Odysso vom 09.11.2006

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Informationen zur Sendung vom
9. November 2006
INHALT
AMEISEN ALS
ERDBEBENSPÜRNASEN
¾ Dickmacher Glutamat
¾ Ameisen - heimliche
Geologen?
¾ Warum verschieben
sich Kontinente?
¾ Vulkane in Nordbayern
¾ Warum fällt der Apfel vom Baum?
Waldameisen haben möglicherweise einen ganz besonderen "Riecher". © SWR
AMEISEN ALS ERDBEBEN-SPÜRNASEN
Der Geologe Ulrich Schreiber ist einem Phänomen auf der
Spur. Waldameisen haben möglicherweise einen Riecher für
Orte, an denen sich Erdbeben bilden können. Was zunächst
wie Spinnerei klingt, glaubt Ulrich Schreiber in der Natur
nachweisen zu können. So entdeckte er zahlreiche Ameisenbauten genau entlang einer Störungslinie in der Eifel – links
und rechts davon gab es keine Bauten. Auch im Schwarzwald
ist ihm das Phänomen aufgefallen. Daher ist er sich sicher:
dies kann kein Zufall sein. Odysso geht der Sache auf den
Grund.
VON MARCEL
WEINGÄRTNER:
»Dickmacher Glutamat«
W
er kennt sie nicht, die
Pfunde, die bei manchem ansetzen und einfach nicht mehr runter wollen.
Leider gibt es dagegen noch keine
Wunderdiät. Trotzdem muss es
Gründe dafür geben, dass die einen dick werden und die anderen
nicht. Lange Zeit wurde das Fett
in der Nahrung für die ExtraPfunde verantwortlich gemacht,
doch das scheint nicht zu stimmen,
genauso wenig wie die Kohlenhydrate, die auch schon verteufelt
wurden. Jetzt gibt es einen neuen
Verdächtigen: Glutamat, das offensichtlich in der Lage ist, unsere
Hungerbremse im Gehirn außer
Kraft zu setzen.
Zu diesem Ergebnis kam der Kieler
Kinderheilkundler Professor Michael
Hermanussen auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum
dicke Kinder und Erwachsene ständig hungrig sind. Doch seine Untersuchungen zeigten noch etwas anderes: "Die Glutamat-Produktion ist
¾ Adressen, Links &
Literatur
Odysso ist eine Sendung des
vielleicht nicht das Einzige. Wir denken eben auch, dass es der Eiweißkonsum insgesamt sein könnte. Moderne Menschen ernähren sich zunehmend lieber von eiweißreicher
Nahrung. Und Eiweiß gilt ja auch
als gesund. Man isst eben gerne Eiweiß und Obergrenzen des Eiweißkonsums werden nicht ernsthaft diskutiert."
Jährlich 1,7 Millionen
Tonnen Glutamat
Fleisch, Käse und Tomaten enthalten
schon von Natur aus bis zu 20 Prozent natürliches Glutamat, ein Bestandteil von Eiweiß. Dazu kommt
künstlich zugesetztes Glutamat, vor
allem in asiatischem Essen oder in
Fertignahrung. Es ist kein Geschmacksverstärker - obwohl man es
fälschlicherweise als solchen bezeichnet. Glutamat ruft auf unserer
Zunge die Geschmacksrichtung "umami" oder "deftig, fleischig" hervor. Die zugesetzten Mengen werden
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immer größer: 1,7 Millionen Tonnen
Glutamat werden weltweit jährlich
produziert - und gegessen!
Fettreduziert essen und
doch nicht abnehmen?
Die Professorin Susanne Klaus vom
Deutschen Institut für Ernährungsforschung bestätigt: "Es ist bekannt,
dass Glutamat in experimentellen Situationen dick machen kann. Also
wenn man das neugeborenen Ratten
injiziert, dann werden sie fett. Das
macht man sogar extra im Modell,
um fette Ratten zu bekommen. Und
das liegt daran, dass Glutamat bestimmte Regionen im Hirn, also im
Hypothalamus, zerstört. Und dadurch fressen die Tiere dann mehr
und werden dick."
Die Studie könnte damit zum ersten
Mal erklären, warum viele übergewichtige Menschen in den USA
nicht abnehmen, obwohl sie weniger
fettreiches essen. Der hohe Anteil an
Eiweißen und Glutamat in der Fertignahrung führt zu immer mehr
Hunger. Und mehr noch: vor allem
fettreduzierte Nahrungsmittel enthalten einen höheren Anteil an Eiweiß
und Glutamat. Die Verträglichkeit
wurde aber fast nur in asiatischen
Ländern getestet. Möglicherweise, so
Prof. Hermanussen, seien Ostasiaten,
die ja sehr viel Glutamat essen, unempfindlicher gegen diese Substanz
als Monosubstanz in der Ernährung.
Doch eine Bestätigung für diese These gibt es nicht.
Permanentes Hungergefühl durch Glutamat?
Allerdings bekamen die Modellratten
sehr große Mengen Glutamat gespritzt. Die neuen Studien von Prof.
Hermanussen zeigen jetzt aber, dass
auch geringe, über längere Zeit über
die Nahrung aufgenommene Glutamat-Mengen die gleichen Folgen haben können: Die Tiere werden fresssüchtig und nehmen deutlich zu.
Hermanussen vermutet, dass auch
beim Menschen langfristig erhöhte
Glutamat-Mengen über die BlutHirnschranke ins Gehirn gelangen
und den natürlichen Glutamatspiegel
im Gehirn verändern. Die Folge:
permanentes Hungergefühl.
Patienten, die an Übergewicht und
ständigem Hunger leiden, gab Hermanussen ein Medikament, das diese
Entgleisung eindämmt. Mit Erfolg,
wie eine Patientin berichtet: "Nach
der Einnahme der Tropfen war das
Hungergefühl weg. Ich hab vorher na ja, schon gerne zwei Brötchen
zum Frühstück geschafft. Das war
gar kein Problem. Und Portionen,
wie man sie im Restaurant eben
kennt. Und nachdem ich die Tropfen
genommen habe, war es gar kein
Problem, auch mal mit einem Möhrchen oder Gürkchen klarzukommen,
weil man nicht das Gefühl hatte,
man muss so einen Berg essen, um
satt zu sein."
Eine brisante Situation, denn Glutamat ist in unserer täglichen Kost allgegenwärtig. Künstlich zugesetztes
Glutamat findet man auf der Zutatenliste unter den Zusatzstoffen der
Nummern E620 bis E625. "Das
Problem ist ein bisschen, dass die
Mengen nicht angegeben sind. Also
sie sind nicht verpflichtet, anzugeben, wie viel Glutamat zugesetzt
ist. Aber wenn man da Bedenken hat,
sollte man Sachen vermeiden, wo
diese Nummern angegeben sind", so
Prof. Klaus.
Eiweißkonsum einschränken
Michael Hermanussen geht noch etwas weiter: "Also wir haben einfach
bisher wenig Informationen und ich
bin vorsichtig und würde sagen: sofern es keine Notwendigkeit gibt, so
viel Eiweiß zu essen - und diese Notwendigkeit sehe ich zur Zeit nicht würde ich empfehlen, den Eiweißkonsum auf ein Maß einzuschränken,
von dem wir sicher wissen, dass es
ungefährlich ist. Und das ist ja auch
notwendig, wir brauchen unser Eiweiß."
Einige Diäten empfehlen sogar, noch
mehr Eiweiß zu essen. Was früher
Mangelware war, könnte heute für
viele Menschen in eine Sackgasse
aus Übergewicht und deren Folgekrankheiten führen.
VON AXEL WAGNER:
»Ameisen – heimliche Geologen?«
A
meisen richten ihre Bauten
stets nach Brüchen in der
Erdkruste, so genannten
"Störungslinien" aus. Diese spektakuläre Entdeckung machte der
deutsche Geoforscher Prof. Ulrich
Schreiber von der Universität
Duisburg-Essen. Er will die Bauten der Waldameisen als Indikatoren für geologische Aktivitäten wie
Vulkanismus nutzen. Was ist dran
an Schreibers Ideen? Odysso geht
der Sache auf den Grund.
Der Geologe Ulrich Schreiber ist einem Phänomen auf der Spur. Ein
Phänomen, das auch für ihn als gestandenen Wissenschaftler fast unglaublich scheint: Waldameisen haben möglicherweise einen Riecher
für Orte, an denen sich Erdbeben bilden können. Was zunächst wie Spinnerei klingt, glaubt Ulrich Schreiber
in der Natur nachweisen zu können.
In der Verlängerung eines Quarzfelsens führt er uns durch das Dickicht
zu
einem
Beleg
seiner
ungewöhnlichen Theorie, eine Ameisenhaufen.
Ameisen nutzen die Störungszonen
"Die Teufelsley, ein typischer Quarzfelsen, befindet sich jetzt 200 Meter
in nördlicher Richtung von hier. Wir
können das mit dem Kompass sehr
genau einpeilen und die Verlängerung der Teufelsley, ist eine Störungszone, die höchstwahrscheinlich
gasführend ist und die Ameisen nutzen diese Störungszone", erklärt
Schreiber. Unter "Störungszonen"
verstehen die Wissenschaftler unterirdische Risse in der Erdkruste, die
sich bei einem Erdbeben gegeneinander verschieben können.
In Form von Felsformationen wie
der Teufelsley in der Eifel treten sie
ans Tageslicht. Aus der Vogelperspektive wird dieses Riss-System
durch die Bauten der Ameisen deutlich. Waldameisen scheinen ihre
Bauten in einer Linie entlang solcher
Störungszonen zu errichten, wie eine
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Karte von Ulrich Schreiber aus
Nordrheinwestfalen zeigt. Jedes rote
"A" steht auf der Karte für ein Ameisennest. Und tatsächlich liegen alle
Nester entlang einer solchen geologischen Störung.
Auch im Südschwarzwald wird die
Beziehung deutlich: Die grün markierten Nester orientieren sich an den
blau eingezeichneten geologischen
Linien. Links und rechts davon ist
kein Nest zu finden.
Ulrich Schreiber ist sich sicher, dass
seine Beobachtungen kein Zufall
sind. Doch warum siedeln die Winzlinge entlang der Risse in der Erdoberfläche? Und - wie können sie
diese überhaupt wahrnehmen?
Gase aus tieferen Erdschichten
Einen Hinweis liefert die Teufelsley.
Sie ist durch eine tiefe Spalte geteilt,
wie alle Störungslinien. Und diese
geologische Besonderheit hat eine
ganz typische Eigenschaft. Durch die
Spalten steigen Gase aus tieferen
Erdschichten auf. Nutzen die Ameisen womöglich diese Gase, um ihre
Bauten an den Spalten zu orientieren? Dazu müssten sie in der Lage
sein, die Gase wahrzunehmen.
Die Forscher wollen das überprüfen.
Über einem bekannten Riss in der
Erde nimmt das Geologen-Team
Gasproben. Im Labor soll später überprüft werden, ob die Ameisen auf
das Gas reagieren. Wenn das Experiment gelingt, wäre das ein weiterer
Beleg dafür, dass Ameisen erdbebengefährdete Zonen erkennen können. Und für die Geologen noch interessanter: Ameisenhaufen könnten
vielleicht sogar bisher unbekannte
Gasvorkommen anzeigen.
"Wir können erst mal nur das Helium messen", sagt Schreiber, "das
Helium ist für uns ein Anzeiger, für
die Störung. Wir wissen nicht, was
die Ameisen letztendlich auf der Störung machen. Es kann sein, dass sie
andere Gase nutzen, oder sonst irgendeinen anderen Vorteil haben."
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Geruchs-Experiment für
die Ameisen
Gemeinsam mit dem Biologen Stefan Hetz von der HumboldtUniversität Berlin wollen die Geologen Waldameisen mit den Gasproben aus dem Freiland konfrontieren.
Ein paar hundert "Probanden" haben
sie dazu in die Hauptstadt mitgebracht. Und auch die Luft aus der
geologischen Störung ist im Gepäck.
Für den Versuch müssen ein paar
Ameisen ihr nadeliges Zuhause gegen eine Kammer aus Plexiglas austauschen. Am Computer soll sichtbar
werden, was im Inneren der Kammer
passiert. Denn die wird in einen
hermetisch abgeschlossen Raum gestellt.
Nur ein kleiner Schlauch verbindet
die Tiere mit der Außenwelt. Durch
ihn wird die Gasprobe zu den Ameisen geleitet. Ein paar Minuten vergehen, dann zeigt sich ein erstes Ergebnis. Die Aktivität der Ameisen
sinkt kurz nach der Zufuhr des Gases. Das Gas ist weder betäubend
noch giftig für sie. Warum werden
sie also für einen kurzen Moment
ruhiger? Ist das vielleicht eine positive Reaktion auf das Gas? Können
die Ameisen tatsächlich die Störungslinien riechen?
Durchaus möglich …
"Es ist durchaus möglich, dass Ameisen mit ihren Antennen gasförmige Stoffe in der Luft aufnehmen
können und zwar in einer unendlich
kleinen Verdünnung. Und das ist
durchaus möglich, dass die nach
diesen Störungslinien suchen", sagt
Biologe Hetz.
Wir fassen zusammen: Karten mit
eindeutigen Belegen! Gase, die aus
dem Erdreich kommen und: Insekten
mit erstaunlichen Fähigkeiten. Warum die Ameisen Ihre Nester entlang
von Rissen in der Erdkruste bauen,
bleibt vorerst ein Rätsel. Aber womöglich hält die Natur hier noch
weitere Überraschungen für die Forscher bereit.
VON LISA ERZINGER:
»Warum verschieben
sich Kontinente?«
2
003 bebte in der Türkei wieder einmal die Erde. Das Epizentrum lag in unmittelbarer Nähe der Stadt Bingöl im
Zentrum des Landes. Bei dem Beben starben über 150 Menschen,
die Zahl der Verletzten wurde im
Nachhinein auf über 500 geschätzt. Dass es im Bereich der
Türkei häufiger bebt hat einen
Grund, denn Mitten durch das
Land verläuft die Nahtstelle zwischen zwei tektonischen Platten,
der Eurasischen und der Anatolischen Platte.
Die Ursachen für Erdbeben liegen
unter uns, im Inneren der Erde. Die
feste Kruste unserer Erde ist nicht
etwa ein großes Ganzes, sondern eher ein Mosaik aus einigen großen
und vielen, vielen kleinen Platten.
Die Kontinentalplatten treiben auf
dem flüssigen Erdinneren, dem
Magma. Sie stoßen aneinander, treiben auseinander und tauchen untereinander ab.
Bewegt werden die Platten durch
Temperaturströme im Erdinneren.
Die heißen Ströme steigen auf, kühlen sich ab und fallen wieder nach
unten. Auf diese Weise gleicht die
Erde ihren Temperaturunterschied
aus. Wohin sich die Platten dadurch
bewegen ist aber nicht vorhersehbar.
Eindeutig ist nur, dass sie es tun.
Enorme Spannungen
bauen sich auf
Die Kontinentalplatten verschieben
sich aber nicht erst seit kurzer Zeit,
sondern schon seit vielen Millionen
Jahren. So entwickelte sich in den
letzten 250 Millionen Jahren aus einem einzigen Riesenkontinent die
heutige Verteilung der Kontinente.
An den Grenzen zweier Kontinentalplatten bauen sich durch die konstante Bewegung immer wieder enorme
Spannungen auf. Und im Moment
eines Bruchs entladen sie sich dann
in Erdbeben.
Ähnlich ist es auch mit Vulkanausbrüchen. Sie haben ihre Ursache e-
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benfalls im Erdinneren. Verantwortlich für die gigantischen Feuerspucker sind Verschiebungen von Kontinentalplatten. Deshalb findet man
Vulkane auch überwiegend an der
Grenze zweier Platten. Für uns sichtbar sind Vulkane vor allem in so
genannten Subduktionszonen, wo eine Platte unter einer anderen abtaucht. Das Gestein der abtauchenden Platte erwärmt sich, wird flüssig
und kann in Schwächezonen bis zur
Eroberfläche steigen.
Magma durchschweißt
die Erdkruste
Nur ganz wenige Vulkane befinden
sich nicht an Plattengrenzen. Bei ihnen dringt Magma aus großen Tiefen
empor und durchschweißt die Erdkruste punktuell an einer Stelle. Diesen Hot-Spot-Vulkanismus kennt
man beispielsweise von der Inselgruppe Hawaii.
Je weiter das Wissen um die Prozesse in der Erde wächst, desto besser
können Wissenschaftler Frühwarnsysteme für Erdbeben und Vulkanausbrüche entwickeln. Und vielleicht
kann man sich in Zukunft dann besser auf diese Naturkatastrophen vorbereiten.
VON FRANK BÄUMER:
»Vulkane in Nordbayern«
J
edes Jahr spucken über 50
Vulkane Feuer und Rauch:
Pinatubo, Merapi, Popocatepetl, und wie sie alle heißen - auf
den Philippinen, auf Java oder in
Mexiko. Das ist weit weg. Doch
Geologen sind in einem Gebiet nahe
der
deutsch-tschechischen
Grenze auf Spuren gestoßen, die
nur einen Schluss zulassen: Auch
unter uns brodelt es gewaltig.
Der "Rauhe Kulm" in der Oberpfalz
ist ein beliebtes Ausflugsziel. Dabei
denkt kaum jemand an die geologische Vergangenheit des markanten
Berges: ein Vulkan, der nie zum
Ausbruch kam. Ebenfalls in der O-
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berpfalz, nahe dem Städtchen Neualbenreuth, befindet sich, versteckt in
einem Tal, ein kleiner, aber mit
300.000 Jahren sehr junger Vulkan:
Der "Eisenbühl". Wissenschaftler
versuchen derzeit zu rekonstruieren,
was sich einst in der Region zugetragen hat und wie der Vulkanismus
dort begann. Fest steht: Oft kündigen
sich Vulkanausbrüche durch Erdbeben an. Werden Vulkane wie der Eisenbühl jemals wieder ausbrechen?
Aktivität von sogenannten Fluiden
fest - heiße Gas- und Flüssigkeitsgemische, die durch die Spalten im
Gestein dringen. Der Grund für diese
Auffälligkeiten könnte eine große
Magmakammer sein, die sich in
Richtung Oberfläche bewegt. Die
aufsteigenden Fluide wirken dabei
wie ein Schmiermittel in den Gesteinschichten, die bei Spannungen
in der Erdkruste so leichter nachgeben. Schwarmbeben sind die Folge.
Das Zentrum der Erdstöße liegt im deutschtschechischen Grenzgebiet
Ein weiterer Schlüssel
zum Rätsel in der Tiefe
Immer wieder wird die Gegend von
Erdbeben heimgesucht. Das Zentrum
der Erdstöße liegt im deutschtschechischen Grenzgebiet. Bei herkömmlichen Erdbeben entladen sich
in einem großen, ruckartigen Stoß
plötzlich Spannungen. Dann folgen
weitere, schwächere Nachbeben im
Abstand von mehreren Stunden oder
Tagen. Die Beben in der Oberpfalz
verlaufen anders- es gibt kein dominantes Hauptbeben, sondern viele
kleine Erdstöße - bis zu tausend an
einem Tag. Schwarmbeben nennen
Forscher dieses Phänomen.
Ein weiterer - und entscheidender Schlüssel zu dem Rätsel in der Tiefe
liegt in einem unheimlichen Moor in
der Nähe des tschechischen Kurortes
Franzensbad. Ein seltsames Blubbern erfüllt den Wald. Gasaustrittslöcher, so genannte "Mofetten", verstecken sich zwischen den Sträuchern. "Das Gas", erklärt Dr. Karin
Bräuer vor Ort, "besteht aus fast reinem CO2 und kommt aus fast 30 Kilometer Tiefe. Das ist Gas, was fast
unverändert aus dieser Tiefe bis an
die Erdoberfläche aufgestiegen ist.
Das heißt für uns, der Gastransport
muss auf Kanälen, also sehr schnell
erfolgt sein."
"Solche Schwarmbeben treten im
Zusammenhang mit Vulkanismus
auf, denn die Spannung, die sich in
der Erde angesammelt hat, wird in
kleinen Portionen abgebaut. Und
das geschieht vor allen Dingen dann,
wenn die Krustenteile sich in kleinen
Portionen gegeneinander bewegen",
erklärt Dr. Siegfried Wendt von der
Erdbebenwarte Collm. Braut sich in
der Erdkruste unter dem Dreiländereck etwa ein Vulkan zusammen?
Dieses reine Gas liefert den Forschern wichtige Daten. Das giftige
CO2, an dem die Tiere in den Tümpeln ersticken, ist dabei relativ uninteressant. Die Suche gilt vor allem
einem Heliumisotop, dem "Helium3", das überwiegend im Erdmantel
vorkommt. Der Anteil dieses sogenannten "Mantelheliums" in dem
Gas könnte Aufschluss darüber geben, ob sich tatsächlich Magma zur
Erdoberfläche bewegt.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, muss man tiefer in die Erde
vordringen. Die kontinentale Tiefbohrung bei Windischeschenbach
sollte Licht ins Dunkel der Tiefe
bringen. Mitte der 90er Jahre wurde
bei diesem Forschungsprojekt der
Aufbau des Erdmantels untersucht.
Bis auf eine Tiefe von über neun Kilometern drangen die Bohrmeißel
vor. Auch dort stieß man auf merkwürdige Hinweise. Es war heißer, als
ursprünglich angenommen. Zudem
stellte man eine ungewöhnlich hohe
Je tiefer die Forscher in den Sumpf
eindringen, desto stärker wird das
Blubbern. Sie sind am Ziel. Bublak "das Blubbernde" - nennen die Einheimischen den Quellteich. Den Atem aus der Tiefe fangen die Wissenschaftler mit Hilfe einer sogenannten "Gasmaus" ein. Beweismittel aus einer Region, die kein Bohrer
jemals erreichen kann. Finden sich
hier hohe Anteile von Mantelhelium,
ist das ein deutliches Anzeichen für
aufsteigendes Magma.
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Solche Werte bislang
nur vom Ätna bekannt
Im Labor werden die Gasbestandteile aus der Probe getrennt. Dazu wird
das überschüssige CO2 "abgefroren".
Das Helium bleibt bei diesem Vorgang gasförmig. Die Heliumisotopenwerte, welche die Wissenschaftler gefunden haben, sind das höchste, was man in Mitteleuropa bisher
überhaupt gemessen hat. "Und eigentlich kennt man diese Werte bislang nur vom Ätna als einem aktiven
Vulkan", verdeutlicht Karin Bräuer.
Gaswerte wie beim Ätna! Die Entdeckung ist eine geowissenschaftliche
Sensation. Fließen jetzt etwa bald
wieder Lavaströme durch die Oberpfalz? Doch Dr. Bräuer beruhigt:
"Also man kann nur sagen: es ist offensichtlich eine Aktivität vorhanden
- eine magmatische Aktivität, also
Magma bewegt sich. Das heißt aber
nicht, dass in absehbarer Zeit ein
Vulkanausbruch zu befürchten ist."
Es können noch Tausende von Jahren vergehen, bis das Magma wieder
die Oberfläche erreicht. Was die
Bewohner jetzt schon zu spüren bekommen, sind Erdbeben. Lebenszeichen der unheimlichen Kräfte in der
Tiefe, die wieder zu neuem Leben
erwachen.
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die garantiert nicht. Und bei näherer
Betrachtung fällt auf: die kleinen
Äpfel sind alle irgendwie lädiert angefressen, faulig oder sie haben
einen Wurm. Der Apfelbaum trennt
sich also offensichtlich von kranken
Früchten. Aber woher weiß er, welche fällig sind?
Der Apfel "redet“ mit
dem Baum
Er muss irgendwie ständig über den
Zustand seiner Früchtchen informiert
sein. Und tatsächlich: Biologen haben herausgefunden, dass Baum und
Apfel miteinander kommunizieren –
und zwar mit Hilfe von Gas.
Wird der Apfel verletzt, reagiert das
Fruchtfleisch mit dem Sauerstoff in
der Luft und produziert das Gas Ethen – früher als Äthylen bekannt.
Wie es wirkt, kann jeder in einem
kleinen Experiment selbst nachvollziehen.
im Gegenzug ein Hormon zurück:
Fachleute kennen es als Abscisinsäure. Das Hormon bewirkt, dass sich
zwischen Zweig und Stiel Korkzellen bilden. Diese Korkzellen lassen
keine Nährstoffe mehr durch, werden immer dicker und reißen auf eine Sollbruchstelle.
Der Baum steuert also genau, wann
aus seinen Früchten Fallobst wird.
Ein bemerkenswertes Beispiel für
Arterhaltung. Denn die Kerne kranker Früchte würden ohnehin nicht
keimen. Der Baum spart Kraft für
die gesunden Früchte, und die wirft
er erst ab, wenn deren Kerne reif und
keimfähig sind. Denn keimen können sie nur auf dem Boden - nicht
am Baum.
Ein angeschnittener Apfel wird mit
einem gesunden Apfel in eine Plastiktüte gelegt, zum Vergleich
daneben ein einzelner gesunder Apfel in eine andere Tüte.
In der "Zweier-Tüte" lässt das ausströmende Gas des verletzten Apfels
beide Äpfel in Rekordtempo reifen.
Sie verfärben sich sehr schnell, nach
nur vier Tagen sind beide vergammelt. Der einzelne gesunde Apfel
bleibt dagegen wochenlang frisch.
VON UWE LEITERER:
Alltagswissen:
»Warum fällt der
Apfel vom Baum?«
F
allobst – auf keine Frucht
passt dieser Begriff besser
als auf den Apfel. Doch warum fallen die Früchte vom Baum
und bleiben nicht einfach hängen?
Typische Antwort: die werden halt
größer und irgendwann zu schwer
für die Zweige. Leider ist sie
falsch. Odysso zeigt, welche komplizierten Mechanismen dazu führen, dass der Baum den Apfel regelrecht abstößt.
Allerdings: im Gras liegen nicht nur
dicke reife Äpfel. Auch kleine unreife hat es erwischt. Zu schwer waren
Ohne Ethen fällt der
Apfel nicht
Für die Äpfel am Baum bedeutet das:
Solange sie unreif und unversehrt
sind, ist der Ethengehalt niedrig, sie
bleiben fest hängen. Wer solch einen
Apfel pflücken will, hat gleich den
ganzen Zweig in der Hand, die Verbindung zwischen Stiel und Ast ist
nahezu unzerstörbar.
Mit Ethen gibt es Fallobst
Ist der Apfel jedoch verletzt (Schale
angepickt, angefressen) oder reif,
dann produziert er viel Ethen. Das
Gas strömt durch den Stiel in den
Zweig zu den Blättern. Die schicken
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Adressen
Prof. Michael Hermanussen
Christian-Albrechts-Universität zu
Kiel
Klinik für Allgemeine Pädiatrie
Schwanenweg 20
D-24105 Kiel
E-Mail:
[email protected]
Prof. Dr. Susanne Klaus
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke
(DIFE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
D-14558 Nuthetal
Telefon: 033 - 20088-0
Telefax: 033 - 20088-444
[www.dife.de]
Dr. Siegfried Wendt
Geophysikalisches Observatorium
Collm
D-04779 Wermsdorf
Telefon: 03435 - 929474
Seite 6
Dr. Karin Bräuer
UFZ-Umweltforschungszentrum
Leipzig-Halle GmbH
Permoserstr. 15
D-04318 Leipzig
Wikipedia – Äpfel
Hier finden Sie enzyklopädisches
Wissen rund um die Gattung Apfel
(Malus), die zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae) gehört.
Telefon: 0341 - 235-2278
Telefax: 0341 - 235-2649
E-Mail: [email protected]
[www.ufz.de]
Der Bio-Gärtner
Auf dieser Seite finden Sie umfangreiche Informationen zum Thema
"Apfelbäume", wie etwa zu den anfallenden Arbeiten und die Pflege
der Bäume.
Links
SWR2: "Genuss aus der Retorte?"
Mehr zum Thema Glutamat kann
man in dem Manuskript "Genuss aus
der Retorte? - Aromen und Geschmacksverstärker in Lebensmitteln" der SWR-Hörfunkreihe SWR2
Wissen nachlesen.
Rund um den Apfel
Das Schul-Umwelt-Zentrum (SUZ)
bietet auf diesen Seiten Informationen "rund um den Apfel". Unter anderem finden Sie hier eine "Kulturgeschichte des Apfels".
Die Flucht der Ameisen
Hier stellt Ulrich Schreiber sein
Buch vor, das die Forschungen an
den Zusammenhängen zwischen
Ameisennestern und der Geologie zu
einem spannenden Roman verknüpft.
Erstmals Anzeichen für magmatische Aktivität in Mitteleuropa beobachtet
Mehr über die magmatische Aktivität
in Mitteleuropa kann man in der
Pressemitteilung des Umweltforschungszentrums nachlesen.
E-Mail:
[email protected]
Unsere nächste Sendung kommt am 16. November 2006: K o n t a k t :
KRIEG DER ZAHNBÜRSTEN
SÜDWESTRUNDFUNK (SWR)
Flexibler Bürstenkopf, intelligente Borsten, Zickzack-Federung in FS-Wissenschaft und Bildung
rutschfestem Griff - Zahnbürsten von heute sind keine simplen Redaktion Odysso
Gebrauchsgegenstände mehr, sondern Hightech-Geräte. In den For- 76522 Baden-Baden
schungslabors der großen Hersteller tüfteln Wissenschaftler an immer
neuen Ideen, um die Bürsten im Kampf gegen Karies, Zahnbelag und E-Mail: [email protected]
Parodontose aufzurüsten. Dabei ist zwischen den Herstellern ein bizar- Internet:
rer Kampf um die Gunst der Bürstennutzer entbrannt. Doch was ist www.swr.de/odysso/
dran, an den Superbürsten? Sind Power-Borsten und Kugelkopf wirklich Meilensteile der Zahnhygiene, oder nur Marketing-Versprechen?
Odysso hat getestet, was man für die richtige Zahnpflege wirklich
braucht und zeigt Kurioses aus der Geschichte der Kariestherapie.
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