Urosepsis - Deutsches Ärzteblatt

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MEDIZIN
Urosepsis – Ursache, Diagnose
und Therapie
Nici Markus Dreger*, Stephan Degener*, Parviz Ahmad-Nejad,
Gabriele Wöbker, Stephan Roth
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund: Die Sepsis ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. 9–31 % aller Septitiden entfallen auf
die Urosepsis mit Mortalitätsraten von 20–40 %, was einer
vergleichsweise milderen Prognose entspricht. Aufgrund
des demografischen Wandels ist mit einer Zunahme an
Urosepsis-Patienten zu rechnen.
Methode: Selektive Literatur- und Leitlinienrecherche in PubMed.
Ergebnisse: Enterobakterien und grampositive Erreger
sind die häufigsten Auslöser einer Urosepsis. Die
Verdachtsdiagnose kann und muss frühzeitig anhand der
Klinik, Vitalparameter und Laborchemie gestellt und
behandelt werden. In etwa 80 % der Fälle ist eine obstruktive Uropathie für die Entstehung der Urosepsis ursächlich.
Für die Diagnostik werden die körperliche Untersuchung,
Blutkulturen, Urinuntersuchung, die Bestimmung von Procalcitonin und die Sonographie herangezogen. Eine Verzögerung der antibiotischen Therapie um je eine Stunde
verschlechterte in einer Studie die Überlebensrate um
durchschnittlich 7,6 %. Lokale Resistenzraten und das zu
erwartende Keimspektrum müssen bei der Wahl des
Antibiotikums berücksichtigt werden.
Schlussfolgerung: Die Therapie sollte interdisziplinär mit
Urologen, Intensivmedizinern und Mikrobiologen erfolgen.
Die bessere Prognose von Urosepsispatienten könnte
durch die häufig mögliche minimal-invasive Fokussanierung erklärt werden. Neue Biomarker sowie Therapieverfahren müssen durch multizentrische Studien evaluiert
werden.
►Zitierweise
Dreger NM, Degener S, Ahmad-Nejad P, Wöbker G,
Roth S: Urosepsis—etiology, diagnosis and treatment.
Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 837–48.
DOI: 10.3238/arztebl.2015.0837
as Sepsis-Syndrom als „komplexe inflammatorische Wirtsreaktion auf eine Infektion“ ist mit einer hohen Mortalitätsrate vergesellschaftet: Die Sepsis
ist die Haupttodesursache intensivpflichtiger Patienten
außerhalb kardiologischer/kardiochirurgischer Intensivstationen. Allerdings werden im klinischen Alltag
insbesondere frühe Stadien der Sepsis oft verkannt
(1, 2).
Abhängig von der geografischen Lage gehen
9–31 % aller Septitiden aus einer Infektion des
Urogenitaltraktes und des männlichen Genitals hervor und werden als Urosepsis bezeichnet (3). Aufgrund des demografischen Wandels und dadurch
steigenden urologischen Komorbiditäten (beispielsweise Dauerkatheterversorgung) ist mit einer
weiteren Zunahme des Anteils der Urosepsis zu
rechnen.
D
3
Punkte
cme
Teilnahme nur im
Internet möglich:
aerzteblatt.de/cme
Lernziele
Nach dem Studium dieser Übersicht soll der Leser:
● die Definition der Urosepsis und die Unterscheidung zwischen Sepsis, schwerer Sepsis sowie
septischem Schock beherrschen.
● Risikofaktoren der Sepsis und die häufigsten Ursachen der Urosepsis kennen.
● die essenzielle Bedeutung des Faktors Zeit hinsichtlich Diagnose und Therapie verstehen.
● die Pathophysiologie des Sepsissyndroms nachvollziehen können.
● die diagnostischen Schritte sowie die Bestandteile
der kausalen, supportiven und adjunktiven Therapie kennen.
Methode
Eine selektive Literaturrecherche (in PubMed bis
08/2015) sowie folgende Leitlinien wurden zugrunde
gelegt:
*Dr. Dreger und Dr. Degener teilen sich die Erstautorenschaft.
Klinik für Urologie und Kinderurologie, HELIOS Klinikum Wuppertal, Universität
Witten/Herdecke, Zentrum für Forschung in der klinischen Medizin (ZFKM):
Dr. med. Dreger, Dr. med. Degener, Prof. Dr. med. Roth
Institut für Mikrobiologie und Laboratiumsmedizin, Universität Witten/Herdecke,
Zentrum für Forschung in der klinischen Medizin (ZFKM),HELIOS Klinikum
Wuppertal: Prof. Dr. med. Ahmad-Nejad
Klinik für Intensivmedizin, HELIOS Klinikum Wuppertal,
Universität Witten/Herdecke: Dr. med. Wöbker
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 49 | 4. Dezember 2015
Sepsissyndrom
Die Sepsis ist die Haupttodesursache
intensivpflichtiger Patienten außerhalb
kardiologischer/kardiochirurgischer
Intensivstationen.
837
MEDIZIN
KASTEN
Diagnosekriterien für Sepsis, schwere Sepsis und
septischen Schock gemäß der Deutschen
Sepsis-Gesellschaft (2)
I. Nachweis der Infektion
Diagnose einer Infektion über den mikrobiologischen Nachweis oder durch
klinische Kriterien
II. „Systemic Inflammatory Response Syndrome“ (SIRS)
(mindestens 2 Kriterien) (6)
Körpertemperatur: ≥ 38 °C oder ≤ 36 °C
Tachykardie: ≥ 90/min
Tachypnoe: ≥ 20/min
respiratorische Alkalose: paCO2 ≤ 32 mmHg (< 4,3 kPa)
Leukozyten: Leukozytose ≥ 12/nL oder Leukopenie ≤ 4/nL oder Anteil Stabkernige ≥ 10 % (= Linksverschiebung, vermehrtes Auftreten von unreifen
neutrophilen Granulozyten bzw. Granulozyten-Vorstufen).
III. Akute Organdysfunktion (mindestens 1 Kriterium)
akute Enzephalopathie: Vigilanzminderung, Desorientiertheit, Unruhe, Delirium
relative oder absolute Thrombozytopenie: Abfall um > 30 % innerhalb 24 h
oder ≤ 100/nL
arterielle Hypoxämie: paO2 ≤ 75 mm Hg (≤ 10 kPa) unter Raumluft oder
paO2/FiO2 ≤ 250 mmHg (≤ 33 kPa)
renale Dysfunktion: Diurese ≤ 0,5 mL/kg/h für wenigstens 2 h trotz
Volumensubstitution und/oder Anstieg Serumkreatinin > 2 × oberhalb des
Referenzbereiches
metabolische Azidose: Base Excess ≤ 5 mmoL/L oder Laktat > 1,5 × oberhalb des Referenzbereiches*
Sepsis: Kriterien I und II
schwere Sepsis: Kriterien I, II und III
septischer Schock: Kriterien I und II sowie RR ≤ 90 mm Hg für wenigstens 1 h
bzw. MAP ≤ 65 mm Hg oder notwendiger Vasopressoreinsatz, um RR > 90
mm Hg bzw. MAP > 65 mm Hg zu halten. Hypotonie trotz Volumengabe und nicht
durch andere Ursachen erklärbar.
*Erhöhtes Laktat als Folge einer Minderperfusion kann auch bei normalen Blutdruckwerten auftreten
(„cryptic shock“); fallendes Laktat scheint ein der zentralvenösen Sauerstoffsättigung (Scv02) gleichwertiger oder überlegener Indikator einer erfolgreichen Therapie zu sein (e39).
DSG: Deutsche Sepsis-Gesellschaft; MAP, mittlerer arterieller Blutdruck
● Leitlinie
●
●
der „Surviving Sepsis Campaign“ (SSC)
[Stand 01/2013] (4),
Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Urologie
[Stand 03/2015] (5),
S2k-Leitlinie der Deutschen Sepsis-Gesellschaft
(DSG) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) [Stand
Definition
Die Sepsis wird definiert als eine komplexe
inflammatorische Wirtsreaktion auf einen
infektiösen Stimulus.
838
02/2010] (2), inklusive aller Änderungen [zuletzt
11/2011]. Diese S2k-Leitlinie unterliegt aktuell einer
Revision.
Die angegebenen Empfehlungs- und Evidenzgrade
erfolgten gemäß der gängigen Definition des Oxford
Centre of Evidence Based Medicine.
Definition
Die Sepsis wird von der Deutschen Sepsis-Gesellschaft
(DSG) und der deutschen interdisziplinäre Vereinigung
für Intensiv und Notfallmedizin (DIVI) als eine komplexe inflammatorische Wirtsreaktion auf einen infektiösen Stimulus („systemic inflammatory response
syndrome“ [SIRS]); (Kasten) definiert und ist an die
Definitionen internationaler Fachgesellschaften (eKasten 1) (2, 6) angelehnt (Empfehlungsgrad: E, Evidenzgrad V).
Ist eine Infektion nachgewiesen oder besteht klinisch
der Verdacht auf eine Infektion und sind die SIRSKriterien (Kasten) erfüllt, so spricht man von einer
Sepsis (Sepsis = Infektion + SIRS) (2, e1).
Kommt es zusätzlich zum Versagen mindestens eines Organs („multi organ dysfunction syndrome“,
[MODS]) liegt eine schwere Sepsis vor (schwere Sepsis = Infektion + SIRS + Organdysfunktion) (Kasten)
(2, e1). Das Nierenversagen ist dabei durch internationale Konsensusbeschlüsse definiert: akute Oligure
(< 0,5 mL/kg/h oder 45 mmoL/L für ≥ 2 h) beziehungsweise Kreatininanstieg um ≥ 0,5 mg/dL (e2).
Der septische Schock ist definiert als Sepsis mit
therapierefraktärer Hypotonie oder Hypoperfusion
trotz adäquater Volumentherapie beziehungsweise der
Notwendigkeit eines Vasopressoreinsatzes (Kasten)
(2, e1).
Im Jahr 2003 wurden die SIRS-Kriterien durch eine internationale Konsensuskonferenz neu definiert.
Dabei bilden allgemeine, inflammatorische und hämodynamische Parameter eine frühe Organdysfunktion ab
und werden als alarmierende Symptome interpretiert
(eKasten 1) (7). Eine Mindestanforderung, wie viele
Kriterien erfüllt sein müssen, existiert jedoch zum jetzigen Zeitpunkt nicht.
Epidemiologie
Die prospektive Querschnittstudie PRÄVALENZ durch
das Kompetenznetzwerk Sepsis (SepNet) ermittelte im
Jahr 2003 erstmals für Deutschland spezifische Daten
zur Epidemiologie der Sepsis (8). Dafür wurde die 1-Tagesprävalenz in 310 Krankenhäusern und 454 Intensiv-
Schwere Sepsis
Kommt es zusätzlich zum Versagen mindestens
eines Organs („multi organ dysfunction
syndrome“, [MODS]) liegt eine schwere Sepsis
vor (schwere Sepsis = Infektion + SIRS +
Organdysfunktion).
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GRAFIK 1
Unkontrollierte Infektion/größeres Trauma/zirkulatorischer Schock
abgestorbenes Gewebe/Apoptose/Überempfindlichkeit
Insult
Trigger
Sensoren &
Effektorzelle
„pathogen-associated molecular patterns“
(PAMPs)
LPS, etc.
komplexe
Proteinsysteme
Komplementsystem
Gerinnungssystem
Mediatoren &
Biomarker
„danger-associated molecular patterns“
(DAMPs)
HMGB-1, etc.
Gefäß- und
Gewebezellen
Blut- und Lymphzellen
Endothelzellen Epithelzellen Fettgewebe
Granulozyten Makrophagen Lymphozyten
Monozyten (T-, B-Zellen)
massive Mediatorenfreisetzung
beispielsweise Akut-Phase-Antwort (CRP, PCT, etc.)
Gehirn
Lunge
kardiovaskuläres
System
Niere
Leber
Darm
Mikrozirkulation
Oligurie/Anurie
Sekretionsversagen
Verlust der
Barrierefunktion, Ileus
Kapillarlecködem, DIC
Auswirkungen auf
Organfunktion
Verwirrung
Resultat
Atemnot
Schock
effektive Fokuskontrolle
ineffektive Fokuskontrolle
Normalisierung von Biomarkerabnormalitäten
Auflösung von Organdysfunktion
Erholung
Anhalten von Biomarkerabnormalitäten
multiples Organversagen
Tod
Pathophysiologie der Urosepsis
Im Zuge einer Infektion oder eines Traumas kommt es zur Freisetzung von Pathogenen/Pathogenprodukten, sogenannten PAMPs („pathogen-associated molecular
patterns“) und/oder körpereigener Signalmoleküle, sogenannte DAMPs („danger-associated molecular patterns“), die durch Rezeptoren verschiedener Zellen (unter
anderem Komplementsystem, Endothel, Fettgewebe), sogenannte „pattern recognition receptors“ (PRRs), erfasst werden. Diese wiederum können die Immunantwort
durch verschiedene pro- oder antiinflammatorische Mediatoren oder Biomarker modulieren.
aPTT, aktivierte partielle Thromboplastinzeit; CRP, C-reaktives Protein; DIC, disseminierte intravasale Gerinnung; HMGB-1, „high-mobility-group protein B1“; LPS, Lipopolysaccharid (Bestandteil der Membran gramnegativer Bakterien); PCT, Procalcitonin;
Modifiziert und übersetzt nach Reinhart et al. (e43). Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. med. K. Reinhart, Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin der Universitätsklinik Jena sowie ASM Journals.
Elemente der inflammatorischen Reaktion
• auslösende Faktoren
• erkennende Sensoren
• Mediatoren der Inflammation
• Ziele dieser Inflammationsmediatoren.
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Pathophysiologie
Im Zuge einer Infektion oder eines Traumas
kommt es zur Freisetzung von Pathogenen/Pathogenprodukten, sogenannten PAMPs („pathogenassociated molecular patterns“) und/oder körpereigenen Signalmolekülen, sogenannten DAMPs.
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a)
b)
Ökonomische Aspekte
Die Sepsis ist mit hohen Behandlungskosten verbunden
(e3). Nach Schätzungen belaufen sich die intensivmedizinischen Therapiekosten in Deutschland auf
1,77 Mrd. € pro Jahr und die direkten Kosten aller septischen Erkrankungen auf 5 Mrd. € pro Jahr (12, e4).
Analysen von Moerer et al. beschrieben durchschnittliche Behandlungskosten von 25 695 € pro Patient
(1 454 €/Tag) (13).
Die indirekten Folgekosten durch Arbeitsausfall,
Rehabilitation und Frühberentung belaufen sich auf
geschätzte 2,5–3,5 Mrd. € in Deutschland (e5).
Pathogenese und Pathophysiologie
Abbildung 1: Fokussanierung bei obstruktiver Pyelonephritis
a) Korrekt einliegende Doppel-J-Harnleiterschiene nach Obstruktion durch distale Ureterolithiasis. Durch Rest-Kontrastmittel im Nierenbeckenkelchsystem ist bereits eine deutlich
regrediente Ektasie erkennbar.
b) Korrekte Lage eines eingelegten Nephrostomiekatheters mit Kontrastmittel-Aussparungsfigur
um den Blockballon (Pfeil) bei Obstruktion durch lokal fortgeschrittenes Prostatakarzinom.
stationen erhoben: Bei 1 348 von 3 877 Patienten
(34,8 %) lag eine Infektion vor, wovon 30,8 % eine
schwere Sepsis oder einen septischen Schock aufwiesen. Daraus wurde eine Inzidenz von 85–116/100 000
Einwohner
für
die
Sepsis
beziehungsweise
76–110/100 000 für die schwere Sepsis/septischen
Schock berechnet, mit einem mittleren Alter von 67 Jahren. Zudem ergab sich eine Mortalitätsrate von 55,2 %
für die schwere Sepsis (8), wobei die Mortalitätsraten
abhängig vom Infektionsursprung variierten (9).
Die Urosepsis zeigte dabei einen günstigeren Trend,
so dass Mortalitätsraten bei schwerer Urosepsis von
20–40 % angegeben werden (5, 10). Allgemein sind
Septitiden bei Männern häufiger als bei Frauen (9).
Trotz steigender Inzidenzraten von zum Beispiel
8,7 % pro Jahr in den USA (von 82,7/100 000 Einwohner im Jahr 1979 auf 240,4/100 000 Einwohner im Jahr
2000) verbessern sich die Mortalitätsraten deutlich (9),
was auch auf die Initiierung von Leitlinien zurückzuführen ist (4, 11). Martin et al. beschrieben einen
Rückgang der Letalität zwischen 1994 und 2000 von
27,6 % auf 17,9 % (9).
Prävalenz
Trotz steigender Inzidenzraten der Sepsis
verbessern sich die Mortalitätsraten deutlich,
was auch auf die Initiierung von Leitlinien
zurückzuführen ist.
840
Grundsätzlich entsteht die Urosepsis im Zuge einer Infektion des Urogenitaltraktes. Hierbei sind die häufigsten auslösenden Erreger Enterobakterien:
● E. coli (52 %)
● Proteus spp.
● Enterobacter spp.
● Klebsiella spp.
● P. aeruginosa
● und grampositive Bakterien wie Enterokokken
(5 %) (e6).
Das Auftreten einer Bakteriämie infolge einer Harnwegsinfektion ist erhöht bei Risikopatienten (eKasten
2). Eine obstruktive Uropathie ist in 78 % für die Entstehung einer Urosepsis ursächlich (e7). Dabei entfielen in einer Studie von 205 Urosepsisfällen 43 % auf
eine Urolithiasis, 25 % auf ein Prostataadenom, 18 %
auf urologische Karzinome und weitere 14 % auf andere urologische Erkrankungen (e8).
Neben der Pathogenität des Erregers sind Art und
Ausmaß der Immunantwort verantwortlich für Schwere
und Verlauf der Sepsis (Grafik 1) (e9).
Liegt eine Infektion vor, fungieren Bakterien
oder Bestandteile der Bakterienzellwand als
„pathogen-associated molecular patterns“ (PAMP), die
sich an Rezeptoren („pattern recognition receptors“,
[PRR]) an Oberflächen von Makrophagen, Neutrophilen,
Endothel- oder Urothelzellen binden (Grafik 1) (10,
e10). Über den Transkriptionsfaktor NF-κB kommt
es zur Produktion proinflammatorischer Zytokine
wie IL-6, IL-12 und TNFα (e11–e14). Ausschüttung
weiterer Mediatoren (Chemokine, Prostaglandine,
Thromboxane oder Leukotriene) vervollständigen das
„Mediatorengewitter“ (e6). „high mobility group protein B1“ (HMGB-1), was als „danger-associated molecular pattern“ (DAMP) im Zuge des Zelluntergangs
Die häufigsten auslösenden Erreger
E. coli, Proteus spp., Enterobacter spp., Klebsiella
spp., P. aeruginosa und grampositive Bakterien
wie Enterokokken.
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GRAFIK 2
6h
1h
klinisch Verdacht auf Sepsis
Überwachung
nein
periphere Station
ja
SIRS Kriterien pos.
Überwachung
nein
ja
initial O2 + Flüssigkeitssubstitution
IMC/ICU
Mikrobiologie (Urin/Blut)
Symptome und Zeichen
indikativ für Urosepsis
nein
1. „early goal directed therapy“ (EGDT)
+ empirische Antibiotikatherapie
2. Bildgebung
Verlegung
alternative
Fachrichtung
ja
1. „early goal directed therapy“ (EGDT)
+ empirische Antibiotika-Therapie
2. Bildgebung
urogenital: komplizierender Faktor
nein
Supportive, adjunktive Therapie,
falls notwendig
ja
Kontrolle (Fokus, Eintrittspforte)
supportive, adjunktive Therapie,
falls notwendig
Diagnostischer und therapeutischer Algorithmus bei Urosepsis
IMC, „intermediate care“; ICU, „intensive care unit“. Modifiziert nach Grabe et al., Guidelines on urological infections. In: EAU-Guidelines 2015 (5).
freigesetzt oder von Makrophagen in der späten Sepsisphase produziert wird, bindet ebenfalls an „pattern
recognition receptors“ (PRR) (14). Wagenlehner et al.
vermuten, dass hier ein potenzieller Unterschied zwischen Urosepsis und Septitiden anderen Ursprunges
liegt: Der Gewebsschaden durch operative Eingriffe
zur Fokussanierung fällt bei der Urosepsis vergleichsweise gering aus, was bessere Überlebensraten erklären
könnte, beispielsweise durch innere Harnleiterschienung (selbsthaltende Katheterschiene im Harnleiter, die
den Urin vom Nierenbecken über Harnleiterengen
hinweg in die Harnblase drainiert) (Abbildung 1a),
Nephrostomie-Anlage (Abbildung 1b) (e15).
Auswirkungen auf das Immunsystem
Die infektionsbedingte Aktivierung des Komplementsystems und des angeborenen Immunsystems
(Grafik 1) bedingen eine massive initiale proinflammatorische Reaktion des Organismus. Hämatopoetische Wachstumsfaktoren stimulieren die Bildung
von neutrophilen Granulozyten, die wiederum bakterizide Substanzen wie Proteasen und Sauerstoffradikale freisetzen. Zudem werden Lymphozyten zur Antikörpersynthese und zellulären Immunantwort stimuliert. In Endothelzellen wird die Produktion von
Stickstoffmonoxid (NO) getriggert, was zu vermindertem Gefäßtonus und Hypotension führt. Zerstör-
Die Rolle der Bakterien
Liegt eine Infektion vor, fungieren Bakterien als
„pathogen-associated molecular patterns“
(PAMP), die sich an Rezeptoren, an Oberflächen
von Makrophagen, Neutrophilen, Endothel- oder
Urothelzellen binden.
Auswirkungen auf das Immunsystem
Die infektionsbedingte Aktivierung des
Komplementsystems und des angeborenen
Immunsystems bedingen eine massive initiale
proinflammatorische Reaktion des Organismus.
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Abbildung 2: Pathologische Sonographie-Befunde bei Urosepsis
a) Erweiterung des Nierenbeckens und der
Kelche mit tubulär erweitertem Ureter bei
distaler (nicht dargestellt) Ureterolithiasis.
b) Inhomogenes Nierenparenchym am Oberpol (Pfeil) infolge Abszessbildung.
a)
tes Endothel führt durch erhöhte Permeabilität zur
Ödembildung (10, 14). Auf diese Initialphase folgt
eine gegenläufige antiinflammatorische Phase, die
von immunsuppressivem Charakter ist und für die
hohe Mortalität im späteren Sepsisverlauf verantwortlich ist: Makrophagen und Neutrophile können
hier einer immunen Paralyse unterliegen, Lymphozyten und dendritische Zellen weisen eine erhöhte
Apoptose-Rate auf (15).
Auswirkungen auf die Hämostase
Das überaktivierte Komplementsystem ist eng mit dem
Gerinnungssystem verbunden. Oberflächenrezeptoren
der Endothelzellen sowie der Neutrophilen sind hochreguliert, was die gegenseitige Adhäsion steigert. Zusätzlich wird das Gerinnungssystem durch endotheliale
Synthese von Plasminogen-Aktivator-Inhibitor aktiviert.
Dies prädisponiert zu Thrombosen sowie zur „disseminierten intravasalen Gerinnung“ (DIC). Eine Verringerung von Antithrombin-III und des Quick-Wertes sowie
eine Thrombozytopenie können erste Hinweise auf eine DIC sein. Gleichzeitig werden Antikoagulatoren wie
Protein C inhibiert, was die systemische Gerinnung verstärkt und über Mikrozirkulationsstörungen im Gewebe
zur Hypoxie führt (4, 10, 14).
Diese Erkenntnisse spiegeln sich in den Sepsiskriterien bisher nur unzureichend wider. Daher wurde
das Staging-Konzept PIRO erarbeitet, dass die Kriterien „Prädisposition, Infektion, Response (Immunantwort) und Organdysfunktion“ umfasst. Dieses
Konzept hat noch keine breite klinische Bedeutung,
jedoch zeigte eine Arbeit an über 680 Patienten, dass
PIRO hinsichtlich der Stratifizierung und Prognosevorhersage sowohl dem etablierten MEDS-Score als
Prädisposition für Thrombosen
Oberflächenrezeptoren der Endothelzellen sowie
der Neutrophilen sind hochreguliert, was die gegenseitige Adhäsion steigert. Zusätzlich wird das
Gerinnungssystem durch endotheliale Synthese von
Plasminogen-Aktivator-Inhibitor aktiviert.
842
b)
auch dem APACHE-II-Score signifikant überlegen
war („area under the curve“ [AUC] von 0,889 für intensivpflichtige Behandlung, 0,817 für Organversagen und 0,744 für 28-Tage-Mortalität; p < 0,05)
(e16).
Klinik und Diagnose
Eine rasche Diagnose ist essenziell im Hinblick auf eine
frühe zielorientierte Therapie („early goal-directed therapy“, [EGDT]) (1). Bei der Urosepsis sollte neben den definierenden Sepsiskriterien (Kasten 1) (Empfehlungsgrad C, Evidenzgrad V) Aufmerksamkeit auf Symptome
gelegt werden, die auf die zugrundeliegende Ursache der
Infektion hinweisen: Flanken(klopf)schmerzen (mit etwaigen Ausstrahlungen), Dysurie/Pollakisurie, Harnverhaltung, Skrotal- und/oder Prostataschmerzen. Dazu sind
eine digital-rektale Untersuchung (Dolenz indikativ für
Prostatitis, Fluktuation für Prostataabszess) sowie die
Hodenpalpation (Dolenz, Überwärmung, Schwellung indikativ für (Epididymorchitis) unverzichtbar. Ebenso ist
auf das Vorhandensein von Kathetern zu achten. Der diagnostische und therapeutische Algorithmus gemäß den
Empfehlungen der European Association of Urology
(EAU) ist in Grafik 2 dargestellt.
Blutkulturen
Vor Beginn einer empirischen Antibiotikatherapie sollten Blutkulturen (mindestens 2–3 Pärchen) abgenommen werden, bevorzugt durch aseptische, periphere Venenpunktionen (Empfehlungsgrad C, Evidenzlevel
IIb). Die Rate positiver Blutkulturen beträgt allerdings
nur knapp 30 % (e17). Deswegen sollte eine adäquate
Befüllung der Blutkulturflaschen beachtet werden, weil
die Keimnachweisrate volumenabhängig ist (3 % mehr
Das Staging-Konzept PIRO
Dieses Konzept umfasst die Faktoren
Prädisposition, Infektion, Response (Immunantwort)
und Organdysfunktion.
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falsch negative Ergebnisse pro Milliliter weniger Blutfüllung [e18]).
Urinuntersuchungen
Obligat bei Urosepsis-Patienten sind die Urinanalyse
und das Anlegen einer Urinkultur vor der antibiotischen Therapie (Empfehlungsgrad B, Evidenzgrad Ic).
Limitiert sind die Ergebnisse von Urinkulturen aus Mittelstrahlurin bei einer obstruktiven Pyelonephritis, da
der infekttragende Urin häufig proximal der Obstruktion zu finden ist (Sensitivität von 30,2 % bei einer Spezifität von 73 %) (16).
Biomarker
Eine alleinige Diagnose der Urosepsis durch Biomarker ist nicht möglich. Von den verfügbaren inflammatorischen Markern gilt Procalcitonin (PCT) als der am
besten evaluierte Parameter. Dementsprechend wird
die Verwendung von PCT zum Ausschluss einer
schweren Sepsis beziehungsweise zur Sicherung der
Diagnose empfohlen (2). Gegenüber dem Akut-PhaseProtein CRP hat sich PCT als zuverlässiger erwiesen
(17, 18) und erlaubt die Differenzierung von bakteriellen zu anderen Formen der Infektion (e19). PCTKonzentrationen < 0,5 ng/mL schließen dabei eine
schwere Sepsis oder einen septischen Schock nahezu
aus, bei Konzentrationen > 2 ng/mL ist eine schwere
Sepsis oder septischer Schock höchstwahrscheinlich
(Empfehlungsgrad C, Evidenzgrad IIb) (2, 19). Ergänzend hierzu konnte ein PCT-cut-off von > 0,25 ng/mL
in einer prospektiven, multizentrischen Kohortenstudie eine Bakteriämie im Rahmen fieberhafter Harnwegsinfektionen mit einer Sensitivität von 95 %
(95-%-Konfidenzintervall [0,89; 0,98]) und einer Spezifität von 50 % (95-%-Konfidenzintervall [0,46;
0,55] vorhersagen (20).
Hinsichtlich einer PCT-gesteuerten kausalen Therapie zur Verkürzung der Antibiotikatherapie bei SepsisPatienten (Empfehlungsgrad C, Evidenzgrad IIb) konnten mehrere Studien (ProHOSP oder PRORATA) keine
erhöhte Mortalität nachweisen (21, 22). Eine Metaanalyse von Heyland et al. (2011) bestätigte die Reduktion
des Antibiotikaverbrauchs, konnte allerdings eine bis
zu 7 % erhöhte Mortalität bei Verwendung dieser Methode nicht sicher ausschließen (23). Die Ergebnisse
der SISPCT-Studie des SepNet (NCT00832039), bei
der neben der adjunktiven intravenösen Therapie mit
Natriumselenit auch der Einfluss einer PCT-gesteuerten
antimikrobiellen Therapie auf das Überleben von Pa-
Urinuntersuchung
Obligat bei Urosepsis-Patienten sind die
Urinanalyse und das Anlegen einer Urinkultur vor
der antibiotischen Therapie. Limitiert sind die
Ergebnisse von Urinkulturen aus Mittelstrahlurin
bei einer obstruktiven Pyelonephritis.
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TABELLE 1
Frühe zielorientierte Therapie („early-goal-directed therapy“, [EGDT]) (1)
Parameter
Zielwert
zentraler Venendruck (ZVD)
8–12 mmHg *
arterieller Mitteldruck (MAP)
65–90 mmHg
zentralvenöse Sauerstoffsättigung (ScvO2)
≥ 70 %
gemischtvenöse Sauerstoffsättigung (SvO2)
≥ 65 %
Hämatokrit (Hkt)
> 30 %
Urinausscheidung
> 40 mL/h
* ZVD > 12 mm Hg, wenn Patient beatmet
tienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock untersucht wird, werden diesbezüglich weitere Erkenntnisse liefern.
Die Zytokinbestimmung von IL-6 ist bereits als Sepsismarker bekannt und auch im Rahmen fieberhafter
Harnwegsinfekte erhöht (e20). Im Kontrast zu PCT und
CRP hat aber selbst die Bestimmung ganzer ZytokinPanels bisher keinen Einzug in klinische Standards
gehalten (e21).
Die Detektion spezifischer Sepsis-assoziierter µRNAs
oder der direkte Nachweis spezifischer bakterieller DNA
mit Hilfe der Amplifikationstechniken wie der PCR werden potenziell klinisch relevant werden. Hierzu bedarf es
jedoch weiterer klinischer Studien (e22).
Bildgebende Verfahren
Die Sonographie ist die bildgebende Methode der ersten
Wahl aufgrund der breiten Verfügbarkeit und schnellen
Durchführung (Empfehlungsgrad B, Evidenzgrad Ic).
Sie ermöglicht ein rasches Erfassen etwaig vorliegender
Hydronephrosen (Abbildung 2a), Nieren- (Abbildung
2b) oder Prostataabszesse. Diesbezüglich wird empfohlen, Abszessareale sonographisch (oder radiologisch) zu
punktieren und das Punktat zur mikrobiologischen Untersuchung einzuschicken (Empfehlungsgrad D,
Evidenzgrad V) (e23). Bei Unklarheit, ob eine obstruktive Pyelonephritis oder nur ein fixiert ektatisches Nierenbeckenkelchsystem vorliegt, kann eine diagnostische
Nierenbeckenpunktion erwogen werden: Bei fehlendem
Druck sowie unauffälligem Urinstreifentest kann der
Fokus ausgeschlossen und gegebenenfalls auf eine
Nephrostomie verzichtet werden (e24).
Biomarker
Eine alleinige Diagnose der Urosepsis durch
Biomarker ist nicht möglich. Von den verfügbaren
inflammatorischen Markern gilt Procalcitonin
(PCT) als der am besten evaluierte Parameter.
843
MEDIZIN
TABELLE 2
Kausale Therapie
Kalkulierte parenterale Initialtherapie gemäß Empfehlung
der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V.
häufigste Erreger
nosokomial erworben
ambulant erworben
E. coli *1
Proteus mirabilis
Pseudomonas spp.
Enterobacteriaceae
Fluorchinolon Gruppe 2/3 +
Cephalosporin Gruppe
3a/3b/4
Aminopenicillin/Betalaktamase-Inhibitor (BLI)*2
Carbapenem Gruppe 1
Aminopenicillin/(BLI)
Fluorchinolon Gruppe 2/3
Cephalosporin Gruppe 3a
Carbapenem Gruppe 2
Gezielte Antibiotikatherapie bei bekanntem Erreger gemäß
Empfehlung der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V.
Erreger
Monotherapie
E. coli
Klebsiella pneumoniae
Proteus mirabilis
Aminopenicillin/BLI
Acylaminopenicillin/BLI
Cephalosporin Gruppe
3a/3b/4
Fluorchinolon Gruppe 2/3
Carbapenem
ESBL-bildende E. coli
Klebsiella pneumoniae
Proteus mirabilis
Carbapenem
P. aeruginosa
Kombinationstherapie
Carbapenem + Fosfomycin
Carbapenem + Tigecyclin
Colistin + Fosfomycin
Cephalosporin Gruppe 3b/4 +
Fluorchinolon Gruppe 2/3
oder Fosfomycin oder
Aminoglykosid
Acylaminopenicillin/BLI +
Fluorchinolon Gruppe 2/3
oder Fosfomycin oder
Aminoglykosid
Carbapenem Gruppe 1 +
Fluorchinolon Gruppe 2/3
oder Fosfomycin + Aminoglykosid
Citrobacter freundii
Enterobacter spp.
Serratia marcescens
Carbapenem
Cephalosporin Gruppe 4
Fluorchinolon Gruppe 2/3
Acinetobacter baumanii
Carbapenem Gruppe 1
Carbapenem Gruppe 1 +
Fluorchinolon Gruppe 2/3
oder Tigecyclin
Colistin + Tigecyclin
Enterococcus faecalis
Aminopenicillin
(hochdosiert)
Acylaminopenicillin
(hochdosiert)
Aminopenicillin +
Aminoglykosid
Acylaminopenicillin +
Aminoglykosid
bei Penicillin-Allergie:
Glykopeptid + Aminoglykosid
Enterococcus faecium
Glykopeptid
Daptomycin
Linezolid
Therapie
Die viel zitierte Arbeit von Rivers et al. 2001 konnte
zeigen, dass die bereits erwähnte EGDT zu einer Reduzierung der Letalität der schweren Sepsis und des
septischen Schocks führt. Gekoppelt an eine rasche
Korrektur von Zielparametern (Tabelle 1) konnte bei
260 Patienten die Letalität von 46,5 auf 30,5 % gesenkt
werden bei einer „number needed to treat“ (NNT) von
6–8 (1). Kumar et al. bestätigten die Bedeutung des
Faktors Zeit (24, 25). Dabei war der Beginn einer kalkulierten antibiotischen Therapie binnen einer Stunde nach
Diagnose einer Hypotonie mit einer 80 %-Überlebensrate assoziiert. Eine Verzögerung der antibiotischen Therapie war mit einer durchschnittlich 7,6 % verringerten
Überlebensrate pro Stunde vergesellschaftet (79,9 % versus 70,5/42,0/25,4 % nach 1–2/5–6/9–12 h) (25).
Aktuell wird das Konzept der „early goal-directed
therapy“ (EGDT) durch Ergebnisse der ProMISe-,
ARISE- und ProCESS-Studien kontrovers diskutiert,
die keinen signifikanten Überlebensvorteil bei strikter
Einhaltung des EGDT-Protokolls nachwiesen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die von Rivers et al. als Indikator für hämodynamischen Handlungsbedarf angesehene zentralvenöse Sauerstoffsättigung (ScvO2) bei
Erstkontakt (Tabelle 1) (1) in keiner der drei Studien
< 70 % lag (26–28). Solange keine Subgruppenanalysen dieser „Hochrisiko-Patienten“ und weitere Studien
vorliegen, sollten die Ergebnisse dieser drei Studien
keine endgültige Schlussfolgerung implizieren (e27).
Allgemein gliedert sich die Therapie in die
● kausale (antimikrobielle Therapie und Fokussanierung)
● supportive (hämodynamische und pulmonale Stabilisierung)
● adjunktive (Glukokortikoid- und Insulintherapie)
(Grafik 2) (2, 5).
Kausale Therapie
Die antimikrobielle Therapie sollte frühestmöglich (innerhalb einer Stunde) nach Diagnosestellung, jedoch erst
nach Abnahme von Blut- und Urinkulturen erfolgen
(Empfehlungsgrad B, Evidenzgrad Ic). Bei der Wahl des
Antibiotikums sind lokale Resistenzraten und zu erwar-
Glykopeptid + Aminoglykosid
Vancomycin-resistente En- Linezolid
terokokken i. d. R. Entero- Daptomycin
coccus faecium (VRE)
Tigecyclin
*1lokale Resistenzlage für E. coli beachten. + Im Zuge zunehmender Resistenzen auf Fluorchinolone konnte
eine Unterlegenheit von Fluorchinolonen gegenüber einer Kombination von Cephalosporin + BLI nachgewiesen werden (40). In Gebieten mit einer hohen Rate an ESBL-bildenden Enterobakterien (> 10 %) ist
initial ein Carbapenem empfohlen (e42).
2
* empfohlen bei katheterassoziierten Infektionen, welche meist eine Mischinfektion mit Enterokokken
darstellen („Enterokokkenlücke“ bei Cephalosporinen, Fluorchinolonen und Aminoglykosiden).
844
Bei uneindeutigen sonographischen Befunden wird
eine Computertomographie des Abdomens empfohlen,
um mit hoher Sensitivität den auslösenden und/oder
komplizierenden Faktor einer Urosepsis zu entdecken
(e25, e26).
Bildgebende Verfahren
Die Sonographie ist die bildgebende Methode
der ersten Wahl. Sie ermöglicht ein rasches
Erfassen etwaig vorliegender Hydronephrosen,
Nieren- oder Prostataabszesse.
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 49 | 4. Dezember 2015
MEDIZIN
tende Keimspektren zu berücksichtigen. Die Empfehlung
der Paul-Ehrlich-Gesellschaft findet sich in Tabelle 2.
Aufgrund des kapillären Lecks mit Ödembildung und
konsekutiv geringerem Verteilungsvolumen, einer erhöhten Clearance im Zuge der hyperdynamen Kreislaufsituation oder erniedrigter Clearance-Raten bei Vorliegen multipler Organdysfunktion sind dabei grundsätzlich hohe Dosierungen anzustreben, die erst im Verlauf
reduziert werden. Vor allem hydrophile und renal eliminierte Antibiotika (β-Lactam-Antibiotika oder Aminoglykoside) werden dadurch beeinträchtigt (e26, e28).
Fluorchinolone hingegen sind konzentrationsabhängig
und zeigen sich kaum beeinflusst durch ein verändertes
Verteilungsvolumen, weshalb sie nur bei erhöhten Retentionswerten der Niere anzupassen sind (e26, e28). In
der MAXSEP-Studie konnte kein Zusatznutzen bei Verwendung einer dualen empirischen Antibiotika-Therapie
(Meropenem, n = 298 vs. Meropenem plus Moxifloxacin, n = 302) erbracht werden (e29). Zur potenziellen
Deeskalation, zur Verminderung von Resistenzentwicklungen sowie zur Kostenreduzierung sollte das antimikrobielle Regime täglich reevaluiert werden (Empfehlungsgrad E, Evidenzgrad V).
Die Fokussanierung beziehungsweise frühzeitige
Kontrolle komplizierender Faktoren ist wichtiger Bestandteil der kausalen Therapie (Empfehlungsgrad A,
Evidenzgrad Ic). Bei infizierter Harnstauungsniere
erfolgt dies mit Hilfe innerer Harnleiterschienung
(Abbildung 1a) oder Nephrostomie-Anlage (Abbildung 1b). Eine Metaanalyse konnte keine Überlegenheit einer dieser beiden Methoden aufzeigen (29), sodass die Wahl der Ableitung individuell getroffen
werden sollte.
Bei Uroseptitiden infolge von Restharnbildung oder
akuter Harnverhaltung (auch ohne Pyurie) ist ein transurethraler Blasenkatheter anzustreben, bei akuter Prostatitis
oder Epididymitis ein suprapubischer Katheter zur Niederdruckableitung. Punktionswürdige Abszesse oder infizierte Lymphozelen werden im Rahmen einer sonographisch (oder radiologisch) gesteuerten Punktion mit
einem Pigtail-Katheter drainiert (e23). Bei diesen Entscheidungen sind neben anatomischen Gesichtspunkten
(zum Beispiel Harnröhrenengen) die Gerinnungssituation
beziehungsweise Antikoagulanzientherapie zu beachten.
Supportive Therapie
Die hämodynamische Stabilisierung des Patienten
dient entsprechend der „early goal-directed therapy“
(EGDT) dem Erreichen eines adäquaten zellulären
Die Therapie gliedert sich allgemein in die
• kausale (antimikrobielle Therapie und
Fokussanierung)
• supportive (hämodynamische und pulmonale
Stabilisierung)
• adjunktive (Glukokortikoid- und Insulintherapie)
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Sauerstoffangebotes: Innerhalb der ersten 15 Minuten
nach Diagnoseverdacht sollte mit einer Volumensubstitution mittels kristalloider isotonischer Lösungen
begonnen werden, wobei mindestens 30 mL/kg Körpergewicht innerhalb der ersten Stunde anzustreben
sind (Cave bei Herzinsuffizienz) (Empfehlungsgrad
A, Evidenzgrad Ic).
Basierend auf den Ergebnissen der VISEP-,
CRYSTMAS-, 6S- und CHEST-Trial (Empfehlungsgrad A, Evidenzgrad Ia) wird die Verwendung kolloidaler HAES-Lösungen bei schwerer Sepsis und septischem
Schock nicht mehr empfohlen (30–33). Die Ergebnisse
der CRYSTAL-Studie (NCT00318942) hierzu stehen
noch aus. Die zusätzliche Gabe von Humanalbumin
kann nach den Ergebnissen der SAFE-Studie erwogen
werden (Empfehlungsgrad E, Evidenzgrad V) (18).
Ein erniedrigter arterieller Mitteldruck (< 65 mm Hg)
trotz Volumensubstitution indiziert die Gabe von Vasopressoren (Empfehlungsgrad B, Evidenzgrad Ic), wobei
Noradrenalin Vasopressor der ersten Wahl ist (Empfehlungsgrad E, Evidenzgrad IIb) (34). Sofern trotz Volumentherapie ein reduziertes Herzzeitvolumen vorliegt,
stellt Dobutamin (20 μg/kg/min) im Sinne einer positiv
inotropen Therapie das Katecholamin der ersten Wahl
dar (Empfehlungsgrad E, Evidenzgrad V) (2). Bei normalisierter Gewebeperfusion und in Abwesenheit einer
koronaren Herzerkrankung ist eine Gabe von Erythrozytenkonzentraten empfohlen bei Hb-Werten < 7 g/dL
(e30). Der Einsatz von niedrig dosiertem Dopamin
(5 μg/kg/min) zur Nephroprotektion wird nicht empfohlen (Empfehlungsgrad A, Evidenzgrad Ia) (33).
Eine pulmonale Stabilisierung mit dem Ziel einer arteriellen Sauerstoffsättigung von > 93 % beziehungsweise einer zentralvenösen Sauerstoffsättigung von
≥ 70 % sollte frühzeitig über eine kontrollierte, lungenprotektive Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina
(6 mL/kg Körpergewicht) erfolgen und einen Spitzendruck von 30 mbar nicht überschreiten, sofern eine adäquate Oxygenierung (pulsoxymetrisch > 90 %) nach
hämodynamischer Stabilisierung sowie Sauerstoffapplikation per Maske nicht möglich ist (Empfehlungsgrad
B, Evidenzgrad Ic).
Adjunktive Therapie
Die adjunktive Therapie erfolgt gemeinsam mit und zusätzlich zur kausalen respektive supportiven Therapie.
Eine Glukokortikoidtherapie wird kontrovers gesehen: Während randomisierte Studien zunächst positive
Effekte (hochdosierte Therapie) bei septischem Schock
Supportive Therapie
Die hämodynamische Stabilisierung des Patienten
dient entsprechend der „early goal-directed
therapy“ (EGDT) dem Erreichen eines adäquaten
zellulären Sauerstoffangebotes.
845
MEDIZIN
zeigten (e31–e33), wies die CORTICUS-Studie eine
(statistisch nicht signifikant) erhöhte Sterblichkeit sowie
ein erhöhtes Risiko für Superinfektionen durch niedrigdosierte Steroidgabe auf (36, e34). Lediglich im septischen Schock mit therapierefraktärer Hypotonie trotz
Vasopressorengabe und Volumensubstitution kann eine
Gabe von Hydrocortison 200 mg/d als Ultima Ratio erwogen werden (Empfehlungsgrad E, Evidenzgrad V).
Eine konventionelle ist der intensivierten Insulintherapie bei Sepsispatienten überlegen: In der VISEP-Studie traten unter intensivierter Insulintherapie in 17 %
der Fälle schwere Hypoglykämien auf (Blutglukose < 40 mg/dL) versus 4,1 % unter konventioneller Insulintherapie (30). Zusätzlich zeigte die NiceSugarStudie eine um 2,6 % erhöhte Sterblichkeit (27,5 versus
24,9 %, p=0,02) im Rahmen der intensivierten Insulintherapie (37). Eine strenge Blutglukoseeinstellung
ist daher nicht mehr indiziert (Empfehlungsgrad B,
Evidenzgrad Ib), vielmehr ist ein Zielbereich von
> 110 mg/dL und < 180 mg/dL anzustreben unter regelmäßiger Blutglukose-Bestimmung alle 1–2 Stunden
(4).
Hinsichtlich einer Selenapplikation als Radikalfänger unterscheiden sich die internationale Leitlinien zur
Behandlung der schweren Sepsis und des septischen
Schocks (Leitlinie der SSC) von der aktuellen DSGLeitlinie: Aufgrund einer Metaanalyse von 9 Studien
kleiner Fallzahl kann nach Deutscher Leitlinie eine intravenöse Selengabe erwogen werden (Empfehlungsgrad C, Evidenzgrad Ia) (e35), wohingegen es in der
SSC-Leitlinie nicht empfohlen wird.
Die Gabe des rekombinanten humanen aktivierten
Protein-C-(rhAPC)-Drotrecogin ist nach den Ergebnissen der PROWESS-SHOCK-Studie und der hiernach
erfolgten Marktrücknahme hinfällig (e36).
Ausblick
Neue Therapieverfahren setzen bei der massiven inflammatorischen Zytokinfreisetzung („Mediatorengewitter“) an: Die extrakorporale Zytokinadsorption
mittels konzentrationsabhängiger, aber größenselektiver Filterung von Molekülen mittleren Molekulargewichtes (10–50 kDa) im Rahmen kontinuierlicher veno-venöser Hämodialyse führte in ersten Fallberichten
zu drastischen Senkungen von initial erhöhtem IL-6,
IL-1β und TNF-α sowie reduziertem Vasopressorenbedarf (e37, e38). Vor einer weiteren Evaluation in randomisierten Multicenter-Studien kann aber keine Empfehlung hierzu ausgesprochen werden.
Adjunktive Therapie
Die adjunktive Therapie erfolgt „gemeinsam mit“
und „zusätzlich“ zur kausalen respektive supportiven Therapie.
846
Schlussfolgerung
Durch eine Basisdiagnostik aus körperlicher Untersuchung, Urin- und Blutanalyse sowie der Sonographie
ist die Urosepsis meist frühzeitig zu identifizieren und
zu behandeln beziehungsweise als Sepsis anderer Genese auszuschließen. Eine rasche Diagnose und eine
zumeist minimal-invasive Fokussanierung ermöglichen
tendenziell mildere Verläufe der Urosepsis. Trotzdem
sind Kompetenznetzwerke, standardisierte Handlungsempfehlungen sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit
über die Akutsituation hinaus unerlässlich, um die Behandlung der Urosepsis zu verbessern.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 19. 6. 2015, revidierte Fassung angenommen: 2. 11. 2015
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Fazit
Durch eine Basisdiagnostik aus körperlicher
Untersuchung, Urin- und Blutanalyse sowie der
Sonographie ist die Urosepsis meist frühzeitig zu
identifizieren und zu behandeln beziehungsweise
als Sepsis anderer Genese auszuschließen.
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 49 | 4. Dezember 2015
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Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Nici Markus Dreger
Klinik für Urologie und Kinderurologie
HELIOS Klinikum Wuppertal
Lehrstuhl der Universität Witten/Herdecke
Heusnerstraße 40
42283 Wuppertal
[email protected]
Zitierweise
Dreger NM, Degener S, Ahmad-Nejad P, Wöbker G, Roth S:
Urosepsis—etiology, diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 837–48.
DOI: 10.3238/arztebl.2015.0837
@
The English version of this article is available online:
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Weitere Informationen zu cme
Dieser Beitrag wurde von der Nordrheinischen Akademie für ärztliche
Fort- und Weiterbildung zertifiziert.
Die erworbenen Fortbildungspunkte können mit Hilfe der Einheitlichen Fortbildungsnummer (EFN) verwaltet werden.
Unter cme.aerzteblatt.de muss hierfür in der Rubrik „Persönliche
Daten“ und bei der Registrierung die EFN in das entsprechende Feld
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Die 15-stellige EFN steht auf dem Fortbildungsausweis.
Wichtiger Hinweis
Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich über
das Internet möglich: cme.aerzteblatt.de
Einsendeschluss ist der 28. 2. 2016.
Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.
– „Diagnostik und Therapie der Optikusneuritis“ (Heft 37/2015) kann
noch bis zum 6. 12. 2015 bearbeitet werden.
– „Diagnostik und Therapiestrategien bei Extrauteringravidität“
(Heft 41/2015) kann noch bis zum 3. 1. 2016 bearbeitet werden.
– „Interdisziplinäre Versorgung akuter Thoraxschmerzen“
(Heft 45/2015) kann noch bis zum 31. 1. 2016 bearbeitet werden.
847
MEDIZIN
Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung. Pro Frage
ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.
Frage Nr. 1
Frage Nr. 6
Welcher Befund erfüllt die SIRS-Kriterien?
a) Atemfrequenz von 18/min
b) Leukozyten von 11/nL ( entsprechend: 11 000/µL)
c) paCO2 von 30 mm Hg
d) Körpertemperatur von 36,6 °C
e) Herzfrequenz von 80/min
Welche Art der Harnableitung ist
bei einer Urosepsis im Zuge einer Prostatitis zu
präferieren?
a) eine Nephrostomie
b) ein suprapubischer Katheter
c) ein transurethraler Katheter
d) eine Harnleiterschiene
e) ein Kondomurinal
Frage Nr. 2
Eine Verringerung von Antithrombin-III und des Quick-Wertes
sowie eine Thrombozytopenie bei Urosepsis führen zum Verdacht
auf welchen Erkrankungsprozess?
a) Morbus Moschcowitz (thrombotisch-thrombozytopenische Purpura)
b) disseminierte intravasale Koagulation (DIC)
c) hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS)
d) von-Willebrand-Jürgens-Syndrom
e) primäre Hyperfibrinolyse
Frage Nr. 7
Wie hoch ist die Rate positiver Blutkulturen bei
Patienten mit Verdacht auf Urosepsis?
a) 15 %
b) 30 %
c) 60 %
d) 75 %
e) 90 %
Frage Nr. 3
Welcher Marker wird zur Beurteilung der Gewebeperfusion
herangezogen?
a) Laktat
b) Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
c) Procalcitonin (PCT)
d) D-Dimer
e) IL-1
Frage Nr. 8
Was ist bei Verdacht auf eine Urosepsis
die bildgebende Methode der ersten Wahl?
a) Sonographie
b) Computertomographie
c) Magnetresonanztomographie
d) Abdomenübersichtsaufnahme/Röntgen
e) Zystoskopie
Frage Nr. 4
Was ist das Mittel der ersten Wahl im Rahmen der supportiven
Urosepsis-Therapie bei erniedrigtem arteriellen Mitteldruck
(< 65 mm Hg) trotz Volumensubstitution?
a) kolloidale Infusionslösung
b) Noradrenalin
c) Insulin
d) Erythrozytenkonzentrat
e) niedrigdosiertes Dopamin
Frage Nr. 9
Frage Nr. 5
Frage Nr. 10
Um welchen Anteil verringert sich die Überlebensrate
eines Sepsis-Patienten pro Stunde Verzögerung einer
antibiotischen Therapie?
a) 3,1 %
b) 5,2 %
c) 7,6 %
d) 9,8 %
e) 12,3 %
In einer Studie wurden bei Patienten mit obstruktiver
Uropathie die Gründe für die Entstehung einer Urosepsis
untersucht? Was war die häufigste Ursache?
a) Karzinome
b) Prostatahyperplasie
c) Operationen
d) Ureterolithiasis
e) Schwangerschaft
848
Welches Antibiotikum wird in der Monotherapie
bei Vancomycin-resistenten Enterokokken eingesetzt?
a) Fluorchinolon
b) Acylaminpenicillin
c) Aminopenicillin
d) Tigecyclin
e) Carbapenem
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MEDIZIN
Zusatzmaterial zu:
Urosepsis – Ursache, Diagnose und Therapie
Nici Markus Dreger*, Stephan Degener*, Parviz Ahmad-Nejad, Gabriele Wöbker, Stephan Roth
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I
MEDIZIN
eKASTEN 1
eKASTEN 2
Diagnosekriterien der Sepsis gemäß Konsensuskonferenz der SCCM/ESICM/ACCP/ATS/SIS (7)
● Nachweis einer Infektion oder klinischer Verdacht sowie „einige“ der
Risikofaktoren für die Entstehung
einer Urosepsis
● ältere Patienten (≥ 65 Jahre) (38)
● Diabetes mellitus
● immunsupprimierte Patienten*1 (Organtransplantation,
folgenden Kriterien:
– allgemeine Parameter
– Fieber > 38,3 °C
– Hypothermie < 36 °C
– Tachykardie > 90/min oder > 2-fache SD des altersentsprechenden Normwertes
– Tachypnoe > 30/min
– eingeschränkter neurologischer Status
– Ödeme oder positive Flüssigkeitsbilanz ( > 20 mL/kg/d)
– Hyperglykämie (BZ > 120 mg/dL oder 7,7 mmoL/L) bei nicht vorbekanntem Diabetes
– inflammatorische Parameter
– Leukozytose > 12/nL
– Leukopenie < 4/nL
– normale Leukozytenzahl mit > 10 % unreifen Formen
– C-reaktives Protein > 2-fache SD über Normwert
– Procalcitonin > 2-fache SD über Normwert
– hämodynamische Parameter
– Hypotonie (systolisch < 90 mm Hg, MAP < 70 mm Hg oder systolischer
Abfall > 40 mmHg oder Abfall < 2-fache SD des altersentsprechenden
Normwertes)
– Herzindex (cardiac index, CI) > 3–5 L/min/m2
– Organdysfunktion
– arterielle Hypoxämie (paO2 / FiO2 < 300)
– akute Oligure < 0,5 mL/kg/h oder 45 mmoL/L für ≥ 2h
– Kreatininanstieg um ≥ 0,5 mg/dL
– Gerinnungsstörung (INR > 1,5 oder aPTT > 60 s)
– Thrombozytopenie < 100/nL
– Hyperbilirubinämie (Bilirubin gesamt > 4 mg/dL oder > 70 mmoL/L)
– Ileus
Parameter der Gewebeperfusion
Hyperlaktatämie > 1 mmoL/L *
reduzierte kapilläre Füllung oder Marmorierung
Chemotherapie, Kortikoideinnahme, AIDS)
● nosokomiale Harnwegsinfektion in urologischen Abteilungen*2 (39)
● Zustand nach urologischen Interventionen
*1 Candida spp., Pseudomonas spp., Koagulase-negative Staphylokokken treten häufiger als Erreger auf im Vergleich zu nichtimmunsupprimierten Patienten (e6, e40).
*2 Nosokomiale Harnwegsinfektionen in urologischen Abteilungen wiesen
eine Prävalenz für die Urosepsis von 12 % auf (39) vs. 2 % für eine
schwere Sepsis bzw. 0,3 % für einen septischen Schock bei nosokomialen Harnwegsinfektionen in anderen Fachabteilungen (e41).
* Erhöhtes Laktat als Folge einer Minderperfusion kann auch bei normalen Blutdruckwerten auftreten
(„cryptic shock“); fallendes Laktat scheint ein der zentralvenösen Sauerstoffsättigung (Scv02) gleichwertiger oder überlegener Indikator einer erfolgreichen Therapie zu sein (e39).
ATS, American Thoracic Society; aPTT, aktivierte partielle Thromboplastinzeit; BZ: Blutglukose;
CCP, American College of Chest Physicians; ESICM, European Society of Intensive Care Medicine;
INR, International Normalized Ratio; MAP, mittlerer arterieller Blutdruck; SCCM, Society of Critical
Care Medicine; SD, Standardabweichung; SIS, Surgical Infection Society;.
II
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 49 | 4. Dezember 2015 | Zusatzmaterial
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