Sozialkapitalstudie Götzis: Sozialkapital in Götzis zeigt hohes Niveau Internationale Trends auch in Götzis spürbar – Integration von Randgruppen und nachbarschaftliche Beziehungen sollen gefördert werden Götzis ist ein Ort, an dem überdurchschnittlich viele Menschen gerne, glücklich und gesund leben. Daneben gibt es eine Randgruppe, die schwerwiegenden sozialen Belastungen ausgesetzt ist und sich isoliert fühlt. Die Betroffenen kommen aus allen Bildungsschichten und Berufsgruppen, Frauen sind vor allem im Alter zwischen 36 und 60 Jahren stärker betroffen als Männer. Dies ist das Ergebnis der ersten kommunalen Sozialkapitalstudie Vorarlbergs, die im Juni und Juli 2006 vom BOAS (Büro für die Organisation angewandter Sozialforschung) Wien unter der wissenschaftlichen Leitung des OECD-Beauftragten für Sozialkapital Professor DI Ernst Gemacher und von Dr. Angelika Hagen in der Gemeinde Götzis durchgeführt wurde. Mit dem Begriff „Sozialkapital“ wird der soziale Zusammenhalt innerhalb einer Gemeinschaft – in diesem Fall der Gemeinde Götzis – bezeichnet. Sozialkapital beinhaltet daneben auch die Fähigkeit zur Selbstorganisation, Gruppenbildung und Bürgerbeteiligung. Mittlerweile hat man international erkannt, dass genau hier – in der Qualität der sozialen Beziehungen - der Schlüssel zur positiven nachhaltigen Entwicklung der Gemeinschaften liegt: in mehreren empirischen Studien wurden direkte Zusammenhänge von Sozialkapital mit wirtschaftlichem Erfolg, Gesundheit, Bildung und Sicherheit nachgewiesen. Götzner Ergebnisse im internationalen Trend Die Ergebnisse in Götzis liegen im europäischen Trend postmoderner Wohlstandsgesellschaften, für die insgesamt eine Abnahme des Sozialkapitals charakteristisch ist. Die Menschen koppeln sich mehr und mehr von gesellschaftlichen Institutionen wie Familien, Freundeskreisen, politischen Parteien, Religion und Vereinen ab. Das ist ein Trend , der auf Dauer das Gemeinwohl gefährden kann. Dennoch gibt es auch deutliche Unterschiede. Die Menschen in Götzis leben und fühlen sich – nach den Kriterien des Netzwerks „Gesunde Städte“ – überdurchschnittlich gesund und glücklich. Es gibt wenig chronisch Kranke und einen hohen Anteil an völlig Gesunden. Daneben gibt es in Götzis einen beträchtlichen Anteil an sozial Belasteten - Menschen, die schwere Sorgen, starken Ärger haben und anhaltenden Schwierigkeiten mit für sie wichtigen Personen ausgesetzt sind. Sie haben zu wenig mitmenschliche Kontakte, fühlen sich einsam und erfahren nicht ausreichend Hilfe und Unterstützung. Zu dieser Gruppe gehören Menschen aus unterschiedlichen Bildungsschichten und Berufsgruppen. Frauen sind hier in allen Altersklassen – am deutlichsten jedoch im Altersbereich zwischen 36 und 60 Jahren - stärker betroffen als Männer. Entsprechende Maßnahmen zur Integration und Verbesserung der Lebenssituation dieser Götznerinnen und Götzner werden in der Sozialkapitalstudie angeraten. Sozialkapital-Messung Sozialkapital wird auf drei Ebenen gemessen: • auf der Mikro-Ebene der Familien und im Freundeskreis • • auf der Meso-Ebene der Netzwerke, Vereine und der erweiterten Bekanntenkreise auf der Makro-Ebene der höheren Ideale und Zugehörigkeiten, unabhängig von persönlicher Bekanntschaft. In ihre Familien und in den nahen Freundeskreis sind ein großteil der Götznerinnen und Götzner (rund 60%) sehr gut eingebettet. Auch Netzwerke und Vereine sind im Ort gut entwickelt. Einziger Wermutstropfen: es gibt wenig nachbarschaftliche Beziehungen. Die Kontakte zu den unmittelbaren Nachbarn sind gering. Als Grund wird hier die in Götzis stark vorherrschende Einfamilienhaus-Siedlungsstruktur vermutet. Empfehlung der Studienautoren: Wichtig ist es in diesem Bereich Gegenmaßnahmen zu setzen. Denn gute nachbarschaftliche Beziehungen motivieren, ebenso wie ein großer Bekanntenkreis in der Gemeinde, zu ehrenamtlichem Engagement. Das wiederum wiederum wirkt sich unmittelbar auf das Glücksbefinden der Menschen im Ort aus. Hohe Identifikation mit Vorarlberg Auf der Makro-Ebene fällt auf, dass die traditionell charakteristischen Bereiche von Religion und Politik, die in den Wohlstandsgesellschaften allgemein im Schwinden sind, auch in Götzis ihre ideelle Kraft verloren haben und den Menschen keinen ausreichend befriedigenden Rahmen bieten können. Auch das Vertrauen in die staatlichen Institutionen ist, mit Ausnahme des Bildungssystems – gering. Auf dieser Makro-Ebene der höheren Ideale und dem Gefühl der Verbundenheit und Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen kristallisiert sich in der Analyse der Götzis-Studie jedoch so etwas wie eine „Marke Vorarlberg“ heraus: die Verbundenheit zu Vorarlberg ist in allen Alterklassen und sowohl bei Männern als auch bei Frauen besonders hoch. Zuerst ist man in Götzis Vorarlberger, dann erst Österreicher. Die Bindung an Götzis steht an dritter Stelle und ist damit für eine lokale Identifikation sehr stark. Hinzu kommt, dass die Menschen ein starkes Vertrauen zu alternativen ökologischen und karitativen Institutionen angeben ( NGOs und NPOs). Hier wird der Wille zu einer alternativen Ökologie und modernen Nachhaltigkeitskultur spürbar. Bei der starken Identifizierung und dem Stolz auf Vorarlberg überwiegen zur Zeit allerdings noch die materiellen Aspekte, wie etwa die Wohnqualität, die 87 % der GötznerInnen als „Sehr gut“ und „gut“ bezeichnen. Damit diese „Marke Vorarlberg“ langfristig und nachhaltig tragfähig bleibt und zu einem Rückhalt für die Menschen werden kann, müssen die ideellen Komponenten verstärkt werden. Das bedeutet eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den traditionellen Werten und Qualitäten der eigenen Kultur, die erinnert und erneuert werden sollen, der Dialog mit anderen Kulturen, das „Brücken-bauen“ (Bridging-Sozialkapital) als „eigenes“ Anliegen, das in gelebten Normen und Verhaltensweisen umgesetzt wird: in Kunst, Bildung, karitativen Einrichtungen. Zukunftspotenzial Ehrenamt In Bezug auf die ehrenamtlichen Aktivitäten zeigt Götzis mit 33% Einbindung eine leicht überdurchschnittliche Bilanz. Es ist darüber hinaus ein Potenzial für die Bereitschaft, sich noch stärker zu engagieren, vorhanden. Vergegenwärtigt man sich, dass ein großer Bekanntenkreis – ebenso wie gute Nachbarschaftsbeziehungen – die Freude am ehrenamtlichen Engagement fördert und das Wohlbefinden steigert, so sollte hier verstärkt ein Fokus gesetzt werden.