Magen-Darm macht Beschwerden

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POLITIK
AMBULANTE SPEZIALFACHÄRZTLICHE VERSORGUNG
Magen-Darm macht Beschwerden
Foto: mauritius images
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat festgelegt, nach welchen Regeln
Patienten mit gastrointestinalen Tumoren demnächst kooperativ versorgt werden
können. Sorgen um einen unfairen Wettbewerb tauchen deshalb wieder auf.
Kooperieren,
nicht konkurrieren – dieses Ziel
hat die ASV immer
noch. Fachleute gehen davon aus,
dass es eher nötig
sein wird, immer
mehr Krebskranke
angemessen zu
versorgen als den
Markt aufzuteilen.
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er kann, der darf . . . behandeln ohne Mengen- und
Budgetbegrenzung. Diese Hoffnung hegten manche, als die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) Gestalt annahm: Ärztinnen und Ärzte mit vorgegebener
Qualifikation und technischer Ausstattung sollten in Teams Patienten
mit seltenen Leiden oder Krebserkrankungen, die bisher regelmäßig
an Sektorengrenzen gestoßen waren, kooperativer behandeln dürfen
als bisher. Dafür sollte es keine
Rolle mehr spielen, ob die Versorgung in der Praxis, im Medizini-
W
schen Versorgungszentrum (MVZ)
oder im Krankenhaus stattfindet.
Jetzt werden nach und nach die
Regeln konkretisiert, nach denen
die ASV ablaufen soll. Wie immer
bei Neuerungen im Gesundheitswesen mischen sich Skepsis und Kritik
mit Optimismus und Zufriedenheit.
Im Dezember hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine
Konkretisierung für die Behandlung
von Tuberkulose und Mykobakteriose herausgegeben. Nun hat er am
20. Februar festgelegt, nach welchen Regeln Patienten mit gastrointestinalen Tumoren und Tumoren
der Bauchhöhle künftig in Kliniken
und Praxen ambulant spezialfachärztlich versorgt werden können.
Die Vorgaben gelten voraussichtlich von Juli an.
„Mit dem Beschluss wurde die
Blaupause für alle weiteren Anlagen
zu onkologischen Erkrankungen geschaffen. Wir haben zudem Grundsatzentscheidungen, zum Beispiel zur
Definition der schweren Verlaufsformen, getroffen und werden nun Zug
um Zug nach diesem Muster alle
weiteren Anlagen abarbeiten“, erläuterte Dr. med. Regina KlakowFranck, unparteiisches Mitglied im
G-BA und Vorsitzende des zuständigen Unterausschusses. So stehe die
Beratung zu gynäkologischen Tumoren auf dem Programm. Parallel
dazu werde der G-BA die Beratungen zu den seltenen Erkrankungen
fortsetzen. Mit dem Beschluss habe
man sich auf einen sowohl für Krankenhäuser als auch für niedergelassene Spezialistinnen und Spezialisten akzeptablen „modus vivendi“
geeinigt, betonte Klakow-Franck.
Seine Unzufriedenheit äußerte
hingegen Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Der
Beschluss stelle „einen herben
Rückschritt“ dar, so Baum. „Vielen
Tausenden Patientinnen und Patienten vornehmlich mit Darm- oder
Magenkrebs wird dadurch die Möglichkeit der ambulanten Behandlung durch Krebsspezialisten in
Krankenhäusern verwehrt.“
Hintergrund seiner Prognose:
Nach den gesetzlichen Vorgaben
dürfen im Rahmen der ASV nur
solche Krebspatienten behandelt
werden, bei denen die Krankheit
schon fortgeschritten ist, einen
schweren Verlauf genommen hat
oder mit einer schlechten Prognose
behaftet ist. Dies hat nach Darstellung von Baum zur Folge, dass Kliniken keine Verdachtsdiagnostik
mehr durchführen dürfen, Begleiterkrankungen nicht mehr wie bisher
mitbehandelt werden können oder
die ambulante Nachsorge im Krankenhaus nicht mehr zulässig ist.
Mehr Krankenhäuser können
nun ambulant versorgen
Baum räumte aber ein, dass es andererseits mehr Krankenhäusern als
bisher möglich sein wird, ambulante spezialfachärztliche Leistungen
für Krebspatienten zu erbringen.
Zwar durften Kliniken nach den
Vorgaben in Paragraf 116 b alt Sozialgesetzbuch V Krebspatienten
auch ambulant behandeln, wenn deren Erkrankung noch keinen schweren Verlauf genommen hatte. Doch
in zahlreichen Bundesländern, darunter Bayern und Baden-Württemberg, hatten die Landesregierungen
den Krankenhäusern kaum Zulassungen erteilt. Sie erachteten entweder die ambulante Versorgung
durch niedergelassene Fachärzte als
ausreichend oder scheuten rechtliche Auseinandersetzungen um die
Zulassungen. Die Regeln zur ASV
sehen aber für die Zukunft ausdrücklich vor, dass jeder, der die
Vorgaben erfüllt, die betroffenen
Patienten behandeln kann.
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 9 | 28. Februar 2014
POLITIK
Dr. Wulf-Dietrich Leber, Leiter
der Abteilung Krankenhäuser beim
Spitzenverband der Krankenkassen,
kritisierte nach der G-BA-Sitzung
die negative Einschätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Von
einem „Rückschritt“ zu sprechen,
sei „unverantwortlich“. Auch sei es
keine Idee der Krankenkassen gewesen, den Kreis auf Patienten mit
schweren Verlaufsformen einzuschränken. Dies habe der Gesetzgeber vorgesehen. Ähnlich äußerte
sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (Kasten).
Bei dieser Entscheidung spielte
seinerzeit vor allem die Sorge eine
Rolle, die Kosten für die ASV
könnten aus dem Ruder laufen.
Ernst genommen wurden zudem
Bedenken, die ambulante fachärztliche Versorgung könne leiden, weil
sich mehr und mehr Fachärzte dem
neuen Bereich zuwenden würden,
falls es dafür keine Mengen- und
Honorarbegrenzungen gebe.
Nicht nur im Anschluss an die
G-BA-Sitzung, sondern auch bei
einer Veranstaltung des Berufsverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO) im Rahmen des
Krebskongresses wurden die Konkretisierungen zur ASV kritisiert.
So warnte der BNHO-Vorsitzende,
Prof. Dr. med. Stephan Schmitz,
vor einem ungleichen Wettbewerb
um onkologische Patienten als Folge der ASV-Regeln. Schmitz verfolgt mit Argwohn die Geschäftspolitik vor allem großer Klinikkonzerne. Warum, das verdeutlichte er
am Beispiel des Unternehmens Asklepios und seiner Präsenz in Ham-
burg. Dort gehörten Asklepios neben zehn Kliniken 17 MVZ, in denen 67 angestellte Ärzte arbeiteten.
Die Zahl der in Hamburg in Kliniken ambulant behandelten onkologischen Patienten stieg nach deren
Öffnung für die ambulante Versorgung (116 b alt) von 79 000 Fällen
im Jahr 2009 auf etwa 574 000
im Jahr 2012. „Die Expansion der
Krankenhäuser in den ambulanten
Bereich ist da“, warnte Schmitz.
Keine Versorgung im Dienst
von Aktionärsinteressen
Fairer Wettbewerb? Nein, fand er:
In der Klinik würden noch ganz andere Leistungen als in onkologischen Praxen für Krebspatienten erbracht und so die Wertschöpfungskette verlängert durch Chirurgie,
Labor, Strahlentherapie und ande-
„und zwar aus Sicht der Patienten“,
erinnerte er. Und dass immer noch
behauptet werde, die Vertragsärzte
seien trotz aller Budgetgrenzen und
Regulierungen freier in ihren ärztlichen Entscheidungen als Klinikärzte, das ärgerte Baum hörbar. „Eingrenzungen“ gebe es für alle, aber
die Versorgung der Patienten sei dadurch nicht in Gefahr.
Eher gelassen beurteilte auch
Walter Plassmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hamburg, die Wettbewerbssituation für Niedergelassene.
Plassmann wies unter anderem darauf hin, dass die Kooperationspartner in den ASV-Teams persönlich
benannt werden müssten. „Das
Team besteht aus Menschen, nicht
aus Kliniken oder Stationen“, betonte er. Damit soll Vertragsärzten die
„Das
Team besteht aus Menschen, nicht aus Kliniken
oder Stationen.
“
Walter Plassmann, KV Hamburg
res. Deshalb seien Krankenhauskonzerne an der onkologischen Versorgung interessiert. Krebskranke
wollten aber keine shareholder-value-geprägte Versorgung, sondern
die beste Therapie von einem Arzt,
dem sie vertrauten: „Ich glaube,
dass es die beste Therapie und die
besten Kümmerer bei den Vertragsärzten gibt“, betonte Schmitz.
DKG-Geschäftsführer
Georg
Baum, der zur BNHO-Veranstaltung eingeladen war, ließ das nicht
so stehen. Die ASV sei doch als Reaktion auf eine Versorgung entstanden, die nicht zufriedenstellend sei,
KBV: ANGEBOT WIRD SICH VERBESSERN
„Mit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) wird sich das Behandlungsangebot
von Krebspatienten in Deutschland weiter verbessern. Teams mit hochqualifizierten Vertrags- und
Klinikärzten unterschiedlicher Fachrichtungen
übernehmen die Behandlung der Patienten. Von
einem ,Rückschlag’, wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft behauptet, kann keine Rede
sein“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. med. Andreas Köhler.
„Gott sei Dank benötigen nicht alle Patienten
so eine umfassende ambulante Behandlung, weil
der Tumor früh erkannt wurde oder nicht so aggressiv ist. Auch diese Patienten werden weiterhin ambulant behandelt“, stellte Köhler klar. Offen
ist laut KBV noch, welche weiteren spezifischen
onkologischen Leistungen die Ärzte im Rahmen
der ASV durchführen und abrechnen dürfen. Die
KBV fordert, auch Leistungen der Onkologie-Vereinbarung aufzunehmen. Daran arbeitet der Gemeinsame Bundesausschuss derzeit.
Sorge genommen werden, aus den
Praxen könnten sich nur erfahrene
Fachärzte beteiligen, in den Kliniken
aber beispielsweise auch Kollegen in
Weiterbildung. Plassmann erinnerte
zudem daran, dass Krankenhäuser
mit niedergelassenen Kollegen kooperieren müssen. Selbst in einer
Stadt mit einem so umfangreichen
medizinischen Angebot wie Hamburg hält es der KV-Vorstand eher
für unwahrscheinlich, dass Kliniken
mit dazugehörigen MVZ die ASVVersorgung allein stemmen könnten:
„So breit sind sie nicht aufgestellt.“
Auf einen Zukunftsaspekt verwies Thomas Ballast, Vorstand der
Techniker-Krankenkasse: „Es ist
eher die Frage, wie man alle Patienten versorgt bekommt, denn wie
man den Markt aufteilt.“ Dass die
ambulante Onkologie angesichts
der Angebote aus dem stationären
Bereich vor dem Aus stünde, davor
müsse niemand Angst haben. Im
Übrigen sei man im Gesundheitswesen, ähnlich wie im Sport, bekanntermaßen nicht schon deshalb
erfolgreich, weil man viel Geld mitbringe: „Das Prinzip ,Geld schießt
▄
keine Tore’ ist übertragbar.“
Sabine Rieser
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 111 | Heft 9 | 28. Februar 2014
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