Max Walleitner (PDF / 48.09 KB)

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Veranstaltung: Tierschutzfälle vor Gericht
29.11.2005
Fine-Easten-Palast, Wettenberg-Gießen
Vortrag:
„Pfändung – eine Alternative zum Tierschutzrecht?“
Einleitung
Das Motto dieser Veranstaltung lautet: Tierschutzfälle vor Gericht. In Anbetracht des Teilnehmerkreises werde ich jedoch nicht die vor Gericht verhandelten Fälle und nicht die juristischen Aspekte in den Mittelpunkt stellen, sondern versuchen, die praktische Relevanz von
Pfändungen für den Tierschutz darzustellen. Deshalb werde ich auch Fragen und Probleme
ansprechen, die im Rahmen der Umsetzung von Tierpfändungen entstehen oder entstehen
könnten, aber nicht Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung werden können.
Pfändung
Sehen wir uns zunächst kurz die Pfändung an. Was ist das Wesen einer Pfändung? Was bewirkt sie?
Juristisch betrachtet ist die Pfändung eine Handlung einer Vollstreckungsbehörde, durch die
an einer Sache oder einer Forderung ein Pfändungspfandrecht entsteht.
Dieses Pfändungspfandrecht wiederum ist ein der Sicherung (und Befriedigung) einer Forderung dienendes
absolutes Recht, und zwar entweder an fremden beweglichen Sachen oder an Forderungen.
Merkposten: Eine Pfändung kommt überhaupt nur dann in Betracht, wenn der Tierhalter irgend jemandem eine Geldsumme schuldet! Dazu kommen wir aber später noch.
Für die Nichtjuristen unter Ihnen: Warum heißt es Pfändungspfandrecht und nicht einfach
Pfandrecht? Ganz einfach deshalb, weil es noch andere Pfandrechte gibt, die aber nicht durch
eine Pfändung entstehen. So gibt es vertragliche Pfandrechte, die aber fast keine praktische
Bedeutung mehr haben.
Im Gegensatz dazu kommt den gesetzlichen Pfandrechten nach wie vor eine große Bedeutung
zu. Nachfolgend einige Beispiele hierzu.
Soweit sie Mieter einer Wohnung sind, entsteht für den Vermieter nach § 562 BGB ein Pfandrecht für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis an Ihren eingebrachten Sachen.
Oder wenn Sie eine Gastwirtschaft besuchen, so entsteht für den Gastwirt gemäß § 704 BGB
für seine Forderungen ein Pfandrecht an Ihre eingebrachten Sachen.
Nicht zu vergessen das Unternehmerpfandrecht an den zur Herstellung eingebrachten Sachen,
das z.B. auch bei Tierärzten Anwendung findet und schon häufiger Gegenstand gerichtlicher
Auseinandersetzung war.
Aber zurück zur Pfändung. Wie ich vorhin sagte, entsteht durch die Pfändung ein Pfändungspfandrecht an fremden beweglichen Sachen. Spätestens seit der Schaffung des § 90 a BGB
ist auch juristisch klar, dass Tiere keine Sachen sind. Können also deshalb grundsätzlich
keine Tiere gepfändet werden?
Doch. Denn § 90 a BGB hat zwei Inhalte. Zum einen den, dass die Tiere als unsere Mitgeschöpfe aus ethischen Gründen nicht als Sache betrachtet werden können.
Zum anderen aber bestimmt § 90a Satz 3 BGB, dass auf sie die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Durch
diese entsprechende Anwendung des Sachenrechts soll gewährleistet werden, dass Tiere trotz
ihrer rechtlichen Aufwertung zum Mitgeschöpf auch weiterhin als Gegenstand verpflichtender
Geschäfte und sachenrechtlicher Vorgänge dem Rechtsverkehr zugänglich bleiben.
Das bedeutet also, dass es grundsätzlich möglich ist, Pfandrechtsvorschriften auf Tiere anzuwenden, d.h. Tiere zu pfänden. Seine Grenze findet die Anwendung des Sachenrechts in den
Bestimmungen des Tierschutzes. Soweit die Anwendung der sachenrechtlichen Vorschriften
dem Tierschutz widerspricht, ist im Tierschutzgesetz etwas anderes bestimmt im Sinne des
§ 90 a BGB.
Das Landgericht Mainz, Az 6 S 4/02, hatte in einem Fall zu entscheiden, in dem es um ein
Pfandrecht in Gestalt eines Zurückbehaltungsrechts an einem eingebachten Hund ging. Es hat
am 30.04.2002 im Rahmen dieser Entscheidung die Auffassung vertreten, dass ein Pfandrecht
verneint werde muss, wenn durch den Verbleib bei dem Gläubiger beim Tier
- Vereinsamungsgefühle,
- seelischer Schmerz,
- oder gar organische Krankheiten entstehen,
- oder durch den Verbleib Schmerzen oder Leiden im Sinne des § 1 Tierschutzgesetz
entstehen würden.
Zur Klarstellung: im vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob es überhauptgrundsätzlich
ein Pfandrecht an Tieren geben kann, weil eben Tiere keine Sachen sind.
Ergebnis: grundsätzlich ja, wenn nicht schon durch die mit dem Pfandrecht verbundene Trennung des Tieres vom Halter für das Tier Nachteile entstehen, die dem Tierschutz widersprechen.
Wenn also ein Pfandrecht an Tieren grundsätzlich möglich ist, ist folglich auch eine Pfändung
von Tieren grundsätzlich möglich.
Was bewirkt nun eine Pfändung?
Juristisch entsteht durch eine nach Vollstreckungsrecht wirksame Pfändung eine öffentlichrechtliche Verstrickung, mit Veräußerungsverboten hinsichtlich der Tiere gemäß den
§§ 135,136 BGB, die nicht durch Parteihandlung erlöschen kann. Wer also nun in diese Verstrickung gewaltsam eingreift, indem er z. B. das gepfändete Tier vor dem Abtransport wegtreibt oder versteckt, oder es dem Vollzieher wegnimmt, wird strafrechtlich verfolgt. Das
StGB kennt hierzu die Strafvorschriften: Vereiteln der Zwangsvollstreckung, Pfandkehr
(§§ 288, 289 StGB).
Für Sie als Praktiker viel wichtiger aber ist, dass man Tieren im Regelfall keine Pfandsiegel
aufkleben kann, die Pfändung von Tieren also meist durch Wegnahme der Tiere vollzogen
wird.
Wozu könnte nun eine Pfändung eine brauchbare Alternative sein?
Mit welchen Maßnahmen nach dem Tierschutzrecht kann ich den gleichen „Erfolg“ bewirken,
nämlich die Trennung eines oder mehrerer Tiere von einem Tierhalter?
In erster Linie denke ich hier an zwei Möglichkeiten. Die eine ist die Fortnahme nach § 16 a
Nr. 2 TSchG. Die andere Möglichkeit ist die Beschlagnahme gemäß den §§ 19 TSchG, 46
OWiG, 111 b StPO.
Da bei einem beschlagnahmten Tier auch relativ rasch eine Notveräußerung nach § 111 l
StPO durchgeführt werden kann, sind die Hürden für eine derartige Maßnahme sehr hoch. Es
müssen dringende Gründe mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit gegeben sein, die wiederum für Verletzungen oder Schmerz- oder Leidenssymptomen
bei einem Tier verantwortlich ist.
Nach dem bisherigen Zwischenergebnis könnte also die Pfändung eine gangbare Alternative
zu diesen beiden Maßnahmen sein.
Die Fortnahme nach dem TSchG dürfte am meisten praktiziert werden Die damit verbundenen Probleme kennen zumindest die Amtsveterinäre wesentlich besser als ich. Da ich nachfolgend auch darauf eingehen will, ob bei einer Pfändung diese Probleme vermieden werden
können, hier im Saal jedoch nicht nur Amtsveterinäre sind, zeige ich der Vollständigkeit halber diese Probleme kurz auf.
Aus meiner Sicht stellt § 16 a TSchG die Befugnisnorm für die Amtsveterinäre schlechthin
dar. Die Vorschrift bietet die Rechtsgrundlage für eine ganze Reihe von Maßnahmen.
Eine relativ weitreichende Maßnahme daraus ist: dem Halter das Tier fortnehmen und solange auf dessen Kosten pfleglich unterzubringen, bis eine den Anforderungen des § 2
TSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist.
Das Gesetz hat dafür die Voraussetzungen aufgestellt, dass das Tier
- erheblich vernachlässigt ist oder
- schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt
weil der Halter die an ihn gesetzlich gestellten Anforderungen nicht erfüllt hat.
Welche Probleme sind nun für den „beamteten Tierarzt“ mit der Fortnahme gemäß § 16 a
TSchG verbunden?
Materiell-rechtlich ist in etlichen Fällen die Abgrenzung, ob der Grad der Vernachlässigung
bzw. der Verhaltensstörungen das gesetzlich erforderliche Maß erreicht hat, schwierig. Insbesondere ist unsicher, ob die Einschätzung vom Gericht geteilt wird.
Denn erheblich bzw. schwerwiegend bedeutet hier: Nach Art oder Dauer gewichtig. Ein Anhaltspunkt dafür soll nach der jur. Literatur sein, wenn einzelne Gebote aus § 2 für einen längeren Zeitraum und/oder in besonders intensiver Form verletzt sind.
Die Beobachtung von Verstößen über einen längeren Zeitraum setzt wohl voraus, dass der
Amtsveterinär einen bestimmten Halter in einem längeren Zeitraum mehrfach besucht haben
muss, was wohl nicht allzu häufig vorkommen wird.
Wenn man den Gesetzestext ernst nimmt, könnte man das Tatbestandsmerkmal „schwerwiegende Verhaltensstörungen“ nur in einer geringen Zahl von Fällen bejahen. Denn nach der
juristischen Fachliteratur ist eine Verhaltensstörung eine im Hinblick auf Modalität, Intensität oder Frequenz erhebliche und andauernde Abweichung vom Normalverhalten.
Eine Verhaltensstörung liegt also juristisch erst vor, wenn die Abweichung vom Normalverhalten erheblich und andauernd ist. Um eine Maßnahme nach § 16 a Nr. 2 TSchG treffen zu
können, müsste diese Abweichung nun in nochmals gesteigerter Form vorliegen, da nur
schwerwiegende Verhaltensstörungen sie rechtfertigen.
Ein VG wird sich dieses Tatbestandsmerkmal dann genauer anschauen, wenn es prüft, ob der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet worden ist. Denn die Fortnahme muss zur Verhütung weiterer Verstöße erforderlich und verhältnismäßig sein.
Neben diesen materiellrechtlichen Problemen gibt es auch verfahrensrechtliche. So ist Voraussetzung für die Maßnahme dass die Vernachlässigungen bzw. die Verhaltensstörungen
durch ein Gutachten des Amtstierarztes belegt sind. Unter Gutachten ist eine schriftlich nie-
dergelegte sachverständige Beurteilung zu verstehen. Ob Aktenvermerke ausreichen ist in
der Rechtsprechung (OVG Münster, RdL 1980, 49 [50]) offen gelassen worden, also im
Streitfall nicht sicher.
Insgesamt sollte eine lückenlose Ermittlung und Beweissicherung (z.B. durch Fotos, Zeugenaussagen, zeitnahe Protokollvermerke über Ermittlungsergebnisse, tierärztliche Gutachten)
vorliegen, aus denen sich die rechtlichen Voraussetzungen für die Fortnahme hinreichend
eindeutig ergeben. Das VG München (NuR 2002, 507) hat in diesem Zusammenhang Fotodokumentationen und zeitnah erstattete Sachverständigengutachten als besonders wichtig erachtet.
Weiterhin ist wichtig, dass die Fortnahme- und Unterbringungsanordnung mit Begründung
im gleichen Schreiben für sofort vollziehbar erklärt wird. Sonst kann eine – u.U. erhebliche –
zeitliche Verzögerung eintreten.
Fehler im Verwaltungsverfahren haben in der Vergangenheit nicht selten zur Aufhebung der
Anordnungen durch die Verwaltungsgerichte geführt.
Wer wäre für eine Pfändung zuständig, und wie würde sie ablaufen?
Wie ich bereits vorhin dargelegt habe, dient eine Pfändung in erster Linie zur Sicherung bzw.
Befriedigung einer Forderung. Folglich ist also die Behörde zuständig, die die Forderung
durchsetzt, d.h. vollstreckt.
Welche das ist, richtet sich danach, welche Forderung der Tierhalter wem schuldet. Das könnte
- die Gemeinde oder Stadt sein, der der Halter eine Gebühr oder gemeindliche Steuer
schuldet,
- das könnte der Landkreis sein,
- das ist bei Landes- oder Bundessteuern das Land.
- Weiterhin ist es noch möglich, dass der Halter einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft eine privatrechtliche Forderung schuldet.
Rechtsgrundlage für die Pfändung aufgrund von Landes- oder Bundessteuerforderungen ist
die Abgabenordnung (AO); für die übrigen öffentlich-rechtlichen Forderungen greift bei Ihnen das Hessische Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HVwVG).
Deshalb sind gemäß § 249 (1) AO die Finanzbehörden (Finanzämter) Vollstreckungsbehörde, wenn eine Bundes- oder Landessteuer gefordert wird.
§ 16 HVwVG bestimmt, dass Forderungen der Kommunen durch die Gemeindekassen vollstreckt werden. Für Gemeinden ohne eigene Vollziehungsbeamte oder Vollstreckungsstellen
ist diese Aufgabe auf die Kasse des Landkreises übertragen worden.
Nach § 15 (1) HVwVG werden auch die anderen Forderungen des Landes durch die Finanzämter vollstreckt, die Forderungen des Landkreises durch die Kasse der Landkreise, Bußgeldbescheide durch die Gerichtskassen.
Privatrechtliche Forderungen sind – ausgenommen die im Sine von § 66 HVwVG – vor den
Zivilgerichten geltend zu machen und vom zuständigen Gerichtsvollzieher vollstrecken zu
lassen.
Warum stelle ich die Zuständigkeiten so ausführlich dar?
Weil sie eine der beiden Hauptgründe darstellt, die gegen die Pfändung als brauchbare Alternative zu Maßnahmen nach dem TSchG vorgebracht werden können.
Wenn bei der Haltung von Tieren Missstände auftreten, werden diese im Regelfall von den
Amtsveterinären aufgedeckt, oder von ihnen festgestellt, wenn sie von anderen gemeldet wurden. Haben die Missstände zu Vernachlässigungen oder Verhaltensstörungen bei Tieren ge-
führt oder sind diese zu befürchten, kann von den beamteten Tierärzten selbst die Fortnahme der Tiere angeordnet, bzw. mit Hilfe der Polizei durchgeführt werden.
Die Pfändung dagegen kann von ihnen nur bei den zuständigen Vollstreckungsstellen angeregt werden, sie haben selbst aber keine Befugnisse dazu. Sie verfügen auch nicht über einen
Rechtsanspruch auf Durchführung der angeregten Pfändung, selbst wenn deren Voraussetzungen eindeutig vorliegen würden.
Ob aber die Erfordernisse überhaupt gegeben sind, also beispielsweise der Halter Steuerschulden hat, dürfen ihnen zumindest die Finanzämter aus gesetzlichen Gründen (Steuergeheimnis) gar nicht mitteilen.
Amtsveterinäre könnten das Instrument der Pfändung also im Regelfall nur indirekt anregen,
in dem sie in Einzelfällen die Vollstreckungsbehörden darauf hinweisen, dass tierschutzrechtliche Aspekte einer Pfändung von Tieren nicht nur nicht entgegen stehen, sondern sogar für
die Wegnahme der Tiere sprechen würden. Dies würde aber wohl nur dann funktionieren,
wenn die beamteten Tierärzte vorher mit den Vollstreckungsbehörden Kontakt aufgenommen
haben und ihre Ansprechpartner kennen. Erfahrungsgemäß ist das in ländlichen Gebieten einfacher als in größeren Städten.
Zudem kommt hinzu dass die Maßnahme nach dem Tierschutzgesetz auf die Fortnahme gerichtet ist, also das Tier im Mittelpunkt der Maßnahme steht und seine Entfernung vom Halter
das gesetzlich vorgegebene Ziel ist.
Bei der Pfändung hingegen steht die – noch nicht bezahlte – Forderung im Mittelpunkt. Das
gesetzliche Ziel von Pfändungen ist die Verschaffung eines Pfändungspfandrechtes an einer
beweglichen Sache.
Die Wegnahme eines Tieres von seinem Halter ist folglich nur ein Nebeneffekt. Dazu kommt
es auch nur deshalb, weil bei Tieren die Pfändung nicht durch Anlegung von Siegeln oder in
sonstiger Weise ersichtlich gemacht werden kann, also nicht wirksam wäre, wenn die Tiere
im Gewahrsam des Schuldners blieben (§ 34 (2) VwVG, § 286 (2) AO).
Andererseits hat diese, nicht auf den Tierschutz gerichtete Rechtsgrundlage daraus auch Vorteile. Denn es muss nicht lückenlos dargelegt und nachgewiesen werden, dass der Halter seine
Pflicht(en) aus § 2 TSchG verletzt hat und dass infolgedessen das/die Tier(e) vernachlässigt
sind oder Verhaltensstörungen aufweisen. Da für die Pfändung nur Voraussetzung ist, dass
eine offene, titulierte (durch VA) und vollstreckbare Forderung gegen den Tierhalter besteht.
Aus diesem Grunde wäre also die Pfändung doch wieder eine gute Alternative.
Woran liegt es also, dass im Endeffekt bisher nur in sehr wenigen Fällen Tiere gepfändet
wurden? Dass es kaum Rechtsprechung zur Pfändung von Tieren gibt?
Schuld daran sind die Pfändungsschutzvorschriften, die es im Zusammenhang mit Tieren gibt.
Das HVwVG verweist in § 34 (5) explizit u.a. auf die §§ 811(1) und 811 c der ZPO. Ebenso
geschieht dies in § 295 AO.
Vorweg einige Worte zu Sinn und Zweck der vorstehenden Pfändungsschutzvorschriften. Sie
dienen dem Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen. Da es bei Pfändungen grundsätzlich
um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen geht, stellen sie Ausnahmevorschriften dar
und dürfen weder entsprechend angewandt noch zu weit ausgelegt werden.
Nach § 811 (1) Nr. 3 ZPO sind unpfändbar:
Kleintiere in beschränkter Zahl sowie eine Milchkuh oder nach Wahl des Schuldners
statt einer solchen zwei Schweine, Ziegen oder Schafe,
wenn diese Tiere für die Ernährung
des Schuldners, seiner Familie oder Hausangehörigen erforderlich sind.
Zielrichtung dieser Vorschrift ist ausschließlich der Schutz der Ernährung. Im Hinblick auf
den Ausnahmecharakter der Vorschrift hat das zur Folge, dass nur diese wenigen Tiere Pfändungsschutz genießen und nur dann, wenn sie der Ernährung dienen. Daher ist diese Vorschrift praktisch bedeutungslos.
Gemäß § 811 (1) Nr. 4 ZPO sind unpfändbar:
bei Personen, die Landwirtschaft betreiben,
das zum Wirtschaftsbetrieb erforderliche … Vieh.
Geschützt werden soll ein landwirtschaftlicher Betrieb in seiner Funktionsfähigkeit. Entscheidend ist die im Pfändungszeitpunkt verwirklichte Betriebsweise. Daher fallen auch Nebenerwerbslandwirte unter diese Norm, wenn bei ihnen die Haltung der Tiere einem nachvollziehbaren Betriebskonzept folgt, das anderweitige Einnahmen des Nebenerwerbslandwirts dauerhaft ergänzt.
Für die Bestimmung des Begriffs Landwirtschaft hat sich im Zivilprozessrecht eine bodenbezogene Definition herausgebildet. Landwirtschaft erfordert demnach die erwerbsmäßige
Bearbeitung eigenen oder fremden Bodens, die Bebauung von Land zur Nahrungsgewinnung
und Erzeugnisverwertung.
Das bedeutet im Zusammenhang mit Tieren:
Beruht die Haltung der Tiere im Wesentlichen auf der Nutzung eigenen Bodens und
selbst angebauten Futters, handelt es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb.
Wird jedoch nicht in erster Linie der Boden genutzt, sondern ist das Kapital in den Tieren
selbst verkörpert und/oder wird das Futter weit überwiegend zugekauft, liegt keine Landwirtschaft, sondern ein Gewerbebetrieb vor.
Beispiele hierfür: Pelztierfarmen, Massentierhaltungen, Fischzucht, Pferdezucht, soweit diese
dem Pferdesport dient.
Ob das (bzw. alles) Vieh zum Wirtschaftsbetrieb erforderlich ist, bemisst sich nach der im
Pfändungszeitpunkt verwirklichten Betriebsweise.
Was ist nun, wenn ein Gewerbebetrieb vorliegt? Sind die Tiere dann in vollem Umfang
pfändbar? Oder liegt in diesen Fällen eine Unpfändbarkeit nach § 811 (1) Nr. 5 ZPO vor, eine
Auffassung die Andreas Dietz in der DGVZ 2001, S. 81 (83) zu vertreten scheint.
§ 811 (1) Nr. 5 ZPO bestimmt:
dass bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistung ihren Erwerb ziehen,
die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen
Gegenstände unpfändbar sind.
Wie schon am Anfang dargelegt, sind Tiere zwar keine Gegenstände, können aber grundsätzlich sachenrechtlich wie solche behandelt werden. Insoweit ist diese Pfändungsschutzvorschrift auch auf Tiere anwendbar.
Allerdings steht bei dieser Norm die persönliche Arbeitsleistung im Fokus. Folglich ist sie nur
auf solche Gewerbetreibende anwendbar, bei denen der Wert der persönlichen Arbeitsleistung
den Kapitaleinsatz oder den Nutzwert der Betriebsmittel überwiegt.
Das ist bei Massentierhaltungen, Pelztierarmen oder der Fischzucht sicher nicht der Fall, so
dass die diesen Gewerbebetrieben dienenden Tiere nicht nach § 811 (1) Nr. 5 unpfändbar
sind.
Zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift bei der Pferdezucht gab es schon mehrere Urteile. So
hat in einer älteren Entscheidung das LG Oldenburg (DGVZ 80,170) die Auffassung vertre-
ten, dass bei einer Pferdezucht kein Pfändungsschutz nach dieser Vorschrift besteht. Denn die
Pferde des Züchters stellen für ihn nicht nur Hilfsmittel für seine persönliche Arbeit dar, er
zieht seinen Erwerb nicht überwiegend aus der persönlichen Leistung. Er macht sich vielmehr
unter Einsatz seiner persönlichen Arbeitsleistung das in den Pferden steckende Kapital zunutze. Nicht seine persönliche Leistung, sondern der Kapitalwert der herangezogenen Pferde
stellen daher seine eigentliche Erwerbsquelle dar. Dies gilt nach meiner Meinung um so mehr
für Zuchtbetriebe, die mittels Vererber oder Zuchtstuten im Wert von Hunderttausenden bis
hin zu Millionen € Pferde für den Spitzensport züchten.
Im Zusammenhang mit Zuchtpudeln hat sich das LG Stuttgart (NJW-RR 1991, 446) nicht zur
Anwendbarkeit des § 811 (1) Nr. 5 ZPO geäußert, sondern das Zurückbehaltungsrecht (Pfandrecht) an den Hunden schon deshalb verneint, weil die Trennung wegen „der sprichwörtlichen
Anhänglichkeit und Treue von Hunden bei diesen zu kaum reparablen Charakterschäden führen könnte“.
In anderen Einzelfällen, z. B. privaten Tierschauen etc. greift der Pfändungsschutz meines
Erachtens nach eindeutig nicht. Denn die persönliche Arbeitsleistung beschränkt sich hier auf
Fütterung und Pflege der Tiere, ist daher wohl geringer als der in den Tieren und den Betriebsmitteln verkörperte Wert.
Bei Pferdepensionen, Katzen- oder Hundehotels stellt sich das Problem nicht, da die darin
befindlichen Tiere Eigentum der „Kunden“ des Betriebs bleiben, folglich nicht Teil des Vermögens des Betriebsinhabers sind.
Die letzte in diesem Rahmen zu behandelnde Schutzvorschrift ist § 811 c ZPO.
Danach sind Tiere der Pfändung nicht unterworfen,
die im häusliche Bereich und
nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden.
Unter diese Vorschrift fallen die vielen Haustiere, von den Katzen über die Hunde zu den
Meerschweinchen etc. Es fallen ale Tiere darunter, die ohne Erwerbszweck in räumlicher
Nähe zum Schuldner gehalten werden. Es ist nicht notwendig, dass es sich um eine domestizierte Art handelt.
Häuslicher Bereich umfasst Wohnung, Haus und Garten.
Grundgedanke dieser Bestimmung war der Tierschutz in Gestalt des Schutzes der emotionalen Beziehung des Tieres zum Halter (und umgekehrt).
Gemäß § 811 c (2) ZPO findet dieser Schutz seine Grenze in einem hohen (wirtschaftlichen)Wert des Tieres.
Handelt es sich nämlich um ein wertvolles Tier, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag
des Gläubigers und unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten
Interessen des Schuldners die Pfändung zulassen.
Ein hoher Wert ist nach Auffassung der Kommentarliteratur (Thomas/Putzo, ZPO) gegeben,
wenn der Wert des Tieres den Betrag von 250 € deutlich übersteigt.
Anders als in den vorhin dargestellten Schutzvorschriften ist hier der Tierschutz ausdrücklich
erwähnt. Allerdings steht er in der ursprünglichen Konzeption quasi auf Seiten des Schuldners
(Tierhalters). Denn der Tierschutz steht im Absatz 2 im Zusammenhang mit der möglichen
Pfändung wegen des höheren Wertes des Tieres. Das bedeutet: im Vordergrund steht das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers sein Geld zu bekommen. Nur wenn ausnahmsweise eine
hohe emotionale Beziehung zwischen Tier und Halter besteht oder das Tier unter der Trennung vom Halter leiden würde, weil seine Haltung wegen Krankheit oder aus sonstige Grün-
den besonderen Anforderungen genügen muss, konnte das Gericht auch bei einem wertvollen
Tier die Pfändung nicht zulassen.
Im Zusammenhang mit Pfändungsschutz gibt es letztendlich noch den § 765 a ZPO, in dem
der Gedanke des Tierschutzes erwähnt ist. § 765a ZPO ist eine sehr allgemeine Vollstreckungsschutzbestimmung. Danach kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners
die Pfändung (als Maßnahme der Zwangsvollstreckung) aufheben, untersagen oder einstellen,
wenn sie
- wegen ganz besonderer Umstände
- für den Schuldner eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.
Bei seiner diesbezüglichen Abwägung hat das Vollstreckungsgericht nach (1) Satz 3 die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen, wenn die Pfändung ein Tier
betrifft.
Ich halte die praktische Bedeutung dieser Vorschrift in dem hier uns interessierenden Zusammenhang für sehr gering. Denn sie ist keine Norm, die für die Pfändung von Tieren (Sachen) Beschränkungen und Verbote vorsieht, die der pfändende Vollzieher zu beachten hätte.
Folglich ist sie bei den Pfändungen nach der AO und dem HVwVG nicht entsprechend anzuwenden, da weder § 295 AO noch § 34 HVwVG auf sie verweisen.
Darüber hinaus würde die Vorschrift bei Pfändungen nach der ZPO auch inhaltlich kaum zum
Tragen kommen können. Denn bei Pfändungen von Haustieren wird der Gesichtspunkt der
Verantwortung des Menschen für das Tier bereits im Rahmen der Interessenabwägung vom
Vollstreckungsgericht geprüft. Bei der Pfändung von Tieren, die gewerblichen Interessen dienen, ist es für mich kaum denkbar, dass bei einem Gewerbetreibenden aus Tierschutzgründen die Wegnahme eines Tieres eine sittenwidrige Härte bedeutet.
Ihre Bedeutung hat diese Norm bei den Pfandrechten im Zusammenhang mit Vermietungen
und Werkunternehmer- oder Dienstleistungen.
Hat sich nun durch Art. 20 a GG neu etwas an der vorstehend geschilderten Rechtslage
und Praxis geändert?
Art 20 a GG ist eine Staatszielbestimmung. Sie beinhaltet zwar objektiv verbindliches Recht
und bindet über Art. 20 (3) alle Staatsgewalt. Sie schafft jedoch keine subjektiven und damit
vom einzelnen einklagbaren Rechte.
Im Hinblick auf Pfändungen sind für mich damit 2 Folgen verbunden. Soweit in einer Rechtsvorschrift der Tierschutz bereits als Abwägungsbelang vorhanden ist, erhöht die Staatszielbestimmung dessen Wertigkeit. In anderen Normen, die zwar ein Abwägen zwischen verschiedenen Belangen vorsehen, den Tierschutz aber nicht explizit enthalten, wäre er nach meiner
Auffassung mit einzubeziehen.
Die zuerst genannte Alternative greift z. B. bei § 811 c ZPO. Wie bereits gesagt, sollte ursprünglich der Tierschutz im Rahmen dieser Vorschrift verhindern, dass Haustiere aufgrund
ihres Wertes auch dann gepfändet werden, wenn infolge der Pfändung bei dem Haustier ein
Schaden entsteht. Nach dem Gesetzeswortlaut sind im Rahmen dieser Abwägung 3 Belange
zu berücksichtigen: das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers, das berechtigte Interesse des
Schuldners und die Belange des Tierschutzes. Von diesen 3 Belange hat jedoch der Tierschutz
als einziger Verfassungsrang. Damit ist er nach meiner Meinung von der Wertigkeit her an die
Spitze gerutscht. Dies könnte beispielsweise zur Folgehaben, dass ein Haustier, das wegen
schlechter Haltung Vernachlässigungsmerkmale oder Verhaltensstörungen aufweist auch
dann gepfändet werden könnte, wenn sein Wert unter 250 € liegt.
Die anderen Pfändungsschutzbestimmungen, die Tiere betreffen, enthalten den Tierschutz gar
nicht als Abwägungsbelang, sondern nur die Gläubiger- und Schuldnerinteressen. Die Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG neu enthält jedoch einen Auftrag, der für alle Staatsgewalt
gilt also auch für mit öffentlich-rechtlicher Gewalt ausgestattete Vollziehungsbeamte. Der
Auftrag lautet: Schutz der Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung. Daher muss
auch für § 811 Nr. 3 – 5ZPO gelten, dass die Tiere entgegen dieser Bestimmunen gepfändet
werden können (vielleicht sogar müssten), wenn die Tiere Anzeichen erheblicher Vernachlässigungen oder schwere Verhaltensstörungen aufweisen.
Im Rahmen dieser Veranstaltung muss ich leider deutlich darauf hinweisen: Das gerade Gesagte ist meine Auffassung, die sich auf rechtssystematische und logische Erwägungen stützt.
Diese Meinung findet sich jedoch nicht in der Fachliteratur oder der Kommentarliteratur, weil
sich noch niemand damit befasst hat. Mir ist auch noch keine Rechtsprechung hierzu bekannt.
Zusammenfassend:
Für die Pfändung von Tieren ist erforderlich, dass der Halter nicht bezahlte Schulden hat.
Die Pfändung wird von Gerichtsvollziehern und Vollziehungsbeamten durchgeführt, kann
also von Amtsveterinären oder anderen Personen nur angeregt werden.
Voraussetzung dafür, dass Vollzieher über schlecht gehaltene Tiere informiert und zu Pfändungen angeregt werden können ist, dass Amtsveterinäre u. a. zu ihnen Kontakte knüpfen und
vertiefen.
Soweit Tiere der eigenen Ernährung des Halters, Landwirten dienen oder zur Ausübung
höchstpersönlicher Arbeitsleistung erforderlich sind bzw. Haustiere darstellen, stehen einer
Pfändung Pfändungsschutzbestimmungen entgegen.
Auch die Pfändungsschutzvorschriften sind im Sinne der Staatszielbestimmung Tierschutz
auszulegen, diese Auslegung kann aber nicht eingeklagt werden.
Insgesamt stellt die Pfändung eine Alternative zu tierschutzrechtlichen Maßnahmen dar, aufgrund der Rahmenbedingungen allerdings nur in einem sehr eingeschränkten Umfang.
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