Jones und Kehm, Lahey, Ransom, Graham

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18März 1949
DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT
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als hoffnungslos angesehen, ein Eingriff wurde kaum versucht.
Die entscheidenden Fortschritte, die in den letzten 10 Jahren
auf dem Gebiet der Thoraxchirurgie bei Verbesserung. der
der Betäubungsmethoden, der Anwendung von
chemotherapeutischen Agentien und Antibioticis und der BeTechnik,
herrschung des postoperativen Schocks und der Thromboembolie in Nordamerika erzielt worden sind, haben den B1id
der Chirurgen erneut auf das kardianahe Karzinom gelenkt.
So ist die Resektion und die sofortige Wiederherstellung der
Kontinuität bei vielen derartigen Kranken möglich geworden.
Auf transthorakalem Wege ist es einigen Chirurgen gelungen,
den unteren Osophagus mit den oralen Gebieten des Magens
zu resezieren und die Vereinigung durch Osophagogastrostomie wiederherzustellen (C h u r C h i 1 1, S w e e t, C 1 a g e t t,
H a w t h o r n e u. a.). Was die Frage . der Operabilität an-
langt, so ist, wie beim Magenkarzinom, eine Entscheidung
darüber erst nach Freilegung des Tumors möglich. Bemerkens-
wert ist aber die Erfahrung, daß die operative Freilegung
allein mit einer geringen Mortalität belastet zu sein scheint.
wo die Tumoren als inoperabel befunden wurden, H a w t h o r n e über 3 Fälle. Die postoperative Mortalität bei 27
Fällen von transthorakaler Resektion der Kardia und des
unteren Osophagus mit sofortiger Wiederherstellung der
Kontinuität betrug bei H a w t h o r n e 19°/o. S w e e t dehnt
die Operationsanzeige bis zu den Tumoren in Höhe des
Aortenbogens aus, reseziert den aboralen Osophagus und
stellt die Kontinuität durch Vereinigung des oralen Stumpfes
mit dem in den Thorax hochgezogenen Magen wieder her.
Seine operative Mortalität beträgt bei kardianahem Osophaguskarzinom 9,5°/o, bei hochsitzendem 24°/o. Rund 40o/o der
Operierten lebten nach 3 Jahren und länger. Die Pionierarbeit
deutscher Chirurgen (Sauerbruch, E. Rehn u. a.), deren
Methoden teilweise übernommen wurden, darf bei den geAus der Med. Klinik des Stadtkrankenhauses Fürth in Bayern
Die Frühdiagnose des Kardiakarzinoms
Von Norbert Henning
schilderten Erfolgen nicht vergessen werden.
Obwohl die genannten Tumoren Plattenepithelkrebse sind
wachsen sie nicht selten so schnell, daß sie frühzeitig in be-
nachbarte Organe einbrechen und Nahmetastasen in den
regionären Drüsen setzen (S w e e t). Die Frühdiagnose ist
daher von besonderer Wichtigkeit. Sie kann nach den ErIn einer früheren Mitteilung wurde das klinische, röntgeno- fahrungen des Verf. bei entsprechender Aufmerksamkeit des
logische und ösophagoskopische Bild des auf die Kardia über- ersten Beobachters, also des praktischen Arztes, in einem so
greifenden Fornixkarzinoms umrissen. Dabei wurde zum Aus- hohen Prozentsatz gestellt werden, wie es bei andern Lokalidruck gebracht, daß tumoröse Veränderungen an der Kardia sationen im Verdauungskanal kaum möglich ist.
mindestens so früh subjektive Symptome auslösen wie am
Greift ein Karzinom der Fornix auf die Kardia über, so
Pylorus, daß also die Vorbedingungen für die Frühdiagnostik ergeben sich wesentlich andere operative Aspekte, die hier
bei den kardianahen Karzinomen besonders günstig sind. Es kurz gestreift werden mögen. Zur radikalen Entfernung des
wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß derartige Fälle der Tumors steht entweder die totale Gastrektomie mit OsophagoOperation zugeführt werden könnten, sobald eine fortgeschrit-
tene operative Technik Radikalentfernungen des Tumors in
dieser Gegend mit einem erträglichen Risiko ermögliche.
Betrachtet man zunächst die Histologie und den Charakter der
parakardialen Tumoren, so zeigt sich, dali die Karzinomé des unteren
Osophagus fast ausschließlich Plattenepitheikrebse sind, die vorwiegend in die Umgebung einwachsen. Statistisch scheint erwiesen,
daß Fernmetastasen bei tiefsitzenden Osophaguskarzinomtodesfällen
in 25_400/0 fehlen (B o c k u s). Die Heilungsaussithten nach gelungener radikaler Entfernung scheinen also günstig. Von den Magenkarzinomen kommen etwa l00/o in der Kardiagegend vor. Histologisch scheint eine Differenzierung der kardianahen Fornixkrebse
nicht vorgenommen worden zu sein. Mutmaßlich dürften ähnliche
Formen vorkommen, wie sie für die aboralen Magenpartien be-
schrieben worden sind (Lit. bei K o n j e t z n y). Das Ubergreifen auf
die Kardia Ist für die Fornixkarzinome charakteristisch. Entscheidend
für die Frühdiagnose ist in diesen Fällen häufig der Zeitpunkt dieses
Ereignisses. Ausgedehnte Tumoren der oberen Magengegend können
subjektiv syinptomlos bleiben bis die Einbeziehung der Kardia in
den tumorösen Prozeß erfolgt.
Das Problem der Operabilität scheint jetzt gelöst zu sein.
Bis vor kurzem wurden Kranke mit tiefsitzendem Osophaguskarzinom, Kardiakarzinom und kardianahem Fornixkarzinom
duodenostomie bzw. Osophagojejunostomie oder die Resektion
des oberen Magenabschnittes mit Osophagogastrostomie zur
Verfügung. Beide Methoden sind alt. Es sei daran erinnert
daß die erste gelungene totale Gastrektomie bereits 1897 von
S c h 1 a t t e r ausgeführt wurde. Wegen der hohen Mortalität
hat sie jedoch praktisch keinen Eingang in die Bauchchirurgie
gefunden. Erst. in den letzten Jahren haben auch hier amerikanische Chirurgen bemerkenswerte Erfolge erzielt. Uber
größere Serien berichten A 11 e n, P a c k und M a c N e e r
Jones und Kehm, Lahey, Ransom, Graham,
Waugh und Fahi, de Amnesti u. a. Die Mortalität
ist nach L a h e y in der letzten Zeit auf 16,3°/o
(t)
gefallen.
Neuestens greift man auch in der Schweiz das Problem wieder
auf (H. R. Müller).
Will man die Erfolge der amerikanischen Kardiachirurgie
für Deutschland nutzbar machen, so gehört dazu neben den
interessierten Chirurgen das Erfassen der Fälle zu einem
möglichst frühen Stadium. Eigene Beobachtungen an 52 ösophagoskopisch diagnostizierten Fällen mögen geeignet sein.
die Aufmerksamkeit auf die Krankheit zu lenken.
Das Durchschnittsalter der Kranken (40 Männer und 12
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So berichtet C 1 a g e t t über 24 Explorationen ohne Todesfall,
DEUTSChE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT
Nummer 11
Frauen) betrug 59x8 Jahre, das höchste Alter war 77, das
Das schwärzliche Lumen wird eingefaßt von 4 kreuz-
niedrigste 34. Die Beschwerdedauer. schwankte zwischen zwei
förmig zueinanderstehenden, ovalen, scharf begrenzten, weißlichen, flachen Beeten, die das Bild der Jasminblüte formieren
Die weißlichen, auf die Kardialichtung konvergierenden
und auf den Faltenkämmen liegenden Infiltrate sind zahl-
Monaten und einem Jahr. In einem Fall von idiopathischer
Osophagusdilatation mit sekundärem Kardiakarzinom bestanden die Beschwerden bereits seit 24 Jahren unverändert. Die
Beschwerden waren sehr gleichförmig. Beginnt der maligne
Prozeß in der Kardia, so ist das erste subjektive Zeichen die
sthmerzlose Dysphagie. Der Kranke fühlt, daß ein Bolus fester,
hastig gekauter Nahrung hinter dem unteren Sternum stecken
bleibt. Besser zerkleinerte Bissen, Brei- und flüssige Nahrung
passieren ungehindert. Die Dysphagie zeigt bald einen fortschreitenden Charakter, bis schließlich auch Flüssigkeiten den
subjektiven Stop hervorrufen. Die verschluckten Speisen werden ohne Brechreiz regurgitiert. Das Steckenbleiben von Getränken deutet darauf, daß die ganze Zirkumferenz der Kardia
vom Tumor umfaßt wird. Zur Schluckstärung treten früher
oder später Schmerzen nach Art eines dumpfen Druckes hinter
dem Brustbein, der manchmal krampfartigen Charakter annimmt. Er strahlt aus zwischen die Schulterblätter und in den
Nacken.
Räntgenologisch wurde 24mal (rund 46°/o) ein Fornix-Karzinom mit Ubergreifen auf die Kardia angenommen. In 20 Fällen
(rund 380/o) wurde der Verdacht auf ein Karzinom ausgesprochen; darunter befand sich der Fall von idiopathischer
Dilatation. In den übrigen 8 Fällen (rund 15°/o) lautete die
reicher und schmäler. Sie ähneln Reiskörnern oder Hirsch-
grandein.
Bei gleichem Kardiabefund finden sich einzelne, ins Lumer
verschwindende weißliche Beete von unregelmäßiger Form.
Kleinere oder größere knollige Tumoren umsäumen di
Kardia.
Der Kardiatumor präsentiert sich als massiver, starrei,
breiter, stark erhabener, weißlicher Ringwall mit zentralem
entrundetem Lumen. Durch sekundären Zerfall kann die Lichtung relativ weit werden.
Die neoplastische Wucherung beginnt oberhalb der Kaidia. Man sieht in Frühfällen einen flachen, halbkugeligen, gehöckerten Tumor. Die runde Offnung der intakt gebliebenen
Kardia wird teilweise durch ihn verdeckt. Die Oberfläche des
Tumors ist von Blutungsherden durchsetzt. In manchen Fällen
bilden sich
(Nekrosen).
frühzeitig
graugrünliche,
eingefallene Zonen
Röntgendiagnose Kardiospasmus.
Endoskopisch wurden alle Patienten mit dem vom Verfasser
Gelegentlich bemerkt man neben dem Primärtumor kleinere, flache, hirsekorn- bis linsengroße, weißliche, meist rundliche Tumoren ohne sichtbaren Zusammenhang mit der größeren Geschwulst.
angegebenen optischen Osophagoskop untersucht, einem zum
Unterschied von den großkalibrigen Syringoskopen der Oto-
Tumor auf. Er erscheint als weiche
Rhino - Laryngologen sehr dünnen Instrument mit großem
Gesichtsfeld. Bei hoher diagnostischer Ausbeute ist die Belästigung des Kranken gering. Die Untersuchung dauert wenige Minuten. Sie schließt eine Funktionsprüfung der Kardia
ein. Die geringsten Abweichungen vom normalen Verhalten
der Kardia werden erfaßt.
In der erwähnten früheren Mitteilung, die sich mit dem auf
die Kardia übergreifenden Fornixkarzinom befaßte, wurden
zwei ösophagoskopische Typen unterschieden. Beim ersten
Typus läßt der Fornixtumor die Kardia unbeeinflußt. Letztere
entfaltet sich nach Aufbiasen des Ballons zu einem weiten,
kreisrunden Lumen. In der schwarzen Tiefe fällt der Blick auf
dia beleuchteten Gipfel und Grate der Tumormassen. Beim
zweiten Typus hat der Tumor auf die Kardia übergegriffen.
Auf den Kämmen der strahlenförmig zur Kardia konvergierenden lalten, die an Zahl vermindert sind, zeigen sich ovaläre, scharf begrenzte, weißliche Verfärbungen, die das Bild
der ,,Jasminblüte formieren, wenn sie in der Vierzahl auftreten. Die Kardia öffnet sich beim Dehnungsversuch nur zu
einem winzigen Lumen von unregelmäßiger Form. Dieses
eigenartige Bild beweist die Durchwachsung der Kardiawand
mit Karzinomgewebe und erlaubt eine sichere Abgrenzung
gegenüber dem spastischen Verschluß der Kardia.
Bei fortschreitender endoskopischer Erfahrung haben sich
die geschilderten Bilder immer wieder bestätigen lassen. Sie
erschöpfen jedoch nicht alle vorkommenden Befunde. Mit dem
Anwachsen des Beobachtungsguts ergeben sich reichere Möglichkeiten, die im folgenden skizziert werden sollen.
Die Kardia Ist intakt. Bei ihrer Eröffnung sieht man in
der Tiefe Tumormassen.
Die Eröffnung der Kardia gelingt noch in ausreichendem
Maße. Infolge einer beginnenden Infiltration ergibt sich eine
Entrundung durch eine oder mehrere eckige Ausziehungen.
Die Kardia Ist starr, die Lichtung beim Dehnungsversuch
mehr oder weniger eingeengt und eckig begrenzt. Tumoröse
Veränderungen sind oberhalb der Kardia nicht sichtbar. Der
Blick in die Tiefe ist verwehrt.
Oberhalb des starren, eckigen und verengerten Kardialumens finden sich die Zeichen der kanzerösen Durchwachsung der Osophaguswand.
Selten im Bereich der Krdia tritt der papillomatöse
(kompressioñsfähige)
Masse, die zottige Fortsätze aufweist. Die Oberfläche der rötlichen Geschwulst ist manchmal von weißlich-schmierigen
Auflagerungen bedeckt.
Der Szirrhus der Kardia kann unter dem Typus 3 erscheinen
Das wandständige Ringwallgeschwür des Osophagus Ist dem
Verfasser an der Kardia bisher nicht begegnet.
In dem hier verarbeiteten Beobachtungsgut von 52 Fällen
dominiert der endoskopische Typus 3 mit seinen Untergruppen. Er fand sich 20mal. Die übrigen Fälle verteilen sich etwa
gleichmäßig auf die anderen ösophagoskopischen Typen. Von
einer Aufzählung wird Abstand genommen Dem Einwand, daß
hier über ein relativ kleines Material berichtet wird, sei damit begegnet, daß eine Sichtung nach Lokalisation und Altes
der Veränderungen in der Begrenzung des gewählten Themas
liegt. Die hier ausgewh1ten Fälle waren mutmaßlich chirur-
gisch angreifbar, wenn man das Niveau einzelner amerikanischer Spezialisten zugrundelegt. Es war der Zweck dei
vorliegenden Arbeit, auf die besonders günstigen Bedingungen für die Frühdiagnose des Kardiakarzinoms hinzuweisen
vorausgesetzt, daß die Fälle mit initialer Dysphagie möglichsl
schnell der Röntgenuntersuchung und der Osophagoskopie zugeführt werden. Es ist zu hoffen, daß sich deutsche Chirurgen bald dem Problem des Kardia- und tiefsitzenden Osophaguskarzinoms zuwenden, um die hoffnungslose Prognose
dieser Kranken zu verbessern.
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