Näher dran. - Hochschule Karlsruhe

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Sommer 2010
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SMAKH 1/2011
Näher dran.
Liebe Leserinnen und Leser,
herzlich Willkommen zu SMAKH6 – der sechsten Ausgabe unseres Semestermagazins
für Architektur.
Diese Ausgabe kommt zu ganz besonderen Ehren: Die Absolventin Nina Scholten
vom Studiengang Technische Redaktion der Hochschule Karlsruhe widmet SMAKH ihre
Bachelorthesis. Basierend auf einer Analyse bereits erschienener Ausgaben beschäftigt
sie sich sowohl mit der Dramaturgie als auch mit der Definition von Layout und Corporate Design. Das Ergebnis der Thesis spiegelt sich im Layout von SMAKH6, wir sind sehr
zufrieden mit diesem Resultat.
Wir berichten auf Seite 4 von unserer Sommerreihe HORIZONTE, der Vortragsreihe
zum Studienprojekt ArchitektenImage. Die Reihe erlaubte uns einen inspirierenden Blick
über den „Tellerrand“ und zeigte vielversprechende Einsatzmöglichkeiten weit außerhalb
der altbewährten Baukunst.
SMAKH6 widmet sich verstärkt dem Masterstudiengang Architektur Form und Experiment, auf den Seiten 18 - 21 präsentieren wir eine Masterthesis zum Thema Sakralraum
im Profanraum. Hans Peter Weber befasste sich mit einem Areal am Frankfurter Gallus,
zwischen Messe und Hauptbahnhof liegend, umgeben von Wolkenkratzern, Verkehrslärm
und Hektik – mit der Erkenntnis, Sakralität dort am ehesten zu spüren, wo der Kontrast
zum Profanen besonders deutlich besteht. Auf Seite 35 wird SMAKH zur Plattform einer
Selbstdefinition, wir erläutern den Begriff Experiment für das Integrale Projekt im Master.
Bedanken möchten wir uns wieder für die Unterstützung durch Werkbund, BDA und
AKBW sowie bei den Firmen Armstrong DLW und Feederle.
Wenn wir Sie neugierig gemacht haben und Sie noch mehr über unseren Studiengang
erfahren möchten, besuchen Sie die Homepage der Hochschule www.hs-karlsruhe.de
und die Seiten unseres Studiengangs.
Karlsruhe, April 2011
Prof. Florian Burgstaller
Studiendekan
Alke Hickel
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Konzeption und Redaktion
des Magazins SMAKH
Editorial WS 2010/11
_ 1
2 _
WS 2010/11
Inhalt
Bachelorthesis Sommer 2010 Seminar- und Hörsaalgebäude
auf dem Campus Karlsruhe
12
Masterthesis Sommer 2010 Sakralraum im Profanraum
18
Städtebau-Diplom SS 2010
Denkmal_Kaserne
22
Hochbau-Diplom SS 2010
SpeicherStadtErweiterung Interventionen im Rheinhafen
28
Standards
Editorial
Impressum
Master
1
60
Horizonte
MittwochabendVortrag 2010
4
Standpunkt Fachschaft
Sag uns deine Meinung!
6
Reingeschaut
Raumpilot
9
Städtebau-Diplom
Denkmal_Kaserne
22
Hochbau-Diplom
SpeicherStadtErweiterung Interventionen im Rheinhafen
28
10
Bachelor
12
Experimentelles Bauen
Anmerkungen zum
Integralen Projekt
MA3 im Wintersemester 10/11
„Ein Haus kann nur
leise zu uns sprechen...“
Bestandsaufnahme
Vom Städtebau bis zum Detail
Großer Entwurf einer Sporthalle
3. und 4. Bachelorsemester
42
Vertiefung
Frauenalb
Synergie Strukturen
Programm Pro Studium
46
Dialog
Lehre
Exkursion
Bachelorthesis
Seminar- und Hörsaalgebäude
auf dem Campus Karlsruhe
18
Diplom
Aktuelles
Exkursion nach Rom
Architekturzeitreise
Masterthesis
Sakralraum im Profanraum
Entwurf
35
38
Persönlich
SMAKH im Gespräch mit
Prof. Dr. Bernhard Lenz
52
6 Fragen an
Thomas Fabrinsky
56
Kooperation
Was ist eigentlich...
das Architekturschaufenster?
58
Inhalt WS 2010/11
_ 3
Horizonte
MittwochabendVortrag 2010
Das Studentenprojekt ArchitektenImage, gegliedert in die 3 Module Situation, Perspektiven, Visionen, war Anlass für die
Vortragsreihe Horizonte, die der Studiengang im Sommersemester 2010 veranstaltete. Die Studierenden Bachelor 6,
betreut von Martina Ruff und Alke Hickel, definierten ihr „ArchitektenImage“ im Rahmen einer Analyse von Qualifikationen und Kernkompetenzen. Horizonte lud ein zum „Blick über den Tellerrand“ und lies sich sicher dank der inhaltlich
breit angelegten Architektenausbildung hierzulande noch durch weitere anregende Beiträge ausbauen. Der klassische
Idealtypus Architekt ergänzt sich schon lange durch mannigfaltige Einsatzmöglichkeiten weit außerhalb der altbewährten
Baukunst. Wir danken den Firmen Paul Feederle und Armstrong DLW für die Unterstützung dieser Veranstaltungsreihe.
Im Ersten der fünf Vorträge referierte der Architekturpsychologe
und -theoretiker Prof. Dr. Riklef Rambow über Wahrnehmung von
Architektur und Schnittstellen auf Augenhöhe zwischen Architekten und Laien. Was ist Architektur? Was macht Architektur? Was
macht der Architekt? Der promovierte Diplompsychologe forscht
seit einigen Jahren im Bereich Architekturkommunikation. Architektur umgibt uns überall, jeder wird davon beeinflusst, denn sie
ist sichtbarer Ausdruck kulturellen Schaffens.
Rambow sieht die Architekturvermittlung als wesentlichen Faktor, der nicht nur Auswirkungen auf das Verständnis von Architektur, sondern vor allem auf die dadurch resultierende Baulandschaft
nach sich zieht. Rambow stellte in seinem Vortrag „Psychologische Grundlagen der Architektur“ interessante, aber auch alltägliche Lösungen vor, Architektur in der Öffentlichkeit, auf Augenhöhe
mit Laien, zu vermitteln.
4 _
WS 2010/11 Aktuelles
raumPROBE, gegründet von Hannes Bäuerle und Joachim
Stumpp, versteht sich als Recherche-Pool und Moderator zwischen innovativer Industrie, Architekten und anderen Planern. Die
Leidenschaft zum Material war Inspiration und Antrieb zum Projekt
raumProbe und machte für Hannes Bäuerle und Joachim Stumpp
die Sammelleidenschaft zum Beruf. In seinem Vortrag setzt der
Innenarchitekt Hannes Bäuerle die Faszination des Materials in
den Mittelpunkt. Das Katalogisieren und Erstellen von übersichtlichen und wahrheitsgetreuen Online-Datenbanken bringt vielfältige Möglichkeiten erfolgreich an die Öffentlichkeit. Heute kann
man die Materialsammlung von raumPROBE in Stuttgart auf 400
m² Ausstellungsfläche anschauen und anfassen. Optik und Haptik
werden hier direkt erlebbar, Funktionalität und technische Materialeigenschaften sind genau dokumentiert. Jeder kann sich ein direktes Bild machen und so ein Gespür für Stofflichkeit entwickeln.
Architekturpsychologe Dr. Riklef Rambow
Raumprobe Hannes Bäuerle
A Space Odyssey Andreas Voigt
Architekturbild Wilfried Dechau
A Space Odyssey war Titel der Veranstaltung - „Spaces“, „Räume“, stellte Andreas Voigt in seinem Vortrag dar, diese wurden von
Studierenden der HFG Karlsruhe und der TU Berlin bearbeitet.
Themenstellung war „Räume temporär für kurze Zeit zu schaffen“
und ermöglicht so in anderer Hinsicht den Blick über den Tellerrand
der meist für länger andauernde Zeitspannen angelegten Architektur. Mit dem Ziel, verschiedene künstlerische Studiengänge, wie
z.B. Mediendesign, Produktdesign oder Architektur, zusammenzuführen, wurden Geschichten graphisch dargestellt und baulich
umgesetzt. Die Bandbreite der Studienprojekte beeindruckte das
Publikum, von der Herstellungsmethodik wie beispielsweise der
Fertigung in einer Glaserei, bis hin zur inhaltlichen Umsetzung,
dem Nachbau von Messingteilen aus verschiedenen Materialien
und einem Ankündigungsplakat, dessen Entwurf durch eine herausgerissenen Seite inspiriert wurde. Auch brachte Voigt das Auditorium den Grenzen zwischen Design und Architektur näher. So
wurden kreativ-abstrakte Darstellungen von Geschichten vor- und
dargestellt.
„Gute Architekturfotographie dokumentiert die Qualität eines
architektonischen Entwurfs und kann länger bestehen, als das
schönste Bauwerk“, so der studierte Architekt und jahrelange Chefredakteur der „Deutschen Bauzeitung“, Wilfried Dechau, der den
letzten Vortrag, Architektur ist gedruckt am schönsten hielt. Um
das künstlerische Niveau der Architekturfotographie zu fördern,
gründete er neben dem Architektur- Fotographiepreis „Architekturbild“ den gleichnamigen Verein. Er beschäftigt sich unter Anderem
mit den Fragen „Was kann ein Foto transportieren?“ oder „Inwieweit ist ein Foto Täuschung?“. Dabei ist seine eigene Vorstellung
einfach: „Möglich ist alles, verboten ist nichts“. Für die Augen der
teilweise erstaunten Zuhörer gab es einige Gegenüberstellungen
retuschierter und originaler Bilder zu bewundern, welche deren
grundsätzliche Prinzipien unterstrichen. „Photoshop täuscht?
Eher nicht – es versucht nur erlebtes auf Papier zu bringen!“ Fotographie wird immer eine gewisse Art der Täuschung bleiben, die
einen Besuch und das erlebbare, z.B. bestimmte Blickwinkel am
Ort des Objekts, nicht ersetzt. Aber die Phantasie jedes Einzelnen
bringt auch ein Bild der Wirklichkeit ein Stück näher.
Abgerundet wurde die Vortragsreihe HORIZONTE durch
das Podium ArchitektenImage im Architekturschaufenster, eine
Abschlussveranstaltung des Studienprojektes „Der Architekt in
der Gesellschaft“. Wer wissen möchte, über welche Themen diskutiert wurde, kann das in der nächsten Ausgabe von SMAKH
nachlesen.
ein Beitrag von Adriano Bruno
Bilder: Seminar Vorträge SS 2010,
Gruppe Presse und Öffentlichkeit
Aktuelles WS 2010/11
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Standpunkt
Fachschaft
Sag uns deine
Meinung!
In Kooperation mit der Fachschaft will SMAKH deine Meinung zur Fachschaft wissen. Nimm dir ein paar Minuten
Zeit und fülle den beigefügten Fragebogen aus. Den Fragebogen bis zum 31. Mai 2011 bitte in die Motzbox vor
dem Fachschaftsraum einwerfen. Der Testlauf der Umfrage im Voraus hat schon einige Standpunkte aufgezeigt,
wie du auf der nächsten Seite nachlesen kannst. Als
e zu gewinnen!
Anreiz zum Mitmachen gibt es tolle Preise
1. Preis:
zwei CDs der Diplom- und Masterarbeiten
aus dem Sommersemester 2010
2. Preis:
eine CD der Diplomarbeiten aus dem
Sommersemester 2010
3.-5. Preis:
ein Jahressatz 2009 der Zeitschriften
DBZ, db oder Baumeister
6.-10. Preis:
jeweils ein Freigetränk auf der
nächsten Bauhouse-Party
Für das Bereitstellen der Preise 1 und 2, bedanken wir uns beim
Studiengang Architektur der HS Karlsruhe. Die DokumentationsCDs der Abschlussarbeiten können bei den Mitarbeitern der Fakultät für 5,- € das Stück erworben werden. Die Preise 3 - 5 wurden
freundlicherweise von der Firma Uni-Star, Experten für Fachmedien gesponsort. Ein Ansprechpartner von Uni-Star, bei dem ihr Zeitschriftenabos erwerben könnt, ist in regelmäßigen Abständen vor
dem Fachschaftsraum anzutreffen.
Bei der Preisverleihung ist der Rechtsweg ausgeschlossen.
6 _
WS 2010/11 Aktuelles
Georg Weinreich
BA4
„Ich selbst bin nicht in der Fachschaft tätig, da ich einfach keine
Zeit dafür finde, aber ich finde es gut, dass es eine Fachschaft gibt,
da sie als Kommunikationsorgan zwischen den Studenten, Professoren und der Hochschule wichtig ist. Sie wertet das Campusleben durch das Organisieren von verschiedenen Events auf, sollte
sich aber mehr für die Verteilung der Studiengebühren einsetzen
und mit der ASTA kooperieren.“
Nik Beiler
BA4
„Ich bin in die Fachschaft gekommen, um zu sehen, was da so
los ist. Wichtig für mich, dass die Mitarbeit freiwillig ist. Die Fachschaft ist meiner Meinung für die Studenten, nicht für die Professoren. Sie ist ein Ort, wo sich Studenten aller Semester treffen
und austauschen. Trotzdem sollten in der Fachschaft noch mehr
studiennahe Themen besprochen werden, die Architektur kommt
hier zu kurz.“
Marc Friedrich
BA4
„Als Fachschaftsvorsitzender würde ich die Fachschaft als Zusammenschluss engagierter Studenten bezeichnen. Sie organisiert
hauptsächlich Events, die die Studenten unserer Fakultät zusammenbringen und setzt sich als anonyme Institution für Einzelne
ein. Problematisch ist, dass sie zu wenig Präsenz hat und wenige
Kommilitonen selbst aktiv werden. Toll wäre es, wenn die Hochschule den Mitgliedern der Fachschaft die Mitarbeit bescheinigen
würde.“
ein Beitrag von Vanessa Dettenberg
und Florian Keim
Bilder: V. Dettenberg, F. Keim
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Mo bis Fr 9.00-18.30 Uhr
Sa 10.00-16.00 Uhr
Reingeschaut
Raumpilot
Die Bibliothek in unseren Räumen in der Daimlerstraße
wird fortlaufend ergänzt durch Neuanschaffungen unterschiedlichster Themengebiete rund um die Architektur.
SMAKH hat reingeschaut und hier über ein interessantes
neues Buchprojekt berichtet.
Autor: Institute der Universitäten Stuttgart und
Darmstadt sowie der Hochschule Weimar
Das Buch: „Raumpilot“, vier Bände im Schuber
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Herausgeber: Wüstenrot Stiftung
Seitenanzahl: 1.591 Seiten
Umschlag: Hardcover (22cm x 22mc)
Preis: 49,50 € [D]
Erscheinungsjahr: 2010
ISBN: 978-3-7828-1544-4
Raumpilot bietet einen lehrreichen Rundumblick durch die aktuelle Gebäudelehre. Ein Grundlagenband und drei Vertiefungsbände „Arbeiten“, „Wohnen“, „Lernen“ liefern Architekten und denen,
die es mal werden wollen, Daten, Fakten und Erkenntnisse. Diese werden verständlich visualisiert durch Planungsbeispiele und
Zeichnungen, die für diese Buchreihe maßstabsgerecht angefertigt wurden.
Die optisch klassisch und haptisch angenehm gestalteten
Bücher sind im passenden quadratischen Schuber aufgestellt. Das
Werk ist übersichtlich strukturiert, die pastelligen bis kräftigen Farben der Bilder, Zeichnungen, Tabellen und Schaubilder machen
das Studieren der Bücher zu einem angenehmen Zeitvertreib.
Die Vorstellung, dass Kommilitonen anderer Architekturfakultäten die Buchinhalte mit erarbeitet haben, hat uns bei der Lektüre inspiriert und motiviert. Uns gefällt auch der Ansatz, Raum- und
Organisationskonzepte nicht als starre Formen zu erschaffen,
sondern die damit verbundenen Funktionen und damit Tätigkeiten
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der formalen
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dynamisch
Über die Kategorisierung der Reihe lässt sich lange philosophieren – wir diskutierten über die Rubrik-Zuordnung der Themen
Schwimmbad, Museum, Krankenhaus oder auch Kirche: Gehört
das etwa zu „Wohnen“, „Arbeiten“ oder vielleicht doch zum Thema
„Lernen“?
Dank der ausklappbaren Legende und dem umfassenden
Register der Bauten lässt sich auch diese Fragestellung leicht
beantworten. SMAKH gefällt diese sorgfältig und detailgenau
gearbeitete Buchreihe, wir empfehlen sie als Nachschlagewerk
für eure Entwurfsarbeiten.
ein Beitrag von
Natalia Stüf und Alke Hickel
Bilder: Max Seegmüller
Aktuelles WS 2010/11
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Exkursion nach Rom
Architekturzeitreise
Christoph Schwarzkopf
Tempietto di Bramante
und Karlsruher Reisende
im März 2010
Blick von der Laterne der Petersdomkuppel zum Petersplatz
Jede Reise hat ein Ziel. Mal treibt die Abenteuerlust, mal Neugier einen an, dem Ziel
nahe zu kommen. Es zu betrachten, zu erleben oder einfach nur mal was Neues kennen zu lernen. Manchmal auch Altes. Es ist
von Vorteil, wenn ein Architekt zum Nutzen
seiner Tätigkeit in verschiedensten Fachgebieten bewandert ist. Darunter in Mathematik, Geometrie, Kunst sowie Geschichte.
Der Griff zu einem dieser Werkzeuge ist
Architekturalltag. Ohne Geschichte keine
Gegenwart. Deshalb stellt das Wissen über
die Architekturentwicklung einen wichtigen
Kern, der im Bachelorstudiengang Architektur vermittelten Inhalte dar. Zum Abschluss
einer Vorlesungsreihe findet jedes Jahr im
vierten Semester eine Exkursion nach Rom
statt.
Rom ist seit Jahrtausenden immer wieder ein Zentrum der Kunst und beherbergt
als eine der großen Kulturstädten Europas zahlreiche Denkmäler von der Zeit der
Etrusker bis hin zur Gegenwart. Besonders
umfangreich sind die Hinterlassenschaften
aus der Epoche des Römischen Reiches.
Das Ziel - Motivation - der Reise ist, zeitepochenübergreifend die Architekturentwicklung vor Ort zu betrachten.
Aller guter Dinge sind drei. So das Sprichwort. Zum dritten Mal führt in diesem Jahr
die Fahrt im Fach „Exkursionsvorbereitung“
nach Rom. Rom, die „Ewige Stadt“. Sehnsuchtsort unzähliger Menschen, gepriesen
und gescholten zu allen Zeiten. Für Bildungsreisende seit Jahrhunderten einer
der wichtigsten Orte.
Baugeschichte, ein für die meisten zu
„trockenes“ Fach, findet in Rom durchaus
seine nasse Seite: Mit ihrer Abwesenheit
an manchen Führungstagen glänzten einige Studenten vor zwei Jahren. Und brachten mir danach bei, dass Rom relativ dicht
am Strand liegt….
So ist es immer wieder ein Wagnis, in ein
paar Tagen in einer großen Gruppe wesentliches von Rom erfassen zu wollen. Das ist
aber nur ein Ziel der Reise. Ein anderes, einmal die Bandbreite der Architektur, die in den
Vorlesungen dargestellt wird, in bedeutenden Werken mit eigenen Augen zu sehen.
Weniger wichtig ist dabei eine detaillierte
Aneignung von Fakten, als vielmehr, Spaß
am Sehen zu haben, und vielleicht ein wenig
mehr zu verstehen, wenn man sich auf die
Reise etwas vorbereitet hat. Dazu zählen
die Baugeschichtsvorlesungen, mehr aber
die Mitarbeit an dem Reiseführer, der seit
diesem Jahr jeweils eine Verbesserung des
„Es liegt in der Natur des Menschen sich weiter
zu bilden und weiter zu entwickeln.“
Dabei hat die Stadt selbst schier unendlich viel zu bieten. Dem Reisenden vor allem
Kunst, Bauten, die im Verlauf von 2500
Jahren ununterbrochener Besiedlung entstanden sind. Der Bildhauer Thorvaldsen
hat einmal gesagt: So langsam beginne ich
Rom zu verstehen. Ich lebe jetzt hier seit
14 Jahren.
vorangegangenen sein soll, um so in einigen Jahren vielleicht sogar gedruckt werden zu können. Aller guter Dinge sind drei.
Ja. Aber für Reisen nach Rom kann das
kaum gelten. Christoph Schwarzkopf
ein Beitrag von
Sergej Michailow und Christoph Schwarzkopf
Bilder: Christoph Schwarzkopf
Exkursion WS 2010/11
_ 11
Bachelorthesis Sommer 2010
Seminar- und Hörsaalgebäude
auf dem Campus Karlsruhe
Prof. Armin Günster
Zur Erweiterung der Hörsaalkapazitäten, sowie der Seminar- und Übungsräume
soll in zentraler Lage auf dem Campusgelände der Hochschule Karlsruhe ein
Hörsaal- und Seminargebäude mit möglichst flexibler und logisch organisierter
Nutzung entstehen.
Standortfaktoren
Als Ergebnis städtebaulicher Voruntersuchungen, betreut von Prof. Susanne
Dürr, befindet sich das Erweiterungsgebiet
im Nordwesten des parkartigen Campus. Es
stellt ein ideales Bindeglied zwischen Campus und den umliegenden Stellplatzflächen
dar. Das Gelände wird zur Zeit geprägt
durch einen starken Waldbewuchs, der für
die gewünschte Nutzung zum Teil aufgegeben werden kann. An der Ostseite schließt
unmittelbar das Gebäude für Architektur
und Bauwesen an, südlich liegen die Bauten für Maschinenbau, Wirtschaftsinformatik sowie Labore für das Ingenieurwesen.
Dazwischen befindet sich eine Wegebeziehung, die sich aus der fächerförmigen
Stadtstruktur von Karlsruhe ergibt.
Sinn und Zweck
Durch den Entwurf sollte ein zentrales
und fachübergreifendes Ensemble entstehen, das als Ort der Begegnung für Studierende, Lehrende und Forschende fundiert.
In Verbindung mit der potentiellen baulichen Erweiterung wurden die Beiträge
sowohl städtebaulich, gestalterisch, funktional und unter den Aspekten der Nachhaltigkeit untersucht. Die Übereinstimmung
von Gestaltung, Gebäudekonzeption und
der Konstruktion mit ökologischen, ökonomischen und energetischen Aspekten
sollte dabei ein wichtiges Kriterium darstellen. Der Zeitgeist erwartet einen Lösungsvorschlag, der diese Anforderungen
berücksichtigt und eine zeitgemäße architektonische Antwort liefern könnte.
„Der Standort ist ideal für die Nutzer
der unterschiedlichen Fakultäten.“
Raumprogramm
Mit einem Gesamtprogramm von circa
2000 Quadratmeter Hauptnutzfläche, einschließlich einem großen Hörsaal mit 450
Quadratmeter und zwei kleinen Hörsälen
mit jeweils 180 Quadratmeter, mehreren
Seminarräumen sowie Nebenräume für
Verwaltung und Rechner- und Netzwerktechnik, sollte das Gebäude durch klare
eindeutige Strukturen, Funktionalität und
der Realisierbarkeit bestechen.
ein Beitrag von
Mariane Löser
Bilder: Studiengang Architektur
Bachelorthesis WS 2010/11
_ 13
Isabell Doll.
Cube
Die exponierte Position ermöglicht zum
einen eine interne Nutzung durch die Hochschule und dient zum anderen als Begegnungspunkt für Besucher. Als Reaktion auf
die streng geometrische Gebäudestruktur
der Bestandsgebäude wird ein 30 mal 30
Meter Würfel als Gebäudegrundform vorgesehen. Er stellt einen Gegenpol zum
R-Gebäude dar. Während das R-Gebäude
als Eingangspunkt des Campusgeländes
fungiert, stellt der Neubau den Endpunkt
dar. Der Würfel ist abgerückt von den
Bestandsgebäuden und von der Bewaldung umschlossen, was den Parkcharakter des Bestands unterstützt.
Die Aussenhülle wird zum massiven
Sichtbetonrahmen, welcher hauptsächlich als Gestaltungselement dient und in
den ein vollverglaster Funktionskörper eingeschoben wird. Dieser Körper ist seitlich
abgerückt, um ein Wechselspiel aus Innenraum und Aussenraum zu schaffen. Das
statische Konzept sieht einen 20 Meter
langen Betonkern für den eingeschobenen
Glaskörper vor. Isabell Doll
14 _
WS 2010/11
Bachelorthesis
Kathrin Dröppelmann.
Science Center Karlsruhe
Das Gebäude besteht aus zwei Körpern,
die in jeweils drei Ebenen unterteilt sind.
Die Verbindung der drei Ebenen durch das
offene und Licht durchflutete Atrium sorgt
für Kommunikation und Austausch innerhalb des Baukörpers. Die erste Ebene soll
wie ein Marktplatz des Wissens verstanden
werden. Die Seminarräume auf der zweiten
Ebene sind bewusst ins Innere des Baukörpers gerückt. Die dritte Ebene dient dem
konzentrierten Lernen, sowie der Ruhe.
Eine besondere Relevanz für kreatives
Arbeiten ist die Balance von Konzentration und Kommunikation. Der neue Baukörper bietet das ideale Begegnungsfeld, er
prägt die öffentliche Gesamtwirkung des
Wissensquartiers und wird zu einem neuen
Anziehungspunkt für den Campus. Die
Oberfläche der Fassade aus Corian Platten verleiht dem Science Center seine individuelle Ausstrahlung. Das haltbare und
witterungsbeständige Material eignet sich
perfekt für die Fassade, da es eine weiche,
homogene Oberfläche mit wenig sichtbaren Fugen schafft.
Zur Beheizung und Kühlung der Hörsäle
und Seminarräume dienen die bauteilaktivierten, mit Wasser durchspülten Stahlbetondecken. Eingespannte Stützen bilden
gemeinsam mit Trägern ein Rahmentragwerk und werden durch Stahlbetonverbunddecken, sowie fünf Massivkerne und
weitere Massivwände in den Ebenen ausgesteift. Kathrin Dröppelmann
Bachelorthesis WS 2010/11
_ 15
Daniel Nieb.
Betonskulptur auf Glas
Das Baugrundstück als Randstein des
Campus bringt prinzipiell eine Ecksituation mit sich. Es ergibt sich ein Baukörper,
der erstens hohe Zugänglichkeiten, zweitens als Randstein den Campus abschliessen, aber gleichzeitig eine Durchwegung
zulassen muss, und drittens zukünftige
Entwicklungen nicht einschränken darf.
Grundidee um diese Anforderungen zu
erfüllen, ist das Hochheben der Funktionsbereiche, als massiver Körper, auf zwei
Glaskörper. So wird maximaler Raumfluss
16 _
WS 2010/11
und eine Durchwegung des Gebäudes im
Erdgeschoss erreicht. Ferner wird sich die
Steigung der Hörsaalsitzreihen zunutze
gemacht, um damit eindeutige Eingangsperspektiven zu formulieren und sich in
Richtung des Campus und zur Natur zu
öffnen. Gleichzeitig wird so ein Platz im
Süden eingefasst, der das Gebäude über
den öffentlichen Weg hinweg mit dem
Campus verbinden soll. Die Hörsäle funktionieren mit den zugehörigen Boxen als statische Einheit. Daniel Nieb
Bachelorthesis
Maxim Winkler.
Raumfluss mit Weitblick
Ein Baukörper, der den Durchgang versperrt wird negativ gesehen, somit muss
das Gebäude um ein Geschoss angehoben werden. Nun hat man einen freien
Blick durch das Gebäude. Aus dem Inneren heraus, bedingt durch die ansteigenden Sitzreihen im Hörsaal, entsteht an
der Front die Schräge, die auch gleichzeitig den Haupteingang definiert und dem
Gebäude eine Richtung gibt. Die Schräge vom Hörsaal und die Schotten verstärken den Durchfluss und das Anheben des
Gebäudes. Unter der Auskragung betritt
man das grosse offene Foyer und erreicht
über die Treppenanlage die im ersten Obergeschoss liegenden Hörsäle und Seminarräume.Im zweiten Obergeschoss liegen
weitere Seminarräume sowie die Verwaltung und ein PC-Pool für die Studierenden.
Die drei Hörsäle liegen alle nebeneinander und das Tragwerkskonzept ermöglicht allen drei Hörsälen eine Verbindung
zu einem grossen Saal. Die Hörsäle sind in
dem vorderen Teil des Gebäudes, mit der
Nähe zum Campus angelegt. Mit Blickrichtung auf den Campus befindet sich südlich ein Balkon, durch seine Tiefe wird die
direkte Sonneneinstrahlung im Sommer
vermieden. Der Seminarbereich befindet
sich im hinteren Teil des Gebäudes, näher
zur Natur und frei von direkter Sonneneinstrahlung. Durch die Deckenöffnungen in
beiden Geschossen ist die Kommunikation
geschossübergreifend und bis zum Foyer möglich. Durch den Balkon, das offene
Foyer im Erdgeschoss sowie durch weitere funktionale Vorteile, wurde der Campuscharakter aufgenommen. Maxim Winkler
Bachelorthesis WS 2010/11
_ 17
Sakralraum im Profanraum
Masterthesis Sommersemester 2010
Hans-Peter Weber
Lage: Gebäude in Frankfurt Gallus
Grundgedanken: In einer Zeit, in welcher
das Profane durch die Beschleunigung
von Wissenschaft und Technik immer stärker angetrieben wird, ist das Individuum
Mensch „auf der Flucht“. Es sucht etwas.
Erholung, Entspannung, Entschleunigung.
Der hippe Import asiatischer Kultur zur
Suche nach dem Ich wird genutzt, um unsere FastFood Kultur für wenige Augenblicke
beiseite zu schieben. Das beweist, dass
sich der Mensch bewusst oder unbewusst
nach einer „inneren Heimat“ sehnt: Dem
Ich - mit oder ohne Gott. Profane Orte wie
Büro, Bahnhof, Straßenbahn, Einkaufszentren, Flughäfen und Messehallen eignen
sich hierfür nicht. Und doch oder genau
deshalb werden hier, an enorm säkularen Orten, Räume geschaffen, an welchen
man sich für wenige Minuten vom Alltag
losreisen kann, um neue Kraft zu schöpfen, Mitgefühl zu fördern oder zu beten.
Sakrale Orte wie etwa Kirchen, Moscheen,
Synagogen, Kapellen, Friedhöfe und Aussegnungshallen dienen neben Andachtsräumen, Meditationsräumen und Räumen
der Stille als solche Orte. Man kann zu sich
selbst sprechen, man kann zu Gott sprechen, man lässt die Außenwelt Außenwelt
sein. Intension und Ziel war es durch eben
diese Parameter ein sakrales Zentrum an
einem geeigneten Ort zu schaffen, welcher
von vielen Konfessionen und Kulturen für
die erwähnten Bedürfnisse als Ort der Stille genutzt werden kann.
Stadtperspektive: Blick über Frankfurt
Ort: Frankfurt Gallus, zwischen Messe
und Hauptbahnhof liegend, umgeben von
Wolkenkratzern, Verkehrslärm und Hektik, bietet das optimale profane Umfeld für
den Sakralraum, denn Sakralität ist dort am
ehesten spürbar, wo der stärkste Kontrast
zum Profanen auftritt.
Entwurf: Der Bau sollte den verglasten
Hochhausbauten bewusst entgegentreten.
Es bedarf einer enormen Baumasse, um
im städtischen Sinn eine Positivraum darzustellen. So kommt der Entwurfsgedanke
einem Steinblock als Kontrast zu den dort
üblichen Glasfassaden, gleich, welcher
sich nach außen hin nur bedingt öffnet.
Er wird durch einen großzügigen Innenhof in zwei Teile aufgegliedert: Den Sakralbau und das Gemeindezentrum. Beide
Bauten werden durch eigene Erschließungszonen getrennt. Der Kirchenraum ist
durch eine hohe schluchtenartige Vorzone vom Profanraum abgetrennt. Die Fassade ist durch ein Kreuz gekennzeichnet,
durch welches man hindurch gehen muss,
um den Kirchenraum zu erschließen. Der
Sakralraum bietet zum einen der vorhandenen evangelischen Matthäusgemeinde
Raum für Gottesdienste. Darüber hinaus
dient ein weiterer Raum, welcher dem
großen Kirchenraum bei entsprechenden
Veranstaltungen zugeschalten werden
kann, als ökumenischer Meditations- und
Betraum. Die Wand zum Innenhof hin ist
gen Osten ausgerichtet, um auch Muslimen
und Orthodoxen Gläubigen ein Raum für
Gebet zu bieten. Alle Wände, mit Ausnahme die des Eingangs, sind geneigt, sodass
sich der Raum zum Himmel hin öffnet.
Kleine Gebetsnischen bieten dem Ruhesuchenden genügend Privatsphäre. Der
Kontrast von hellen Lichteinflüssen und
dunklem Raum verleihen dem Sakralbau
eine besondere Atmosphäre. Der Altar, als
der Opfertisch Jesu, wird besonders hervorgehoben. Die Decken bestehen aus teilweise geöffnet und geschlossenen Rippen
in welchen der Schall entsprechend absorbiert wird. Die Orgel und der Chor(raum)
befinden sich über dem Erdgeschoss und
bringen somit den Klang von oben über die
Gemeinde. Große Lamellen können den
Kirchenraum mit dem Innenhof verbinden.
Dieser soll ebenfalls zu gottesdienstlichen
Zwecken genutzt werden. Der Innenhof,
welcher als zentraler Vorplatz zum Erreichen aller Eingänge des Zentrums dient,
wird um 85 Zentimeter angehoben, um
sich bewusst vom Profanraum zu lösen.
Das Zentrum wird in drei Geschosse unterteilt. Im Erdgeschoss befinden sich ein Hofladen sowie ein großzügiges Refektorium.
Letzteres ist ebenfalls durch große Lamellen mit dem Innenhof verbunden. Im mittleren Geschoss bietet ein Mehrzweckraum
sowie weitere Ausstellungsräume mit Galerie Platz für kulturelle Veranstaltungen. Das
Obergeschoss dient ausschließlich als Kindergarten und Kinderhort.
Masterthesis
WS 2010/11
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Perspektive: Blick in Refektorium
Grundriss: Erdgeschoss mit Gottesdienstraum
Die Schüler der benachbarten Schulen
werden hier mit Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung versorgt. Ein großzügiger
Innenhof, welcher sich durch Verglasungen
mit den Räumlichkeiten des Kindergartens
verbindet und den Himmel rahmt, bietet
geschützte Spielmöglichkeit für die Kinder.
Zur Südseite hin orientiert befinden sich
über die drei Geschosse verteilt Pfarramt
im ersten Obergeschoss sowie Wohnungen für Pfarrer und Küster im Erdgeschoss
und zweiten Obergeschoss. Durch die
hohen Decken in allen Teilen des Kirchenzentrums wird auch hier sakrale Atmosphäre spürbar.
20 _
WS 2010/11
Masterthesis
Perspektive: Gesamtgebäude von außen
Die Masterthesis bildet den Abschluss
eines zehnsemestrigen Studiums und sollte eine Art von konzentrierter „Essenz“ aus
der Fülle dessen bieten, was fünf Jahre an
Erfahrung gebracht haben. In der Arbeit
soll eine grundsätzliche, übergreifende
Fragestellung behandelt werden. Sie setzt
sich in der Regel aus einem theoretischanalytischen und einem praktischem Teil in
Form eines Entwurfsprojekts zusammen.
Die Masterthesis markiert einen Übergang;
man könnte das Bild eines Tores verwenden, das einerseits abschließt (und damit
vermeintlich Sicherheit bietet), andererseits sich öffnet und damit den Weg freigibt, Neues zu entdecken. Es führt aus der
tendenziell introvertierten, (einigermaßen)
geordneten Welt des Studiums mit seinen Regeln und Rezepten hinaus. In der
Konsequenz unterscheidet sich die Masterthesis damit in zwei wesentlichen Punkten von der bisherigen Diplomarbeit:
1. Die Studierenden wählen ihre Themen
selbst. Dies bietet die Möglichkeit, eigene
Interessen (die im Zuge der Themenfindung
oft erst „entdeckt“ werden) zu vertiefen und
auf diese Weise vielleicht schon einen ersten Schritt hin zur Selbständigkeit zu tun,
sich zumindest seine Grenzen selbst zu
setzen.
2. Die Arbeiten werden von uns Dozenten
begleitet und während des Entstehungsprozesses in mehreren Kolloquien vorgestellt
und diskutiert. Prof. F. Burgstaller
ein Beitrag von Melanie Hüther
Bilder: Hans-Peter Weber
Text: Prof. F. Burgstaller, Hans-Peter Weber
Städtebau-Diplom SS 2010
Denkmal_Kaserne
Prof. Susanne Dürr
22 _
WS 2010/11
Diplom
Städtebauliche Analyse der Artillerie-Kaserne von Katharina Übereck
Motivation
Aus der Vergangenheit der Residenzstadt Karlsruhe sind Militärbrachen ein
wichtiges und großes Flächenpotenzial
des heutigen städtischen Wandels. Verwaltungszentren (Grenadierkaserne), die
modellhafte Nachverdichtung der amerikanischen Nordstadt, neue Wohnmodelle
(MIKA, Smiley West), Baugemeinschaftsquartiere oder Bildungs- und Freizeitschwerpunkte (Dragonerkaserne) sind
nach Abzug der Truppen ab 1991 über
den Flächen vergangener Kriegsführung
entstanden und wurden Teil der heutigen
Stadt.
Aber immer noch warten militärische Flächen und Gebäude auf eine neue Zweckbestimmung, das „Verdauen“ braucht Zeit,
Bedarf, Finanzen und Planungskräfte. Die
Artilleriekaserne an der Moltkestraße blieb
eine dieser Reserven.
Situation
Im Westen der Stadt, zwischen Moltkestraße im Süden, Kußmaulstraße im Osten
und Norden und Hertzstraße im Westen
liegt die Artilleriekaserne mit einer Größe
von mehr als fünf Hektar. Das Areal befindet sich westlich des städtischen Klinikums, südlich der Bundeswasseranstalt, in
der Nähe der Westhochschule / KIT.
Die Straßenbahnlinie 2 in der Moltkestraße führt an der Kaserne vorbei, die Haltestellen Kußmaulstraße und Hertzstraße
garantieren den direkten Anschluss an den
öffentlichen Nahverkehr. Die Nutzungen an
der Kußmaulstraße werden sich wohl nicht
verändern.
Die parallele schmale Seitenstraße führt
in eine von Mauern umschlossene improvisierte Welt. Hier existieren Freiräume, die
nach Neuordnung, Nachverdichtung und
Überbauung rufen.
Aufgabe
Die Artilleriekaserne ist ein Kulturdenkmal. Ihre Nachbarn besitzen besondere Ausstrahlung und es haben sich viele
Gewerbetreibende niedergelassen.
Das Wohnangebot ist ausgewogen,
die Möglichkeiten der Stadt Arbeitsflächen anzubieten sind dagegen begrenzt.
Anhaltspunkte für die Neustrukturierung
könnten beispielsweise Bildungsfunktionen, das Krankenhaus ergänzende Funktionen sowie kulturelle Nutzungen sein.
Dabei ist zu beachten, dass der Wandel der
Stadt kontinuierlich geschieht: die phasenweise Inbesitznahme ist daher eine realistische Option. Grundlegende Forderungen
im Entwurf sind Energieeffizienz und sparsamer Resourceneinsatz sowie die Überprüfung, in wie weit der Denkmalschutz
den neuen Lebensabschnitt des Stadtquartiers beeinflussen sollte.
Diplom WS 2010/11
_ 23
Andreas Ramsteiner.
Fundament Wissen
Entwurfsmotto: Auf dem Gelände der
Artilleriekaserne entsteht eine interdisziplinäre Forschungs- und Unternehmenslandschaft, welche die Synergieeffekte der
Umgebung nutzt. Im Innern der Gebäude wird ein hohes Maß an Kommunikation
unter den einzelnen Nutzern gefördert.
Freiraum: Das Areal hat insgesamt
drei Höfe. Den Auftakt zu den Höfen bilden
die Plätze Richtung Klinikum und KIT, welche durch ihre ruhige und zurückhaltende
Gestaltung bestechen. Lediglich Beleuchtungselemente bilden die Möblierung. Einer
der beiden großen Höfe erhält ein Holzdeck, welches als Ruhezone zum Aufhalten und Kommunizieren dient. Der zweite
Hof besitzt große Freiflächen, die für Veranstaltungen genutzt werden können. Der
Innenhof der Blockrandbebauung dient mit
seinen Grünflächen und Sitzmöglichkeiten
der Erholung.
Baustruktur: Das Gebiet wird bis auf
seine historische Struktur rückgebaut.
Um die Ausnutzung der Flächen zu erhöhen wird der geschichtsträchtige Bestand
der Kaserne aufgestockt. Dies gewährleistet auch die Erhaltung der historischen
Strukturen und Höfe in ihrer ursprünglichen
Form. Zwei neue Baukörper definieren den
südlichen Eingang des Areals. Im Norden
wird die Blockrandbebauung geschlossen. Eine Hauptachse, von Fußgängern
und Radfahrern benutzbar, verknüpft KIT
und Klinikum. Richtung Stadt wird das Areal markiert durch den Gästeturm, welcher
an der Schnittstelle zwischen Klinikum und
dem Baufeld entsteht.
Funktionsmischung: In der Schnittstelle des Areals befindet sich das
zentrale Gebäude, welches zum Gedankenaustausch in verschiedenen Räumen
einlädt. Außerdem bietet es allen Nutzern
Entspannungs- und Fitnessräume. Das Gebäude ist mit den einzelnen Homebases
verbunden, welche je nach Bedarf Labore
oder Büros beinhalten. Zwischen den einzelnen Einheiten liegen Plätze die zum Austausch von Ideen und Gedanken einladen.
Fazit: Durch die Verkleidung der Aufstockungen mittels eines Metallgewebes
entstehen ruhige Baukörper, welche den
geschichtsträchtigen Bestand nicht dominieren. Die mittels Beleuchtung betonte
KIT-Klinikum-Achse leitet den Besucher
durch das Areal.
Diplom WS 2010/11
_ 25
Laura Dierks.
26 _
Urbane Matrix
WS 2010/11
Diplom
Entwurfsmotto: Die Artilleriekaserne ist schon heute ein potentieller Anlaufpunkt und hat die Chance die umliegenden
Strukturen perfekt zu verbinden und die
Menschen zusammen zu bringen. Der Entwurf nimmt sich der besonderen Begebenheiten des geschichtsträchtigen Ortes an
und belebt diese durch neue Elemente. In
Zukunft soll die Kaserne sowohl als Denkmal als auch eine neue zeitgenössische
Landmarkierung fungieren.
Freiraum: Die drei Höfe werden miteinander verbunden. Eine neu eingefügte
Skulptur, das Rückgrat – ein alles verbindendes Band, soll eine spannende interaktiv zu erlebende Raumfolge entstehen
lassen. Auf der einen Seite bietet das
Rückgrat Hofplätze für Schüler, Studenten
und Eltern. Auf der anderen Seite fächert
sich das Band in skulpturale Freibereiche
mit Rückzugsmöglichkeiten und Liegewiesen aus.
Baustruktur: Die neuen Bauvolumen
fügen sich modelliert in den städtischen
Kontext ein und beleben den urbanen Kontext. Es werden neue Verknüpfungen hergestellt, doch eine Invasion vermieden.
Die Bauvolumen konzentrieren sich an
den sichtbaren, prägnanten Stellen auf die
Straßenanbindung, wodurch die Kanten
geschlossen werden.
Funktionsmischung: Die im neuen Zentrum angesiedelten Nutzungen
verbinden die Funktionen der Nachbarschaft miteinander. Ein für jedes Publikum
ansprechendes Angebot an Kommerz, Bildung und Kunst wird geschaffen, so dass
das Denkmal zu einem Erlebnis für jedermann wird.
Fazit: Durch das vielfältige Angebot
und die dadurch entstehende hohe Aktivitätsdichte wird ein interaktives Ereignis in
mitten dynamischer und vielfältig genutzter
Stadträume geschaffen. Die alte Kaserne
wird zur zukunftsweisenden aufregenden
Urbanen Matrix.
ein Beitrag von N. Hellriegel und A. Mersljakow
Bild / Text: Prof. S. Dürr, A. Rammsteiner, L. Dierks
K. Übereck
Diplom WS 2010/11
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Diplom Hochbau
SpeicherStadtErweiterung Interventionen im Rheinhafen
Prof. Florian Burgstaller
Gegenstand der Diplomarbeit im Sommer
2010 war der 1899-1901 erbaute Karlsruher Rheinhafen, mit Gebäuden wie der
Werfthalle 1, Werfthalle 3, Elektrizitätswerk
und dem Getreidelagerhaus. Nach wie vor
werden diese Gebäude für das Wirtschaftsunternehmen Rheinhafen gebraucht, jedoch gab es in den letzten fünf Jahren
Umbauten, Abrisse und Neubauten, die
unter architektonischen, städtebaulichen
und denkmalpflegerischen Aspekten einen
bitteren Beigeschmack hatten. Daraus entstand die Aufgabe, den Funktionsbereich
des Rheinhafens zu erweitern, um somit
den Erhalt des historischen Ensembles
nicht nur vom Nutzen für den Hafenbetrieb
abhängig zu machen. Durch das Schaffen weiterer Nutzungsmöglichkeiten (die
Invention) und somit das Eingreifen und
Hinzufügen weiterer Bauteile in den heutigen Bestand (die Intervention), sollten neue
Akzente gesetzt werden, die eine lebendige, multifunktionale Speicherstadt entstehen lassen. Wichtig dabei war, die Nutzung
des Hafenbetriebes nicht zu ersetzen, sondern zu erweitern. Die einzige weitere Einschränkung war, eine Mischung aus Kunst
und Kommerz zu schaffen, um eine realistische Basis für das Projekt zu schaffen.
Dabei wurde kein konkretes Raumoder Funktionsprogramm vorgegeben, was
für die Studenten zwar viele Fragen offen
ließ, damit jedoch auch enorm viele Ideen und einen weiten Horizont eröffnete.
Das Ziel war es, den Funktionsmix architektonisch charakterisierend einzusetzen,
um das Ensemble in seiner Prägnanz zu
steigern.
Diplom WS 2010/11
_ 29
Mona Madina.
portovelo
portovelo entfaltet seine Wirkung zuerst
außen, dann innen. Der Bau gibt sich auf
den ersten Blick als Ikone - wie ein geschliffener Edelstein, der sich gegen die Backsteinarchitektur des Rheinhafens stellt und
eine eigene Figur in das Ensemble einbringt, womit er sich und den Rheinhafen
zugleich zum Markenzeichen macht.
Das Nutzungsangebot für den Neubau
ist durchdacht und bewusst gewählt. Im
Inneren entwickelt sich eine Erlebniswelt,
die den Zeitgeist aufgreift. Durch bewusstes Abrücken und Drauflegen des Neubaus
auf den Bestand, werden die Wände freigestellt und in ihrer Architekturgliederung
erlebbar. Der Wechsel von offenen Emporen und introvertierten Räumen erzeugt ein
spannendes Raumerlebnis. Das Durchschreiten des portovelos über Stege, Rolltreppen und Rampen ist ein Erlebnis wert.
Es entsteht ein offenes Haus mit vielfältigem Angebot und unterschiedlich bespielbaren Orten. Form und Materialität lassen
einen Ort mit Atmosphäre entstehen, der
neugierig macht – der einen Besuch wert
ist. Mona Madina
Diplom WS 2010/11
_ 31
32 _
WS 2010/11
Rubrik
Cora Lutz.
Alte Lotte
Die autonome Bauform ergänzt den Bestand, indem es sich in zwei Gebäude
hinein schiebt. Obwohl relativ aufwendig
konstruiert, wirkt es, als ob es sich über
Nacht in die Gebäude gepflanzt hat. So
steht es als Kontrast zum ehrlichen Mauerwerksbau. Der Neubau steht für sich als
eigenständige For, bildet jedoch trotzdem
drei unterschiedliche Zonen: Es gibt die
beiden Räume an den Seiten, die rechts
im Getreidespeicher die Silos erlebbar
machen und links die Erfahrung der bestehenden Dachkonstruktion ermöglichen. Der
mittlere Teil ist ein neu entstandener Raum,
der für jegliche Veranstaltungen, wie Tanz,
Empfang, Versammlung im Allgemeinen
genutzt werden kann. Ein typischer Name
für Frachtschiffe war seit jeher die „alte Lotte“. Der Entwurf liegt ruhig im Lagerhafen
wie ein Schiff und ist schön wie eine Frau.
Die alte Lotte ist auch bekannt als abgelegte Freundin. Somit hat sie etwas Nostalgisches. Der Rheinhafen mit seiner langen
Tradition als Lagerhafen zeugt noch heute
von vergangener Zeit. Die alten Gemäuer
stehen im Kontrast zu modernen Hafentechniken und muten eher romantisch als
fortschrittlich an. Cora Lutz
Diplom WS 2010/11
_ 33
Modelle von Markus Popp, Mona Madina, Ann-Sophie Jarvis, Verena Hartbaum, Cora Lutz, Claudia Nitsche
Fazit
Wie man nicht nur an den aufgezeigten Beispielen sehen kann, bietet auch
das Aufgabenfeld „Bauen im Bestand“ eine
Vielzahl möglicher Entwurfsansätze. Das
zeigt, dass Bauen im Bestand nicht unbedingt Einschränkung, sondern vielmehr
Herausforderung und damit auch Chance darstellt. Nichtsdestotrotz verlangt der
Umgang mit dem schon Vorhandenen dem
Architekten eine gewissen Feinfühligkeit
ab, was diese Aufgabe umso interessanter macht. Des Weiteren gewinnt dieser
Bauzweig in unserer heutigen, urbanen
Gesellschaft immer mehr an Bedeutung.
Diese Tatsache und die relativ offene Aufgabenstellung forderten ein hohes Maß an
34 _
WS 2010/11
Diplom
Kreativität. Das mündete, wie man auch an
den oben dargestellten Modellfotos sehen
kann, in 36 Arbeiten, die ihre Individualität
durch Formensprache, Nutzungsart und
mehr oder weniger starkes Eingreifen in
den Bestand deutlich machen. Zusammenfassend war diese Aufgabe mit ihren Lösungen ein Schritt in die richtige Richtung. Die
komplette Dokumentation aller Diplomarbeiten „SpeicherStadtErweiterung“ ist auf
einer DVD bei den Assistenten der Fakultät Architektur erhältlich.
ein Beitrag von Andreas Hormuth und Simon Bläsi
Bilder: Studiengang Architektur, Max Seegmüller,
Dominik Burkard
Experimentelles Bauen
Anmerkungen zum Integralen Projekt
MA3 im Wintersemester 10/11
Prof. Florian Burgstaller
Der Begriff Experiment
im Architekturentwurf
Unser Masterstudium steht unter dem
Motto Form und Experiment. Der Integrale
Entwurf des dritten Mastersemesters – und
damit des letzten vor der Abschlussarbeit,
der Masterthesis – soll laut Studienplan
das Experimentelle Bauen in den Mittelpunkt stellen. Der Begriff des Experiments
taucht also doppelt auf, und die Fächerbeschreibung des Integralen Projekts (verfasst 2006, als der Master noch in weiter
Ferne lag), die sich wie die Kurzfassung
eines Forschungsprojekts liest, interpretiert ihn tendenziell technologisch:
Ein Schwerpunkt des Masterstudiums
stellt die angewandte Forschung innerhalb
der architektonischen Planung dar. Auf
Basis experimenteller Studien hinsichtlich
Materialität und deren Anwendungsmöglichkeiten, Statik und deren technologischen
Zusammenhänge, Bauphysik in Bezug zu
Umwelt und Klima und Realisierung von
einfachen Baustrukturen soll praxisnah die
Umsetzung von Entwurfslösungen in die
Realität oder in Modellen größeren Maßstabs geübt werden.
Dieser Text ist angesichts unserer aktuellen Erfahrungen sicherlich zu überarbeiten. Die mit der ersten Master-Generation
Hülle und Fülle
mittlerweile eingetretene Realität zeigt, dass
das Forschen innerhalb des Architekturstudiums sinnvollerweise als ein entwerfendes
Forschen, ein Forschen an der (städte-)
baulichen Struktur und der architektonischen Gestalt zu verstehen ist – im Unterschied zu einer vom Entwerfen losgelösten,
rein wissenschaftlich ausgerichteten Forschung. Dennoch scheinen die 2006 formulierten Lernziele nach wie vor aktuell:
Das Aneignen von Methodenkompetenzen des Einzelnen sowie Sozialkompetenzen der Arbeitsgruppenmitglieder,
resultierend aus den Voraussetzungen der
Teamarbeit, sind die wesentlichen Lernziele
im Fach Experimentelles Bauen. Selbständiges Planen, Durchführen und Auswerten
des praktischen Projekts dienen hierbei
sowohl als Vehikel als auch als Dokumentation der erreichten Ziele.
Bei allen Diskussionen über erweiterte,
generalistische Berufsbilder der Architekten
und das sicher notwendige Aneignen von
zusätzlichen (Management-) Kompetenzen
sollten wir jedoch nicht aus den Augen verlieren, dass unsere Kernkompetenz immer
noch das Gestalten von Körpern und Räumen ist. Dieser Gedanke steht letztlich
auch hinter dem Motto des Masters – Form
und Experiment. Man könnte es auch so
ausdrücken:
Die Form ist das Ziel, der Weg dazu das
Experiment.
Der experimentelle Charakter des Integralen Projekts liegt demnach nicht in erster Linie in der Themenstellung, sondern
in der Arbeitsweise; Ziel ist die „Emanzipation“ der Studierenden von Rezepten,
Lehrsätzen und Wahrheiten und damit von
der Gewissheit, dass immer jemand da ist,
der weiß, „wie es geht“. Der methodische
Ansatz ist nicht mehr der Frontalunterricht
des Bachelor, sondern ein ergebnisoffener Prozess, in dem Studierende und Lehrende gemeinsam sowohl an aktuellen wie
zeitlosen Architekturthemen arbeiten.
Dass das Begleiten dieses Prozesses
durch mehrere Dozenten (z.T. unterschiedlicher Disziplinen) bei den Studierenden
auch zu einer gewissen Verunsicherung
führt, ist dabei kein Systemfehler, sondern
sinnvoll und notwendig. Es geht in diesem Stadium darum, sich endgültig vom
„Schülerdasein“ zu verabschieden und das
Bewusstsein für die Eigenverantwortlichkeit zu entwickeln.
Lehre WS 2010/11
_ 35
Experimentelles Bauen / Bauen
im Bestand – ein Widerspruch?
Das Integrale Projekt, das die Studierenden im 3. Mastersemester zu bearbeiten hatten, trägt den Titel „Hülle und Fülle“
– ein Bild, das einerseits unbegrenzte Möglichkeiten assoziiert, andererseits dieses
Schöpfen aus dem Vollen jedoch nachdrücklich einschränkt durch bereits Vorhandenes, mit dem umzugehen ist, das
also gefüllt oder eingehüllt werden soll.
Tragstruktur, die mit einer neuen Hülle versehen werden soll, im anderen um eine
vorhandene historische Hülle, die ein neues Innenleben (Haus im Haus) erhält. Der
Bestand liegt also einmal innen, einmal
außen. Das Neue entsteht im intensiven
Dialog mit dem Alten.
Was unsere Aufgabenstellung hier als
Reiz der Kombination von Vorhandenem
und Hinzugefügtem beschreibt, trägt gleichzeitig die latente Gefahr einer Ideenbremse
Das Neue
entsteht im
intensiven
Dialog mit
dem Alten.
Unter dem Motto Hülle und Fülle werden zwei exemplarische Situationen im
Bestand einer Metamorphose unterzogen:
Im einen Fall geht es um eine bestehende
36 _
WS 2010/11
Lehre
in sich, könnte sich also möglicherweise
als Hemmschuh für die Entfaltung kreativer Gedanken auswirken. Diese Einschätzung des Planens im bzw. mit Bestand als
Entwerfen mit angezogener Handbremse
ist bekannt und immer noch weit verbreitet;
sie wird jedoch mit jedem spannenden und
intelligenten Konzept, von denen in den
letzten Jahren unzählige realisiert und veröffentlicht wurden, einmal mehr widerlegt –
nicht zuletzt auch durch die Ergebnisse der
ebenfalls in diesem Heft dokumentierten
Diplomarbeit im Karlsruher Rheinhafen.
Alle namhaften Architekten haben den
vorhandenen Kontext als Chance erkannt,
ihren Projekten eine unverwechselbare
Note zu geben, die zwischen leisem, sensiblem Weiterbauen und lautem, aggressivem Kontrast changiert. Das Bauen im
Bestand hat dem Neubauen, nicht nur,
was die Zahl der Bauaufträge betrifft, den
Rang abgelaufen. Diese Erkenntnis muss
sich auch in den Entwurfsthemen unseres
Studiums niederschlagen; andernfalls würden wir Gefahr laufen, sowohl von der aktuellen Entwicklung im Bauwesen, als auch
von der spannenden ästhetischen Diskussion des kontextuellen Entwerfens, abgehängt zu werden.
Wie steht es aber nun mit dem Verhältnis der beiden Parameter, die dieses
Masterprojekt bestimmen – Bestand und
Experiment? Liegen die Bereiche des Bauens im Bestand und des experimentellen
Bauens nicht meilenweit auseinander, sind
die beiden also letztlich unvereinbar?
Dass diese landläufige Sichtweise heute überholt ist, zeigen zahlreiche Beispiele
Der experimentelle Gedanke erstreckt sich
also auf alle Ebenen des Entwurfs, er
bestimmt letztlich über die Schlüssigkeit und
Überzeugungskraft der Arbeit.
intelligenter, zeitgemäßer und spannungsvoller Arbeiten in und mit vorhandenen
Strukturen, denen ein spezifisch experimenteller Ansatz zugrunde liegt (Objekte u.a.
von Piano, Herzog&de Meuron, Zumthor,
Hadid, Lacaton+Vassal, Nieto Sobejano,
Staab, Chipperfield ...).
Der bauliche Bestand bringt zunächst
Einschränkungen der entwurflichen „Freiheit“ mit sich, regt aber umso mehr zu
besonderen, eigenständigen und nicht
austauschbaren Lösungen an. Die Herausforderung besteht darin, das Vorhandene durch das neu Hinzugefügte zu stärken,
spannungsvoll zu kontrastieren, dabei
jedoch nicht zu degradieren.
Der experimentelle Charakter des Projekts liegt im Fehlen eines Rezeptes, eines
passenden Vorbildes, einer Standardlösung (…). Gesucht sind Ideen, die das
Vorhandene prototypisch weiterentwickeln.
Die Herausforderung besteht in der Integration unterschiedlichster Aspekte – Struktur, Konstruktion, Form, Raum, Material,
Licht, Energie, Klang, Atmosphäre, Zeichenhaftigkeit usw. – zu einem stringenten Ganzen. Der experimentelle Gedanke
erstreckt sich also auf alle Ebenen des Entwurfs, er bestimmt letztlich über die Schlüssigkeit und Überzeugungskraft der Arbeit.
Mit diesem Auszug aus unserer Aufgabenstellung beziehen wir also dezidiert
Position: Bauen im Bestand und experimentelles Bauen sind kein Widerspruch; im
Gegenteil - sie bedingen und ergänzen einander in exemplarischer Weise.
Dass das Thema Experiment im Masterstudium in den nächsten Jahren vertieft, variiert und präzisiert werden muss,
steht für uns außer Frage. Wir als Dozenten lernen an diesem Prozess mindestens
genauso viel wie die Studierenden. Die
spannende Vielfalt der Lösungsansätze,
die das Projekt „Hülle und Fülle“ hervorgebracht hat, dokumentiert jedoch, dass wir
auf einem guten Weg sind.
ein Beitrag von Kristina Dentzel
Bilder: D. Crehner (Fotolia), Kristina Dentzel
Text: Prof. Florian Burgstaller
Lehre WS 2010/11
_ 37
Aufgemessen und gezeichnet von:
Markus Bähr, Christian Eichhorn,
Dominik Fieser, Benjamin Genter
„Ein Haus kann nur
leise zu uns sprechen...“
Bestandsaufnahme
Robert Crowell
Robert Crowell, geboren in Morehead City, North
Carolina (USA), studierte an der Universität Karlsruhe, an
der er 1982 diplomierte. Seine Ehefrau Barbara KolliaCrowell, geboren in Athen, studierte ebenfalls an der Universität Karlsruhe, wo sie promovierte. 1985 gründeten
sie das Architekturbüro „Crowell-Architekten“ in Karlsruhe.
Das Interesse und die Faszination für die Baugeschichte
führten dazu, dass sich das Büro Crowell immer mehr Aufgaben rund um das Thema „Bauen im Bestand“ widmete,
beispielsweise der Erweiterung des Schlosses Schwetzingen, dem Firstständerhaus Zeutern und dem Grasseggerhaus Neuburg. 1992 begann zunächst Barbara Crowell an
der Hochschule Karlsruhe zu unterrichten bis 1998 Robert
Crowell das Fach „Bestandsaufnahme“ übernahm.
38 _
WS 2010/11
Lehre
Fachwerkhaus in Au am Rhein
Das Rathaus Calw ist eines der vielen Exkursionsziele
Objekt:
Das unscheinbar wirkende Fachwerkhaus in Au am Rhein wurde 1719 errichtet und nach mehreren Bauphasen im
19.Jahrhundert erweitert und umgebaut.
Soweit bekannt war es damals ein Schulhaus, wie früher üblich mit einer Wohnung
für den Lehrer. Im Laufe der Zeit diente es
auch anderen Zwecken: einmal als Rathauskomplex, alte Forststelle und später
als Wohnhaus. Es ist, nach Crowells Auffassung, sehr gut geeignet, weil es in der
Nähe der Hochschule ist, leer steht und
sich 20 Studenten problemlos zur gleichen
Zeit darin aufhalten und bewegen können.
Auch gibt es im und an dem Haus viel zu
entdecken.
„Es ist wie eine Philosophie:
Wir müssen einen anderen Blick
entwickeln!“
„Sind Risse in der Fassade, wölben
sich die Wände, welcher Teil wurde zuerst
errichtet, gibt es historische Besonderheiten?“ Viele Mängel findet man nur durch
gründliches Forschen und präzises Vorgehen, je besser die Vorarbeit, desto effektiver kann die Planung und die Ausführung
vorangetrieben werden.
„Es gibt kein
Gebäude, das keine
Überraschung bietet.“
„Es ist wie eine Philosophie: Wir müssen
einen anderen Blick entwickeln!“, so Crowell. Bauen im Bestand nimmt inzwischen
einen Großteil der Architektenaufgaben ein
und wird, besonders in Deutschland, immer
wichtiger.
Inhalte/Motivation:
Die Studierenden lernen genauer hinzusehen, nur dann wird erkennbar welche Stützen am Fußpunkt morsch, welche
Deckenbalken durchgebogen sind oder
Bruchstellen aufweisen, wo Spuren aufsteigender Feuchte erkennbar und wo Stahlträger korrodiert sind. Das Gebäude wird
gründlich erforscht und untersucht.
Lehre WS 2010/11
_ 39
Baunaht – erst auf den 2.Blick erkennbar
Methodik/Techniken:
Das Pflichtfach Bestandsanalyse findet im Bachelorstudiengang im 5. Semester als einwöchiges Blockseminar statt. Die
Woche gliedert sich in drei Teile: Theorie,
Bestandserfassung vor Ort und Exkursion. Im Theorieteil bereitet Herr Crowell
die Studenten auf die Praxis vor mit Hintergrundwissen über Baugeschichte und
Haftungsfragen anhand von eigenen Beispielen. Im praktischen Teil des Seminars
heißt es für die Studenten anschauen,
messen, zeichnen, analysieren, entdecken, Schwachstellen und ihre Ursachen
finden und dokumentieren, versuchen das
Gebäude zu begreifen. Doch wie misst
man ein über die Jahrhunderte verzerrtes
Gebäude auf, das keinen rechten Winkel
mehr hat? In der Vermessungstechnik gibt
es viele moderne und traditionelle Praktiken, eine altbewährte Methode ist das
Spannen einer Schnur, mit der man sich
eine bekannte Gerade erzeugt. Von dieser
Geraden aus kann man in alle Richtungen
messen und hat immer einen Anhaltspunkt. Crowells Meinung nach ist es wichtig für das Erfassen und Begreifen eines
Bauwerkes, dass ein Architekt solche einfachen Methoden der Vermessung selbst
beherrscht und ausführt. Eine Exkursion am letzten Tag rundet den Workshop
ab. Bisher wurde u.a. schon das ehemalige Deutschorden Wasserschloss in Elztal-Dallau, der Rathauskomplex in Calw,
40 _
WS 2010/11
Lehre
Details geben Rückschluss auf die Entwicklung des Hauses
die Jugend-Musikschule in Ubstadt-Weiher Zeutern und die ehemalige Hirsau‘sche
Zehntscheune aus dem Jahre 1563 in Friolzheim besichtigt.
„Bauen im Bestand ist eine
faszinierende Herausforderung!“
Ziel:
Kernziel des Seminares ist die Sensibilisierung der Studierenden auf das aufmerksame Arbeiten im Bestand sowie die
Befähigung zu einer professionell strukturierten, überlegten Vorgehensweise. Crowell stellt folgende Fragen seiner Arbeit
voran: „Was habe ich vor mir?“, „Warum
wurde das Gebäude ursprünglich errichtet?“, „Wie ist es entstanden?“ „Jedes
Gebäude bietet eine Überraschung“, sagt
Crowell, „man muss nur genau hinhören,
denn es kann nur leise zu uns flüstern.“
ein Beitrag von Hatice Erol
und Adriano Bruno
Bilder: Nadine Hellriegel
Zoom auf den Dachstuhl
Sparren mit „bewegter“ Vergangenheit
Studenten beim Aufmessen und Aufzeichnen
Aufgemessen und gezeichnet von:
Isabelle Doll, Johannes Heil, Waldemar Weis, Maxim Winkler
Einblick, der unter die Haut geht
Grundlagen und Analysen
Konzepte
Vorentwurf
Vom Städtebau bis zum Detail
Großer Entwurf einer Sporthalle
3. und 4. Bachelorsemester
Prof. Andreas Meissner
Entwurf
Integration Tragwerk
Integration Haustechnik
Lehrkonzept
Zu den wichtigen Erfahrungen im Architekturstudium gehört es, einen Entwurf
vom Städtebau angefangen über Funktion und Konstruktion bis hin zum Detail
zu entwickeln, sich dabei auch intensiv
mit statischen, energetischen, haustechnischen, bauphysikalischen und nicht zuletzt
bauökonomischen Fragestellungen auseinander zu setzen und so die Wechselwirkung der verschiedenen Themenfelder
zu erfahren. Dieser komplexe und aufs
Ganze ausgerichtete Ansatz wird mit dem
Großen Entwurf im 3. und 4. Bachelorsemester, bei dem mehrere Fächer integriert
sind, verfolgt. Auf diese Weise entsteht
eine fundierte Basis für das anschließende
Praxissemester.
Konzeptionelles Arbeiten - Analyse
und Intuition
Um bei der Vielzahl der Fragestellungen
am Ende zu eindeutigen, auf allen Ebenen
funktionalen Entwürfen mit hohem Gestaltwert zu kommen, ist die Entwicklung einer
klaren konzeptionellen Arbeitsweise unabdingbar. Die Entwicklung von Konzepten
basiert auf der analytischen Auseinandersetzung mit Ort und Kontext sowie der Aufgabenstellung selbst gepaart mit einem
auch intuitiv entwickelten Gestaltwillen
Aufgabe
Konkret war eine Dreifeld-Sporthalle zu planen, die dem Schul-, Wettkampf
und Vereinssport einen angemessenen
Rahmen bieten soll. Diese steht an einer
sehr prominenten Stelle, nämlich der
Nahtstelle zwischen einem zukünftigen
Landesgartenschaugelände und wichtigen
Detaillierung
Zufahrtsstraßen in die Innenstadt von Lahr.
So galt es zunächst die Sporthalle in eine
sinnfällige Beziehung zur zukünftigen Landesgartenschau, den Einfallstraßen sowie
Parkierungsflächen und Zufahrtswegen zu
setzen.
Neben der Dreifeldhalle selbst war Platz
für ca. 700 Zuschauer, eine Gymnastikhalle und einen Kraftraum sowie die erforderlichen Nebenflächen vorzusehen.
Bearbeitung
Die Bearbeitung erfolgt in mehreren
Phasen analog zu den Leistungsphasen
der HOAI von der Grundlagenermittlung mit
intensiver analytischer Auseinandersetzung
mit Ort und Kontext (hier dem zukünftigen
Landesgartenschaugelände am Stadteingang von Lahr) sowie der Aufgabenstellung selbst (hier dem Raumprogramm für
eine Dreifeldsporthalle) über Vorentwurf
und Entwurf bis hin zur Werk- und Detailplanung. Die Bearbeitung des Vorentwurfes
erfolgt im Vorfeld von konkreten Wettbewerben oder Beauftragungen. In dieser Phase sind die äußeren Rahmenbedingungen
noch nicht exakt definiert. Dadurch ist es
möglich grundsätzliche Möglichkeiten auszuloten und auch unkonventionelle Lösungen zu entwickeln. Diese Entwurfsarbeit
in einem noch weitgehend undefinierten
Umfeld stellt hohe Anforderungen an die
Bearbeiter, schult aber konzeptionelles
Denken und die Entwicklung einer eigenen
Entwurfshaltung. Einen hohen Praxisbezug
bot die Aufgabe durch die Möglichkeit, die
Entwürfe vor wichtigen Vertretern der Stadt
zu präsentieren. In der weiteren Vertiefung,
insbesondere im sogenannten Konstruktiven Entwurf, werden dann unter ständiger
Baumanagement
Präsentation Am Ende der Projektphasen wurden die
Entwurfsergebnisse vor dem Gemeinderat der Stadt
Lahr von den Studierenden präsentiert.
Rückkopplung und Weiterentwicklung des
Entwurfskonzeptes auch Konstruktion und
Tragwerk bis ins Detail entwickelt. Eine
Besonderheit in diesem Zusammenhang
stellt die interdisziplinäre Zusammenarbeit
zwischen Architekturstudenten und Bauingenieurstudenten dar, die gemeinsam
das statisch-konstruktive Konzept zu entwickeln hatten. Letztere wurden von Prof.
Robert Pawlowski betreut. Die Sporthalle
wurde auch in den Fächern Darstellungsmethodik, Technischer Ausbau, Bauphysik und Baumanagement bearbeitet. Die
Arbeitsergebnisse waren in den Entwurf zu
integrieren.
Fazit
Durch eine über zwei Semester reichende Laufzeit eines Entwurfsthemas
sowie die Integration verschiedener Fachdisziplinen ist es möglich, eine Entwurfsaufgabe mittlerer Größe so zu bearbeiten,
dass die zahlreichen Facetten des Planens
und Bauens realitätsnah abgebildet werden und eine sehr hohe Bearbeitungsdichte entsteht. Die nachfolgend auszugsweise
dargestellte Arbeit soll dies beispielhaft
zeigen.
Entwurf WS 2010/11
_ 43
Carolin Baur, Anna Droege, Shirin Jorjani und Sara Karim.
Meilenstein
„ ... ein Meilenstein, der sich anfügt
an eine Allee, der Etappenziel
ist, Wegemarke, der vereint und
bedeutsam ist ...“
44 _
WS 2010/11
Lehre
Umsetzung
Das signifikante Konzept wurde folgerichtig aus der Analyse des städtebaulichen
Umfeldes abgeleitet: ein geschlossener
metallisch schimmernder Winkel an der
südlichen Einfallstraße bietet nicht nur
Lärm- und Sonnenschutz, sondern stellt
auch einen markanten Meilen- bzw. Stadtbaustein dar. Die vollkommen verglasten
Seiten zum Gelände der Landesgartenschau verbinden Innen- und Außenraum
und bieten den Besuchern auf den erhöht
angeordneten Tribünen einen sehr guten
Blick über und in den Park. Das große
Foyer gibt Raum für viele Aktivitäten z.B.
bei Sportveranstaltungen. In das Konzept
aus geschlossenem Winkel und gläsernen
Fassaden wurden die Themen Tragwerk,
Haustechnik, Energie und Detailplanung
so integriert, dass ein schlüssiges Ganzes entstand: der geschlossene Winkel ist
mit flächig angebrachten Metallplatten mit
schmalen Fugen bekleidet und nimmt das
aus Fachwerkträgern konstruierte Tragwerk, sowie Technik und Leitungsführung
auf. Die Glasfassade wurde von diesem Winkel abgehängt und erhält so eine
äußerst filigrane Struktur. Insofern zeigt
diese Arbeit sehr gut, wie verschiedene
Detailentscheidungen aus einer Gesamtkonzeption abgeleitet werden und umgekehrt auf diese zurückwirken können.
ein Beitrag von Sandra Töpperwein
Text: Prof. Andreas Meissner
Bilder: Studiengang Architektur
Lehre WS 2010/11
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Frauenalb
Synergie Strukturen
Programm Pro Studium
Prof. Dr. Robert Pawlowski, Prof. Dr. Tillman Müller
Prof. Dr. Hermann Hütter, Prof. Florian Burgstaller
Planen und Bauen verlagert sich seit Jahren zunehmend vom „klassischen“ Neubaubereich hin zur Sanierung. Zeitgemäße Nutzungen von Bestandsgebäuden können aufgrund der hohen technischen, ökonomischen und ökologischen
Anforderungen nur in einer interdisziplinären Zusammenarbeit aller beteiligten Fachgebiete beantwortet werden.
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WS 2010/11
Vertiefung
Giebelfassade der Klosterkirche
Projekt Frauenalb
Das Thema „Frauenalb“ wurde in den
letzten drei Jahren im Zusammenhang
mit dem Projekt „Synergie Strukturen“
innerhalb des Programmes Pro Studium
bearbeitet. Das Projekt richtete sich an
Studierende der Hochschule Karlsruhe
– Technik und Wirtschaft. Die Studierenden lernten mit komplexen Problemstellungen innerhalb eines praxisbezogenen
Projektes umzugehen und interdisziplinär
zu arbeiten. Durch die reale Projektaufgabe und die fächerübergreifende Arbeitsweise werden die Studierenden optimal auf die
berufliche Zukunft vorbereitet. Die Anwendung neuester Materialien und Techniken
ermöglicht den Studierenden außerdem
Einblick in die aktuelle Forschungsarbeit.
Im Laufe dieses Projektes haben viele
verschiedene Fakultäten der Hochschule
Karlsruhe mitgewirkt. Unter anderem hat
der sich der Fachbereich Geomatik unter
Leitung von Prof. Dr. Tillman Müller mit der
Geometrieerfassung des gesamten Geländes rund um Frauenalb beschäftigt. Studierende der Geomatik haben in diesem
Zusammenhang ein 3D Modell erstellt. Von
dieser Vorarbeit profitierten die Architekturstudierenden und entwickelten ihre Entwürfe aufbauend auf die daraus gewonnenen
Erkenntnisse. Unter der Leitung von Prof.
Dr. Robert Pawlowski untersuchten Studierende des Faches Bauingenieurwesen
die Bauten des Klosters. Sie erstellten eine
Durchgang Kirche Konvent
Bauwerksdiagnostik der einzelnen Gebäude, erforschten in erster Linie Statik und
Standfestigkeit der Ruine, aber auch Akustik und Brandschutz wurden in die Untersuchung mit einbezogen. Im weiteren Verlauf
des Projekts betreute Professor Florian
Burgstaller vom Studiengang Architektur
unterschiedliche Entwurfsaufgaben rund
um das Ensemble der Klosterkirche. Eine
der ersten Aufgaben war die Entwicklung
eines Dachtragwerks in Gruppenarbeit
mit Studenten des Fachbereichs Bauingenieurwesen. Im Anschluss daran gab es
mehrere Entwürfe zur Umnutzung vorhandener Strukturen. Eine Kunstakademie und
eine Sommerakademie wurden im Bereich
des Kreuzganges entwickelt. Varianten zur
Umnutzung der Gesamtanlage wurden
konzeptioniert, beispielsweise die Umnutzung des ehemaligen Abteigebäudes oder
der Klosterkirche zum Konzertsaal. Das
Projekt wird umfassend dokumentiert, im
Frühjahr veranstaltet der Studiengang
außerdem eine Ausstellung in den Räumen
des Landratsamtes Karlsruhe.
Ort und Geschichte
Am Rande des nördlichen Schwarzwaldes in der Mitte des Albtales liegt das Kloster Frauenalb, das von der barocken Kirche
und dem Konventgebäude dominiert wird.
Um den weitgehenden ummauerten und
eingerahmten Komplex gruppierten sich
einst Wirtschaftsbauten wie Ställe, Mühle,
Sägemühle, das Wirtschaftshaus und der
Garten der Äbtissinnen. Der heute aus Ruinen bestehende Komplex, zeigt den Baubestand nach der barocken Bauphase.
Zwei um 1800 entstandene Zeichnungen
zeigen barocke , die einzigen Bilder, die es
vom unversehrten Kloster gibt. Grundrisse
von Konvent und Kirche, die anlässlich der
Säkularisation angefertigt wurden, ergänzen die Kenntnisse. Eberhard III. von Eberstein stiftete mit seiner Mutter Uta 1180/85
das Kloster Frauenalb. Das Freiadelsstift
nahm nur Töchter aus adligen Familien auf.
1508 brach in dem gotischen Klosterbau ein
Brand aus, der Abtei und Konvent mit Dormitorium und Refektorium verzehrte. 1605
verließ die letzte Stiftsfrau das Kloster. Ab
dem Dreißigjährigen Krieg belegten Benediktinerinnen das Kloster. Es entstand ein
neues Konventgebäude und die neue doppeltürmige Klosterkirche. Nach Aufhebung
des Klosters wurde das Anwesen erst Militärlazarett und später privat versteigert. In
den Gebäuden richteten sich Fabriken ein,
viermal brach Feuer aus. Die Firmen verließen den Komlex wieder, seit 1853 steht die
Klosteranlage leer. Neben dem Förderverein für die Kultur, der sich mit Klassikkonzerten einen Namen gemacht hat, finden
verschiedene Events wie Gospelauftritte, klassische Konzerte und Theaterstücke
der badische Landesbühne statt. Diese
sorgen für kulturelles Leben in und um das
Kulturdenkmal.
Vertiefung WS 2010/11
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Steffi Mahl (Architektur),
Cem Kalkan
(Bauingenieurwesen)
Die Entwurfsaufgaben
Im Kirchenschiff und der ehemaligen
Klosteranlage finden im Sommer regelmäßig Konzerte und Ausstellungen statt. Ein
langfristiges Erhaltungs- und Nutzungskonzept wird seit längerem von der Stiftung
Frauenalb diskutiert. Im Sommersemester
2009 entwarfen die Studierenden ein Konzept zur Überdachung des Kirchenraumes
im Wintersemester 2009/2010 wurde der
Fokus auf die gesamte ehemalige Klosteranlage erweitert.
Ziel der Entwurfsarbeit ist ein Gesamtkonzept für den baulichen Umgang mit
der Klosterruine Frauenalb. Dabei geht es
auch um eine grundsätzliche Stellungnahme zu der Frage des Umgangs mit Ruinen in der Denkmalpflege. Die romantische
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Vertiefung
Ausstrahlung des Ortes und ihre Erlebbarkeit ist also ein wesentlicher Gesichtspunkt
bei der Auseinandersetzung mit der Aufgabe. Ein weiterer Aspekt ist der materielle Zeugniswert der bestehenden baulichen
Anlage, der im Sinne der Denkmalpflege
möglichst unverändert zu erhalten ist. Dem
gegenüber steht zum einen die Notwendigkeit, die Bausubstanz vor dem weiteren
Verfall zu bewahren. Zum anderen besteht
der Wunsch nach einer kulturellen Nutzung
des Ortes, dies macht ein gewisses Maß
an baulicher Veränderung unumgänglich.
Das Spektrum der baulichen Eingriffe lässt
zwischen den beiden extremen Haltungen
viele unterschiedliche Möglichkeiten und
Vorgehensweisen zu.
Projekte Teil 01
Dachtragwerk
Olga Gurev (Architektur),
Julie Ferrazzi
(Bauingenieurwesen)
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Gloria Vielmeier.
Arbeiten_Wohnen_Flanieren_Genießen
Die Anlage wird an der Ostseite komplett
verglast und die Ruine wird „eingerahmt“.
Im östlich entstandenen Riegel befinden sich Gastronomie, Arbeitsräume und
Ateliers für Künstler, die Wohnbereiche
liegen auf der gegenüberliegenden Terrassenseite. Beide Gebäude sind über das
durchgehende Dach und die vorgehängte
Lamellenkonstruktion verbunden. Drehbare Holz-Lamellen-Elemente verleihen der
Fassade ein lebendiges Erscheinungsbild.
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Vertiefung
Projekte Teil 02
Sommerakademie
Olga Gurev
Die Ruine Frauenalb bleibt als Zeitdokument erhalten. Dennoch entsteht ein Ort,
der für völlig neue Nutzungen zulässt. Die
neu geschaffenen Baukörper fügen sich
auf natürliche Weise in den Bestand ein.
Die ehemalige Klosterstruktur wird mittels moderner „Holzboxen“ nachempfunden,
die fragmentierten Ruinenreste werden so
optisch gefasst. Ein harmonisches Gesamtbild aus alt und neu entsteht.
ein Beitrag von Kristina Dentzel und
Sandra Töpperwein
Bilder: Dipl. Ing. (FH) Monika Stefen
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SMAKH im Gespräch mit Prof. Dr. Bernhard Lenz
1968 geboren in Frankfurt / Main
1991-1995 Studium des Interior-Design in Mainz
Studienschwerpunkt: Furniture Design /
Ausbaukonstruktion
1995-1999 Architekturstudium in Köln
Studienschwerpunkt: Ressourcenschonendes
Bauen / Hochbaukonstruktion
1999-2003 Masterstudium am Institut für
Technologie in den Tropen
Studienschwerpunkt: Energieeffiziente
Entwurfsstrategien für Extremklimate
2005-2009 Promotion an der TU-Darmstadt
Promotionsthema: Entwicklung eines neuartigen
solarthermischen Klimatisierungssystems für
arid-heiße Regionen. Beurteilung: Mit Auszeichnung
2009-2010 Karlsruher Institut für Technologie - KIT
Vertretungsprofessur für Technischen
Ausbau + Bauphysik
seit 2010 an der Hochschule
Karlsruhe - Technik & Wirtschaft
Professur für Energieoptimiertes Planen + Gestalten
Sieht man sich Ihr Architektur- und Masterstudium sowie Ihr Promotionsthema
an, so wird deutlich, dass sich das Thema Energie und Nachhaltigkeit wie ein
roter Faden durch Ihre berufliche Entwicklung zieht. Wie entstand bei Ihnen dieses Interesse?
Energieoptimierung und Nachhaltigkeit erfordern oftmals innovative Kombinationen aus
Technik und Gestaltung. Eine Kombination aus Themenbereichen, die mich schon immer
besonders interessierten. Vertieft hat sich das Interesse an diesen Gebieten bereits
innerhalb meines Architekturstudiums, in dem zur damaligen Zeit u.a. exotisch klingende
Fächer wie <ressourcenschonendes Bauen> und <Tageslichttechnik> unterrichtet wurden. Als ich nachfolgend innerhalb meines Masterstudiums mit unterschiedlichsten traditionellen und innovativen Planungsstrategien für Extremklimate in Kontakt kam, war eines
schnell klar: Ich hatte meine Passion gefunden.
Vor Ihrem Architekturstudium haben Sie Interior-Design studiert. Was hat Sie
bewegt, nach Ihrem Erststudium noch Architektur zu studieren?
Der Wunsch nach mehr. Das Studium des Interior-Designs basierte auf einem baukünstlerischen, sehr weitgefächerten Ansatz. Es beinhaltete neben den klassischen Lehrinhalten der Innenarchitektur und der Architektur ebenso große Anteile aus den Bereichen der
bildenden Kunst und des Produktdesigns. Durch dieses breit angelegte Studium erhielt
ich Einblicke in die unterschiedlichsten Bereiche und spürte schnell, dass eine ganzheitliche, ästhetisch-sinnfällige Gestaltungslösung nur erzielbar ist, wenn verschiedenste Aspekte gleichermaßen Berücksichtigung finden. Da sich die gestalterische Qualität
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Dialog
„Wir sind nicht nur
für das verantwortlich,
was wir tun, sondern
auch für das, was wir
nicht tun.“ [Molière]
Mitentwicklung der innovativen Fassaden- und Tragkonstruktion aus glasierter Keramik am New-York Times
Building in NY. Die Fassade trägt zum Corporate Identity bei und schützt den Gebäudeinnenraum vor zu hohen
solaren Einstrahlungen.
eines Gebäudes für mich aus einem gleichwertigen Zusammenspiel von innenräumlicher Wirkung und architektonischer Erscheinungsform ergibt, entschied ich mich relativ
schnell, nach Abschluss des Studiums zusätzlich noch Architektur zu studieren.
Sie haben in den Jahren 2000 bis 2005 in unterschiedlichen Büros in Paris, u.a.
bei Renzo Piano gearbeitet. Was hat Sie dort besonders geprägt?
Insbesondere die Zusammenarbeit mit Menschen aus unterschiedlichsten Teilen der Erde.
So waren beispielsweise in der Zeit, in der ich im Büro von Renzo Piano in Paris gearbeitet habe, etwa 40 Architekten aus mehr als 15 Nationen angestellt. Architekten aus unterschiedlichsten Kulturkreisen mit mannigfachen Ausbildungsschwerpunkten. Aufgrund der
unterschiedlichen Sprachkenntnisse erfolgte ein Großteil der Kommunikation über das
skizzieren. Da sich die unterschiedlichen architektonischen Haltungen und Schwerpunkte insbesondere über das gemeinsame skizzieren sehr gut zum Ausdruck bringen lassen,
führte diese Form der internationalen Zusammenarbeit zu einer enormen Bereicherung
aller beteiligten Architekten.
Dialog WS 2010/11
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Entwicklung des Klimatisierungskonzeptes
zweier Gebäude mit 20.000 m² neben der Stadtautobahn in Paris. Eine starke Lärmbelastung verhindert
eine natürliche Fensterlüftung, weshalb passiv beheizte Solarkamine zur Entwärmung und natürlichen
Klimatisierung des Gebäudes genutzt werden.
Ihr Lebenslauf ist sehr vielfältig. Von selbstständigen Tätigkeiten bis hin zu Lehraufträgen, von Vorträgen, Wettbewerben und Buchpublikationen bis hin zu Forschungsaufträgen. Woher nehmen Sie Ihre Energie und was motiviert Sie, sich
auch auf Randgebieten der Architektur zu bewegen?
Der Wunsch, etwas zu verändern. Sicherlich wäre es wesentlich einfacher und weniger
anstrengend, sich ausschließlich auf das zu konzentrieren, was man bereits weiß oder
sich in Fachbüchern für Architekten nachlesen lässt. Ich denke jedoch, dass wir Architekten viel von anderen Disziplinen lernen können und das nur aus einer partnerschaftlichen
Zusammenarbeit mit anderen Fachplanern eine innovative, energieoptimierte und gestalterisch hochwertige Architektur entstehen kann. Ein Ziel, das Zusatzwissen erfordert und
ein Ziel, zu dem ich einen Beitrag leisten möchte.
Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Bewusstsein zum energieeffizienten und
nachhaltigen Bauen bei Architekten und Nutzern entwickelt?
Die Notwendigkeit der Veränderung ist inzwischen sicherlich jedem bewusst. Leider
ist einigen Architekten und auch Gebäudenutzern jedoch noch nicht klar, dass sich die
gesteckten Ziele nicht über altbewährte Herangehensweisen erreichen lassen. Nur mittels neuer Gebäudekonzepte und innovativer gebäudeintegrierter Technologien, die auch
zu neuen ästhetischen Ausdrucksformen führen, lassen sich diese Ziele meiner Meinung
nach realisieren. Ein Mehr an Effizienz und eine Anpassung an sich verändernde klimatische Bedingungen erfordern zwangsläufig auch eine Weiterentwicklung unserer architektonischen Sprache. Ein Vorankommen, das in manchen Bereichen auch eine Abkehr
von Altbewährtem und eine Akzeptanz gegenüber neuen Funktionen und Ausdrucksformen erfordert.
Was wollen Sie Ihren Studenten vermitteln und was sind Ihre Ziele in der Lehre?
Gute Architektur stellt eine Herausforderung dar, für die es individuelle Lösungen für alle
Problemstellungen zu entwickeln gilt. Neben den städtebaulichen und räumlichen Anforderungen ist es mir sehr wichtig, dass Architekten den gestalterischen Ausdruck ihrer
Bauten stärker in Relation zu den sich stark unterscheidenden klimatischen Standortbedingungen entwickeln. Nur unter Berücksichtigung der mikro- und mesoklimatischen
Aspekte kann ein sinnvolles und energieoptimiertes architektonisches Konzept mit
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Dialog
Entwicklung eines neuartigen Gebäude- und
Klimatisierungskonzeptes für ein Rechenzentrum am
Standort Dubai, bei dem solare Energie zur Kühlung
und Lüftung der Serverräume genutzt wird, woraus
sich enorme energetische Einsparpotentiale ergeben.
minimierter Technik entstehen. Auch ist mir wichtig, dass unsere Architekturstudenten
erkennen, dass die Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen als Voraussetzung für die
Entwicklung innovativer Lösungen gesehen werden muss. Nur durch das gemeinsame
Beschreiten neuer Wege ist es meiner Meinung nach möglich, die anstehenden Probleme unserer Gesellschaft zu lösen.
Welche Forschungsprojekte haben Sie zuvor am Karlsruher Institut für Technologie – KIT verfolgt und wie würden Sie Ihre zukünftigen Hauptschwerpunkte an
der Hochschule beschreiben?
Am KIT habe ich ein Forschungsprojekt geleitet, dem ein Verfahren zugrunde liegt, das
für zwei sehr unterschiedliche Anwendungen geeignet ist. Einerseits zur solaren Gebäudeklimatisierung und andererseits zur Wassergewinnung aus Außenluft. Die Gebäudeklimatisierung stellt in trocken-heißen Regionen eine große Herausforderung dar, sofern
nicht auf konventionelle stromverbrauchende Kompressionskältesysteme zurückgegriffen werden soll. Derzeit bekannte solare Klimatisierungssysteme verbrauchen generell
Wasser oder müssen bei hohen Außentemperaturen unter Wasserverbrauch rückgekühlt
werden. Wasser stellt in diesen Regionen jedoch eine knappe und sehr teure Ressource
dar. Das von mir entwickelte solarthermische Klimatisierungssystem kann in trocken heißen Regionen ohne Wasserverbrauch eingesetzt werden, wodurch sich eine völlig neuartige Alternative zu konventionellen Klimatisierungslösungen ergibt. Alternativ kann der
Prozess auch zur Wassergewinnung aus Luft genutzt werden. Im Unterschied zu derzeit bekannten Systemen kann eine Wassergewinnung ohne starke Abkühlung der Luft
erfolgen, wodurch sich ebenso ein enorm hohes Innovations- und Anwendungspotential
ergibt. Aufgrund der Komplexität habe ich in dieses Projekt ebenso einen Maschinenbauer, einen Physiker und einen Meteorologen eingebunden. Im Rahmen meiner Tätigkeit
an der Hochschule Karlsruhe möchte ich an der zukünftig immer wichtiger werdenden
Problematik der Gebäudeklimatisierung weiterarbeiten und insbesondere auch adaptive
Fassadensysteme in den Fokus meiner Forschungsaktivitäten stellen.
ein Beitrag von
Hatice Erol
Bilder: Prof. Dr. Bernhard Lenz
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6 Fragen an
Thomas
Fabrinsky
Zu Besuch in seinem Architekturbüro
in der Karlsruher Südweststadt führten wir ein persönliches Gespräch mit
Thomas Fabrinsky, Lehrbeauftragter
des Studienganges Architektur und
erlangten so einen Einblick in seine
praktische Arbeit
SMAKH: Sie unterrichten nun schon seit einigen Jahren das Fach Baustoffkunde hier an der Hochschule Karlsruhe. Baustoffe sind das tägliche Brot eines
Architekten. Was empfinden Sie als so besonders wichtig in diesem Fach, es
schon im ersten Semester zu erlernen?
Fabrinsky: Man kann nicht früh genug damit beginnen ein Gefühl für Materialien und Baustoffe zu entwickeln, da letztendlich die Wahl der Materialien ein wesentliches Gestaltungsmerkmal für ein Gebäude ist. Mir war es deshalb immer wichtig die Baustoffe im
ersten Semester aus Sicht des Architekten als Entwerfer zu betrachten. Erst mit dem
zweiten Blick sollten die spezifischen, technischen, ökologischen und sonstigen Eigenschaften hinzu kommen.
ein Beitrag von Florian Eberz
Bilder: Max Seegmüller, Dominik Burkard,
Architekturbüro Fabrinsky
SMAKH: Im WS 2010/2011 haben Sie erstmals Teil an der Lehre im Fach Entwerfen/Konstruktiver Entwurf und unterstützen da Prof. Armin Günster. Was ist für
Sie die Herausforderung nun über das Fach Baustoffe auch beim Entwurfsprozess lehrend teilzuhaben?
Fabrinsky: Im Gegensatz zu den reinen Entwurfsaufgaben bei denen ich in den letzten
Jahren mitwirken konnte, liegt der Reiz des Konstruktiven Entwurfs darin, dass man die
Entwurfsidee nun durch das Detail herausarbeiten und umsetzen muss. Somit kommt es
zwangsläufig zur Frage welches Material, welcher Baustoff eingesetzt werden soll und für
mich wieder zum Fach „Baustoffe“.
SMAKH: Welche didaktischen Ziele verfolgen Sie? Auch im Hinblick auf die Verknüpfungen zwischen Baustoffe und Entwerfen/Konstruktiver Entwurf?
Fabrinsky: Ziel sollte sein, den Studenten den Zusammenhang von Entwurf, konstruktiver Umsetzung des Entwurfs und materialgerechtem Entwurf zu zeigen. Das Ineinandergreifen verschiedener Disziplinen, das Zusammenfügen und Übereinanderlegen und
anschließendem Auseinanderdröseln von Ideen, Anforderungen und Alternativen ist in
dieser Fächerkonstellation wunderbar darstellbar.
SMAKH: Man spricht häufig von der „Handschrift des Architekten“, inwieweit
kann oder darf man diese Individualität ihrer Meinung nach beeinflussen und
inwiefern liegt ihrer Meinung nach eine Beeinflussung durch die Baustoffauswahl beim Entwurfsprozess vor?
Fabrinsky: Eine „Handschrift“, man kann auch sagen eine eigene Haltung zu haben ist mit
Sicherheit keine schlechte Eigenschaft, ich würde sogar sagen, sie ist anstrebenswert. Es
bedarf i.d.R. aber vieler Versuche und ebenso vieler Fehlversuche, man könnte auch einfach von Erfahrungen sprechen, um diese zu erlangen. Die Kunst besteht darin, durch die
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Dialog
„Handschrift“ nicht zum Sklaven seiner selbst zu werden. Ob man bei einem Studenten in
den ersten Semestern schon von „Handschrift“ reden kann, wage ich zu bezweifeln. Ich
durfte schon erleben, dass in diesem Zusammenhang die „individuelle Handschrift“ mit
Beratungsresistenz verwechselt wurde.
SMAKH: Wie gehen Sie genau diesen Balanceakt zwischen zu viel und angemessener Beeinflussung der Entwicklung der Studierenden an?
Fabrinsky: Man spürt sehr schnell welcher Student wieviel Führung, Sie sagen Beeinflussung, benötigt. Ich finde das Wort in diesem Zusammenhang nicht ganz richtig. Grundsätzlich lasse ich natürlich den Studenten seine Idee bearbeiten, gebe nur Hilfestellung,
versuche durch Hinterfragen den Entwurf auf den Punkt zu bringen. Ich lege gern den Finger in die Wunde, weise auf die z.B. konstruktiven Probleme hin, bin aber im Gegenzug
sofort bereit mit meinem Wissen dazu beizutragen, die Schwachstellen auszumerzen.
SMAKH: Die Hochschule Karlsruhe ist Hochschule für Technik, Wirtschaft und
Gestaltung. In diesem Zusammenhang steht Sie in Konkurrenz mit der Universität, die wissenschaftlicheres Arbeiten impliziert, wohingegen an der ehemaligen Fachhochschule doch wesentlich „praktischer“ studiert und gelehrt werden
soll. Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen auch im Bezug auf Ihr eigenes
Architekturbüro?
Fabrinsky: Da ich selbst an der ehemaligen Fachhochschule studierte bin ich in dieser
Frage etwas vorbelastet, trotzdem versuche ich eine objektive Antwort zu geben: In meinem Büro arbeiten Studenten und Architekten von beiden Hochschulen. Ich bin mit meinen Leuten sehr zufrieden, egal von wo sie kommen. Ich schaue mir die Bewerber jedoch
persönlich an und versuche über das Gespräch und den gezeigten Arbeiten mir ein Bild
von der Persönlichkeit, der Einstellung zur Arbeit im Allgemeinen, zur Architekturhaltung und dem zu erwartenden Engagement zu machen. Bei den Arbeiten steht meistens von Seiten der Bewerber der Entwurf im Vordergrund, bei mir in der Regel nicht. Ich
schaue mir lieber den konstruktiven Teil etwas genauer an, da ich hier mehr über die oben
genannten persönlichen Punkte herauslesen kann. An dieser Stelle hatten die FH- Absolventen öfter die Nase vorn, da hier offensichtlich praxisbezogener und tiefer im Detail
gearbeitet wurde. Es kommt hinzu, dass nach meiner Erfahrung die Studenten der FH
öfter schon eine Berufsausbildung vorweisen konnten und somit zusätzliche Erfahrungen einbringen konnten.
Bis jetzt habe ich über den FH-Diplomstudiengang gesprochen, mit dem neu eingeführten
Bachelor- Studiengang möchte ich mich noch nicht final festlegen. Die ersten Jahrgänge
deuten aber darauf hin, dass ein Teil der Ausbildung nun in die Büros verlagert wird. Ob
das der Sinn des neuen Studiengangs ist, kann hinterfragt werden.
SMAKH bedankt sich für die gute Zusammenarbeit
und die umfangreiche Beantwortung der Fragen.
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Was ist eigentlich...
das Architekturschaufenster?
Der Studiengang Architektur schätzt
die Kooperation zu dieser etablierten
Institution der Karlsruher Architektenszene. Die gewonnenen Synergien
und Schnittstellen sind mannigfaltig,
etwa als Fenster zu breiterem
Publikum, Raum für Gespräche und
Grundlage zum Experiment klassischer Gestaltungsprinzipien.
Seit wann gibt es das Architekturschaufenster?
Die Gründung des Architekturschaufenster e.V. fand im September 2007 statt.
Was waren die Hintergründe der Entstehung?
Die Bundesinitiative Baukultur (http://www.architektur-baukultur.de) und Prof. Karl Ganser
riefen zur Gründung lokaler Initiativen in Architektur und Baukultur auf.
Die Räumlichkeiten der AKBW sollen neben den regelmäßigen IF Bau Seminaren mit
Leben erfüllt werden und eine Anlaufstelle sein für Bürger und Fachleute und Alle, die sich
für Architektur und Baukultur interessieren.
Wer hat das Architekturschaufenster gegründet?
Einige engagierte Mitglieder der Kammergruppe Karlsruhe Stadt der AKBW.
Welche Ziele verfolgt die Institution?
Das Architekturschaufenster ist Adresse und Programm: Hier ist die Bezirksgeschäftsstelle der Architektenkammer Baden-Württemberg zu finden, hier ist Raum für Aktivitäten zur
Förderung der Baukultur, hier gibt es ein Schaufenster, über das die Öffentlichkeit erreicht
werden kann. Der gleichnamige, gemeinnützige Verein will mit Ausstellungen, Tagungen,
Seminaren und Informationsveranstaltungen das Bewusstsein für die Qualität der gestalteten Umwelt stärken. Das Spektrum von Architektur, Städtebau, Kunst und Design und
die Vielfalt wissenschaftlicher und praxisbezogener Themen garantiert ein abwechslungsreiches und lebendiges Programm. Die zentrale Lage in der Waldstraße 8 – in direkter
Nachbarschaft zu Kunsthalle, Kunstverein und Schloss – verspricht gute Erreichbarkeit
und lädt auch zu einem spontanen Besuch ein. (http://www.architekturschaufenster.de/)
Ist das Konzept erfolgreich?
Ja, die Besucherzahlen zu den verschiedensten Veranstaltungen sowie die Mitgliederzahlen im Verein steigen stetig. Dies zeigt, dass es der richtige Weg ist und spornt uns
aber auch ständig zu neuen Überlegungen an. Vor kurzem wurden verschiedene Arbeitsgruppen gegründet, die sich mit sehr konkreten Themen befassen; die Ergebnisse der
Arbeiten werden im Laufe des Jahres präsentiert.
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Kooperation
Wie groß ist die Akzeptanz in der Bevölkerung?
Bei Karlsruhe- bezogenen Themen (wie Wettbewerbsergebnisse Kaiserstraße, Werk von
Erich Schelling u.a.) sehr gut. Auch an Podiumsdiskussionen nehmen die Bürger teil.
Wie groß ist die Akzeptanz bei den Architekten?
Das Architekturschaufenster ist inzwischen ein fester Anlaufpunkt für Fachleute aus den
verschiedenen Berufsorganisationen, die hier regelmäßig zusammenkommen (KG, BDA,
BDIA, Energiearbeitskreis, „Architektur macht Schule“ u.a.) Im Rahmen von Vernissagen
und Podiumsdiskussionen treffen sich die Kollegen hier zum Austausch.
Welche Potentiale sehen Sie für die Zukunft?
Wir wollen die Kooperationen mit ähnlichen Einrichtungen bundesweit und international
weiter ausbauen. Kooperationen mit Unternehmen aus dem Bereichen Baustoffe, Haustechnik, Design usw. werden angestrebt. Aktuelle Themen der Stadtplanung in Karlsruhe
sollen kurzfristig thematisiert werden.
Was bedeutet es für Studenten und Hochschulen?
Die Studenten können hier in einem ungezwungenen Rahmen mit Architekten aus der
Region in Kontakt treten. Die Lehrkräfte werden regelmäßig über unsere Veranstaltungen
informiert und können es entsprechend an die Studierenden weitergeben.
Welche Formen von Kooperationen wurden bisher praktiziert?
Es gibt zwischen Hochschule und Verein gegenseitige Einladungen zu verschiedenen
Veranstaltungen wie Diplomübergaben, Ausstellungen von Studentenarbeiten (Modelle, Diplomarbeiten), Vorträgen und Vernissagen. Wir arbeiten auch mit anderen Partner
zusammen z.B. die Galerien Am Weisenhof und Galerie f75 in Stuttgart, der Fa. ROMA in
Burgau, dem DAM Deutsches Architekturmuseum Frankfurt, dem KIT u.a.
ein Beitrag der SMAKH-Redaktion
Bilder: Stefan Baumann
Text: Alke Hickel, Hubert Schmidtler
Kooperation WS 2010/11
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Impressum
SMAKH
Mitarbeit
ist eine nicht kommerzielle
Dokumentation des Studiengangs
Architektur der Hochschule
Karlsruhe - Technik und Wirtschaft
Moltkestraße 30
76133 Karlsruhe
Redaktion
Alke Hickel
Layout
Titelbild
Masterthesis Hans-Peter Weber
Druck
woge druck gmbh
Ettlinger Straße 30
76307 Karlsbad-Langensteinbach
Auflage: 1000
WS 2010/11
Simon Bläsi, Adriano Bruno,
Kristina Dentzel, Vanessa Dettenberg,
Florian Eberz, Hatice Erol,
Nadine Hellriegel, Andreas Hormuth,
Melanie Hüther, Florian Keim,
Mariane Löser, Anna Mersljakow,
Sergej Michailow, Natalia Stüf,
Sandra Töpperwein
Wir bedanken uns für die
Unterstützung bei allen Lehrenden,
Mitarbeitenden und Studierenden.
Nina Scholten
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Studierende des Seminars
Dokumentationsprojekt SMAKH:
Impressum
DER
ALLROUNDER
SERIES 7 TM 3107 | BY ARNE JACOBSEN 1955
waldstraße 89-91
76133 karlsruhe
tel. 0721 91322-0
[email protected]
www.burger.de
Das Erfolgsmodell Serie 7 ist eines der modernen Klassiker
mit denen das 20. Jahrhundert sich schmücken darf. Die
Besonderheit, durch die sich der Stuhl von anderen abhebt,
ist die schlichte Eleganz, die der Stuhl durch seine ungewöhnliche Form mit schmaler Taille erhält. Aber auch wegen
seiner Ruhe ausstrahlenden durchgehenden Sitzfläche aus
Formsperrholz.
Eben diese Attribute machen ihn zu einem Stuhl, der
viele Anwendungsbereiche vom Konferenzraum bis hin zum
Esszimmer erschließt.
FRITZHANSEN.COM
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