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Was ist Metaphysik?
Rafael Capurro
Hochschule der Medien
www.capurro.de
Überblick
I. Metaphysik vor und nach Kant

Kant

Nietzsche

Encyclopédie

Suarez

Baumeister

Wolff

Baumeister

Kant

Hegel

Dilthey

Heidegger

Fazit
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
2
Überblick
II. Perspektiven der Metaphysik
 Wortgeschichte (Aristoteles)
 Alltagsmetaphysik
 Metaphysik und Moderne
 Metaphysik heute
 Metaphysikgeschichte
 Metaphysikkritik
 Metaphysikforschung
 Analytische Metaphysik
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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I. Metaphysik vor und nach
Kant
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Kant
"DIE MENSCHLICHE VERNUNFT HAT DAS BESONDERE
SCHICKSAL IN EINER GATTUNG IHRER ERKENNTNISSE:
DASS SIE DURCH FRAGEN BELÄSTIGT WIRD,
DIE SIE NICHT ABWEISEN KANN,
DENN SIE SIND IHR DURCH DIE NATUR DER VERNUNFT
SELBST AUFGEGEBEN,
DIE SIE ABER AUCH NICHT BEANTWORTEN KANN,
DENN SIE ÜBERSTEIGEN ALLES VERMÖGEN
DER MENSCHLICHEN VERNUNFT.
DER KAMPFPLATZ DIESER ENDLOSEN
STREITIGKEITEN HEISST NUN
M E T A P H Y S I K."
(Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, A VII)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Kant
"ES WAR EINE ZEIT, IN WELCHER SIE DIE
K Ö N I G I N ALLER WISSENSCHAFTEN
GENNANT WURDE, UND, WENN MAN DEN WILLEN
VOR DIE TAT NIMMT, SO VERDIENTE SIE, WEGEN
DER VORZÜGLICHEN WICHTIGKEIT IHRES
GEGENSTANDES, ALLERDINGS DIESEN EHRENNAMEN.
JETZT BRINGT ES DER MODETON DES ZEITALTERS
SO MIT SICH, IHR ALLE VERACHTUNG ZU BEWEISEN
UND DIE MATRONE KLAGT, VERSTOSSEN UND
VERLASSEN, WIE H E K U B A:
(...) MODO MAXIMA RERUM,
TOT GENERIS NATISQUE POTENS (...)
NUNC TRAHOR EXUL, INOPS (...) (Ovid, Metam.)
(EBEN NOCH DIE ALLERHÖCHSTE, MÄCHTIG DURCH SO VIEL SCHWIERIGKEITEN
UND KINDER... WERDE ICH JETZT,
VERSTOSSEN UND HILFLOS, HINWEGGEFÜHRT.)
(Kant, KrV A VII)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Kant
"AUCH WÄRE ES BEI DIESER LAGE DER SACHEN EBEN NICHT
NÖTIG GEWESEN, SO WEIT AUSZUHOLEN UND IN DEM
FIEBERHAFTEN GEHIRNE BETROGENER SCHWÄRMER DURCH
HÜLFE DER METAPHYSIK GEHEIMNISSE AUFZUSUCHEN.
DER SCHARFSINNIGE H U D I B R A S HÄTTE UNS ALLEIN DA
RÄTSEL AUFLÖSEN KÖNNEN, DENN NACH SEINER MEINUNG:
WENN EIN HYPOCONDRISCHER WIND IN DEN EINGEWEIDEN
TOBET, SO KOMMT ES DARAUF AN, WELCHE RICHTUNG ER
NIMMT, GEHT ER ABWÄRTS, SO WIRD DARAUS EIN F-,
STEIGT ER ABER AUFWÄRTS, SO IST ES EINE ERSCHEINUNG
ODER EINE HEILIGE EINGEBUNG.“
(Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers erläutert durch Träume der
Metaphysik, 73)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Nietzsche

Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches (Werke I,
Hrsg. K. Schlechte, 9 (S. 452)
„Metaphysische Welt. - Es ist wahr, es könnte eine metaphysische Welt
geben; die absolute Möglichkeit davon ist kaum zu bekämpfen. Wir
sehen alle Dinge durch den Menschenkopf an und können diesen
Kopf nicht abschneiden; während doch die Frage übrig bleibt, was
von der Welt noch da wäre wenn man ihn doch abgeschnitten hätte.
Dies ist ein rein wissenschaftliches Problem und nicht sehr geeignet,
den Menschen Sorge zu machen; aber alles, was ihnen bisher
metaphysische Annahmen wertvoll, schreckenvoll, lustvoll
gemacht, was sie erzeugt hat, ist Leidenschaft, Irrtum und
Selbstbetrug; die allerschlechtesten Methoden der Erkenntnis, nicht
die allerbesten, haben daran glauben lehren.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Nietzsche
Wenn man diese Methoden als das Fundament aller vorhandenen
Religionen und Metaphysiken aufgedeckt hat, hat man sie
widerlegt! Dann bleibt immer noch jene Möglichkeit übrig; aber
mit ihr kann man nichts anfangen, geschweige denn, daß man
Glück, Heil und Leben von den Spinnenfäden einer solchen
Möglichkeit abhängen lassen dürfte. Denn man könnte von
der metaphysischen Welt gar nichts aussagen als ein
Anderssein, ein uns unzugängliches, unbegreifliches
Anderssein; es wäre ein Ding mit negativen Eigenschaften, Wäre die Existenz einer solchen Welt noch so gut bewiesen,
so stünde doch fest, daß die gleichgültigste aller Erkenntnis
eben ihre Erkenntnis wäre: noch gleichgültiger als dem
Schiffer in Sturmesgefahr die Erkenntnis von der chemischen
Analysis des Wassers sein muß.“
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Nietzsche
Friedrich Nietzsche: Götzen-Dämmerung:
Wie die "wahre Welt" endlich zur Fabel wurde.
Geschichte eines Irrtums
1. Die wahre Welt, erreichbar für den Weisen, den Frommen, den Tugendhaften, er lebt in ihr, er ist sie.
(Älteste Form der Idee, relativ klug, simpel, überzeugend. Umschreibung des
Satzes "Ich, Plato, bin die Wahrheit")
2. Die wahre Welt, unerreichbar für jetzt, aber versprochen für den Weisen, den
Frommen, den Tugendhaften ("für den Sünder, der Buße tut").
(Fortschritt der Idee: sie wird feiner, verfänglicher, unfaßlicher - sie wird Weib, sie
wird christlich...)
3. Die wahre Welt, unerreichbar, unbeweisbar, unversprechbar, aber schon als
gedacht ein Trost, eine Verpflichtung, ein Imperativ.
(Die alte Sonne im Grunde, aber durch Nebel und Skepsis hindurch; die Idee
sublim geworden, bleich, nordisch, königsbergisch.)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Nietzsche
4. Die wahre Welt - unerreichbar? Jedenfalls unerreicht. Und als unerreicht auch unbekannt. Folglich auch nicht tröstend, erlösend,
verpflichtend: wozu könnte uns etwas Unbekanntes verpflichten?...
(Grauer Morgen. Erstes Gähnen der Vernunft. Hahnenschrei des Positivismus.)
5. Die "wahre Welt" - eine Idee, die zu nichts mehr nützt ist, nicht einmal
mehr verpflichtend - eine unnützt, eine überflüssig gewordene Idee,
folglich eine widerlegte Idee: schaffen wir sie ab!
(Heller Tag; Frühstück; Rückkehr des bon sens und der Heiterkeit;
Schamröte Platos; Teufelslärm aller freien Geister.)
6. Die wahre Welt haben wir abgeschafft: welche Welt bleibt übrig? die
scheinbare vielleicht?... Aber nein! mit der wahren Welt haben wir
auch die scheinbare abgeschafft!
(Mittag; Augenblick des kürzesten Schattens; Ende des längsten Irrtums;
Höhepunkt der Menschheit; INCIPIT ZARATHUSTRA.)
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Encyclopédie
Encyclopédie (1751-1780)
„METAPHYSIQUE, s.f. c'est la science des raisons des choses.
Tout a sa métaphysique et sa pratique: la pratique, sans la
raison de la pratique; etla raison sans l'exercice, ne forment
qu'une science imparfaite. Interrogez un peintre, un poete, un
musicien, un géometre, et vous les forcerez à rendre compte
de ses opérations, c'est-à-dire à en venir à la métaphysique
de son art.
Quand on borne l'objet de la métaphysique à des considérations
vuides et abstraites sur le tems, l'espace, la matiere, l'esprit,
c'est une science méprisable; mais quand on la considere
sous son vrai point de vue, c'est autre chose. Il n'y a guere
que ceux qui n'ont pas assez de pénetration qui en disent du
mal.“

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Suarez
FRANCISCO SUAREZ (1548-1617): DISPUTATIONES METAPHYSICAE
IN PRIMO TOMO: PROEMIUM.
„INTER OMNES AUTEM NATURALES SCIENCIAS, EA, QUAE PRIMA OMNIUM
EST, ET NOMEN PRIMAE PHILOSOPHIAE OBTINUIT, SACRAE AC
SUPERNATURALI THEOLOGIAE PRAECIPUE MINISTRAT. UM QUIA AD
DIVINARUM RERUM COGNITIONEM INTER OMNES PROXIME ACCEDIT,
TUM ETIAM QUIA EA NATURALIA PRINCIPIA EXPLICAT ATQUE
CONFIRMAT, QUAE RES UNIVERSAS COMPREHENDUNT, OMNEMQUE
DOCTRINAM QUODAMMODO FULCIUNT ATQUE SUSTENTANT.

DISPUTATIO PRIMA: DE NATURA PRIMAE PHILOSOPHIAE SEU
METAPHYSICAE ET IDEO METAPHYSICA DICTA EST, QUASI POST
PHYSICAM, SEU ULTRA PHYSICAM CONSTITUTA, POST (INQUAM) NON
DIGNITATE, AUT NATURAE ORDINE, SED ACQUISITIONIS,
GENERATIONIS, SEU INVENTIONIS, VEL SI EX PARTE OBJECTI ILLUD
INTELLIGAMUS, RES, DE QUIBUS HAEC SCIENTIA TRATAT, DICUNTUR
ESSE POST PHYSICA SEU NATURALIA ENTIA, QUIA EORUM ORDINEM
SUPERANT, ET IN ALTIORI RERUM GRADU CONSTITUTAE SUNT.“
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Suarez
IN PRIORI TOMO
Disputatio I: De natura primae philosophiae seu metaphysicae
II: De ratione essentiali seu conceptu entis
III: De passionibus entis in communi et principiis ejus
IV: De unitate transcendentali in communi
V: De unitate individuali, ejusque principio
VI: De unitate formali et universali
VII: De variis distinctionum generibus
VIII: De veritate seu vero quod es passio entis
IX: De falsitate seu falso
X: De bono seu bonitate transcentali
XI: De malo
XII: De causis entis in communi

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Suarez
XIII: De materiali causa substantiae
XIV: De causa materiali accidentium
XV: De causa formali substantiali
XVI: De formali causa accidentali
XVII: De causa efficiente in communi
XVIII: De causa proxima efficiente, ejusque causalitate, et omnibus quae ad causandum
requirit
XIX: De causis necessario, et libere seu contingenter agentibus, ubi etiam de fato, fortuna et
casu
XX: De prima causa efficiente, primaque ejus actione, quae est creatio.
XXI: De prima causa efficiente, et altera ejus actione, quae est conservatio.
XXII: De prima causa, et alia ejus actione, quae est cooperatio, seu concursus cum causis
secundis.
XXIII: De causa finali in communi.
XXIV: De ultima finali causa, seu ultimo fine.
XXV: De causa exemplari
XXVI: De comparatione causarum ad effecta.
XXVII: De comparatione causarum inter se.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Suarez
IN POSTERIORI TOMO
XXVIII: De divisione entis in infinitum et finitum
XXIX: De primo et increato ente, an sit.
XXX: De primo ente seu deo, quid sit.
XXXI: De essentia entis finiti ut tale est, et illius esse, eorumque
distinctione.
XXXII: De divisione entis creati in substantiam et accidens.
XXXIII: De substantia creata in communi
XXXIV: De prima substantia seu supposito, ejusque distinctione a natura.
XXXV: De immateriali substantia creata
XXXVI: De substantia materiali in communi
XXXVII: De communi ratione, et conceptu accidentis
XXXVIII: De comparatione accidentis ad substantiam
XXXIX: De divisione accidentis in novem summa genera
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Suarez
XL: De quantitate continua
XLI: De quantitate discreta, et coordinatione praedicamenti quantatis et
proprietatibus ejus.
XLII: De qualitate et speciebus ejus in communi
XLIII: De potentia
XLIV: De habitibus
XLV: De qualitatum contrarietate
XLVI: De intensione qualitatum
XLVII: De relationibus realibus creatis
XLVIII: De actione
XLIX: De passione
L: De quando, et in universum de durationibus
LI: De ubi
LII: De situ
LIII: De habitu
LIV: De ente rationis
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Baumeister
POSITIONES METAPHYSICAE (in: "Philosophia definitiva", 1775) (von
Friedrich Chr. BAUMEISTER 1709-1785 nach Chr. Wolff)
I. EX ONTOLOGIA
PRINCIPIUM CONTRADICTIONIS CONSTITUIT HAEC PROPOSITIO:
IMPOSSIBILI EST, IDEM SIMUL ESSE ET NON ESSE.
NIHIL EST SINE RATIONE SUFFICIENTE
QUOD IMPOSSIBILE EST, ID QUOQUE NON POTEST AD EXISTENTIAM
PERVENIRE, SIVE A NON POSSE AD NON ESSE VALET CONSEQUENTIA.
FORMA DAT ESSE REI

II. EX COSMOLOGIA
IN NATURA NIHIL FIT PER SALTUM
MUNDUS EST ENS COMPOSITUM
OMNE MIRACULUM, CUM FIT, FIT PER SALTUM
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Baumeister
III. EX PSYCHOLOGIA
ANIMA EST ENS SIMPLEX.
ANIMA EST IMMORTALIS.
ANIMAE BRUTORUM SUND EX SUA NATURA
INDESTRUCTIBILES.
INTER HOMINIS BRUTIQUE ANIMAM TANTA
EST DIFFERENTIA, QUANTA MAXIMA ESSE POTEST.

IV. EX THEOLOGIA NATURALI
DATUR DEUS.
DEUS EST ENS A SE.
DEUS LIBERRIME MUNDUM CREAVIT.
DEUS EST DOMINUS OMNIUM RERUM.

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Wolff
CHRISTIAN WOLFF (1679-1754) (Deutsche Metaphysik)
VERNÜNFTIGE GEDANKEN VON GOTT, DER WELT UND DER
SEELE DES MENSCHEN, AUCH ALLEN DINGEN
ÜBERHAUPT (Halle 1720)

- Selbsterfahrung u. Descartes' "cogito ergo sum":
was richtig demonstriert wird, ist ebenso gewiß, als wir sind.
- Grundprinzipien: Satz vom Widerspruch, Satz vom Grunde
Wesen (Möglichkeit) als Grundbestimmung eines Dinges.
Ordnung (Ähnlichkeit des Mannigfaltigen).
Vollkommenheit: Zusammenstimmung des Mannigfaltigen.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Wolff
"Prima philosophia sive Ontologia
- EMPIRISCHE PSYCHOLOGIE: was wir in der täglichen
Erfahrung von der Seele (Bewußtsein) wahrnehmen (Erkenntnis,
Empfindung, Einbildungskraft, Gedächtnis, Verstand,
Erfahrung, Experiment, Vernunft, Erwartung, Lust, Affekte,
Wille, Wahlfreiheit)
- KOSMOLOGIE: Welt als ein Ganzes aus Teilen
zusammengesetzt
(Maschinenmodell) Welt als nexus rerum gemäß ratio sufficiens.
Natur: bewegende und bewirkende Kraft, die das Wesen des
Dinges determiniert (Natur macht keine Sprünge)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Wolff
- RATIONALE PSYCHOLOGIE: Seele als Substanz, Kraft,
Selbstbewußtsein (Aristot. Substanz + Leibniz Monade)
prästabil. Harmonie Vollkommenheit des Verstandes
(Deutlichkeit der Begriffe und Schlüsse), der Vernunft (Einsicht
in alle Wahrheiten) des Willens (vollst. Vorstellung des
Besten).
- NATÜRLICHE THEOLOGIE: Beweis Gottes aus der Kontigenz
der Welt; Eigenschaften Gottes: Vorherwissen (folgt aus dem
Satz v. Grunde); Verstand (Quelle aller Dinge); Wille
(Ursache ihrer Wirklichkeit); hat die beste Welt geschaffen.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Wolff
CHRISTIAN WOLFF: PHILOSOPHIA PRIMA SIVE ONTOLOGIA (1728)
PARS I: DE NOTIONE ENTIS IN GENERE ET PROPRIETATIBUS, QUAE INDE
CONSEQUUNTUR
I. DE PRINCIPIIS PHILOSOPHIAE PRIMAE
- De principio contradictionis
- De principio rationis sufficientis
II. DE ESSENTIA ET EXISTENTIA ENTIS
- De possibili et impossibili
- De determinato et indeterminato
- De notione entis (ens dicitur quod existere potest)
III. DE GENERALIBUS ENTIS AFFECTIONIBUS
- De identitate & similitudine
- De ente singulari & universali
- De necessario & contingente
- De quantitate
- De ordine, veritate & perfectione
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Wolff
PARS II: DE SPECIEBUS ENTIUM ET EORUM AD SE INVICEM RESPECTU
I. DE ENTE COMPOSITO
- De essentia entis compositi
- De extensione, continuitate, spatio & tempore (tempus non datur nisi
existentibus successivis in continua serie)
- De qualitatibus & magnitudine entis compositi
- De motu
II. DE ENTI SIMPLICI
- De differentia entis simplicis & compositi
- De modificationibus rerum, praesertim simplicium
- De ente finito & infinito
III. DE RESPECTU ENTIUM AD SE INVICEM
- Dependentia rerum earumque relatione
- De causis
- De signo
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Wolff
WOLFF, VERNÜNFTIGE GEDANKEN VON GOTT... § 29 u. 30
"WENN EIN DING A ETWAS IN SICH ENTHÄLT, DARAUS MAN
VERSTEHEN KANN, WARUM B IST, B MAG ENTWEDER
ETWAS IN A ODER AUSSER A SEIN, SO NENNET MAN
DASJENIGE, WAS IN A ANZUTREFFEN IST, DEN GRUND
VON B; A SELBST HEISSET DIE URSACHE, UND VON B
SAGET MAN, ES SEI IN A GEGRÜNDET. NEMLICH DER
GRUND IST DASJENIGE, WODURCH MAN VERSTEHEN
KANN, WARUM ETWAS IST, UND DIE URSACHE IST EIN
DING, WELCHES DEN GRUND VON EINEM ANDEREN IN
SICH ENTHÄLT."
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Wolff
"WO ETWAS VORHANDEN IST, WORAUS MAN BEGREIFEN KANN,
WARUM ES IST, DAS HAT EINEN ZUREICHENDEN GRUND.
DEROWEGEN WO KEINER VORHANDEN IST, DA IST NICHTS,
WORAUS MAN BEGREIFEN KANN, WARUM ETWAS IST,
NEMLICH WARUM ES WIRKLICH WERDEN KANN, UND ALSO
MUSS ES AUS NICHTS ENTSTEHEN.
WAS DEMNACH NICHT AUS NICHTS ENTSTEHEN KANN, MUSS
EINEN ZUREICHENDEN GRUND HABEN, WARUM ES IST, ALSO
ES MUSS AN SICH MÖGLICH SEIN UND EINE URSACHE
HABEN,DIE ES ZUR WIRKLICHKEIT BRINGEN KANN, WENN WIR
VON DINGEN REDEN, DIE NICHT NOTWENDIG SIND.
DA NUN UNMÖGLICH IST, DASS AUS NICHTS ETWAS WERDEN
KANN, SO MUSS AUCH ALLES, WAS IST, SEINEN ZUREICHENDEN GRUND HABEN WARUM ES IST."
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Baumgarten
ALEXANDER G. BAUMGARTEN: METAPHYSICA (1766)
I. PROLEGOMENA METAPHYSICORUM
Metaphysica est scientia primorum in humana cognitione
principiorum.
Ad metaphysicam referuntur ontologia, cosmologia,
psychologia, et theologia naturalis.
II. TRACTATIO
1) ONTOLOGIA
A) PROLEGOMENA
ONTOLOGIA (die Grund-Wissenschaft) (ontosophia,
metaphysica, metaphysica universalis, architectonica,
philosophia prima) est scientia praedicatorum entis
generaliorum.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
27
Baumgarten
B) TRACTATIO DE PRAEDICATIS ENTIUM
a) internis:
aa) universalibus: possibili, conexum, ens, unum, verum, perfectum
bb) disiunctis: necessarim/contingens mutabile/immutabile, reale/negativum, singualre/universale, totale/partiale,
substantia/accidens, simplex/compositum, finitum/infinitum
b) externis:
aa) idem et diversum
bb) simultaneum & successivum
cc) causa & causatum
dd) signum & signatum
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
28
Baumgarten
2) COSMOLOGIA
A) PROLEGOMENA
B) TRACTATIO DE MUNDI: Mundus (die
ganze Welt) (universum, pan) est series
multitudo, totum) actualium finitorum,
quae non est pars alterius.
Sic mundus existit. Ergo est in se
possibilis.
Mundus optimus
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Baumgarten
3) PSYCHOLOGIA
A) PROLEGOMENA
B) TRACTATIO DE PSYCHOLOGIA
Si quid in ente est, quod sibi alicuius potest esse
conscium, illud est ANIMA (eine Seele).
In me exsistit quod sibi alicuius potest esse conscium, Ergo
in me exsistit anima. Cogito quaedam corpora huius
universi, eorumque mutationes, huius pauciores, illius
plures, unius plurimas, & ultimum quidem pars mei est,
hinc CORPUS MEUM (mein Leib) est, cuius mutationes
plures cogito, quam ullius alius corporis
a) empirica
b) rationali
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Baumgarten
4) THEOLOGIA NATURALIS
A) PROLEGOMENA
B) TRACTATIO DE DEI: § 820: A posse
dei ad esse eiusdem valet
consequentia i.e. existentia eius per
essentiam ipsius sufficienter
determinatur.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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Kant
„ALLE MENSCHLICHE KENNTNISSE (sind
der Form nach):
1) HISTORISCHE: die "ex datis", bloß aus der
Erfahrung genommen werden
2) VERNUNFTERKENNTNISSE: die "ex
principiis", aus gewissen Grundsätzen
genommen werden.
a) philosophische: Erkenntnis aus Begriffen
b) mathematische: aus der Construction der
Begriffe.“
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
32
Kant
PHILOSOPHIE:
1) in sensu scholastico: das System der philos.
Vernunfterkenntnisse aus Begriffen: geht auf Geschicklichkeit
(Vernunftkünstler: bloß spekulat. Wissen, ohne zusehen, wie viel
es zum letzten Zwecke beiträgt)
a) Vorrat von Vernunfterkenntnissen
b) systematischer Zusammenhang derselben
2) in sensu cosmopolitico: Wiss. von den letzten Zwecken: geht
auf Weisheit
(der praktische Philosoph ist eigentlich Philosoph)
(Kant: Vorl. über Metaphysik)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
33
Kant
„PHILOSOPHIE NACH DEM WELTBEGRIFF
1) WAS KANN ICH WISSEN? DAS ZEIGT DIE
METAPHYSIK
2) WAS SOLL ICH TUN?´DAS ZEIGT DIE MORAL
3) WAS DARF ICH HOFFEN? DAS LEHRT DIE
RELIGION
4) WAS IST DER MENSCH? DAS LEHRT DIE
ANTHROPOLOGIE
MAN KÖNNTE ALLES ANTHROPOLOGIE NENNEN,
WEIL SICH DIE DREI ERSTEN FRAGEN AUF DIE
LETZTERE BEZIEHEN.“
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
34
Kant
Kritik der dogmatischen M.:
=> die Ideen und Grundsätze der Vernunft
führen zu Widersprüchen (Antinomien,
Paralogismen), wenn sie transzendent und
konstitutiv (statt immanent und regulativ) als
Bedingung eines Objektes der Erfahrung)
auf übersinnliche Objekte angewandt
werden .
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
35
Kant
=> Transzendentalphilosophie: betrachtet nur den
Verstand und die Vernunft selbst in einem System
aller Begriffe und Grundsätze, die sich auf
Gegenstände überhaupt beziehen, ohne Objekte
anzunehmen, die gegeben wären (Ontologia)
Sie berührt nicht das Übersinnliche, welches doch der
Endzweck der Metaphysik ist; gehört also zu dieser
nur als Propädeutik)
In ihr ist seit Aristoteles' Zeiten nicht viel Fortschreitens
gewesen. Sie ist wie eine Grammatik oder wie die
Logik.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
36
Kant
=> aller Metaphysik muß Erkenntniskritik (Kritik
der reinen Vernunft) vorangehen
=> Die M. kann zwar nicht "die Grundveste der
Religion" sein, muß aber doch stets als
"Schutzwehr" derselben bleiben
=> Die "dialektische" Natur menschlicher V.
kann nie einer solchen Wiss. entbehren.
Diese Wissenschaft zügelt die V. und hält
sie von Verwüstungen, die eine gesetzlose
spekul.V.in Moral und Religion anrichten
würde.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
37
Kant
=> Eigentliche Philosophie ist M., denn
sie bezieht alles auf Weisheit, aber
durch den Weg der Wissenschaft
=> Eben deswegen ist M. auch die
Vollendung aller Kultur der
menschlichen Vernunft.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
38
Kant
=> Daß sie, als bloße Spekulation, mehr dazu
dient, Irrtümer abzuhalten als die
Erkenntnis zu erweitern, tut ihrem Werte
keinen Abbruch, sondern gibt ihr vielmehr
Würde und Ansehen durch das Zensoramt,
welches die allgemeine Ordnung und Eintracht, ja den Wohlstand des wiss.
gemeinen Wesens sichert und dessen
mutige und fruchtbare Bearbeitungen
abhält, sich nicht von dem Hauptzweke, der
allgemeinen Glückseligkeit, zu entfernen.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
39
Kant


=> Die M. hat zum eigentliche Zwecke ihrer
Nachforschung nur drei Ideen: Gott, Freiheit und
Unsterblichkeit... Alles, womit sich diese
Wissenschaft sonst beschäftigt, dient ihr bloß zum
Mittel, um zu diesen Ideen und ihrer Realität zu
gelangen. Sie bedarf sie nicht zum Behuf der
Naturwissenschaft, sondern um über die Natur
hinaus zu kommen.
=> Über die Grenze der Erfahrung kann die M. nicht
hinaus. nur von Erscheinungen gibt es theoretische
Erkenntnis. Das Übersinnliche kann nur in
praktisch-sittlicher Absicht bestimmt werden.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
40
Kant
=> Die Kritik verhält sich zur
gewöhnlichen Schulmetaphysik
gerade wie Chemie zur Alchimie, oder
wie Astronomie zur wahrsagenden
Astrologie
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
41
Kant
=> M. ist ihrem Wesen und ihrer Endabsicht nach ein
vollendetes Ganze: entweder Nichts oder Alles, was
zu ihrem Endzweck erforderlich ist; kann also nicht,
wie etwa Mathematik oder empirische
Naturwissenschaft, die ohne Ende immer fortschreiten, fragmentarisch abgehandelt werden."
=> Was die V. eigentlich mit der M. will? (Endzweck):
Sie ist die Wissenschaft, von der Erkenntnis des
Sinnlichen zu der des Übersinnlichen durch die
Vernunft fortzuschreiten.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
42
Kant


=> Die ersten und ältesten Schritte in der M. wurden nicht
etwa als bedenkliche Versuche bloß gewagt, sondern
geschahen mit völliger Zuversicht, ohne vorher über die
Möglichkeit der Erkenntnisse a priori sorgsame
Untersuchungen anzustellen. Was war die Ursache von
diesem Vertrauen der Vernunft zu sich selbst? das vermeinte
G e l i n g e n. Denn in der Mathematik gelang es der
Vernunft, die Beschaffenheit der Dinge a priori zu erkennen,
über alle Erwartung der Philosophen vortrefflich; warum sollte
es nicht ebensogut in der Philosophie gelingen?
(aber die Mathematik kann ihre Objekte anschaulich
konstruieren und an ihnen ihre Sätze bewahrheiten, währen
die Behauptungen der (dogm.) M. in der Luft schweben).
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
43
Kant


Der zweite Schritt der M. ist der des
Skeptizismus, der in den Antinomien der V.
seine letzte Grundlage hat.
Der dritte Schritt der M. ist der Kritizismus,
die Kritik der r.V. selbst in Ansetzung ihres
Vermögens, die menschliche Erkenntnis
überhaupt, es sei in Ansehung des
Sinnlichen oder Übersinnlichen, a priori zu
erweitern.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
44
Kant

=> Nachdem die moralischen Gesetze das
Übersinnliche im Menschen, die Freiheit,
deren Möglichkeit keine Vernunft erklären,
ihre Realität aber in jenen praktischdogmatischen Lehren beweisen kann,
entschleiert haben, so hat die V. gerechten
Anspruch auf Erkenntnis des
Übersinnlichen, aber nur mit Einschränkung
auf den Gebrauch in der letzteren gemacht,
da sich dann eine gewisse Organisation der
reinen praktischen Vernunft zeigt,
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
45
Kant

„Wo erstlich das Subjekt der allgemeinen Gesetzgebung als
Welturheber, zweitens das Objekt des Willens der Weltwesen
als ihres jenem gemäßen Endzweckes, drittens der Zustand
der letzteren, in welchem sie allein der Erreichung desselben
fähig sind, in praktischer Absicht selbstgemachte Ideen sind,
welche aber ja nicht in theoretischer aufgestellt werden
müssen, weil sie sonst aus der Theologie Theosophie, aus der
moralischen Teleologie Mystik und aus der Psychologie
Pneumatik machen und so Dinge, von denen wir doch etwas
in praktischer Absicht zu Erkenntnis benutzen könnten, ins
Überschwengliche hin verlegen, wo sie für unsere Vernunft
ganz unzugänglich sind und bleiben.“
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
46
Kant

=> „Man kann ja transzendente Objekte
denken, ohne daß die Erfahrung ihnen je
widersprechen könnte; aber durch keine
Erfahrung können transzendente Begriffe
belegt werden, so daß diese Begriff "ganz
leer" und die Sätze, welche Gegenstände
derselben als wirklich annehmen, "ganz
irrig" sein können, "und es ist doch kein
Probierstein, diesen Irrtum zu entdecken."
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
47
Kant
=> Selbst der Begriff des Übersinnlichen
läßt sich theoretisch nicht in seiner
Realität direkt dartun; es läßt sich nicht
beweisen oder widerlegen, "ob nicht
alles, was ist und sein kann, auch
Gegenstand möglicher Erfahrung sei."
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
48

=> Die Ontologie löst eigentlich die
metaphyische Sprache auf, und entwarf
sozusagen eine metaphysische Grammatik.
Diese Sätze interessierten zwar die
spekulative V., aber man kann sich doch
ohne sie behelfen, wie Newton dies
bewiesen, und für sie würde man nichts
unternehmen. Daher kommt es, daß in
vielen Ländern die M. eine verächtliche
Wissenschaft gewesen ist.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
49
Kant
=> Eigentliche M. ist die Anwendung der Transzendentalphilosophie auf in der V. gegebene Begriffe (die
ihr notwendig sind), denen aber keine
korrespondierenden Gegenstände in der Erfahrung
gegeben werden können (folglich aufs Übersinnliche). Das kann also nur das Unbedingte sein,
denn das ist die einzige theoretische Vernunftidee.
Also geht die M.
1) auf das, wovon nur das Ganze als absolut unbedingt
vorgestellt werden soll;
2) auf Dinge, sofern sie an sich sinnlich unbedingt sind
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
50
Kant
=> Alle Wissenschaften, worin Vernunft
gebracht wird, haben ihre M.
=> M. ist Wissenschaft von den
Prinzipien aller Erkenntnis a priori
aus Begriffen überhaupt
=> Der Geist muß diszipliniert werden
seine Unarten ihm abgewöhnt
werden.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
51
Kant
DOGMATISCHE METAPHYSIK
Erkenntnis apriori der Dinge an sich (des
Übersinnlichen) alle Erfahrung
übersteigende transzendente Metaphysik
KRITISCHE METAPHYSIK
I. METAPHYSIK DER SPEKULATIVEN
VERNUNFT (M.i.e.S.)
II. METAPHYSIK DER SITTEN
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
52
kANT
I. METAPHYSIK DER SPEKULATIVEN VERNUFT
1) Transzendentalphilosophie (Ontologie)
(Propädeutik) (Kritik) betrachtet nur den Verstand
und die Vernunft selbst in einem System aller
Begriffe und Grundsätze, die sich auf Gegenstände
überhaupt beziehen, ohne Objekte anzunehmen,
die gegeben wären (Ontologia) Sie berührt nicht
das Übersinnliche, welches doch der Endzweck der
M. ist; gehört also zu dieser nur als Propädeutik)
In ihr ist seit Aristoteles' Zeiten nicht viel Fortschreitens
gewesen. Sie ist wie eine Grammatik oder wie die
Logik.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
53
Kant
Elementarlehre
a) Transzendentale Ästhetik
b) Transzendentale Logik
Methodenlehre
a) Die Disziplin der reinen Vernunft
b) Der Kanon der reinen Vernunft
c) Die Architektonik der reinen Vernunft
d) Die Geschichte der reinen Vernunft
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
54
Kant
2) Metaphysik der Natur (Physiologie der r.V.) (rationale
Physiologie)
Immanente Physiologie (geht auf die Natur, soweit als ihre Erk. in
der Erfahrung kann angewandt werden)
a) rationale Physik
b) rationale Psychologie (vs. Erk. in theor.Absicht: Pneumatik)
Transzendente Physiologie
a) transzendentale Welterkenntnis (rationale Kosmologie)
b) tranzendentale Gotteserkenntnis (rationale Theologie) (vs. Erk.
in theor.Absicht: Theosophie)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
55
II. METAPHYSIK DER SITTEN: Praktischer
Gebrauch der r.V. enthält die Prinzipien,
welche das Tun und Lassen a priori
bestimmen und notwendig machen
(moralische Teleologie; vs. theor.Absicht:
Mystik)
1) Metaphysische Anfangsgründe der
Rechtslehre
2) Tugendlehre
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
56
Kant
Ist das Dasein ein Prädikat?
„WOLFF GLAUBTE, DIE ABSOLUTE
NOTWENDIGKEIT EINGESEHEN ZU
HABEN. ER NAHM DEN BEGRIFF
WILLKÜRLICH AN, UND KONCIPIERTE
SICH ALLE REALITÄTEN;
DAS DASEIN ABER SCHLOSS ER MIT EIN
UNTER ALLE REALITÄTEN, UND SAGTE:
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
57
Kant
DASJENIGE WESEN, WELCHES ALLE
REALITÄTEN HAT, MUSS AUCH
NOTWENDIG DAS DASEIN HABEN.
DANN IST ES FREILICH KEIN
WIDERSPRUCH UND KEINE
SCHWIERIGKEIT: ABER NUN KANN
ICH JA DIESES WESEN WIEDER MIT
ALLEN SEINEN REALITÄTEN
WEGNEHMEN. ER SAGT ABER:
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
58
Kant
WENN ICH MIR EIN WESEN DENKE,
DASS ALLE REALITÄTEN HAT, UND
DAS DASEIN AUCH EINE REALITÄT
IST; SO MUSS EIN SOLCHES
WESEN, DAS ALLE REALITÄTEN
HAT, AUCH DAS DASEIN HABEN;
DENN SONST HÄTTE ES NICHT
ALLE REALITÄTEN; ALSO MUSS ES
NOTWENDIG EXISTIEREN.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
59
Kant
AUF DIESE ART BEKOMMT MAN, GLEICHSAM WIE
DURCH EINE ZAUBERKRAFT, DAS DASEIN
EINES ABSOLUT NOTWENDIGEN WESENS,
MAN WEISS SELBST NICHT WIE. WENN ABER
EINE SO WICHTIGE SACHE SO LEICHT UND SO
BALD ABGEMACHT IST; SO STECKTGEWISS
AUCH EIN FEHLER DARIN, DER NOCH NICHT
DURCHDACHT IST.
DAS DASEIN IST EINE POSITION UND KEIN
PRÄDIKAT.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
60
Kant
WAS SAGEN WIR ABER NUN VON DER
ABSOLUTEN NOTWENDIGKEIT DES
DASEINS?
DASS WIR SIE NICHT OBJEKTIV DURCH
DIE VERNUNFT EINSEHEN KÖNNEN,
SONDERN NUR ALS EINE NOTWENDIGE
HYPOTESE UNSERER VERNUNFT
VORAUSSETZEN MÜSSEN.
DIESE TRANSZENDENTALE BEWEIS
MACHT SCHON AN SICH DIE
TRANSZENDENTALE THEOLOGIE AUS.“
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
61
Kant
I. Kant: „Fortschritte…“
"Aber diese Wissenschaft ist Metaphysik, und
das ändert die Sache ganz und gar. Dies ist
ein uferloses Meer, in welchem der Fortschritt keine Spur hinterläßt, und dessen
Horizont kein sichtbares Ziel enthält, an
dem, um wie viel man sich ihm genähert
habe, wahrgenommen werden könnte." (A
8)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
62
Kant
Erstes Stadium: "DAS STADIUM DES
DOGMATISM"
"Die ersten und ältesten Schritte in der
Metaphysik wurden nicht etwa als
bedenkliche Versuche bloß gewagt, sondern
geschahen mit völliger Zuversicht, ohne
vorher über die Möglichkeit der Erkenntnisse a priori sorgsame Untersuchungen
anzustellen. Was war die Ursache von
diesem Vertrauen zu sich selbst? Das
vermeinte Gelingen.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
63
Kant
(...) Dieser Gang der Dogmatiker von noch
älterer Zeit, als der des Plato und
Aristoteles, selbst die eines Leibniz und
Wolff mit eingeschlossen, ist, wenn gleich
nicht der rechte, doch der natürlichste nach
dem Zweck der Vernunft und der
scheinbaren Überredung, daß alles, was die
Vernunft nach der Analogie ihres
Verfahrens, womit es ihr gelang, vornimmt,
ihr eben so wohl gelingen müsse." (A 15)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
64
Kant
Zweites Stadium: "DAS STADIUM DES SKEPTIZISM"
"Der zweite, beinahe eben so alte, Schritt der
Metaphysik war dagegen ein Rückgang, welcher
weise und der Metaphysik vorteilhaft gewesen sein
würde, wenn er nur bis zum Anfangspunkte ihres
Ausganges gereicht wäre, aber nicht um dabei
stehen zu bleiben, mit der Entschließung, keinen
Fortgang ferner zu versuchen, sondern ihn vielmehr
in einer neuen Richtung vorzunehmen. (...)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
65
Kant
Woran konnte man dieses Mißlingen und die
Verunglückung ihrer großen Anschläge
erkennen? (...) es sind beabsichtige und
vermeinte Eroberungen im Felde des
Übersinnlichen, wo vom absoluten
Naturganzen, was kein Sinn fasset,
insgleichen von Gott, Freiheit und
Unsterblichkeit die Frage ist, die
hauptsächlich die letzteren drei
Gegenstände betrifft, daran die Vernunft ein
praktisches Interesse nimmt (...)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
66
Kant
Dieser Gang der Skeptiker ist natürlicher Weise etwas
spätern Ursprungs, aber doch alt genug (...)
Die Ausdehnung der Zweifellehre, sogar auf die
Prinzipien der Erkenntnis des Sinnlichen, und auf
die Erfahrung selbst, kann man nicht füglich für eine
ernstliche Meinung halten, die in irgend einem
Zeitalter der Philosophie stattgefunden habe,
sondern ist vielleicht eine Aufforderung an die
Dogmatiker gewesen, diejenigen Prinzipien a
priori,auf welchen selbst die Möglichkeit der
Erfahrung beruht, zu beweisen, und, da dieses
nicht vermochten, die letztere ihnen auch als
zweifelhaft vorzustellen."
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
67
Kant
Drittes Stadium: "DAS STADIUM DES
KRITIZISM DER REINEN VERNUNFT"
"Der dritte und neueste Schritt, den die
Metaphysik getan hat, und der über ihr
Schicksal entscheiden muß, ist die Kritik der
reinen Vernunft selbst, in Ansehung ihres
Vermögens, das menschliche Erkenntnis
überhaupt, es sei in Ansehung des
Sinnlichen oder des Übersinnlichen, a priori
zu erweitern."
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
68
Kant
"DIESER ENDZWECK, AUF DEN DIE GANZE
METAPHYSIK ANGELEGT IST, IST LEICHT
ZU ENTDECKEN, UND KANN IN DIESER
RÜCKSICHT EINE DEFINITION
DERSELBEN BEGRÜNDEN:
"SIE IST DIE WISSENSCHAFT, VON DER
ERKENNTNIS DES SINNLICHEN ZU DER
DES ÜBERSINNLICHEN DURCH DIE VERNUNFT FORTZUSCHREITEN." (...)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
69
Kant
DIE ONTOLOGIE IST DIEJENIGE
WISSENSCHAFT (ALS TEIL DER
METAPHYSIK), WELCHE EIN SYSTEM
ALLER VERSTANDESBEGRIFFE UND
GRUNDSÄTZE, ABER NUR, SOFERN SIE
AUF GEGENSTÄNDE GEHEN, WELCHE
DEN SINNEN GEGEBEN, UND ALSO
DURCH ERFAHRUNG BELEGT WERDEN
KÖNNEN, AUSMACHT.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
70
Kant
SIE BERÜHRT NICHT DAS ÜBERSINNLICHE,
WELCHES DOCH DER ENDZWECK DER
METAPHYSIK IST, GEHÖRT ALSO ZU DIESER
NUR ALS PROPÄDEUTIK, ALS DIE HALLE, ODER
DER VORHOF DER EIGENTICHEN
METAPHYSIK, UND WIRD TRANSZENDENTALPHILOSOPHIE GENANNT, WEIL SIE DIE
BEDINUNGEN UND ERSTEN ELEMENTE ALLER
UNSERER ERKENNTNIS APRIORI ENTHÄLT.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
71
Kant
IN IHR IST SEIT ARISTOTELES' ZEITEN NICHT VIEL
FORTSCHREITENS GEWESEN. DENN SIE IST
SO WIE EINE GRAMMATIK DIE AUFLÖSUNG
EINER SPRACHFORM IN IHRE
ELEMENTARREGELN, ODER DIE LOGIK EINE
SOLCHE VON DER DENKFORM IST, EINE
AUFLÖSUNG DER ERKENNTNIS IN DIE
BEGRIFFE, DIE A PRIORI IM VERSTAND LIEGEN,
UND IN DER ERFAHRUNG IHREN GEBRAUCH
HABEN; …
FÜR DIE ONTOLOGIE HAT NUN DER BERÜHMTE
WOLFF (...) UNSTREITIGE VERDIENSTE." (Kant,
Fortschritte A 10)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
72
Kant
"ÜBER DIESE SCHWIERIGKEIT ABER
WEGGESEHEN, D.I. WENN AUCH
SEELE UND KÖRPER ALS ZWEI
SPEZIFISCH- VERSCHIEDENE
SUBSTANZEN, DEREN
GEMEINSCHAFT DEN MENSCHEN
AUSMACHT, ANGENOMMEN
WERDEN, BLEIBT ES FÜR ALLE
PHILOSOPHIE,
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
73
Kant
VORNEHMLICH FÜR DIE METAPHYSIK
UNMÖGLICH AUSZUMACHEN, WAS, UND WIE
VIEL DIE SEELE, UND WAS, ODER WIEVIEL DER
KÖRPER SELBST ZU DEN VORSTELLUNGEN
DES INNERN SINNES BEITRAGE, JA, OB NICHT
VIELLEICHT, WENN EINE DIESER SUBSTANZEN
VON DER ANDERN GESCHIEDEN WÄRE, DIE
SEELE SCHLECHTERDINGS ALLE ART
VORSTELLUNGEN (ANSCHAUEN, EMPFINDEN
UND DENKEN) EINBÜSSEN WÜRDE. ALSO IST
ES SCHLECHTERDINGS UNMÖGLICH ZU
WISSEN
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
74
Kant
(...) OB SIE (die menschl. Seele, RC)
EIN GEIST SEI (DENN UNTER
DIESEM WORTE VERSTEHT MAN
EIN WESEN, WAS AUCH OHNE
KÖRPER SICH SEINER UND
SEINER VORSTELLUNGEN
BEWUSST SEIN KANN) ODER
NICHT. (...)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
75
Kant
MAN MÜSSTE DENN ETWA (um die Seele als
abgesonderte Natur zu erkennen, RC) DEN
VERSUCH ZU MACHEN SICH GETRAUEN, DIE
SEELE NOCH IM LEBEN AUSSER DEN KÖRPER
ZU VERSETZEN, WELCHER OHNGEFÄHR DEM
VERSUCHE ÄHNLICH SEIN WÜRDE, DEN
JEMAND MIT GESCHLOSSENEN AUGEN VOR
DEM SPIEGEL ZU MACHEN GEDACHTE, UND
AUF BEFRAGEN, WAS ER HIERMIT WOLLE,
ANTWORTETE: ICH WOLLTE NUR WISSEN, WIE
ICH AUSSEHE, WENN ICH SCHLAFE.“ (Kant,
Fortschritte, A 145)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
76
Hegel
HEGEL ÜBER KANT UND WOLFF
"DER BORNIERTE VERSTAND GENIESST
HIER (in Kants "berühmten Kritik der
spekulativen Theologie" RC) SEINES
TRIUMPHES ÜBER DIE VERNUNFT,
WELCHE IST ABSOLUTE IDENTITÄT DER
HÖCHSTEN IDEE UND DER ABSOLUTEN
REALITÄT, MIT VÖLLIG
MISSTRAUENSLOSER
SELBSTGENÜGSAMKEIT.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
77
Hegel
KANT HAT SICH SEINEN TRIUMPH DADURCH
NOCH GLÄNZENDER UND BEHAGLICHER
GEMACHT, DAS ER DASJENIGE, WAS SONST
ONTOLOGISCHER BEWEIS FÜRS DASEIN
GOTTES GENANNT WURDE, IN DER
SCHLECHTESTEN FORM, WELCHER ER FÄHIG
IST UND DER IHM VON MENDELSSOHN UND
ANDERN GEGEBEN WURDE, WELCHE DIE
EXISTENZ ZU EINER EIGENSCHAFT MACHTEN,
WODURCH ALSO DIE IDENTITÄT DER IDEE UND
DER REALITÄT ALS EIN HINZUTUN VON EINEM
BEGRIFF ZU EINEM ANDEREN ERSCHEINT,
AUFGENOMMEN HAT;
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
78
Hegel
WIE DENN KANT ÜBERHAUPT
DURCHAUS EINE UNWISSENHEIT
MIT PHILOSOPHISCHEN
SYSTEMEN UND MÄNGEL AN
EINER KENNTNIS DERSELBEN, DIE
ÜBER EINE REIN HISTORISCHE
NOTIZ GINGE, BESONDERS IN DEN
WIDERLEGUNGEN DERSELBEN
ZEIGTE.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
79
Hegel
NACH DIESER VÖLLIGEN ZERTRETUNG DER
VERNUNFT UND DEM GEHÖRIGEN JUBEL DES
VERSTANDES UND DER ENDLICHKEIT, SICH
ALS DAS ABSOLUTE DEKRETIERT ZU HABEN,
STELLT SICH DIE ENDLICHKEIT ALS
ALLERHÖCHSTE ABSTRAKTION DER SUBJEKTIVITÄT ODER DER BEWUSSTEN ENDLICHKEIT
ALSDENN AUCH IN IHRER POSITIVEN FORM
AUF, UND IN DIESER HEISST SIE PRAKTISCHE
VERNUNFT."
(Schelling/ Hegel: Kritisches Journal der Philos. 18023, Glauben oder Wissen, S. 279-80)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
80
Dilthey
Wilhelm Dilthey über Leibniz/Wolff: (in:
Das Wesen der Philosophie, darin:
Schlußbetrachtung über die
Unmöglichkeit der metaph. Stellung
des Erkennens., aus: Einleitung in die
Geisteswissenschafaten, Bd. 1, S.
286-408) (bei Reclam: 135ff)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
81
Dilthey
" Schlußbetrachtung über die Unmöglichkeit
der metaph. Stellung des Erkennens (...)
Der logische Zusammenhang als Ideal der
Metaphysik. (...) Die Metaphysik hat durch
Leibniz in dem Satz vom Grunde eine
Formel entworfen, welche den notwendigen
Zusammenhang in der Natur als Prinzip des
Denkens ausspricht.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
82
Dilthey
In der Aufstellung dieses Prinzips hat die
Metaphysik ihren formalen Abschluß
erreicht. Denn der Satz ist nicht ein
logisches, sondern ein metaphysisches
Prinzip, d.h. er drückt nicht ein bloßes
Gesetz des Denkens, sondern zugleich ein
Gesetz des Zusammenhangs der
Wirklichkeit und damit auch die Regel der
Beziehung zwischen Denken und Sein aus.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
83
Dilthey
Ist doch seine letzte und vollkommenste Formel
diejenige, welche in dem Briefwechsel mit Clarke
vorkam, nicht lange vor dem Tode von Leibniz: "Ce
principe est celui du besoin d'une raison suffisante,
pourqu'une chose existe, qu'un événement arrive,
qu'une vérité ait lieu." Dies Prinzip tritt bei Leibniz
stets neben dem des Widerspruchs auf, und zwar
begründeter Satz des Widerspruchs die
notwendigen Wahrheiten, dagegen der des
Grundes die Tatsachen und tatsächlichen Wahrheiten. Eben hier aber zeigt sich die metaphysische
Bedeutung dieses Satzes.“
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
84
Dilthey
„Christian Wolff hat diesen Satz darauf zurückgeführt,
daß nicht aus Nichts ein Etwas entstehen könne,
sonach auf das Prinzip das Erkennens, aus dem wir
seit Parmenides die Metaphysik ihre Sätze ableiten
sahen. (...) Und blicken wir von Leibniz und Wolff
vorwärts, so ist die im Satze vom Grunde
enthaltene Voraussetzung über den logischen
Weltzusammenhang schließlich in dem System von
Hegel mit Verachtung jeder Frucht vor der
Paradoxie als Realprinzip der ganzen Wirklichkeit
entwickelt worden."
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
85
Dilthey
Obwohl die tatsächlichen Wahrheiten auf den Willen
Gottes zurückgehen, so ist dieser Wille selber doch
nach Leibniz schließlich von dem Intellekt geleitet.
Und so tritt hinter dem Willen wiederum das Antlitz
eines logisches Weltgrundes hervor. (...)
Hiernach bedeutet der Satz des zureichendes Grundes
die Behauptung von einem lückenlosen, logischen
Zusammenhang, der jede Tatsache und
entsprechend jeden Satz in sich faßt: er ist die
Formel für das von Aristoteles in engerem Umfang
aufgestellte Prinzip der Metaphysik. (...)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
86
Heidegger
FUNDAMENTALONTOLOGIE (Analytik)
1. Analytik des Daseins als Zeitlichkeit
2. Analytik der Temporalität des Seins
METONTOLOGIE (Synthetik) Metaphysik der Existenz, (Ethik)
= ein Wissen, das sich zur Ganzheit konkret (endlich) verhält
(Existierkunst) Ethik: sich gänzlich einer Sache hingeben,
zugleich aber über die Endlichkeit des Tuns bewußt sein.
Umschlag von "prote philosophia" in die "theologia":
Ontologie: was wir verstehen: Existenz
Theologie: was uns überwältigt: Geworfenheit
-> GA 26: Metaph. Anfangsgründe der Logik, 1928, 199-202
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
87
Heidegger
ZUSAMMENHANG ZEIT/SEINSVERSTÄNDNIS
a) ÄUSSERLICHE HINWEISUNG:
Im Hinblick auf die Zeit wird das Sein in folgenden
Seinsregionen eingeteilt:
1. DAS INNERZEITIGE: NATUR, GESCHICHTE
2. DAS AUSSERZEITIGE
-> DAS UNZEITIGE
3. DAS ÜBERZEITIGE
dabei:
SEIN WIRD VERSTANDEN AUS EINEM ZEITBEZUG,
Problem dieses Bezuges von Sein u n d Zeit
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
88
Heidegger
b) IN DAS ZENTRUM DES PROBLEMS WEISENDE HINWEISUNG:
Inwiefern ein Zusammenhang zwischen Sein und Zeit gesehen
wurde:
aa) Titel für das Sein des Seienden: OUSIA
ousia = was das Seiende als Seiendes (on he on) ausmacht
doppelte Bedeutung der Ousia:
- als modus existendi: Sein = Vorhandensein
- als modus essendi: Sein = Was-sein (Wesen) (das, was etwas
zu dem macht, was es ist – mag es existieren oder nicht)
beide Grundbedeutungen sind auf Zeit orientiert:
- Existentia: aei on, was jederzeit da ist
- Essentia: das, was im vorhinein (aei das Seiende bestimmt
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
89
Heidegger
bb) DIESES SEIN (idea, genos) IST FRÜHER
ALS DAS SEIENDE:
- proteron physei (a priori)
- proteron pros hemás kein "früher als ohne
Zeit was Zeit (im proteron physei) besagt,
bleibt dunkel: nicht im Sinne des vulgären
Zeitbegr. sondern: Früher von sich her (nicht
vom Erfaßtwerden her).
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
90
Heidegger
Fazit:
Sein ist "an sich" früher, nicht logisch, auch
nicht ontisch im Sinne, daß das Sein, wie
ein Seiendes, schon früher vorhanden wäre,
sondern: ontologisch, d.h. wie verhält sich
Sein ursprünglich zur Zeit
cf. Anamnesis: im erfassen von Sein erfassen
wir nichts Neues sondern wir existieren
immer schon in dessen Verstehen (psyche)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
91
Heidegger
1) Radikalisierung des Seinsproblems
Sein und Seele:
- vom Bewußtsein her (Bergson)
- Dasein und Zeitlichkeit
wenn Sein ursprüngl. Bezug zur Zeit hat und wenn
Seinsverst. zum Wesen des Daseins gehört dann
muß die Zeit das Dasein mitbestimmen.
=> Zeitlichkeit als Grundverf. des Daseins nachweisen
wenn Apriori Grundcharakter des Seins
und Apriori eine Zeitbestimmung ist
und Zus. Apriori und Dasein
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
92
Heidegger
2) Universalisierung des Seinsproblems
- Kantianismus: wenn ontol. Problem, dann ist dieses nur als
Realismus entschieden (Mißachtung der Erk.th.)
- Phänomenologie: Betonung des Objektes
aber: MH: die Subjektivität zum Problem machen!
von hier aus: kein Problem der Realität der Außelwelt
sondern: Aufklärung der Weise des Daß-seins der Dinge und ihrer
regionalen Verfassung (modi existendi, je solchen von Seienden,
die im ihrem Wassein verschieden sind/modi essendi):
Sein = umspannt alle möglichem Regionen: Naturdinge: Raum,
Zahl, Leben, menschl. Dasein, Geschichte, Kunstwerke.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
93
Heidegger
PROBLEM DER EINHEIT DER SEINSIDEE UND IHRER
REGIONALEN ABWANDLUNGEN
wesentliche Gliederung: essentia / existentia
sowie: Unterschied Sein / Seiendes (ontol.Diff.: ermöglicht das
Seinsverständnis oder: wie verhält sich die universale Seinsidee
zu den Artikulationen (ohne eine solche würden wir die
Unterschiede nicht machen können)
daher: Seiendes ist auch ohne Dasein
aber: Sein (also Glieder des Seienden) nur sofern Dasein
Seiendes ohne Dasein ist bereits vom Dasein/Sein her denkbar.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
94
Heidegger
LEITFRAGE DER METAPHYSIK: WAS IST DAS SEIENDE (ti to
on)
PLATON: IDEA
ARISTOTELES: OUSIA
KANT: GEGENSTÄNDLICHKEIT
HEGEL: DAS ABSOLUTE SUBJEKT
GRUNDZUG DER BESTÄNDIGEN
ANWESENHEIT/GEGENWART
=> IN DER ABENDLÄNDISCHEN METAPHYSIK IST DAS SEIN
DES SEIENDEN IM HORIZONT DER Z E I T VERSTANDEN
OHNE DASS DIE METAPHYSIK DARUM GEWUSST HAT
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
95
Heidegger





KANT
KrV
Vernunft
Zweck an sich selbst
Kategorien
HEIDEGGER
Daseinsanalytik
Dasein
Selbstsorge
Existenzialien
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
96
Heidegger
DIE KANTISCHE GRUNDLEGUNG DER
METAPHYSIK SETZTE EIN BEI DER
EGRÜNDUNG DESSEN, WAS DER
EIGENTLICHEN METAPHYSIK, DER
METAPHYSICA SPECIALIS, ZUGRUNDELIEGT.
DIESE IST ABER - ALS "ONTOLOGIE" - BEREITS DIE
ZU EINER DISZIPLIN VERFESTIGTE FORM
DESSEN, WAS IN DER ANTIKE, ZULETZT BEI
ARISTOTELES, ALS EIN PROBLEM DER "PROTE
PHILOSOPHIA", DES EIGENTLICHEN
PHILOSOPHIERENS, STEHEN BLIEB.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
97
Heidegger
DIE FRAGE NACH DEM "ON HE ON„ (NACH DEM SEIENDEN
ALS EINEM SOLCHEN) HÄLT SICH ABER DORT IN EINEM
FREILICH DUNKLEN ZUSAMMENHANG MIT DER FRAGE
NACH DEM SEIENDEN IM GANZEN ("THEION") SO MUSS
DIE FRAGE DER "ERSTEN PHILOSOPHIE", WAS DAS
SEIENDE ALS SOLCHES SEI, ÜBER DIE FRAGE, WAS
DAS SEIN ALS SOLCHES SEI, ZURÜCKGETRIEBEN
WERDEN ZU DER NOCH URSPRÜNGLICHEREN: VON WO
AUS IST DERGLEICHEN WIE SEIN, UND ZWAR MIT DEM
GANZEN REICHTUM DER IN IHM BESCHLOSSENEN
GLIEDERUNGEN UND BEZÜGE, ÜBERHAUPT ZU
BEGREIFEN?
(Kant und das Problem der Metaphysik, 199-203)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
98
Heidegger
„SEIN UND ZEIT „
DEM MENSCHEN IST:
- SEIN EIGENES SEIN
- WIE AUCH DAS SEIN ALLER ANDEREN
SEIENDEN ERSCHLOSSEN
(AUFGESCHLOSSEN, ENTHÜLLT,
GELICHTET)
DA = ERSCHLOSSENHEIT VON SEIN
SEIN = SEINSWEISE DES MENSCHEN
(EXISTENZ)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
99
Heidegger
EXISTENZIAL-ONTOLGISCHE ANALYTIK
DES DASEINS:
- KOMPLEXE SEINSVERFASSUNG
- URSPRÜNGLICHER SEINSSINN:
EXISTENZIALE ZEITLICHKEIT
VULGÄRER ZEITBEGRIFF: JETZTFOLGE
(DAS VERHÄLTNIS VON SEIN U N D ZEIT
BLEIBT VERBORGEN)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
100
Heidegger
EXISTENZIALER ZEITBEGRIFF:
ERSCHLOSSENHEIT VON SEIN U N D
SEINSVERSTEHENDE EXISTENZ
ZEIT ZU... (ETWAS ZU TUN): JETZT,
DAMALS, DANN WOFÜR? VERHALTUNG
ZUM SEIENDEN (ZEITNEHMEN)
(WELT = DAS GANZE DER UM-ZU-BEZÜGE)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
101
Heidegger
DIE ZEIT WIRD BESTIMMT DURCH:
1) BEDEUTSAMKEITSBEZÜGE DER WELT (Weltzeit)
2) DATIERBARKEIT (jetzt, damals, dann)
3) GESPANNTHEIT (jetzt, während des Vortrags)
4) ÖFFENTLICHKEIT (mit den anderen geteilt)
FAZIT:
VORSTELLUNG VON ZEIT ALS JETZTFOLGE HAT
IHR NATÜRLICHES (SEINSART DES
ALLTÄGLICHEN DASEINS) ABER NICHT MEHR
AUSSCHLIESSLICHES RECHT
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
102
Heidegger
EXISTENZIALE ZEITLICHKEIT:
EINHEIT DER EXISTENZIALEN (VS.
SEIN = VORHANDENSEIN)
ZUKUNFT
vulgärer Begriff: Noch-nicht-Jetzt
ursprünglicher Begriff: aufschließen (m-)
einer Möglichkeit
(auf diese Möglichkeit zu-kommen)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
103
Heidegger
GEWESENHEIT
vulgärer Begriff: Nicht-mehr-Jetzt
ursprünglicher Begriff: ich bin mein Gewesen
(auf mich zurück-kommen)
GEGENWART
vulgärer Begriff: Jetzt
ursprünglicher Begriff: begegnen lassen (aufgeschlossen)
(mir-begegnen-lassen)
ICH KANN NUR GEWORFENE MÖGLICHKEITEN
ENTWERFEND AUFSCHLIESSEND. (Sorge)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
104
Heidegger
MODI DER SICH ZEITIGENDEN ZEITLICHKEIT
EIGENTLICHER (AUFSCHLIESSENDER) MODUS:
AUFSCHLIESSEN DES ENTWERFEN-KÖNNENS
AUF DIE ÄUSSERSTE MÖGLICHKEIT DES
EIGENEN TODES
VON DIESER EIGENTLICHEN ZUKUNFT KOMMT
DAS DASEIN AUF SEIN GEWORFENES
ERSCHLOSSENSEIN ZURÜCK UND
ÜBERNIMMT ES UNVERSTELLT DIESE
"ÜBERNAHME" IST ALSO EINE
"WIEDERHOLUNG"
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
105
Heidegger
DIE UNVERSTELLTE GEGENWÄRT IST
DER "AUGEN-BLICK" (ODER DER
VERSTEHENDE BLICK FÜR DIE
SITUATION) DIE EXISTENZIALE
ZUKUNFT IST DAS "VORLAUFEN„
(IN DIE MÖGLICH. DES
EIGENENTODES)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
106
Heidegger
UNEIGENTLICHER (VERSCHLIESSENDER)
MODUS: ZUKUNFT: GEWÄRTIG (MAN
LÄSST DIE MÖGLICH KEIT NICHT AUF
SICH KOMMEN) GEWESENHEIT:
GEWESENSEIN (MAN VERSCHLIESST
SICH SEINER EIGENEN
VERGANGENHEIT) GEGENWART:
GEGENWÄRTIGEN (VERSCHLOSSEN
FÜR DIE SITUATION)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
107
Heidegger
PHILOSOPHIE - WAS WIR SO NENNEN - IST
DAS IN-GANG-BRINGEN DER
METAPHYSIK, IN DER SIE ZU SICH
SELBST UND ZU IHREN
AUSDRÜCKLICHEN AUFGABEN KOMMT.
DIE PHILOSOPHIE KOMMT NUR IN GANG
DURCH EINEN EIGENTÜMLICHEN
EINSPRUNG DER EIGENEN EXISTENZ
IN DIE GRUNDMÖGLICHKEITEN DES
DASEINS IM GANZEN.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
108
Heidegger
FÜR DIESEN EINSPRUNG IST ES ENTSCHEIDEND:
EINMAL DAS RAUMGEBEN FÜR DAS SEIENDE
IM GANZEN; SODANN DAS SICHLOSLASSEN IN
DAS NICHTS, D.H. DAS FREIWERDEN VON DEN
GÖTZEN, DIE JEDERHAT UND ZU DENEN ER
SICH WEGZUSCHLEICHEN PFLEGT; ZULETZT
DAS AUSSCHWINGENLASSEN DIESES
SCHWEBENS, AUF DAS ES STÄNDIG
ZURÜCKSCHWINGT IN DIE GRUNDFRAGE DER
METAPHYSIK, DIE DAS NICHTS SELBST
ERZWINGT: WARUM IST ÜBERHAUPT
SEIENDES UND NICHT VIELMEHR NICHTS?
(M. Heidegger: Was ist Metyphysik?1929, 37-42)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
109
Heidegger
DAS METAPHYSISCHE DENKEN BERUHT AUF DEM
UNTERSCHIED
ZWISCHEN DEM, WAS WAHRHAFT IST UND DEM, WAS,
DARAN
GEMESSEN, DAS NICHT WAHRHAFT SEIENDE AUSMACHT.
FÜR DAS WESEN DER METAPHYSIK LIEGT DAS
ENTSCHEIDENDE JEDOCH KEINESWEGS DARIN, DASS
DER GENANNTE UNTERSCHIED SICH ALS DER
GEGENSATZ DES ÜBERSINNLICHEN ZUM SINNLICHEN
DARSTELLT, SONDERN DARIN, DASS JENER
UNTERSCHIED IM SINNE EINER ZERKLÜFTUNG DAS
ERSTE UND TRAGENDE BLEIBT.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
110
Heidegger
SIE BESTEHT AUCH DANN FORT, WENN
DIE PLATONISCHE RANGORDNUNG
ZWISCHEN DEM ÜBERSINNLICHEN UND
SINNLICHEN UMGEKEHRT UND DAS
SINNLICHE WESENTLICHER UND
WEITER IM EINEM SINNE ERFAHREN
WIRD, DEN NIETZSCHEN MIT DEM
NAMEN DIONYSOS BENNENT.
(M. Heidegger: Vorträge und Aufsätze, Wer ist
N. Zarathustra? S. 114)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
111
Heidegger
DIE UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN
SINNLICHEM UND
ÜBERSINNLICHEN IST EIN ÜBERGANG VO
PHYSISCHEN UND DER "PHYSIK" IM
WEITESTEN SINNE ZUM
METAPHYSISCHEN UND ZUR
METAPHYSIK. DIE UNTERSCHEIDUNG
DES SINNLICHEN (AISTHETON) UND
DES NICHTSINNLICHEN (NOETON) IST
DAS GRUNDGEFÜGE DESSEN, WAS
VON ALTERSHER METAPHYSIK HEISST.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
112
Heidegger
BENENNEN WIRD MIT "WELT" DAS GANZE DES
WIRKLICHEN, SEINEN GRUND UND SEINE
URSACHE MITEINBEGRIFFEN, DANN LÄSST
SICH SAGEN: ALLE ABENDLÄNDISCHE
WELTAUFFASSUNG UND WELTAUSLEGUNG IST
SEIT PLATON "METAPHYSISCH". SEIT
DERSELBEN ZEIT BESTIMMT MAN AUCH DAS
WESEN DER KUNST (TECHNE - ARS) UND
SOMIT AUCH DAS WESEN DER DICHTKUNST
IM SINNE DER METAPHYSIK.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
113
Heidegger
DAS KUNSTWERK GILT IN ALLER METAPHYSIK ALS ETWAS
SINNLICHES, DAS FREILICH NICHT FÜR SICH IST,
SONDERN DAS SINNLICHE DES KUNSTWERKES IST,
WAS ES IM KUNSTWERT IST,
FÜR DAS NICHTSINNLICHE UND ÜBERSINNLICHE, WAS MAN
AUCH DAS GEISTIGE UND DEN GEIST NENNT.
HEGEL SAGT (...): "DAS SINNLICHE DES KUNSTWERKES
SOLL NUR DASEYN HABEN, INSOFERN ES FÜR DEN
GEIST DES MENSCHEN, NICHT ABER INSOFERN ES
SELBST ALS SINNLICHES FÜR SICH SELBER EXISTIERT.„
(GA 53, 18-19)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
114
Heidegger
"SEIN UND ZEIT" IST VIELMEHR DAHIN
UNTERWEGS, AUF DEM WEGE ÜBER
DIE ZEITLICHKEIT DES DASEINS IN DIE
INTERPRETATION DES SEINS ALS
TEMPORALITÄT EINEN ZEITBEGRIFF,
JENES EIGENE DER "ZEIT" ZU FINDEN,
VON WOHER SICH "SEIN" ALS ANWESEN
ER-GIBT.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
115
Heidegger
DAMIT IST ABER GESAGT, DASS DAS IN DER
FUNDAMENTAL- ONTOLOGIE GEMEINTE
FUNDAMENTALE KEIN AUFBAUEN DARAUF
VERTRÄGT. STATTDESSEN SOLLTE, NACHDEM
DER SINN VON SEIN ERHELLT WORDEN
WÄRE, DIE GANZE ANALYTIK DES DASEINS
URSPRÜNGLICHER UND IN GANZ ANDERER
WEISE WIEDERHOLT WERDEN."
(MH, Seminarprotokoll über den Vortrag "Zeit und
Sein", ZD 34)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
116
Fazit
1) Explizite und implizite Metaphysik: Grundbegriffe der
Wissenschaften: Biologie, Informatik, Physik...
2) Metaphysisch argumentieren:
Begründung des Endlichen im Unendlichen (Gott)
vs. Eröffnung des unendl. Horizontes in der Endlichkeit
Met.
Themen: gott, Seele, Ich, Freiheit, Unsterblichkeit
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
117
Fazit
3) M. und Metaphysikkritik:
- Kynismus
- Marxismus (Deutsche Staatsbibliothek)
- Bloch: Tüb.Einl. 344-356 (Metaph.: als Lehre vom
Übersinnl.? nein, sondern als Ontologie: konkrete
Utopie; bisher: Vermengung, aber seit Arist.: Met.
ist Ontologie.
- Positivismus: Mach
- Wittgenstein: Tractatus
- Analyt. Philosophie: Russell, Putnam
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
118
Fazit
3) Marquard:
"Die Met. ist jene kognitive Branche, die Probleme hat, mit denen sie
nicht fertig wird; und die Theodizee ist das - wie ich hier partiell
mitbelegt zu haben glaube - in exemplarischer Weise.
Probleme zu haben, mit denen man nicht fertig wird, ist wiss.theoretisch
ärgerlich, aber menschlich normal.
Skeptiker sind- meine ich - jene Leute, die wiss.theoretische Ärgernisse
verschmerzen zugunsten menschlicher Normalität: für sie ist
Metaphysik - das Nichtfertigwerden - gerade kein Gegner, sondern
das Menschliche; so kann es für Skeptiker - die für das Menschliche
optieren - niemals zuviel Metaphysik geben. Es existieren
menschliche Probleme, bei denen es gegenmenschlich, also ein
Lebenskunstfehler wäre, sie nicht zu haben, und übermenschlich,
also ein Lebenskunstfehler, sie zu lösen. Die skeptische Kunst, diese
Kunstfehler nicht zu begehen, ist die Metaphysik; und professionelle
Metaphysiker sind Leute, die sorgfältig und erfolgreich gelernt haben,
mit Problemen nicht fertig zu werden: gerade darin liegt ihr Wert.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
119
Fazit
Freilich: wer auf ein Problem gar keine Antwort gibt,
verliert schließlich das Problem; das ist nicht gut.
Wer auf ein Problem nur eine Antwort gibt, glaubt
das Problem gelöst zu haben und wird leicht
dogmatisch: auch das ist nicht gut. Am besten ist
es, zu viele Antworten geben: das - etwa bei der
Theodizee -bewahrt das Problem, ohne es wirklich
zu lösen: es muß tausend Antworten geben,
vielleicht im Orient tausenduneine und in Spanien
tausendunddrei.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
120
Fazit
Beantwortungsabstinenz und
Beantwortungsmonismus sind schädlich; nützlich ist ein exzessiv
ausschweifen des
Beantwortungsleben, das es meist
schon gibt: als Geschichte der
Metaphysik, die darum das Organon
der Skepsis ist." (Entlastungen, S. 28;
in: Apologie des Zufälligen)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
121
Fazit
Apologie des Zufälligen, S. 48:
"Man muß - gerade auch gegenwärtig ablassen vom Unsinn des Sinnfrageverbots
(etwa durch das analytische Sinnkriterium,
d.h. den Sinnlosigkeitsverdacht gegen die
Metaphysik). Darum plädiere ich - obzwar
Skeptiker - für Metaphysik, weil die
Metaphysik Sinnfragen festhält.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
122
Fazit
Sie tut das zwar durch metaphysische
Antworten; aber zuweilen kann man
Fragen nur durch Antworten festhalten
(Antworten sind häufig vor allem ein
Fragentransportmittel), und Sinnfragen
kann man häufig nur durch
metaphysiche Antworten festhalten.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
123
Fazit
Um Sinnfragen sinndiätetisch gemäßigten gegebenenfalls nichtmetaphysischen - Antworten
zuzuführen, muß man sie zunächst einmal haben;
und es ist besser, sie metaphysisch zu haben, als
sie gar nicht zu haben, wenn es auch - das ist die
Meinung des Skeptikers - nicht allemal gut ist, sie
metaphysisch zu beantworten.
Aber auch skeptisch gesehen, haben met. Antworten
durchaus Vorteile; denn die Met. gibt in der Regel
auf eine Frage nicht nur eine, sondern mehrere,
d.h. zu viele Antworten und hält gerade dadurch die
Frage offen."
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
124
Perspektiven der Metaphysik
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
125
Wortgeschichte

tà metà tà physikà: nach der Überlieferung
eine bibliothekarische Bezeichnung:
Andronikos von Rhodos (1. Jh.n.Chr.) soll
bei der Zusammenstellung der
Aristotelischen Schriften die
Einzelabhandlung, welche die heutige
"Metaphysik" des Aristoteles ausmachen,
hinter der Physik eingereiht und sie mit der
Bezeichnung "ta..." versehen haben.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
126
Wortgeschichte
Anlaß: Aristoteles selbst verweist auf die Bücher der Physik. Der
Name selbst kommt nicht in den Texten des Aristoteles vor. Er
spricht von:
- erste Philosophie (prote philosophía)
- Theologie (theologiké)
oder einfach:
- Weisheit (sophía)
Aber die Namensgebung hatte tiefere (sachliche) Gründe als eine
bloße bibliothekarische "Verlegenheit"! Warum eine
Verlegenheit, da schon drei Namen?
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
127
Wortgeschichte


Ándronikos von Rodos: Schulhaupt des Peripatos
um 70 v.Ch. an der Erneuerung des Peripatos
entscheidend beteiligt. Sein besonderes Interesse
galt der Logik. Mit ihr sollte das Studium des
Aristoteles beginnen.
Gestützt auf die soeben wieder entdeckten
Lehrschriften des A. scheint Andronikos dem philos.
Unterricht eine feste Form gegeben zu haben. Er ist
er erste der A.Kommentatoren. Ihm lagen die
Schriften des A. im bis heute erhaltenen Umfang
vor. Andronikos wirkte als Sammler und
Herausgeber der aristotelischen Schriften.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
128
Wortgeschichte


Die älteste Bezeugung des Titels Meta ta
physika stammt von Nikolaus von
Damaskus (2. Hälfte des 1. Jh. v.Chr.) nach
einem Scholion am Schluß der Metaphysik
des Theophrast): "Theoria on Aristotelous
Meta ta physika".
Nikolaus v. D.: Ratgeber des Herodes,
schrieb 144 Bände Weltgeschichte,
begleitete Herodes nach Italien, lehrte der
Kinder von Kleopatra und Antonius. Schrieb
Paraphrasen des Aristoteles.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
129
Wortgeschichte


Erste Arbeit über Aristoteles “Metaphysik”
von Averroes berücksichtigt.
Aber: Eudemos von Rhodos, Schüler des
Arist. und Anwärter auf seine Nachfolge. Da
Theophrast gewählt wurde, kehrte er nach
Rhodos zurück. Nikolaus sagt, das Buch
über Meta ta phys. sei von Theophrast.
Bezeichnung auch bei Eudemus möglich.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
130
Wortgeschichte

Hans Reiner: Die Entstehung und
ursprüngliche Bedeutung des Namens
Metaphysik. In: Zt. für philosophische
Forschung. VIII, 1954. 210ff
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
131
Wortgeschichte

"Was den Namen der Metaphysik anbetrifft, so ist nicht zu
glauben, daß derselbe von ohngefähr entstanden, weil er so
genau mit der Wissenschaft selbst paßt; denn da "physis" die
Natur heißt, wir aber zu den Begriffen der Natur nicht anders
alsdurch die Erfahrung gelangen können, so heißt diejenige
Wissenschaft, so auf sie folgt, Metaphysik (von metá, trans,
und physica). Es ist eine Wissenschaft, die gleichsam außer
dem Gebiete der Physik, jenseits derselben liegt. Und weil auf
diese vermischte Erscheinung der Physik reine
Vernunftbegriffe folgen, die über die Erfahrung gehen, so heißt
auch diese Wissenschaft mit Recht Metaphysik; würde sie
etwa den namen einer Super-Physik führen, so würde unter
ihr die theologische Naturlehre verstanden werden können."
(Kants Vorl. über M., Akad. XIV, S. 666)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
132
Wortgeschichte


(Alexander von Aphrodisias: um 200 n.Chr.)
(Asklepios: 6. Jh. n.Chr.)

Im Bericht des Alexander von Aphrodisias (um 200 n.Chr.)
heißt es, daß die als "sophia" und "theologike" bezeichnete
Wissenschaft als "Meta ta physika" auch von Aristoteles (!)
bezeichnet wurde, da diese in der Ordnung nach jener (also
der Physik) kommt, und zwar in Hiblick "auf uns" (pros emás).

Asklepios: der Grund des Namens ist "dia ten taxin", da
Aristoteles vorher über die physika gehandelt habe. Diese
Taxis ist die, daß wir (!) aus dem der Natur nach Späteren die
Anfangsgründe (tas archas) gewinnen.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
133
Wortgeschichte

Fazit: die Belege geben als Herkunft des Namens nirgends eine bloße
bibliothekarische Erklärung, sondern eine Erklärung in der Ordnung der
Sache, woraus sie die Ordnung der Schriften herleitet.
das heißt: es gibt:
- das der Natur nach Frühere (te physei)
- das für uns Frühere: das der sinnlichen Wahrnehmung Nähere. Hier: der
natürliche Gang der Erkenntnis
oder: DIE REIHENFOLGE DES LEHRGANGS, wovon dann die biblioth. Ordnung
eine Folge wäre.




"prote philosophia" ist der Name "te physei"
"meta ta physika" ist der name "pros hemas"
(oder: an sich gehören diese Fragen am Anfang, aber didaktisch am Ende!)
Andronikos von Rhodos betonte die didaktische Ordnung, so daß für ihn nur der
Titel Metaphysik paßte
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
134
Systematik (Aristoteles)
SYSTEMATIK DER ARISTOTELISCHEN SCHRIFTEN
(NACH ANTIKEN KOMMENTAREN)
(Ordnung "pros hemas"/divisio per accidens)
ALLGEMEINE
SYNTAGMATISCHE
EXOTERISCHE: von (ta katholou) (völlig ausgearb.)
anderen ausgespr.
AKROAMATISCHE: von Arist. selbst ausgespr. (fast
alle erh.Schr.)
LOGISCHE
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
135
Systematik (Aristoteles)
(ORGANON)
PRAKTISCHE
POIETISCHE
THEORETISCHE
- NATURWISS.
- MATHEMATISCHE
THEOLOGISCHE
HYPOMNEMATISCHE (skizzenhaft)
DIE DAZWISCHEN LIEGENDEN: Sammlung der Staatsverf. (ta
metaxú)
INDIVIDUELL GERICHTET: Briefe (ta meriká)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
136
Systematik (Aristoteles)
Met. 1025b (VI. Buch)
„WIR SUCHEN DIE PRINZIPIEN UND URSACHEN
DER SEIENDEN, OFFENBAR ABER ALS
SEIENDE. DENN ES GIBT EINE URSACHE FÜR
GESUNDHEIT UND WOHLBEFINDEN, UND ES
GIBT FÜR DIE MATHEMATISCHEN DINGE (...)
DOCH ALLE DIESE WISSENSCHAFTEN
UMSCHREIBEN NUR EIN BESTIMMTES
SEIENDES UND EINE BESTIMMTE GATTUNG
UND BESCHÄFTIGEN SICH DAMIT,NICHT ABER
MIT DEM SEIENDEN SCHLECHTHIN UND
INSOFERN ES EIN SEIENDES IST.“
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
137
Systematik (Aristoteles)
Die aristotelischen Bücher „Metaphysik“

ALPHA / a (alpha elatton/klein a)
1) "Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen"
die "gesuchte Wissenschaft"
alle beginnen mit der Verwunderung (daß es etwas gibt)
Umschlag: betrachten der Ursache
die göttlichste Wissenschaft
2) Die alten Lehren von den Prinzipien und Ursachen
3) Kritik an Platon
die Philosophie als Wissenschaft von der Wahrheit
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
138
Systematik (Aristoteles)
BETA
Die 14 Aporien
z.B. ob das Seiende und das Eine die Wesen der Dinge sind
(Platon und die Pythagoreer)
oder ob es mehrere Elemente gibt (Empedokles)

GAMMA
Wissenschaft des Seienden als seiend (to on he on)
- to de on legetai pollachos, doch stets im Hinblick auf Eines
- Satz vom Widerspruch
- Satz vom ausgeschl. Dritten

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
139
Systematik (Aristoteles)
DELTA
Lexikon von 30 Termini:
Arche, Aition, Stoicheion, Physis, Anankaion, Hen, To On, Ousia,
Dasselbe, Entgegengesetzt, Früher/später, das Vermögen, Quantum,
Quale, das Bezügliche, Vollendet, die Grenze, Wonach, die Anlage,
Zustand, Affektion, Privation, Habe, Aus etwas sein, Teil, Ganzes,
Verstümmelt, Gattung, Falsch, Akzidens

EPSILON
Die erste Philosophie (Naturwiss., Mathem., Theologie)
Bedeutung des Seienden: Akzidens, wahres/falsches

ZETA / ETA / THETA:
Abhandlungen über die Ousia, Aktualität und Potentialität

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
140
Systematik (Aristoteles)
IOTA
Eins, Identität, Ähnlichkeit

KAPPA
Kompilationen

LAMDA
Ousia, erster Beweger und die übrigen Beweger der Himmelssphären

MY / NY
Kritik der Ideenlehre

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
141
Systematik (Aristoteles)
FAZIT:
prote episteme:
- TO ON HE ON
- TO THEION
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
142
Systematik: Aristoteles
zentrale Themen:
MANNIGIFALTIGKEIT DES SEIENDEN
KATEGORIENLEHRE
WIDERSPRUCHSPRINZIP
WAHRHEITSBEGRIFF
PRINZIPIEN UND URSACHEN
SUBSTANZ, WESEN
AKTUALITÄT, POTENTIALITÄT
ERSTER UNBEWEGTER BEWEGER UND DESSEN
DENKEN
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
143
Alltagsmetaphysik
a) Metaphysische Alltagsontologie:
- das ist so
- das war immer so, und wird auch so bleiben
- es ist, wie es ist
- laß es sein
- ja, gibt's das?

b) Metaphysische Alltagskosmologie
- die Welt ist halt so
- so ist die Welt
- das ist der Welten Lauf

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
144
Alltagsmetaphysik
c) Metaphysische Alltagstheologie
- vergelt's Gott
- um Gottes Willen!
- Grüß Gott!
- den/die soll der Teufel holen
 d) Metaphysische Alltagspsychologie
- er/sie ist eine gute Seele
- das ist eine Seele vom Mensch
- der schläft seelisch

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
145
Metaphysik und Moderne
Klasssische Substanzmetaphysik und
neuzeitliche Subjektmetaphysik
 Metaphysische Begründungen:
- Begründung des Endlichen im Unendlichen
- Wolff vs. Kant: Metaph. Begründung oder
transz. Kritik?
- Unterschied: Sinnlich/Übersinnlich
(Unsinnlich)

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
146
Metaphysik heute





Sinnlosigkeitsverdacht (Carnap,
Lyotard)
Ideologieverdacht (Marx)
Metaphysik = Ontologie? (Bloch)
Lebensfeindlich? (Nietzsche)
Postmetaphysisch? (Habermas)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
147
Metaphysikgeschichte: Antike
PARMENIDES, HERAKLIT
 PLATON (Lichtmetaphysik, Epoptie)
EPEKEINA TES OUSIAS (Polit. VII, 2, 516)
SCHAU (epopteuo, Phaidr. 250c) des
Göttlichen
Unterschied: Sinnlich/Übersinnlich
 ARISTOTELES: "Metaphysik" (Erste
Philosophie, Weisheit, Theologie)
 PLOTIN
 AUGUSTINUS, BOETHIUS

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
148
Metaphysikgeschichte:
Mittelalter





AVICENNA, AVERROES (M.-Kommentar)
ALBERT DER GROSSE, THOMAS VON
AQUIN (M.-Kommentar)
DUNS SCOTUS
NIKOLAUS VON KUES
SUAREZ ("Disputationes Metaphysicae"
1597: erste systematische Behandlung)
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
149
Metaphysikgeschichte:
Neuzeit






DESCARTES
SPINOZA, LEIBNIZ, WOLFF,
BAUMGARTEN
BERKELEY, HUME
KANT
FICHTE, SCHELLING, HEGEL
SCHOPENHAUER, NIETZSCHE
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
150
Metaphysikgeschichte:
Gegenwart







BERGSON, WHITEHEAD
SCHELER, N. HARTMANN, JASPERS
HEIDEGGER
WITTGENSTEIN
CARNAP, POPPER
RUSSELL, QUINE, CHISHOLM,
DERRIDA, LEVINAS
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
151
Metaphysikkritik
SOPHISTIK, SKEPSIS, KYNISMUS

ISLAM (AL GHAZALI)

NOMINALISMUS (OCKHAM)

HUMANISMUS/REFORMATION
- Vives: metaph. Lehren als "Fiktionen und Altweiberfabeln"
- Galilei: "Peripatetiker, die nicht einmal diesen Namen verdienen,
denn sie gehen nicht umher; sie sind zufrieden die Schatten
anzubeten, philosophieren nicht mit gebührender Sorgfalt,
sondern bloß durch Erinnern an vier falsch verstandene
Prinzipien."
- Luther: "daß die Bucher Aristotelis... Metahysice ... silchs bisher
die besten gehalten, ganz wurden abthan... so doch nichts
drinnen mag gelehret werden, wider von natürlichen noch
geistlichen Dingen."

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
152
Metaphysikkritik
AUFKLÄRUNG
- Montaigne
- Voltaire: "Vanitas vanitatum, et metaphysica vanitas". "Eine
mathematische Wahrheit besteht ewig, "et les fantomes
metahysiques passent comme les reves de malades.", denn
die M. enthält zwei Untergebiete: im einen wird gesagt, was
ohnehin jeder weiß, im anderen, was niemand je wissen kann.
(gegen Wolff)
- Burke: die "metaphysical aeronauts" sind "vain speculators",
"philosophers of vanity", "logical fanatics" und eröffnen "the
depth of abstruse science."
- J. Thomasius: von M. ist nichts übrig als ein "lexikon
philosophicum".
- Kant: Träume der Metaphysik

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
153
Metaphysikkritik
19./20.Jh.
- anthropol. Kritik: Feuerbach
- christliche K.: Kierkegaard
- anarchistisch-solipsistisch: Stirner
- historisch-materialistisch: Marx, Engels#
- nihilistisch: Nietzsche
- hermeneutisch: Dilthey (Die Systeme der M. sind gefallen)
- Neukantianismus
- Phänomenologie (Husserl, Heidegger)
- Empiristen, Positivisten: Comte
- Log. Positivismus
- Analyt. Philosophie, Sprachanalyse

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
154
Metaphysikforschung
WELCHES SIND DIE WIRKLICHEN SCHRITTE,
DIE DIE METAPHYSIK SEIT PARMENIDES' ZEITEN
NICHT NUR IN DEUTSCHLAND GEMACHT HAT?

1) ERSTES STADIUM (Dogmatismus)
- Parmenides, Platon (Satz der Identität)
- Aristoteles (Satz vom Widerspruch)
- Leibniz, Wolff (Satz des zureichenden Grundes)
- Neuscholastik

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
155
Metaphysikforschung
2) ZWEITES STADIUM (Skeptizismus)
- antike Skepsis (Grundsatz "Zweifel")
- Descartes, Hume
- Abschied vom Prinzipiellen (Marquard)
- Kynismus (Sloterdijk)

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
156
Metaphysikforschung
3) DRITTES STADIUM (Kritizismus)
- Kant (oberste Grundsatz aller synth.
Urteile)
- Neukantianismus
- Apel/Habermas
- krit. Rationalismus

Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
157
Metaphysikforschung
4) VIERTES STADIUM (Nihilismus)
- Nietzsche (Perspektivismus)
- Heideggger (Seinsfrage) (Satz vom 'Ab-Grund')
- Postmoderne ("schwaches Denken")
- Analyt. Philosophie: ontologischer Pluralismus
- Konstruktivismus

=> Metaphysik als not-dürftige Wissenschaft
=> alles an der Metaphysik ist (wieder) frag-würdig
geworden.
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
158
Analytische Metaphysik



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
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


B. Russell: Philosophy of Logical Atomism, 1918
A.N. Whitehead: Process and Reality, 1929
P.F. Strawson: Individuals. An Essay in Descr. Metaphysics, 1959
W.V.O. Quine: Word and Object, 1960
Th.S. Kuhn: The Structure of Scientific Revolutions, 1962
M. Dummett: The Reality of the Past, 1969
A.J. Ayer: Metaphysics and Common Sense, 1970
Saul A. Kripke: Naming and Necessity, 1972
N. Goodman: Ways of Worldmaking, 1978
P. Suppes: Probabilistic Metaphysics, 1974
R. Rorty: Philosophy and the Mirror of Nature, 1979
W. Sellars: Foundations of a Metaphysics of Pure Process, 1981
D. Lewis: On the Plurality of Worlds, 1986
H.-N. Castañeda:The Self and the I-Guises, Empirical and Transcendental, 1987
H. Paul Grice: Aristotle on the Multiplicity of Being, 1988
R. W. Chisholm: On Metaphysics, 1989
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
159
Analytische Metaphysik:
Psychologia


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

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

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



G. Ryle: The Concept of Mind, 1949
G.E.M. Anscombe: Intention, 1957
N. Chomsky: Syntactic Structures, 1957
J.L.Austin: How to Do Things With Words, 1962
J.R. Searle: Speech Acts, 1969
D. Dennett: Content and Consciousness, 1969
D. Davidson: Essays on Actions and Events, 1980
D. Dennett/D.Hofstadter: he Mind's I, 1981
R.M. Chisholm: he First Person: An Essay on Reference and
Intentionality, 1981
On the Simplicity of the Soul, 1991
N. Goodman: Of Mind and Other Matters, 1984
Th. Nagel: The View from Nowhere, 1986
H. Putnam: Representation and Reality, 1988
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
160
Analytische Metaphysik:
Theologia Naturalis

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W. James: The Varieties of Religious Experience, 1902
B. Russell: Mysticism and Logic, 1918
A.N. Whitehead: Religion in the Making, 1926
A. Flew: God and Philosophy, 1966
A. Plantinga: The Ontological Argument, 1968
R.B. Braithwaite: An Empiricist's View of the Nature of Religious Belief, 1971
J. Barnes: The Ontological Argument, 1972
R. Robinson: An Atheist's Values, 1975
D.Z. Phillips: Religion without Explanation, 1976
R. Swinburne: The Existence of God, 1979
A. Kenny: The God of the Philosophers, 1979
W.L. Craig: The Cosmological Argument from Plato to Leibniz,
1980
R. Gruner: The Elimination of the Argument from Evel, 1980
J. L. Mackie:The Miracle of Theism: Arguments For and Against the Existence
of God, 1982
Rafael Capurro: Was ist Metaphysik?
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