Barock: Das Musiktheater

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Musikgeschichte der
europäischen Neuzeit
Repertorium zur Vorlesung
Das Musiktheater
Barock: Das Musiktheater
• Das Musiktheater bzw. die Oper ist eine
Entwicklung des Barock.
• Die neue Gattung lässt sich nicht monokausal
aus einem Vorläufer herleiten, sondern hat
deren viele:
Die antike Tragödie; die ma. geistlichen Spiele;
die Schuldramen mit Chören; die italienischen
Intermedien usw.
Barock: Das Musiktheater
Definition
„Um den Begriff Oper zu bestimmen,
genügt es nicht zu sagen, Oper sei eine
Verbindung von Bühnendichtung mit
Musik. […] Eine Oper kommt erst
zustande, wenn die Musik eigene Mittel
zum Ausdruck der Rede und Gebärde im
szenischen Dialog einsetzt und die
dramatische Aktion verdeutlicht.
Barock: Das Musiktheater
In jeder echten und guten Oper befinden
sich Drama und Musik in einer
dialektischen Spannung, was bei jedem
Versuch einer Ästhetik der Oper zu
beachten ist.“
Riemann Musiklexikon, Sachteil, S. 654f.
Barock: Das Musiktheater
• Weder wird also das Sprechtheater einfach
„musikalisiert“ noch bildet das Libretto
lediglich die Textgrundlage für eine
musikalische Dramaturgie.
• Beide Elemente – die Bühnendichtung wie die
Vertonung – stehen vielmehr in einer
dialektischen Spannung zu einander.
• Beide Elemente müssen als ineinander
greifend verstanden werden.
Barock: Das Musiktheater
Sprechtheater und Musiktheater:
Kongruenzen und Differenzen
Barock: Das Musiktheater
Kongruenzen
- Eine Handlung bzw. Plot ist nötig
- Teilung in Akte und Szenen
-> Dramatischer Aufbau
- Personaggi
- Notwendigkeit dramatischer Personenführung
- Dramatische Momente / Effektszenen
- Beide Dramenformen bauen auf der Sprache
auf
Barock: Das Musiktheater
Differenzen
- musikalischer Textvortrag benötigt mehr Zeit
als der gesprochene Text
- Textwiederholungen sind im Gesang üblich, im
Sprechtheater unmöglich
=> Kürzerer, komprimierter Text in der Oper
- Das Sprechtheater kann diskursiv angelegt
sein, in der Oper sind gesungene Diskurse
unmöglich
Barock: Das Musiktheater
Differenzen (Forts.)
- Retardierendes Moment der Arie bzw. der
Instrumentalteile (was macht in der
Zwischenzeit die/der SängerIn?)
- Musik als weitere affekthafte /
dramaturgische Komponente sui generis
- Die Musik kann u.U. einen anderen Affekt
ausdrücken als der Text. Diese doppelte Ebene
ist im Sprechtheater nicht möglich.
Barock: Das Musiktheater
Konsequenzen
- Das Musiktheater kann nicht lediglich
„musikalisiertes Sprechtheater“ sein, sondern
benötigt eine eigene Dramaturgie.
- Der Librettist ist genauso wichtig für das
Gelingen der Oper als Kunstwerk wie der
Komponist!
- Und nicht zu vergessen der Regisseur.
Barock: Das Musiktheater
Die Anfänge des Musiktheaters
Jacopo Peri: Euridice (1600)
Claudio Monteverdi: L‘Orfeo (1610)
Die Venezianische Oper
Francesco Cavalli: La Calisto (1651)
Die Opera seria
Georg Friedrich Händel: Ezio (1732), Tamerlano
(1724)
Die Anfänge des
Musiktheaters
Jacopo Peri: Euridice
Die Anfänge: Peri, Euridice
• Den Ausgangspunkt der neuen Gattung
bildeten die sog. „Florentiner Cameratae“,
zwei Kreise gebildeter Adliger Ende des 16. Jh.
in Florenz.
• Mitglieder der ersten Camerata waren u.a.:
Giovanni und Pietro de‘ Bardi, Giulio Caccini,
Vincenzo Galilei, Pietro Strozzi.
• Ihr folgte die Camerata um Jacopo Corsi
(1561-1602).
Die Anfänge: Peri, Euridice
• Die Mitglieder der Cameratae hatten zum Ziel,
die antike Tragödie bzw. antike Musik wieder
aufleben zu lassen.
• Nach ihrer Überzeugung wurde die antike
Tragödie nicht gesprochen, sondern gesungen.
• Entsprechend suchte man ein neues,
einstimmiges Gesangsidiom -> Monodie, da
polyphoner Gesang sich nicht zum
affekthaften Textvortrag eignet.
Die Anfänge: Peri, Euridice
• Die theoretische Grundlage der Versuche
bildete die Poetik des Aristoteles.
• Nach der Poetik des Aristoteles sollte die
Tragödie
- Handlung statt Bericht darstellen
- den Zuschauer durch Affekt und Pathos
ergreifen
- dadurch den Zuschauer „reinigen“
=> Kátharsis
Die Anfänge: Peri, Euridice
• Zumindest anfänglich folgt das Musiktheater
dem Aufbau der klassischen antiken Tragödie:
- 5 Akte
- Peripetie
- Katastrophe
- Chor als Gliederungsmoment bzw. Ende des
Aktes
• Allerdings dämpfen die Einflüsse des
Schäferspiels zu Anfang das Tragische ab.
Die Anfänge: Peri, Euridice
Euridice
Text: Ottavio Rinuccini
Musik: Jacopo Peri
Uraufführung: 6. Oktober 1600
Zu den Hochzeitsfeierlichkeiten Heinrichs
IV. von Frankreich mit Prinzessin Maria
de' Medici im Palazzo Pitti.
Inhalt: Der Orpheus-Mythos
Die Anfänge: Peri, Euridice
Personaggi
La Tragedia – allegorische Person des Prologs
Euridice
– Bergnymphe, Frau von Orpheus
Orpheus – sagenhafter thrakischer Sänger
Arcetro, Tirsi,
Aminta
– Hirten
Daphne
– Bergnymphe
Zwei Nymphen
Venus
– Göttin der Liebe
Pluto
– Gott der Unterwelt
Proserpina – Göttin der Unterwelt
Charon
– Fährmann über den Acheron (Styx)
Die Anfänge: Peri, Euridice
Prolog
Scena I
Scena II
Scena III
Scena IV
Scena V
Adresse an das Königshaus.
Vorstellung der neuen Tragödienform
Hirten und Nymphen bekränzen
Euridice
Unglücksnachricht der Dafne
Arcetro berichtet über Orpheus‘ Klage
und das Erscheinen der Göttin Venus
Orpheus in der Unterwelt vor Pluto
und Proserpina
Bericht vom glücklichen Ausgang
Orpheus und Euridice treten auf
Die Anfänge: Peri, Euridice
Anfangsschwächen des Librettos
- wichtige Szenen werden nur als Bericht
geschildert
- dadurch geschwächte Dramatik
- unaristotelisch, da keine Handlung
- wichtige Phasen – Abstieg/Aufstieg aus der
Unterwelt – werden ausgelassen
- die Katastrophe entfällt (unaristotelisch)
=> Gesamtdramaturgie geschwächt
Die Anfänge: Peri, Euridice
Vertonung der Scena I
Inhalt
- Aufruf an die Nymphen und Hirten, das
Hochzeitspaar hochleben zu lassen
- Allgemeine Hochzeitsfreude
Musikalische Formen
- Monodie + abschließender Chor
- Chorschluss = antike Tragödie
Die Anfänge: Peri, Euridice
Musikalische Merkmale
- Relativ hohes Deklamationstempo:
2 Verse = 18 Silben in 3,5 Mens.
- Freier Deklamationsrhythmus
- Betonung wichtiger Wörter durch
Länge (oro = golden)
Kürze (sciogliete = gelöst)
Hochton (bei = schön, liete = fröhlich)
Überlänge (chiudete = verborgen)
Die Anfänge: Peri, Euridice
Musikalische Merkmale (Forts.)
- Versuch einer sprachnahen Vertonung des
Textes durch z. T. sehr freien, asymmetrischen
Rhythmus: d‘oro Halbe Note + 8tel
- Bildung eines Melodiebogens von h über d‘, e‘
zurück zum a als Finalis
- Ansteuern der Hochtöne durch kurze
Notenwerte (8tel)
- T. 60ff „Dite liete ...“ im 3er-Takt
- Kadenzen i.d.R. am Versende
Die Anfänge: Peri, Euridice
Zusammenfassung:
- sprachnahe / deklamatorische Vertonung der
Verse in Monodie
- Keine Ritornelle, SolistInnen schließen
unmittelbar aneinander an
- abschließender madrigalischer Chor mit
imitatorischem Einsatz, dann Wechsel in
tanzartigen 3er-Takt
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