, London
Artikel Gabriele Allendorf
Lichtwissen19
Wirkung des Lichts auf den Menschen
www.licht.de
Info und Service – Publikationen + Downloads
wiki.iao.fraunhofer.de
Otl Aicher: Die Welt als Entwurf, Schriften zum Design
Verlag Ernst und Sohn, Berlin
congena Texte 2013
47
Impressum
Impressum
congena Texte 2013
Herausgeber
congena Texte 2013
Redaktion
Telefon 0 89 45 49 28-0
Telefax 0 89 45 49 28-99
Internet: www.congena.de
E-mail: [email protected]
electronic publishing
Bezugspreis
Druckerei Joh. Walch
Im Gries 6
D-86179 Augsburg
Telefon 08 21 8 08 58-0
Telefax 08 21 8 08 58-39
Internet: www.walchdruck.de
E-mail: [email protected]
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Mirjana Loitzl
Petra Schneegass
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