Kommunikation – Vorbild Biofilm

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6. Symposium
Universität Heidelberg
Septische Unfallchirurgie und Orthopädie
Ingolstadt, 25./26. Januar 2013
Kommunikation
– Vorbild Biofilm
Prof. Dr. med. Christof Wagner
Chirurgie II
Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs-, Hand- und
Plastische Chirurgie
Klinikum Ingolstadt
Agenda
Einführung
Implantat-Infektionen
Bakterielle Biofilme
Kampf gegen Infektionen
Kommunikation
Biokommunikation
Vergleich Mensch - Bakterien
Fazit und Ausblick
Kommunikation
Bakterien
Universität Heidelberg
Mikroorganismen mit eigenem Stoffwechsel
Vermehrung durch Zellteilung (hohe Verdopplungsrate)
seit 3,5 Milliarden Jahren ubiquitär weltweit
„erfolgreichste Lebensform des Planeten“
„Gesundheitspolizei“
Bakterien
Universität Heidelberg
körpereigenes Abwehrsystem (Immun-System)
komplexes System verschiedener „Mitspieler“
„innate immunity“
(unspezifisch)
„adaptive immunity“
(spezifisch)
zellulär
humoral
Makropahgen
Neutrophile Granulozyten
Naturliche Killer (NK)Zellen
Komplement
Zytokine
T-Lymphozyten
Helfer-Zellen
Suppressor-Zellen
Memory-Zellen
zytotoxische Zellen
B-Lymphozyten
Antikörper
(produziert von
Plasmazellen &
B-Zellen)
kein singuläres Organ („mobile Einsatztruppe“)
körpereigene Abwehr sehr erfolgreich:
Universität Heidelberg
nur Infektionen, die dem Immunsystem
„entkommen“, werden klinisch apparent !!!
Bakterienfreie Höfe um PMN
Implantat-assoziierte Osteitis
Universität Heidelberg
…. einige HintergrundInformationen
Implantat-assoziierte Knocheninfektionen
Universität Heidelberg
bakterielle Infektion als schwerwiegende posttraumatische / postoperative Komplikation
Science 1987, 237: 1588-1595
„Race for the surface“
Bakterien
körpereigene
Zellen
(Immunabwehr, Fibroblasten,
Osteoblasten)
gewinnen die körpereigenen Zellen
gewinnen die Bakterien


Integration des Implantats
Infektion
Universität Heidelberg
Therapie
Komplikationsmanagement:
Erkennen – Bekennen - Handeln
individueller Behandlungsplan
Revisionsoperationen:
-radikales chirurgisches Debridement (avitales und infiziertes
Gewebe), ggf. Erhalt des Implantats, Totraummanagement
-Rekonstruktion der Weichteile und des Knochens
ggf. plastische Deckungen, Knochenaufbau,
Wechseloperationen (ein-/zweizeitig)
+ additive antibiotische Behandlung
(lokal, systemisch – initial Breitspektrum-AB, dann testgerecht)
Dauer kontrovers diskutiert
zentrales Ziel:
dauerhafte Infektberuhigung
In 10-30 % d. F. keine Infektberuhigung
Universität Heidelberg
schwierig zu therapierende
chronisch-persistierende Verläufe
fortschreitende Destruktion des umgebenden Gewebes
Persistenz
der Heidelberg
Infektion:
Universität
Bakterielle Biofilme
Science 1999; 284:1318-1322
(aus: Neu et al, FEMS Microbiol Ecol 2010; 72:1-21)
Universität Heidelberg
…… was ist das
überhaupt ?
Bakterielle Biofilme
Universität Heidelberg
älteste Form des Lebens
Stomatolithe
von Mikroorganismen in Biofilmen stammende biogene Sedimentgesteine
(Alter: ca. 3,2 Milliarden Jahre)
Shark Bay
West-Australia
Blaualgen (Cyanobakterien)
Sauerstoffproduktion
 Voraussetzung für Entwicklung höherer Lebensformen !
„Wir verdanken unser Dasein den Bakterien“
BIOspektrum 3/03 9. Jahrgang
Universität Heidelberg
99 % der Bakterien
in Biofilmen organisiert
vermittelt durch Zell-Zell-Signalmoleküle
(„quorum
Universität Heidelberg
sensing Moleküle“)
Aufbau
extrazelluläre polymere Substanz (EPS, „Schleim“)
komplexe Struktur verschiedener biochemischer Polymere
Zusammensetzung variiert (z.B. Bakterienspezies, Biofilm-Alter)
 noch wenig erforscht („dark matter of biofilm“)
„Host defense strategies“, C.Wagner, EBJIS 2010
bakterielle Mikrokolonien
meist mikrobiell
sehr heterogen
september 3, 2010
Seite 14
symbiotische Lebensform
Universität Heidelbergkomplexe Architektur
(aus: Neu et al, FEMS Microbiol Ecol 2010)
Netzwerk von wasserführenden Kanälen
(Lewandowski et al 1992, Tolker-Nielsen et al 2000)
- Gewährleistung
der Homöostase innerhalb Biofilm
- Austausch/Transport von Nährstoffen
- biochemischer Informationsaustausch (Quorum sensing)
Antonie van Leeuwenhoek
erste mikroskopische Untersuchungen an Bakterien im Biofilm
durch den zur Zahnreinigung verwendeten Essig
wurden nur die äußeren Schichten der
bakteriellen Plaques angegriffen, während die
tieferen Schichten widerstanden
erst ca. 1940 Existenz mikrobieller Biofilme grundsätzlich erkannt
aufgrund der präferierten Bildung auf anorganischen Oberflächen
zunächst v.a. in der Umweltbiologie u. der Wassertechnik als wichtiges
Problem geltend
erst später Bedeutung in der Medizin erkannt
65 – 80 % der Infektionen durch Biofilme verursacht
Universität Heidelberg
(Donlan, Emerg Infect Dis 2002)
Körpereigenes Gewebe/Oberflächen
z.B.
Otitis media,
Endocarditis
zystische Fibrose (Mukoviszidose)
chronische Wunde
Fremdoberflächen
- Implantat-assoziierte Infektionen z.B.
Herzklappen
Kontaktlinsen
Katheter
Osteosynthesematerialien
Prothesen
USA:
FEMS Immunol Med Microbiol 2010;58:147-160
pro Jahr bis zu17 Millionen neue Biofilm-Infektionen
(bis zu 550.000 Todesfälle)
(Wolcott et al, J Wound Care, 2010)
Problem Biofilm:
Universität Heidelberg
Resistenz
im Gegensatz zu ihren planktonischen „freischwimmenden“,
einzeln lebenden Counterparts sind
Bakterien im Biofilm
relativ resistent gegenüber
extremen Temperaturen, Licht und Austrocknung
(Dewanti & Wong 1995)
Antibiotika
(Gristina u. Costerton 1985; Anwar et al. 1992, Gilbert et al. 1997; Schwank et al. 1998; Donlan et al. 2001,
Stewart u. Costerton 2001, Mah u. O`Toole 2001, Stewart 2002, Davies 2003, Neut et al 2007)
- Resistenzsteigerungen um 100-1.000faches (Ceri et al 1999, Boles et al 2004)
- subminimal inhibitorische Konzentrationen mancher Antibiotika
induzieren Biofilmbildung (Kaplan 2011)
körpereigenen Abwehrmechanismen
(Leid et al 2002, Jesaitis 2002)
Universität Heidelberg
keine mission impossible -- aber:
effiziente körpereigene Abwehr
nur bei „jungen“, sich entwickelnden Biofilmen
( Wagner et al 2003, 2004, 2006, Hänsch et al 2008, Günther et al 2009, Meyer et al 2010, Stroh et al 2011)
Universität Heidelberg
PMN (grün)
auf großen
Fragmenten e.
Staph. aureus
–Biofilm (rot)
(aus: Günther et al, Mol Immunol 2009)
Phagozytose
Universität Heidelberg
…… was ist wichtig ?
„Kampf gegen Infektionen“
Vorbeugen – Erkennen – Bekennen - Handeln
Taktik / Strategie
Koordination erfordert Kommunikation
Universität Heidelberg
…… was ist damit
gemeint ?
Kommunikation
lat. communicare = „mitteilen“
Austausch (gegenseitiges Geben u. Nehmen) oder Übertragung (Überwindung von Distanzen)
von Informationen (zusammenfassende Bezeichnung für Wissen, Erkenntnis oder Erfahrung)
Kommunikation – Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Kommunikation
Massenkommunikation
(u.a. Zeitungswissenschaft)
Nonverbale Kommunikation
(Austausch über visuellen oder
akustischen Kanal in Form von
Körperhaltung, Mimik, Betonung,
Sprachmelodie oder Gesten)
Interpretation der Körpersprache von Frauen
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/KommNonverbaleFrauen
Kommunikationsmittel
neben klassischer Kommunikation (z.B. face-to-face)
zunehmender Einsatz von Kommunikationstechnik (z.B. Internet, facebook)
Wie wichtig ist Kommunikation ?
Universität Heidelberg
Kommunikation ist die Grundlage eines jeden menschlichen Miteinanders
Christine Brinck
DIE ZEIT, 26.1.2012, Nr. 05
Kommunikation als der
Mechanismus durch
den menschliche
Beziehungen existieren
und sich entwickeln
Horton Cooley: Social Organization.
A Study of the Larger Mind.
New York 1909: Charles Scribner`s Sons
„communication alone can create a great community“
John Dewey: The Public and its problems. Swallow Press 1954.
Kommunikationswissenschaft
= wissenschaftliche Forschungsdisziplin im Bereich Sozial- und Geisteswissenschaften,
die sich mit menschlichen Kommunikationsvorgängen befasst
http://www.bwi.ch/sites/seminare/2013/kommunikationstraining_13.htm
Ist Kommunikation so schwierig ?
“einfaches“ Grundprinzip
Sender verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen
(Nachricht), die vom Empfänger entschlüsselt werden
(bei Übereinstimmung = Verständigung)
Kommunikation ist alltäglich
somit scheinbar selbstverständlich und nicht weiter problematisch
für die meisten Situationen ausreichend
(ständiges Hinterfragen d. eigenen Kommunikation zu aufwändig !)
erst bei Missverständnissen wird Kommunikation problematisiert
Probleme in d. Kommunikation
 evtl. schwerwiegende Auswirkungen !
Warum ist Kommunikation problematisch ?
eine der komplexesten Fähigkeiten des Menschen
nicht allein Weitergabe sachbezogener Informationen, sondern auch (bis 90%)
nonverbale Kommunikation
Einfluss-Faktoren
subjektiv
Persönlichkeitsstruktur
Motivation
Emotionen
Neid
Begehrlichkeiten
Zielsetzung
(Des)Interesse
etc
objektiv
Geschlecht
Alter
Sprache / Dialekt
Fremdsprache
Kultur
Bildungsniveau
Sichtweise
Verständnis
Problembewusstsein
Zeitdruck
Arbeitsverdichtung
etc
Kultur
je nach Kultur Kopfschütteln Zustimmung (z.B. in Bulgarien)
altersabhängige Sprache
Yolo = You only lives once
Fachsprache
„Flatulenz“
„Winde“
„Pups“
gemeinsame
interdisziplinäre
Sprache
Bildungsniveau / „Wissensbarriere“
Aufklärungen
Gibt es denn eine „erfolgreiche“ Kommunikation ?
zur Vermeidung von Missverständnissen wird Kommunikation oft eingeschränkt !
„Küsse sind das, was von der Sprache des
Paradieses übrig geblieben ist.“
Joseph Conrad, 1857-1924, brit. Schriftsteller
Universität Heidelberg
Krankenhaus-Management
Kommunikations-Mix
zentrale Bedeutung im Bereich des Praxis-/Klinikmarketings
beinhaltet alle Instrumente der Kommunikationspolitik
dazu gehören alle auf den Markt gerichteten Informationen eines Unternehmens
zum Zweck der Beeinflussung von Meinungen, Einstellungen und
Verhaltensweisen i.S. des Unternehmens
 u.a. Entscheidung über Art d. Werbung u. Erreichen potenzieller
Patienten
Subbereiche:
-Werbung
(z.B. Funk, Fernsehen, Internet, Printmedien, Plakate)
-Verkaufsförderung
-Öffentlichkeitsarbeit („Public Relations“, PR)
Kommunikation
…… zum Patient
…… zu Kollegen (interkollegial)
…… zu anderen Leistungserbringern
Reden ist Silber,
Schweigen ist Gold“
„
?
Universität Heidelberg
Kommunikation zum Patient
Wandel in Rolle des Arztes:
in seinen Entscheidungen kaum hinterfragten Autoritätsperson
 aus kritischer Distanz bewerteter Dienstleister
Kommunikation:
 als „mündiger“ Patient Behandlung als gleichberechtigter Partner mit
Kommunikation auf gleicher Ebene
 für Patienten nachvollziehbare Entscheidungen erfordern
u.a. adaptierte (cave: „Wissensbarriere“ !) und in „Patientensprache“
gehaltene verständliche Kommunikation
Partizipative Entscheidungsfindung (PEF)
„shared decision making“
gemeinsam verantwortete Entscheidung unter gleichberechtigter aktiver
Beteiligung von Patient und Arzt auf der Basis geteilter Information
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie – Mitteilungen 4/12
Universität Heidelberg
TED-Frage 1
Welche Aussage trifft zu ?
Nach meiner Schätzung erfolgt im Arzt-Patienten-Gespräch die
erste Unterbrechung des Patienten nach
A.
8 sec
B.
30 sec
C.
1 min
D.
2 min
E.
4 min
Deutsches Ärzteblatt, Jg. 109, Heft 47, 23.11.12
„nach durchschnittlich 8 Sekunden unterbricht der Arzt bereits
erstmals die Schilderung des Patienten“
Loh et al, Pat Educ Couns 2006
im antiken Griechenland und Rom war
das Studium der Rhetorik, der Kunst der Rede und Persuasion,
ein grundlegendes Fach für Studenten
Kommunikationsinteraktionstraining (KIT)
Universität Heidelberg
Blech J, Der Spiegel, 14.02.2011
Universität Heidelberg
TED-Frage 2
Welche Aussage trifft zu ?
Die kommunikative Kompetenz von Ärzten in Deutschland schätze
ich im Vergleich zwischen 8 europäischen Ländern auf Platz
A.
B.
C.
D.
E.
F.
G.
H.
1
2
3
4
5
6
7
8
Kommunikative Kompetenz von Ärzten
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie – Mitteilungen 4/12
Studie über Patientenzufriedenheit
in 8 europäischen Ländern
Beurteilung der kommunikativen
Kompetenz von Ärzten im
europäischen Vergleich
nur bei einem Drittel der
Befragten ausreichend !
= Platz 7
Härter M. Patientenbeteiligung aus Arztsicht. Symposium AOK, 30.11.2009
(zit. N. Coulter A, Magee H. The European Patient of the future. Open University Press 2003)
…. aber
Nur Unfähigkeit und mangelndes Training ???
Nein !!
vielfältige Gründe !!
…… auch und v.a. häufig:
Leistungsverdichtung
Arbeitsbelastung
nicht mehr als 7,5 Minuten
Gesprächszeit pro Patient
(Koch etal, DÄB 2010)
Arbeitszeitmodelle
24-Stunden-Betreuung
Sprachbarrieren
etc
Informationsverlust
z.B. im Schichtdienst
Universität Heidelberg
Universität Heidelberg
TED-Frage 3
Welche Aussage trifft zu ?
Die interkollegiale bzw. interprofessionelle Kommunikation in
„meiner“ Klinik schätze ich auf einer Skala von 0 (low) bis 10
(high) ein mit
A.
1-2
B.
3-4
C.
5-6
D.
7-8
E.
9 - 10
interprofessionelle Kommunikation
(Arzt – Arzt resp. Arzt – andere Leistungsanbieter)
Ausschnitt der Kommunikationswege und –arten im Gesundheitswesen
„Schnittstellenproblematik“
schnelle und sichere
„nahtlose“ Kommunikation
(aus: Master of Health Business Adiministration 2010; Universität Erlangen Nürnberg, Semester 3, Modul 5, Text 49, S.9)
medizin-administrativer Bereich
Daten-/Befundweitergabe „ohne Zeitverzögerung“
Effizienzsteigerung
Vermeidung von Doppeluntersuchungen
Patientensicherheit
Realität (Beispiel Entlassungsbrief)
Behandlung durch verschiedene Ärzte (z. T. „Medizintourismus“)
„Großteil“ d. Entlassbriefe
zeitlich verzögert (Tage bis Wochen) u./o. unzureichend
„Verbesserungsansätze“:
 Integrierte Versorgung
 elektronisch gestützter Informationsaustausch durch Einsatz von
Informations- u. Kommunikationstechnologie
-elektronische Gesundheitskarte
-elektronischer Artzbriefe
-elektronische Patientenakte
-„intelligente“ Bildverarbeitung/-archivierung (RIS-PACS-Technologie)
medizinischer Bereich
Koordination von Maßnahmen
erfordert Kommunikation
Lindt,,Dtsch Ärztebl, Jg 108, Heft 19, 13. Mai 2011
klinikinterne Kommunikationsmängel
Auswahl typischer Beispiele
präoperativ vom Operateur angeordnete und zur Operation erforderliche Blutkonserven
werden ohne Rücksprache nicht transfundiert Verschieben der geplanten Operation
ökonomisches (außerplanmäßige Leerstände im Op), ggf. medizin. Problem
intraoperativ erfolgt keine Information über aufgetretene Probleme
(z.B. Blutung, Beatmungsproblem, AZ-Verschlechterung)
medizinisches Problem (Gefahr für Patient)
zum Ende der Operation in Op bestellter Patient noch nicht auf Station wegen
fehlender Rückmeldung kein Vorziehen des nächsten Patienten, sondern Wartezeit
ökonomisches Problem (außerplanmäßige Leerstände im Op)
„verbesserungsfähige Zustände“ im Schockraum bei Versorgung Schwerverletzter
wegen fehlender oder falscher Kommunikation
medizinisches Problem (Gefahr für Patient)
Bsp:
Advanced Trauma Life Support (ATLS)
Universität Heidelberg
gemeinsame
Sprache
A
Airway
B
Breathing
C
Circulation
D
Disability
E
Exposure
simultane + strukturierte
Koordination
in der Versorgung
Schwerverletzter
Kommunikations-/Informationsmängel
Implantat-assoziierte Infektionen
„Tsunami an Infektionen“
R. Ascherl, 2009
keine Kommunikation über Möglichkeit e. Überweisung an
spezialisiertes Zentrum
kein interdisziplinärer Informationsaustausch (z.B. interdisziplinäre Visite)
keine Kommunikation neuer Erkenntnisse
(z.B. keine Fortbildung, keine Konsultation von Experten)
Informationsverlust bei Durchführung septischer Revisionen am Ende
des Op-Programms (z.T. nachts, meist nicht durch Experte)
Fehlen einer einheitlichen Infektionsstatistik (u.a. unterschiedliche Definitionen etc.)
“ideale Form der Selbsttäuschung !
Kommunikationsfluss
zw. ICT (infection control specialist) und HCW (healthcare worker)
bevorzugt werden:
 Informationen von gleicher Berufsgruppe
 vertikaler Informationstransfer (innerhalb Hierarchie)
 Fortbildungen und faceto-face-Kontakt
(weniger elektronische Medien)
 größere Präsenz der ICT auf Station
(„interdisziplinäre“ Visite)
Universität Heidelberg
…… was ist das ?
Biokommunikation
= zeichenvermittelte, regelgeleitete Interaktionen zwischen
nicht-menschlichen Lebewesen
Gemeinschaft bietet Überlebensvorteil
….aber jetzt kommt der „burner“ !
auch Bakterien
„reden“
miteinander !
Mikrobielles Kommunikationssystem
Universität Heidelberg
intensive Zell-Zell Interaktionen  synergistische Mikrokonsortia
(„vergleichbar mit mehrzelligem Organismus“)
„City of microbes“ („Wohngemeinschaft von Bakterien“)
 Überlebensvorteil !
Universität Heidelberg
TED-Frage 4
Welche Aussage trifft zu ?
Die „Sprache“ der Bakterien
A.
ist eine Dialektform der Septischen Chirurgie.
B.
möchte ich unbedingt lernen.
C.
ist mir völlig neu.
D.
Interessiert mich brennend.
Kommunikation der Bakterien
„alte Sprache“
nach „Entdeckung“ der Bakterien
Dogma:
Bakterien existieren unabhängig voneinander
in strikt solitärer Lebensweise !

erst vor 65 Jahren durch Untersuchungen an marinen Leuchtbakterien (Vibrio fischeri)
erste Hinweise auf ein multizelluläres Verhalten von Bakterien

seit Anfang der 1990er Jahre zunehmendes Interesse an der
„Kommunikation der Bakterien“
Frau Professor Bonnie L. Bassler
„How bacteria talk“
- Bonnie Bassler auf TED – Discovering bacteria`s amazing communication system (www.ted.com/index.php/tals/bonnie_bassler_on_how_bacteria_communicate)
Kommunikationsformen:
 intraspezifisch (innerhalb einer Art)
 interspezifisch (zwischen verschiedenen Arten)
 inter-kingdom (zwischen Bakterien und höheren Organismen)
Ist die „Sprache“ der Bakterien schwierig ?
analog zu anderen Kommunikationssystemen
Aufbau aus 4 Komponenten
 Signalausgabe
 Art des Signals
 Empfang eines Signals
 Ausgabe einer Signalantwort
….. aber im Detail sehr komplex !
Interzelluläre Zell-Zell-Kommunikation (ZZK)
- Koordination von Gruppenaktivitäten Paradebeispiel: Myxobakterien (terrestriche Mikrobiologie)
biochemische
Informationsaustausch
interzelluläre Signalmoleküle
(kleine diffusionsfähige Moleküle)
in Abhängigkeit und unter Messung
der Populationsdichte
Zell-Zell-Kommunikation (Quorum sensing, QS)
interbakterielle Kommunikation abhängig von Zelldichte/-anzahl
kontinuierliche Abgabe von Signalmolekülen durch Bakterien
In Abhängigkeit von Zelldichte steigt d. Konzentration d. Moleküle
bei Erreichen bestimmter Dichte/Anzahl v. Bakterien
(quorum sensing, QS)
(im römischen Senat Mindestanzahl der für Abstimmung erforderlichen Mitglieder)
Überschreiten einer kritischen Schwellenkonzentration
Gen-Aktivierung und Transkription spezifischer Genprodukte
(u.a. auch verstärkte Synthese des Signalmoleküls = Autoinduktion) (= Autoinducer)
regulatorische Proteine bewirken phänotypische/ funktionelle Veränderungen
z.B.
Produktion/Freisetzung von Pathogenitäts-/Virulenzfaktoren (z.B. LPS, Alginat, Adhäsine)
Produktion von Polysacchariden („Schleim“) mit Biofilmbildung
LuxI/LuxR-QS-System
z.B.
Regulation der Biolumineszenz
von Vibrio fischeri
(Photobacterium; Symbiont in
Leuchtorganen von Fischen u.
Weichtieren)
„Leuchten ist dichteabhängig“
Signalmolekül:
Autoinducer -1 (AI-1)
N-Acyl-Homoserin-Lacton
(AHL)
(aus: Folwaczny & Hickel, Deutsche Zahnärztliche
Zeitschrift 58 (2003), 648-659)
Vielzahl AHL-induzierter
Signalkaskaden
(aus: Folwaczny & Hickel, 2003)
 v.a. in gram-negativen
Bakterien
 v.a. zur intraspezifischen
Kommunikation
LuxS/AI-2-QS-System
Autoinducer -2 (AI-2) = zyklischer Furanosyl-borat-diester
bei gram-positiven und gram-negativen Bakterien
 v.a. zur interspezifischen Kommunikation
Fazit:
QS bisher für zahlreiche Bakterienarten nachgewiesen
 v.a. bei gram-negativen Bakterien
 verschiedene QS-Systeme beschrieben
 manche Bakterienspezies verwenden zwei QS-Systeme
Wozu „dient“ die Sprache ?
durch interzelluläre Kommunikation koordiniere Bakterien ihr Verhalten
und passen sich an veränderte Umweltbedingungen an
Überlebensvorteil !
 Bildung von Biofilmen
Adhäsion
Verlust von Motilität
Produktion von extrazellulären polymeren Substanzen („Schleim“)
 Produktion von Virulenzfaktoren
 Austausch von Resistenzgenen
erhöhte Resistenz gegenüber Antibiotika
„aktive“ Verteidigung gegen körpereigene Abwehrzellen
„Shielding“
manche Biofilm-Bakterien „verteidigen“ sich aktiv
Universität Heidelberg
P. Cornelis, Microbiology 2009
P. aeruginosa Biofilme produzieren
durch Vermittlung von Quorum
Sensing-Molekülen Rhamnolipide
( Nekrose der PMN)
„Schutzschild“
aus Rhamnolipiden
(„launch a shield“ Modell)
(aus: Alhede et al, Microbiology 2009)
„Reden“ Bakterien nur miteinander ?
Nein !
…. reden auch mit höheren
Organismen, z.B. uns !
Beispiel: körpereigene Abwehr des Menschen
Universität Heidelberg
in vivo
ggf. Verhinderung der Biofilm-Bildung !
Wie hören wir die Sprache der Bakterien
Universität Heidelberg
und wie verstehen wir sie ?
Rezeptor („Ohr“) auf Abwehrzellen ?
Informationsverarbeitung ?
PD 98059
SB 203580
Staurosporin
U73112
Wortmannin
160
Pertussis
Toxin
140
Gefinitib
HBSS
100
160
160
160
120
leading front (µm)
leading front (µm)
leading front (µm)
leading front (µm)
leading front (µm)
140
140
140
120
120
100
120
100
100
100
80
140
120
HBSS
PLC
PLC
HBSS
HSL
HBSS
HSL
HSL
HBSS
DAG
DAG
100
80
60
80
PKC
Src
AC
Sos
Shc
CAMP
PAK
Ras
Akt
PKA
MEKK
SEK
JNK
Raf
MEK
Erk
Erk
PIP3
HSL 12
40
60
40HBSS
20
HSL 100µM
20
40
0
20
0µM
3,1µM
6,3µM
12,5µM
0µM
0,1µM
1 µM
0nM
0,063nM 0,125nM 0,25nM
25µM
50µM
100 µM
100 µMPD 98059
1,0nM
20
SB 203580
20
ohne
0,01µm
0,1µM
1 µM
10 µM
100
µM
Staurosporin
20
0nM
0,32nM 0,63nM 1,25nM 2,5nM
5nM
10nM
0ng
0,01ng 0,1ng
1 ng
10ng
100ng 1000ng U73112
20
Wortmannin
0µM
0,01µm
0,1µM
1 µM
10 µM
100
µM
Pertussis
Toxin
4040
Grb2
PI3K
PI3K
60
60
40
G-Protein
G-Protein
HBSS
60
40
60 60
Adhesionreceptors
80
80
80
Cytokinereceptors
Gα Gß γ
120
HSL
80100HSL 12 100µM
leading front (µm)
leading front (µm)
180
180
180
140
TyrosinKinases
10 µM
0,5nM
Gefinitib
Cytoskeleton
Nucleus
Metabolism
Signaltransduktion
Universität
Heidelberg
Inhibition
der Chemotaxis
durch Blockierung definierter Signaltransduktionswege
TyrosinKinases
PD 98059
SB 203580
Staurosporin
U73112
Wortmannin
160
Pertussis
Toxin
140
Gefinitib
HBSS
100
160
160
160
120
leading front (µm)
leading front (µm)
leading front (µm)
leading front (µm)
leading front (µm)
140
140
140
120
120
100
120
100
100
100
80
140
120
HBSS
PLC
PLC
HBSS
HSL
HBSS
HSL
HSL
HBSS
DAG
DAG
100
80
60
80
PKC
AC
Sos
Shc
CAMP
PAK
Ras
Akt
PKA
MEKK
SEK
JNK
Raf
MEK
Erk
PIP3
HSL 12
40
60
40HBSS
20
HSL 100µM
20
40
0
20
0µM
3,1µM
6,3µM
12,5µM
0µM
0,1µM
1 µM
0nM
0,063nM 0,125nM 0,25nM
25µM
50µM
100 µM
100 µMPD 98059
1,0nM
20
SB 203580
20
ohne
0,01µm
0,1µM
1 µM
10 µM
100
µM
Staurosporin
20
0nM
0,32nM 0,63nM 1,25nM 2,5nM
5nM
10nM
0ng
0,01ng 0,1ng
1 ng
10ng
100ng 1000ng U73112
20
Wortmannin
0µM
0,01µm
0,1µM
1 µM
10 µM
100
µM
Pertussis
Toxin
4040
Src
60
60
40
Grb2
PI3K
HBSS
60
40
60 60
G-Protein
80
80
80
Adhesionreceptors
Gα Gß γ
120
HSL
80100HSL 12 100µM
leading front (µm)
leading front (µm)
180
180
180
140
Cytokinereceptors
10 µM
0,5nM
Gefinitib
Cytoskeleton
Nucleus
Metabolism
Metabolism
„Plaudern“ Bakterien ununterbrochen ?
Nein !
…. sie hören auch mal auf !
Inhibition der Zell-Zell-Kommunikation
(„Quorum Quenching“, QQ)
Abbau / Inaktivierung der Signalmoleküle durch QQ-Enzyme
(z.B. AHL-degradierende Enzyme wie z.B. AHL-Lactonasen)
„Gesprächsende“
 durch „Sprachblockierung“ Hemmung
konkurrierender Bakterien ??
….und die Forschung steht erst am Anfang !
„What we know is a drop,
what we don`t know is an
ocean.“
Sir Isaac Newton, 1642-1727
Was interessiert uns
das „Plaudern“ der Bakterien ?
bakterielle Kommunikation
(Quorum sensing-Regulationssystem)
von entscheidender Bedeutung
z.B. hinsichtlich neuer Therapieansätze
analog dem Quorum Quenching
Inhibition der Zell-Zell-Kommunikation
(„Blockierung“ der Sprache)
durch Interferenz mit den Signalmolekülen
 Vermeidung von Biofilm-Bildung !
Interview, Berliner Seminare 2013
„Hotspot“ Präventions-Strategien
Universität Heidelberg
Interferenz mit Signalmolekülen der Biofilmbildung
Blockierung der Quorum Sensing-Moleküle
QS Inhibitor Furanon C-30
Jensen et al 2007; Alhede et al 2009
trotz erfolgversprechender in vitro-Daten bisher kein klinischer Einsatz
Bacterial communications in implant infections – a new target
Trend zu „intelligentem“ bzw. „biotechnologischem“
Kampf gegen Biofilme
Universität Heidelberg
Mensch vs. Bakterien
---- sind die Kleinen chancenlos ?
Kommunikation
„Sprache“ der Menschen
Informationsaustausch u. Koordination
„neuere Sprache“ - gut erforscht
komplex
7 Milliarden Menschen
„Sprache“ der Bakterien
Informationsaustausch u. Koordination
„ältere Sprache – kaum erforscht
„nicht einfacher“ – komplexer ?
100 Billionen (100.000 Milliarden)
Bakterien pro Mensch
>1000 Spezies
1.000 Bakterien / Körperzelle
neben sachbezogenem Inhalt
persönlich-emotional geprägt
(Gefühle, Begehrlichkeiten, Neid, Hass, Liebe etc)
Interpretationsspielraum !
„einzelnes Individuum“
biochemische Signale:
schnell, zuverlässig, treffsicher,
reliable, emotionslos
 unmissverständlich !
„Gemeinschaft“
Universität Heidelberg
und
Universität Heidelberg
„Take home message“
Reden ist besser
als Schweigen !
….. aber man muss
auch zuhören können !
Universität Heidelberg
„Take home message“
Wir müssen
miteinander reden !
Verbesserung der Kommunikation
erforderlich
Arzt – Patient
interkollegial / interprofessionell
„Take home message“
Universität Heidelberg
„Erfordernisse“
„Wegfall“ subjektiver Faktoren
(Emotionen, Begehrlichkeiten, persönliche Interessen)
gerade bei Infekten „offenerer“ Umgang (Patienten, Mitarbeitern u. Kollegen)
u.a. keine „Schuldgefühle“ wegen „Versagen“
„Bekennen“ !
bessere „Fehlerkultur“
(u.a. M & M-Konferenz)
einheitliche Erfassung in Infektionsregister
(verpflichtend, „ehrlich“ )
einheitliche Definition
einheitliche Klassifikation
„einheitliche Sprache“
„Take home message“
Universität Heidelberg
„Mut“ zur Überweisung / Verlegung in spezialisiertes Zentrum
(Kommunikation !)
regelmäßige „interdisziplinäre“ Visiten
(z.B. Mikrobiologie, Hygiene, Infektiologie)
Informationsaustausch mit Experten / „Interessierten“
z.B.
Spezialsprechstunden
interprofessionelle/ interdisziplinäre Fortbildungen / Symposia
Hospitationen
„national / international“ !
Universität Heidelberg
„Take home message“
im „Mittelpunkt“ d. Kommunikation
beim Menschen
– der „Einzelne“
bei Bakterien im Biofilm
– die Gemeinschaft !
Universität Heidelberg
„Take home message“
„Flüstern“
der Bakterien
nicht unterschätzen !
Universität Heidelberg
„Take home message“
Im Kampf gegen Infektionen
könnte die „Unterbrechung der
Kommunikation der Bakterien“
die Biofilm-Bildung vermeiden !
„Take home message“
Universität Heidelberg
Verbesserung der Kommunikation zwischen Klinik (Chirurgie,
Mikrobiologie etc) und Grundlagenforschung
Kenntnis der Pathophysiologie unverzichtbar !
(„Erst verstehen, dann Lösungen suchen“)
Bjarnsholt and Hoiby
FEMS Immunol Med Microbiol 2012
aktuelles Wissen
„was wir brauchen“
=
=
„Biofilm version 1.0“
„Biofilm version 2.0 and higher“
 einheitliche Sprache (z.B. Medics meet Engineers)
 partnerschaftliche konstruktive Zusammenarbeit
„Zusammenkunft ist ein Anfang.
Zusammenhalt ist ein Fortschritt.
Zusammenarbeit ist der Erfolg.“
Henry Ford (1863-1947)
Universität Heidelberg
„Take home message“
„Ein erfolgreicher gemeinsamer Kampf
gegen Infektionen“
erfordert
„interdisziplinäre Zusammenarbeit“
von Spezialisten verschiedener Fachrichtungen
(Koordination und Kommunikation)
„Take home message“
Auch Bakterien im Biofilm sind keine Einzelkämpfer,
sondern sie „reden miteinander“ !
--- nehmen wir uns ein Beispiel !
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