Starkeffekt-induzierte Dissoziation von dreiatomigem Wasserstoff

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ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG
Starkeffekt-induzierte Dissoziation
von dreiatomigem Wasserstoff
Inaugural-Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades
der Fakultät für Mathematik und Physik der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
vorgelegt von
Frank Baumgartner
aus Freiburg
April 2010
Studiendekan
Erstgutachter
Zweitgutachter
Mündl. Prüfung
: Prof. Dr. Andreas Buchleitner
: Prof. Dr. Hanspeter Helm
: Prof. Dr. Bernd von Issendorff
: 8. Juni 2010
Publikationshinweis
Wesentliche Teile dieser Dissertation sind Inhalt einer Veröffentlichung und
in dem folgenden Artikel erschienen:
• Frank Baumgartner and Hanspeter Helm
Stark field control of nonadiabatic dynamics in triatomic hydrogen
Phys. Rev. Lett. 104(10), 103002 (2010)
Die Arbeit wurde unterstützt durch das DFG-Projekt HE 2525/5.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1
2 Das H3 -Molekül
2.1 Historischer Abriss . . . . . . . . . . . . .
2.2 Quantenmechanische Behandlung . . . . .
2.2.1 Der Hamiltonoperator . . . . . . .
2.2.2 Die Born-Oppenheimer Näherung .
2.2.3 Nicht-adiabatische Kopplungen . .
2.3 Symmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.3.1 Klassifikation molekularer Zustände
2.4 Elektronische Niveaus . . . . . . . . . . .
2.4.1 Hypersphärische Koordinaten . . .
2.4.2 Potentialflächen . . . . . . . . . . .
2.4.3 Prädissoziation der n=2 Zustände .
2.5 Vibration und Rotation . . . . . . . . . . .
2.5.1 Eigenschwingungen . . . . . . . . .
2.5.2 Vibrationsdrehimpuls . . . . . . . .
2.5.3 Rotationsmoden . . . . . . . . . . .
2.6 Starkeffekt im elektrischen Feld . . . . . .
2.6.1 Eigenenergien . . . . . . . . . . . .
2.6.2 Wellenfunktionen . . . . . . . . . .
2.6.3 Dissoziationsraten . . . . . . . . . .
2.6.4 Zerfallskanäle . . . . . . . . . . . .
2.6.5 Interferenzeffekte . . . . . . . . . .
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37
INHALTSVERZEICHNIS
3 Das Experiment
3.1 Erzeugung des schnellen Ionenstrahls .
3.1.1 Ionenquelle . . . . . . . . . . .
3.1.2 Massenselektion im Magnetfeld
3.2 Neutralisierung durch Ladungstausch .
3.3 Dissoziation im Starkfeld . . . . . . . .
3.4 Detektion der Fragmente . . . . . . . .
3.4.1 Die Micro Channel Plates . . .
3.4.2 Die Delayline-Anode . . . . . .
3.5 Datennahmesystem . . . . . . . . . . .
3.5.1 Signalanalyse im Diskriminator
3.5.2 Zeitmessung mit dem TDC . .
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4 Datenauswertung
4.1 Koinzidenzprüfung . . . . . . . . . . . .
4.2 Auswertealgorithmus . . . . . . . . . . .
4.2.1 Longitudinale Impulse . . . . . .
4.2.2 Transversale Impulse . . . . . . .
4.2.3 Freisetzungsenergie . . . . . . . .
4.2.4 Fragmentationsebene . . . . . . .
4.3 Darstellung im Dalitzplot . . . . . . . .
4.4 Effizienzkorrektur . . . . . . . . . . . . .
4.4.1 Monte-Carlo Simulation . . . . .
4.4.2 Effizienzen für die n=2 Zustände
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5 Feldinduzierte Dissoziation
5.1 Energiespektren . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1.1 Dissoziationsraten . . . . . . . . . . . .
5.2 Impulsvektorkorrelationen . . . . . . . . . . .
00
5.2.1 Der 2p 2A2 -Zustand im Starkfeld . . . .
0
5.2.2 Der 2s 2A1 -Zustand im Starkfeld . . . .
5.3 Alignment der Fragmentationsebene . . . . . .
5.3.1 Winkelabhängigkeit der Detektion . . .
5.3.2 Gemessene Winkelverteilungen . . . . .
5.4 Schwingungsangeregte Niveaus . . . . . . . . .
5.4.1 Verstärkung im elektrischen Feld . . .
5.4.2 Dissoziationsverhalten . . . . . . . . .
5.4.3 Vergleich zu theoretischen Vorhersagen
II
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INHALTSVERZEICHNIS
6 Störungstheoretisches Modell
6.1 Feldstärkeverlauf . . . . . . . . . . . .
6.1.1 Effektive Dissoziationslänge . .
6.2 Dissoziationsraten . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Einfluss der Molekülorientierung
6.2.2 Sättigungseffekt . . . . . . . . .
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102
7 Zusammenfassung und Ausblick
104
Literaturverzeichnis
107
III
Kapitel 1
Einleitung
Das neutrale dreiatomige Wasserstoffmolekül ist seit vielen Jahren Gegenstand umfangreicher experimenteller und theoretischer Studien. Seine zentrale Bedeutung für die Molekülphysik beruht auf seiner einfachen Struktur, die
das H3 zu einem Modellsystem für die Erforschung dynamischer Prozesse in
mehratomigen Molekülen macht. Darüber hinaus spielt es auch in der Astrophysik eine zentrale Rolle bei der Bildung von Molekülen in interstellaren
Wasserstoffwolken [Dal94, DSB+ 95].
Schon in den ersten Jahren der Entwicklung der Quantenmechanik führten
Max Born und Robert Oppenheimer ein Konzept ein [BO27], das bis heute
von fundamentaler Bedeutung für die Molekülphysik ist. Es basiert auf der
Annahme, dass sich die Elektronen eines Moleküls aufgrund ihrer geringeren
Masse instantan an die Position der Kerne anpassen können, und ermöglicht
eine separate Behandlung von Elektronen- und Kernbewegung. Die elektronischen Zustände eines Moleküls werden dabei durch einzelne adiabatische
Potentialflächen beschrieben, auf denen sich die Bewegung der Kerne vollzieht. Dieses Konzept ist unter dem Namen Born-Oppenheimer-Näherung in
die Physikbücher eingegangen und hat sich über die Jahre als äußerst erfolgreiches Hilfsmittel zur Interpretation molekularer Strukturen und Spektren erwiesen. Gleichwohl gibt es in der Molekülphysik eine ganze Reihe von
Aspekten, die nicht im Rahmen dieser Näherung verstanden werden können. Dazu zählen fundamentale Prozesse wie die Bildung oder Dissoziation
von Molekülen ebenso wie die dynamischen Abläufe chemischer Reaktionen
[Tul04]. Diese Effekte beruhen zu einem wesentlichen Teil auf Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen adiabatischen Zuständen und werden als
sogenannte nicht-adiabatische Kopplungen bezeichnet.
1
KAPITEL 1. EINLEITUNG
Von experimenteller Seite wurden in jüngerer Zeit erhebliche Anstrengungen unternommen, um mit leistungsfähigen Technologien die Auswirkungen
nicht-adiabatischer Prozesse zu erforschen: So ermöglicht der Einsatz ultraschneller Laser eine Verfolgung des Ablaufs chemischer Reaktionen [Sag01,
Tru03, Sto03], Molekülstrahl-Experimente erlauben die gezielte Präparation
eines definierten Quantenzustandes ebenso wie den selektiven Nachweis seiner Reaktionsprodukte [San99, Liu01, BL03], und neuartige MehrteilchenKoinzidenztechniken liefern eine Fülle bisher unerreichbarer Informationen
über die Korrelation vektorieller Größen beim Dissoziationsprozess von Molekülen [MEBH99, SLK+ 02, LMCC04, GBM+ 05]. Demgegenüber stellt die
theoretische Behandlung nicht-adiabatischer Kopplungen auch heute noch
eine große Herausforderung dar. Zum einen ist es die Vielfalt der verschiedenen Typen nicht-adiabatischer Kopplungen, welche eine einheitliche Beschreibung erschwert. Zum anderen wird die Behandlung gekoppelter elektronischer Niveaus umso komplizierter, je größer die Anzahl der zu berücksichtigenden Zustände ist. Selbst für ein vergleichsweise einfaches Molekül
wie das H3 stellt das quantitative Verständnis der beim Zerfall beobachteten
Impulsvektorkorrelationen die Theorie vor große Schwierigkeiten. So ist es
erst im vergangenen Jahr durch Galster und Jungen gelungen, die grundlegenden Strukturen eines Dalitzplots mit Hilfe semiklassischer Trajektorienmodelle erfolgreich vorherzusagen [Gal10, LJ09].
In der vorliegenden Arbeit wird mit der Starkeffekt-induzierten Dissoziation nun ein neuartiges Konzept vorgestellt, welches zum ersten Mal eine
experimentelle Kontrolle nicht-adiabatischer Kopplungen beim Zerfallsprozess des H3 ermöglicht. Die entwickelte Methode basiert auf der Wechselwir00
kung des metastabilen 2p 2A2 -Zustandes mit dem energetisch benachbarten
0
2s 2A1 -Niveau unter dem Einfluss eines externen elektrischen Feldes. Mittels
des Starkeffekts wird das Molekül in einen Superpositions-Zustand
|Ψi = α |2si + β |2pi
gebracht, aus dem es über zwei grundlegend verschiedene Zerfallspfade in
drei einzelne H-Atome dissoziieren kann:
Λ2p
|Ψi −−→ H (1s) + H (1s) + H (1s)
Λ
2s
|Ψi −−→
H (1s) + H (1s) + H (1s)
(1.1)
(1.2)
Auf jedem der beiden Wege unterliegt das Molekül dabei unterschiedlichen
nicht-adiabatischen Kopplungsmechanismen, angedeutet durch die Wirkung
2
der Operatoren Λ2p und Λ2s . Während das reine 2p-Niveau ausschließlich
durch Rotationskopplung dissoziiert wird, kann der im elektrischen Feld beigemengte 2s-Anteil über die wesentlich effizientere Vibrationskopplung auf
die Grundzustandsfläche übergehen [DH80]. Durch Regulierung der Feldstärke besteht nun die Möglichkeit, die Amplituden α und β der beteiligten Niveaus und damit den Anteil der jeweiligen Kopplung experimentell zu
kontrollieren.
Die vorgestellten Messungen belegen sehr eindrucksvoll, dass sich der Grad
der Zustandsmischung unmittelbar in den beobachteten Impulsvektorkorrelationen der drei H-Fragmente widerspiegelt. So nimmt der anfangs durch die
00
Rotationskopplung dominierte Dalitzplot des 2p 2A2 -Zustands mit steigen0
dem E-Feld zunehmend Strukturen des 2s 2A1 -Niveaus an - ein Effekt, der
sehr anschaulich das allmähliche Zuschalten der Vibrationskopplung illustriert. Besonders bemerkenswert ist dabei das Auftreten eines Interferenzmusters im Dalitzplot, wenn die beiden Kopplungsmechanismen eine vergleichbare Stärke erreicht haben. Die Interferenz kommt dadurch zustande,
dass die unterschiedlichen Zerfallskanäle (1.1) und (1.2) das Molekül auf
verschiedenen Pfaden in das identische Kontinuum führen. In diesem Sinne
stellt das Experiment einen Doppelspalt-Versuch auf molekularer Ebene dar:
Das Dreiteilchen-Kontinuum repräsentiert hierbei den Schirm, während das
Interferenz-Muster des Doppelspaltes in eine Korrelation der Impulsvektoren
dreier langsamer H-Atome projiziert wird.
Darüber hinaus entsteht bei der feldinduzierten Dissoziation ein Alignment
der Fragmentationsebene des H3 . Infolge der anisotropen Wirkung des Starkeffekts wird durch das Anlegen eines externen Feldes eine Vorzugsrichtung in
das Experiment eingeführt. Entsprechend wird nun die Dissoziation solcher
Moleküle begünstigt, deren Hauptsymmetrieachse in Richtung der Feldlinien orientiert ist. Die gemessenen Winkelverteilungen belegen sehr klar, wie
sich parallel zu den Änderungen im Dalitzplot dieses Alignment der Fragmentationsebene ausbildet. Den im Strahl verbliebenen, nicht dissoziierten
Molekülen wird im Gegenzug ein Anti-Alignment in der Ebene senkrecht zur
Feldrichtung aufgeprägt. Ein störungstheoretisches Modell der Zustandsmischung rundet diese Arbeit schließlich ab und untermauert in einer quantitativen Beschreibung die experimentell beobachteten Dissoziationsraten.
3
Kapitel 2
Das H3-Molekül
Neutraler dreiatomiger Wasserstoff ist das einfachste Beispiel eines mehratomigen Moleküls. Wie in Abbildung 2.1 illustriert, sind die drei Protonen
in Form eines gleichseitigen Dreiecks angeordnet. Der Bindungsabstand beträgt in der Gleichgewichtskonfiguration 0.873 Å, was in etwa dem 1.65 fachen des Bohrschen Radius entspricht [MBB86]. Es handelt sich hierbei um
eine sogenannte Dreizentrenbindung, bei der das positiv geladene Kerngerüst
durch ein Elektronenpaar in seiner Mitte zusammengehalten wird. Während
das H3 als Ion noch stabil ist, führt der zusätzliche Einbau eines dritten
Elektrons in ein energetisch höheres Orbital zur Lockerung der Bindungsverhältnisse. So gehört das neutrale H3 -Molekül zur Klasse der Excimere 1 :
Es ist ausschließlich in seinen elektronisch angeregten Niveaus gebunden und
besitzt keinen stabilen Grundzustand. Letzterer besteht aus zwei repulsiven
Potentialflächen, die aufgrund der Symmetrie des Moleküls bei gleichseitiger
Anordnung der Kerne energetisch entartet sind. Ihre Besetzung führt zur
unmittelbaren Dissoziation in die Fragmente H+H2 bzw. H+H+H. Dabei ist
0
das obere 2p 2 E -Blatt ausschließlich für den Dreiteilchenzerfall verantwortlich, während ein Übergang auf die untere Teilfläche vorwiegend zu einer
Dissoziation in zwei Teilchen führt [Gal10]. Die typischen Lebensdauern der
angeregten Zustände liegen aufgrund starker nicht-adiabatischer Kopplungen
00
im Bereich weniger ns. Einzig das metastabile 2p 2A2 -Niveau ist mit ≈ 700 ns
deutlich langlebiger [BCH90]. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, Moleküle
gezielt in diesen Zustand zu präparieren und ihr Verhalten in einem externen
elektrischen Feld zu analysieren.
1
Kurzform von excited dimer (=angeregtes Dimer)
4
Abbildung 2.1:
Das H3 als Rydbergmolekül.
Dargestellt ist die Elektronenverteilung im metastabilen
00
2p 2A2 -Zustand.
Bereits die ersten experimentellen und theoretischen Studien deuteten darauf
hin, dass das H3 in guter Näherung als Rydbergmolekül beschrieben werden
kann [Her79, KM79]. Das von dem H+
3 -Kern erzeugte Potential, in dem sich
das äußere Elektron bewegt, unterscheidet sich nur geringfügig von einem
reinen Coulomb-Potential. Wie die Rechnungen von King und Morokuma
zeigen, nimmt der Bahndrehimpuls des Valenzelektrons selbst in Schalen
niedriger Hauptquantenzahlen (n = 2, 3) nahezu ganzzahlige Werte an. Die
elektronischen Energieniveaus des H3 können deshalb analog zu den Rydbergzuständen des Wasserstoffatoms durch Angabe von Haupt- und Nebenquantenzahl klassifiziert werden. Sie lassen sich mit Hilfe der Rydbergformel
En = EIon −
R
(n − δ)2
(2.1)
beschreiben, in welcher R = 109717 cm−1 [Hel86] die Rydbergkonstante und
EIon = 29563 cm−1 [Hel88] die Ionisierungsenergie relativ zum metastabi00
len 2p 2A2 -Niveau angibt. Der Quantendefekt δ berücksichtigt Abweichungen
vom Coulomb-Potential, die von der nicht kugelsymmetrischen Ladungsverteilung innerhalb des Kerns herrühren, und ist beim H3 typischerweise gering.
5
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
2.1
Historischer Abriss
Während das H+
3 -Ion seit Anfang des 20. Jahrhunderts aus massenspektroskopischen Untersuchungen bekannt war, zog Gerhard Herzberg im Jahre
1927 bei der Beobachtung von Wasserstoffspektren in einer Gasentladung
als einer der ersten die Existenz des neutralen H3 -Moleküls in Betracht
[Her27]. Experimentelle Hinweise auf quasistabile Zustände des H3 wurden
jedoch erst vier Jahrzehnte später von Devienne gefunden [Dev68]. Seine
Untersuchungen zum Ladungstausch von H+
3 an H2 -Molekülen konnten in
der Folge durch ähnliche Experimente bestätigt werden [NDW+ 72, Vog78].
Der entscheidende Beleg für die Existenz quasistabiler Zustände des dreiatomigen Wasserstoffs blieb jedoch erneut Herzberg vorbehalten: In einer
Wasserstoff-Gasentladung beobachtete er Emissionslinien, die sich eindeutig
dem Rydberg-Spektrum von H3 bzw. D3 zuordnen ließen [Her79]. Diese Entdeckung war der Auftakt für eine erste umfassende Untersuchung der Niveaustruktur von dreiatomigem Wasserstoff [DH80, HW80, HLSW81, HHW82],
deren Ergebnisse sich bemerkenswert genau mit ab initio Rechnungen von
King und Morokuma deckten [KM79]. In den frühen 80er Jahren folgten Bestimmungen der Lebensdauern einiger angeregter Zustände des H3 [GP83,
FFKW84], verbunden mit der Entdeckung der Metastbilität des rotations00
losen 2p 2A2 -Niveaus, welches mit ≈ 700 ns [BCH90] deutlich langlebiger ist
als alle anderen beobachteten Zustände. Damit war der Weg geebnet für eine Reihe umfangreicher laserspektroskopischer Untersuchungen, die diesen
Zustand als eine Plattform zur Photoanregung des Moleküls nutzten [Hel86,
Hel88, DKMW88, KMW89, LHH89, BHL91, FWB94, MMRB97, MBRS98].
Neben den spektroskopischen Studien fokussierte sich das Interesse der Wissenschaft seit Beginn der 90er Jahre zunehmend auf den Dissoziationsprozess
des Moleküls [CH88, BH91, KKLO92, PDHG92, MC96, MC99, SO99, TK02,
KG03, LMCC04]. Seine Untersuchung ermöglicht grundlegende Einblicke in
die molekulare Dynamik eines Mehrteilchen-Systems: Denn obwohl das H3
aus nur drei Protonen und drei Elektronen besteht, zeigt es praktisch alle
Besonderheiten, die für das Verständnis nicht-adiabatischer Kopplungen von
Bedeutung sind. Dazu zählen Effekte wie der Vibrationsdrehimpuls, JahnTeller Kreuzungen oder Rotationskopplungen, deren Beschreibung bis heute
eine Herausforderung für die Theorie darstellt. Insbesondere jüngere Experimente in Freiburg haben maßgeblich zu einem besseren Verständnis dieser Punkte beigetragen [MEBH99, GKB+ 01, MRHM01, GMH04, GBM+ 05].
Eine zusätzliche Motivation für die Untersuchungen des Dissoziationsverhal6
2.2. QUANTENMECHANISCHE BEHANDLUNG
tens resultiert aus der bedeutenden Rolle des H+
3 in der Astrophysik: Neben dem H2 ist es das am häufigsten produzierte Molekül in interstellaren
Gaswolken. Als Protonenspender initiiert das H+
3 -Ion die Bildung schwererer Moleküle, die maßgeblich zur Kühlung gravitationell kollabierender Gasmassen beitragen [Oka06, Lar08]. Die beiden konkurrierenden Prozesse der
Autoionisation [MRM+ 00] und Prädissoziation von H3 ∗ kontrollieren dabei
die Gleichgewichts-Konzentration des H+
3 im interstellaren Medium und sind
entscheidende Faktoren für das Verständnis der Sternentstehung.
2.2
Quantenmechanische Behandlung
Aufgrund seiner einfachen Struktur stellt das H3 -Molekül ein beliebtes Modellsystem für die Untersuchung grundlegender quantenmechanischer Vorgänge dar. Erkenntnisse, die an diesem einfachen mehratomigen System gewonnen werden, lassen sich in ähnlicher Weise auf komplexere Moleküle übertragen. Insofern ist ein umfassendes theoretisches Verständnis des H3 von fundamentaler Bedeutung für zahlreiche Aspekte der Molekülphysik. In diesem
Abschnitt soll die quantenmechanische Beschreibung des Moleküls dargestellt
werden, ausgehend vom Hamiltonoperator über die Born-Oppenheimer Näherung bis hin zu nicht-adiabatischen Kopplungen.
2.2.1
Der Hamiltonoperator
Den Ausgangspunkt unserer Überlegungen bildet die Formulierung des vollständigen Hamiltonoperators. Dieser setzt sich aus den kinetischen Energien
T der Elektronen und Kerne, den gegenseitigen elektrostatischen Wechselwirkungen V , sowie den Kopplungen der Elektronen- und Kernspins zusammen:
H = T + V + HElektronspin + HKernspin
(2.2)
Effekte, die von den letzten beiden Termen herrühren, werden typischerweise
als Störungen behandelt. Beim H3 sind sie vernachlässigbar klein und sollen
im folgenden nicht näher betrachtet werden. Die wesentlichen Eigenschaften
des Moleküls rühren vom ersten Teil des Hamiltonoperators H0 = T + V her,
welcher die rovibronischen2 Freiheitsgrade umfasst. In kartesischen Koordinaten kann dieser sofort angeschrieben werden als Summe der kinetischen
2
rovibronisch = rotatorisch, vibratorisch und elektronisch
7
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
Energien aller sechs Teilchen und ihrer elektrostatischen Paarwechselwirkungen.
6
6
X
~2 2 X
Ci Cj e2
H0 = −
∇i +
(2.3)
i=1 2mi
i<j 4π0 Rij
Dabei bezeichnet Rij den Abstand zwischen dem i-ten und j-ten Teilchen,
während die Polarität der Ladung die Werte Ci = ±1 annehmen kann. Trotz
ihrer Übersichtlichkeit ist die Form (2.3) nicht geeignet, um die stationären
und dynamischen Grundeigenschaften des H3 abzuleiten. Hierzu ist die Einführung eines molekülfesten Koordinatensystems erforderlich, welches eine
Separation von Translations-, Vibrations- und Rotationsbewegung des Moleküls ermöglicht. Für eine detaillierte Herleitung des rovibronischen Hamiltonoperators sei auf die Originalarbeit von Wilson & Howard [WH36] sowie
deren Weiterführung durch Watson verwiesen [Wat68]. An dieser Stelle soll
lediglich das prinzipielle Vorgehen umrissen und die erhaltenen Ergebnisse
andiskutiert werden: Der Ursprung des molekülfesten Koordinatensystems
wird in den Massenschwerpunkt der drei Protonen gelegt, um die Translation von den restlichen Freiheitsgraden abzukoppeln und eine Separation
zwischen Elektronen- und Kernkoordinaten zu erreichen. Es bietet sich an,
die Koordinatenachsen entlang der Hauptträgheitsachsen des Kerngerüsts
zu fixieren, weshalb man streng genommen von einem kernfesten Koordinatensystem sprechen sollte. Dieser Umstand führt dazu, dass die Positionen ri
der Elektronen in einem rotierenden Bezugssystem angegeben werden, dessen
Lage durch die drei Eulerwinkel (θ, φ, χ) festgelegt ist (vgl. Abbildung 2.2).
Die auftretenden Zentrifugal- und Corioliskräfte führen dabei zu einer Reihe
nicht-adiabatischer Kopplungsterme zwischen den einzelnen elektronischen
Zuständen. Im letzten Schritt wird schließlich die Vibrationsbewegung der
Kerne nach den Normalkoordinaten (Q1 , Q2a , Q2b ) entwickelt, welche den in
Abbildung 2.8 gezeigten Eigenschwingungen entsprechen. Zusammengefasst
lässt sich der Hamiltonoperator H0 damit in folgenden Koordinaten angeben:
• Euler-Winkel (θ, φ, χ) zur Beschreibung einer reinen Rotation des
Kerngerüsts
• Normalkoordinaten (Q1 , Q2a , Q2b ) zur Beschreibung einer reinen Vibration des Kerngerüsts
• Elektronische Koordinaten (r4 , r5 , r6 )
8
2.2. QUANTENMECHANISCHE BEHANDLUNG
Abbildung 2.2:
Die Lage des kernfesten Koordinatensystems (schwarz) wird
in Bezug zu den raumfesten
Achsen (grün) durch Angabe
der drei Eulerwinkel θ , φ , χ
spezifiziert.
Eine Separation von Schwingungs- und Rotationsbewegung gelingt beim H3 Molekül auch in diesen Koordinaten nur näherungsweise. Ursache ist die
Existenz zentrifugaler Kopplungen sowie eines vibronischen Drehimpulses.
Beide Effekte verhindern eine exakte Separation von Rotation und Vibration
sogar dann, wenn man Wechselwirkungen mit der elektronischen Bewegung
unberücksichtigt lässt. Die resultierende Form des Hamiltonian ist nun erheblich komplexer, ermöglicht im Gegenzug aber eine einfachere Interpretation
der auftretenden Terme. Der Ausdruck für die potentielle Energie V bleibt
durch die Transformation unberührt, da er nur von relativen Koordinaten
abhängt. Die kinetische Energie wird zu einer Summe aus drei Anteilen:
T = TK + Te + U
TK =
Te =
(2.4)
3
X
1
1X
(Nα − πα − Πα )µαβ (Nβ − πβ − Πβ ) +
Pk2
2 α,β
2 k=1
(2.5)
6
6
1 X
1 X
p2i +
pp
2me i=4
2mH i,j=4 i j
(2.6)
U = −
~2 X
µαα
8 α
(2.7)
9
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
Dabei stehen α, β = {x, y, z} für die drei Raumrichtungen, und die Matrix µ
bezeichnet das Inverse des effektiven Trägheitstensors.3 Wir beginnen die
folgende Diskussion mit dem Ausdruck (2.5), welcher die kinetische Energie
der Kernbewegung beschreibt und aus zwei verschiedenen Anteilen besteht:
Die erste Summe entspricht einer Rotationsenergie und umfasst die Beiträge von elektronischem Bahndrehimpuls Π, Vibrationsdrehimpuls π und der
Rotation des Kerngerüsts N . In der zweiten Summe drückt sich dagegen die
kinetische Energie der Vibration aus, beschrieben durch die Impulse Pk der
Nukleonen im kernfesten Koordinatensystem.
Der nächstfolgende Ausdruck (2.6) entspricht der kinetischen Energie der
Elektronen. Er enthält neben dem selbsterklärenden ersten Term einen von
der Kernmasse abhängigen zweiten Summanden. Dieser resultiert aus der
Wahl des Koordinatenursprungs und ist das Analogon zur Einführung der
reduzierten Masse bei der Beschreibung des Wasserstoffatoms. Der verbleibende Term (2.7) schließlich kann als ein massenabhängiger Beitrag zur potentiellen Energie angesehen werden. Er hängt lediglich in geringem Umfang
von den Kernkoordinaten ab und findet nur in den genauesten theoretischen
Analysen Berücksichtigung [Wat68].
2.2.2
Die Born-Oppenheimer Näherung
Nach diesen Überlegungen kann nun die zeitunabhängige Schrödingergleichung für das H3 -Molekül angeschrieben werden.
[TK + Te + U (Q) + VeK (r, Q) + VK (Q) − E] |Ψ(r, Q, ◦)i = 0
(2.8)
Eine Abhängigkeit von elektronischen Koordinaten sei dabei mit r bezeichnet, von den Positionen der Kerne mit Q und von den Eulerwinkeln mit
◦ . Während die ersten drei Summanden der Schrödingergleichung durch die
Ausdrücke (2.5) - (2.7) gegeben sind, beinhaltet VeK alle elektrostatischen
Elektron-Elektron und Kern-Elektron Wechselwirkungen, VK hingegen allein
die Coulomb-Abstoßung der drei Kerne untereinander. Im nächsten Schritt
werden wir mit der Born-Oppenheimer Näherung eines der bedeutendsten
Konzepte der Molekülphysik einführen. Es geht auf Max Born und Robert
Oppenheimer zurück [BO27] und basiert auf dem großen Massenunterschied
zwischen Elektronen und Kernen. Unter der Annahme, dass sich die schneller
3
Die explizite Form der µ-Matrix findet sich in [Rei02], Appendix A
10
2.2. QUANTENMECHANISCHE BEHANDLUNG
bewegliche Elektronenhülle eines Moleküls „instantan“ an die jeweilige Kernkonfiguration anpassen kann, wird im Rahmen dieser Näherung eine Separation von Elektronen- und Kernbewegung erreicht. Wir beschränken uns
zunächst auf die Bewegung der Elektronen und stellen eine Schrödingergleichung auf, in welche die Kernkoordinaten nur als Parameter eingehen:
He |φn (r, Q)i = En (Q) |φn (r, Q)i
(2.9)
mit dem elektronischen Hamiltonoperator
He = Te + VeK (r, Q) .
(2.10)
Für jede gegebene Kernkonfiguration Q besitzt die Gleichung (2.9) eine separate Lösung, was zu einem Satz elektronischer Eigenfunktionen |φn (r, Q)i
und Eigenenergien En (Q) führt, die parametrisch von den Kernkoordinaten abhängen. Als Eigenzustände eines hermiteschen Operators bilden die
|φn (r, Q)i ein vollständiges orthonormales Funktionensystem, nach dem die
Lösung der Gesamt-Schrödingergleichung entwickelt werden kann:
|Ψ(r, Q, ◦)i =
X
χn (Q, ◦) · |φn (r, Q)i
(2.11)
n
Setzt man diesen Ansatz in Gleichung (2.8) ein, so erhält man nach linksseitiger Multiplikation mit hφm (r, Q)| ein System gekoppelter Gleichungen für
die Koeffizienten χn (Q, ◦):
[Em (Q) + VK (Q) + U (Q) − E] χm +
X
hφm | TK |χn φn i = 0
(2.12)
n
Man beachte, dass die Bewegung der Nukleonen, beschrieben durch den zweiten Term in (2.12), zu einer Kopplung verschiedener elektronischer Zustände
führt. Da der Operator TK sowohl auf den Koeffizienten χn (Q, ◦) als auch auf
den elektronischen Zustand |φn (r, Q)i wirkt, müssen bei einer exakten Lösung des Gleichungssystems erste und zweite partielle Ableitungen aller elektronischen Wellenfunktionen nach den Kernkoordinaten berechnet werden.
Eine wesentliche Vereinfachung des Lösungswegs gelingt unter der Annahme
TK |χn φn i ≈ [TK |χn i] · |φn i .
(2.13)
Dies ist die mathematische Formulierung der Born-Oppenheimer Näherung,
mit der sich (2.12) auf ein System entkoppelter Gleichungen reduziert:
[TK + Veff,m (Q) − E] χm (Q, ◦) = 0
11
(2.14)
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
Für jeden elektronischen Zustand m des Moleküls stellt (2.14) eine Schrödingergleichung dar, welche die Bewegung der Nukleonen in einem effektiven Potential Veff,m (Q) = Em (Q) + VK (Q) + U (Q) beschreibt. Die ursprünglich als
Entwicklungskoeffizienten eingeführten χm (Q, ◦) erhalten damit ihre Bedeutung als Wellenfunktionen des Kerngerüsts. Die verschiedenen elektronischen
Energieniveaus Em (Q) bilden zusammen mit der elektrostatischen Wechselwirkung VK der Kerne untereinander und dem Term U (Q) die sogenannten
Potentialflächen des H3 -Moleküls. Ihre spezifische Form entscheidet über die
Existenz gebundener Zustände und bestimmt darüber hinaus deren Kernkonfiguration, sowie die Energien möglicher Schwingungs- und Rotationsniveaus.
Innerhalb der Born-Oppenheimer Näherung kann man die vollständige Berechnung der molekularen Eigenzustände und Wellenfunktionen demnach in
zwei getrennten Schritten ausführen:
• Die Lösung der elektronischen Schrödingergleichung (2.9) für ein als
starr angenommenes Kerngerüst
• Die Lösung der Schrödingergleichung (2.14) für die Kernbewegung auf
den im vorigen Schritt ermittelten Potentialflächen Veff,m (Q)
Man beachte, dass es erst durch die Separation der Elektronen- und Kernbewegung möglich wird, von definierten elektronischen Niveaus |φm i und
zugehörigen rovibronischen Zuständen |χm,ν,r i des Kerngerüsts zu sprechen!
Demzufolge lässt sich die Gesamtwellenfunktion des Moleküls
|Ψm,ν,r i = |χm,ν,r i · |φm i
(2.15)
nur im Gültigkeitsbereich der Born-Oppenheimer Näherung als ein Produkt
aus Elektronen- und Kern-Anteil darstellen.
2.2.3
Nicht-adiabatische Kopplungen
Das H3 -Molekül besitzt eine Reihe von Eigenschaften, die auf der Wechselwirkung zwischen der Elektronen- und Kernbewegung beruhen. Effekte
wie der Vibrationsdrehimpuls oder Rotationskopplungen führen zu einer Mischung verschiedener elektronischer Zustände |φm i und initiieren letztlich
die rasche Prädissoziation des Moleküls. Diese Effekte können nicht mehr im
Rahmen der Born-Oppenheimer Näherung verstanden werden und erfordern
einen tiefergehenden Einblick in die molekulare Dynamik. Wir betrachten
12
2.2. QUANTENMECHANISCHE BEHANDLUNG
hierzu den entscheidenden Schritt (2.13) im Detail und multiplizieren den
Operator TK aus Gleichung (2.5) explizit aus. Dieser wirkt auf das Produkt
|χn (Q, ◦) φn (r, Q)i zweier Wellenfunktionen, welche beide von den Positionen der Kerne abhängen. Entsprechend ist für die Operatoren π und Pk
die Anwendung der Kettenregel erforderlich, da sie jeweils Ableitungen nach
den Normalkoordinaten Q beinhalten. Im Ergebnis resultiert eine Vielzahl
unterschiedlicher Terme:
X
1X
(Nα − πα )µαβ (Nβ − πβ ) −
µαβ Πα (Nβ − πβ )
TK =
2 α,β
α,β
+
3
1X
1X
µαβ Πα Πβ +
P2
2 α,β
2 k=1 k
(2.16)
Wenn man sich das Gleichungssystem (2.12) in Form einer Matrix dargestellt
denkt, so repräsentieren alle Beiträge, in denen der zweite Faktor |φn (r, Q)i
unberührt bleibt, ausschließlich Diagonalelemente. Die restlichen Terme führen sowohl zu diagonalen als auch zu nicht-diagonalen Einträgen, und am
Ende erhalten wir


3
1X
1X

(Nα − πα )µαβ (Nβ − πβ ) +
P 2 + Veff,m − E  χm (Q, ◦)
2 α,β
2 k=1 k
+
X
Λmn χn = 0
(2.17)
n
Die Kopplung zwischen verschiedenen elektronischen Zuständen wird dabei
durch die Beiträge Λmn im letzten Term eingeführt. Seine komplette Vernachlässigung entspricht der Born-Oppenheimer Näherung. Für eine Entkopplung
des Gleichungssystems (2.17) genügt es jedoch bereits, alle nicht-diagonalen
Elemente
X
1
1
Λmn =
µαβ hφm | πα πβ |φn ir + hφm | Πα Πβ |φn ir + hφm | Πα πβ |φn ir
2
2
α,β
−
X
µαβ [hφm | πβ |φn ir (Nα − πα ) + hφm | Πα |φn ir (Nβ − πβ )]
α,β
+
3 X
k=1
1
hφm | Pk |φn ir Pk + hφm | Pk2 |φn ir
2
(2.18)
zu vernachlässigen. Dieser Schritt wird als adiabatische oder Born-Huang
Näherung bezeichnet [AM77] und führt zu kleinen Korrekturen der BornOppenheimer Potentialflächen. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen,
13
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
dass die Elektronenhülle mit einer gewissen Verzögerung auf Änderungen
der Kernkonfiguration reagiert. Auch in dieser Näherung lässt die Bewegung
der Nukleonen jedoch den elektronischen Zustand unverändert, so dass das
Molekül stets auf derselben Potentialfläche verbleibt!
Die nicht-diagonalen Elemente Λmn aus Gleichung (2.18) wollen wir im folgenden als nicht-adiabatische Kopplungen bezeichnen. Diese Terme induzieren Übergänge zwischen den verschiedenen rovibronischen Niveaus des H3 Moleküls. Alle Beiträge in der 3. Reihe von (2.18) werden dabei ausschließlich
durch die Schwingungsbewegung des Kerngerüsts hervorgerufen und unter
dem Begriff Vibrationskopplungen zusammengefasst. Die meisten theoretischen Untersuchungen beschränken sich auf den Term hφm | Pk |φn ir Pk , welcher in vielen Fällen die Kopplung hφm | Pk2 |φn ir deutlich überwiegt [LBF04].
Die Terme in der 1. und 2. Reihe von Gleichung (2.18) enthalten zum einen
den Vibrationsdrehimpuls π und zum anderen Beiträge von elektronischem
Bahndrehimpuls Π und Kernrotation N . In der Literatur hat sich für sie die
Bezeichnung Rotationskopplungen eingebürgert, obwohl man korrekterweise
von „Drehimpuls-Kopplungen“ sprechen müsste.
Wie in Abbildung 2.3 illustriert, gewinnen nicht-adiabatische Kopplungen
dort an Bedeutung, wo sich die Potentialflächen zweier elektronischer Zustände energetisch nahe kommen. Die Bedingung
|hχm | Λmn |χn i| |Em − En |
(2.19)
stellt ein allgemeines Kriterium für die Gültigkeit der Born-Oppenheimer
Näherung dar [Daw92, KMD02]. Das H3 besitzt nun eine ganze Reihe von
Abbildung 2.3: Schematische
Darstellung zur Gültigkeit der
Born-Oppenheimer Näherung,
entnommen aus [Dem03]
14
2.3. SYMMETRIE
Potentialflächen, die in der Gleichgewichtskonfiguration des Moleküls energetisch benachbart liegen und das Auftreten nicht-adiabatischer Effekte begünstigen (vgl. Abbildung 2.6). Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die konische Überschneidung der beiden Grundzustandsflächen.
2.3
Symmetrie
Die Symmetrieeigenschaften eines Moleküls sind bestimmt durch die räumliche Anordnung seiner Nukleonen. Dabei gibt es für jedes Molekül bestimmte
Abbildungen, unter denen die Kernkonfiguration als Ganzes wieder in sich
selbst übergeht, so dass ein vom ursprünglichen System nicht zu unterscheidendes Duplikat entsteht. Man kann die Symmetrie eines Moleküls anhand
von vier elementaren Symmetrieoperationen klassifizieren, die im folgenden
zusammen mit ihrer Schönflies-Notation aufgeführt sind:
• Drehung von 360◦/n um eine Achse Cn
• Spiegelung an einer Ebene σ,
die vertikal (σv ) oder horizontal (σh ) bezüglich der Drehachse mit dem
höchsten n ausgerichtet sein kann
• Drehspiegelung an einer Achse Sn ,
entspricht einer Rotation um den Winkel 360◦/n mit nachfolgender
Spiegelung an einer Ebene senkrecht zur Drehachse
• Punktspiegelung an einem Inversionszentrum i
Zusammen mit der Identitätsabbildung stellen alle bei einem Molekül möglichen Symmetrieoperationen die Elemente einer Gruppe dar. In der Literatur
findet häufig auch der Begriff Punktgruppe Verwendung, weil der Schwerpunkt des Moleküls unter jeder Operation invariant bleibt. Ausgehend von
der Geometrie des starren Kerngerüsts, bei der alle Nukleonen in der Gleichgewichtslage festgehalten werden, gehört das dreiatomige Wasserstoffmolekül der Symmetriegruppe D3h an. Die einzelnen Symmetrieelemente dieser
Gruppe sind in Abbildung 2.4 graphisch veranschaulicht.
Die Hauptsymmetrieachse C3 steht senkrecht auf der von den Kernen aufgespannten Spiegelebene σh und definiert üblicherweise die z-Richtung in
einem molekülfesten Koordinatensystem. Darüber hinaus besitzt das Molekül drei zweizählige Rotationsachsen C2 , welche jeweils die Position eines
15
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
Kernes fixieren und das verbleibende Protonenpaar austauschen. Drei senkrechte Spiegelebenen σν komplettieren schließlich die Symmetrieelemente des
H3 -Moleküls.
Abbildung 2.4:
Überblick über die Symmetrieelemente der D3h -Gruppe. Aus
Gründen der Übersichtlichkeit
ist nur eine von insgesamt drei
Spiegelebenen σν dargestellt.
Jede der beschriebenen Operationen basiert auf einer fundamentalen Symmetrieeigenschaft des Systems. Aus diesem Grunde gestattet die Kenntnis der
Symmetriegruppe im folgenden eine systematische Klassifikation der möglichen molekularen Zustände. Neben einem einfacheren Verständnis beobachteter Spektren lassen sich damit insbesondere auch Auswahlregeln für
nicht-adiabatische Übergänge ableiten.
2.3.1
Klassifikation molekularer Zustände
Da sich bei einer Symmetrieoperation die Positionen der Kerne nicht ändern, bleibt auch das Coulombfeld, in dem sich die Elektronen bewegen,
konstant. Deshalb besitzen nicht nur die Zustände des Kerngerüsts, sondern
auch die elektronischen Niveaus Symmetriespezies der Gruppe D3h . Für die
Klassifikation eines einzelnen Zustandes ist nun entscheidend, wie sich dessen
Wellenfunktion unter Anwendung der Symmetrieoperationen verhält.
Betrachten wir zunächst einen nicht-entarteten Zustand des Moleküls, so
muss eine Symmetrieabbildung diesen Zustand bis auf sein Vorzeichen unverändert lassen. Er hat also bezüglich eines gegebenen Symmetrieelements
den Eigenwert 1 (symmetrisch) oder -1 (antisymmetrisch). Man bezeichnet
dieses Verhalten der Wellenfunktion auch als ihren Charakter, welcher im
Falle der Operation i mit der Parität übereinstimmt. Ein Zustand aus einem Entartungsraum muss dagegen nicht zwangsläufig Eigenzustand einer
16
2.3. SYMMETRIE
Bezeichnung
A
B
E
T
Eigenschaften
eindimensional,
symmetrisch bezüglich der höchstzähligen Drehachse
eindimensional,
antisymmetrisch bezügl. der höchstzähligen Drehachse
zweidimensional
dreidimensional
Index (unten)
g/u
symmetrisch/antisymmetrisch unter Inversion
1/2
symmetrisch/antisymmetrisch unter σv oder C2
Bem: Beim H3 wird das Verhalten unter C2 angegeben
Index (oben)
’/”
symmetrisch/antisymmetrisch unter σh ,
sofern kein Inversionszentrum vorhanden ist
Tabelle 2.1: Nomenklatur irreduzibler Darstellungen
Symmetrieoperation sein. Da ihre Anwendung jedoch nicht aus dem Entartungsraum herausführt, lässt sich die Symmetrieoperation mit Hilfe einer
Matrix darstellen, welche die Transformation der Basisvektoren des entarteten Zustands beschreibt. Einen Satz solcher Matrizen, der das Verhalten einer
gegebenen Wellenfunktion unter den verschiedenen Symmetrieelementen der
Gruppe beschreibt, bezeichnet man als eine Darstellung. Durch die Wahl
einer entsprechenden Basis lässt sich jede Darstellung in eine möglichst einfache, irreduzible Form transformieren [HW02]. Ihre Symmetrieeigenschaften
sind jedoch basisunabhängig und eignen sich deshalb zur Klassifikation der
molekularen Zustände. Die übliche Nomenklatur ist in Tabelle 2.1 aufgeführt, wobei für Moleküle der D3h -Gruppe lediglich Darstellungen vom Typ
A bzw. E existieren. Die erlaubte Gesamtsymmetrie der rovibronischen Wellenfunktion wird darüber hinaus durch das Austauschprinzip eingeschränkt
0
00
0
00
und kann beim H3 nur die Werte A2 , A2 , E , E annehmen.
17
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
2.4
Elektronische Niveaus
Die elektronische Struktur des H3 zeichnet sich durch eine Reihe ungewöhnlicher Eigenschaften aus. Zum einen ist das Molekül nur in angeregten Zuständen gebunden; die beiden Blätter der Grundzustandsfläche sind repulsiv und
führen zu einer raschen Dissoziation. Zum anderen haben die Orbitale der
elektronisch angeregten Niveaus kaum Ähnlichkeit mit einer Linearkombination aus Wellenfunktionen dreier gleichseitig angeordneter H-Atome. Vielmehr gleichen sie den Orbitalen eines Einzelatoms und werden daher häufig als Rydbergzustände bezeichnet. Die beiden inneren Elektronen füllen
die kugelsymmetrische 1s-Schale auf, während das Valenzelektron eines der
Rydberg-Orbitale besetzt und für die Benennung des Zustandes verantwortlich ist. In Tabelle 2.2 sind die Konfigurationen aller elektronischen Zustände
mit Hauptquantenzahlen n ≤ 3 aufgeführt. Ihre gebräuchlichen Kurzbezeichnungen umfassen neben der Symmetrie der Wellenfunktion auch die Multiplizität des Spins, gekennzeichnet durch die hochgestellte Ziffer 2. Die Quantenzahl λ entspricht der Projektion des elektronischen Bahndrehimpulses l
auf die molekulare Hauptsymmetrieachse und kann 2l+1 verschiedene Werte
annehmen. Orbitale mit gleichem Betrag von λ sind energetisch entartet, da
eine Reflexion der Wellenfunktion an der Ebene σh das elektrostatische Potential des Moleküls nicht verändert. Entsprechend besitzen alle Niveaus mit
λ > 0 die elektronische Symmetrie E, während die nicht entarteten Zustände
mit λ = 0 dem Symmetrietyp A angehören.
Elektronenkonfiguration
0
(1sa1 )2
0
(1sa1 )2
0 2
(1sa1 )
0
(1sa1 )2
0
(1sa1 )2
0 2
(1sa1 )
0
(1sa1 )2
0
(1sa1 )2
0
(1sa1 )2
0
(2pe )
0
(2sa1 )
00
(2pa2 )
0
(3pe )
0
(3sa1 )
00
(3pa2 )
0
(3de )
00
(3de )
0
(3da1 )
[λ = 1]
[λ = 0]
[λ = 1]
[λ = 0]
[λ = 2]
[λ = 1]
[λ = 0]
Bezeichnung
0
2p 2E
0
2s 2A1
00
2p 2A2
0
3p 2E
0
3s 2A1
00
3p 2A2
0
3d 2E
00
3d 2E
0
3d 2A1
Tabelle 2.2: Niedrigste elektronische Zustände des H3 -Moleküls
18
2.4. ELEKTRONISCHE NIVEAUS
2.4.1
Hypersphärische Koordinaten
Ein zentraler Schlüssel für das Verständnis dynamischer Vorgänge in Molekülen besteht in der Kenntnis der elektronischen Energien als Funktion der
Kernkoordinaten. Im Falle eines dreiatomigen Moleküls hat es sich dabei als
günstig erwiesen, die Anordnung der Kerne in einem hypersphärischen Koordinatensystem (ρ, ϑ, ϕ) darzustellen [Joh80]. Das Konzept beruht auf der
Verwendung zweier Winkel und einer Länge, welche zusammen das von den
Kernen aufgespannte Dreieck beschreiben. Die drei Seitenlängen a, b, c sind
in hypersphärischen Koordinaten gegeben durch
a = 3−1/4 · ρ · (1 + cos ϑ cos(ϕ+120◦ ))1/2
b = 3−1/4 · ρ · (1 + cos ϑ cos(ϕ−120◦ ))1/2
c = 3
−1/4
(2.20)
1/2
· ρ · (1 + cos ϑ cos ϕ)
Wie in Abbildung 2.5 illustriert, lässt sich die Bedeutung des Koordinatensystems am besten mit Hilfe einer Kugel veranschaulichen: Die beiden Winkel
ϑ und ϕ können als Breiten- bzw. Längengrade auf der Kugeloberfläche interpretiert werden und legen die Grundgestalt des Dreiecks fest. Der Radius
ρ bestimmt dagegen lediglich die Größe der aufgespannten Figur und nimmt
in der Gleichgewichtskonfiguration des H3 einen Wert von ρ = 2.172 au an.
Abbildung 2.5:
Beschreibung der Kernkonfiguration mittels hypersphärischer Koordinaten.
Das rechte Diagramm entspricht einer Sicht von oben auf die Kugeloberfläche
bei einem gegebenen Wert von ρ.
19
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
Im rechten Teil von Abbildung 2.5 ist die Bedeutung der Winkel für einen
festen Wert von ρ gezeigt. Die Koordinate ϑ = 90◦ entspricht demnach immer
einer gleichseitigen Anordnung der drei Kerne, wohingegen Werte von ϑ = 0◦
bzw. 180◦ lineare Konfigurationen beschreiben. Unter Änderung des Winkels
ϕ variiert die Form der Dreiecke periodisch zwischen stumpfwinkligen und
spitzwinkligen Geometrien. Wegen der Ununterscheidbarkeit der H-Kerne
reicht eine Beschränkung auf den Bereich 0◦ ≤ ϕ ≤ 60◦ und 0◦ ≤ ϑ ≤ 90◦ aus,
um alle möglichen Konfigurationen des Kerngerüsts abzudecken. Alternativ
können für ϑ auch Werte zwischen 0◦ und 180◦ erlaubt werden, wenn man
im Gegenzug den Winkel ϕ auf den Bereich 0◦ ≤ ϕ ≤ 30◦ begrenzt.
2.4.2
Potentialflächen
Basierend auf quantenchemischen Rechnungen von Jungen [NJ82, GBM+ 05]
werden in Abbildung 2.6 die Potentialflächen der energetisch niedrigsten H3 Zustände gezeigt. In dem Schaubild ist der Winkel ϕ bei 0◦ festgehalten,
so dass die dargestellten Kernanordnungen auf gleichschenklige Dreiecke beschränkt sind. Der Winkel ϑ variiert von 0◦ (linear) über stumpfwinklige
Geometrien bis 90◦ (gleichseitig) und von dort bei zunehmend spitzwinkligeren Konfigurationen weiter bis 135◦ . Die Koordinate ρ startet etwas unterhalb
des Gleichgewichtswertes von 2.172 au und reicht hinauf bis 4.9 au, wo die
Kernabstände auf mehr als das Doppelte angewachsen sind.
0
Das Schaubild zeigt die beiden Blätter des repulsiven 2p 2 E -Grundzustandes,
sowie eine Reihe gebundener Potentialflächen, welche jeweils Minima um
ϑ = 90◦ besitzen. Für Experimente zum Starkeffekt sind insbesondere die
0
00
energetisch benachbarten Zustände 2s 2A1 und 2p 2A2 von Interesse, die in
der Gleichgewichtslage einen Abstand von lediglich 110 meV aufweisen. Bei
linearer Anordnung der Kerne (ϑ = 0◦ ) tritt wegen der höheren Symmetrie
sogar eine Entartung der beiden Niveaus auf.
In annähernd gleichseitigen Konfigurationen (|90◦ − ϑ| < 30◦ ) ist dieses Zustandspaar deutlich von allen weiteren elektronischen Niveaus separiert. Sobald das Kerngerüst jedoch in Richtung stumpfwinkliger oder spitzwinkliger
0
Dreiecke verformt wird, kommt die obere 2p 2 E -Fläche energetisch sehr nahe
0
heran. Aufgrund dessen unterliegt das 2s 2A1 -Niveau ausgeprägten Vibrationskopplungen an den Grundzustand und wird in ungewöhnlich kurzer Zeit
dissoziiert (τ2s ≈ 200 fs [DH80]). Das viel weiter vom Grundzustand entfernte
0
3s 2A1 -Level besitzt zum Vergleich eine Lebensdauer von etwa 1 ns [BHL91].
00
Im Falle des metastabilen 2p 2A2 -Niveaus ist eine Vibrationskopplung aus
20
2.4. ELEKTRONISCHE NIVEAUS
Symmetriegründen verboten, weshalb das Molekül ausschließlich über die
erheblich weniger effiziente Rotationskopplung dissoziieren kann.
Eine bemerkenswerte Eigenschaft der elektronischen Struktur des H3 ist die
symmetriebedingte Überschneidung der Grundzustandsflächen bei ϑ = 90◦ .
Nach dem Jahn-Teller-Theorem spaltet jeder elektronisch entartete Zustand
eines nicht-linearen Moleküls auf, wenn die Kernkonfiguration zu niedrigerer Symmetrie hin deformiert wird [JT37]. Dabei bildet sich eine konische Überschneidung der Potentialflächen aus, in deren Nähe die Kopplung
zwischen Elektronen- und Kernbewegung so stark zunimmt, dass die BornOppenheimer-Näherung zusammenbricht. Die Situation ist in Abbildung 2.7
illustriert, wo die beiden Grundzustandsflächen als Funktion von ϑ und ϕ
für zwei feste Werte von ρ dargestellt sind. Das linke Diagramm zeigt sehr
anschaulich, wie die beiden Teilflächen bei ϑ = 90◦ kegelförmig aufeinander
zulaufen. Im rechten Diagramm ist ρ auf annähernd das Doppelte gestie0
gen und man erkennt, dass die obere 2p 2 E -Fläche gegen das DreiteilchenLimit bei E = −1.5 au zu konvergieren beginnt. Entsprechend werden bei
einer Dissoziation des Moleküls ausschließlich die Fragmente H+H+H gebil0
det. Demgegenüber öffnet sich das untere 2p 2 E -Blatt auch zum energetisch
tiefer gelegenen Zweiteilchenkontinuum hin, so dass ein großer Anteil der
Zerfallsprozesse auf dieser Fläche zur Entstehung von H+H2 führt [Gal10].
Abbildung 2.6:
Dreidimensionale Darstellung
der energetisch niedrigsten Potentialflächen des H3 -Moleküls
in den hypersphärischen Koordinaten ϑ und ρ. Durch die
Festlegung ϕ = 0◦ ist die Geometrie des Kerngerüstes auf
gleichschenklige Dreiecke beschränkt.
21
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
Ρ " 3.872 a.u.
Ρ " 7.072 a.u.
300°
0°
30° $
% 0°
60°
#1.4
300°
0°
30° $
% 0°
60°
240°
90°
180°
60°
#1.4
120°
240°
90°
180°
60°
120°
#1.5
5
#1.5
5
a.u.
#1.6
1.6
a.u.
#1.6
1.6
Abbildung 2.7:
0
Die beiden Blätter des 2p 2 E -Grundzustandes als Funktion der Koordinaten
ϑ und ϕ für zwei ausgewählte Werte von ρ, entnommen aus [Gal06]. Die
Darstellung illustriert die konische Überschneidung der Potentialflächen bei
ϑ = 90◦ , sowie ihre Anbindung an die verschiedenen Dissoziationskontinuen.
2.4.3
Prädissoziation der n=2 Zustände
Das vorgestellte Experiment zur Starkeffekt-induzierten Dissoziation von H3
basiert auf dem unterschiedlichen Zerfallsverhalten der beiden angeregten
00
n=2 Niveaus. Während der 2p 2A2 -Zustand ausschließlich über die Rotation
0
dissoziiert werden kann, unterliegt das 2s 2A1 -Niveau der wesentlich effizienteren Vibrationskopplung. Die Ursache für diesen Unterschied liegt in den
elektronischen Symmetrien der Zustände begründet, welche zu verschiedenen
0
Kopplungsmechanismen an die repulsive 2p 2 E -Grundzustandsfläche führen.
Verantwortlich für die Vibrationskopplung sind die beiden Beiträge in der
untersten Reihe von Gleichung (2.18):
Λvib =
3
X
hφm | Pk |φn ir Pk +
k=1
3
1 X
hφm | Pk2 |φn ir
2 k=1
(2.21)
Die Summation erfolgt jeweils über die verschiedenen Schwingungsmoden des
Kerngerüsts, beschrieben durch die Impulsoperatoren P1 , P2a , P2b . Ihre Sym22
2.5. VIBRATION UND ROTATION
metrien entscheiden darüber, welche elektronischen Wellenfunktionen |φn i
durch die Terme in (2.21) an den Grundzustand gekoppelt werden:
1
2
3
Operatoren
Symmetrie
P1 , P12
P2a , P2b
2
2
P2a
, P2b
A1
0
E
0
0
0
A1 ⊕ A2 ⊕ E
Kopplung an 2pE
0
0
0
E
0
0
0
E , A1 , A2
0
0
0
E , A1 , A2
0
Im Falle des 2s 2A1 -Niveaus erzeugen die Operatoren der entarteten Biege0
schwingung (Zeilen 2 & 3) einen nicht-adiabatischen Übergang nach 2p 2 E .
Der Wechsel der elektronischen Symmetrie wird dabei durch eine Änderung
der Vibrationswellenfunktion kompensiert, so dass die rovibronische Gesamtsymmetrie des Moleküls erhalten bleibt. In einem anschaulichen Bild wechselt
bei diesem Übergang die Anregung der Biegemode, obwohl auf der repulsiven
Grundzustandsfläche keine stabilen Schwingungsniveaus existieren.
00
Die Dissoziation eines 2p 2A2 -Moleküls kann dagegen durch keinen der Ope00
0
ratoren aus Gleichung (2.21) induziert werden. Der Paritätswechsel A2 → E
der Wellenfunktion wird für Niveaus mit Gesamtdrehimpuls N 6= 0 durch eine
Änderung des Rotationszustandes um ∆K = ±1 ausgeglichen [Gal06]. Beim
metastabilen (N = 0, K = 0) Niveau ist die elektronische Spin-Bahn Kopplung
für den Übergang auf die Grundzustandsfläche verantwortlich [BHL91].
2.5
Vibration und Rotation
Als dreiatomiges Molekül besitzt das H3 insgesamt 9 Freiheitsgrade. Nach
Abzug von jeweils dreien für die Translation und Rotation entfallen die verbleibenden auf Schwingungen des Kerngerüsts. Die mathematische Behandlung gelingt am einfachsten in einem molekülfesten Koordinatensystem, das
eine näherungsweise Entkopplung von Rotations- und Vibrationsbewegung
erlaubt. Die entsprechenden Rechnungen sind detailliert in [Rei02] beschrieben, weshalb wir uns an dieser Stelle auf eine Besprechung der Ergebnisse
beschränken wollen.
2.5.1
Eigenschwingungen
Das H3 -Molekül besitzt drei verschiedene Schwingungsmoden [Q1 , Q2a , Q2b ],
die in Abbildung 2.8 schematisch veranschaulicht sind. Bei Q1 handelt es sich
23
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
Abbildung 2.8:
Vibrationsmoden des H3 -Moleküls mit den zugehörigen Normalkoordinaten.
Links die symmetrische Streckschwingung, in der Mitte und rechts die beiden
entarteten Biegemoden.
um eine symmetrische Streckschwingung des Kerngerüsts, welche in einem
anschaulichen Bild häufig auch Atemmode genannt wird. Die anderen beiden
Moden tragen dieselbe Energie und werden zusammenfassend meist als entartete Biegeschwingung bezeichnet. Wenn eine einzelne Betrachtung erfolgen
soll, unterscheidet man entsprechend der Kernbewegungen die symmetrische
[Q2a ] von der asymmetrischen Biegemode [Q2b ]. Für kleine Auslenkungen aus
der Gleichgewichtslage entspricht die Streckschwingung einer eindimensionalen harmonischen Oszillation der Frequenz ω1 , während die entartete Biegemode durch einen zweidimensionalen Oszillator der Frequenz ω2 beschrieben
werden kann. Die Vibrationsniveaus ergeben sich damit zu
1
~ω1 + (ν2 + 1) ~ω2 ,
= ν1 +
2
Evib
(2.22)
wobei ν1 und ν2 = ν2a + ν2b die Zahl der Anregungsquanten in der jeweiligen
00
Schwingung bezeichnen. Für den metastabilen 2p 2A2 -Zustand des H3 betragen die Niveauabstände ~ω1 = 0.40 eV bzw. ~ω2 = 0.32 eV [KMW89]. Der
Vibrationszustand des Moleküls wird üblicherweise in der Notation (ν1 , ν2 )
angegeben, wobei sich für die niedrigsten Anregungen folgende Abkürzungen
eingebürgert haben:
Zustand Kurzform
(0, 0)
ν0
(1, 0)
ν1
(0, 1)
ν2
24
2.5. VIBRATION UND ROTATION
2.5.2
Vibrationsdrehimpuls
Eine deutlich praktischere Basis für die Beschreibung des zweidimensionalen harmonischen Oszillators Q2a/b erhält man unter Einführung komplexer
Normalkoordinaten
Q± =
mit
1
(Q2a ± iQ2b ) = Qr exp(±iϕ∗ )
2
Q2r = Q22a + Q22b
ϕ∗ = arctan (Q2a /Q2b )
und
(2.23)
(2.24)
Durch den Ausdruck (2.23) wird eine Rotation der Kerne um ihre Gleichgewichtslagen beschrieben, die zur Entstehung eines molekülinternen Drehimpulses l2 entlang der Hauptsymmetrieachse führt. Die klassische Bewegung,
die einer Variation von ϕ∗ bei fixem Qr entspricht, ist in Abbildung 2.9 veranschaulicht. Der entscheidende Vorteil dieser Beschreibung liegt darin, dass
die zugehörigen Basisfunktionen gleichzeitig Eigenzustände des Operators π
sind, der ein Bestandteil mehrerer nicht-adiabatischer Kopplungsterme in
Gleichung (2.18) ist. Die Eigenfunktionen bezüglich der Koordinaten (Qr , ϕ∗ )
werden durch die Quantenzahlen (ν2 , l2 ) charakterisiert. Letztere bestimmt
dabei den Betrag des Vibrationsdrehimpulses und kann die Werte
l2 = −ν2 , −ν2 + 2, . . . , ν2 − 2, ν2
(2.25)
annehmen [CTDL99]. Bei Schwingungszuständen, in denen der vibronische
Drehimpuls von Bedeutung ist, wird er dem Tupel der Besetzungszahlen als
Superscript hinzugefügt: (ν1 , ν2 )l2 .
Abbildung 2.9:
Klassische Interpretation des
vibronischen Drehimpulses als
Rotation der Kerne um ihre
Gleichgewichtslagen. Die Bewegungen erfolgen synchron,
aber mit jeweils 120◦ Phasenversatz.
25
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
2.5.3
Rotationsmoden
Ein einfaches Modell für die Rotation des H3 basiert auf der Annahme, dass
sich der Kernabstand durch die Drehbewegung nicht ändert und die drei HAtome in ihren Gleichgewichtspositionen verharren. Wir wählen die Hauptträgheitsachsen gemäß Abbildung 2.10 und definieren dadurch gleichzeitig
die Orientierung des molekülfesten Koordinatensystems: Die x- und y-Achse
weisen zu den Gleichgewichtspositionen der Kerne 1 und 3, während die
Richtung der z-Achse so festgelegt wird, dass das Koordinatensystem rechtshändig ist. Aufgrund seiner Geometrie bildet das Kerngerüst des H3 einen
oblaten symmetrischen Kreisel mit den Hauptträgheitsmomenten
Ix = Iy = 2mH (r0 /2)2 = 0.5 mH r02
√ 2
Iz = 3mH r0 / 3 = mH r02
(2.26)
(2.27)
Die Größe r0 ≈ 0.87 Å [MBB86] bezeichnet dabei den Gleichgewichtsabstand
~ rotiert,
der H-Atome. Wenn das Kerngerüst nun mit einem Drehimpuls N
wird seine Bewegung durch den folgenden Hamiltonian beschrieben:
Hrot
Ny2 Nz2
Nx2
1
1 2
2
=
+
+
=
N − Nz
2Ix 2Iy 2Iz
2Ix
2
(2.28)
Die Eigenwerte hängen sowohl vom Betrag als auch von der Richtung des
Drehimpulses ab und sind durch die Quantenzahlen N und K festgelegt:
1
Erot = Be N (N + 1) − Be K
2
(2.29)
Abbildung 2.10:
Skizze der Hauptträgheitsachsen beim H3 -Molekül. Wegen
Ix = Iy < Iz bildet das Kerngerüst einen oblaten symmetrischen Kreisel.
26
2.6. STARKEFFEKT IM ELEKTRISCHEN FELD
N entspricht dem Gesamtdrehimpuls des Moleküls ohne Elektronen- und
Kernspin, K dessen Projektion auf die z-Achse, und die Rotationskonstante
ist gegeben durch Be = ~/(2πcIx ). Aufgrund unterschiedlicher Bindungslängen variiert sie geringfügig in Abhängigkeit vom elektronischen Anregungszustand. Typische Werte für das H3 liegen um Be ≈ 44 cm−1 [DH80, HHW82].
Man muss sich darüber klar sein, dass der Hamiltonoperator (2.28) eines
starren Rotators verschiedene Effekte vernachlässigt, die im realen Molekül
eine Rolle spielen: Zum einen werden die Gleichgewichtsabstände r0 infolge der Zentrifugalkräfte bei zunehmender Rotationsgeschwindigkeit größer,
zum anderen führen die Kerne auch Schwingungen um die Gleichgewichtslage
aus, so dass der Kernabstand während der Rotation variiert. Dadurch ändern
sich die mittleren Trägheitsmomente (→ schwingungsabhängige Rotationskonstanten), und es treten Corioliskräfte innerhalb des Moleküls auf, die eine
Kopplung zwischen verschiedenen Vibrationsmoden bewirken. Zentrifugalund Coriolis-Störungen sind beim H3 relativ klein und können mit Hilfe von
Korrekturtermen berücksichtigt werden [DH80, HLSW81].
Zu guter Letzt nehmen auch die Elektronen an der Rotationsbewegung des
Moleküls teil. Insbesondere in den energetisch niedrigen Zuständen (n ≤ 3)
ist ihr Bahndrehimpuls wesentlich stärker an das Kerngerüst gekoppelt als
an den elektronischen Spin (Hund’scher Kopplungsfall b). Entsprechend folgt
die Bewegung der Elektronenhülle den drei rotierenden H-Atomen. Geringfügige Störungen durch Corioliskräfte sind in den Rotations-Kopplungen in
Gleichung (2.18) enthalten und können im Rahmen der Born-OppenheimerNäherung vernachlässigt werden.
2.6
Starkeffekt im elektrischen Feld
Das Prinzip der Starkeffekt-induzierten Dissoziation von H3 basiert auf der
Wechselwirkung des Moleküls mit einem externen elektrischen Feld. In der
Beschreibung der Quantenmechanik wird dieses Feld als eine äußere Störung
betrachtet, welche den ungestörten Hamilton-Operator H0 modifiziert:
H = H0 + WS
(2.30)
Die Wechselwirkungsenergie des Moleküls mit dem elektrischen Feld E~ ist
~ Entbestimmt durch die Größe und Orientierung seines Dipolmoments q R.
sprechend der Situation im Experiment nehmen wir eine Feldrichtung parallel
27
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
zur z-Achse an und erhalten den Stark-Hamiltonian
~ = −q Ez .
WS = −q E~ · R
(2.31)
Unter dem Einfluss dieser Störung beginnen sich die Eigenenergien und Eigenzustände des Moleküls gegenüber dem feldfreien Fall zu verändern. Wir
beschränken unsere Betrachtungen des Starkeffekts im folgenden auf die
Wechselwirkung zweier energetisch benachbarter, nicht entarteter Zustän0
00
de. Im Hinblick auf die vorgestellten Untersuchungen des 2s 2A1 und 2p 2A2
Niveaus ist dieser Ansatz gerechtfertigt, da deren Abstand untereinander um
eine ganze Größenordnung geringer ist als ihre Energiedifferenzen zu weiter
entfernt liegenden Zuständen.
2.6.1
Eigenenergien
Um die Energien der H3 -Niveaus im elektrischen Feld zu berechnen, müssen
wir den Hamilton-Operator des Gesamtsystems diagonalisieren. In der Basis
der ungestörten Eigenfunktionen {|2si, |2pi} hat seine Darstellungsmatrix
!
die Form
E1 W12
H=
,
(2.32)
W21 E2
mit den ungestörten Eigenenergien E1 = 1.084 eV und E2 = 0.973 eV. Die Diagonalelemente der Störung verschwinden, weil der Stark-Hamiltonian (2.31)
ungerade ist und nur Zustände verschiedener Parität miteinander koppelt.
Darüber hinaus genügen die nicht-diagonalen Elemente wegen der Hermite∗
zität des Operators der Bedingung W12 = W21
.
Die Matrix (2.32) lässt sich ohne weitere Schwierigkeiten diagonalisieren. Der
zugehörige Rechenweg ist in [CTDL99] beschrieben und soll an dieser Stelle
nicht näher erläutert werden. Man erhält für die Eigenwerte im Starkfeld
E2p = Em +
E2s = Em −
q
∆2 /4 + |W12 |2
q
∆2 /4 + |W12 |2
(2.33)
Die Abkürzungen Em = 21 (E1 + E2 ) und ∆ = E1 − E2 bezeichnen dabei die
energetische Mitte, bzw. den Abstand der Zustände im feldfreien Fall. Die
Stärke der Störung erhöht sich entsprechend Gleichung (2.31) proportional
zum angelegten Feld E, mit dem Dipolmatrixelement der ungestörten Eigenfunktionen als Proportionalitätsfaktor:
|W12 | = |h2s|qz|2pi| · E
28
(2.34)
2.6. STARKEFFEKT IM ELEKTRISCHEN FELD
0
00
Petsalakis et al. berechnen für den 2s 2A1 und 2p 2A2 Zustand des H3 ein
Übergangsmatrixelement |h2s|qz|2pi| = 2.689 a.u. [PTW88]. Dieser Wert liegt
nur 10 % unter dem Ergebnis, welches man bei Verwendung reiner WasserstoffWellenfunktionen erhalten würde. Hierin bestätigt sich die Tatsache, dass
selbst die kernnahen n = 2 Niveaus beim H3 -Molekül in guter Näherung als
Rydberg-artig angesehen werden können.
Für die im Experiment eingesetzten Felder zwischen 0 und 20 kV/cm erreicht
das Verhältnis |W12 /∆| lediglich Maximalwerte um 2 · 10−3 . Die Stärke der
Störung ist also durchweg um 3 Größenordnungen kleiner als der Energieabstand der beiden Niveaus. Unter diesen Voraussetzungen können wir die
Wurzel in den Ausdrücken (2.33) nach Potenzen von |W12 /∆| entwickeln:
q
∆
∆2 /4 + |W12 |2 =
·
2
s
W12 2
1 + 4
∆
W12 2
∆
+ ...
≈
· 1 + 2 2
∆ !
Wir beschränken uns auf die ersten beiden Terme dieser Entwicklung und
erhalten nach Einsetzen in (2.33) eine quadratische Abhängigkeit der Eigenenergien von der elektrischen Feldstärke:
E2p
E2s
|h2s|qz|2pi|2 2
≈ E1 +
·E
∆
|h2s|qz|2pi|2 2
≈ E2 −
·E
∆
(2.35)
Die Zusammenhänge (2.35) entsprechen genau dem Ergebnis, das man auch
im Rahmen einer störungstheoretischen Behandlung des Starkeffekts erhält.
Der letztgenannte Ansatz basiert ja gerade auf der geringen Größe der Störung und erweist sich unter den Bedingungen des vorgestellten Experiments
als sehr exakte Näherung.
0
00
Abbildung 2.11 illustriert die Energien des vibrationslosen 2s 2A1 und 2p 2A2
Zustandes in Abhängigkeit von der elektrischen Feldstärke E. Während das
2p-Niveau unter der Wirkung des Starkeffekts energetisch angehoben wird,
erfährt das 2s-Niveau eine Absenkung um denselben Energiebetrag. Man
beachte dabei insbesondere den Maßstab der x-Achse im linken Diagramm!
Erst für Felder oberhalb von 2500 kV/cm überschreitet die auftretende Energieverschiebung die Auflösungsgrenze der Messapparatur von 10 meV. Zum
Vergleich veranschaulicht das rechte Diagramm die Größe des Effekts im
Feldstärkebereich zwischen 0 und 20 kV/cm. Selbst für die höchsten Felder,
29
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
Abbildung 2.11:
0
00
Starkeffekt des vibrationslosen 2s 2A1 und 2p 2A2 Niveaus in Abhängigkeit
vom angelegten elektrischen Feld. Links eine Übersicht der Energieverläufe
bis 5000 kV/cm, rechts eine Darstellung der Energieverschiebung innerhalb
des experimentell eingesetzten Feldstärkebereichs zwischen 0 und 20 kV/cm.
die im Rahmen dieser Arbeit Anwendung finden, bleibt die Energieverschiebung beider Zustände unterhalb von 1 µeV. Die blaue Kurve illustriert darüber hinaus den quadratischen Verlauf des Starkeffekts, wie er sich aus den
Gleichungen (2.35) als Näherung für kleine Störungen ergibt.
2.6.2
Wellenfunktionen
Neben einer Verschiebung der Eigenenergien bewirkt das externe elektrische
Feld auch eine Änderung der Wellenfunktionen. Dabei wird dem Ausgangszustand jeweils ein Anteil des energetisch benachbarten Niveaus beigemischt,
so dass eine Superposition verschiedener elektronischer Zustände entsteht. In
der Basis der ungestörten Wellenfunktionen {|2si, |2pi} nehmen die neuen
Eigenzustände des Moleküls nun folgende Form an:
√
1 − α2 |2pi + α |2si
|Ψ+ i =
√
|Ψ− i =
1 − α2 |2si − α |2pi
(2.36)
Der Koeffizient α beschreibt dabei die Wahrscheinlichkeitsamplitude
der bei√
gemischten Wellenfunktion und kann zwischen 0 und 1/ 2 variieren. Sein
genauer Wert ist durch die Stärke der Störung bestimmt und ergibt sich aus
30
2.6. STARKEFFEKT IM ELEKTRISCHEN FELD
dem Diagonalisierungs-Formalismus zu
W12 1
α = sin arctan 2 2
∆ (2.37)
Auch hier können wir wieder voraussetzen, dass der Einfluss des elektrischen
Feldes über den im Experiment relevanten Feldstärkebereich zu einer Störung
|W12 | << ∆ führt. Für die trigonometrischen Funktionen aus (2.37) gilt dann
in guter Näherung sin(x) ≈ x und arctan(x) ≈ x :
W12 1
sin arctan 2 2
∆ W12 1
≈ arctan 2 2
∆ ≈
W12 ∆
Mit Hilfe dieser Näherung erhalten wir unter Berücksichtigung des Zusammenhangs (2.34) eine lineare Abhängigkeit der beigemischten Wellenfunktion
von der elektrischen Feldstärke:
α ≈
|h2s|qz|2pi|
·E
∆
(2.38)
In Abbildung 2.12 ist die Änderung der Eigenzustände (2.36) unter der Wirkung des Starkeffekts graphisch veranschaulicht. Wie aus dem linken Diagramm ersichtlich, nimmt der Anteil der Beimengung α zunächst linear mit
dem angelegten Feld zu, um sich oberhalb von E = 1000 kV/cm allmählich
zu verlangsamen. Die schwarz gepunktete Linie spiegelt die Näherung (2.38)
wider. Sie entspricht einer Behandlung des Starkeffekts in 1.Ordnung Störungstheorie und beschreibt den Verlauf der Zustandsmischung für Felder
unterhalb der 1000 kV/cm-Grenze in ausreichender Genauigkeit.
Das rechte Diagramm stellt den für diese Arbeit relevanten Feldstärkebereich
zwischen 0 und 20 kV/cm in einer Ausschnittsvergrößerung dar. Selbst die
0
00
höchsten angelegten Felder bewirken sowohl beim 2s 2A1 als auch beim 2p 2A2
Niveau lediglich Beimengungen in der Größenordnung von 2.5 · 10−3 . Unter
diesen Voraussetzungen entspricht die Wahrscheinlichkeitsamplitude α des
beigemischten Zustandes unmittelbar seinem Anteil r an der Gesamtwellenfunktion:
α
√
≈ α
(2.39)
rbeigemischt =
α + 1 − α2
2.6.3
Dissoziationsraten
0
00
Die Mischung der 2s 2A1 und 2p 2A2 Wellenfunktion infolge des Starkeffekts
hat unmittelbare Auswirkungen auf das Dissoziationsverhalten des Moleküls
31
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
Abbildung 2.12:
Anteil der Beimengung α in den Eigenzuständen (2.36) als Funktion des elektrischen Feldes. Links eine Übersicht bis 5000 kV/cm, rechts eine Ausschnittsvergrößerung des experimentell genutzten Feldstärkebereichs. Die schwarz
gepunktete Gerade entspricht einer Näherung in 1.Ordnung Störungstheorie.
im elektrischen Feld. Für den Bereich niedriger Feldstärken spielt dabei insbesondere der große Lebensdauer-Unterschied beider Zustände eine entscheidende Rolle. Um die folgenden Betrachtungen zunächst auf eine allgemeine
Basis zu stellen, bezeichnen wir den Ausgangszustand des Moleküls im feldfreien Raum mit |Ai und das durch den Starkeffekt beigemischte Niveau
mit |Bi. Im Einflussbereich des elektrischen Feldes nimmt die Wellenfunktion des Moleküls nun eine Superposition der Form
|Ψi =
√
1 − α2 |Ai + α |Bi
(2.40)
an, wobei die Koeffizienten über die Normierungsbedingung miteinander verknüpft sind. Im Unterschied zur Dissoziation eines ungestörten Eigenzustandes stehen dem Molekül aus einer Superposition heraus zwei verschiedene
Zerfallskanäle in das identische Dreiteilchen-Kontinuum offen. Das Verzweigungsverhältnis der beiden Kanäle variiert mit der Beimengung α und kann
durch geeignete Wahl des elektrischen Feldes experimentell reguliert werden.
Wenn man die Dissoziationsrate R des Superpositionszustandes (2.40) berechnen möchte, so muss man bedenken, dass seine beiden Anteile im allge32
2.6. STARKEFFEKT IM ELEKTRISCHEN FELD
meinen verschiedene natürliche Lebensdauern τA und τB besitzen:
R (α) = (1 − α2 )
1
1
+ α2
τA
τB
(2.41)
Während der erste Summand die Dissoziationsrate des Ausgangsniveaus beschreibt, manifestiert sich im zweiten Summanden der zusätzliche Zerfallskanal, welcher sich für das Molekül innerhalb des elektrischen Feldes eröffnet.
Durch Ausklammern von 1/τA lässt sich der Ausdruck (2.41) in eine Form
überführen, anhand derer die auftretenden Effekte leicht diskutiert werden
können:
τA 2
2
(2.42)
α
R (α) = R0 · 1 − α +
τB
Im feldfreien Fall (α = 0) dissoziiert der ungestörte Ausgangszustand |Ai
entsprechend seiner natürlichen Lebensdauer mit einer Rate R0 . Durch den
Eintritt des Moleküls in das elektrische Feld erfährt diese Rate nun zwei
verschiedene Korrekturen, welche durch die beiden α - abhängigen Summanden in Gleichung (2.42) beschrieben werden. Der mittlere Term mit dem
negativen Vorzeichen resultiert aus einer Abnahme der Bevölkerung im Zustand |Ai aufgrund der zunehmenden Beimengung von Zustand |Bi. Dieser
sogenannte Populationstransfer wird erst bei Mischungsgraden α > 0.1 für
das Experiment relevant und hat im Bereich niedriger Feldstärken keinen
nennenswerten Einfluss auf die Dissoziationsrate.
Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem letzten Term in Gleichung (2.42),
welcher die entscheidende Grundlage für den Erfolg des vorgestellten Experiments bildet. Er beschreibt eine Zunahme der Dissoziationsrate des Moleküls
infolge der unterschiedlichen Lebensdauern zweier wechselwirkender Zustände. Unter der Bedingung τA = τB wird dieser Effekt groß genug, um die
Rateneinbuße durch den Populationstransfer vollständig zu kompensieren.
Für τA > τB resultiert daraus im Endergebnis eine Zunahme der Zerfallsrate
bei steigendem elektrischem Feld, und genau dieses Phänomen bezeichnen
wir mit dem Begriff feldinduzierte Dissoziation.
0
00
Das H3 besitzt mit dem 2s 2A1 und 2p 2A2 -Niveau zwei energetisch dicht
benachbarte Zustände, die sich in ihrer Lebensdauer um 6 Größenordnungen unterscheiden. Aufgrund dieser Konstellation ist das Molekül geradezu
prädestiniert für Analysen der feldinduzierten Dissoziation. Das metastabile 2p-Niveau übernimmt dabei die Rolle des Ausgangszustands, der im
elektrischen Feld durch die Beimengung eines extrem kurzlebigen 2s-Anteils
33
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
dissoziiert wird. Unter Berücksichtigung der Lebensdauern τ2p = 700 ns und
τ2s = 200 fs ergibt sich aus (2.42) eine Dissoziationsrate
h
i
R2p (α) = R0 · 1 + 3.5 ·106 α2 .
(2.43)
Damit wird klar, dass im vorliegenden Fall bereits Beimischungen im Bereich
α ≈ 10−3 genügen, um die Dissoziationsrate des Moleküls zu vervierfachen!
Die benötigten elektrischen Felder liegen bei einigen kV/cm und lassen sich
ohne Schwierigkeiten im Experiment realisieren.
2.6.4
Zerfallskanäle
Die Tatsache, dass sich das dissoziierende H3 -Molekül in einer Superposition
zweier elektronischer Zustände befindet, eröffnet einen neuartigen Ansatz
für Untersuchungen der molekularen Dynamik des Zerfallsprozesses. Wie in
00
Abbildung 2.13 für ein 2p 2A2 -Molekül veranschaulicht, existieren aus einem
solchen Superpositionszustand heraus zwei verschiedene Zerfallspfade in dasselbe Dreiteilchen-Kontinuum:
Λ2p
|Ψi −−→ H (1s) + H (1s) + H (1s)
Λ
2s
|Ψi −−→
H (1s) + H (1s) + H (1s)
(2.44)
(2.45)
Die Wellenfunktion |Ψi des Moleküls erfährt dabei auf jedem der Wege unterschiedliche nicht-adiabatische Kopplungen, beschrieben durch die Operatoren Λ2p und Λ2s . Im abgebildeten Beispiel entsteht der 2p-Pfad (2.44) aus
einer Kopplung des Ursprungsniveaus an die Grundzustandsfläche, während
eine Dissoziation über den 2s-Pfad (2.45) erst durch die Wechselwirkung
mit dem elektrischen Feld E ermöglicht wird. Das Verzweigungsverhältnis
zwischen den beiden Kanälen kann direkt aus Gleichung (2.41) entnommen
werden:
α2
τ2p
R (2s−Pfad)
=
·
(2.46)
2
R (2p−Pfad)
1 − α τ2s
Es steigt aufgrund der Gewichtung mit dem Lebensdauer-Unterschied τ2p /τ2s
rasch an und erlaubt eine experimentelle Beobachtung beider Zerfallspfade
bei Feldstärken von wenigen kV/cm.
In einem zeitabhängigen Ansatz wollen wir den Prädissoziationsprozess des
Moleküls nun etwas detaillierter betrachten und teilen den Vorgang in eine
Abfolge zweier Teilschritte auf: Erstens einen nicht-adiabatischen Übergang
34
2.6. STARKEFFEKT IM ELEKTRISCHEN FELD
Abbildung 2.13:
Schematische Darstellung der
möglichen Dissoziationspfade
00
eines 2p 2A2 -Moleküls im elektrischen Feld.
des Moleküls aus dem angeregten Niveau in den Grundzustand, und zweitens
0
eine anschließende Propagation der Wellenfunktion auf der repulsiven 2p 2 E Potentialfläche. Wir kennzeichnen die Rotations- und Vibrationsbewegung
der Kerne mit |χi und erhalten für das H3 -Molekül im elektrischen Feld die
Gesamtwellenfunktion
|Ψges i = |χi (α|2si + β |2pi) .
(2.47)
0
Während wir unsere bisherigen Rechnungen ausschließlich auf das 2s 2A1 und
00
2p 2A2 -Niveau beschränkt hatten, muss eine quantenmechanische Beschreibung des Dissoziationsvorgangs auch die beiden Blätter der Grundzustandsfläche berücksichtigen. Ihre orthonormierten Eigenvektoren |Gu i und |Gl i4
spannen zusammen mit den angeregten Zuständen |2si und |2pi eine Basis
des Zustandsraums auf, in der wir den Hamiltonian für die Kernbewegung
anschreiben können:

H = TK I
V2p

 W(E)
+

Λ
 2p,u
Λ2p,l
W(E) Λ2p,u Λ2p,l
V2s


Λ2s,u Λ2s,l 

Λ2s,u
Vu
Λ2s,l
Λu,l

Λu,l 

(2.48)
Vl
TK bezeichnet den Operator für die kinetische Energie der Kerne, I die Einheitsmatrix, und die Diagonalelemente V die adiabatischen Potentiale der
Basiszustände. In den nicht-diagonalen Einträgen stehen die Störung W(E)
4
angelehnt an die englischen Bezeichnungen upper & lower sheet
35
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
durch das elektrische Feld, sowie die nicht-adiabatischen Kopplungen Λ zwischen den einzelnen Niveaus. Die zeitliche Entwicklung des Superpositionszustandes (2.47) ist damit gegeben durch
|Ψges (t)i = exp[−iHt] (α|χ0 i|2si + β |χ0 i|2pi) ,
(2.49)
wobei die Wellenfunktion |χ0 i den Rotations- und Vibrationszustand des
Moleküls zum Zeitpunkt t = 0 bezeichnet. Mit zunehmender Dauer führt die
Wirkung der nicht-adiabatischen Kopplungselemente zu einem Populationstransfer vom angeregten Niveau auf die Grundzustandsfläche. Während eines
kleinen Zeitintervalls [t0 , t0 + dt0 ] geht dabei ein Anteil
E
E
|∂Ψu,l (t0 )i = −i Pu,l H αχ(t0 ) |2si + β χ(t0 ) |2pi dt0
= −i (α|∂φs i + β |∂φp i) dt0
(2.50)
0
der Wellenfunktion auf die beiden 2p 2 E -Blätter über. Dieser setzt sich aus
einem Beitrag des 2s- und des 2p-Dissoziationspfades zusammen:
E
E
(2.51)
E
E
(2.52)
|∂φs i = Λ2s,u χ(t0 ) |Gu i + Λ2s,l χ(t0 ) |Gl i
|∂φp i = Λ2p,u χ(t0 ) |Gu i + Λ2p,l χ(t0 ) |Gl i
Der Operator Pu,l führt eine Projektion auf den von |Gu i und |Gl i aufgespannten Unterraum aus, in welchem sich auch die anschließende Propagation der einzelnen Wellenfunktionsanteile vollzieht. Da die Dissoziation
auf beiden Blättern der Grundzustandsfläche innerhalb von ≈ 20 fs abläuft
[MK98], entfernen sich die Beiträge |∂Ψu,l (t0 )i sehr rasch vom Ort des Übergangs und werden an einer weiteren Wechselwirkung mit dem angeregten
Zustand gehindert. Wir können die Beschreibung der Zeitentwicklung für
t > t0 daher allein auf die Grundzustandsfläche beschränken:
|∂Ψu,l (t)i = exp[−iHu,l (t − t0 )] |∂Ψu,l (t0 )i ,
(2.53)
mit dem Hamiltonoperator Hu,l = Pu,l HPu,l . Wenn wir jetzt den Ausdruck
(2.50) in (2.53) einsetzen und über die Zeit t0 integrieren, so erhalten wir
|Ψu,l (t)i = −i
Z t
0
exp[−iHu,l (t − t0 )] (α|∂φs i + β |∂φp i) dt0
(2.54)
Diese Gleichung kann man auf folgende Weise interpretieren: In einem kleinen Zeitintervall dt0 fließt ein Anteil (α|∂φs i + β |∂φp i) dt0 der Bevölkerung
36
2.6. STARKEFFEKT IM ELEKTRISCHEN FELD
des angeregten Zustandes in das Kontinuum ab. Dieser Anteil propagiert
auf den gekoppelten Blättern der Grundzustandsfläche, was durch den Term
exp[−iHu,l (t−t0 )] beschrieben wird. Zum Zeitpunkt t haben sich viele solcher
Anteile im Grundzustand angesammelt und addieren sich zu einer Gesamtwellenfunktion |Ψu,l (t)i. Man kann den Ausdruck (2.54) in die Form
|Ψu,l (t)i = − iα|φs (t)i − iβ |φp (t)i
(2.55)
überführen und erkennt, dass alle Beiträge des 2s-Pfades |∂φs i ebenso wie
diejenigen des 2p-Pfades |∂φp i ein unabhängiges Wellenpaket bilden:
|φs (t)i =
|φp (t)i =
Z t
0
Z t
0
exp[−iHu,l (t − t0 )] |∂φs i dt0
(2.56)
exp[−iHu,l (t − t0 )] |∂φp i dt0
(2.57)
Die beiden Wellenpakete |φs (t)i und |φp (t)i resultieren aus unterschiedlichen
nicht-adiabatischen Kopplungen und propagieren entlang verschiedener Trajektorien auf der Grundzustandsfläche. Infolgedessen bilden sich zwischen
ihnen Phasendifferenzen heraus, die sich bei einer Messung von ||Ψu,l (t)i|2
als Interferenzeffekte äußern.
2.6.5
Interferenzeffekte
Bei einem Dreiteilchenzerfall des Moleküls wird die Wellenfunktion (2.55) am
Ort des Detektors (t → ∞) auf eine Produktwellenfunktion dreier einzelner
Wasserstoffatome abgebildet:
|Ψu,l i = lim |Ψu,l (t)i = φ1 (~k1 ) φ2 (~k2 ) φ3 (~k3 )
t→∞
(2.58)
Die Größen ~ki bezeichnen die Impulsvektoren der Fragmente im Schwerpunktsystem und genügen dem Energie- und Impulserhaltungssatz. Im vorgestellten Experiment können wir für jedes einzelne detektierte Molekül die
Vektoren ~k1 , ~k2 und ~k3 bestimmen. Das Ergebnis einer Vielzahl solcher Messungen liefert uns ein Abbild der Wahrscheinlichkeitsverteilung ||Ψu,l i|2 und
kann in einem Dalitzplot veranschaulicht werden (siehe Abschnitt 4.3).
37
KAPITEL 2. DAS H3 -MOLEKÜL
In Abwesenheit eines elektrischen Feldes können wir die Beiträge der verschiedenen Zerfallskanäle getrennt voneinander beobachten. Die KontinuumsWellenfunktion (2.55) besteht dann entweder nur aus dem 2s- oder nur aus
dem 2p-Wellenpaket, und wir messen die ungestörten Dalitzplots
D2s = | lim |φs (t)i |2 = D2s (x, y)
t→∞
D2p = | lim |φp (t)i |2 = D2p (x, y)
t→∞
(2.59)
mit den gebräuchlichen Koordinaten (x, y) aus Gleichung (4.19). Bei einer
Dissoziation des Moleküls im elektrischen Feld setzt sich die KontinuumsWellenfunktion dagegen aus den Anteilen beider Zerfallskanäle zusammen.
Diese addieren sich entsprechend ihrer Wahrscheinlichkeitsamplituden zu einem Dalitzplot
DSup = | lim (α|φs (t)i+β |φp (t)i) |2
t→∞
6= |α|2 D2s + |β|2 D2p
(2.60)
Aufgrund der Phasenunterschiede von |φs (t)i und |φp (t)i entspricht das Ergebnis (2.60) für eine Superposition nicht einfach der Summe der ungestörten Dalitzplots, sondern beinhaltet Interferenzen der beiden Wellenpakete. In
diesem Sinne kann man das vorgestellte Experiment als einen molekularen
Doppelspalt-Versuch interpretieren: Die beiden Dissoziationskanäle stellen
dabei den Doppelspalt dar, aus dem zwei Wellenpakete dreier korrelierter
Wasserstoffatome resultieren. Das Dreiteilchen-Kontinuum fungiert in diesem Bild als Schirm, und das Interferenzmuster wird auf die Impulsvektorkorrelationen der entstehenden Zerfallsfragmente projiziert.
38
Kapitel 3
Das Experiment
Mit Hilfe eines Translationsspektrometers wird die Wirkung eines äußeren
elektrischen Feldes auf den Dissoziationsprozess metastabiler H3 -Moleküle
untersucht. In einer Wasserstoff-Gasentladung erzeugte H+
3 -Ionen werden auf
Energien von 3 keV beschleunigt und in einem Magnetfeld massenselektiert.
Der schnelle Ionenstrahl passiert eine mit Cs-Dampf gefüllte Kammer, wo er
durch Ladungstausch neutralisiert wird. Dabei werden zahlreiche angeregte
H3 -Zustände bevölkert, die jedoch zumeist sehr kurzlebig sind und unmittelbar nach ihrer Entstehung wieder dissoziieren. Lediglich der metastabile
00
2p 2A2 -Zustand und einige hochangeregte Rydbergzustände überdauern den
700 ns langen Flug in die 30 cm entfernte Starkfeld-Zone. Hier passieren
die Moleküle ein inhomogenes elektrisches Feld, dessen maximale Stärke im
Bereich zwischen 0 und 20 kV/cm variiert werden kann.
Über den Stark-Effekt wird dabei dem metastabilen 2p-Niveau ein Anteil
des kurzlebigen 2s-Zustandes beigemischt, wodurch eine Superposition beider
elektronischer Zustände entsteht:
|Ψi = α |2si + β |2pi
(3.1)
Die Amplituden α und β sind durch die Stärke des äußeren elektrischen Feldes bestimmt. Jeder ungestörte Zustand koppelt an den dissoziativen Grundzustand, so dass das Molekül im Zustand (3.1) das Dreiteilchen-Kontinuum
über zwei verschiedene Kanäle erreichen kann. Da das Molekül dabei unterschiedliche nicht-adiabatische Kopplungen erfährt, eröffnet dieses Konzept
erstmals die Möglichkeit, über eine Regulierung der Feldstärke den Anteil
der beteiligten Kopplung experimentell zu kontrollieren.
39
KAPITEL 3. DAS EXPERIMENT
Starkfeld
Slit
H 3+
_
H3
Beamflag
Detektor
Cs
3 keV
Ionenstrahl
2
2p A”2
+
Ladungstausch
Abbildung 3.1:
Experimenteller Aufbau zur Starkeffekt-induzierten Dissoziation von H3 .
Die bei der Dissoziation entstehenden Fragmente driften über eine Länge von
2,39 m auseinander, ehe sie mit einem multihitfähigen Detektorsystem zeitund ortsaufgelöst nachgewiesen werden. Um Ablenkungen der Teilchen durch
Stöße weitgehend auszuschließen, findet das Experiment in einer VakuumApparatur bei einem Druck von 10−8 mbar statt. Aus den am Detektor registrierten Auftreffzeiten und -orten lassen sich die Impulsvektoren aller Fragmente im Schwerpunktsystem rekonstruieren. Diese kinematisch vollständige
Erfassung der Zerfallsprodukte ermöglicht eine Analyse der räumlichen Orientierung des Moleküls zum Zeitpunkt der Dissoziation, sowie die Beobachtung quantenmechanischer Interferenzeffekte beim Dreiteilchenzerfall eines
Superpositions-Zustandes.
3.1
3.1.1
Erzeugung des schnellen Ionenstrahls
Ionenquelle
Die Erzeugung der H+
3 -Ionen erfolgt in einer mit Wasserstoff betriebenen
Gasentladung, die zwischen zwei hohlzylindrisch geformten Elektroden aufgebaut wird. Über ein externes Einlassventil kann H2 -Gas in die Entladungszone zwischen Anode und Kathode eingebracht werden. Zufällig in diesem
Bereich erzeugte freie Elektronen (z.B. aufgrund der Höhenstrahlung) werden in Richtung der Anode beschleunigt und lösen durch Stoßionisation eine
Ladungsträger-Lawine aus, die schließlich zur Zündung der Gasentladung
führt. Die dabei entstandenen H+
2 -Ionen bewegen sich in umgekehrter Richtung und lösen bei ihrem Aufprall auf die Kathode Sekundärelektronen aus
der Oberfläche heraus, welche den Entladungsvorgang weiter aufrecht erhalten. Auf diese Weise stellt sich bei einem Gasdruck von etwa 1 mbar eine
selbständig brennende Glimmentladung ein.
40
3.1. ERZEUGUNG DES SCHNELLEN IONENSTRAHLS
Verschiedene chemische Prozesse in der Entladung führen zur Bildung der
+
Wasserstoffionen H+ , H+
2 und H3 . Durch Reaktionen von Restgas-Molekülen
entstehen darüber hinaus die Wasserionen H2 O+ und H3 O+ , sowie geringe
Mengen an O+ , OH+ und N+
2 . Die Konzentration der verschiedenen Ionensorten wird durch den Druck und die Temperatur innerhalb der Entladung
bestimmt. Im vorliegenden Experiment wird die Kathode mit 18◦ C kaltem
Wasser gekühlt, um über die Reaktion
→ H+
H2 + H+
3 +H
2
(3.2)
eine möglichst hohe Ausbeute an H+
3 zu gewährleisten. Darüber hinaus wird
durch die Wasserkühlung eine bevorzugte Besetzung der niederenergetischen
Schwingungsniveaus erreicht. Wie in Abbildung 3.2 dargestellt, gelangen die
Abbildung 3.2:
Schematische Darstellung der Hohlkathoden-Ionenquelle und des Potentialverlaufs während dem Betrieb der Gasentladung.
41
KAPITEL 3. DAS EXPERIMENT
gebildeten Ionen durch eine 200 µm große Extraktorblende in das umgebende
Vakuum. Die Potentialdifferenz zwischen dieser Blende und der Anode begrenzt dabei den austretenden Ionenstrom. Im vorliegenden Experiment hat
sich eine Extraktorspannung um 30 V als günstiger Kompromiss erwiesen,
der eine ausreichende Stromstärke mit einer geringen Energieunsicherheit der
Ionen vereint.
Nach ihrem Austritt in das Vakuum durchqueren die Ionen eine Potentialdifferenz von 3 kV, welche sie auf Geschwindigkeiten von mehreren 105 m/s
beschleunigt. Eine positiv geladene Ringelektrode (Linse) am Ausgang der
Quelle ermöglicht schließlich eine Fokussierung des Ionenstrahls.
3.1.2
Massenselektion im Magnetfeld
Um die H+
3 -Moleküle von den übrigen Ionensorten separieren zu können, passiert der schnelle Molekülstrahl anschließend ein homogenes Magnetfeld. Da
alle erzeugten Ionen einfach positiv geladen sind und dieselbe Beschleunigungsspannung U0 durchlaufen haben, treten sie mit einer Geschwindigkeit
s
v0 =
2eU0
m
(3.3)
in das Magnetfeld ein, die ausschließlich von ihrer Masse m abhängt. Inner~ unterliegen die Ionen der geschwindigkeitsabhalb des homogenen Feldes B
hängigen Lorentzkraft
~ ,
F~L = e ~v0 × B
(3.4)
Abbildung 3.3:
Massenselektion im Magnetfeld. Bei geeigneter Wahl der
~ können die H+
Flussdichte B
3Ionen die Austrittsblende passieren. Alle anderen Ionensorten werden abgeblockt.
42
3.2. NEUTRALISIERUNG DURCH LADUNGSTAUSCH
die sie auf Kreisbahnen unterschiedlicher Radien zwingt und zu einer räumlichen Separation der einzelnen Massen führt. Am Ende des Magnetfeldes
ist eine Austrittsblende angebracht, die den möglichen Radius R der Teilchenbahn in der Apparatur eingrenzt (Abbildung 3.3). Durch entsprechende
Anpassung der Magnetfeldstärke kann damit gezielt eine Molekülsorte aus
dem Strahl ausgewählt werden, deren Masse der Bedingung
m=
eR2 2
B
2U0
(3.5)
genügt. Das homogene Magnetfeld wird mittels eines Helmholtz-Spulenpaares
realisiert und kann durch Variation der Stromstärke stufenlos geregelt werden. Für H+
3 misst man an der Austrittsblende einen Ionenstrom von einigen
10 nA, was größenordnungsmäßig 1011 Molekülen pro Sekunde entspricht.
Mit Hilfe elektrischer Ablenkplatten kann der H+
3 -Strahl nach Verlassen des
Magnetfeldes auf die Mittelachse der Vakuumapparatur einjustiert werden.
3.2
Neutralisierung durch Ladungstausch
Im nächsten Schritt wird der schnelle Ionenstrahl durch eine Ladungstauschzelle geführt, um die H+
3 -Moleküle zu neutralisieren. Diese wird mit einer 1 gAmpulle reinen Cäsiums befüllt, das während des Experiments auf Temperaturen von etwa 80◦ C geheizt wird. Dadurch bildet sich in der Ladungstauschzelle eine dünne Atmosphäre aus Cs-Dampf aus. Bei ihrem Durchqueren kann
ein H+
3 -Ion das schwach gebundene Valenzelektron eines Cäsiumatoms aufnehmen und neutralisiert werden:
∗
+
H+
3 + Cs → H3 + Cs + ∆E
(3.6)
Besonders effizient ist dieser Ladungstausch, wenn die Geschwindigkeit des
Molekülstrahls an die Differenz der Ionisierungsenergien beider Partner ∆E
angepasst ist. Anhand der Energie-Zeit-Unschärferelation lässt sich die hierfür benötigte Beschleunigungsspannung leicht abschätzen [Has72]:
Die Reaktion (3.6) kann nur stattfinden, solange sich die Tauschpartner innerhalb eines ≈ 7Å messenden Wechselwirkungsbereiches ` befinden. Während der zur Verfügung stehenden Zeit δt nimmt das vorbeifliegende H+
3Molekül die Ionisierungsenergie des Cs-Atoms mit einer Unsicherheit
δE = ~ / δt
43
(3.7)
KAPITEL 3. DAS EXPERIMENT
wahr, wodurch die Wahrscheinlichkeit für einen nicht-resonanten Ladungstausch ansteigt. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Ionisationspotentiale1 ergibt sich eine optimale Strahlgeschwindigkeit
v0 =
` ∆E
≈ 2.4 · 105 m/s ,
~
(3.8)
wenn man einen möglichst hohen Anteil an metastabilem H3 erzeugen möchte. Dem entspricht gemäß Gleichung (3.3) eine Beschleunigungsspannung
U0 ≈ 1 kV. Im vorliegenden Experiment wurde eine etwas höhere Potentialdifferenz von 3 kV gewählt, damit die Dissoziationsfragmente genügend
Energie besitzen, um mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein Signal am
Detektor auszulösen. Aufgrund der höheren Geschwindigkeit der Ionen verkürzt sich ihre Wechselwirkungsdauer mit den Cs-Atomen um den Faktor 1,7.
Die daraus resultierende Effizienzeinbuße beim Ladungstausch ist gering und
reduziert die Ausbeute neutraler H3 -Moleküle im metastabilen Zustand nur
unwesentlich. Nicht neutralisierte Ionen werden am Ausgang der Ladungstauschzelle mit Hilfe eines elektrischen Feldes aus dem Strahl entfernt.
00
Neben dem metastabilen 2p 2A2 -Niveau wird durch den Ladungstausch ein
ganzes Spektrum weiterer elektronisch angeregter Zustände des H3 bevölkert.
Die meisten von ihnen sind sehr kurzlebig und dissoziieren innerhalb weniger
ns. Ihre Fragmente driften von der Strahlachse weg und werden durch den
sogenannten Slit, eine Lochblende mit 1 mm Durchmesser, am Eintritt in das
elektrische Feld gehindert. Lediglich Zustände mit Lebensdauern im Bereich
von einigen 100 ns überdauern den Flug in die 30 cm entfernte StarkfeldZone und stehen für die feldinduzierte Dissoziation zur Verfügung. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass neben den Molekülen im metastabilen
00
2p 2A2 -Niveau auch eine Reihe hochangeregter Rydbergzustände mit Hauptquantenzahlen n ≥ 5 in der Starkfeld-Zone nachgewiesen werden kann (vgl.
Abbildung 5.10).
1
00
Für Cs (6s): 3,89 eV , für H3 (2pA2 ): 3,67 eV
44
3.3. DISSOZIATION IM STARKFELD
3.3
Dissoziation im Starkfeld
Nachdem der Molekülstrahl neutralisiert wurde und zu einem Großteil in
00
den metastabilen 2p 2A2 (N=0, K=0) Zustand präpariert ist, kann das eigentliche Dissoziations-Experiment beginnen. Durch die kleine Lochöffnung
des Slits treten die H3 -Moleküle in die Starkfeld-Zone ein und passieren zwei
halbzylindrische Aluminium-Elektroden mit einem Radius von 1 cm (s. Abbildung 3.4). An ihrer engsten Stelle in einem Abstand von 3 mm positioniert,
können sie unter den herrschenden Hochvakuum-Bedingungen von 10−8 mbar
jeweils auf Potentiale bis zu 5 kV gelegt werden, ohne dass es zu einem Funkenüberschlag kommt. In dem Raum zwischen den beiden Starkplatten bildet
sich ein inhomogenes elektrisches Feld aus, dessen Verlauf in Abbildung 3.5
für eine Spannung von 1.5 kV pro Elektrode gezeigt wird. Die Feldstärke
erreicht dabei im Zentrum der Anordnung ein Maximum von 10.3 kV/cm
und fällt bis zum Rand der Elektroden auf ein Viertel dieses Wertes ab. Die
geerdete Halterung des Slits fungiert als Abschirmung, die einen definierten Eintrittsort der Moleküle in den felddurchsetzten Bereich gewährleisten
soll. Demgegenüber greifen die Feldlinien in Richtung des Beamflags deutlich weiter entlang der Strahlachse aus. Die Spitzenfeldstärke der Anordnung
ist stufenlos regulierbar und wurde für die vorgestellten Untersuchungen im
Bereich zwischen 0 und 20 kV/cm variiert.
Abbildung 3.4:
Ansichten der Starkfeld-Zone aus Richtung des H3 -Strahls (a) und senkrecht
dazu (b). Durch eine kreisförmige Öffnung (Slit) gelangen die Moleküle in
das elektrische Feld. Zwischen zwei halbzylindrischen Elektroden sind sie
Feldstärken bis zu 20 kV/cm ausgesetzt und werden über den Starkeffekt
dissoziiert.
45
KAPITEL 3. DAS EXPERIMENT
Abbildung 3.5:
Feldlinienverlauf im Bereich der Starkfeldzone, berechnet für eine Potentialdifferenz von 3 kV zwischen den beiden Elektroden. Die Zahlen entlang der
Molekülstrahlachse kennzeichnen die jeweilige Feldstärke in kV/cm.
Während ihres etwa 50 ns dauernden Fluges durch das elektrische Feld wird
00
den metastabilen 2p 2A2 -Molekülen über den Starkeffekt ein Anteil des ener0
getisch benachbarten 2s 2A1 -Zustandes beigemischt, so dass eine Superposition zweier elektronischer Niveaus entsteht:
|Ψi = α |2si + β |2pi
(3.9)
In Abwesenheit eines externen Feldes prädissoziieren beide Niveaus in den
0
repulsiven 2p 2 E -Grundzustand, wobei sich ihre natürlichen Lebensdauern
τ2s = 200 fs und τ2p = 700 ns jedoch um 6 Größenordnungen unterscheiden!
Dies hat zur Folge, dass bereits kleine Beimengungen an 2s-Charakter die
Lebensdauer der metastabilen 2p-Moleküle drastisch reduzieren. Mit den im
Experiment erreichbaren Feldstärken lassen sich typischerweise Beimischungen im Bereich α ≤ 0.25 % realisieren. Für die Superposition (3.9) gilt demnach β ≈ 1 und die Zerfallsrate R des Moleküls ist gegeben durch
R2p (α) =
|α|2
1
+
τ2p
τ2s
(3.10)
Wegen τ2s << τ2p werden bereits bei einem 2s-Anteil von nur 0.1 % vier
Mal so viele Moleküle dissoziiert wie im feldfreien Fall. Die Kurzlebigkeit des
46
3.4. DETEKTION DER FRAGMENTE
0
2s 2A1 -Zustandes stellt also eine entscheidende Voraussetzung dar, welche die
feldinduzierte Dissoziation von metastabilem H3 bei Feldstärken im Bereich
einiger kV/cm überhaupt erst ermöglicht.
00
Da es im Experiment nicht gelingt, den 2p 2A2 -Zustand vollständig zu entvölkern, wurde im Abstand von 10 cm hinter dem Starkfeld ein Beamflag angebracht, welcher den Reststrahl aus nicht dissoziierten Molekülen blockiert.
Seine Breite ist mit 1,2 mm gerade so ausgelegt, dass er den Totbereich
zwischen den beiden Detektorplatten abschirmt. Die Fragmente dissoziierter
H3 -Moleküle können den Beamflag dagegen seitlich passieren, weil sie sich
aufgrund der freiwerdenden kinetischen Energie allmählich von der Strahlachse entfernen.
3.4
Detektion der Fragmente
Nach ihrer Entstehung in der Starkfeld-Zone driften die Molekülfragmente
zunächst in einem 2,39 m langen Flugrohr auseinander, ehe sie an dessen
Ende den Detektor erreichen. Ihre räumlichen Abstände sind in der Zwischenzeit auf einige cm angewachsen, was eine optimale Ausnutzung der aktiven Detektorfläche garantiert. Um die Zerfallskonfiguration eines Moleküls
rekonstruieren zu können, müssen alle drei Fragmente zeit- und ortsaufgelöst
in Koinzidenz nachgewiesen werden. Hierfür kommt ein multihitfähiges Detektorsystem zum Einsatz, welches ursprünglich von Müller et al. konzipiert
wurde [MEBH99] und vor wenigen Jahren von Gisi [Gis07] modernisiert worden ist. Nach Erneuerung der Nachweiselektronik können nun auftreffende
Neutralteilchen mit einer räumlichen Auflösung von 80 µm und einer Zeitgenauigkeit von 50 ps erfasst werden.
Für den Nachweis der Dissoziationsfragmente kommt ein MCP-Detektor mit
angeschlossener Delayline-Anode zum Einsatz. Dieser besteht aus zwei kreisförmigen Einheiten mit einer sensitiven Fläche von jeweils 46 mm Durchmesser. Dazwischen befindet sich ein 26 mm breiter Totbereich, innerhalb dessen
keine Teilchen registriert werden können (siehe Abbildung 3.6). Ein Effizienzverlust ist damit jedoch nicht verbunden, weil dieses Areal ohnehin durch
den Beamflag abgeschattet wird. Die im Schwerpunktsystem unter beliebigen
Raumwinkeln emittierten Dissoziationsfragmente werden durch die hohe Geschwindigkeit des Molekülstrahls auf die Detektorebene projiziert. Für den
00
metastabilen 2p 2A2 -Zustand erreicht man damit typischerweise geometrische
Nachweiseffizienzen um 25 % pro Einzelfragment.
47
KAPITEL 3. DAS EXPERIMENT
Abbildung 3.6:
Die multihitfähige Detektoreinheit. Links ein Gesamtüberblick, rechts die
schematische Ansicht einer einzelnen Detektorhälfte. Während das Zeitsignal
direkt an den MCP’s abgegriffen wird, erfolgt die Positionsbestimmung über
die dahinter liegende Delayline-Anode.
3.4.1
Die Micro Channel Plates
Das Herzstück jeder Detektorhälfte bildet ein Satz dreier Micro Channel Plates (MCP’s). Hierbei handelt es sich um jeweils 1 mm dicke Glasplättchen,
die von einer Vielzahl mikroskopisch feiner Kanäle durchzogen sind. Zwischen ihren metallisierten Oberflächen kann eine Potentialdifferenz bis zu
1 kV angelegt werden. Trifft nun ein Teilchen an der Vorderseite der MCP
auf die Wand eines Glaskanals, so löst es dort Sekundärelektronen aus, die
im elektrischen Feld beschleunigt werden und weitere Ladungsträger freisetzen. Durch diesen Vervielfachungseffekt hat sich die Anzahl der Elektronen
bis zu ihrem Austritt an der MCP-Rückseite um einen Faktor 1000 erhöht.
Die von uns verwendeten Plattenmodelle besitzen Kanäle mit 25 µm Durchmesser, welche um 8◦ gegen die Oberflächennormale verkippt sind, damit
die Ladungsträger häufiger gegen die Kanalwand stoßen. Pro Detektorhälfte
sind jeweils drei MCP’s hintereinander angebracht, über die eine Spannung
von insgesamt 2,2 kV angelegt wird. Diese als Z-Stack bezeichnete Anordnung bietet neben einer höheren Verstärkung den Vorteil einer gesättigten
Pulshöhenverteilung, was die elektronische Weiterverarbeitung der Signale
48
3.4. DETEKTION DER FRAGMENTE
250 µm
vereinfacht. Während der Detektion eines Teilchens führt der kurzzeitig fließende Elektronenstrom zu einem Abfall der Spannung zwischen Vorder- und
Rückseite des MCP-Stacks. Mit Hilfe eines Kondensators werden diese Spannungspulse ausgekoppelt und als Signale für die Zeitmessung benutzt.
3.4.2
Abbildung 3.7:
Lichtmikroskop-Aufnahme der
Oberfläche einer MCP. Die
einzelnen Glaskanäle haben im
Mittel einen Durchmesser von
25 µm und einen gegenseitigen
Abstand von 32 µm.
Die Delayline-Anode
Zur Bestimmung der Auftreffposition eines nachgewiesenen Teilchens sind
beide Detektorhälften mit einer 8 x 8 cm großen Delayline-Anode ausgestattet. Sie besteht aus einer geerdeten Trägerplatte und ist in zwei isolierten
Schichten von jeweils einem Drahtpaar umspannt. Innerhalb jeder Schicht
bildet dieses Drahtpaar eine Übertragungsleitung aus einem Signal- und einem Referenzpegel, die zueinander auf eine Potentialdifferenz von 50 V gelegt
werden. Der Einsatz eines solchen Lecher-Leiters ermöglicht eine differenzielle Übertragung der Ortssignale, wodurch deren Empfindlichkeit gegenüber
Störungen deutlich reduziert werden kann.
Wie in Abbildung 3.8 farbig veranschaulicht, sind die beiden Drahtlagen
senkrecht zueinander gewickelt und erlauben eine Positionsbestimmung in
zwei Raumrichtungen. Trifft nun die Ladungswolke eines detektierten Teilchens am Ort (y0 , z0 ) auf die Delayline-Anode, so entsteht in beiden Drahtschichten ein Strompuls, der sich in Richtung der Leiterenden ausbreitet.
Die Elektronen werden dabei nur von dem positiver geladenen Signaldraht
absorbiert, während sich auf dem Referenzdraht ein gegenphasiger Puls ausbildet. Die Signalgeschwindigkeit auf den Leitern beträgt etwa 2/3 der Lichtgeschwindigkeit. Bei 100 Windungen pro Drahtlage ergibt sich in tangentialer
49
KAPITEL 3. DAS EXPERIMENT
Richtung ein Ausbreitungsgeschwindigkeit v⊥ in der Größenordnung von
1 mm/ns. Abhängig vom Auftreffort der Ladungswolke erreicht der Spannungspuls die entgegengesetzten Enden der Leiter nach unterschiedlichen
Laufzeiten. Bezeichnen t1 , t2 die Ankunftszeiten in y-Richtung und t3 , t4
die entsprechenden Zeitpunkte in z-Richtung, so lassen sich aus diesen vier
Messgrößen die Koordinaten des Auftreffortes rekonstruieren:
y0 = (t1 − t2 ) · v⊥
z0 = (t3 − t4 ) · v⊥
(3.11)
Da nur Zeitdifferenzen in die Positionsbestimmung eingehen, kann ein beliebiger Referenzpunkt für die Zeitmessung gewählt werden. Der genaue Wert
der Ausbreitungsgeschwindigkeit v⊥ lässt sich im Experiment mit Hilfe eines
Eichverfahrens ermitteln. Eine detaillierte Beschreibung dieser Ortseichung
findet der Leser in [Gis07].
Die Genauigkeit der Positionsbestimmung hängt im Wesentlichen von zwei
Faktoren ab: Zum einen ist eine prinzipielle Grenze durch die Auflösung
der Zeitmessungen vorgegeben. Zum anderen spielt die Homogenität des
Elektronen-Abzugsfeldes zwischen der MCP-Rückseite und der DelaylineAnode eine entscheidende Rolle. Während die Ortsauflösung bei Treffern im
Zentrum der aktiven Detektorfläche typischerweise im Bereich von 80 µm
liegt, nimmt die Genauigkeit an ihren Rändern um einen Faktor drei ab
[Gis07]. Ursache dafür sind Verzerrungen des Abzugsfeldes nahe den MCPFassungen. Diese lassen sich mittels einer ringförmigen Shaping-Anode reduzieren, eine vollständige Kompensation ist jedoch nicht erreichbar.
Abbildung 3.8:
Funktionsweise der DelaylineAnode. Eine ankommende Ladungswolke erzeugt Pulse, die
über zwei Drahtpaare zu den
Ecken der Trägerplatte geführt
werden. Aus den vier Ankunftszeiten ti lässt sich der
Auftreffort (y0 , z0 ) bestimmen.
50
3.5. DATENNAHMESYSTEM
Aufgrund ihrer Ausdehnung wird eine ankommende Ladungswolke stets von
mehreren benachbarten Windungen der Delayline-Anode absorbiert. Bei der
anschließenden Propagation auf dem Leiter laufen die einzelnen Teilpulse
infolge der Dispersion ineinander und kombinieren zu einem Gesamtpuls.
Dieses sogenannte Center of gravity averaging führt dazu, dass die Ortsauflösung über die gesamte Detektorfläche erheblich genauer ist als der Abstand
der einzelnen Drahtwicklungen!
3.5
Datennahmesystem
Wie im vorigen Abschnitt beschrieben, löst jedes nachgewiesene Teilchen
am Detektor insgesamt fünf Signale aus: Eines davon wird direkt an den
MCP’s ausgekoppelt und enthält die Zeitinformation, während die restlichen
vier von der Delayline-Anode stammen und die Ortsinformation beinhalten.
Die elektronische Verarbeitung der Signale erfolgt mit einem neu gestalteten
Datennahmesystem, dessen Aufbau in Abbildung 3.10 illustriert ist.
3.5.1
Signalanalyse im Diskriminator
In einem ersten Schritt werden alle von der Detektoreinheit gelieferten Signale vorverstärkt und mittels eines Constant-Fraction-Diskriminators analysiert. Ankommende Pulse, deren Höhe unterhalb eines eingestellten Schwellenwertes liegt, werden als Rauschen identifiziert und verworfen. Bei den
verbleibenden Signalen wird jeweils der Zeitpunkt ermittelt, zu dem der ansteigende Puls einen festgelegten Bruchteil seiner Gesamthöhe erreicht hat.
Dieses Verhalten wird realisiert, indem das eingehende Signal in zwei verschiedene Komponenten aufgespalten wird (siehe Abbildung 3.9). Die eine
wird invertiert und verzögert, die andere Komponente lediglich etwas abgeschwächt. Durch Addition beider Komponenten erhält man einen bipolaren
Puls, dessen negativer Nulldurchgang von der Amplitude des Eingangssignals nahezu unabhängig ist. Zu diesem Zeitpunkt gibt der Diskriminator
schließlich ein standardisiertes NIM-Signal aus.
Einschränkungen bestehen bei sehr schnell aufeinander folgenden Teilchen,
deren Pulse sich gegenseitig überlappen. Hier nimmt die Präzision des beschriebenen Verfahrens ab, bis die einzelnen Signale bei Zeitabständen unter
10 ns schließlich gar nicht mehr getrennt werden können. Diese Grenze ist der
limitierende Faktor bei der elektronischen Verarbeitung von Doppeltreffern.
51
KAPITEL 3. DAS EXPERIMENT
400
Spannung [mV]
200
0
5
10
Zeit [ns]
15
20
25
- 200
- 400
Abbildung 3.9:
Bei der Signalverarbeitung im CF-Diskriminator wird der ankommende Puls
(schwarz) in die beiden gestrichelten Komponenten aufgespalten. Ihre Addition erzeugt ein bipolares Signal (rot), dessen Nulldurchgang den Auslösezeitpunkt des Diskriminators definiert.
3.5.2
Zeitmessung mit dem TDC
Für eine präzise Zeitmessung der Signale steht seit Ende 2007 ein neuer,
multihitfähiger Time to Digital-Konverter (TDC) der Firma CAEN zur Verfügung. Er besteht aus 16 unabhängigen Kanälen und arbeitet nach dem
Prinzip einer Stoppuhr: Von einem Triggersignal gemeinsam gestartet, messen alle TDC-Kanäle die verstrichene Zeit in ps und können durch das Eintreffen eines NIM-Pulses jeweils einzeln gestoppt werden. Die Zeitauflösung
der Kanäle liegt dabei unabhängig von der eingestellten Messdauer bei 50 ps.
Daraus resultiert eine theoretisch mögliche Ortsauflösung von 50 µm, die mit
dem Detektorsystem in seiner jetzigen Form allerdings nicht restlos ausgeschöpft wird (vgl. Abschnitt 3.4.2). Ein weiterer Vorteil des neuen TDC’s
gegenüber den früheren Modellen liegt in der Multihitfähigkeit der einzelnen
Kanäle. Bereits 5 ns nach der Registrierung eines Signals ist der entsprechende Kanal erneut messbereit. Dadurch ist gewährleistet, dass alle von
den Constant-Fraction-Diskriminatoren noch trennbaren Doppeltreffer auch
vom TDC weiterverarbeitet werden können.
52
3.5. DATENNAHMESYSTEM
Bei der Durchführung einer koinzidenten Dreiteilchenmessung wird aus Gründen der Impulserhaltung auf einer Detektorhälfte nur ein Teilchen gemessen,
während die andere Seite zwei Fragmente verwerten muss. Das Zeitsignal
des ersten nachgewiesenen H-Atoms fungiert dabei als Trigger, der die Zeitmessung am TDC initialisiert. Alle Signale, die relativ zu diesem Trigger
innerhalb eines einstellbaren Zeitfensters auftreten, werden zu einer Gruppe
zusammengefasst und als sogenanntes Event gespeichert. Es muss deshalb sichergestellt sein, dass für drei zusammengehörige Molekülfragmente nur ein
einziges Triggersignal erzeugt wird. Dies geschieht mit Hilfe einer Logikschaltung, welche die Zeitsignale aus den MCP’s in einem ODER zusammenfasst.
Nach Ankunft des ersten Teilchens wird für einen vorgebbaren Zeitraum ∆t
eine logische 1 ausgegeben. Kommt nun ein weiteres Signal innerhalb dieses
Zeitfensters an, so wird kein neues Triggersignal erzeugt, sondern die Ausgabe der logischen 1 entsprechend verlängert. Man macht sich hierbei die
Tatsache zunutze, dass physikalisch zusammengehörige Fragmente aus dem
Zerfall desselben H3 -Moleküls ausschließlich innerhalb eines definierten Zeitfensters am Detektor ankommen können. Mit diesem Konzept lassen sich
ohne Änderungen an der Elektronik sowohl Einzeltreffer, als auch Zwei- und
Dreiteilchenereignisse messen.
Die zu Events gruppierten Rohdaten werden zunächst im internen Speicher
des TDC’s abgelegt. Von dort können sie über ein VME-PCI Interface auf den
externen Messrechner ausgelesen und mit LabVIEW verarbeitet werden. Die
Verbindung wird über ein Glasfaserkabel hergestellt, das Übertragungsraten
bis zu 70 MB/s unterstützt und damit eine Auswertung der Messdaten in
Echtzeit ermöglicht.
53
KAPITEL 3. DAS EXPERIMENT
Detektor B
Detektor A
Orts- und zeitempfindlicher
Detektor
Vorverstärker
CF 0
CF 1
CF 2
CF 3
CF 0
CF 4
CF 1
CF 2
CF 3
CF 4
ConstantFraction
Diskriminatoren
Triggerlogik
ch 0
Zeit
ch 1
ch 2
ch 3
ch 4
trigger
ch 8
Zeit
Ort A
ch 9
ch 10
ch 11
ch 12
Time to Digital
Converter
Ort B
VME - PCI Interface
Abbildung 3.10:
Schematische Darstellung des Datennahmesystem, entnommen aus [Gis07].
Die grün eingefärbten Bereiche verarbeiten die Ortssignale der DelaylineAnode, während die von den MCP’s kommende Zeitinformation den violetten
Teil der Schaltung durchläuft.
54
Kapitel 4
Datenauswertung
Auf einem externen Computer steht eine umfangreiche LabVIEW -Software
zur Verfügung, welche sowohl die Durchführung einer Messung als auch die
anschließende Auswertung der Daten von zentraler Stelle aus steuert. Bei einer Dreiteilchenmessung entspricht jedem vollständig registrierten Zerfall ein
Satz von 15 Signalen, deren Ankunftszeiten zu einer Gruppe zusammengefasst und im TDC-internen Speicher abgelegt sind. Nach ihrer Übertragung
auf den Messrechner werden diese Rohdaten in eine Warteschlange einsortiert und von einem Auswertealgorithmus der Reihe nach abgearbeitet. Auf
diese Weise können bereits aufgenommene Daten schon während des laufenden Messbetriebs analysiert werden. Für den Experimentator ergibt sich
daraus der Vorteil, die korrekte Funktionsweise der Apparatur im Verlauf
einer Messung überprüfen zu können.
4.1
Koinzidenzprüfung
Vor Beginn der eigentlichen Auswertung werden die aufgenommenen Datensätze einer Prüfung unterzogen und die als fehlerhaft erkannten Ereignisse
aussortiert. Dabei kann es sich entweder um Fehlfunktionen innerhalb der
Elektronik handeln, oder aber um zufällige Koinzidenzen, bei denen Dissoziationsfragmente verschiedener Moleküle zu einem Event gruppiert worden
sind. In einem ersten Bearbeitungsschritt werden alle Ereignisse in der Warteschlange automatisch auf eine Reihe unterschiedlicher Koinzidenzkriterien
geprüft. Am Ende werden nur diejenigen Ereignisse ausgewertet, welche die
folgenden Tests fehlerfrei durchlaufen haben:
55
KAPITEL 4. DATENAUSWERTUNG
1. Gesamtzahl der Messwerte
Eine physikalisch sinnvolle Dreiteilchenmessung umfasst immer mindestens 15 Zeitmesswerte. Ereignisse, die dieses Kriterium nicht erfüllen, sind grundsätzlich unverwertbar.
2. Anzahl der Messwerte pro Kanal
Eine der beiden Detektorhälften verarbeitet stets einen Doppeltreffer.
Entsprechend muss jeder ihrer fünf Kanäle mindestens 2 Zeiten beinhalten, die andere Detektoreinheit mindestens 1 Messwert pro Kanal.
3. Zeitsummen der Ortssignale
Unabhängig vom Auftreffort eines Teilchens bildet die Summe der Signallaufzeiten zu zwei gegenüberliegenden Enden der Delayline-Anode
eine Konstante. Dieses Kriterium erlaubt darüber hinaus auch eine
Identifikation zusammengehöriger Ortssignale für den Fall, dass zwei
verschiedene Ereignisse einander zeitlich überlappen.
4. Doppeltreffer-Crosscheck
Um mögliche Zuordnungsfehler der Signale bei einem Doppeltreffer zu
vermeiden, werden die an den MCP’s ermittelten Ankunftszeiten anhand der Ortssignale gegengeprüft: Betrachtet man hierzu jedes Leiterpaar der Delayline-Anode einzeln, so muss die Summe der Zeitdifferenzen zwischen 1. und 2. Signal an gegenüberliegenden Drahtenden
dem doppelten Zeitabstand der Teilchen entsprechen.
5. Nachpulsen der MCP’s
Bei der Elektronenvervielfachung in den MCP’s können durch Stöße
mit Restgas-Atomen positive Ionen entstehen, die in den Glasröhrchen
zurücklaufen und eine weitere Elektronenlawine am selben Ort auslösen. Aus diesem Grund werden alle Ereignisse verworfen, bei denen sich
die Positionen zweier Treffer um weniger als 2 mm unterscheiden.
6. Maximale Ankunftszeitdifferenz
Beim Dreiteilchenzerfall wird abhängig vom Anregungszustand des H3 Moleküls ein diskreter Energiebetrag freigesetzt. Dieser bestimmt die
möglichen Relativgeschwindigkeiten der Fragmente und bedingt einen
Maximalwert für die Zeitdifferenz zwischen der Ankunft des ersten und
des letzten Teilchens am Detektor.
56
4.2. AUSWERTEALGORITHMUS
Nachdem die Daten hinsichtlich der genannten Kriterien überprüft und von
fehlerhaften Ereignissen bereinigt wurden, beginnt in einem zweiten Bearbeitungsschritt die Berechnung der Fragment-Impulse.
4.2
Auswertealgorithmus
Der Auswertealgorithmus basiert auf einem kartesischen Koordinatensystem,
dessen Ursprung im Zentrum des Starkfeldes liegt. Wie in Abbildung 4.1 dargestellt, betrachten wir ein H3 -Molekül, das sich mit der Geschwindigkeit ~v0
entlang der Strahlachse bewegt und durch feldinduzierte Dissoziation am Ort
(xD , 0, 0) in drei einzelne H-Atome zerfällt. Dabei behält der Massenschwerpunkt seine geradlinig gleichförmige Bewegung bei, während die Fragmente
relativ dazu mit Geschwindigkeiten ~ui auseinander driften. Nach entsprechender Flugzeit erreichen die Bruchstücke des dissoziierten Moleküls den
Detektor, wo das i-te Fragment gemäß dem Weg-Zeit-Gesetz an der Position






L
xD
v0x + uix



 

 yi  =  0  +  v0y + uiy  · (ti − tD )
zi
0
v0z + uiz
(4.1)
aufkommt. Während der genaue Dissoziationszeitpunkt tD im Allgemeinen
unbekannt ist, können in unserem Experiment für jedes der drei Teilchen die
Auftreffkoordinaten (yi , zi ) und die Ankunftszeit am Detektor ti gemessen
werden. Der Abstand zwischen Detektor und Starkfeld-Zone geht als Länge
L in die Rechnung ein, und anhand der Beschleunigungsspannung U0 lässt
sich die Anfangsgeschwindigkeit der Moleküle in Strahlrichtung abschätzen:
v0x =
v
u
u
t
2eU0
m(H3 )
(4.2)
Berücksichtigt man darüber hinaus, dass die Geschwindigkeitsvektoren der
Zerfallsfragmente durch den Impulserhaltungssatz miteinander verknüpft sind
(u~1 + u~2 + u~3 = 0), dann enthält das Gleichungssystem (4.1) insgesamt zehn
unabhängige Variablen. Dazu zählen neben den Fragmentgeschwindigkeiten
(u~1 , u~2 ) auch die transversalen Anteile der Schwerpunktsbewegung (v0y , v0z ),
sowie Zeitpunkt und Ort der Dissoziation (tD , xD ). Angesichts von neun verfügbaren Gleichungen, muss eine der Unbekannten in sinnvoller Weise festgelegt werden, um die Lösbarkeit des Gleichungssystems zu gewährleisten.
57
KAPITEL 4. DATENAUSWERTUNG
Abbildung 4.1:
Feldinduzierte Dissoziation eines H3 -Moleküls. Während sich der Massenschwerpunkt entlang der Strahlachse weiterbewegt, driften die entstandenen
Fragmente mit Relativgeschwindigkeiten ~ui auseinander.
Als geeignete Vereinfachung bietet sich im vorgestellten Experiment eine
Lokalisierung des Zerfallsortes an. Unter realen Bedingungen dissoziieren die
Moleküle typischerweise innerhalb eines ungefähr 4 cm langen Bereiches,
der durch die Ausdehnung des Feldes vorgegeben ist. Die Annahme eines
fixen Zerfallsortes im Zentrum der Starkfeld-Zone (xD = 0) führt daher im
Mittel zu einem Fehler von ± 2 cm, was bei einer Driftstrecke L=2,39 m eine
Unsicherheit von lediglich 1% in die Auswertung einbringt.
4.2.1
Longitudinale Impulse
Trotz seines einfachen Aussehens lässt sich das Gleichungssystem (4.1) nicht
auf rein analytischem Wege lösen. Als problematisch erweisen sich dabei vor
allem die longitudinalen Geschwindigkeitsanteile uix , deren Berechnung ein
iteratives Lösungsverfahren erfordert. Unter der Annahme xD = 0 erhalten
wir für sie aus der ersten Komponente des Gleichungssystems den Zusammenhang
uix =
L
− v0x
ti − tD
(4.3)
Um den unbekannten Dissoziationszeitpunkt tD zugunsten der experimentell
zugänglichen Werte ∆t1 = (t2 − t1 ) und ∆t2 = (t3 − t1 ) aus der Rechnung zu
58
4.2. AUSWERTEALGORITHMUS
eliminieren, bilden wir zunächst die Geschwindigkeitsdifferenzen
∆t1
· (v0x + u1x ) · (v0x + u2x )
L
∆t2
u1x − u3x =
· (v0x + u1x ) · (v0x + u3x )
(4.4)
L
und erhalten ein gekoppeltes Gleichungssystem für die gesuchten Größen
uix . Aus der Impulserhaltung beim Dissoziationsprozess lässt sich für die
Geschwindigkeitskomponenten der Zusammenhang
u1x − u2x =
u1x = −u2x − u3x
(4.5)
ableiten, so dass (4.4) effektiv ein Gleichungssystem mit nur 2 unabhängigen
Variablen darstellt. Weil die Geschwindigkeiten jedoch quadratisch in beide
Gleichungen eingehen, scheidet eine analytische Lösung aus, und es muss auf
ein numerisches Verfahren zurückgegriffen werden. Dazu addieren wir die
entsprechenden Gleichungen und erhalten
3u1x =
v0x + u1x
· [∆t1 (v0x + u2x ) + ∆t2 (v0x + u3x )]
L
(4.6)
Auf der linken Seite wurde hierbei die Impulserhaltung (4.5) ausgenutzt.
Nach minimalen Umformungen bildet (4.6) zusammen mit den beiden Gleichungen aus (4.4) ein zur iterativen Lösung geeignetes Gleichungssystem:















u1x =
u2x =
u3x =
v0x +u1x
3L
[∆t1 (v0x + u2x ) + ∆t2 (v0x + u3x )]
u1x −
u1x −
∆t1
(v0x
L
∆t2
(v0x
L
+ u1x )(v0x + u2x )
+ u1x )(v0x + u3x )








(4.7)







Wie in [Bec00] aufgezeigt, konvergiert das Iterationsverfahren unter Verwendung der Startwerte u1x =u2x =u3x = 0 und ermöglicht eine Berechnung der
Longitudinal-Geschwindigkeiten mit beliebiger Genauigkeit. Zur Minimierung der benötigten Rechenzeit lässt sich die Konvergenz des Verfahrens
beschleunigen, indem die aus der 1. Gleichung erhaltene Geschwindigkeit u1x
noch im selben Iterationsschritt für die Berechnung der anderen beiden Komponenten eingesetzt wird. Auf diese Weise genügen durchschnittlich vier Iterationen, um die beim Zerfall übertragenen Impulskomponenten pix = mH uix
mit ausreichender Genauigkeit zu ermitteln.
59
KAPITEL 4. DATENAUSWERTUNG
4.2.2
Transversale Impulse
Nachdem die Longitudinal-Geschwindigkeiten uix bekannt sind, können alle
verbleibenden Größen rein analytisch bestimmt werden. Aus (4.3) ergeben
sich nun unmittelbar die Flugzeiten der einzelnen Fragmente:
ti − tD =
L
v0x + uix
(4.8)
Diese werden im Folgenden benötigt, um über das Weg-Zeit-Gesetz die unbekannten Transversal-Geschwindigkeiten ermitteln zu können. Wir beschränken unsere Überlegungen dabei auf die y-Richtung und entnehmen der mittleren Komponente aus Gleichungssystem (4.1) den Zusammenhang
yi
− v0y
(4.9)
uiy =
ti − tD
Durch Summation über alle drei Teilchen kann auf einfache Weise eine Separation von Relativ- und Schwerpunktsbewegung erreicht werden.
3
X
3
X
yj
ujy
= 3v0y +
j=1 tj − tD
j=1
(4.10)
Der zweite Summand auf der rechten Seite verschwindet infolge der Impulserhaltung beim Dissoziationsvorgang, was eine direkte Bestimmung der
Schwerpunktsgeschwindigkeit ermöglicht:
v0y
3
1 X
yj
= ·
3 j=1 tj − tD
(4.11)
Durch Einsetzen von (4.11) in (4.9) erhält man schließlich die Relativgeschwindigkeiten der Fragmente in y-Richtung. Auf völlig analogem Weg lassen sich im Anschluss auch die z-Komponenten ermitteln.
uiy =
3
1 X
yj
yi
− ·
ti − tD 3 j=1 tj − tD
(4.12)
uiz =
3
zi
1 X
zj
− ·
ti − tD 3 j=1 tj − tD
(4.13)
Mit der Berechnung der transversalen Impulse piy = mH uiy und piz = mH uiz
ist der kinematische Zustand der drei H-Atome nach der Dissoziation nun
vollständig rekonstruiert.
60
4.2. AUSWERTEALGORITHMUS
4.2.3
Freisetzungsenergie
Während des Zerfallsprozesses wird auf jedes der Fragmente eine gewisse
kinetische Energie übertragen, die sich aus den zuvor errechneten Impulskomponenten ergibt:
p2 + p2iy + p2iz
(4.14)
εi = ix
2mH
Da bei einem Dreiteilchenzerfall keine elektronische Anregung der H-Atome
auftreten kann, entspricht die Summe aller kinetischen Teilchenenergien
W =
3
X
εi
(4.15)
i=1
dem insgesamt freigesetzten Energiebetrag. Für einen gegebenen rovibronischen Zustand bildet W im Experiment eine Konstante. Diese wichtige
Eigenschaft ermöglicht es, neben einer Messung der Fragmentimpulse auch
Informationen über den Ausgangszustand des Moleküls vor dem Zerfall zu
gewinnen. Dabei kann für Zustände mit Hauptquantenzahlen n ≤ 3 sowohl
die elektronische Anregung als auch der Schwingungszustand des Kerngerüsts zum Zeitpunkt der Dissoziation spezifiziert werden. Lediglich für eine
Unterscheidung verschiedener Rotationsniveaus reicht die Energieauflösung
der Apparatur von 10 meV in der Regel nicht aus.
Darüber hinaus liefert die Bestimmung der Freisetzungsenergie jedes Einzelereignisses eine sehr effiziente Möglichkeit, verbliebene zufällige Koinzidenzen
aus den Datensätzen zu entfernen. Diese verteilen sich im Gegensatz zu echten Events über einen breiten Bereich des Energiespektrums. Im Verlauf der
Auswertung können sie durch die Wahl eines entsprechenden Energiefensters
großenteils ausselektiert werden.
4.2.4
Fragmentationsebene
Infolge der Impulserhaltung bei der Dissoziation spannen die Geschwindigkeitsvektoren der drei H-Atome eine Ebene auf. Die räumliche Orientierung
dieser sogenannten Fragmentationsebene kann durch ihren Normalenvektor
~n charakterisiert werden, welcher sich aus dem Kreuzprodukt zweier Fragmentgeschwindigkeiten ergibt:
~n =
u~1 × u~2
|u~1 × u~2 |
61
(4.16)
KAPITEL 4. DATENAUSWERTUNG
Die Richtung des Normalenvektors im Raum zeichnet die Lage der Hauptsymmetrieachse des H3 -Moleküls zum Zeitpunkt seiner Dissoziation nach.
00
Bei Molekülen im metastabilen 2p 2A2 -Zustand entspricht diese Achse der
Orientierung des keulenförmigen 2pz -Orbitals. Im Folgenden verwenden wir
die beiden Eulerwinkel φ und θ, um die räumliche Lage des Normalenvektors
im Laborsystem zu definieren:

φ = ± arccos  q

ny
n2x + n2y
θ = arccos (nz )



+ wenn nx ≥ 0
 − wenn nx < 0
(4.17)
(4.18)
Wie in Abbildung 4.2 illustriert, beschreibt θ den Winkel des Normalenvektors ~n gegen die Richtung des Starkfeldes, während φ in der Ebene senkrecht
zum Feld von der y-Achse aus gemessen wird. Für das vorgestellte Experiment ist insbesondere die Verteilung des Winkels θ von Interesse, anhand
derer das Alignment der felddissoziierten Moleküle analysiert werden kann
(vgl. Abschnitt 5.3).
Abbildung 4.2:
Die Lage der Fragmentationsebene beim Dreiteilchenzerfall
wird durch die Winkel θ und φ
angegeben. Man beachte, dass
φ gegen die punktiert dargestellte Projektion des Normalenvektors in der xy-Ebene gemessen wird.
62
4.3. DARSTELLUNG IM DALITZPLOT
4.3
Darstellung im Dalitzplot
Die experimentell gewonnenen Daten ermöglichen eine explizite Angabe der
Zerfallskonfiguration für jedes einzelne, detektierte Molekül. Bei einer Anzahl
von typischerweise mehreren tausend Zerfällen sammelt sich im Laufe einer
Dreiteilchen-Messung eine ganze Fülle von Information an, die nach einer
übersichtlichen Darstellung verlangt. Hierfür kommt ein ursprünglich zum
Studium von Elementarteilchenzerfällen entworfenes Konzept zum Einsatz,
der sogenannte Dalitzplot. Im Jahre 1953 von dem australischen Physiker Richard H. Dalitz eingeführt [Dal53], bildet das Diagramm ein hervorragendes
Werkzeug, um die Dynamik von Dreikörperzerfällen zu analysieren.
Es basiert auf der Tatsache, dass die gesamte Energiefreisetzung W beim
Dissoziationsprozess eine Konstante ist, und folglich nur zwei der drei Energien aus (4.15) voneinander unabhängig sind. Dadurch können die möglichen Impulskonfigurationen dreier Teilchen in einem nur zweidimensionalen
Schaubild dargestellt werden. Der Dalitzplot erreicht eine elegante und übersichtliche Form durch die Verwendung der Koordinaten
x =
ε2 − ε1
√
W 3
und
y =
ε3
1
−
W 3
,
(4.19)
welche die kinetischen Energien εi der Fragmente im Schwerpunktsystem mit
der Anordnung ihrer Impulsvektoren p~i in Beziehung setzen. Aus dieser ungewöhnlichen Art der Auftragung resultiert eine ganze Reihe von Vorteilen:
• Jeder Punkt (X,Y) des Diagramms entspricht eindeutig einer Anordnung der drei Impulsvektoren.
• Der Plot gewährleistet eine homogene Abbildung des gesamten Phasenraumes [Bra99]. Dadurch entspricht die Punktdichte im Diagramm der
jeweiligen Wahrscheinlichkeitsdichte, mit der eine Zerfallskonfiguration
aufgetreten ist.
• Alle Vektorkorrelationen, die der Energie- und Impulserhaltung genügen, werden innerhalb eines Kreises mit Mittelpunkt (0, 0) und Radius
r = 1/3 dargestellt.
• Die Art der Darstellung von Impulskonfigurationen im Dalitzplot ist
identisch mit der Darstellung räumlicher Konfigurationen in hypersphärischen Koordinaten [GBM+ 05].
63
KAPITEL 4. DATENAUSWERTUNG
Abbildung 4.3:
Schematische Darstellung von
Zerfallskonfigurationen in einem Dalitzplot. Die sechsfache
Symmetrie resultiert aus der
Nicht -Unterscheidbarkeit der
einzelnen Fragmente.
Zur Veranschaulichung gibt Abbildung 4.3 einen Überblick, wie die verschiedenen Impulskonfigurationen innerhalb eines Dalitzplots angeordnet sind.
Während sich lineare Muster am Rand des Diagramms gruppieren, ist das
Zentrum von Zerfällen geprägt, deren Fragmente annähernd in Form eines
gleichseitigen Dreiecks auseinanderdriften. Untersucht man ein System aus
drei identischen Teilchen, so existieren zu jeder Impulskonfiguration 3! = 6
mögliche Permutationen der Fragmente, die im Rahmen einer Messung nicht
unterschieden werden können. Diese Eigenschaft spiegelt sich in einer sechsfachen Symmetrie des Dalitzplots wieder, angedeutet durch die gestrichelten Linien in Abbildung 4.3. In jedem einzelnen Sektor ist dann bereits die
vollständige Information des Dissoziations-Experimentes enthalten. Dennoch
wird üblicherweise auf die Darstellung als Vollkreis zurückgegriffen, mit deren Hilfe sich Strukturen in den Randbereichen der Sektoren optisch besser
erfassen lassen.
4.4
Effizienzkorrektur
Im bisherigen Verlauf der Auswertung ist noch unberücksichtigt geblieben,
dass unterschiedliche Zerfallskonfigurationen im Allgemeinen nicht mit derselben Effizienz vom Detektor nachgewiesen werden. Grundlegende Faktoren,
welche das Sammelverhalten des Detektors beeinflussen, sind neben Form
und Größe der aktiven Fläche vor allem die Energie des untersuchten Zustan64
4.4. EFFIZIENZKORREKTUR
des sowie die Flugzeit der Fragmente. Aber auch der Dissoziationsprozess an
sich spielt eine Rolle: Sowohl die Länge des Dissoziationsbereiches als auch ein
Alignment der Moleküle im Starkfeld können dazu beitragen, dass gewisse
Konstellationen bevorzugt, andere dagegen mit geringerer Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Damit sich das inhomogene Sammelverhalten des
Detektors nicht in den Ergebnissen widerspiegelt, müssen die gemessenen
Dalitzplots in geeigneter Weise korrigiert werden.
4.4.1
Monte-Carlo Simulation
Um die entsprechende Korrekturfunktion zu ermitteln, wird im Rahmen einer Monte-Carlo Simulation die Nachweiseffizienz des Detektorsystems unter den vorliegenden experimentellen Bedingungen modelliert. Dabei werden
für typischerweise mehrere Millionen Zerfälle die Trajektorien der einzelnen
H-Fragmente explizit berechnet. Sofern alle drei Bruchstücke eines Moleküls die aktive Detektorfläche erreicht haben, werden ihre Auftrefforte und
-zeiten an das Auswerteprogramm übergeben. Dieses verarbeitet die Daten
wie bei einer gewöhnlichen Messung, errechnet die Fragmentimpulse und
trägt alle registrierten Events in einem Dalitzplot auf. Legt man nun in der
Monte-Carlo Simulation eine homogene Anfangsverteilung der Zerfallskonfigurationen zugrunde, so entsteht auf diese Weise ein direktes Abbild der
Nachweiseffizienz. Mit deren Kenntnis kann schließlich der Einfluss des Detektors aus den gemessenen Dalitzplots herausgerechnet werden.
Um eine möglichst realistische Simulation des Experiments zu gewährleisten, wird für jedes Molekül zunächst ein Zufalls-Geschwindigkeitsvektor ~v0
errechnet, der die Energieverteilung und Divergenz des H3 -Strahls nachformt.
In einem zweiten Schritt erfolgt dann die Festlegung des Dissoziationsortes.
Dabei kann im feldfreien Fall eine gleichmäßige Dissoziation über die gesamte
Strecke zwischen Slit und Beamflag angenommen werden1 , wohingegen der
Zerfallsort bei eingeschaltetem E-Feld im Wesentlichen auf den Bereich zwischen den Stark-Elektroden beschränkt ist. Um auch den Feldstärkeverlauf
in die Simulation einzubeziehen, wird eine gaußförmige Verteilung der Zerfallsorte mit einer Standardabweichung von 1 cm zugrunde gelegt. Darüber
hinaus kann mittels des Alignment-Parameters β auch die Orientierung der
Moleküle während der Dissoziation berücksichtigt werden.
1
Die Population des H3 -Strahls variiert auf dieser Strecke nur um ± 15 %
65
KAPITEL 4. DATENAUSWERTUNG
4.4.2
Effizienzen für die n=2 Zustände
In Abbildung 4.4 sind die Monte-Carlo simulierten Sammeleffizienzen für den
0
00
vibrationslosen 2s 2A1 und 2p 2A2 Zustand des H3 gezeigt. Wir betrachten
zunächst den feldfreien Fall, in dem das Nachweisverhalten beider Zustände ausschließlich aufgrund der unterschiedlichen Energiefreisetzung differiert.
Der um 0.11 eV tiefer liegende 2s-Zustand profitiert dabei von einer besseren Effizienz in den rot eingefärbten Außenbereichen des Dalitzplots. Die
dort angesiedelten spitzwinkligen Konfigurationen besitzen jeweils ein hochenergetisches Fragment, das alleine mehr als 50 % der Dissoziationsenergie
aufnimmt. Entsprechend weit kann es sich von der Molekülstrahlachse entfernen und trifft bei steigender Energiefreisetzung zunehmend außerhalb der
aktiven Detektorfläche auf. In den restlichen Bereichen des Dalitzplots unterscheiden sich die Nachweiseffizienzen für beide Zustände nur marginal.
Auffallend sind drei kleine Totbereiche bei annähernd linearen Geometrien.
Hier spiegelt sich die blockierende Wirkung des Beamflags wider, der eine
Passage des niederenergetischen mittleren Fragmentes generell verhindert.
Die Unterschiede im Nachweisverhalten der beiden n=2 Zustände vergrößern
sich deutlich, wenn das Experiment bei eingeschaltetem Starkfeld durchge0
führt wird. Während das 2s 2A1 -Niveau von der Wirkung des Feldes praktisch
00
unberührt bleibt (s. Abschnitt 5.2.2), erfährt der 2p 2A2 -Zustand zwei grundlegende Änderungen: Zum einen ist der Zerfallsort durch das elektrische Feld
nun erheblich genauer lokalisiert. Zum anderen begünstigt der Starkeffekt
die Dissoziation von Molekülen, deren Hauptsymmetrieachse in Feldrichtung
orientiert ist. Das daraus resultierende Alignment der Fragmentationsebene
(β = 2) führt zu einer charakteristischen Änderung der Nachweiseigenschaften gegenüber dem feldfreien Fall (β = 0). Wie aus Abbildung 4.4 ersichtlich,
wird die Detektionseffizienz mit dem Einschalten des Feldes zwar insgesamt
homogener, nimmt aber zugleich für fast alle Konfigurationen deutlich ab.
Die Ursache dieser Abnahme liegt in der Orientierung der aktiven Detektorflächen begründet. Sie sind im Experiment parallel zur Richtung des Starkfeldes angeordnet, so dass die nunmehr bevorzugte Lage der Zerfallsebene vom
Detektor nicht erfasst werden kann. Die Nachweiseffizienz sinkt dadurch insgesamt um einen Faktor 2, bleibt aber immer noch hoch genug für sinnvolle
Messungen. Dank dieses Effektes besitzt die Apparatur eine hohe Sensitivität gegenüber Änderungen des molekularen Alignments und erlaubt eine
Analyse der Richtungsabhängigkeit feldinduzierter Dissoziationsprozesse.
66
4.4. EFFIZIENZKORREKTUR
2s ν0 / feldfrei
2s ν0 / Starkfeld
2p ν0 / feldfrei
2p ν0 / Starkfeld
Max
0
Abbildung 4.4:
00
0
Geometrische Nachweiseffizienzen für den vibrationslosen 2s 2A1 und 2p 2A2
Zustand des H3 , ermittelt in einer Monte-Carlo Simulation. Dargestellt ist
jeweils das Sammelverhalten des Detektors im feldfreien Fall (links) und bei
eingeschaltetem E-Feld (rechts). Den Rechnungen liegt eine Beschleunigungsspannung von 3 kV und eine Driftstrecke von 2,39 m zugrunde.
67
Kapitel 5
Feldinduzierte Dissoziation
Nachdem sich die experimentelle Erforschung von dreiatomigem Wasserstoff in den letzten Jahren vornehmlich auf die Photodissoziation [GMH04,
GBM+ 05], den Ladungstausch an Cäsium [LMCC04, MLSC09] und die dis+
soziative Rekombination von H+
3 -Ionen [SLK 02, LSZ05] fokussiert hat, wird
mit der vorliegenden Arbeit nun ein völlig neuer Weg beschritten: Unter Ausnutzung des Starkeffektes werden neutrale H3 -Moleküle in einem externen
elektrischen Feld zur Dissoziation gebracht. Das Prinzip basiert auf der Mischung zweier energetisch benachbarter Zustände unterschiedlicher Lebensdauer und ermöglicht erstmals eine experimentelle Kontrolle nicht-adiabatischer Kopplungen während des Zerfallsprozesses [BH10].
Im vorgestellten Beispiel wird diese Kontrolle durch eine Mischung des me0
00
tastabilen 2p 2A2 -Zustandes mit dem kurzlebigen 2s 2A1 -Niveau erreicht, deren Wellenfunktionen innerhalb des elektrischen Feldes eine Superposition
|Ψi = α |2si + β |2pi bilden. Während der 2p-Anteil ausschließlich über die
Rotation des Moleküls an das Dreiteilchen-Kontinuum koppelt, kann der 2sAnteil infolge der wesentlich effizienteren Vibrationskopplung dissoziieren.
Die Wahrscheinlichkeitsamplituden α und β der zwei verschiedenen Dissoziationspfade sind durch die Stärke des elektrischen Feldes bestimmt und
können im Experiment auf einfache Weise variiert werden. Die kinematisch
vollständige Erfassung aller Fragmente ermöglicht dabei neben der Messung
von Dissoziationsraten auch eine Analyse der Impulsvektor-Korrelationen
beim Dreiteilchenzerfall. Die aufgenommenen Dalitzplots zeigen bemerkenswerte Interferenzeffekte, welche daraus resultieren, dass Moleküle in einem
Superpositionszustand das identische Kontinuum auf zwei grundlegend verschiedenen Dissoziationspfaden erreichen können (vgl. Abbildung 2.13).
68
5.1. ENERGIESPEKTREN
Darüber hinaus entsteht infolge der anisotropen Wirkung des Starkeffektes
ein Alignment der Fragmentationsebene. Moleküle, deren Hauptsymmetrieachse entlang der Feldlinien orientiert ist, wechselwirken dabei am stärksten
mit dem externen Feld und werden bevorzugt dissoziiert.
5.1
Energiespektren
Beim Zerfallsprozess eines H3 -Moleküls in drei einzelne H-Atome wird keine
Energie durch Strahlung abgeführt oder in innere Anregung der Fragmente
umgewandelt. Die Summe der kinetischen Teilchenenergien W nimmt daher
für jeden Molekülzustand einen diskreten Wert an, der dessen Abstand vom
Dreiteilchen-Dissoziationslimit widerspiegelt. Trägt man die gemessene Energiefreisetzung vieler Events in einem Spektrum auf, so stellen die enthaltenen
Peaks ein Abbild der bevölkerten H3 -Niveaus dar. Man beachte dabei, dass
nur Zerfälle innerhalb einer 10 cm langen Zone zwischen Slit und Beamflag
vom Detektor registriert werden können. Kurzlebige Zustände, welche in der
Ladungstauschzelle entstehen, jedoch vor Erreichen der Nachweiszone wieder dissoziieren, werden durch den Slit abgeschirmt und tauchen nicht in den
Datensätzen auf. Abbildung 5.1 zeigt gemessene Energiespektren des Dreiteilchenzerfalls in Abhängigkeit von der elektrischen Feldstärke im Zentrum
der Starkplatten. Der dargestellte Ausschnitt ist jeweils auf den niederenergetischen Bereich W ≤ 3 eV beschränkt. Für eine Übersicht des gesamten
Energiespektrums sei der Leser auf Abschnitt 5.4 dieser Arbeit verwiesen.
A) Feldfreier Fall
Wir beginnen unsere Betrachtung zunächst mit dem feldfreien Fall und erkennen die benachbarten Peaks der vibrationslosen n=2 Zustände bei Frei0
00
setzungsenergien von 0.97 eV (2s 2A1 ) und 1.08 eV (2p 2A2 ). Die Existenz
des kurzlebigen 2s-Niveaus innerhalb der Nachweiszone resultiert aus einem
langsamen Strahlungsübergang des höher gelegenen 2p-Niveaus. Ausgehend
von der zugehörigen Lebensdauer τrad ≈ 60 µs [PTW88] lässt sich das Populationsverhältnis der beiden Zustände näherungsweise abschätzen:
Die Aufenthaltszeit tA eines metastabilen 2p-Moleküls in dem 10 cm langen Bereich zwischen Slit und Beamflag beträgt ca. 230 ns - wenn man
von einer eventuellen Dissoziation einmal absieht. Die Wahrscheinlichkeit
für einen Strahlungsübergang während dieser Zeit entspricht nun gerade dem
69
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
Populationsverhältnis der beiden Niveaus:
N2s
tA
=
≈ 0.4 %
N2p
τrad
(5.1)
Aufgrund seiner kurzen Lebensdauer zerfällt ein 2s-Molekül praktisch am
Ort seiner Entstehung, während im Falle des langlebigen 2p-Niveaus nur 1/3
der Population vor ihrem Aufprall auf den Beamflag dissoziiert ist. Damit
zerfallen pro Zeiteinheit 80 Mal mehr Moleküle aus dem 2p- als aus dem 2sZustand! Diese Überlegung steht im Widerspruch zu dem experimentellen
Befund bei E = 0 kV/cm, welcher ein Verhältnis der Peakhöhen von 7:1 zugunsten des 2s-Niveaus zeigt (Abb. 5.1 oben). Als Ursache für die Diskrepanz
kommt nur ein in beiden Zuständen hochgradig unterschiedliches Verzweigungsverhältnis zwischen Zwei- und Dreiteilchenzerfall in Betracht. Um das
beobachtete Energiespektrum erklären zu können, muss die Wahrscheinlichkeit für einen Dreiteilchenzerfall aus dem 2s-Niveau heraus ungefähr 500 Mal
höher sein als für ein 2p-Molekül.
B) Eingeschaltetes E-Feld
Mit dem Anschalten des elektrischen Feldes setzt eine charakteristische Änderung des Energiespektrums ein, die in der Diagrammserie in Abbildung 5.1
eindrucksvoll illustriert ist. Die beginnende Dissoziation metastabiler 2pMoleküle zwischen den Starkplatten macht sich durch eine ausgeprägte Zunahme an Zerfällen bei einer Energiefreisetzung von 1.08 eV bemerkbar. Da
die Dissoziationsrate des 2s-Niveaus unterdessen konstant bleibt, gleichen
sich die Peakhöhen beider Zustände mit steigendem E-Feld rasch an und
erreichen nahe 4 kV/cm ein 1:1 Verhältnis. Für noch höhere Felder wird
der Starkeffekt-induzierte Zerfall des metastabilen Niveaus zur dominierenden Struktur in den Energiespektren. Parallel dazu treten bei Energien von
00
1.41 eV und 1.49 eV schwingungsangeregte 2p 2A2 -Zustände aus dem Untergrund hervor, deren Dissoziation in analoger Weise durch das Starkfeld
gefördert wird. Ihre Positionen sind in dem Diagramm für E = 6 kV/cm mit
Pfeilen gekennzeichnet.
Darüber hinaus wird durch das externe Feld der Zerfallsort der metastabilen Moleküle räumlich besser eingegrenzt, wodurch sich die Genauigkeit der
Energiebestimmung erhöht. Dieser Effekt äußert sich in einer Abnahme der
Halbwertsbreite des 2pν0 -Peaks von 75 meV im feldfreien Fall auf 25 meV
bei 20 kV/cm. Das 2s-Niveau hingegen bleibt vom E-Feld völlig unberührt.
70
5.1. ENERGIESPEKTREN
Abbildung 5.1:
Energiespektren des Dreiteilchenzerfalls in Abhängigkeit von der Feldstärke.
71
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
Der Untergrund in den Energiespektren resultiert aus zufälligen Koinzidenzen dreier Teilchen, die ein Event mit beliebiger Energie verursachen können. Das Ergebnis ist eine breite Untergrundverteilung über den gesamten
Energiebereich, deren Höhe mit der Stärke des Molekülstrahls skaliert. Man
beachte, dass die gezeigten Spektren nicht für einen Vergleich der Absolutwerte geeignet sind. Zum einen liegen den Diagrammen unterschiedliche
Messzeiten zugrunde, und zum anderen kann die Stärke des Molekülstrahls
aus technischen Gründen von Messung zu Messung variieren.
5.1.1
Dissoziationsraten
Aus den Energiespektren in Abbildung 5.1 lassen sich nach Abzug des Untergrundes und unter Berücksichtigung der jeweiligen Messdauer die Disso0
00
ziationsraten des vibrationslosen 2p 2A2 und 2s 2A1 -Niveaus ermitteln. Um
die Ergebnisse der einzelnen Messungen miteinander vergleichen zu können, muss jedoch der schwankende Einfluss der Molekülstrahlstärke aus den
Datensätzen herausgerechnet werden. Angesichts der Tatsache, dass sich zeitliche Variationen der Moleküldichte auf alle H3 -Zustände in gleicher Weise
Abbildung 5.2:
Experimentell beobachtetes Verhältnis der Dissoziationsraten des vibrations00
0
losen 2p 2A2 und 2s 2A1 Niveaus in Abhängigkeit vom angelegten Feld. Die
grüne Kurve zeigt das Ergebnis eines quadratischen Fits an die Messdaten.
72
5.2. IMPULSVEKTORKORRELATIONEN
auswirken, bietet sich eine Betrachtung von Verhältnissen beobachteter Raten an. Als geeignete Vergleichsgrundlage kann dabei der 2s-Zustand dienen, dessen Zerfallsverhalten unabhängig von der angelegten Feldstärke ist.
Abbildung 5.2 zeigt das im Experiment ermittelte Verhältnis der Dissoziationsraten von vibrationslosem 2p und 2s Niveau als Funktion des elektrischen
Feldes. Wie anhand der grünen Kurve veranschaulicht, folgen die Messpunkte
einem quadratischen Zusammenhang der Form
f (x) = A + C · x2 ,
dessen Koeffizienten mit Hilfe eines Fitverfahrens zu Aexp = (0.14 ± 0.01) und
Cexp = (0.074 ± 0.003) cm2/kV2 bestimmt wurden.
5.2
Impulsvektorkorrelationen
Eine der spannendsten Neuerungen des vorgestellten Experiments ist die
Möglichkeit einer Feldstärke-aufgelösten Analyse von Impulsvektorkorrelationen beim Dreiteilchenzerfall. Angewendet auf den Superpositionszustand
|Ψi = α |2si + β |2pi erlaubt dieses Konzept eine direkte Beobachtung der
Auswirkungen sich ändernder nicht-adiabatischer Kopplungen auf die Dyna0
mik des Zerfallsprozesses. Während der 2s 2A1 -Anteil infolge von Vibrations00
kopplungen dissoziiert, kann der 2p 2A2 -Zustand das Dreiteilchen-Kontinuum
ausschließlich über die weniger effiziente Rotationskopplung erreichen (siehe
Abschnitt 2.4.3). Die beiden verschiedenen Dissoziationsmechanismen führen
zur Ausbildung völlig unterschiedlicher Impulsvektorkorrelationen der entstehenden Zerfallsfragmente. Dies zeigt sich am deutlichsten in Abwesenheit
eines externen elektrischen Feldes, wo die beiden Zustände in ungestörter
Form beobachtet werden können (Abbildung 5.3).
Die Dissoziation des 2p-Niveaus ist dominiert von annähernd gleichseitigen
Zerfallskonfigurationen im Zentrum des Dalitzplots. Im Gegensatz dazu dissoziiert der 2s-Zustand hauptsächlich in stumpfwinkligen Geometrien und
vermeidet die vom 2p bevorzugte totalsymmetrische Anordnung der Impulsvektoren komplett. Der Ursprung der beobachteten Muster war lange Zeit
unverstanden. Erst in jüngster Zeit ist es der Theorie gelungen, mit Hilfe
semiklassischer Trajektorienmodelle das Verhalten des 2s-Zustandes erfolgreich vorherzusagen [LJ09, Gal10]. Für die Impulsvektorkorrelationen des
2p-Niveaus steht eine schlüssige Erklärung dagegen immer noch aus. Die
gegensätzlichen Dissoziationsmuster beider Zustände deuten jedoch darauf
73
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
hin, dass die Bewegung der Fragmente auf der Grundzustandsfläche jeweils
entlang völlig unterschiedlicher Trajektorien verläuft.
Nach bisherigem Kenntnisstand koppelt das nicht-vibrationsangeregte H3 so0
00
wohl im 2s 2A1 als auch im 2p 2A2 Zustand bevorzugt an das obere Blatt
der Grundzustandsfläche [Gal09], welches ausschließlich zu einem Zerfall in
0
3 Teilchen führt. Infolge der Wechselwirkung beider 2p 2 E -Flächen kann jedoch ein Teil der Population vom oberen auf das untere Blatt transferiert
werden und in die Fragmente H+H2 dissoziieren. Der Effekt ist besonders
ausgeprägt für annähernd gleichseitige Kernkonfigurationen (ϑ ≈ 90◦ ), in denen die beiden Potentialflächen energetisch entartet sind. Genau in dieser
Geometrie erfolgt jedoch der nicht-adiabatische Übergang des Moleküls aus
einem angeregten n = 2 Niveau in den Grundzustand (vgl. Abbildung 2.6).
Angesichts der beobachteten Dalitzplots liegt nun die Vermutung nahe, dass
die 2p-Fragmente während des Auseinanderdriftens ihre annähernd gleichseitige Konfiguration beibehalten, wohingegen die 2s-Fragmente sich zu stumpfwinkligen Geometrien hin entwickeln und damit einer beständigen Kopplung
0
an das untere 2p 2 E -Blatt entgehen. Auf diese Weise würde sich das ungleiche Verhältnis der Dreiteilchenzerfalls-Wahrscheinlichkeiten beider Zustände
erklären, das sich aus dem Experiment zu r2s /r2p ≈ 500 ergibt.
Abbildung 5.3:
0
00
Dalitzplots des reinen 2s 2A1 und 2p 2A2 Niveaus, gemessen bei ausgeschaltetem elektrischem Feld. Die unterschiedlichen nicht-adiabatischen Kopplungsmechanismen führen zu deutlich differierenden Zerfallsmustern beider
Zustände.
74
5.2. IMPULSVEKTORKORRELATIONEN
5.2.1
00
Der 2p 2A2 -Zustand im Starkfeld
Mit dem Zuschalten eines externen elektrischen Feldes beginnen sich die Im00
pulsvektorkorrelationen des metastabilen 2p 2A2 -Zustandes von Grund auf
zu verändern. Die Diagrammserie in Abbildung 5.4 illustriert eindrucksvoll
den enormen Einfluss der Feldstärke auf die Prädissoziation des vibrationslosen ν0 -Niveaus. Der anfänglich reine 2p-Zustand wird unter der Wirkung
des Starkeffektes in eine Superposition
|Ψ+ i = α |2si + β |2pi
(5.2)
überführt, deren zunehmender 2s-Anteil sich in den Vektorkorrelationen der
Zerfallsfragmente widerspiegelt. Die in den Dalitzplots auftretenden Änderungen lassen sich dabei in drei verschiedene Phasen einteilen, welche durch
die einzelnen Spalten in Abbildung 5.4 repräsentiert werden.
Feldstärke von 0 - 2 kV/cm
Der Bereich niedriger Feldstärken ist charakterisiert durch eine rasche Rückbildung der 2p-typischen Anhäufung gleichseitiger Zerfallsgeometrien. Bereits Felder von wenigen 100 V/cm genügen, um die Ereignisdichte im Zentrum des Dalitzplots spürbar abfallen zu lassen. Die Verteilung der Impulskonfigurationen wird dadurch insgesamt homogener, und mit Erreichen der
2 kV/cm-Grenze sind auch letzte Andeutungen des zentralen Maximums vollständig verschwunden. Parallel zu dieser Entwicklung gewinnt die Dissoziation des Moleküls in annähernd linearen Konfigurationen vorübergehend an
Gewicht. Die drei isolierten Inseln am Rand des Diagramms bei 0.5 kV/cm
verdeutlichen den erwähnten Effekt. Mit zunehmender Feldstärke schwächen
sich diese Strukturen jedoch rasch wieder ab und werden schließlich in den
expandierenden Innenteil des Schaubilds integriert.
Feldstärke von 2 - 5 kV/cm
Ab einem elektrischen Feld von 2 kV/cm beginnt ein Übergangsbereich, in
dem die beobachteten Dalitzplots Strukturen beider Niveaus zeigen. Während bei stumpfwinkligen Geometrien die ersten Anzeichen des charakteristischen 2s-Musters auftauchen, bleibt der 2p-typische gleichseitige Zerfallskanal im Zentrum des Schaubildes immer noch offen. Die Veränderungen
der Impulskorrelationen folgen nun keiner klaren Linie mehr und spielen
75
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
Abbildung 5.4:
00
Dalitzplots des 2p 2A2 ν0 -Niveaus in Abhängigkeit von der Spitzen-Feldstärke
im Zentrum der Starkplatten. Die Farbgebung ist für jedes Diagramm separat
angepasst, um eine optimale Darstellung der Entwicklung zu gewährleisten.
76
5.2. IMPULSVEKTORKORRELATIONEN
sich hauptsächlich in feinen Details ab. Besondere Aufmerksamkeit verdient
in diesem Zusammenhang der Dalitzplot bei 4 kV/cm, in welchem sich ein
interessantes Interferenzmuster abzeichnet. Die gemessene Intensitätsverteilung kann nicht im Sinne einer einfachen Addition der beiden ungestörten
Anteile aus Abbildung 5.3 erklärt werden. Als Resultat der unterschiedlichen Entwicklung zweier Wellenpakete auf der Grundzustandsfläche verlangt
die Interpretation dieser Struktur vielmehr nach einer quantenmechanischen
Behandlung, wie man sie in Abschnitt 2.6.4 beschrieben findet. Generell ist
das Studium solcher Interferenzeffekte auf einen Bereich mittlerer Feldstärke
beschränkt, da ihre Beobachtung ein ungefähr ausgeglichenes Verzweigungsverhältnis beider Zerfallspfade voraussetzt.
Feldstärke von 5 - 20 kV/cm
Mit Erreichen der 5 kV/cm-Marke beginnt sich der totalsymmetrische Dissoziationskanal im Zentrum des Dalitzplots zu verschließen. Die Entstehung
dieser verbotenen Zone markiert zugleich den Übergang des Zerfallsmusters
in den Bereich der hohen Felder. Die Dominanz der Maxima bei stumpfwinkligen Konfigurationen wird nun immer ausgeprägter, und der Dalitzplot nähert sich zunehmend der Gestalt des ungestörten 2s-Niveaus an. Interessant
ist eine leichte Neigung zu extrem spitzwinkligen Zerfallsgeometrien, die sich
in drei hellblauen Seitenausläufern äußert und ab etwa 10 kV/cm durchgängig beobachtet wird. Bei dieser Feldstärke beträgt das Verzweigungsverhältnis der beiden Dissoziationspfade bereits 6:1 zugunsten des 2s-Niveaus.
Entsprechend hat sich das Muster des Dalitzplots praktisch vollständig dem
Dissoziationsverhalten des reinen 2s-Zustandes angeglichen und zeigt bei weiter ansteigendem E-Feld nur noch marginale Änderungen.
5.2.2
0
Der 2s 2A1 -Zustand im Starkfeld
00
0
Im Unterschied zum metastabilen 2p 2A2 -Niveau kann der kurzlebige 2s 2A1 Zustand nicht über den Starkeffekt dissoziiert werden. Zwar führt das elektrische Feld auch in diesem Fall zur Ausbildung einer Superposition
|Ψ− i = β |2si − α |2pi ,
(5.3)
die kurze Lebensdauer des Ausgangsniveaus verhindert jedoch einen Zerfall
des Moleküls über den beigemischten 2p-Kanal. Man kann sich die Situation
77
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
Abbildung 5.5:
Theoretisch berechnete Disso0
ziationsrate des 2s 2A1 Niveaus
in Abhängigkeit vom angelegten elektrischen Feld.
anhand von Gleichung (2.42) verdeutlichen, welche die Dissoziationsrate im
Starkfeld als Funktion der Beimengung α beschreibt:
τA 2
α
R (α) = R0 · 1 − α +
τB
2
(5.4)
Wie in Abschnitt 2.6.3 erläutert, ist der letzte Summand dieses Ausdrucks
für den Effekt der feldinduzierten Dissoziation verantwortlich. Seine Größe
wird durch das Verhältnis der Lebensdauern von Anfangsniveau (τA ) und
beigemischtem Zustand (τB ) bestimmt. Wählt man den 2p-Zustand als Basisniveau, so liegt dieses Verhältnis in der Größenordnung von 106 und führt
bereits für kleine Beimengungen α zu einem signifikanten Anstieg der Zerfallsrate. Betrachten wir dagegen ein Molekül im 2s-Zustand, dann beläuft
sich das entsprechende Verhältnis auf 3 · 10−7 und der Ausdruck (5.4) reduziert sich zu
h
i
R2s (α) = R0 · 1 − α2 .
(5.5)
Damit wird klar, dass die im Experiment erreichten 2p-Beimischungen von
α ≈ 10−3 keinerlei Einfluss auf die Dissoziationsrate des 2s-Niveaus haben.
Wie in Abbildung 5.5 veranschaulicht, bleibt die Zerfallsrate für Felder bis zu
800 kV/cm innerhalb von 1 % konstant und kann im Experiment als fixer Referenzwert betrachtet werden. Erst bei noch höheren Feldstärken beginnt sie
infolge des zunehmenden Populationstransfers in den langlebigen 2p-Anteil
spürbar abzunehmen. Das Verzweigungsverhältnis der beiden unterschiedlichen Dissoziationspfade ergibt sich aus Gleichung (2.41):
78
5.2. IMPULSVEKTORKORRELATIONEN
R (2p−Pfad)
α2
τ2s
=
·
R (2s−Pfad)
1 − α2 τ2p
(5.6)
Infolge der Gewichtung mit dem Verhältnis τ2s /τ2p kommt der Anteil √des
2p-Pfades selbst für die höchsten erreichbaren Mischungsgrade (α → 1/ 2)
nicht über die Grenze von 3 · 10−7 hinaus. Während der große LebensdauerUnterschied also im Falle des 2p-Zustands die Ausbildung eines zusätzlichen Dissoziationskanals fördert, verhindert er den analogen Effekt beim 2sNiveau sehr effizient. Entsprechend wird man erwarten, dass der Starkeffekt
0
keine Auswirkungen auf die bevorzugten Zerfallskonfigurationen eines 2s 2A1 Moleküls hat. Die Messungen am vibrationslosen ν0 -Niveau in Abbildung 5.6
bestätigen diese Vorhersage für den experimentell untersuchten Bereich zwischen 0 und 20 kV/cm. Unabhängig von der angelegten Feldstärke werden
alle aufgenommenen Dalitzplots durch Zerfälle in stumpfwinkligen Konfigurationen dominiert, deutlich erkennbar an den drei charakteristischen, roten
Abbildung 5.6:
0
Dalitzplots des 2s 2A1 ν0 -Niveaus in Abhängigkeit von der Spitzen-Feldstärke
im Zentrum der Starkplatten. Die Diagramme sind relativ zueinander normiert und belegen, dass sich das Zerfallsverhalten des Zustands nicht ändert.
79
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
Arealen. Die Intensitätsschwankungen feinerer Einzelheiten sind rein statistischer Natur und resultieren aus der begrenzten Anzahl an Messwerten.
5.3
Alignment der Fragmentationsebene
Neben einer Untersuchung der Impulsvektorkorrelationen erlaubt die zeitund ortsaufgelöste Detektion der Zerfallsfragmente auch eine Analyse der
räumlichen Orientierung des Moleküls. Die Lage der Dissoziationsebene lässt
sich dabei unmittelbar aus den Fragmentimpulsen errechnen und kann im
Laborsystem durch Angabe des Normalenvektors ~n beschrieben werden. Für
00
ein Molekül im metastabilen 2p 2A2 -Niveau entspricht dessen Orientierung
gerade der Ausrichtung des pz -Orbitals zum Zeitpunkt der Dissoziation. Wie
aus Abbildung 5.7 ersichtlich, begünstigt die Anordnung der beiden Detektorhälften den Nachweis von Molekülen, die in der xz-Ebene dissoziieren.
Fragmente aus Zerfällen in der xy-Ebene treffen dagegen im Totbereich zwischen den aktiven Flächen auf und sind von der Detektion ausgeschlossen.
Um die Messergebnisse korrekt interpretieren zu können, müssen wir daher
zunächst das Nachweisverhalten des Detektors etwas eingehender betrachten.
Abbildung 5.7:
Die Ausrichtung der beiden Detektorhälften bedingt eine optimale Nachweisbarkeit von Molekülen, die in der xz-Ebene fragmentieren. Zerfälle in
der xy-Ebene können dagegen prinzipiell nicht detektiert werden.
80
5.3. ALIGNMENT DER FRAGMENTATIONSEBENE
5.3.1
Winkelabhängigkeit der Detektion
Nach dem Verlassen der Cäsium-Zelle ist die Orientierung der Moleküle innerhalb des schnellen H3 -Strahls statistisch über alle Raumrichtungen verteilt. Dementsprechend wird man erwarten, dass im feldfreien Fall eine isotrope Verteilung der Fragmentationsebene vorliegt. Die Situation ändert sich
jedoch, wenn mit dem Zuschalten des elektrischen Feldes eine Vorzugsrichtung in das Experiment eingeführt wird. Aufgrund der anisotropen Wirkung
des Starkeffekts wird dann gezielt die Dissoziation von Molekülen begünstigt, deren Hauptsymmetrieachse entlang der Feldrichtung zeigt. In der Folge
bildet sich ein Alignment der Fragmentationsebene aus, welches sich in den
experimentell gemessenen Winkelverteilungen widerspiegelt.
Um das Nachweisverhalten des Detektors bei unterschiedlichem Alignment
zu modellieren, wurden in einer Monte-Carlo Simulation für das vibrations00
lose 2p 2A2 -Niveau die Trajektorien mehrerer Millionen Zerfälle berechnet
und auf ihre Detektierbarkeit überprüft. Die räumliche Orientierung der Molekülachsen wurde dabei durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung
P (θ) =
1
[1 + βP2 (cos θ)]
4π
(5.7)
vorgegeben, mit dem zweiten Legendre-Polynom
1
P2 (cos θ) = (3 cos2 (θ) − 1) .
2
(5.8)
θ bezeichnet den Winkel zwischen der Hauptsymmetrieachse des Moleküls
und dem Starkfeld, während der Parameter β ∈ [−1, 2] als Maß für das
Alignment dient. Bezüglich des Winkels φ senkrecht zur Feldrichtung wurde
in allen betrachteten Fällen eine Gleichverteilung der Molekülachsen zugrunde gelegt. In Abbildung 5.8 sind die Ergebnisse der Monte-Carlo Rechnungen
für drei ausgewählte Werte von β zusammengefasst. Die tatsächliche Winkelverteilung der Molekülachse P (θ) ist auf der linken Seite gezeigt und jeweils
dem simulierten Messergebnis des Detektors N (θ) gegenübergestellt. Zwischen den beiden Verteilungen besteht der Zusammenhang
N (θ) = Nges · P (θ) · Γ(θ) ,
(5.9)
wobei Nges die Gesamtzahl der simulierten Zerfälle und Γ die Detektionswahrscheinlichkeit als Funktion des Winkels θ beschreibt. Im Falle einer
81
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
Abbildung 5.8:
00
Nachweisverhalten der Apparatur für das 2p 2A2 ν0 -Niveau in Abhängigkeit
vom Alignment der Fragmentationsebene. Links die tatsächliche Verteilung
der Molekülachsen bezüglich des Winkels θ, rechts das Monte-Carlo simulierte Messergebnis. Der Totbereich des Detektors ist in grauer Farbe unterlegt.
82
5.3. ALIGNMENT DER FRAGMENTATIONSEBENE
isotropen Anfangsverteilung [β = 0] ergibt das berechnete Messergebnis (a)
ein direktes Abbild der geometrischen Nachweiseffizienz:
Erwartungsgemäß ist die Sammelleistung des Detektors bei einer Ausrichtung
der Molekülachse senkrecht zum Starkfeld am größten, wie das Maximum
der Kurve für θ = 90◦ belegt. Sobald sich das Molekül in Feldrichtung neigt,
beginnt die Nachweiswahrscheinlichkeit abzunehmen und sinkt schließlich auf
null, wenn die Hauptsymmetrieachse mit dem Starkfeld einen Winkel von
weniger als 30◦ , bzw. mehr als 150◦ einschließt. Dieser Totbereich entsteht
aufgrund der Lücke zwischen den aktiven Detektorhälften und ist in der
rechten Spalte von Abbildung 5.8 jeweils als graue Fläche gekennzeichnet.
Wenn man die vom Detektor nachgewiesenen Winkelverteilungen (b) und (c)
mit dem isotropen Fall (a) vergleicht, so stellt man fest, dass eine bevorzugte
Ausrichtung der Moleküle senkrecht zum Feld [β = −1] lediglich zu einer
geringfügigen Verschmälerung der Kurvenform führt. Ein Alignment entlang
der Feldlinien [β = 2] hat dagegen die Ausbildung eines charakteristischen
Minimums bei θ = 90◦ zur Folge. Aus diesem Grund ist eine Orientierung
des Starkfeldes parallel zum Detektor von Vorteil, wenn man eine optimale
Sensitivität der Apparatur auf die zu erwartende Änderung des Alignments
sicherstellen möchte. Der einzige Nachteil dieser Anordnung liegt in einer
deutlichen Verringerung der Gesamteffizienz, wie man anhand der Absolutskalen in den Diagrammen (a) und (c) sofort erkennen kann.
5.3.2
Gemessene Winkelverteilungen
Die experimentell ermittelten Winkelverteilungen der Dissoziationsebene sind
in Abbildung 5.9 für verschiedene Feldstärken zwischen 0 und 20 kV/cm gezeigt. In der linken Spalte ist die räumliche Orientierung der Molekülachse
als Funktion von θ dargestellt, während die rechte Spalte die Abhängigkeit
vom Winkel φ illustriert. Die Diagramme bezüglich θ belegen sehr anschaulich, dass die Zustandsmischung durch den Starkeffekt zu einem Alignment
der Fragmentationsebene im Laborsystem führt.
00
Im feldfreien Fall sind die Achsen der dissoziierenden 2p 2A2 -Moleküle rein
statistisch im Raum orientiert. Entsprechend liegt die experimentell gemessene θ-Verteilung in guter Übereinstimmung mit dem rot gestrichelten β = 0
Modell. Bereits bei einer Feldstärke von 2 kV/cm beginnt der Einfluss des
elektrischen Feldes diese Isotropie aufzuheben, gut erkennbar an dem sich
ausbildenden Einschnitt um θ = 90◦ . Dieser wird mit zunehmender Feldstärke
83
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
Abbildung 5.9:
Gemessene Winkelverteilungen felddissoziierter 2p-Moleküle bezügl. θ und φ.
Die rot gestrichelten Kurven zeigen zum Vergleich ein theoretisches Modell.
84
5.4. SCHWINGUNGSANGEREGTE NIVEAUS
rasch tiefer und überführt das Schaubild in die charakteristische DoppelpeakForm, welche das zunehmende Alignment der Moleküle in Feldrichtung widerspiegelt. Bei E = 20 kV/cm hat sich die gemessene θ-Verteilung schließlich
weitgehend an das β = 2 Modell angeglichen, das zum Vergleich als gestrichelte Kurve gezeigt ist. Die Tatsache, dass die beiden Peaks im Experiment leicht zur Mitte verschoben erscheinen, resultiert aus dem verbliebenen
Restanteil von Dissoziationen über den 2p-Zerfallskanal. Dieser macht bei
20 kV/cm noch 4 % aller Events aus und produziert einen isotropen Beitrag,
der sich dem Doppelpeak-Muster der feldinduzierten Zerfälle überlagert.
Die Ursache für die so markante Veränderung der gemessenen Winkelverteilung in θ liegt darin, dass die Fragmentationsebene des metastabilen Zustandes mit steigender Feldstärke aus dem optimalen Nachweisbereich des
Detektors herausdriftet und sich vorzugsweise in dessen Totbereich verlagert.
Verantwortlich für die auftretende Verschiebung ist die anisotrope Wirkung
00
des Starkeffekts: 2p 2A2 -Moleküle, deren pz -Orbital entlang der Feldrichtung
0
orientiert ist, werden besonders effizient mit dem kurzlebigen 2s 2A1 -Zustand
gemischt und somit auch bevorzugt dissoziiert. Eine ähnlich eindrucksvolle Entwicklung ist für die Winkelverteilung bezüglich φ nicht zu erwarten.
Hier führt das zunehmende Alignment der Dissoziationsebene lediglich zu einer leichten Verbesserung der Detektionswahrscheinlichkeit für Zerfälle mit
Winkeln von |φ| > 15◦ . In den Diagrammen der Abbildung 5.9 manifestiert
sich dieser Effekt in einer Zunahme der Halbwertsbreite, sowie seitlich weiter
ausgreifenden Flanken der gezeigten φ-Verteilungen.
5.4
Schwingungsangeregte Niveaus
Das Prinzip der feldinduzierten Dissoziation kann angewendet werden, um
0
das Zerfallsverhalten schwingungsangeregter Zustände des 2s 2A1 -Niveaus zu
untersuchen. Im Unterschied zum D3 sind diese Zustände beim H3 auf herkömmlichem Wege experimentell nur schwer zugänglich. Einzig im Falle des
ν2 -Niveaus konnten bisher die Impulsvektorkorrelationen eines schwingungs0
angeregten H3 2s 2A1 -Zustandes beobachtet werden [GBM+ 05]. Experimentelle Daten in diesem Bereich sind mehr denn je erwünscht, nachdem inzwischen erste theoretische Vorhersagen für das Dissoziationsverhalten des
2s-Zustandes unter Vibrationsanregung veröffentlicht wurden [LJ09, Gal10].
Die vorgestellte experimentelle Methode basiert auf einer Mischung schwin00
gungsangeregter 2p 2A2 -Niveaus mit den entsprechenden 2s-Zuständen in ei85
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
nem elektrischen Feld. Bei genügend hoher Feldstärke kann man den 2pZerfallskanal über den Starkeffekt praktisch vollständig unterdrücken und
die Impulsvektorkorrelationen der reinen 2s-Niveaus beobachten.
Wie das feldfreie Energiespektrum in Abbildung 5.10 (a) zeigt, enthält der
0
00
Molekülstrahl neben dem vibrationslosen 2s 2A1 und 2p 2A2 Niveau noch eine
Reihe weiterer Zustände. Dabei handelt es sich zum einen um schwingungsangeregte Metastabilenniveaus, und zum anderen um langlebige Rydbergzustände mit Hauptquantenzahlen n ≥ 5. Letztere bilden eine breite Verteilung,
welche bei Energien von etwa 4 eV beginnt und sich bis über das Ionisationslimit des Moleküls hinaus erstreckt. Erstmals im Jahre 2007 von Gisi
beobachtet [Gis07], ist das Dissoziationsverhalten dieser Zustände Thema einer aktuellen Studie von Fechner [Fec10] und soll an dieser Stelle nicht näher
behandelt werden.
5.4.1
Verstärkung im elektrischen Feld
00
Die vibrationsangeregten 2p 2A2 -Niveaus zeigen aufgrund ihrer schwachen
Besetzung sehr niedrige Dissoziationsraten und können im feldfreien Fall
überhaupt nur dann beobachtet werden, wenn der Untergrund an zufälligen
Koinzidenzen auf ein Minimum reduziert ist. So wurde die Messung 5.10 (a)
mit einer extrem geringen Zählrate von 250 Treffern pro Sekunde und Detektorhälfte realisiert. Entsprechend betrug die Aufnahmezeit für dieses Spektrum etwa 48 Stunden, obwohl es für jedes einzelne Schwingungsniveau nur
wenige Events beinhaltet.
Durch Anlegen eines elektrischen Feldes von 20 kV/cm kann die Dissoziationsrate der vibrationsangeregten 2p-Niveaus so weit erhöht werden, dass
sie sich klar aus dem Untergrund zufälliger Koinzidenzen herauslösen. Der
Messaufwand für das Spektrum 5.10 (b) liegt mit 69 Stunden in einem zu (a)
vergleichbaren Zeitrahmen. Dennoch umfasst es das Hundertfache (!) an Ereignissen, wie ein Vergleich der Absolutskalen beider Diagramme verdeutlicht. Dieser Gewinn von 2 Größenordnungen in der Anzahl nachgewiesener
2p-Zerfälle resultiert aus einer Kombination zweier günstiger Effekte: Zum
einen wird die Dissoziationsrate jedes einzelnen Moleküls durch das elektrische Feld um ein Vielfaches verstärkt, zum anderen verbessert sich gleichzeitig das Signal zu Untergrund Verhältnis. In der Folge können nun auch hohe
Ereignisraten gewinnbringend eingesetzt werden, wodurch sich der Zeitaufwand für eine Messung weiter reduziert.
86
5.4. SCHWINGUNGSANGEREGTE NIVEAUS
Abbildung 5.10:
Gesamtes Energiespektrum des Dreiteilchenzerfalls im feldfreien Fall (a) und
bei 20 kV/cm (b). Ganz unten die 2p-Vibrationsniveaus in einer Ausschnittsvergrößerung.
87
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
Abbildung 5.10 (c) zeigt den Energiebereich zwischen 0.9 und 2.5 eV in einer
vergrößerten Darstellung. Die vertikalen Linien markieren die theoretischen
00
Positionen der schwingungsangeregten 2p 2A2 -Niveaus, gekennzeichnet durch
die Quantenzahlen (ν1 , ν2 ). Für alle beobachteten Zustände stimmt die experimentell gemessene Energiefreisetzung W innerhalb einer Toleranz von
20 meV mit dem erwarteten Wert überein. Der Peak des vibrationslosen
2p-Niveaus wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit abgeschnitten; er überragt die nächsthöheren Zustände (0, 1) und (1, 0) um einen Faktor 25. Wie
aus dem Diagramm ersichtlich, ermöglicht eine Feldstärke von 20 kV/cm die
Beobachtung von Schwingungszuständen mit bis zu drei Anregungsquanten.
Infolge der höheren Dissoziationsenergie nehmen jedoch die Nachweischancen
der Fragmente bei steigender Vibrationsanregung kontinuierlich ab. So können die Zustände mit Energien W > 1.8 eV bei einer Driftstrecke von 2,39 m
bereits nicht mehr in allen Zerfallskonfigurationen den Detektor erreichen.
5.4.2
Dissoziationsverhalten
Anhand der vorliegenden Daten lassen sich auch Aussagen über die Impulsvektorkorrelationen bei der Dissoziation schwingungsangeregter H3 -Moleküle
treffen. Für alle Niveaus mit insgesamt einem oder zwei Anregungsquanten ist
die Statistik gut genug, um einen verwertbaren Dalitzplot erstellen zu können
(siehe Abbildung 5.11). Man beachte, dass sich die Beschriftung „2s“ lediglich auf das Dissoziationsmuster der Zustände bezieht. Energetisch gesehen
handelt es sich um 2p-Niveaus, deren Zerfallsverhalten bei einer Feldstärke
von 20 kV/cm jedoch vollständig durch den beigemischten 2s-Charakter bestimmt wird! Auf diese Weise ist es nun erstmals gelungen, die Impulsvektor0
korrelationen der schwingungsangeregten H3 2s 2A1 -Niveaus systematisch zu
vermessen. Die grundlegenden Strukturen der Dalitzplots ähneln dabei den
Ergebnissen von Galster, der vor einigen Jahren die entsprechenden Zustände im D3 beobachtet hat [Gal06]. Die klarsten Übereinstimmungen treten für
die Niveaus mit ν2 = 0 auf. Aber auch bei angeregter Biegeschwingung sind
die Dalitzplots zumindest in ihrer Grundstruktur miteinander vergleichbar;
die relativen Intensitäten der einzelnen Details differieren dann allerdings
deutlich zwischen beiden Isotopologen.
Wie die vorliegenden Messungen zeigen, wird das Zerfallsverhalten der n = 2
Zustände sowohl beim D3 als auch beim H3 in erster Linie vom Anregungsgrad der Biegeschwingung ν2 bestimmt. Eine Variation in ν1 bewirkt dagegen
lediglich geringfügige Modifikationen der bereits vorhandenen Strukturen.
88
5.4. SCHWINGUNGSANGEREGTE NIVEAUS
Abbildung 5.11:
0
Zerfallsverhalten des H3 2s 2A1 -Zustandes in Abhängigkeit der Vibrationsanregung, beobachtet durch feldinduzierte Dissoziation schwingungsangeregter
00
2p 2A2 -Moleküle bei E = 20 kV/cm. Für Freisetzungsenergien oberhalb 1.8 eV
entsteht im Zentrum des Dalitzplots ein Totbereich, der in den Diagrammen
rosa eingefärbt ist.
89
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
A) Schwingungsniveaus mit ν2 = 0
Die Zustände mit ν2 = 0 (oberste Reihe in Abb. 5.11) zeigen ein bemerkenswert einfaches Dissoziationsmuster, welches durch die drei charakteristischen
Maxima bei stumpfwinkligen Geometrien gekennzeichnet ist. Wenn die symmetrische Streckschwingung angeregt wird (ν1 = 1, 2), scheint dieses Muster insgesamt nach außen hin zu expandieren, wodurch die verbotene Zone
im Zentrum des Diagramms an Ausdehnung gewinnt. Parallel dazu werden
Zerfälle in extrem spitzwinkligen Konfigurationen unterdrückt, wie man am
Verschwinden der drei seitlichen Ausläufer des Dalitzplots beim Übergang
(0, 0) → (1, 0) erkennen kann. Die beobachtete Expansion des Dissoziationsmusters ist insofern erstaunlich, als beim D3 -Molekül genau der gegenteilige
Effekt erkennbar wird. Dort bewirkt eine Anregung der ν1 -Mode eine Kontraktion der Strukturen zur Mitte des Diagramms.
B) Schwingungsniveaus mit ν2 = 1
Schwingungsniveaus mit einem Anregungsquant in der Biegemode (ν2 = 1)
besitzen ein etwas komplizierteres Dissoziationsverhalten. Im Gegensatz zu
den Zuständen mit ν2 = 0 tritt nun im Zentrum des Plots ein Maximum auf,
d.h. Zerfälle in gleichseitigen Konfigurationen werden begünstigt. Ungeachtet
dessen sind in den Außenbereichen immer noch Reste jener Strukturen vorhanden, welche die Diagramme mit ν2 = 0 dominieren. Wenn zusätzlich die
Atemschwingung angeregt wird, expandieren die Maxima bei stumpfwinkligen Geometrien analog zum Fall A) nach außen, während die für ν2 = 1
typischen Strukturen im Innenteil des Schaubilds kontrahiert erscheinen.
C) Schwingungsniveaus mit ν2 = 2
Bei Erhöhung der Anregung auf ν2 = 2 gewinnen die Impulsvektorkorrelationen weiter an Komplexität. Von dem charakteristischen Muster der ν2 = 0
Zustände sind jetzt nur noch kleine Relikte bei annähernd linearen Konfigurationen übrig geblieben. Äußerst bemerkenswert ist dagegen das Geschehen im Innenbereich des Diagramms. Hier hat sich das für ν2 = 1 typische
Zerfallsmuster bis in feinste Details hinein in ein perfektes Negativ verkehrt!
Man vergleiche dazu die Dalitzplots der Schwingungsniveaus (0, 1) und (0, 2).
Während bei einfacher Anregung der Biegemode gleichseitige und spitzwinklige Konfigurationen eine Rolle spielen, ist die Dissoziation des Moleküls nun
wieder fast ausschließlich auf stumpfwinklige Geometrien beschränkt.
90
5.4. SCHWINGUNGSANGEREGTE NIVEAUS
5.4.3
Vergleich zu theoretischen Vorhersagen
Im Folgenden sollen die experimentell gemessenen Dalitzplots der einzelnen
0
2s 2A1 -Niveaus mit den Vorhersagen semiklassischer Trajektorien-Modelle
von U. Galster [Gal10] und M. Jungen [LJ09] verglichen werden. Während
die Rechnungen von Galster auf das obere Blatt der Grundzustandsfläche beschränkt sind, berücksichtigt das Modell von Jungen auch das untere Blatt,
0
sowie die Kopplung zwischen beiden 2p 2 E -Teilflächen. Wir beginnen unseren Vergleich bei den Schwingungsniveaus mit ν2 = 0:
Wie in Abbildung 5.12 illustriert, sind hier beide Modelle in der Lage, die
grobe Struktur der gemessenen Impulsvektorkorrelationen zu reproduzieren.
Sowohl die drei dominanten Maxima bei stumpfwinkligen Geometrien als
auch die Dreiecksstruktur um diese Maxima herum werden qualitativ richtig
wiedergegeben. Alle genannten Details resultieren dabei aus einer direkten
Kopplung der Wellenfunktion an das obere Blatt der Grundzustandsfläche.
Die Rechnung von Jungen prognostiziert darüber hinaus ein vermehrtes Auftreten von spitzwinkligen Konfigurationen, das durch die Messungen jedoch
nicht bestätigt wird. Im Zentrum des Dalitzplots haben offensichtlich beide
Modelle ihre Schwierigkeiten, das Verbot von gleichseitigen Zerfallsgeometrien korrekt vorherzusagen. Trajektorien, die in dieser Impulskonfiguration
enden, haben sich lange Zeit durch Bereiche der Grundzustandsfläche bewegt, in denen starke Wechselwirkungen zwischen dem oberen und unteren
Blatt auftreten. Da das Galster-Modell diese Kopplungen nicht berücksichtigt, ist es prinzipiell nicht in der Lage, zuverlässige Vorhersagen über den
Zentralteil eines Dalitzplots zu treffen. Dass auch die Rechnungen von Jungen in diesem Bereich versagen, deutet auf ein grundsätzliches Problem bei
der Beschreibung von Jahn-Teller Kopplungen mittels semiklassischer Methoden hin. Nach Analysen von Jasper und Truhlar führt das Modellieren
von Trajektorien-Sprüngen zwischen zwei konisch überschnittenen Potentialflächen im Fall eines dreiatomigen Systems zu typischen Fehlern von 40-60 %
in den Endzustandsverteilungen [JT05].
0
Etwas komplizierter wird die Situation, wenn wir 2s 2A1 -Zustände mit angeregter Biegeschwingung betrachten (Abbildung 5.13). Im Unterschied zu
den ν2 = 0 Niveaus trägt nun nicht allein das obere, sondern auch das untere Blatt der Grundzustandsfläche nennenswert zu den Mustern im Dalitzplot bei. Dementsprechend kann das Modell von Galster lediglich einen Teil
der beobachteten Strukturen erklären. Die drei Maxima bei stumpfwinkligen Konfigurationen und die dreieckige Außenbegrenzung des Diagramms
91
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
Abbildung 5.12:
0
Experimentell gemessene Dalitzplots von H3 2s 2A1 -Niveaus mit ν2 = 0 im
Vergleich zu theoretischen Modellen von Galster [Gal10] und Jungen [LJ09].
0
Die Beschriftung gibt an, auf welchem Blatt der 2p 2 E -Grundzustandsfläche
die berechneten Trajektorien starten. Offensichtlich rührt das grundlegende
Muster von einer Kopplung an die obere Teilfläche her.
92
5.4. SCHWINGUNGSANGEREGTE NIVEAUS
Abbildung 5.13:
0
Experimentell gemessene Dalitzplots von H3 2s 2A1 -Niveaus mit angeregter
Biegeschwingung im Vergleich zu theoretischen Modellen von Galster [Gal10]
und Jungen [LJ09]. Die charakteristischen Strukturen im Zentrum der Plots
0
werden durch eine Kopplung an das untere 2p 2 E -Blatt erzeugt. Für den
Zustand (0, 2) ist lediglich eine Rechnung zum D3 verfügbar.
93
KAPITEL 5. FELDINDUZIERTE DISSOZIATION
werden wie im Fall ν2 = 0 qualitativ richtig modelliert. Die neu hinzugekommenen Details im Innenbereich des Dalitzplots stellen das Galster-Modell
dagegen vor Probleme. Zum einen wird die verstärkte Dissoziation bei spitzwinkligen Geometrien fehlerhaft beschrieben. Sie ist in der Vorhersage für
das Niveau (0, 1) überhaupt nicht enthalten und wird umgekehrt für den Zustand (1, 1) zu stark prognostiziert. Dieses Problem ist vermutlich ebenso
wie das Fehlen eines zentralen Maximums der Beschränkung auf die obere
Potentialfläche geschuldet. Wie ein Vergleich mit dem Ergebnis von Jungen
zeigt, werden gerade die Strukturen im Mittelteil des Dalitzplots durch eine
0
Kopplung an das untere 2p 2 E -Blatt erzeugt.
Abschließend verbleibt noch der Zustand (0, 2) mit doppelt angeregter Biegemode, für den lediglich eine auf das D3 bezogene Vergleichsrechnung vorliegt. Während die randnahen Maxima bei stumpfwinkligen Geometrien auf
0
dem oberen 2p 2 E -Blatt entstehen, wird das Geschehen im Innenbereich des
Dalitzplots auch hier wieder durch die untere Potentialfläche bestimmt. Abgesehen von dem zentralen Maximum hat das modellierte Muster definitive
Ähnlichkeit mit dem experimentellen Ergebnis; es erscheint jedoch im Vergleich dazu um 60◦ gedreht. Möglicherweise ist die Orientierung der Struktur
durch den vibronischen Drehimpuls l2 vorgegeben, welcher für ν2 = 2 die Werte 0 und ±2 annehmen kann. Die Modellrechnung von Jungen basiert auf
einem Vibrationsdrehimpuls von l2 = 2, wohingegen dessen Wert bei dem
experimentell beobachteten Zustand unbekannt ist.
94
Kapitel 6
Störungstheoretisches Modell
Um die beobachtete Zustandsmischung durch den Starkeffekt auf ein quantitatives Fundament zu stellen, wird abschließend ein theoretisches Modell
vorgestellt, welches die Dissoziation im elektrischen Feld unter den gegebenen experimentellen Bedingungen beschreibt. In einem ersten Schritt wird
der inhomogene Feldverlauf zwischen den Stark-Elektroden näherungsweise
modelliert, und eine effektive Länge des Dissoziationsbereiches abgeschätzt.
Daran anschließend erfolgt eine Berechnung der Dreiteilchen-Zerfallsraten für
00
0
das vibrationslose 2s 2A1 und 2p 2A2 Niveau in Abhängigkeit von der angelegten Feldstärke. Neben der Ausdehnung des Dissoziationsbereiches wird dabei
auch die räumliche Orientierung der Moleküle, sowie das Nachweisverhalten
des Detektors berücksichtigt. Die eingesetzten Feldstärken zwischen 0 und
20 kV/cm ermöglichen eine Behandlung der Zustandsmischung in erster Ordnung Störungstheorie. Entsprechend der Überlegungen aus Abschnitt 2.6.2
liegt der dadurch entstehende Fehler für diesen Feldbereich weit unterhalb
von 1 % und kann komplett vernachlässigt werden.
6.1
Feldstärkeverlauf
In einem näherungsweisen Ansatz beschreiben wir den Feldverlauf entlang
der Molekülstrahlachse als Funktion des Abstands d der beiden Starkplatten.
Den Koordinatenursprung für unsere folgenden Betrachtungen legen wir in
den Punkt der höchsten Feldstärke im Zentrum der halbzylindrischen Elektroden. Wie in Abbildung 6.1 skizziert, erreicht der Plattenabstand an dieser
Stelle sein Minimum d0 = 3 mm, um dann mit steigendem Betrag von x nach
95
KAPITEL 6. STÖRUNGSTHEORETISCHES MODELL
beiden Seiten anzuwachsen:
d(x) = d0 + 2 · (r − h)
√
= d0 + 2 · (r − r2 − x2 )
(6.1)
Der Radius der verwendeten Elektroden ist auf r = 10 mm festgelegt, während sich die Strecke h aus dem Satz des Pythagoras ergibt. Wir beschränken
unsere Rechnungen auf den Bereich direkt zwischen den Starkplatten, in welchem |x| ≤ r gilt und die Gleichung (6.1) durchgehend definiert ist. Wie der
gezeigte Feldverlauf im linken Diagramm von Abbildung 6.2 verdeutlicht,
nimmt die Feldstärke bis zum Rand der Elektroden auf ein Viertel ihres Maximalwertes ab. Entsprechend geht die Dissoziationsrate um einen Faktor 16
zurück, so dass auch unter realen Bedingungen feldinduzierte Zerfallsprozesse
im Wesentlichen auf den Bereich x ∈ [−r, r] beschränkt sind. Bei gegebener
Potentialdifferenz U zwischen den beiden Starkplatten erhalten wir unter der
Annahme E = U/d einen Feldverlauf
U
√
E(x) =
d0 + 2 · (r − r2 − x2 )
=
1 + 2 · (r −
E0
√
r2 − x2 )/d0
(6.2)
Die Güte dieser einfachen Näherung ist dabei durchaus vertretbar: Der Spitzenwert E0 im Zentrum des Feldes wird um lediglich 3 % unterschätzt, und
erst für |x| ≥ r/2 überschreitet der Fehler die 10 %-Grenze (s. Abb. 6.2 rechts).
Am Rand der Dissoziationszone werden die Abweichungen dagegen beträchtlich, zumal hier auch noch eine Asymmetrie des Feldes ins Spiel kommt.
Abbildung 6.1:
Skizze zur Herleitung des Feldstärkeverlaufs im Bereich zwischen den Stark-Elektroden.
96
6.1. FELDSTÄRKEVERLAUF
Abbildung 6.2:
Vergleich des beschriebenen Feldstärkemodells (schwarz) mit dem tatsächlichen Feldverlauf im Experiment (rot). Das Diagramm auf der rechten Seite
illustriert die Größe der auftretenden Abweichungen.
6.1.1
Effektive Dissoziationslänge
Um den Einfluss des inhomogenen Feldverlaufs auf die beobachtete Zerfallsrate zu quantifizieren, führen wir den Begriff der effektiven Dissoziationslänge leff ein. Darunter verstehen wir die Ausdehnung eines homogenen elektrischen Feldes der Stärke E0 , welches pro Zeiteinheit dieselbe Anzahl an
Molekülen dissoziiert wie das im Experiment vorliegende inhomogene Feld.
Wir betrachten dazu einen Strahl metastabiler H3 -Moleküle, die mit einer
Geschwindigkeit v0 in ein elektrisches Feld eindringen und über eine Zeitspanne t dem Starkeffekt ausgesetzt sind. Während ihrer Passage zwischen
den Elektroden werden sie am Ort x in Abhängigkeit von der herrschenden
Feldstärke mit einer Rate R = k · E 2 dissoziiert. Der genaue Wert der Konstanten k ergibt sich aus den Gleichungen (6.9) und (6.10). Die Gesamtzahl
induzierter Zerfallsprozesse beim Durchqueren des Feldes ist damit gegeben
durch
Z t
Z x2
k Z x2 2
1
·
E (x) dx ,
(6.3)
N = R(t0 ) dt0 =
R(x) dx =
v0
v 0 x1
0
x1
wobei das Intervall [x1 , x2 ] den felddurchsetzten Bereich begrenzt. Wir berechnen nun die Anzahl dissoziierter Moleküle bei der Passage des inhomogenen Feldes E(x) aus Gleichung (6.2) und vergleichen diesen Wert mit einem
97
KAPITEL 6. STÖRUNGSTHEORETISCHES MODELL
homogenen Feld der Stärke E0 und Länge l:
N(inhomogen)
N(homogen)
k Zr 2
· E (x) dx
=
v0 −r
k
=
· l E02
v0
(6.4)
(6.5)
Nach Gleichsetzen der Ausdrücke (6.4) und (6.5) erhalten wir einen Zusammenhang, welcher eine ungefähre Abschätzung der effektiven Dissoziationslänge ermöglicht:
lmin =
1 Zr 2
· E (x) dx ≈ 7.85 mm
E02 −r
(6.6)
Das Ergebnis bildet eine untere Grenze für den tatsächlichen Wert von leff ,
der hier aufgrund zweier Faktoren unterschätzt wird: Zum einen prognostiziert das verwendete Modell (6.2) durchgehend etwas zu niedrige Feldstärken, zum anderen ist es auf den Bereich unmittelbar zwischen den StarkElektroden beschränkt. Der erstgenannte Effekt lässt sich sehr leicht in die
Rechnungen einbeziehen, wenn man den in Abbildung 6.2 (rechts) gezeigten
Fehler des Modells mittels einer quadratischen Korrekturfunktion berücksichtigt. Das Ergebnis (6.6) steigt dadurch um 17 % auf 9.2 mm. Angesichts
der Tatsache, dass Teile des elektrischen Feldes im Experiment auch über
den bisher betrachteten Bereich x ∈ [−r, r] hinausragen, muss man realistischerweise von einer effektiven Dissoziationslänge leff ≈ 10 mm ausgehen.
6.2
Dissoziationsraten
Für die folgende Berechnung der Dissoziationsraten beschränken wir uns auf
00
die Wechselwirkung des metastabilen 2p 2A2 -Zustandes mit dem energetisch
0
benachbarten 2s 2A1 -Niveau. Der Einfluss von weiter entfernt liegenden Zuständen kann aufgrund der großen Energieabstände vernachlässigt werden.
Bei ausgeschaltetem Starkfeld ist die Zerfallsrate R des 2p-Niveaus allein
durch die natürliche Lebensdauer τ2p = 700 ns und die Anzahl der Moleküle
in der 10 cm langen Dissoziationszone L bestimmt.
R=
1
ρL
τ
98
(6.7)
6.2. DISSOZIATIONSRATEN
Abbildung 6.3: Detaillierte Ansicht der Starkfeld-Zone.
Für die Teilchendichte ρ, die entlang der Strecke zwischen Slit und Beamflag
um ca. 30 % abnimmt, wird zur Vereinfachung ein konstanter Mittelwert angenommen. Die vorgestellten Messungen beschränken sich ausschließlich auf
den Dreiteilchenzerfall des H3 , so dass lediglich ein Anteil r aller Dissoziationsprozesse von Belang ist. Um die im Experiment tatsächlich beobachtete
Zerfallsrate Rexp abschätzen zu können, müssen darüber hinaus die geometrische Nachweiseffizienz Γ, sowie die Auslösewahrscheinlichkeit des Detektors
Γdet berücksichtigt werden:
1
(6.8)
Rexp = ρ L r Γ Γdet
τ
Mit dem Einschalten des elektrischen Feldes wird der 2p-Wellenfunktion nun
ein gewisser Anteil α des 2s-Zustandes beigemischt. Die Stärke dieser Beimengung ist abhängig vom Übergangsmatrixelement der beteiligten Zustände, dem Niveauabstand ∆, sowie dem angelegten elektrischen Feld E. In
einem störungstheoretischen Ansatz 1.Ordnung ergibt sie sich zu
|h2s|qz|2pi|
·E
(6.9)
∆
Der Ausdruck (6.8) für die beobachtete Dissoziationsrate muss folglich um
einen zweiten Term erweitert werden, welcher die Ratenzunahme durch den
beigemischten 2s-Anteil beschreibt:
1
1
R2p (E) =
ρ L r2p Γ2p Γdet +
ρ leff r2s Γ∗2p Γdet |α(E)|2
(6.10)
τ2p
τ2s
α=
|
{z
Natuerlicher Zerfall
}
|
{z
Feldinduzierter Zerfall
}
Γ∗ berücksichtigt dabei die veränderte Nachweiswahrscheinlichkeit aufgrund
des molekularen Alignments. Man beachte, dass der natürliche Metastabilenzerfall entlang der ganzen Strecke zwischen Slit und Beamflag stattfinden
99
KAPITEL 6. STÖRUNGSTHEORETISCHES MODELL
kann, wohingegen die Wirkung des feldinduzierten Terms auf einen effektiven
Bereich der Länge leff ≈ 0.1L beschränkt ist (vgl. Abbildung 6.3).
0
Der reine 2s 2A1 -Zustand wird innerhalb der gesamten Nachweiszone aus00
schließlich durch einen infraroten Strahlungsübergang des 2p 2A2 -Niveaus
bevölkert und dissoziiert nach τ2s = 200 fs praktisch am Ort seiner Entstehung. Infolge dieser Kurzlebigkeit ist die beobachtete Dissoziationsrate
an 2s-Molekülen allein durch die Strahlungs-Lebensdauer des 2p-Niveaus
τrad = 60 µs bestimmt und damit unabhängig von der elektrischen Feldstärke.
R2s =
1
τrad
ρ L r2s Γ2s Γdet ,
(6.11)
Um das Modell mit den experimentellen Ergebnissen vergleichen zu können,
bilden wir das Verhältnis der Raten (6.10) und (6.11) beider Zustände und
erhalten einen quadratischen Zusammenhang
R2p
= A + C · E2
R2s
(6.12)
mit den Koeffizienten
A =
τrad r2p Γ2p
τ2p r2s Γ2s
(6.13)
C =
τrad Γ∗2p leff |h2s|qz|2pi|2
τ2s Γ2s L ∆2
(6.14)
Der Term A beschreibt das Ratenverhältnis im feldfreien Fall und stimmt mit
dem experimentellen Wert Aexp = (0.14 ± 0.01) überein, wenn wir das unbekannte Verhältnis der Dreiteilchenzerfalls-Wahrscheinlichkeiten r2s /r2p in
der Größenordnung von 500 annehmen. Die wesentlich effizientere Kopplung
des 2s-Zustandes an das Dreiteilchen-Kontinuum spiegelt sich entsprechend
in dem Energiespektrum für E= 0 kV/cm wider (s. Abbildung 5.1). Die geometrischen Effizienzen für einen Nachweis aller drei Zerfallsfragmente wurden
mittels einer Monte-Carlo Simulation zu Γ2p = 1.49% und Γ2s = 1.68% bestimmt. Bei feldinduzierten Dissoziationsprozessen des metastabilen Niveaus
ist zusätzlich das Alignment der Fragmentationsebene zu berücksichtigen,
welches die Detektionswahrscheinlichkeit auf Γ∗2p = 0.74% herabsetzt.
6.2.1
Einfluss der Molekülorientierung
Die anisotrope Wirkung des Starkeffektes bedingt, dass die Kopplung zwi0
00
schen dem 2s 2A1 und 2p 2A2 Zustand mit der räumlichen Orientierung des
100
6.2. DISSOZIATIONSRATEN
Moleküls variiert. Um diesem Effekt Rechnung zu tragen, ermitteln wir unter der Annahme wasserstoffartiger Wellenfunktionen einen Durchschnittswert der erfahrenen Kopplung. Hierzu muss das Übergangsmatrixelement als
Funktion der Molekülorientierung ausgedrückt werden
h2s|qz|2pi(θ0 ) =
3 cos(θ0 )
,
1 + sin2 (θ0 )
(6.15)
wobei θ0 den Winkel zwischen dem Starkfeld und der Richtung des 2pz Orbitals bezeichnet. Im Falle einer zufälligen Ausrichtung der Molekülachsen,
wie sie in der Starkfeld-Zone typischerweise vorliegt, resultiert im Mittel ein
Betragsquadrat des Übergangsmatrixelements von
1 Zπ
|h2s|qz|2pi|2 dθ0 = 3.18 au .
|h2s|qz|2pi| =
π 0
2
(6.16)
Unter Verwendung dieses Wertes ergibt sich aus (6.12) - (6.14) der gepunktet
dargestellte Kurvenverlauf in Abbildung 6.4. Zum Vergleich sind in schwarz
die experimentell ermittelten Werte eingetragen, die auf einen etwas langsameren Anstieg des Ratenverhältnisses hindeuten. Ursache für diese leichte Diskrepanz ist die vereinfachende Annahme rein wasserstoffartiger Wel-
Abbildung 6.4:
Experimentell bestimmte Verhältnisse der Dreiteilchen-Dissoziationsraten
00
0
des 2p 2A2 und 2s 2A1 Zustandes (schwarz) im Vergleich mit dem beschriebenen Stark-Modell (rot). Der gepunktete Kurvenverlauf entspricht der Annahme rein wasserstoffartiger Zustände, während die durchgezogene Vorhersage
auf präzisen H3 -Wellenfunktionen beruht.
101
KAPITEL 6. STÖRUNGSTHEORETISCHES MODELL
lenfunktionen. In einer exakten Behandlung müssen auch die Quantendefekte δ2s = (0.072 ± 0.002)1 und δ2p = (0.05 ± 0.01)2 der beteiligten Zustände
mit berücksichtigt werden. Wie Berechnungen von Petsalakis et al. zeigen
[PTW88], nimmt das Betragsquadrat des Übergangsmatrixelements infolge
eines geringeren radialen Überlapps um den Faktor 1.24 ab, wenn präzise H3 Wellenfunktionen zugrunde gelegt werden. Daraus ergibt sich für den Koeffizienten C ein Wert von 0.078 cm2/kV2 , der nur etwas mehr als 1 Standardabweichung von dem experimentellen Resultat Cexp = (0.074 ± 0.003) cm2/kV2
abweicht. Die durchgezogene Kurve in Abbildung 6.4 entspricht dem Modellverlauf unter Berücksichtigung der Quantendefekte und verdeutlicht die
nahezu perfekte Übereinstimmung mit dem Experiment. Lediglich für Felder
nahe 20 kV/cm beginnt die Vorhersage aufgrund einer einsetzenden Sättigung
der Zerfallsrate leicht nach oben abzuweichen.
6.2.2
Sättigungseffekt
00
In demselben Maße wie die Dissoziationsrate des 2p 2A2 -Niveaus ansteigt,
reduziert sich auch die Anzahl intakter metastabiler Moleküle innerhalb der
Starkfeldzone. Dies hat zur Folge, dass ab einer gewissen Feldstärke keine
weiteren 2p-Moleküle mehr dissoziiert werden können und die Zerfallsrate in
eine Sättigung läuft. Um die Relevanz des Effektes für Felder zwischen 0 und
20 kV/cm quantitativ zu erfassen, betrachten wir die Dissoziationsrate eines
einzelnen 2p-Moleküls als Funktion des Ortes x:
R2p (x) =
1
1
+
· |α(x)|2
τ2p τ2s
(6.17)
Man beachte, dass in dem Ausdruck (6.17) sowohl Zwei- als auch Dreiteilchenzerfälle berücksichtigt sind, da beide Prozesse gleichermaßen zur Entvölkerung des metastabilen Niveaus beitragen. Der beigemischte 2s-Anteil α ergibt
sich mit Gleichung (6.9) und dem Feldstärkemodell aus (6.2) zu
α(x) =
|h2s|qz|2pi|
E0
√
·
∆
1 + 2 · (r − r2 − x2 )/d0
(6.18)
Um nun der fortschreitenden Entvölkerung des Metastabilenstrahls innerhalb der Starkfeldzone Rechnung zu tragen, ermitteln wir die Überlebens1
2
entnommen aus [MRHM01]
entnommen aus [BLH91]
102
6.2. DISSOZIATIONSRATEN
wahrscheinlichkeit p eines Moleküls bis zum Erreichen des Ortes x:
Z t
p(x) = exp −
0
R2p (t0 ) dt0 = exp −
1 Zx
R2p (x0 ) dx0
v0 −r
(6.19)
Diese hängt von dem genauen Verlauf der Feldstärke ab, die das Molekül während seines Fluges zwischen den Elektroden erfährt. Entsprechend summiert
das Integral in Gleichung (6.19) den Einfluss des elektrischen Feldes über das
Ortsintervall [−r, x] auf. Die Exponentialfunktion beschreibt schließlich den
daraus resultierenden Bevölkerungsverlust des metastabilen Niveaus, der in
die Dissoziationsrate (6.17) mit einzurechnen ist:
∗
R2p
(x) = R2p (x) · p(x)
(6.20)
∗
ist in Abbildung 6.5 für
Der Verlauf dieser populationsgewichteten Rate R2p
verschiedene Spitzenfeldstärken E0 illustriert, wobei eine Orientierung der
Molekülachse in Feldrichtung zugrunde gelegt wurde. Während die Entvölkerung des 2p-Niveaus für Felder bis zu 10 kV/cm vollständig vernachlässigbar ist, beginnt sie sich bei E0 = 20 kV/cm in einer Asymmetrie der Kurve bemerkbar zu machen. Die maximale Dissoziationsrate wird hier bereits
0.6 mm vor dem Punkt der höchsten Feldstärke erreicht, da der zunehmende Populationsverlust im Strahl einen weiteren Anstieg der Rate verhindert.
Dieses Ergebnis wird auch von den experimentellen Daten in Abbildung 6.4
gestützt, die für Felder um 20 kV/cm den Ansatz einer Sättigung zeigen.
Abbildung 6.5:
00
Ortsabhängigkeit der 2p 2A2 -Dissoziationsrate bei unterschiedlicher Spitzenfeldstärke E0 . Die Kurve für 20 kV/cm deutet eine beginnende Sättigung an.
103
Kapitel 7
Zusammenfassung und
Ausblick
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über das Dissoziationsverhalten
von dreiatomigem Wasserstoff in einem externen elektrischen Feld. Unter
00
Ausnutzung des Starkeffekts wird dem metastabilen 2p 2A2 -Niveau ein Anteil
0
des kurzlebigen 2s 2A1 -Zustandes beigemischt, so dass sich die Lebensdauer
des Moleküls erheblich verringert und der Dissoziationsprozess initiiert wird.
Die vorgestellten Messungen zum Dreiteilchenzerfall belegen sehr anschaulich
die Auswirkungen der Zustandsmischung auf die Impulsvektorkorrelationen
der Fragmente und die räumliche Orientierung der Zerfallsebene.
Mit steigendem E-Feld transformiert sich der Dalitzplot von den typischen
00
0
2p 2A2 -Strukturen in das grundlegend verschiedene 2s 2A1 -Muster, während
gleichzeitig ein zunehmendes Alignment der dissoziierten Moleküle entlang
der Feldrichtung auftritt. Im Übergangsbereich können bei einer Feldstärke von 4 kV/cm Interferenzeffekte im Dalitzplot des 2p-Niveaus beobachtet
werden. Sie resultieren aus der Tatsache, dass sich das Molekül in einer Superposition zweier elektronischer Zustände befindet und auf zwei unterschiedlichen Zerfallspfaden in das selbe Dissoziationskontinuum gelangen kann.
Während der 2p-Anteil ausschließlich über die Rotationsbewegung an den
Grundzustand koppelt, unterliegt das Molekül auf dem 2s-Pfad der wesentlich effizienteren Vibrationskopplung. Durch Abstimmung der elektrischen
Feldstärke gelingt es nun, die Amplituden der beiden interferierenden Pfade
zu regulieren und damit erstmals experimentelle Kontrolle über die nichtadiabatischen Kopplungsmechanismen im H3 zu gewinnen.
Das Experiment erfolgt in einem Translationsspektrometer unter Einsatz ei104
nes multihitfähigen Detektorsystems. Durch einen zeit- und ortsaufgelösten
Nachweis aller drei Zerfallsfragmente kann der Dissoziationsprozess für jedes
einzelne Molekül kinematisch vollständig rekonstruiert werden. Damit wird
neben einer Analyse der Zerfallsrate auch die Erfassung vektorieller Informationen ermöglicht, wie sie in den Impulsvektorkorrelationen oder der räumlichen Orientierung der Molekülachse enthalten sind. Ein quantitatives Verständnis dieser Ergebnisse erfordert eine fundierte theoretische Behandlung
der Bewegung von Dreiteilchen-Wellenpaketen auf den Potentialflächen des
H3 -Grundzustandes. Die jüngsten Erfolge der Theorie [Gal10, LJ09, LAK07]
0
hinsichtlich der Prädissoziation des 2s 2A1 -Niveaus stimmen zuversichtlich,
00
dass eine ähnliche Behandlung des 2p 2A2 -Niveaus in naher Zukunft auch
die Modellierung eines Superpositionszustandes ermöglichen wird. Es ist zu
erwarten, dass eine quantitative Erklärung der beobachteten Interferenzeffekte unser Wissen im Bereich nicht-adiabatischer Kopplungen beträchtlich
voranbringen wird.
In einer ersten Anwendung wurden mit dem Konzept der feldinduzierten Dis0
soziation die Dalitzplots mehrerer vibrationsangeregter 2s 2A1 -Niveaus des
H3 untersucht (→ Kapitel 5.4). Diese ansonsten nur schwer zugänglichen
Zustände können im elektrischen Feld infolge der Drehimpuls-Mischung mit
00
dem 2p 2A2 -Niveau auf einfache Weise beobachtet werden. Die gewonnenen
Daten sind von besonderem Interesse, da sie einen Vergleich mit den theoretischen Vorhersagen von Galster [Gal10] und Jungen [LJ09] ermöglichen.
Dabei kristallisiert sich heraus, dass die Strukturen im Außenbereich der Da0
litzplots von Kopplungen an das obere 2p 2 E -Blatt herrühren, wohingegen
der Zentralteil der Diagramme durch Trajektorien auf der unteren Grundzustandsfläche bestimmt wird.
Ein weiterer Ansatz, der sich aus dem vorgestellten Experiment ergibt, betrifft die Kontrolle molekularen Alignments durch ein externes elektrisches
Feld. Wie die Messungen am Beispiel des metastabilen H3 -Strahls belegen,
ist das Prinzip der feldinduzierten Dissoziation dazu geeignet, die räumliche
Verteilung der Molekülachsen gezielt zu beeinflussen (→ Kapitel 5.3). Die
anisotrope Wirkung des Starkeffekts ermöglicht ein richtungsselektives Dis00
soziieren des 2p 2A2 -Zustandes, wodurch dem verbleibenden Reststrahl ein
Anti-Alignment in der Ebene senkrecht zur Feldrichtung aufgeprägt wird.
Unter Einsatz zweier gekreuzter elektrischer Felder kann man auf diese Weise einen Strahl präparieren, der ausschließlich Moleküle einer bestimmten
Orientierung enthält.
105
KAPITEL 7. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Das Konzept lässt sich dabei auf beliebige Moleküle übertragen, in denen
ein langlebiger Zustand mit einem instabilen Niveau gekoppelt werden kann.
Dazu zählen beispielsweise zweiatomige Edelgas-Excimere wie Ne2 oder Ar2 ,
1 +
welche die langlebigen Zustände 3 Σ+
u und Σu besitzen [Mul74]. Darüber
hinaus bietet sich auch das metastabile He−
2 Molekül [BCP84, Mic86] als
Studienobjekt an. Aus theoretischen Überlegungen dieser Arbeit folgt, dass
die Lebensdauer-Differenz der beteiligten Zustände neben einem geringen
energetischen Abstand die zentrale Voraussetzung für das Zustandekommen
von feldinduzierter Dissoziation bildet.
106
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Danksagung
Am Ende möchte ich mich gerne bei all denen bedanken, die ihren Teil zum
Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben:
Prof. Hanspeter Helm danke ich für die Idee zu diesem interessanten Experiment und die freundliche Unterstützung, die ich während der vier Jahre
meiner Promotion erfahren habe.
Michael Gisi gilt mein herzlicher Dank für die Erneuerung der Detektorelektronik und die Entwicklung eines neuen Datennahmesystems. Seine
Arbeit hat die Steuerung des H3 -Experiments erheblich vereinfacht.
Dr. Ulrich Galster und Prof. John Briggs bin ich dankbar für hilfreiche Diskussionen und ihren kompetenten Rat in Fragen zur theoretischen
Beschreibung des Dissoziationsprozesses.
Peer Fechner danke ich für regelmäßig sehr anregenden Gedankenaustausch zu verschiedensten experimentellen und theoretischen Aspekten des
H3 und Hannes Höffler für aufmerksames Korrekturlesen dieser Arbeit.
Mein weiterer Dank geht an das Technik-Team der Abteilung Helm:
Isabella Siegel und Uwe Feldmeyer waren immer überaus hilfsbereit,
wenn technische Probleme im Labor oder am Computer aufgetreten sind.
Und nicht zuletzt möchte ich mich von ganzem Herzen bei meiner Mutter
Sigrun Baumgartner bedanken, die mich während meines gesamten Studiums sehr unterstützt und mir finanzielle Sorgenfreiheit ermöglicht hat.
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ausschließlich unter Verwendung der angegebenen Quellen verfasst habe.
Frank Baumgartner
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