Einige Ergebnisse der euklidischen Geometrie

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1
Teil I
Einige Ergebnisse der euklidischen
Geometrie
In Teil I setzen wir den euklidischen Raum als bekannt voraus (aus der Schule oder aus der
Vorlesung Lineare Algebra und Analytische Geometrie). Da wir uns auf die Dimensionen
2 und 3 beschränken, genügt das „Allgemeinwissen“ über diesen Raum.
1
1.1
Vorbereitungen
Bezeichnungen
Wir stellen hier einige Bezeichnungen zusammen, die soweit möglich durchgängig verwendet werden.
A, B, C, . . . Punkte
a, b, c, . . . , g, h, . . . Geraden
d(A, B) Abstand der Punkte A und B
d(A, g) Abstand des Punktes A von der Geraden g
AB Gerade durch die Punkte A, B
AB Strecke von A nach B
(AB) AB \ {A, B} (offene Strecke)
AB + in A beginnende Halbgerade in AB, die B enthält
AB − in A beginnende Halbgerade in AB, die B nicht enthält
ABC Ebene durch die (nicht kollinearen) Punkte A, B, C
gC + = ABC + Halbebene H durch die (nicht kollinearen) Punkte A, B, C,
die von g = AB berandet wird und den Punkt C enthält
k(M ) Kreis um M
k(M, r) Kreis um M mit Radius r
<) P SQ Winkel mit Scheitel S und den Schenkeln SP + , SQ+
∆ABC Dreieck mit den Eckpunkten A, B, C
∼
= kongruent
∼ ähnlich
⊥ orthogonal (a ⊥ b, k(A) ⊥ k(B)); in Zeichnungen: Doppelbogen
h . , . i Skalarprodukt, symmetrische Bilinearform
[ . . . ] lineare Hülle
Um Schreibarbeit zu sparen, wird gelegentlich nicht zwischen Elementen und einelementigen Mengen unterschieden (also A = g ∩ h statt {A} = g ∩ h).
Bei Bedarf wählen wir in der euklidischen Ebene E2 und im euklidischen Raum E3 ein
kartesisches Koordinatensystem. In der euklidischen Ebene E2 lässt sich nach Festlegung
eines Punktes P ∈ E2 als Pol, einer Nullrichtung sowie eines positiven Drehsinns
(Drehung gegen den Uhrzeigersinn) jeder Punkt Z ∈ E2 \ {P } auch eindeutig beschreiben
durch (siehe Abbildung 1.1)
2
1 VORBEREITUNGEN
• den Winkel ϕ ∈ [0, 2π[ zwischen der Nullrichtung und dem Vektor ~z − p~ ,
• den Abstand r := d(P, Z) > 0.
c Z(ϕ|r)
r
Pc
ϕ
Nullrichtung
Abbildung 1.1: Polarkoordinaten
Wählt man als Pol P den Koordinatenursprung O und als Nullrichtung die positive xAchse, so lassen sich die Polarkoordinaten (ϕ|r) von Z wie folgt in kartesische Koordinaten umrechnen:
x = r cos ϕ , y = r sin ϕ .
Umgekehrt gilt
r=
Den Winkel ϕ erhält man als
1.2
p
x2 + y 2 .
x
ϕ = arccos p
, falls y ≥ 0 ,
x2 + y 2
x
ϕ = 2π − arccos p
sonst .
x2 + y 2
Elementare Sätze
Aus
folgt sofort der
Satz 1
x2 + ax + b = (x − x1 )(x − x2 ) = x2 − (x1 + x2 )x + x1 x2
(Satz von Vieta) Sind x1 , x2 die Lösungen der Gleichung
x2 + ax + b = 0 ,
so ist b das Produkt und −a die Summe dieser Lösungen.
Satz 2 Gegeben seien ein Kreis k und ein Punkt A ∈
/ k. Schneidet eine Gerade g durch A
den Kreis k in den Punkten P, Q, so ist das Produkt
d(A, P ) · d(A, Q)
unabhängig von der Wahl von g.
3
1 VORBEREITUNGEN
Bc
k
c
c
A
P
c
c
Q
Abbildung 1.2: Sekanten-Tangenten-Satz
Beweis: Ist k o. E. durch die Gleichung ~x 2 := h~x , ~x i = r 2 gegeben, so berechnen sich die
Schnittpunkte P, Q der Geraden
g : ~x = ~a + λ~v , ~v 2 = 1
aus der Gleichung
λ2 + 2λh~a , ~v i + ~a 2 − r 2 = 0 .
Satz 1 liefert
λP λQ = ~a 2 − r 2 ,
was unabhängig ist von ~v .
2
Bem. 1 Liegt A innerhalb des Kreises, so liegt der Sehnensatz vor, liegt A außerhalb,
so hat man den Sekantensatz. Betrachtet man die Tangente AB, B ∈ k als spezielle
Sekante, bekommt man den Sekanten-Tangenten-Satz, der bereits Euklid bekannt war
(siehe Abb. 1.2):
d(A, P ) · d(A, Q) = d2 (A, B) .
(1)
cQ
Mc
P c
Ac
c
C
cB
Abbildung 1.3: Goldener Schnitt
Bem. 2 Ein Punkt C teilt eine Strecke AB im Goldenen Schnitt (die Bezeichnung
geht auf Kepler (1571-1630) zurück, der von der sectio divina sprach), wenn sich die
4
1 VORBEREITUNGEN
Länge von AB zur Länge der größeren Teilstrecke verhält wie diese zur Länge der kleineren. Man kann C nach dem Sekanten-Tangenten-Satz wie folgt konstruieren (siehe Abb.
1.3).
Ist k = k(M, r) ein Kreis mit r = 12 d(A, B), der AB in B berührt, und ist P Q der
Durchmesser von k, dessen Trägergerade A enthält (P zwischen A und Q), so teilt P die
Strecke AQ im Goldenen Schnitt. Trägt man AP von A aus auf AB + ab, so erhält man
den gesuchten Punkt C. Aus (1) folgt nämlich
d(A, B) · d(A, C) + d(B, C) = d2 (A, B)
= d2 (P, Q) = d(A, P ) · d(A, Q)
= d(A, C) · d(A, C) + d(A, B)
und daraus (man betrachte den ersten und letzten Term)
d(A, B) · d(B, C) = d2 (A, C) ,
also
d(A, B)
d(A, C)
=
,
d(A, C)
d(B, C)
sowie (man betrachte die zweite Zeile)
d(A, Q)
d(P, Q)
=
.
d(P, Q)
d(A, P )
_
Def. Liegen A, B, P auf dem Kreis k(M ) und ist AB ⊂ k(M ) der Bogen, der P nicht
_
enthält, so heißt der Winkel <) AP B, in dessen Feld AB liegt, Peripheriewinkel oder
_
_
Umfangswinkel über AB. Der Winkel <) AM B, in dessen Feld AB liegt, heißt der
_
Mittelpunktswinkel oder Zentriwinkel über AB.
sP
α
P cs
α
α
A
sc
γ cM
β
δ
ε
cM
Ps
α
β
δ
sc
B
A
sc
sc
Z
cM
B
A
β
sc
sc
B
sc
(a)
(b)
Abbildung 1.4: Peripherie- und Zentriwinkel
cs Z
(c)
5
1 VORBEREITUNGEN
Satz 3 (i) Jeder Peripheriewinkel eines Kreises ist halb so groß wie der Zentriwinkel über
demselben Bogen.
(ii) Alle Peripheriewinkel über demselben Kreisbogen sind gleich groß.
(iii) (Satz von Thales1 ) Alle Peripheriewinkel über einem Halbkreis sind rechte Winkel.
(iv) Der Winkel zwischen einer Sehne und der Tangente in einem Endpunkt (SehnenTangenten-Winkel) ist halb so groß wie der zur Sehne gehörende Zentriwinkel.
_
Beweis: (i) Wir betrachten Winkel über dem in Abb. 1.4 fett eingezeichneten Bogen AB.
Liegt die Situation von Abb. 1.4 (a) vor, so gilt 2α + 2δ = 180◦ , also
β = 180◦ − 2δ = 2α .
Im Fall (b) betrachtet man zunächst Winkel über den Sehnen AZ und BZ und addiert
die Resultate. Im Fall (c) sind die Resultate geeignet zu subtrahieren.
√
(ii), (iii)
(iv) Abb. 1.4 (a) zeigt
β
1
ε = 90◦ − δ = 90◦ − (180◦ − β) = .
2
2
2
Bem. 3 Ein Kreisbogen über einer Strecke AB, für dessen Punkte <) AP B = α gilt,
heißt Fasskreisbogen zu α über AB. Die Aussage (iv) liefert eine einfache Konstruktionsmöglichkeit des Fasskreisbogens.
Die Umkehrung des obigen Resultats enthält der
Satz 4
Gilt <) AP B = α, so liegt P auf dem Fasskreisbogenpaar zu α über AB.
Beweis: Die Abbildung 1.5 zeigt
<) AP B = 180◦ − (180◦ − α − ε) = α + ε > α
für Punkte innerhalb des Fasskreisbogenpaares und
<) AP B = 180◦ − (180◦ − α) − ε = α − ε < α
für Punkte außerhalb.
2
Da sich die Zentriwinkel komplementärer Bögen zu 360◦ ergänzen, folgt aus Satz 3 und
Satz 4 der
Satz 5 Ein Viereck besitzt einen Umkreis genau dann, wenn sich gegenüberliegende Winkel
zu 180◦ ergänzen (Sehnenviereck).
1
In Frankreich bezeichnet man den Strahlensatz als Satz von Thales.
6
1 VORBEREITUNGEN
sc P
α
0
cP
cP
sc P 0
α
ε
A
ε
sc
sc
B
A
sc
sc
B
(a)
(b)
Abbildung 1.5: Der Fasskreisbogen
Bem. 4 Die Fläche F eines Dreiecks berechnet sich mit den üblichen Bezeichnungen
(siehe Abbildung 1.6) bekanntlich zu
1
1
F = c · hc = a · b · sin γ .
2
2
Wir leiten im Folgenden eine Formel für eine vorzeichenbehaftete Fläche A her, die zur
Überprüfung des Umlaufsinns eines Dreiecks verwendet werden kann. Wir gehen dazu aus
von ∆P1 P2 P3 aus Abbildung 1.6. Man berechnet
y
c P3 (x3 |y3 )
cC
P1 (x1 |y1 ) c
γ
b
Ac
hc
c
c
c P2 (x2 |y2 )
a
cB
c
c
c
c
O1
O3
O2
x
Abbildung 1.6: Flächenberechnung
A(P1 P2 P3 ) := A(∆P1 P2 P3 ) = A(P1 O1 O3 P3 ) + A(P3 O3 O2 P2 ) − A(P1 O1 O2 P2 )
1
1
1
= (y1 + y3 )(x3 − x1 ) + (y3 + y2 )(x2 − x3 ) − (y1 + y2 )(x2 − x1 )
2
2
2
x1 x2 x3 1
= y1 y2 y3 .
2
1 1 1 Daher definiert man für beliebige Punkte P1 = P1 (x1 |y1 ), P2 = P2 (x2 |y2 ), P3 = P3 (x3 |y3 )
die Fläche von ∆P1 P2 P3 durch
x1 x2 x3 1
A(P1 P2 P3 ) = y1 y2 y3 .
2
1 1 1 7
1 VORBEREITUNGEN
Wegen
A(P1 P2 P3 ) = −A(P1 P3 P2 )
ist die so definierte Fläche vorzeichenbehaftet. Es gilt der folgende
Satz 6 Die Fläche A(P1 P2 P3 ) ist positiv [negativ] genau dann, wenn der Umlaufsinn von
∆P1 P2 P3 positiv [negativ] ist.
1.3
Bewegungen
Wir legen im Folgenden den d-dimensionalen euklidischen Raum Ed zu Grunde (wir betrachten ausschließlich die Fälle d = 2 und d = 3).
Def. Eine Selbstabbildung b des Ed , die alle Abstände invariant lässt, heißt Bewegung.
Ist der Ed auf ein kartesisches Koordinatensystem bezogen, so gibt es bekanntlich eine
orthogonale (d, d)-Matrix B (B T B = Ed ) und einen Vektor
 1 
t.
~t =  .. 
td
derart, dass b die Darstellung
b:
Ed → E d
X 7→ X ? , ~x ? = B~x + ~t
besitzt. Die Bewegung heißt eigentlich [uneigentlich] genau für |B| = 1 [|B| = −1]. Die
Hintereinanderausführung von zwei [un]eigentlichen Bewegungen ergibt eine eigentliche
Bewegung. In der euklidischen Ebene E2 erhalten genau eigentliche Bewegungen den
Umlaufsinn von Dreiecken.
Wir gehen nun aus von einer (eigentlichen oder uneigentlichen) Bewegung b der auf ein kartesisches Koordinatensystem bezogenen euklidischen Ebene E2 und untersuchen anhand
der Fixpunkte von b, welche Bewegung vorliegt. Da diese Frage bereits (in allgemeinerem
Zusammenhang) in der Vorlesung „Lineare Algebra“ behandelt wurde und auch aus der
Schule bekannt ist, kann ich mich kurz fassen.
Neben b benötigen wir die homogene Bewegung
2
E → E2
bh :
,
(2)
X 7→ X ? , ~x ? = B~x
die aus b entsteht, indem man den Translationsanteil ~t weglässt.
Fall 1: Rg(B − E2 ) = 0 bedeutet B = E2 . b ist eine Translation oder die Identität in E2 .
Es liegt eine eigentliche Bewegung vor.
8
1 VORBEREITUNGEN
Fall 2: Für Rg(B − E2 ) = 1 besitzt die Bewegung bh genau eine Fixpunktgerade f . bh
ist die Spiegelung an f . b ist eine Spiegelung an f gefolgt von einer Translation. Durch
Parallelverschiebung der Spiegelungsachse kann man erreichen, dass die Translation zur
Spiegelungsachse parallel wird. Dann liegt eine Gleitspiegelung oder Schubspiegelung
vor. Die Geradenspiegelung ist darin als Spezialfall enthalten. In jedem Fall hat man
eine uneigentliche Bewegung.
Fall 3: Für Rg(B −E2 ) = 2 besitzt die Bewegung b genau einen Fixpunkt F . Also ist b eine
Drehung um F um einen Winkel ϕ 6= 0. Für ϕ = π erhält man die Punktspiegelung
an F . Man hat eine eigentliche Bewegung.
Es gibt also genau die in der folgenden Tabelle aufgeführten Bewegungen der euklidischen
Ebene E2 .
|B| = +1
|B| = −1
Rg(B − E2 ) = 2
Drehung
Spezialfall:
Punktspiegelung
–
Rg(B − E2 ) = 1
–
Gleitspiegelung
Spezialfall:
Geradenspiegelung
Rg(B − E2 ) = 0
Translation
Spezialfall:
Identität
–
Bem. Die Hintereinanderausführung von zwei Spiegelungen an Geraden, welche einen
Winkel ϕ einschließen, kann durch eine Drehung um den Schnittpunkt S der beiden
Geraden um den Winkel ±2ϕ ersetzt werden.
Sei nun b eine Bewegung des auf ein kartesisches Koordinatensystem bezogenen euklidischen Raums E3 .
Fall 1: Rg(B − E3 ) = 0 bedeutet B = E3 . Es liegt eine Translation oder die Identität in
E3 vor (eigentliche Bewegung).
Fall 2: Für Rg(B − E3 ) = 1 hat die zugehörige homogene Bewegung bh genau eine Fixpunktebene ε, ist also eine Spiegelung an ε. b ist eine Gleitspiegelung. Die Spiegelung
an einer Ebene ist als Spezialfall enthalten (siehe den ebenen Fall 2). Es liegt eine
uneigentliche Bewegung vor.
Fall 3: Für Rg(B − E3 ) = 2 besitzt die Bewegung bh eine Fixpunktgerade f durch O, sie
ist also eine Drehung um f . b ist eine Drehung um eine zu f parallele Gerade gefolgt von
einer Translation parallel zu f , also eine Schraubung. Ein Spezialfall ist die Drehung
um eine Gerade. Die Schraubung ist eine eigentliche Bewegung.
Fall 4: Für Rg(B − E3 ) = 3 besitzt b genau einen Fixpunkt F . Wäre |B| = 1, so hätte
man
|B − E3 | = |B T | · |B − E3 | = |(E3 − B)T | = |E3 − B| = −|B − E3 |
im Widerspruch zur Voraussetzung. Also liegt eine uneigentliche Bewegung vor und es
gilt
1 = −|B| = | − B| .
9
1 VORBEREITUNGEN
Für die Abbildung
bh :
E3 → E 3
X 7→ X ? , ~x ? = −B~x
sind daher nur zwei Fälle möglich (siehe Fall 2).
Fall 4.1: Für Rg(B + E3 ) = 2 besitzt die Abbildung bh genau eine Fixpunktgerade f .
Man kann leicht zeigen, dass die Bewegung b die zu f senkrechte Ebene ε durch F auf
sich abbildet. b|ε ist also eine Drehung um F . Generell hat man eine Drehung um die
zu f parallele Gerade durch F gefolgt von einer Spiegelung an ε. Die Bewegung b heißt
Drehspiegelung.
Fall 4.2: Für Rg(B + E3 ) = 0 ist b die Punktspiegelung an F .
Es gibt also genau die in der folgenden Tabelle aufgeführten Bewegungen des euklidischen
Raums E3 .
Rg(B − E3 )
2
3
|B| = +1
|B| = −1
1.4
Schraubung
Spezialfall:
Drehung um Gerade
–
Drehspiegelung, falls
Rg(B + E3 ) = 2;
Punktspiegelung, falls
Rg(B + E3 ) = 0
–
1
–
0
Translation
Spezialfall:
Identität
Gleitspiegelung
Spezialfall:
Ebenenspiegelung
–
Teilverhältnis und Doppelverhältnis
Wir beschäftigen uns im Folgenden mit kollinearen Punkten, also Punkten einer Geraden
g. Dazu ist es bisweilen sinnvoll, für Punkte P, Q ∈ g zusätzlich zum üblichen Abstand
d(P, Q) durch Auszeichnung einer Halbgeraden AB + ⊂ g einen orientierten Abstand
db einzuführen:
d(P, Q) , falls P Q+ ∩ AB + ∈ {P Q+ , AB + } („gleichgerichtet parallel“),
b
d(P, Q) =
−d(P, Q) sonst.
Sind P1 , P2 , P3 kollineare Punkte mit P2 6= P3 , so heißt die reelle Zahl λ, für die
−→
−→
P1 P3 = λ· P3 P2
(3)
gilt (siehe Abbildung 1.7), das Teilverhältnis T V (P1 , P2 , P3 ) der Punkte P1 , P2 , P3 (in
dieser Reihenfolge). Genau für P1 = P3 gilt λ = 0; genau für λ > 0 gilt P3 ∈ (P1 P2 ). Für
λ = 1 erhält man den Mittelpunkt der Strecke P1 P2 . Haben die Punkte Pi die Ortsvektoren
p~ i = ~a + λi~v (i = 1, 2, 3) ,
A
10
1 VORBEREITUNGEN
P
c1
P
c3
P
c2
Abbildung 1.7: Teilverhältnis
A
so errechnet man leicht
T V (P1 , P2 , P3 ) =
Bem. 1
b 3 , P1 )
b 1 , P3 )
d(P
d(P
λ3 − λ 1
=
.
=
b 2 , P3 )
b 3 , P2 )
λ2 − λ 3
d(P
d(P
A
Für A 6= B ist die Abbildung
AB \ {B} → R
P
7→ T V (A, B, P )
injektiv.
Nach dem Strahlensatz ändert sich das Teilverhältnis bei Parallelprojektionen nicht (siehe
Abb. 1.8):
Cc
B
c
Ac
cA
0
cB
0
cC
0
Abbildung 1.8: Teilverhältnis und Parallelprojektion
T V (A, B, C) =
b C)
b 0, C 0)
d(A,
d(A
=
= T V (A0 , B 0 , C 0 ) .
0
0
b
b
d(C, B)
d(C , B )
Dies gilt nicht für Zentralprojektionen. Wir werden aber zeigen, dass das Verhältnis
von Teilverhältnissen, das Doppelverhältnis, erhalten bleibt. Für kollineare Punkte
A, B, C, D mit {A, B} ∩ {C, D} = ∅ ist es definiert als
DV (A, B, C, D) :=
Wir zeigen zunächst das
Lemma 1
b C) d(A,
b D)
T V (A, B, C)
d(A,
=
:
.
b B) d(D,
b B)
T V (A, B, D)
d(C,
Für das Doppelverhältnis gilt
DV (A, B, C, D) = DV (B, A, D, C) = DV (C, D, A, B) = DV (D, C, B, A)
(4)
11
1 VORBEREITUNGEN
und
DV (B, A, C, D) =
1
.
DV (A, B, C, D)
(5)
Beweis: Das erste „=“ in (4) ist klar. Das zweite folgt aus
DV (A, B, C, D) =
=
=
b C) d(A,
b D)
d(A,
:
b B) d(D,
b B)
d(C,
b B)
b C) d(C,
d(A,
:
b D) d(D,
b B)
d(A,
b A) d(C,
b B)
d(C,
T V (C, D, A)
:
=
= DV (C, D, A, B) .
b
b
T V (C, D, B)
d(A, D) d(B, D)
Das dritte „=“ folgt aus den ersten beiden.
(5) folgt aus
T V (A, B, X) =
b A)
b X)
d(X,
1
d(A,
=
=
.
b B)
b X)
T V (B, A, X)
d(X,
d(B,
2
Zc
α
A0 c
Ac
a
β γ
B0 c
Bc
b
cC
cD
0
0
g0
cC
cD
c
g
d
Abbildung 1.9: Doppelverhältnis und Zentralprojektion
Wir beweisen nun, dass das Doppelverhältnis invariant ist unter einer Zentralprojektion.
Mit den Bezeichnungen in Abb. 1.9 ist also
DV (A, B, C, D) = DV (A0 , B 0 , C 0 , D 0 )
(6)
nachzuweisen. Da sich bei der Projektion die Reihenfolge der Punkte nicht ändert oder
genau umkehrt, genügt es nach (4)
DV (A, B, C, D) = ±DV (A0 , B 0 , C 0 , D 0 )
(7)
12
1 VORBEREITUNGEN
zu zeigen. Man kann also an Stelle des orientierten Abstands den üblichen Abstand verwenden. Damit gilt nach 1.2 Bem. 4
d(A, C) d(A, D)
d(A, C)d(Z, g) d(A, D)d(Z, g)
DV (A, B, C, D) = ±
:
=±
:
d(C, B) d(D, B)
d(C, B)d(Z, g) d(D, B)d(Z, g)
= ±
d(A, Z)d(C, Z) sin(α + β) d(A, Z)d(D, Z) sin(α + β + γ)
:
d(B, Z)d(C, Z) sin β
d(B, Z)d(D, Z) sin(β + γ)
= ±
sin(α + β) sin(β + γ)
,
sin β sin(α + β + γ)
woraus (7) und damit (6) folgt.
Da das Doppelverhältnis also für alle Geraden, welche die Geraden a, b, c, d schneiden,
übereinstimmt, kann man definieren:
DV (a, b, c, d) := DV (A, B, C, D) .
Dadurch wird ein Doppelverhältnis für Geradenbüschel (engl. pencil ) - das heißt für die
einparametrige Schar aller Geraden der Ebene durch einen festen Punkt - eingeführt.
Aufgabe: Zu Punkten A, B, C, D ∈ g und U, V, W ∈ q konstruiere man den Punkt T ∈ q
mit
DV (A, B, C, D) = DV (T, U, V, W ) .
Durch Parallelverschiebung der Geraden g kann man C = V erreichen. Dann erhält man
T wie in Abb. 1.10 gezeigt.
Zc
q
Tc
D
cU
g
c
c
C =V
Bc
cW
Ac
Abbildung 1.10: Doppelverhältnis: Konstruktion des vierten Punktes
Wegen
T V (A, B, C)
T V (A, B, D)
>0
<0
⇐⇒
⇐⇒
C ∈ (AB)
,
C∈
/ AB
>0
<0
⇐⇒
⇐⇒
D ∈ (AB)
,
D∈
/ AB
A
13
1 VORBEREITUNGEN
gilt
(8)
DV (A, B, C, D) < 0
genau dann, wenn wie in Abb. 1.11 genau einer der Punkte C, D zwischen A und B (und
Ac
Cc
cD
cB
Abbildung 1.11: Doppelverhältnis: Trennung der Punktepaare
damit auch genau einer der Punkte A, B zwischen C und D) liegt. Man sagt daher, dass
die Paare {A, B} und {C, D} einander trennen, wenn (8) gilt.
Lemma 2
Seien P, Q ∈ g fest und A, B, C ∈ (P Q) (vergleiche Abb. 1.12). Dann gilt:
(i) DV (A, B, P, Q) > 0.
(ii) DV (A, C, P, Q) · DV (C, B, P, Q) = DV (A, B, P, Q) .
Pc
Ac
cB
cQ
cC
g
Abbildung 1.12: Doppelverhältnis
Beweis: (i) gilt nach obiger Überlegung.
(ii) Wegen (i) genügt es, nicht orientierte Abstände zu verwenden.
DV (A, C, P, Q) · DV (C, B, P, Q) =
=
d(A, P ) · d(Q, C) · d(C, P ) · d(Q, B)
d(P, C) · d(A, Q) · d(P, B) · d(C, Q)
d(A, P ) d(A, Q)
:
= DV (A, B, P, Q) .
d(P, B) d(Q, B)
2
Satz Seien P, Q ∈ g (P 6= Q) fest gewählt. Dann wird durch
(9)
dH (A, B) := ln DV (A, B, P, Q)
ein orientierter Abstand auf (P Q) definiert.
Beweis: (i) Nach (5) ist dH schiefsymmetrisch:
dH (A, B) = ln DV (A, B, P, Q) = ln
1
DV (B, A, P, Q)
= − ln DV (B, A, P, Q) = −dH (B, A) .
14
1 VORBEREITUNGEN
(ii) Es gilt
dH (A, B) = 0
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
DV (A, B, P, Q) = 1
T V (A, B, P ) = T V (A, B, Q)
A = B (wegen P 6= Q) .
(iii) Aus Lemma 2 (ii) folgt
dH (A, C) + dH (C, B) = ln DV (A, C, P, Q) + ln DV (C, B, P, Q)
= ln DV (A, C, P, Q) · DV (C, B, P, Q)
= ln DV (A, B, P, Q) = dH (A, B) .
2
Bem. 2 Die Abbildung 1.13 zeigt, wie man durch Übertragung des Doppelverhältnisses
auf eine Hilfsgerade durch P einen Punkt C ∈ (BQ) mit dH (A, B) = dH (B, C), also mit
DV (A, B, P, Q) = DV (B, C, P, Q)
findet. Durch wiederholte Anwendung dieses Verfahrens erhält man eine Punktfolge
A, B, C, D, E, . . . mit
dH (A, B) = dH (B, C) = dH (C, D) = dH (D, E) = . . . ,
ohne den Punkt Q zu erreichen. Durch (9) wurde also auf der offenen Strecke (P Q) ein
Abstand eingeführt, der alle Eigenschaften des üblichen orientierten euklidischen Abstands
auf der Geraden P Q besitzt.
Bem. 3 Die Definition (9) lässt sich in verschiedene Richtungen modifizieren.
(i) Man kann einen Faktor k 6= 0 einfügen. Dies entspricht der Wahl einer anderen Einheit
beim euklidischen Abstand.
(ii) Man kann eine andere Basis des Logarithmus wählen.
15
1 VORBEREITUNGEN
c
C0 c
D0 c
Z1
c Q0
B0 c
A0 c
c
P =P
0
A
c
00
A =B
c
c
00
B =C
D
cE c cQ
c Z2
Abbildung 1.13: Äquidistante Punkte
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