- Universitätsklinikum Freiburg

Werbung
Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen
Dr. med. Daniela Huzly
Institut für Virologie
Universitätsklinikum Freiburg
Allgemeiner Teil Empfehlungen zur Vermeidung akuter Virusinfektionen
• Hygieneberatung
– Vermeidung von Kontakt mit Speichel/Urin und Stuhl von Kleinkindern
– Nach Kontakt Händewaschen mit Seife
• Impfungen von Mitarbeitern die Kontakt mit Schwangeren haben
• Asservieren des ersten Serums für 24 Monate („booking sample“) im Labor
Spezieller Teil
• Impfpräventable Erkrankungen
– Influenza, Masern, Mumps, Röteln, Hepatitis B, VZV
• Nicht impfpräventable Erkrankungen
– CMV, Parvovirus B19, Hepatitis C, HIV, LCMV, Enteroviren/Parechoviren, HSV
• Tabellarische Beschreibung des Virus und Beantwortung von häufigen Fragen zur Labordiagnostik
Influenza
• Häufigste Ursache Pneumonie‐assoziierter Todesfälle
• 2009 Pandemie: in USA 9. häufigste Todesursache (harmloses Virus???)
Influenza in der Schwangerschaft – ein Problem?
• Erhöhte Komplikationsrate und Letalität bei Schwangeren, insbesondere durch H1N1pdm09
–Pneumonien, ARDS
• Schwere Verläufe bei Säuglingen
• Zusätzlich: Hyperthermie (Interferon‐Wirkung) kann schädigenden Einfluss haben: Hydrocephalus, Neuralrohrdefekte, Herzfehler*
*Luteijn JM, Brown MJ, Dolk H, Influenza and congenital anomalies: a systematic review and meta‐analysis. Hum Reprod. 2014;29(4):809.
PNAS Oct 7 2014
• Erhöhte Ausschüttung von Chemokinen und Cytokinen, vor allem bei Infektion mit H1N1
– Erhöhte Rate von schweren Pneumonien
– Überschießende Immunreaktion als Ursache von Todesfällen
– Während der Schwangerschaft und 6 Wo post
partum
Schwangere sollten vor Influenza geschützt werden
Prophylaxe
• Impfung in vielen Ländern seit Jahren für Schwangere empfohlen
• STIKO empfiehlt seit H1N1 Pandemie ebenfalls Impfung von Schwangeren, insbesondere im 2. und 3. Trimenon
• Impfung in der Schwangerschaft sicher
– Zahlreiche kontrollierte Studien, Reviews
• Schutzrate >50%*
• Impfung schützt auch Neugeborenes durch Übertragung der neutralisierenden Antikörper*
*Zusammenfassung der Studien www.uptodate.com/contents/influenza‐and‐pregnancy
Diagnostik bei Schwangeren mit Symptomen?
• In der Ausbruchssituation sowie nach gesichertem Kontakt kann bei Auftreten typischer Symptomatik auf Diagnostik verzichtet werden
• In Zeiten niedriger Inzidenz wird labordiagnostische Sicherung empfohlen
• Bei Klinikaufenthalt/geplantem Aufenthalt Diagnostik empfohlen
– Nosokomiale Infektionen, Kohortenisolierung
Diagnostik der Influenza
• Nachweis durch PCR (Virusnachweis) aus Rachen‐ oder Nasenabstrich oder respiratorischem Sekret
• Nachweis gelingt in der ersten Woche der Erkrankung sicher
– Nicht geeignet für Verlaufskontrollen, kann lange positiv bleiben
Stellenwert von Influenza‐
Schnelltesten
• Durch schnelle Veränderung der Virus‐
Oberflächenstruktur können die Schnellteste keine hohe Sensitivität für jede Saison erreichen
• In Studienbedingungen Sensitivität mit 50‐
80% angegeben, unter klinischen Bedingungen manchmal nur 20% erreicht
• Müssten Jahr für Jahr neu bewertet werden
Influenza‐Schnellteste unterliegen der Ringversuchspflicht (RiLiBÄK)
Unit‐use‐Reagenzien
Unit‐use‐Reagenzien sind solche Reagenzien, die für Einzelbestimmungen portioniert und mit einer Untersuchung verbraucht sind.
Influenza‐Schnellteste sind keine Unit‐Use‐Reagenzien
Komplettes Labor erforderlich (QM, Ringversuche, Qualitätssicherung)
Influenza‐Serologie?
• Nicht für die Diagnostik der Influenza geeignet
• Antikörper steigen erst spät in der Erkrankung und nicht in allen Fällen an • Bewertung wäre nur mit zwei Seren überhaupt möglich, immer retrospektiv
• IgA ist auch bei Blutspendern in bis zu 20% nachweisbar
• Mit Neutralisationstesten (Spezialdiagnostik) kann zurückliegende Infektion mit einem Virustyp nachgewiesen werden
Therapie?
• CDC* empfiehlt Therapie mit Oseltamivir wegen der erhöhten Komplikationsrate bei Schwangeren und Babies
– So schnell wie möglich (innerhalb von 24‐48h), nicht auf Diagnose warten aber Diagnose sichern
• Sicherheitsdaten liegen in ausreichendem Maß vor
• Kinetikdaten für Babies aktuell veröffentlicht#
*www.cdc.gov/flu/protect/vaccine/pregnant.htm
#The Journal of Infectious Diseases 2013;207:709–20 Kimberlin DW et al
Measles in the WHO European Region, 1993, and 2007‐2014*
341982
Bulgaria France Ukraine Georgia
7830
21 664 14 966 12 744
Russian
Federation*
3205*
(4690)
98 % REDUCTION
30529
7073
9168
7892
35088
27132
31685
15825
*Provisional data for 2014
Data from WHO EURO
Masern Ausbruch in Berlin
• Start: Oktober 2014, 800 Fälle
• Index Fall: Asylbewerber aus Bosnien Herzegowina
• Fälle im Asylbewerberheim
• Übergang auf die Stadtbevölkerung
• Alter: 4 Monate bis 59 Jahre Median 15 Jahre
• 26% Hospitalisation
• 1 Todesfall (Kind 1J)
Masern und Schwangerschaft
• Keine transplazentäre Übertragung
• Erhöhte Komplikationsrate bei Schwangeren
– Masernpneumonie mit erhöhter Letalität
• Schwangere sollten gegen Masern geimpft sein
Bestimmung der Masern‐Immunität
Blick in den Impfpass: zweimal geimpft = geschützt
Nicht geimpft/einmal geimpft: IgG‐
Bestimmung bei Kontakt
Positives IgG spricht für Schutz
IgG‐Teste zu insensitiv, können nach Impfung negativ sein
Masern‐Immunität
• Schutz wichtig für Nestschutz des Neugeborenen, bei fehlender Immunität kann Säugling in den ersten Lebensmonaten infiziert werden – erhöhte Gefahr von Komplikationen und SSPE als Folgeerkrankung
– Impfung der Wöchnerin und aller Kontaktpersonen des Säuglings! (Cocooning)
Masern – Labordiagnostik
• PCR aus Rachenabstrich/Urin
– Wenige Tage vor bis zu 10 Tage nach Erkrankungsbeginn
• Antikörper ab Tag 3 nachweisbar
• Prädiktiver Wert positiver IgM‐Teste hängt von der jeweiligen Epidemiologie ab
• Bei Reinfektionen kann IgM
fehlen, IgG ist hoch
Röteln
• Keine gesicherten Rötelnfälle in Deutschland 2014 (eingeführte Meldepflicht)
– Meldungen von ca. 50 Fällen, keiner wurde im Referenzzentrum bestätigt
Effektivität der Röteln‐Impfung
• Hohe Serokonversionsraten von >95% schon nach 1 Impfung
• Feldstudien: 90‐100% Impfeffektivität
• Herdenimmunität bei 83‐85% Protektionsrate
Bestimmung der Rötelnimmunität
Warum wird Rötelntestung nicht mehr empfohlen?
• Testung diente nur der Erkennung von Frauen, die im Wochenbett geimpft werden sollen
– Blick in den Impfpass bei hoher Impfeffektivität ausreichend
• IgG‐Teste zu insensitiv für geimpfte Bevölkerung
– Über 50% der „negativen“ sind mit anderen Testverfahren positiv
Warum kein Grenzwert mehr?
• Frühere Empfehlung von 15 IU oder 1:32 HHT war nicht evidenzbasiert.
• Teste variieren stark, keine einheitlichen Messwerte trotz IU
• Spezifität sehr gut – Höhe der Antikörper macht keine Aussage über Qualität des Schutzes
Rötelndiagnostik ‐ Virusnachweis
• Rötelnvirus‐PCR
– Nachweis in Rachenabstrich/Speichel 1 Woche vor bis zu 2 Wochen nach Symptombeginn
– Sensitivität der PCR Teste kann variieren
• Fälle müssen immer durch PCR bestätigt werden
• IgM bei extrem niedriger Inzidenz nahezu immer falsch positiv
CMV
Medcomic.com
Cytomegalovirus (CMV)‐Infektion
• Fetale Infektion durch transplazentare Übertragung
– Höchstes Risiko durch Erstinfektion (Primärinfektion), ca. 35‐45%
– Niedriges Risiko bei Reinfektion/Reaktivierung, ca. 1%
• Keine diagnostischen Möglichkeiten
• Postnatale Infektion durch Muttermilch
Konnatale CMV‐Infektion
•
Häufigste intrauterin übertragene Infektion (ca. 0,5% aller Lebendgeburten infiziert), häufigste Ursache von angeborenen Langzeitschäden
http://www.cdc.gov/cmv/trends-stats.html
Wie infiziert sich die Schwangere?
Risiken für eine CMV‐Primärinfektion
www.deutschlandfunk.de
www.koeshall.com
www.heilwolle.de
Risiken für CMV‐Primärinfektion
• Hauptrisiko Kontakt zu Kindern <3 Jahren
• Ca. 30% aller Kinder werden postnatal mit der Muttermilch infiziert, Ausscheidung mit Urin und Speichel dauert Monate an
• Kontakt von Kindern untereinander : Speichelaustausch, Kontakt mit Urin (PEKIP) etc.
Hygieneberatung
• Empfehlung: CMV‐IgG‐
Bestimmung in der Frühschwangerschaft
• Hygieneberatung bei Seronegativität
– Effektivität 50%
• Bei Kontakt mit Kindern <3 J. CMV‐IgG und IgM, um Primärinfektionen mit zu erfassen www.cdc.org
Diagnose der CMV‐Primärinfektion
• Anlass: Screening; Fieberhafte Erkrankung, Transaminasenerhöhung; Ultraschall‐
Auffälligkeiten
• CMV‐IgG und CMV‐IgM
• Bei positivem CMV‐IgM und positivem CMV‐
IgG ‐ Zusatzdiagnostik
– 1. Avidität
– 2. GB2‐Antikörper
IgG‐Zusatzdiagnostik: Blot/Avidität
Avidität: Reduktion
Später Marker
Westernblot mit und ohne Harnstoff
• Avidität misst die Bindungsfestigkeit der AntigenAntikörper-Komplexe, niedrige Avidität beweist
frische/kürzliche Primärinfektion
• GB2-Antikörper frühestens 8 Wo. nach Infektion
Was tun, wenn Primärinfektion vorliegt?
• Idealfall: Serum aus Frühschwangerschaft liegt vor, Infektionszeitpunkt kann bestimmt werden
• Kein Vorserum: Versuch des „Timings“ durch Bestimmung von GB‐Ak und Avidität, Anamnese, kurzfristiger Verlauf, evtl. PCR aus EDTA‐Vollblut
• Höchstes Risiko für fetale Schädigung bei Infektion in den ersten 14 SSW Risiko für symptomatische CMV‐
Infektion mit Folgeschäden
• Infektion im 1. Trimenon: ca. 20%
– Taubheit, Chorioretinitis, Entwicklungsverzögerung bis hin zu schweren neurologischen Defiziten
• Infektion im 2. Trimenon: ca. 6%
– Mildere Ausprägung, meist kein kompletter Hörverlust, einseitig, selten Augenbeteiligung
• Infektion im 3. Trimenon: <1%
– Keine schweren Schäden
Therapeutische Möglichkeiten bei CMV‐
Infektion in der Frühschwangerschaft
Gabe von Hyperimmunglobulin zur Verhinderung der Übertragung
• Widersprüchliche Ergebnisse bisheriger Studien*
• Leichte Reduktion der Übertragung bei frühzeitiger Gabe
• Dosierung? Nigro 2005 und Revello 2014 gaben 100 U/kg, in anderen Studien 200 U/kg
• Bei Revello erhöhte Rate von Frühgeburten in der Verumgruppe
– Retrospektive Analyse von Frauen, die HIG bekommen hatten zeigt keine erhöhte Rate (Nigro)
*Rev. Med. Virol. 2014; 24: 420–433
Antivirale Therapie
• Ganciclovir nicht möglich
• Aciclovir nicht wirksam gegen CMV
• Studien mit Valacyclovir*‘ in der Schwangerschaft brachten keinen Nutzen
*PLOS One May 2014 | Volume 9 | Issue 2 |Maternal Valacyclovir and Infant Cytomegalovirus Acquisition: A Randomized Controlled Trial among HIV‐Infected Women
‘ Randomisierte Studie noch nicht komplett abgeschlossen
• Derzeit keine Empfehlung für Therapie möglich (keine ausreichende Evidenz)
• Wenn Therapie von Pat. gewünscht wird, sollten die Limitationen der derzeitigen Datenlage erklärt werden • Vom Hersteller von Cytotect wird die Dosierung von 200 IU/kg zweimal im Abstand von 2 Wochen empfohlen
– Antrag auf Kostenerstattung sowie Off‐lable use
Aufklärung Erweiterte Diagnostik zur Risikoabschätzung bei Infektionen im 1. und 2. Trimenon
• PCR im Fruchtwasser ab 21. SSW, mind. 6‐8 Wo. nach vermeintlichem Infektionsbeginn
• Positive PCR beweist intrauterine Infektion
– In seltenen Fällen kann es noch später zur Übertragung kommen, PCR im Urin des Kindes nach Geburt empfohlen (wenn FW negativ)
Weiteres Vorgehen bei intrauteriner Infektion
• Ultraschall (evtl. kombiniert mit fetalem MRT*+)
– Prädiktiv für Langzeitschäden sind vor allem ZNS‐
Auffälligkeiten (Mikrozephalie, Ventrikulomegalie, Hippocampusdysplasie, kortikale Anomalien)
• Intrauterine Wachstumsretardierung alleine nicht mit höherer Rate an Langzeitschäden assoziiert
– Kombination aus Zeitpunkt der Infektion und Ultraschall lässt Risikoabschätzung zu, die für Beratung genutzt werden kann
– Infektion im 2. Trimenon und negativer US: Langzeitschäden (mild, keine Taubheit) 2‐4%
• mit positivem US ca. 8%
*Ultrasound Obstet Gynecol 2013; 41: 508–514, Lipitz et al.
+Fetal Diagn Ther 2013;33:203–214 – Benoist, Ville et al. (Brain MRI 28.‐32.SSW)
Mittelwerte der bisher veröffentlichten Daten als Grundlage
Risikoabschätzung bei CMV‐Infektion im ersten Trimenon, Hui et al., 2015
Viruslast im Fruchtwasser
• Hohe Viruslast korreliert mit Zeitpunkt der Infektion, keine sichere Vorhersage einer symptomatischen Infektion
• Bei Viruslasten <1000 I.U./ml sind Schädigungen unwahrscheinlich
Zusatznutzen durch Diagnostik aus der Nabelschnur?
• Kein Zusatznutzen belegt
• Fruchtwasser ist ausreichend sensitiv
• Keine sichere Aussage möglich durch zusätzliche Bestimmung von Thrombozyten, ß2 Mikroglobulin und IgM
Diagnostik beim Kind
• PCR oder Kurzzeitkultur aus Speichel oder Urin in den ersten 3 Lebenswochen
• Bei nachgewiesener Infektion PCR aus EDTA‐
Vollblut, Thrombozytenzahl
– Hohe Viruslast und Thrombopenie weisen auf mögliche Schädigungen hin
• Augenhintergrund, erweitertes Hörscreening
– Bei normalem Befund Augenuntersuchung mit 1 J und Hörtest bis zum 6. Lj empfohlen
Therapie beim Kind?
• Bleibt umstritten
• Kimberlin et Al: Valganciclovir 6 Mo. vs. Ganciclovir i.v. 6 Wo.
– Behandelt wurden symptomatische Neugeborene
– Hörverlust und kognitive Entwicklung im Langzeitvergleich leicht verbessert
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
www.uniklinik‐freiburg.de/virologie
Herunterladen