LeitfadenOnline Marketing

Werbung
01
Einleitung
13 Jahre Web-Marketing
9
24
Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung
31
Online-Marketing im Versandhandel
49
Marktentwicklung im Online-Marketing
54
Geschäftsmodelle im Internet
57
Leitfaden
Online Marketing
Der multioptionale Kunde im Web
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Im ersten Kapitel dieses Buchs führt Ossi Urchs zunächst in die Geschichte des
World Wide Web ein. Das ist deshalb so wichtig, weil das Web noch jung ist und
sich ständig wandelt. Die Eroberung weiterer Bereiche ist unaufhaltbar. Das Web
erweist sich als anpassungs- und entwicklungsfähigstes Massenmedium. Waren es
früher statische Homepages, die angeschaut wurden, so erwartet der Nutzer heute
Mitmach-Funktionen. Besucher werden von passiven Konsumenten zu aktiven
Produzenten digitaler Inhalte. Gemeinsam wird Wissen erworben und ausgebaut.
Auch die Technik wird einfacher nutzbar. Trotzdem nutzen nur wenige Unternehmen
die Chancen der persönlichen Ansprache.
Im zweiten Beitrag geht Christian Bachem auf den Kunden im Web ein. Die
Ausrede „Meine Kunden sind nicht im Web“ gilt ja schon lange nicht mehr. Bei
Jugendlichen beträgt die Rate der Internetnutzer inzwischen über 96 Prozent. Mit
dem Internet wird mehr Zeit verbracht als mit dem Lesen von Zeitungen und Zeitschriften. Heute ist es normal, dass vor einer größeren Entscheidung nicht nur
Freunde gefragt werden, sondern auch im Internet recherchiert wird. Das Wort
„googeln“ hat Einzug in den Duden gefunden. Im verschärften Wettbewerb sollten
Unternehmen schon dann Präsenz zeigen, wenn der Kunde sich vorab im Web
informiert und nicht erst beim eigentlichen Kauf. Dass bei den meisten Einkäufen
nach wie vor der persönliche Kontakt wichtig ist, bleibt unbestritten. Die Angst
vor dem Bestellen per Mausklick ist jedoch überwunden. Heute ist es normal, sich
im Web zu informieren und im Laden zu kaufen. Und genauso normal ist es, sich
bei der Shopping-Tour inspirieren zu lassen und dann im Internet zu bestellen.
Channel-Hopper erwarten Angebote auf allen Kanälen.
Ralf Kreutzer handelt einen oft vernachlässigten Bereich ab: Die Orientierung
des Online-Marketing an Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterwünschen. Dem
Online-Marketing fehlen hier oft klare Ziele. Je weiter oben Manager sind, desto
schlechter kennen sie ihre Kunden. Dabei machen gerade elektronische CustomerTouchpoints Kundenerfahrungen direkt messbar. Reaktionen von Kunden müssen
nicht versickern. Kundenkommentare können heute ungefiltert und unverfälscht
direkt in die richtigen Unternehmensbereiche gebracht werden.
Am Beispiel des Versandhandels beschreibt Martin Groß-Albenhausen, wie
weit diese innovative Branche heute ist. Fast die Hälfte des Umsatzes wird heute
online erwirtschaftet. Jedoch führt dies keineswegs dazu, dass weniger, sondern
im Gegenteil mehr Kataloge produziert werden. Gerade jüngere Menschen lieben
zwar den Printkatalog, shoppen aber bevorzugt online.
Harald Fortmann beleuchtet die Marktentwicklung im Bereich Online-Marketing.
Derzeit wachsen die Ausgaben für Online-Werbung etwa zehnmal so stark wie
für die klassischen Werbeträger TV, Print und Radio. Immer höher werden die
Budgetanteile, die Unternehmen für Bannerwerbung, Suchmaschinen- und AffiliateMarketing ausgeben.
Wie man im Internet Geld verdienen kann, erläutert Dirk Ploss. Im Web lassen sich
Angebot und Nachfrage direkt miteinander in Kontakt bringen. Die Stärken des
Internet lassen sich für die eigene Marke nutzen. Nach wie vor jedoch sind Nutzer
nur bedingt bereit, Gebühren zu zahlen. Sehr effizient lassen sich jedoch Leads
qualifizieren und es kann so ein wertvoller Kundenstamm aufgebaut werden.
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13 Jahre Web-Marketing was hat sich verändert?
Ossi Urchs
13 Jahre ist das World Wide Web gerade mal alt. „Schon“, werden die einen denken,
diejenigen, die von Anfang an oder doch seit den Frühzeiten dabei sind. „Erst“,
werden andere meinen, die sich an eine Welt ohne das Internet in Gestalt des Web,
in der es ja für eine breitere Öffentlichkeit erst sichtbar und erlebbar wurde, nicht
einmal mehr erinnern können. Und doch könnte man sich bereits vortrefflich über
die korrekte Zeitangabe streiten.
Bereits seit 1980 hatte sich Tim Berners-Lee mit einem „Hypertext-System“
beschäftigt, das es durch „Verlinkung“ erleichtern sollte, Dokumente und
Personen in einem Netzwerk ausfindig zu machen. Aus dem Jahr 1989 stammt
sein, inzwischen legendärer Vorschlag, zu einem auf diesem Konzept beruhenden
„Mesh“ am europäischen (!) Forschungszentrum CERN [1]. „World Wide Web“
nannte er damals seinen schnell auf einer „Next“ Workstation zusammengehackten
„Browser“, zur Darstellung der Seiten in seinem Mesh. Aber erst 1994 begründete
Tim Berners-Lee das „World Wide Web Consortium“ (W3C), das seither die
Entwicklung des am schnellsten gewachsenen Massenmediums in der Geschichte
medialer Kommunikation beaufsichtigt.
Wer sich noch an die Anfänge des Web erinnert, an den legendären „Mosaic“Browser, den ein junger Student namens Marc Andreessen gerade der staunenden
WWW-Newsgroup vorgestellt hatte, wer auch die Diskussionen noch im Ohr
hat, ob nun „Gopher“ oder das World Wide Web „the next big thing“ im Internet
werden würde, wer die hitzigen Debatten in der Mailbox- und Hacker-Szene genau
so verfolgt hat, wie die Podiumsdiskussionen erster „Entscheider“ in der gerade
entstehenden „digitalen Wirtschaft“, ob damals noch proprietäre Onlinedienste wie
CompuServe, AOL und T-Online nicht auf die IP- und Web-Technologien umstellen
müssten, um zu überleben, wer mithin ein veritabler „Web-Veteran“ ist, wird nicht
umhin können, die im Titel gestellte Frage kurz und bündig zu beantworten: „Alles
und nichts.“
„Panta Rhei“ nannten bereits die Philosophen der „alten Griechen“ dieses merkwürdige Phänomen: „Alles fließt“. Und meinten damit: Wie ein Fluss immer
derselbe bleibt, auch wenn jeder einzelne Tropfen Wasser in ihm immer wieder
neu ist, so bleibt etwas immer gleich, gerade indem es sich ständig verändert. Und
genau so verhält es sich auch mit dem Web. Das könnte man nun an jedem einzelnen
seiner wesentlichen Entwicklungsschritte untersuchen und wohl auch belegen.
9
1989 entwickelte Tim
Berners-Lee das
World Wide Web
Marc Andreessen
schuf 1993 mit
Mosaic den
ersten modernen
Browser
Von BTX, CompuServe und AOL
zum offenen
WWW
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Aber hier soll es ja nicht um „eine kleine Geschichte“ des Web und des Internet
in den letzten 13 Jahren gehen. Die ist an anderer Stelle bereits geschrieben und
dokumentiert worden – von jenen, die sie nicht nur erlebt, sondern auch und vor
allem gestaltet haben [2]. In diesem Buch geht es vielmehr um die Entwicklung
des Online-Marketings. Ein durchaus lohnendes Objekt der Betrachtung, wenn man
bedenkt, dass der Online-Werbemarkt, im Jahr 1994 noch nicht einmal existent, im
vorigen Jahr weltweit ein Umsatzvolumen von 33 Milliarden US-Dollar generierte
[3].
An dieser Stelle soll das Thema allerdings einmal nicht aus der „Sicht der
Märkte“, sondern aus einem verwunderlicherweise immer noch ungewohnten
Blickwinkel betrachtet werden: aus der Perspektive der Nutzer und – wenn die
Marketingbemühungen denn gelingen - Kunden.
Web 2.0: Der
Nutzer rückt in
den Mittelpunkt
Nicht zuletzt weil dieser Nutzer im Verlauf der ebenso engagiert wie oft oberflächlich
geführten Debatte um das aktuelle „Web 2.0“ endlich in den Mittelpunkt des
Interesses der Anbieter gerückt ist. Dahin also, wo er hingehört und wo er, zumindest
im Internet, eigentlich schon immer war.
Web 2.0 - (m)eine Definition
Schaut man sich die in den letzten Jahren immer intensiver und engagierter geführte
Debatte um das „Web 2.0“, die gelegentlich fast die Züge eines Glaubenskrieges
anzunehmen scheint, etwas genauer an, stellt sich zunächst die Frage, ob es sich bei
dem debattierten Phänomen eigentlich um einen „Hype“ oder um einen veritablen,
nachhaltigen Trend handelt.
Bei einem Trend handelt es sich im Allgemeinen um eine eher langfristige
Entwicklung in eine bestimmte Richtung, wobei das Ziel aber noch nicht genau
auszumachen ist. Er gibt also eine Richtung an, eine Tendenz, aber noch kein
absehbares Ergebnis. Anders der Hype: Hier handelt es sich um eine eher kurzfristige
Entwicklung, eine Welle, man könnte auch sagen, um eine „Über-Mode“. Und
wie jede Mode ist der Hype gemacht, und zwar mit dem Ziel, ein Thema zu setzen
beziehungsweise zu besetzen, das bewegt.
Nach dem Modell der berühmten „Hype-Kurve“ des amerikanischen Marktforschungsinstituts Gartner wird ein (Technologie-)Hype normalerweise von einer
technischen Entwicklung ausgelöst, die sehr schnell an Aufmerksamkeit gewinnt,
bis sie auf einem Gipfel überzogener und nicht einlösbarer Erwartungen ankommt.
Auf Grund dieser Enttäuschung nimmt die Aufmerksamkeit für den Hype genau so
schnell ab, wie sie vorher zugenommen hatte. Doch unter der Oberfläche medialer
Wahrnehmung begeben sich diejenigen, die sich inzwischen mit der Entwicklung
und ihrem Potenzial vertraut gemacht haben, auf den „Pfad der Erleuchtung“,
entdecken also neue, manchmal bahnbrechende Anwendungsmöglichkeiten, die
den Hype schließlich auf ein stetig ansteigendes Niveau der Produktivität und
Vermarktung führen – um so schließlich aus dem Hype einen Trend zu machen.
Das klingt nun ganz und gar vertraut und passend, man könnte geneigt sein, das
Phänomen „Web 2.0“ endgültig in der „Hype-Schublade“ abzulegen - und wäre
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Ossi Urchs: 13 Jahre Web-Marketing - was hat sich verändert?
der Bedeutung des ebenso schillernden wie ungenauen Begriffs um keinen Deut
näher gekommen. Weder hätte man eine Erklärung für die Emotionalität der Debatte
gefunden, die die einen schäumend von den „Klowänden des Internet“ reden lässt,
während andere das gleiche Web 2.0 wie einen Kindergeburtstag als „Mitmach-Web“
feiern. Noch hätte man eine schlüssige Erklärung für die geradezu unglaubliche
und massenhafte Attraktivität, die das Web in seiner zweiten Inkarnation bei den
Nutzern genießt: Mehr als 70 Millionen Weblogs gibt es inzwischen und tagtäglich
werden mehr als 100 Millionen Videos auf YouTube aufgerufen [4].
Der „Urheber“ des Begriffs, der amerikanische Publizist und Verleger Tim O’Reilley
hat versucht, sich ihm mittels einer „Meme Map“ [5] zu nähern. In deren Zentrum hat
er versammelt, was das Web 2.0 wesentlich ausmacht: Das Verständnis des ganzen
Webs als Plattform, auf der die Nutzer ihre eigenen Daten selbst verwalten und
kontrollieren. Darüber steht, worin Web 2.0 sich heute zeigt: etwa in der Interaktion
mit statt in der Herausgabe von digitalen Medien, in radikaler Dezentralisierung
und radikalem Vertrauen innerhalb eines Netzwerkes. Unter all dem sieht man,
was nach O’Reilley zum Erfolg des Phänomens beigetragen hat. Darunter ist ein
Statement von entscheidender Bedeutung: Web 2.0 ist vor allem „eine Haltung,
keine Technologie“.
Kurz zusammengefasst ist Web 2.0 also weder eine Technologie, noch gar ein
Geschäftsmodell, sondern vor allem ein „Lifestyle“. Ein digitaler Lifestyle, der sich
wesentlich in einer neuen Form der Nutzung digitaler Medien zeigt. Der Nutzer
selbst wird dabei vom ehemals passiven Zuschauer und Medienkonsumenten zu
einem neuartigen und (inter-) aktiven „(Ko-)Produzenten“ digitaler Medien.
Und damit wären wir schließlich bei (m)einer Definition des Web 2.0 angekommen:
Der Begriff „Web 2.0“ bezeichnet den Austausch persönlicher, digitaler Medien, wie
zum Beispiel Texte oder Bilder, Musik oder Videos, Kommentare oder Bewertungen,
durch die direkte Interaktion der Nutzer.
Web 2.0 – Das
Mitmach-Web
Tim O’Reilly: Web
2.0 ist vor allem
eine Haltung,
keine Technologie
Vom passiven
Konsumenten
zum aktiven
Produzenten digitaler Inhalte
Diese Interaktion funktioniert sowohl aus dem Netz in Richtung des Nutzers als
Download, als auch umgekehrt vom Nutzer ins Netzwerk hinein als Upload, und
entspricht damit genau der Definition eines Mediums durch Marshall McLuhan als
„Erweiterung des Menschen“ - und seiner Möglichkeiten [6].
Durch die Interaktion der Nutzer entstehen neue, virtuelle, „soziale Netzwerke“,
deren Erfolg weitgehend auf im Internet längst bekannten und etablierten
Technologien beruht. Neu ist an diesen Netzwerken allerdings, dass sie sich auch
als „Wissensnetzwerke“ interpretieren lassen, worauf Henry Jenkins in seinem Buch
„Convergence Culture“ [7] zuerst hingewiesen hat. Und diese „Wissensnetze“ sind
weniger durch die Menge des in ihnen versammelten Wissens als vielmehr durch
die Methode, wie Wissen in ihnen erworben und vermehrt wird, charakterisiert: Es
handelt sich dabei um eine Form des gemeinschaftlichen Wissenserwerbs in einer
Gruppe, eben um die direkte Interaktion der Gruppenmitglieder, also der Nutzer.
Nun könnten die eingangs erwähnten „Veteranen“ natürlich einwenden, das alles
sei nichts eigentlich Neues, das alles habe es bereits in den Anfangszeiten des Webs
gegeben und sind mit dieser Meinung nicht einmal in schlechter Gesellschaft: Auch
Tim Berners-Lee vertritt sie. Und in der Tat scheint vieles für diese Auffassung zu
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Gemeinsam
Wissen erwerben
und ausbauen
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Die Technik wird
einfacher nutzbar
sprechen. Enthielt nicht bereits der erste „Mosaic“-Browser auch einen „Editor“?
Ließen sich mit ihm also nicht nur HTML-Seiten anzeigen, sondern auch herstellen?
Sicher. Allerdings musste, wer den Editor wirklich benutzen wollte, damals auch
über wenigstens grundlegende Kenntnisse der Internet-Technologie verfügen.
Das Potenzial war also vorhanden, es dauerte allerdings noch eine Weile bis zu seiner
massenhaften Realisierung und Nutzung. Und genau das markiert auch die neue
Qualität, also die „2“ im Namen des aktuellen Webs. Die griechischen Philosophen
hätten ihre Freude an dem Zusammenhang gehabt! Auch das Web bleibt sich im
Wesentlichen gleich, gerade indem es sich ständig erneuert.
Rückblende: Das Internet, ein Massenmedium „neuen Typs“
Bewegen wir uns also für einen Moment auf der Zeitachse, 13 und mehr Jahre,
zurück zu den Ursprüngen des Web, so wie Tim Berners-Lee es konzipiert und am
CERN vorgestellt hatte. Und wir entdecken nicht nur eine ebenso neue wie geniale
Anwendung der IP-Technologie, sondern auch ein Massenmedium „neuen Typs“.
Schon damals zeigte das Internet nicht nur eine allgemeine Beschleunigung der
Entwicklung und Vermarktung neuer Technologien an. Die eigentlich dramatische
Veränderung, die die Entwicklung des Web, wie schon die des Internet insgesamt,
prägte und von allen anderen vorher unterschied, ist die Strategie der Entwicklung
auf der Grundlage offener und allgemein zugänglicher Standards. Nur so ist
die weltweit vernetzte Zusammenarbeit ansonsten voneinander unabhängiger
Wissenschaftler und Techniker denkbar.
Offene Standards bringen
schnellere
Verbreitung
Und die ist nicht nur in der Geschwindigkeit, sondern auch in der Qualität der
Ergebnisse den Entwicklungsanstrengungen jedes einzelnen Wissenschaftlers, aber
auch jedes einzelnen Unternehmens, dessen Mitarbeiterzahl per definitionem endlich
ist, überlegen. Genau diese Entwicklungsstrategie auf der Basis offener Standards
unterscheidet das Internet von anderen, traditionellen Massenmedien – und zwar
sowohl quantitativ, also was die Geschwindigkeit seiner Verbreitung angeht, als
auch qualitativ, was seine „Offenheit“, also die Fähigkeit neue Technologien und
Anwendungen zu integrieren, anzeigt.
Und genau dieser Entwicklungsstrategie folgte Tim Berners-Lee, als er die offenen
Standards der Internet-Technologie, die sogenannten Internet-Protokolle nutzte,
um auf deren Grundlage seine eigenen, entscheidenden Beiträge zur Entwicklung
des World Wide Web zu konzipieren. Mittels des „Hyper Text Transfer Protocols“
(HTTP) kann jeder Nutzer, neudeutsch „Client“, im Netzwerk eine Anfrage an
einen (Web-)Server stellen, die der Server mit Hilfe des gleichen Protokolls
durch die Auslieferung der gewünschten Daten beantwortet. Zur Darstellung
der in (IP-)Paketen versandten Daten auf der Client-Seite nutzte Berners-Lee die
Standards sogenannter „Auszeichnungssprachen“. Mit deren Hilfe entwickelte er
seine vergleichsweise unkomplizierte „Hyper Text Markup Language“ (HTML),
eine Sprache zur Darstellung der übermittelten Daten auf einer digitalen „Seite“
– eine Metapher, die an die vordigitale Art der Präsentation der Daten auf einer
Dokumenten- oder Buchseite erinnert.
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Ossi Urchs: 13 Jahre Web-Marketing - was hat sich verändert?
Damit hatte Berners-Lee nicht nur alle wesentlichen Elemente zur Übermittlung und
Darstellung der Daten im Web entwickelt, durch die Nutzung „offener“ Standards
war jederzeit gewährleistet, dass das System bei Bedarf auch weiter entwickelt
werden konnte, so dass heute nicht nur Text- und Grafikdaten, sondern eben auch
Sprach- oder Videodaten - und zwar in „Echtzeit“ (!) - im Web übermittelt und
dargestellt werden können. Designer können sich nicht nur immer neue Gestaltungen
für die Darstellung der Daten einfallen lassen, Techniker und Entwickler können
ihnen auch immer neue Funktionen und „Logiken“ mit auf den Weg zum Nutzer
geben. Das Web erweist sich damit als ebenso anpassungs- wie entwicklungsfähiges
System und gerade darin allen anderen Massenmedien überlegen.
Web erweist
sich als anpassungs- und
entwicklungsfähigstes
Massenmedium
In diesem Zusammenhang zeigt sich aber auch, dass das Internet insgesamt sich
durch zwei wesentliche Aspekte von allen vorhergehenden Medien grundsätzlich
unterscheidet: durch seine Interaktivität und seine Multimedialität. Waren
bei allen bisherigen Massenmedien „Sender“ und „Empfänger“ prinzipiell, also
sowohl technisch wie auch wirtschaftlich, voneinander unterschieden, so gilt dieses
Paradigma im Internet nicht mehr.
Die Fähigkeit, eine Zeitung lesen zu können reichte nicht aus, um sie auch verlegen
zu können. Ein Radio kann ein Rundfunkprogramm zwar empfangen, nicht aber
senden.
Im Internet kann dagegen grundsätzlich jeder Nutzer mit jedem anderen in Verbindung treten, also sowohl „Sender“ als auch „Empfänger“ sein. Die Technik
für beide Funktionen ist die gleiche und auch die Kosten unterscheiden sich nicht
wesentlich. Je reifer und entwickelter das Internet und seine Nutzer werden, man
denke etwa an die „Peer-To-Peer-Netze“ oder die „Social Networks“ des Web 2.0,
desto mehr realisiert sich dieses Potenzial.
„Interaktion“ im Sinne der direkten Kommunikation zwischen den Nutzern gab es
auch schon vorher, nämlich in der Telefonie. Allerdings war sie auf ein Medium,
den Austausch von sprachlichen Mitteilungen beschränkt. Die Datenpakete des
digitalen Internets können hingegen alles Mögliche enthalten: Sprache, Bilder oder
auch schriftliche Dokumente. Es handelt sich also um ein multimediales Netzwerk.
Beides zusammen, seine Interaktivität und seine Multimedialität, unterscheiden das
Internet grundsätzlich von allen anderen „linearen“ Massenmedien, machen es also
zu einem Massenmedium neuen Typs.
Ein neues Kommunikationsparadigma
Dieses grundlegend neue Kommunikationsparadigma, hervorgebracht durch
die Digitalisierung im Allgemeinen und die Internet-Technologie, TCP/IP,
im Besonderen, untersuchte Nicholas Negroponte bereits 1995 in seinem bis
heute faszinierenden Buch „Total Digital“ [8]. Die Konsequenzen für jede
Form „kommerzieller Kommunikation“ reflektierend, sagte dieser Visionär des
anbrechenden Internet-Zeitalters: „In Zukunft wird nicht mehr die Werbung um
Reaktionen buhlen, sondern sie wird auf die Anforderungen jedes einzelnen
potentiellen Kunden reagieren müssen.“ [9]
13
Internet lässt
Sender und
Empfänger
verschmelzen
Interaktiv und
multimedial
Was Nicholas
Negroponte dazu
sagte und warum
die Werber ihm
nicht zuhörten
Werbung wird auf
Anforderungen
jedes einzelnen
Kunden reagieren
müssen
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Was ein Paukenschlag – zumindest in den Ohren der Werber und Marketer – hätte
werden können und sollen, verklang allerdings in der Euphorie des anbrechenden
ersten Internet-Booms so gut wie unbeachtet. Zu sehr waren die „Interaktiven“, so
der wohlklingende Name der neuen Werbedisziplin, noch damit beschäftigt, ihre
eigene Existenz gegenüber den „klassischen“ Kollegen zu rechtfertigen und erste
Werbekunden ins noch weitgehend unbekannte und nur wenig bevölkerte Web zu
begleiten, um auch noch die neuen, gründlich veränderten Rahmenbedingungen
des eigenen Tuns reflektieren zu können.
Onlinewerbung
ohne Interaktion
Klick mich!
Auch die ersten
Autos sahen
aus wie Pferdekutschen
Vielleicht fehlte ihnen aber auch einfach genügend Kreativität und Phantasie, um sich
von den alten, durch die konventionellen Massenmedien geprägten Vorstellungen
und Techniken lösen zu können. Und so glichen nicht nur die ersten, sondern bis
heute die meisten Werbemittel im Web eher herkömmlichen Print-Anzeigen -und
später TV-Spots. Wenn nicht in Größe und Gestaltung, wofür dann ausgerechnet
„mangelnde Bandbreite“ verantwortlich gemacht wurde(!), dann doch in Tonalität
und Wirkung. Keine Spur von Interaktivität - bis auf den erhofften „Ad-Click“- oder
gar Personalisierung. Kein einziger Versuch, auf die Interessen und Anforderungen
der Nutzer oder gar den gründlich veränderten medialen Zusammenhang der
werblichen Kommunikationsbemühungen einzugehen. Stattdessen nur ebenso
hilflos wie aggressiv wirkende „Banner“, die immer nur „Klick mich!“ zu schreien
schienen.
Und das ist nicht einmal verwunderlich. Brauchen Menschen im Allgemeinen und
„Kreative“ im Besonderen doch immer eine gehörige Weile, bis sie entdecken, dass
neue Technologien auch ebenso neue Gestaltungsformen erlauben, ja verlangen.
Auch die ersten Autos sahen zu Beginn des letzten Jahrhunderts nicht anders aus
als Pferdekutschen – nur eben ohne Pferde. Und genauso verhielt es sich mit der
Werbung im Web: Sie kam daher wie eine Zeitungsanzeige – nur ohne Papier. Und
daran hat sich bis heute bei den meisten Werbemitteln auf den meisten Websites nur
wenig geändert. Bei den Autos dauerte es bekanntlich fast dreißig Jahre, bis sie eine
eigene Formensprache gefunden hatten. Im Web könnte es, so bleibt wenigstens zu
hoffen, deutlich schneller gehen.
Doch zurück auf die „Timeline“. Denn die Defizite der Werber lenken die
Aufmerksamkeit nun auf einen weiteren, in der Reflektion wie in der Praxis bislang
weitgehend vernachlässigten Aspekt des neuen Kommunikationsparadigmas im
Internet: die „Personalisierung“.
Alles wird auf
einmal ganz
anders
Personalisierung und Interaktivität
Stellte schon die Interaktivität des „Massenmediums neuen Typs“ die damit
konfrontierten Werber anfangs vor substanzielle Probleme, so berührte die
Personalisierung der Kommunikation sogar die Grundfesten des herkömmlichen
Verständnisses von Werbung. Ging es doch bislang immer darum, einer jeden
„werblichen Aussage“, also den bekannten „messages“, durch die richtige
Platzierung in den richtigen Medien, eine möglichst große „Reichweite“ in der
Zielgruppe und damit eine ebensolche „Aufmerksamkeit“ zu verschaffen.
14
Ossi Urchs: 13 Jahre Web-Marketing - was hat sich verändert?
In dem Bemühen, diese einmal erlernte und offensichtlich bewährte Arbeitsweise
des Marketings auf das neue Medium Web zu übertragen, versuchte man auch,
die gern als „Währung“ bezeichneten Kennzahlen für diese Parameter des
Kommunikationserfolgs zu etablieren: Zuerst zählte man „Hits“, also Anfragen,
die vom Server mit der Auslieferung eines Datensatzes beantwortet wurden.
Als die zahlenden Werbekunden begriffen, dass eine HTML-Seite aus mehreren
Datensätzen bestehen kann, fasste man diese als „Page Impressions“, zu deutsch
„Seitenansichten“, zusammen. Da es aber eigentlich um die Zielgruppe geht, fasste
man schließlich die offensichtlich in einem Zusammenhang stehenden Seitenaufrufe
zu einer „Session“ zusammen, hinter der dann offenbar ein zu zählender „Unique
Visitor“ stehen sollte.
Werbeerfolg
messen: Vom Hit
zum Unique User
So verfeinerte man Jahr für Jahr zwar Methoden und Ergebnisse der Zählung, löste
damit aber nicht das grundsätzliche Problem. Die Nutzer hatten, im Gegensatz zu
den Werbern, inzwischen begriffen wie das Internet eigentlich gemeint war und
funktionierte. Sie hatten verstanden, dass sie in diesem Massenmedium neuen Typs
sowohl Sender als auch Empfänger waren und so mit jedem anderen in Austausch
treten konnten.
Jede nicht zu diesem interaktiven Kommunikationszusammenhang passende und
gehörende Information wird als Störung oder gar Unterbrechung des Austauschs
empfunden und entsprechend behandelt. Sie wird schlicht ausgeblendet (!) und zwar, von versierten Nutzern, technisch und von allen anderen wenigstens
mental. „Click Through“ Raten, bei Bannern und ähnlich konventionellen
Online-Werbemitteln inzwischen nur noch im Promille-Bereich messbar, sind
ein eindeutiger Beleg dafür. „Personalisierung“, also die Ausrichtung des eigenen
Kommunikationsangebots an den aktuellen Interessen der Nutzer, wäre eine
Lösung - wenn nicht ein Missverständnis Werber und ihre Kunden ausgerechnet
diese Personalisierung hätte fürchten lassen wie den Teufel das Weihwasser.
Personalisierung im kommerziellen Kommunikationszusammenhang bedeutet
doch eben nicht die (Selbst-)Beschränkung auf den individuellen „1:1“ Dialog,
was den Zielen „Reichweite“ und „Aufmerksamkeit“ in der Tat diametral entgegen
stehen würde, sondern schlicht die Einbeziehung der Person(a), also der allgemeinen
Interessen und des aktuellen Nutzungsprofils des Kommunikationspartners.
Die Kenntnis eines solchen Profils, seines historisch gewachsenen Hintergrundes
wie seiner aktuellen Ausprägung, wäre ausreichend, um dazu passende Angebote,
durchaus auch kommerziellen und werblichen Charakters, machen zu können. Doch
woher sollte der arme Werber wissen, was den Nutzer gerade bewegt und interessiert?
Man könnte ihn einfach fragen! Zumal in einem interaktiven Medium. Wie etwa
in einer Online-Community. Aber auf einem reichweitenstarken „Portal“, der
„natürlichen“ Umgebung für Online-Werbung, mit anfangs tausenden, später auch
Millionen von unbekannten Nutzern? Das war noch vor zehn Jahren unvorstellbar.
Der „Segen“ des Internets, der unmittelbare Zusammenhang von persönlicher und
empfundener Nähe und realer Anonymität der Kommunikationspartner, wird hier
scheinbar zum Fluch für das Online-Marketing. Und bis zur Lösung dieses Problems
sollte es noch einige Jahre dauern.
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Störende
Werbung wird
ausgeblendet
Klickraten im
Promillebereich
Chancen der
persönlichen
Ansprache
werden noch
lange nicht
genutzt
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Online-Marketing und die „Dotcom“-Blase
Euphorie und
Depression
In der „New
Economy“ sollten
wirtschaftliche
Regeln nicht
gelten
Da sich keine Lösung abzeichnete, während gleichzeitig der wirtschaftliche
Erfolgsdruck auf die „Interaktiven“ zunahm, versuchten (Internet-)Agenturen und
Online-Marketing-Strategen das Problem zu leugnen oder zumindest gegenüber den
Werbekunden „unter dem Deckel“ zu halten. Man schürte sogar weiter irrationale
Hoffnungen angesichts des boomenden und immer weiter gehypten Webs, machte
für die inzwischen nachgewiesene Erfolglosigkeit des hilflosen Vorgehens Gott
und die Welt verantwortlich – nur nicht das eigene Unverständnis des neuen
Mediums.
Euphorie und Depression angesichts desaströser Erfolgsbilanzen bescherten
Interaktiven und Kunden, Märkten und Analysten ein Wechselbad der Gefühle, aber
keine neuen, gar verwertbaren Erkenntnisse. Im Gegenteil wurde auch der Hype um
eine angeblich entstehende „New Economy“ weiter geschürt, in der bekannte und
etablierte wirtschaftliche Methoden und Ziele nicht mehr gelten sollten. Messbare
Erfolge, gar Gewinn seien nur etwas für Angsthasen, war damals ein gern zitierter
Spruch auf den Foren und Kongressen der Ahnungslosen zwischen Silicon Valley
und München.
Kein Wunder, dass diese „Blase“ irgendwann platzen musste, dass es blitzartig
vom Gipfel des Hypes ins Loch der Depressionen ging - mit den bekannten
Folgen für die Internet-Wirtschaft im Allgemeinen und das Online-Marketing im
Besonderen. Doch bekanntlich ist die Nacht immer dann am dunkelsten, wenn der
erste Sonnenstrahl des neuen Tages am nächsten ist.
Und der erschien in der grauen und verstörten Web-Welt in Gestalt eines bunten
Logos und der jungenhaften Gesichter zweier Studenten der kalifornischen Stanford
University. Sein Name klang so fremd und exotisch wie der eines fremden Sterns:
Google.
Warum die Suche im Internet erst durch Google richtig schön wurde
Google erfindet
die Relevanz neu
Zwar hatten auch die Google-Gründer Serge Brin und Larry Page 1998 noch keine
Lösung für die existenziellen Probleme des Online-Marketings bei der Hand, ja nicht
einmal ein nennenswertes Geschäftsmodell für ihr gerade gegründetes Unternehmen
vorzuweisen. Dafür aber hatten sie eine geniale Idee realisiert: Eine Suchmaschine,
die die Relevanz und Bedeutung der Suchergebnisse in Abhängigkeit vom Grad
ihrer Verlinkung, also der Qualität ihrer Vernetzung, interpretierte und darstellte.
Sie hatten den „Page Rank“ erfunden!
Das klingt heute ebenso einfach wie logisch, war aber mehr und besser als alles,
was die bekannten Suchmaschinen im Web, von „Altavista“ bis „Hotbot“ damals
zu bieten hatten. Doch die „New Economy“ und die Online-Werber hatten zu der
Zeit wahrlich andere Sorgen und andere Hoffnungen als ausgerechnet eine neue
Suchmaschine und deren genialen Algorithmus. Das war ein Thema für „Geeks“,
die zwar notwendigen, aber ebenso wenig geliebten wie verstandenen TechnikFreaks der Internetszene.
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Ossi Urchs: 13 Jahre Web-Marketing - was hat sich verändert?
Die Internetnutzer sahen das allerdings anders. Sie verstanden und liebten Google.
Vielleicht nicht die Technik, sicher aber deren Ergebnisse. Deshalb nutzten sie
die Suchmaschine entsprechend und machten sie in kürzester Zeit zu einer der
beliebtesten „Destinationen“ im Web. „Googeln“ wurde bald zum Synonym für
die Suche im Internet.
Googeln wird
zum Synonym für
Internet-Suche
Mit dem Erfolg stiegen allerdings auch die Kosten für die Unternehmung. Nur ein
Geschäftsmodell für das Erfolgsmodell war immer noch nicht in Sicht. Bis Eric
Schmidt, ein Silicon-Valley-Veteran und erfahrener IT-Manager den „Googleplex“
betrat und den erstaunten Gründern erklärte, dass sie auf einer Goldgrube säßen.
Eric Schmidt war der erste, der den wahren, geschäftlichen Wert der Page-RankTechnologie erkannt hatte.
Wenn eine Suchmaschine in der Lage ist, den Nutzern immer genau die Ergebnisse
anzuzeigen, die ihnen am wichtigsten sind, dann „weiß“ die Suchmaschine auch,
was die Nutzer in diesem Moment am meisten interessiert, was sie also wirklich
suchen und wissen wollen. Was liegt also näher, als den Nutzern, neben den
eigentlich relevanten Ergebnissen ihrer Suche auch kommerzielle Angebote
anzuzeigen, die diesem Interesse ebenso genau entsprechen? Und die Nutzer, so
Schmidts Erwartung, würden sich durch die kommerziellen Angebote, die in einem
direkten Zusammenhang mit dem eingegebenen Suchbegriff und den angezeigten
Ergebnissen stehen, nicht einmal gestört, sondern eher in ihren Interessen unterstützt
fühlen. Eine echte „Win-Win-Situation“ für alle Beteiligten. Wer gerade ein Hotel
in Paris sucht oder auch eine Backup-Strategie für den heimischen PC, fühlt sich
tatsächlich durch entsprechende kommerzielle Angebote nicht gestört, sondern
verstanden und unterstützt. Und derjenige, der mit diesem Verfahren sicher weiß,
dass sein kommerzielles Angebot nicht als „disruptive“, störende Werbung, sondern
als zusätzliche und willkommene Information angesehen wird, ist natürlich auch
gern bereit, dafür gutes Geld zu zahlen – schließlich hat kein anderes Medium ein
besseres „Umfeld“ für die kommerzielle Kommunikation zu bieten.
Was lag also näher, als die Preise für die begehrte Positionierung des Werbemittels
in unmittelbarem Zusammenhang mit besonders populären Suchbegriffen nicht
durch eine statische Preisliste, sondern durch dynamische Auktionen definieren
zu lassen? Und bezahlt, so das „I-Tüpfelchen“ auf Schmidts bahnbrechendem
Geschäftsmodell, wird nicht mehr irgendeine diffuse „Aufmerksamkeit“, sondern
nur noch die erwünschte Nutzerreaktion: sein Klick auf die Anzeige. „Cost Per
Click“ (CPC) machte das neue „Suchmaschinenmarketing“ nicht nur preiswert,
sondern etablierte endlich eine so lange gesuchte und sehnlich erwünschte „harte
Währung“ für die Online-Werbung.
Durch die Beschränkung auf Textanzeigen, um den Nutzer nur ja nicht zu stören,
sondern ihm das Gefühl der Unterstützung und Begleitung seiner Interessen zu
vermitteln, konnte man neben den Online-Media- auch gleich die Online-MarketingAgenturen aus der Wertschöpfung entfernen; und damit en passant noch die freien
Budgets der Kunden für die Ad-Word-Auktionen erhöhen. „Direct Economy“ im
modernen Web-Gewand!
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Google weiß,
welche Werbung
welche Nutzer
will
Suchanzeigen
kosten nur, wenn
jemand draufklickt
Textanzeigen
stören weniger
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Der Rest ist Online-Marketing-Geschichte: Google wurde mit dieser Strategie nicht
nur die mit weitem Abstand populärste Suchmaschine mit einem Marktanteil von
mehr als 50 Prozent im Web, sondern auch zum Treiber des Erfolgs der OnlineWerbung. Über 10 Milliarden US-Dollar setzte Google im Geschäftsjahr 2006 damit
um – über 40 Prozent des gesamten Volumens der Online-Werbung [10].
Google schafft
kostenlose
Anwendungen
Damit verschaffte sich Google das notwendige Kapital, um nicht nur die Suche
und das Sucherlebnis im Web zusammen mit entsprechenden Werbeformen zu
optimieren, sondern auch um weit darüber hinaus zukünftig für das Geschäftsmodell
relevante Bereiche zu entwickeln oder einzukaufen. Der Kauf der innovativen
Video-Plattform YouTube und des Online-Marketing-Dienstleisters DoubleClick
sind für den Erfolg dieser Strategie ebenso gute Beispiele, wie der Angriff auf das
Geschäftsmodell der etablierten Software-Industrie durch immer neue, kostenlose
Online-Applikationen. All das ist nicht nur gut für die Nutzer, denen sich damit
neue und „wohlfeile“ Möglichkeiten eröffnen, sondern verschafft Google
gleichzeitig auch immer neue Plattformen, Umgebungen und Möglichkeiten für
den Verkauf weiterer Online-Werbemittel.
Nun wäre es entweder naiv oder unzulässig vereinfachend, wollte man den späten
Erfolg des Online-Marketings allein Google und Eric Schmidt gutschreiben. Wie
immer hat der Erfolg viele Väter. Einer davon blieb in den Zeiten der Depressionen
nach der geplatzten New-Economy-Blase lange unbeachtet – auch weil die mit
ihm einhergehende, neue Qualität der Internetnutzung lange unter der Schwelle
medialer und analytischer Wahrnehmung blieb. Denn als „Märkte“ und „Medien“
gerade überhaupt nichts mehr vom Internet wissen wollten, entschieden sich immer
mehr Nutzer still und heimlich für eine neue, preiswertere und komfortablere, also
einfach bessere Art des Zugangs zum Internet.
Die heimliche Revolution: Breitband-Internet-Zugang
Schnelles
Internet setzt
sich durch
Der sogenannte „Breitband-Zugang“, in Deutschland meist als „Digital Subscriber
Line“, DSL, über das Telefonnetz, in den USA häufig auch über das TV-KabelNetz und in Asien teilweise schon über Glasfaser realisiert, brachte den Nutzern,
ob im privaten Umfeld oder auch in kleinen Unternehmen, zahlreiche und deutliche
Vorteile. Nicht nur die Geschwindigkeit des Datentransports, auch die Qualität und
der Komfort der Vernetzung nahmen merklich zu.
Keine nervenaufreibende Modem-Konfiguration und keine plötzlichen Verbindungsabbrüche mehr. Auch datenintensive Angebote, wie Musik und Video oder
3D-Welten aus dem Internet waren durch Breitband erstmals auch für private
Nutzer zugänglich und erhöhten die Attraktivität des Mediums genauso wie die
Möglichkeiten des Nutzers. Und das Beste: Mit einem Breitband-Zugang war der
Nutzer immer online mit dem Internet verbunden. Die darauf basierenden FlatrateAngebote der Provider machten die Nutzung des deutlich attraktiver gewordenen
Mediums auch noch preiswerter.
Damit wurde das Internet nicht nur zur Plattform für alle möglichen Interessen und
Arten der Nutzung. Es wird auch intensiver, häufiger und länger genutzt: immer
18
Ossi Urchs: 13 Jahre Web-Marketing - was hat sich verändert?
mehr Alltagsaktivitäten, von der privaten Kommunikation über Unterhaltung und
Information bis zum Einkauf werden zunehmend im Internet realisiert. So stieg
in den letzten Jahren die Dauer der täglichen Internet-Nutzung auf 80 Minuten pro
Tag und der Anteil der Internet-Nutzung an der gesamten privaten Mediennutzung
auf 14,6 Prozent [11].
Und wie so oft braucht die Werbeindustrie am längsten, um diesen seit Jahren
anhaltenden Trend zu realisieren. So liegt der Anteil des Online-Marketings am
gesamten Werbemarkt in Deutschland immer noch bei lediglich 8,9 Prozent. Dieses
„Delta“ zwischen Nutzung und Werbebelegung wird sich schließen – und damit in
absehbarer Zeit für ein weiter überproportionales Wachstum der Online-Werbung
sorgen.
Da das Zeitbudget für die Mediennutzung aber nicht ohne Weiteres zu steigern ist,
bedeutet die Zunahme der Internet-Nutzung tendenziell eine zu erwartende Abnahme
der Nutzung anderer Medien. Was für Zeitungen und Radio heute schon sichtbar ist,
wird über kurz oder lang auch das Fernsehen ereilen. Zumal wenn das „InternetFernsehen“, IP-TV, und innovative Video-On-Demand-Dienste ähnliche, wie auch
ganz neue, etwa von den Nutzern selbst hergestellte Inhalte deutlich attraktiver, zum
Beispiel ohne Unterbrecher-Werbung, zur Verfügung stellen können.
Wir erleben also einen Trend zur Konvergenz. Das bedeutet nun keineswegs, dass
die „neuen“ alle traditionellen Massenmedien verdrängen oder gar ersetzen werden.
Das hat es in der Geschichte der Medien nie gegeben und steht auch heute nicht
zu erwarten.
Internet
verdrängt keine
klassischen
Massenmedien
Konvergenz der Technologien und Differenzierung der Nutzung
Was wir heute als „Konvergenz der Medien“ bezeichnen, ist eigentlich eine
technische Konvergenz der digitalen Netzwerke, die diese Medien transportieren
– genauer gesagt die Globalisierung der Internet-Architektur. Die durch dieses
globale Netz vermittelten Inhalte dagegen unterliegen, wie alle anderen Angebote
darin, den Regeln der Interaktivität und Personalisierung, das heißt sie entfernen
und differenzieren sich zunehmend voneinander.
Konvergenz begründet sich heute weniger aus technischen, sondern primär aus
wirtschaftlichen Zusammenhängen. So besteht zwar die Bedingung der Möglichkeit
einer Konvergenz in der Digitalisierung der Inhalte – in einem Netzwerk und den
daran angeschlossenen Endgeräten können alle möglichen digitalen Inhalte und
Funktionalitäten zur Verfügung gestellt werden, hinreichend für die praktische
Realisierung ist aber erst ein darin enthaltener wirtschaftlicher Vorteil. So wird
diese Möglichkeit heute deswegen so verbreitet genutzt, weil nicht nur Transport
und Verteilung, sondern auch die Inhalte selbst in diesem Netzwerk preiswerter
sind als in allen herkömmlichen Medien.
Insofern kann die technische Konvergenz gleichzeitig auch eine inhaltliche
Differenzierung der digitalen Medien bedeuten. Genau das erleben wir heute
tagtäglich: Eine bislang ungeahnte Vielfalt digitaler Inhalte wird massenhaft im
19
Nicht nur
Transport und
Verteilung
sondern auch die
Inhalte selbst
sind im Web
preiswerter
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Internet angeboten und zwischen den Nutzern ausgetauscht, ob es der Medien- und
der Unterhaltungsindustrie gefällt oder nicht.
Von Blogs und Wikis, Foto- und Video-Plattformen
Diese Differenzierung der Nutzung digitaler Medien und des Internets wird im Web
2.0 auf die Spitze getrieben: In den Blogs und Wikis, den webbasierten Tagebüchern,
Linksammlungen und Kollaborationsplattformen, den Foto- und Video-Plattformen,
kurz in all den neuen „Sozialen Netzwerken“ des Web 2.0 tritt der Nutzer auch als
Produzent und Distributor der digitalen Inhalte auf. Dabei nutzt er keineswegs nur
„eigene“, von ihm selbst hergestellte Inhalte, sondern reichert diese mit anderen
an, kombiniert sie zu „Remixes“ und „Mash-Ups“. Er hat dabei alles, nur kein
Geschäftsmodell oder die Wertschöpfung im Sinn.
Dabei steht er objektiv im Wettbewerb mit der einstmals mächtigen Medien- und
Unterhaltungsindustrie: YouTube ist längst zur höchst realen Konkurrenz von RTL
und ARD geworden, Blogs nehmen Zeitungen und Zeitschriften Leser ab und Wikis
sind als Mittel der Wissensvermittlung auch in einigen Unternehmen heute bereits
unverzichtbar.
Nur einige
wenige verdienen
mit Web 2.0 Geld
Nur Geld verdienen lässt sich damit, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht. Da
diese Entwicklung aber nicht von einem Geschäftsmodell getrieben wird, sondern
von den ganz unterschiedlichen, persönlichen Interessen der Nutzer und digitalen
(Ko-)Produzenten, spielt das zunächst keine wesentliche Rolle für den Erfolg all
dieser Unternehmungen. Zumal die digitalen Produktionsmittel, genau wie der
Internet-Zugang, unterdessen immer preiswerter werden, wenn sie nicht, wie OpenSource-Software, ganz kostenlos zur allgemeinen Verfügung stehen.
Das Internet ist im Laufe der letzten Jahre also sowohl zu einer wesentlichen
Schlagader der globalen Wirtschaft geworden, durch die bereits 10 Prozent des
gesamten Welthandels fließen. Gleichzeitig wurde es zum Totengräber etablierter
Geschäftsmodelle und – wie es den Anschein hat – ganzer Industrien. Andererseits
etablierten sich im Internet, in Form der „Social Networks“, virtuelle Wissensnetze,
in denen es, wie wir gesehen haben, nicht um die Menge und schon gar nicht die
Verwertung des dort versammelten Wissens, sondern um die gemeinschaftliche
Methode des Wissenerwerbs geht [6].
Ausgestattet mit diesem Wissen und immer neuen, frei verfügbaren
Produktionsmitteln, entwickelte sich in den letzten Jahren im Internet also auch
ein neuartiges „Medien-Handwerk“ – eine neue „cottage-industry“ digitaler
Heimwerker. Es entzieht sich weitgehend der Verwertung und hat bisher noch
kein eigenes Geschäftsmodell gefunden, während es die Geschäfte der etablierten
Medien- und Unterhaltungsindustrie zunehmend herausfordert und gefährdet.
20
Ossi Urchs: 13 Jahre Web-Marketing - was hat sich verändert?
Die neue Macht im Netz: Nutzer und (dann erst) Kunde
Die Monopolisierung der vertikalen Wertschöpfungskette vom Hersteller bis zum
Endkunden, also das wirtschaftliche Ziel jeder traditionellen Medienstrategie,
funktioniert in der digitalen Wirtschaft des Internet-Zeitalters und erst recht im
Web 2.0 also nicht mehr, einfach weil sich die Wertschöpfung in einem Netzwerk
anders vollzieht, nämlich durch die in ständig wechselnden Rollen und Funktionen
an der Wertschöpfung beteiligten Partner. Insofern handelt es sich bei der vernetzten
Wertschöpfung auch weniger um die bekannte „Wertschöpfungs-Kette“ als um ein
neuartiges „Wertschöpfungs-Netz“, in dem alle Beteiligten vom Produzenten bis zum
Endkunden in immer wieder neuen Konstellationen miteinander interagieren.
WertschöpfungsNetze lösen
WertschöpfungsKetten ab
„Vernetzung“ wird im Laufe dieser Entwicklung immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit und ebenso genutzt – und damit schließlich zu einem „LifestylePhänomen“. Während die Wirtschaft sich einem Lifestyle – wenn überhaupt - nur
im Sinne seiner Verwertung widmen kann, wird er vom Nutzer als „Zeitgenosse“
nicht nur konsumiert, sondern (er-)lebt und bewusst oder unbewusst vorangetrieben.
Damit wird dieser Nutzer zum Zentrum und zur treibenden Kraft des Trends.
Hersteller und Händler haben nur zu den von ihnen selbst produzierten und
verkauften Komponenten der Vernetzung einen unmittelbaren Zugang und sind
ansonsten auf Zulieferung und Kooperation mit anderen angewiesen, um an der
Wertschöpfung teilnehmen zu können.
Der Nutzer-Kunde hingegen verfügt in seiner Nutzerrolle als Einziger über eine
direkte Beziehung zu allen an der Wertschöpfung beteiligten Komponenten und
Technologien. Nicht nur indem er sie erwirbt, sondern vor allem und insbesondere
indem er sie nutzt, um mit anderen in Austausch zu treten und zu kommunizieren.
Dieser informierte und emanzipierte Nutzer-Kunde wird damit nicht nur zum
wesentlichen Faktor innerhalb eines weltweit vernetzten Systems, er wird selbst
vom Objekt der Wertschöpfung zum handelnden und entscheidenden Subjekt der
Vernetzung.
Von „Digital Natives“ und „digitalen Immigranten“
Unschwer ist zu erkennen, dass wir uns mitten in einer für Beobachter wie Akteure
verwirrenden Entwicklung, in einer Zeit des fundamentalen Umbruchs etablierter
Geschäfts- und Kommunikationsmodelle befinden, die sich zusammenfassend durch
drei wesentliche Aspekte charakterisieren lässt:
• Konzentration und Konsolidierung der Online-Marketing-Industrie
Emanzipierte
Nutzer-Kunden
sind kein
Objekt der
Wertschöpfung
mehr
Warum alles
blieb, wie es war
und warum wir
dennoch erst am
Anfang einer
dramatischen
Entwicklung
stehen
• Partikularisierung der Online-Medien und Personalisierung
ihrer Nutzung
• Marken werden im Dialog mit dem Nutzer-Kunden zum Subjekt
und Objekt einer weltweiten Konversation und kehren damit aus
der Kontrolle der Marketer gewissermaßen wieder zu ihrem
Ursprung zurück.
Marken werden
zum Objekt
einer weltweiten
Konversation
21
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Die sogenannten Internet-Spezialisten haben sich darauf geeinigt, zur Beschreibung
dieser Situation nun den schillernden Begriff Web 2.0 zu verwenden – zumindest bis
sie einen besseren gefunden haben. Wie die digitale Wirtschaft jenseits des aktuellen
„Runs“ davon profitieren kann, ist noch nicht absehbar. Das gilt erst recht für das
Online-Marketing beziehungsweise die weit darüber hinausgehende kommerzielle
Kommunikation im Internet.
Nicholas Negroponte hat der Branche einen entscheidenden Impuls für die Richtung
der Ideenfindung mitgegeben. Mit weniger wird sie sich nicht zufrieden geben.
Nur das Ergebnis seines Ansatzes, eine praktische Methode der interaktiven und
personalisierten kommerziellen Kommunikation, blieb er uns schuldig. Wenn es
aber für die kommerzielle Kommunikation in Zukunft wesentlich darum geht, auf
die Anforderungen jedes einzelnen potentiellen Kunden adäquat zu reagieren,
müssen neue Formen des Austausches, Foren für das Gespräch zwischen Marken
und Kunden gefunden und etabliert werden. Die Unternehmen im Allgemeinen
und das Marketing im Besonderen müssen also ihre „Elfenbeintürme“ verlassen
und sich hinaus auf die (virtuelle) Straße begeben, um dort, wie es das „Cluetrain
Manifesto“ schon vor Jahren richtig forderte, auf „Augenhöhe“ mit dem jeweiligen
Kommunikationspartner und mit „menschlicher Sprache“ in einen andauernden und
nachhaltigen Dialog zu treten [12].
CluetrainManifest: Märkte
sind Konversationen
Lagerfeuer,
Kneipen und
Fußballplätze
„Märkte sind Konversationen.“ Richtig. Nur heute, mit allen Möglichkeiten und
Techniken des Web 2.0 ausgestattet, sind die Gesprächsteilnehmer gebildeter und
besser informiert denn je - sicher besser informiert als die beste Marketingabteilung.
Und jede Information, aber auch jedes Gerücht verbreitet sich in den sozialen Netzen
des Webs in Echtzeit. Das müssen Marketer heute wissen. Einmal, um solche Effekte
selbst nutzen zu können – „Word Of Mouth“ oder „Mundpropaganda“ nennt man
heute (wieder) diese Disziplin. Aber sie müssen es auch wissen, um überhaupt als
Gesprächspartner akzeptiert zu werden, erst recht, um den Gesprächen eigene Ideen
und Impulse beisteuern, ihnen auch mal eine neue Richtung geben zu können.
Märkte sind Gespräche. Und „Word of Mouth“, also das Gespräch und die
Empfehlung zwischen Freunden und vertrauten Bekannten, ist sicher eine der
ältesten Marketing-Techniken der Menschheit, so alt wie Lagerfeuer, Kneipen
und Fußballplätze. Älter als alle „modernen“ Massenmedien jedenfalls - und
offenbar wirkungsvoller. Insbesondere wenn sie, ausgestattet mit allen Effekten und
technischen Vorteilen intensiver und globaler Vernetzung, in virtuellen Umgebungen
stattfinden, in einer Sprache, die der kommerziellen Kommunikation fremd ist.
Doch müssen all diejenigen, die kommerzielle Kommunikation heute unter den
Bedingungen von Web 2.0 betreiben wollen, sie erlernen.
Denn gerade diese informellen, oft schnörkellos und zuweilen ruppig geführten
Gespräche sind ein wesentlicher Ausdruck jenes digitalen „Lifestyles“, der – wie das
ganze Web 2.0 – wesentlich durch eine bestimmte Haltung geprägt ist. Es handelt
sich um den Lifestyle der von Mark Pensky schon 2001 so genannten „Digital
Natives“. Er bezeichnete damit die junge Generation, die in einer digitalen Welt
geboren und groß geworden ist, für die der Umgang mit dem Internet und dem
Handy, mit digitalen Medien und deren Remixes, so selbstverständlich ist wie das
tägliche Brot. Für alle anderen, heute älter als 25 Jahre, ist diese Welt immer in
22
Ossi Urchs: 13 Jahre Web-Marketing - was hat sich verändert?
gewisser Weise fremd geblieben. Sie sind sozusagen „digitale Immigranten“. Wie
jeder andere Einwanderer auch, müssen sie die Regeln und Werte, Sprache und
Geschäftmodelle der neuen Heimat erst erlernen, um sie dann, mehr oder weniger
mühsam, auch anwenden zu können. Das ist die eigentliche Herausforderung, vor
der das Online-Marketing heute steht - sicher die größte in seiner jungen Geschichte.
Ein langer und beschwerlicher Weg liegt vor uns. Aber auch ein lohnendes Ziel
– nicht nur für Marketer. Denn an seinem Ende könnte eine Erkenntnis warten, die
die Google-Gründer bereits hinter sich haben dürften: Am Anfang einer ErfolgsStory steht nur selten ein Geschäftsmodell – aber immer eine geniale Idee.
Literatur
[1] http://www.w3.org/History/1989/proposal.html © World Wide Web Consortium,
Massachusetts Institute of Technology, Institut National de Recherche en Informatique et
en Automatique, Keio University. All Rights Reserved. http://www.w3.org/Consortium/
Legal/
[2] http://www.isoc.org/internet/history/brief.shtml
[3] http://www.ftd.de/technik/medien_internet/:WPP Microsoft RennenWerber/
202246.html
[4] Technorati Gründer David Siffry veröffentlicht jedes Quartal ein Update zum „State
of the Blogosphere“ in: http://www.sifry.com/alerts/archives/000493.html, YouTube: vgl.:
http://www.marketwatch.com/news/story/Story.aspx?guid=%7B5321F557-E82D-4D70826B-D5B27C02E5B7%7D&siteid=
[5] http://www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/news/2005/09/30/what-is-web-20.html
[6] Marshall McLuhan: Die magischen Kanäle Understanding Media: Düsseldorf (Econ),
1992; ©1964 by Marshall McLuhan. - S. 344, ISBN: 978-3436010805.
[7] Henry Jenkins: Convergence Culture. - S. 54, ISBN: 0814742815, New York
University Press, 2006.
[8] Nicholas Negroponte: Total Digital. - 256 S., ISBN: 0679439196, Knopf, 1995.
[9] „Instead of advertisers soliciting response, they’ll have to respond to the solicitations
of potential customers.“ Zitat nach Schrage, M. (1994): „Is Advertising Dead?“ in: Wired
2.02, Übersetzung Ossi Urchs, February 1994.
[10] http://www.ftd.de/technik/it_telekommunikation/49754.html?p=2, Seither
(2005) sind die Marktanteile von Google sowohl bei der Suche wie auch bei der
Suchmaschinenwerbung weiter gestiegen.
[11] „Timebudget 12“ - Studie der FORSA im Auftrag von SevenOne Media, Unterföhring
2005, S. 14 und Seite 19: Internetnutzung allgemein 59 Minuten/Tag, DSL-Nutzer
116 Minuten/Tag; zum „Delta“ zwischen Internetnutzung und Volumen des OnlineWerbemarktes vgl.: Internet World Business 6/07, S. 21, 19.03.07.
[12]Rick Levine et al.: The Cluetrain Manifesto - The End of Business as Usual;
p. XIV, Thesis 25ff, ISBN: 0738202444, Perseus Books, 2000; Online unter:
http://www.cluetrain.com/
23
Der multioptionale
Kunde im Web
Christian Bachem
Je mehr Nutzer,
desto wertvoller
Vom Laborexperiment zum Alltagsbestandteil von hunderten Millionen von
Menschen binnen knapp fünfzehn Jahren: Kein anderes Medium, keine andere
technische Innovation hat sich so rasant verbreitet wie das World Wide Web. Ob in
der kalifornischen Bay Area oder im Hochland der Anden – das Internet hält, was sich
seine Entwickler einst von ihrer Vision versprachen: Informationszugang jederzeit
und überall. Es gilt als Modellfall der positiven Rückkopplung zwischen technischer
Entwicklung einerseits und wachsender Verbreitung und Nutzung andererseits. Die
technischen Möglichkeiten boten früh Anreiz zur Nutzung, die entsprechend rasch
anwuchs und ihrerseits weitere Innovationen befeuerte, die dann wiederum zu einer
stärkeren Nutzung führten. Ein ideales sich selbst verstärkendes System, das – und
hier gilt ein zweites Modell – vor allem dank sogenannter Netzeffekte so überaus
schnell Raum greifen konnte. Netzeffekte werden dann positiv wirksam, wenn in
einem vernetzten System wie Telefon, Fax oder eben Internet jeder weitere Nutzer
zur Erweiterung des Netzes führt und dadurch den Wert desselben steigert - beim
Internet inzwischen ins Unermessliche.
Entwicklung der Internetnutzung im Zehnjahresvergleich
Über 96 Prozent
der Jugendlichen
sind online
Die einmalige Karriere des Internet von einer Nischenanwendung zum
Massenphänomen lässt sich hingegen besser nachvollziehen als sein Wert – und
verdeutlicht diesen zugleich. Einige wenige Kennzahlen im Zehnjahresvergleich für
Deutschland sollen genügen, um die Entwicklung der Internetnutzung zu skizzieren
und das eingangs Gesagte zu belegen. 1996 betrug der Anteil der Internetnutzer
hierzulande knapp 5 Prozent [1]. Die am stärksten vertretenen Altersgruppen
waren die 20- bis 39-Jährigen. Die Nutzung erfolgte größtenteils am Arbeitsplatz
beziehungsweise aus Universitäten heraus. Kurz: Das Internet war eine Domäne
junger, besser gebildeter Männer. Ein ganz anderes Bild bietet sich heute. Inzwischen
sind mehr als zwei Drittel der Deutschen im Netz. Die größte Abdeckung erreicht
das Internet in der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen. Hier sind mehr als 96
Prozent online. Umgekehrt sind jedoch bereits knapp ein Viertel der Generation
50+ regelmäßig im Netz. Zugleich stellen sie das am stärksten wachsende Segment.
Genutzt wird das Internet inzwischen sowohl zu Hause als auch beruflich. Und
endlich haben die Frauen bei der Nutzung gleichgezogen [2].
Ein wesentlicher Treiber für die Verbreitung des Internet war die Ausstattung
der Haushalte mit PCs. Hier hinkte Deutschland Mitte der Neunziger Jahre
24
Christian Bachem: Der multioptionale Kunde im Web
insbesondere den nördlichen Industriestaaten deutlich hinterher. 1996 stand in
weniger als zwanzig Prozent der deutschen Haushalte ein Computer, während man
sich in den USA bereits jenseits der 25 Prozent befand. Flugs folgerten findige
Statistiker, dass die Onlineabdeckung in Deutschland ab der Jahrtausendwende bei
maximal einem Drittel verharren würde. Es gäbe – so ihre Prognose – schlicht zu
wenige Rechner in deutschen Wohnungen. Dabei hatten die Auguren ihre Rechnung
allerdings ohne die Nutzer gemacht. Was sie nicht ahnen konnten: Ende der 1990erJahre, die Dotcom-Blase wurde von den Medien gerade mächtig aufgepumpt, war
das Internet in aller Munde und hatte einen derartigen Sex Appeal, dass es zum
maßgeblichen Anschaffungsgrund für einen Computer wurde. Die Tatsache, dass
Aldi und später weitere Discounter begannen, Rechner zu verkaufen, tat ihr Übriges.
Heute steht in sieben von zehn deutschen Haushalten mindestens ein PC. Eine
Quote, die noch vor zehn Jahren als unvorstellbar galt [3].
Entsprechend hat sich die Onlinenutzungsdauer entwickelt. 1996 betrug sie am
Tag durchschnittlich nur einige wenige Minuten. Heute nähert sie sich anderthalb
Stunden – und stößt somit in Bereiche anderer elektronischer Medien wie
Hörfunk und Fernsehen vor. Was zugleich bedeutet, dass die Internetnutzung die
Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre hinter sich gelassen hat. Zwar ist die OnlineNutzungsdauer in ihrem dynamischen Zuwachs beachtlich und gerade im Kontext
der übrigen Mediennutzung bemerkenswert. Jedoch führt eine rein quantitative
Betrachtung nicht weiter, da gerade die mit den Interaktionsmöglichkeiten des
Web verbundenen qualitativen Aspekte entscheidend sind.
Genau hier – bei der Art der Nutzung – liegt auch das weitere Entwicklungspotenzial
des Netzes. Die Wachstumskurve der Verbreitung des Internet hat sich stark
abgeschwächt und verläuft nur noch sehr flach. Denn inzwischen ist beinahe
jeder, für den das Internet privat oder beruflich bedeutsam ist, online. Umgekehrt
betrachtet: Wer heute noch keinen Internetzugang hat, kann oder will sich diesen
entweder nicht leisten oder hat schlicht kein Interesse daran. Die Konsequenzen einer
Situation, in der langfristig rund ein Viertel der Deutschen von einer wesentlichen
Quelle der Information, Meinungsbildung und auch des Wirtschaftslebens
abgeschnitten sind, sollen an dieser Stelle nicht erörtert werden. Daher nur der
Hinweis, dass ein Blick auf die Sinus-Milieus genügt, um zu erkennen, in welchen
gesellschaftlichen Kreisen das Internet intensiv genutzt wird und in welchen
Schichten es nur rudimentär verbreitet ist. Beim Fernsehen ist diese Spreizung
übrigens weitaus geringer [4].
Qualitative Aspekte der Internetnutzung: Der Online-Funktions-Mix
Zwar wird das Web häufig als Bildschirmmedium bezeichnet und gerne in seiner
Nutzung mit dem anderen kulturell prägenden Bildschirmmedium Fernsehen
verglichen. Doch bereits der Begriff des Mediums beschreibt das Internet mehr als
unzureichend. Sicherlich bietet das Internet „mediale“ Qualitäten – nicht zuletzt
eignet es sich hervorragend, die Inhalte klassischer Print- oder elektronischer
Medien aufzunehmen und durch eigene Medienformate, wie zum Beispiel
Podcast, zu ergänzen Doch anders als traditionelle „Lean Back-Medien“, die
25
Internet ist der
Grund einen PC
zu kaufen
Mehr Zeit für
Internet als für
Zeitschriften
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
redaktionell bearbeitete Inhalte zur massenhaften Rezeption in vorgegebenen
Raum-/Zeitformaten bereitstellen, lösen sich das Web und seine Inhalte von
diesen Angebots- und Nutzungsmustern. Bekanntlich bleibt es im Netz dem Nutzer
überlassen, wo, wann und in welchem Umfang er Inhalte aktiv abruft, was fachlich
als „Lean Forward“ bezeichnet wird. Neben dieser Orts- und Zeit-Ungebundenheit
bietet das Internet die für Medien einmalige und schließlich auch den Medienbegriff
sprengende Möglichkeit, auf inhaltliche oder funktionale Angebote unmittelbar und
ohne Medienbruch zu reagieren.
Am Anfang steht
die Informationssuche
Internet als
Kommunikationsmittel
Transaktion:
Bestellen per
Mausklick
Idealtypisch stellt das Web den Nutzern einen vierstufigen Funktions-Mix bereit. Mit
jeder Stufe steigt der Grad der Interaktion und das Involvement. Den Ausgangspunkt
der Onlinenutzung bildet demnach die Informationsfunktion. Die betreffende
Information kann redaktionell, wie zum Beispiel bei einer News-Website, oder
algorithmisch aus Datenbanken abgerufen werden. Ein Beispiel hierfür sind die
Ergebnisse einer Informationsanfrage wie etwa bei Google. Gerade das Beispiel
Google zeigt, welche Wertschöpfung bereits auf der ersten Stufe des FunktionsMix aus der aktiven Nutzung entstehen kann. Viel aktueller, direkter und genauer
als es klassische Medien oder Informationsdienste zu leisten imstande sind, können
die aktiv von den Nutzern geäußerten Informationsbedürfnisse, hier Suchanfragen,
bedient werden – sowohl von Google als auch von seinen Werbepartnern. Das macht
diese Suchmaschine zur mächtigsten Direktmarketingplattform weltweit. Wenig
verwunderlich, dass deutsche Internetnutzer Google als erste Anlaufstelle nennen
und nutzen, wenn es um die aktive Informationssuche geht.
Die zweite Stufe des Online-Funktions-Mix bildet die Kommunikation, also das
Nutzen von E-Mail, Formularen, Foren oder Chats. Das Internet ermöglicht es den
Nutzern – nicht erst in Zeiten des Web 2.0 – unmittelbar miteinander oder mit den
Anbietern von Informationen, Produkten oder Dienstleistungen in einen Dialog zu
treten. Entscheidend ist hierbei, dass es sich bei dieser Form der Kommunikation
tatsächlich um einen Austausch handelt. Das Kommunikationsverständnis entspricht
daher nicht dem der Massenmedien oder der über sie verbreiteten klassischen
„Marktkommunikation“. Dort bedeutet Kommunikation, dass die breit gestreuten
Botschaften eines Senders lediglich bei der Zielgruppe ankommen. Die starke
Verbreitung und Nutzung von E-Mail zeigt, wie schnell sich das dialogische,
netzbasierte Kommunikationsverständnis durchgesetzt hat. Erleichtert wird dies
dadurch, dass E-Mail inzwischen vielerorts auch für den Austausch innerhalb von
Familien genutzt wird. Häufig sind alle Generationen online.
Die dritte Stufe im Funktions-Mix nimmt die Transaktion ein, also der Erwerb
von Produkten oder Dienstleistungen über das Netz. Auf dieser Stufe wird vielleicht
am deutlichsten, wie weit das Internet von einem klassischen Medium entfernt ist.
Vielmehr agiert es als Medium und Marktplatz zugleich, in dem der Nutzer mit
wenigen Klicks von der Information zur Bestellung gelangen kann – und zwar
unter Wahrung größtmöglicher Freiheitsgrade was Anbieterwahl, Produktauswahl,
Preisvergleich, Zeitpunkt der Transaktion und weitere Faktoren angeht. Anders
wäre es wohl nicht denkbar, dass ein Händler wie Amazon binnen einer Dekade
20 Millionen Deutsche zu seinen Kunden zählen kann.
26
Christian Bachem: Der multioptionale Kunde im Web
Von Amazon ist es nur noch ein kleiner Schritt zur vierten Stufe des OnlineFunktions-Mix: der Kooperation. Diese Zusammenarbeit des Nutzers mit einem
Onlineanbieter kann sich vielfältig äußern. Bei Amazon ist es beispielsweise die
Rezension von Produkten, bei eBay ist es die Bewertung von Verkäufern. Beide
Kooperationen haben eines gemein. Sie erhöhen den Nutzen der Plattform für
andere Nutzer. Sie bieten Orientierung und Vertrauen. Sie schaffen Wert. Wert, den
die Nutzer und Kunden von Amazon und eBay für sich verbuchen können – und
in dem sich manifestiert, wie gut es ihnen gelingt, ihre Kunden an sich zu binden,
sie einzubinden und für sich arbeiten zu lassen.
Kooperation
schafft Vertrauen
Die vier Stufen des Online-Funktions-Mix belegen, welche Bedeutung die Interaktion bei der Nutzung des Internet hat. Sie zeigen zudem, welch entscheidende
Rolle vom Nutzer bereitgestellte Inhalte, neudeutsch „User Generated Content”,
bei der Ausgestaltung erfolgreicher, netzgestützter Geschäftsmodelle spielt.
Amazon, eBay und Google haben dies früh verstanden. Viel zu früh, als dass man
bereits von Web 2.0 hätte sprechen können.
Online-Sozialisation
Das World Wide Web hat sich bereits wenige Jahre nach Beginn seiner
kommerziellen Nutzung durchgesetzt. Seine Alltagsrelevanz ist derart hoch, die
„kritische Masse” sinnvoller Anwendungen und regelmäßiger Anwender so groß,
dass es aus dem privaten, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben nicht mehr
wegzudenken ist. Diese rasante Entwicklung von der Trendsetter-Technologie
zum Mainstream-„Medium“ ist – wie eingangs erwähnt – einerseits auf positive
Netzeffekte zurückzuführen, andererseits auf die gegenseitige Befruchtung von
Nutzung und technischer Innovation. Der letztgenannte Zusammenhang wird
im Lichte des zuvor dargelegten Online-Funktions-Mix deutlicher. Im Laufe der
Nutzung des Internet erfährt ein Nutzer eine prototypische „Online-Sozialisation“.
Beim Internet-Novizen steht der Wunsch nach Orientierung im Vordergrund. Dies
geschieht entweder in Form ungezielter Entdeckungsreisen durch surfen im Netz
oder mittels gezielter Suche. Die Informationsfunktion ist in der Regel die erste
Entwicklungsstufe vom Netz-Laien zum versierten Nutzer.
Die zweite Stufe wird meistens durch die erste Onlinekommunikation gemeistert.
Manch einer kann sich an das erhebende Gefühl erinnern, wenn man auf die erste
verschickte E-Mail tatsächlich eine Antwort erhielt. In diesem Moment vermochte
man noch nicht zu ermessen, wie profan dieser Vorgang bald darauf anmuten würde.
Eine kritische Schwelle, für viele gar eine Hürde, in der „Internet-Initiation“ ist
die erste Onlinebestellung. Erstmals überschreitet die Internetnutzung die Grenze
vom digitalen und hinein ins materiell-analoge Leben. Es geht um Produkte, es geht
um Geld. Es geht ums Ganze! Nur wenn der Nutzer bis dato genügend Vertrauen in
das Netz aufbauen konnte oder der Transaktionspartner die letzte Vertrauenslücke
durch seinen guten Namen und einen entsprechenden Internetauftritt überbrücken
kann, wird der Online-Nutzer auch zum Online-Käufer. Es muss an dieser Stelle
kaum erwähnt werden, dass beileibe nicht jeder Deutsche mit Internetzugang
dem E-Commerce aufgeschlossen gegenübersteht. Jeweils mehr als 20 Millionen
27
Erfahrene
Amazon- und
eBay-Kunden
vertrauen
der digitalen
Transaktion
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
versierte Amazon- und eBay-Kunden vertrauen jedoch der digitalen Transaktion
– und täglich werden es mehr.
Entsprechend hat sich auch das Angebot im Internet gewandelt. Herrschte Mitte
der neunziger Jahre noch sogenannte Brochureware, also uninspirierte und wenig
interaktive Produktinformation, im Web vor, so entwickelten sich die Webseiten
schnell zu leistungsfähigen Gebilden komplexer Informationsarchitektur, die
vielfältige Funktionalitäten bündelten und in Internetangeboten bis dato ungekannter
Informationstiefe und -breite zusammenführten. Inzwischen wird mehr als
lediglich interaktiv erschließbare Information geboten: Moderne Webseiten decken
immer häufiger den kompletten Funktions-Vierklang des Internet ab.
Erwartungen an
Unternehmensangebote steigen
Festzuhalten bleibt, dass die Schwellen, die ein Onlinenutzer bewusst oder
unbewusst auf dem Weg zur alltäglichen und umfassenden Internetnutzung nimmt,
durchaus prägend sind und somit nach und nach in den Alltag des Nutzers eingreifen.
Ein entscheidender Faktor ist hierbei, dass die im Netz gesammelten Erfahrungen
die individuellen Erwartungen an die Funktionsweise und Leistungsfähigkeit von
Web-Angeboten bedingen. Die sich aufbauende Erwartungshaltung des Nutzers
ist dabei angebots- und kanalübergeifend. Das heißt, die Erfahrungswerte, die ein
Nutzer mit einer Transaktions-Website gesammelt hat, werden auf eine andere
übertragen und bestimmte gelernte Funktionalitäten dort vorausgesetzt.
Onlinenutzung prägt Kundenerwartungen
Unkalkulierte
Wartezeit bringt
eine kapitalistische Wartegemeinschaft
an den Rand
des emotionalen
Ausnahmezustands
Doch das ist noch nicht alles. Das Web strahlt zunehmend in den nicht-digitalen Alltag ab. So zeigt sich immer häufiger, dass Menschen Erfahrungen, die sie aufgrund
der Nutzung des Webs als dem einen Kanal gesammelt haben, auf einen anderen
Kanal, zum Beispiel der Filiale, projizieren – oftmals ungeachtet dessen spezifischen
technischen und organisatorischen Limitationen. Dies lässt sich recht gut am Beispiel
der Kontoführung illustrieren. Den deutschen Banken war es in den 90er-Jahren
gelungen, den Kundenservice deutlich zu verbessern, ohne die oftmals nahezu
restriktiven Filialöffnungszeiten auszudehnen. Dies gelang zum einen mittels der
flächendeckenden Bereitstellung von Geldautomaten und Konto-Auszugsdruckern.
Zum anderen durch die Einführung von Onlinebanking-Angeboten. Die digitale
Verwaltung des eigenen Kontos im Rahmen eines Online-Self-Service-Konzeptes
stellte eine deutliche Verbesserung des Kundenservice bei gleichzeitiger Prozesskostensenkung dar. Der einstmals innovative Zusatznutzen des allzeitigen
Kontozugriffs gehörte bald zu der vom Kunden erwarteten Grundausstattung
der Geschäftsbeziehung. Onlinebanking wurde zum Alltagsprodukt. Über die
Zeit prägte die Erfahrung der permanenten und unmittelbaren Zugriffs- und
Transaktionsmöglichkeit die Erwartungshaltung des Bankkunden. Eine Erwartungshaltung, die mit der Alltagserfahrung in der Filiale des Geldinstituts kollidiert. Ist
es der Kunde gewohnt, seine Bankgeschäfte in Sekundenschnelle abzuwickeln, so
muss er – wenn er ausnahmsweise die Filiale aufsucht – am Schalter häufig mehrere
Minuten warten. Ein Umstand, der von manchem als ebensolcher empfunden
wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wartezeit im Gegensatz zum interaktiv
steuerbaren Onlinebanking nicht kalkulierbar ist. Oftmals reicht ein einzelner Kunde
28
Christian Bachem: Der multioptionale Kunde im Web
mit einem diffizilen Geschäftsvorfall, um die kapitalistische Wartegemeinschaft an
den Rand des emotionalen Ausnahmezustands zu bringen. Das Serviceprinzip der
„Instant Gratification“, der sofortigen Wunscherfüllung, das über die Nutzung des
Onlinekanals aufgebaut und verfestigt wurde, kann offline nicht aufrecht erhalten
werden. Einige Geldinstitute reagieren bereits auf die neuen Ansprüche ihrer
netzaffinen Klientel, indem sie das Serviceerlebnis in der Filiale kanalisieren, so
dass einfache Transaktionen schnell bearbeitet werden können.
Internet-Kunden
haben andere
Ansprüche an
Filialen
Der multioptionale Kunde
Die gestiegenen Erwartungen und Ansprüche der Kunden äußern sich im
gewachsenen Bedürfnis nach Individualisierung, Mobilität, Convenience und
Selbstbestimmung. Gepaart mit einer durch den Einsatz neuer Informationsund Kommunikationstechnologien gestiegenen Markttransparenz ergibt sich
ein erhöhtes Anspruchsdenken an Produkte und Dienstleistungen, bei dem der
Kunde in Abhängigkeit von seinem individuellen Lebensstil und seinen situativen
Bedingungen spezifische Konsum- und Interaktionsmöglichkeiten erwartet. Preis-,
convenience-, erlebnis- oder zweckorientierte Einkaufswege und -gelegenheiten
werden dabei parallel genutzt. So erwarten Kunden heutzutage, dass sie frei wählen
können, über welchen Kanal sie sich über ein Produkt informieren können, über
welchen Kanal sie mit einem Unternehmen in Kontakt treten wollen und über
welchen Kanal sie ein Produkt erwerben oder auch umtauschen möchten.
Kunden erwarten
Angebote auf
allen Kanälen
Fachleute sprechen von multioptionalen oder hybriden Kunden, die sich
ihren individuellen Kanal-Mix für jede Kaufentscheidung und -ausführung neu
zusammenstellen. Ihr Anteil wird zwischen 35 und 70 Prozent beziffert – Tendenz
steigend [5].
Dies tritt besonders bei jenen Kunden zutage, die aktive Onlinenutzer sind. Laut
einer Erhebung aus den USA kaufen 51 Prozent der Onlinenutzer ein Produkt
offline, nachdem sie sich online darüber informiert haben. 40 Prozent bestellen das
Produkt online, nachdem sie online die entsprechenden Informationen eingeholt
haben. 9 Prozent kaufen das Produkt online, nachdem sie sich offline informiert
haben [6]. Die Kunden betätigen sich also während des Kaufprozesses als „Channel
Hopper“.
Channel-Hopper
sind normal
Internet befeuert den Prozesswettbewerb
Jede wahrgenommene Verbesserung der Kundenbeziehung steigert demnach die
Erwartungshaltung des Kunden und erhöht die Anforderungen an das Unternehmen
ihr zu entsprechen. Eine Anspruchsspirale entsteht. Die Beherrschung von
Kommunikations- und Serviceprozessen in den angebotenen Ansprache-,
Vertriebs- und Servicekanälen wird in den Augen des Kunden immer wichtiger. Das
Management von Kundenprozessen wird zur Messlatte. Es entsteht ein neuartiger
Prozesswettbewerb [7]. Überspitzt formuliert: nach der „Aldisierung“ folgt die
„Amazonisierung“.
29
Neuer Prozesswettbewerb:
Nach der Aldisierung die
Amazonisierung
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Wann wurden
Sie an der Supermarktkasse nach
Ihrer E-MailAdresse gefragt?
Denn modernes Marketing heißt, den Kunden mit Hilfe von digitalen Interaktionskanälen und Dialogangeboten in Unternehmensabläufe einzubeziehen. Der Kunde
wird sich jenen Unternehmen zuwenden, die ihre Abläufe kundenorientiert
gestalten und ihm dadurch Mehrwert schaffen. Dieser kann sich materiell und
in Kosten-/Nutzen-Dimensionen, wie zum Beispiel Zeitersparnis, manifestieren
oder er kann immaterieller Natur sein, etwa in Form von Markenerlebnissen oder
Markenidentifikation. Unabhängig von der Form des Mehrwertes, ist der vom
Kunden wahrgenommene Prozessnutzen der erfolgsentscheidende Faktor.
Wie sehr wir hierbei in Deutschland noch am Anfang der Entwicklung stehen,
sollte eine Frage verdeutlichen: Wann sind Sie zuletzt an der Kasse eines Geschäfts
nach Ihrer E-Mail-Adresse gefragt worden? Noch nie? In den USA ist dies bereits
praktizierter Multichannel-Standard. Hierzulande verteilt man lieber Rabattmarken,
als den Kunden digital zu binden und zu incentivieren.
Literatur
[1] B. Van Eimeren, E. Oehmichen, C. Schröter: ARD-Online-Studie 1997.
Onlinenutzung in Deutschland. Nutzung und Bewertung der Onlineangebote
von Radio- und Fernsehsendern. - In: Media Perspektiven, Seite 548ff, 09/97.
[2] ARD/ZDF-Online-Studie 2006,
http://www.br-online.de/br-intern/medienforschung/onlinenutzung/onlinestudie/
[3] Statistisches Bundesamt 2007.
[4] Sinus 2006.
[5] Klaus Eierhoff: Medienprodukte über alle Kanäle für mehr Kunden - die Click-andMortar-Strategie der Bertelsmann AG. - In: Marcus Schögel et al.: (Hrsg): Roadmap
to E-Business. - S. 344-360, ISBN: 3478252806, Moderne Industrie, 2002.
[6] ebenda S. 347.
[7] Christian Bachem: Prozesswettbewerb als neue Dimension im Marketingorientierten
(E-) Business. - In: G. Peters: Arbeitspapiere zur AfM-Tagung ‘E-Business’. –
Eberswalde, FH Eberswalde, 2004.
30
Kunden-, Vertriebs- und
Mitarbeiterorientierung
Ralf T. Kreutzer
Die Vielzahl der neuen Gestaltungsmöglichkeiten, die im Zuge des verstärkten
Einsatzes von Online-Marketing in der unternehmerischen Praxis Einzug gehalten
hat, geht in vielen Fällen nicht schlüssig Hand in Hand mit einer ausreichenden
Zielorientierung in der Umsetzung. Auch der Einsatz neuer und weiterentwickelter
Onlinekonzepte muss sich zwingend an den Effizienz- und Effektivitätsvorgaben
des Marketing orientieren, weil nur diese eine tragfähige Orientierung angesichts
der zunehmenden Media-Fragmentierung leisten.
Dem OnlineMarketing fehlen
oft die Ziele
Bei dieser Ausrichtung stehen drei zentrale Orientierungskonzepte im Mittelpunkt,
die in Abbildung 1 veranschaulicht sind. Zunächst geht es um die Sicherstellung
einer konsequenten Kundenorientierung, weil auch beim Online-Marketing die
Regel gilt: „Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“
Eine Kundenorientierung ist aber nicht ausreichend, denn mit dieser alleine
kann ein Unternehmen nicht überleben. Sie muss deshalb zwingend durch die
Vertriebsorientierung ergänzt werden, weil unternehmerisches Dasein keinen
Selbstzweck darstellt. Last, but not least hat sich in den letzten Jahren verstärkt
herausgestellt, dass eine konsequente Mitarbeiterorientierung unternehmerisch
zu verankern ist, weil weder die Vertriebs- noch die Kundenorientierung ohne das
entsprechende Engagement der eingesetzten Mitarbeiter zu erreichen ist.
Abb. 1: Dreiklang der unternehmerischen Orientierungen
31
Auch online ist
Kunden- und
Vertriebsorientierung nur
durch engagierte
Mitarbeiter
möglich
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Verankerung der Kundenorientierung im Unternehmen
Je weiter oben
Manager sind,
desto schlechter
kennen sie ihre
Kunden
Eine Zahl sollte uns zum Nachdenken anregen. Nach einer Studie des Malik
Management Zentrums kennen in Großunternehmen 85 Prozent der Mitarbeiter
ihre Kunden nur vom Hörensagen, das heißt sie haben keinen direkten Kontakt
zum Kunden [1]. Das bedeutet auch, dass lediglich 15 Prozent über einen direkten
Zugang zu den Personen, auf die nach modernem Marketingverständnis die gesamte
Unternehmensführung auszurichten ist, verfügen. Diese Aussage gewinnt noch
dadurch an Brisanz, dass mit dem Erklimmen der Hierarchie im Unternehmen
der unmittelbare Kundenkontakt häufig immer weiter abnimmt. Je erfolgreicher
und einflussreicher Entscheidungsträger in Unternehmen werden, desto weniger
Kontakt haben sie zur Basis. Eine Studie von IBM in den USA und Europa
zeigt, dass vier von fünf Managern Marketingaktionen durchführen, ohne die
Erwartungen ihrer Kunden wirklich zu kennen [2]. Dagegen zeigt eine Analyse der
sogenannten Hidden Champions, dass dort fünfmal so viele Mitarbeiter regelmäßig
Kundenkontakt haben wie in Großunternehmen [3].
Gerade das Online-Marketing bietet ideale Möglichkeiten, systematisch und schnell
zur Verbesserung der Informationsversorgung im Unternehmen beizutragen. Hierzu
können Aufforderungen zählen, die Kunden und Interessenten dazu motivieren, sich
direkt mit dem Unternehmen in Verbindung zu setzen. Voraussetzung für ein solches
Vorgehen ist jedoch, dass unternehmensintern die Organisation für die zeitnahe
Bearbeitung der zu erwartenden Ansprachen geschaffen wird.
Felder zur Erreichung von Kundennähe ausloten
CustomerTouch-Points
machen Kundenerfahrungen
messbar
Im Folgenden wird exemplarisch aufgezeigt, welche Kontaktpunkte, auch
Customer-Touch-Points genannt, in den zentralen, nach außen wirkenden
Erfahrungsfeldern zu analysieren sind, um die notwendige Kundennähe zu erreichen.
Zusätzlich wird herausgearbeitet, welche Unternehmensbereiche oder -leistungen
als „Verursacher“ zu berücksichtigen sind. Dabei gilt es, die an diesen Punkten
ermittelten Ergebnisse zu einer Gesamtbewertung des Unternehmens und seiner
Leistungen aus Kundensicht zu verdichten. Exemplarisch wird in Abb. 2 dargestellt,
wie der Such- und Kaufprozess des Kunden auf relevante Touch-Points und
Handlungsnotwendigkeiten abgeklopft werden kann.
Eine Orientierung an diesen Kriterien ist notwendig, um zunächst den Ist-Zustand
als Ausdruck der Status quo-Perspektive auch im Hinblick auf die Performance
meines Online-Marketings zu ermitteln. Der Status quo-Betrachtung muss
sich allerdings zwingend eine dynamische Perspektive anschließen, um die
Entwicklungen im Zeitablauf zu erfassen und gleichzeitig festzustellen, ob die
eingeleiteten Maßnahmen die gewünschten Wirkungen zeigen.
Welches sind die zentralen Vorgehensweisen, um die oben genannten Informationsbedarfe zu befriedigen und eine größere Nähe zum Kunden zu schaffen?
Um Kundennähe aufzubauen, geht es im Kern um die „Rückführung von
Informationen aus dem Markt in das Unternehmen“ hinein, die über Statusreports von klassischen Marktforschungsinstituten hinaus geht. Hierzu gehört das
32
Ralf T. Kreutzer: Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung
Bewusstsein, dass es neben der Marktforschung in den meisten Unternehmen bereits
eine Vielzahl von Berührungspunkten zu den Kunden und Interessenten gibt, wie
oben deutlich wurde. Jedes Unternehmen tut gut daran, einmal eine kritische
Bestandsaufnahme dieser Touch-Points vorzunehmen. Dazu zählen unter anderem
der Vertrieb beziehungsweise der Außendienst, das Customer-Service-Center, die
Online-Plattform oder die Reklamationsabteilung. Zusätzlich ist zu ermitteln,
welche Botschaften über diese an Kunden und Interessenten in den Markt hinein
kommuniziert und welche Kommunikationsmittel dabei verwendet werden.
Abb. 2: Informationsfeld „Such- und Kaufprozess des Kunden“
Abb. 3: Sicherstellung eines Informationsflusses vom Markt ins Unternehmen, CTP steht
für Customer-Touch-Point
33
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Reaktionen
von Kunden
versickern
Kundenkommentare
ungefiltert und
unverfälscht
direkt in die
richtigen
Unternehmensbereiche bringen
MysteryResearch:
Dokumentation
des Serviceerlebens im
Onlinebereich
Eine solche Bestandsaufnahme liefert teilweise erschreckende Ergebnisse,
beispielsweise dass gesendete Informationen nicht wahrgenommen werden,
auf Unverständnis stoßen oder aber, dass Reaktionen der Kunden an den oben
genannten Customer-Touch-Points versickern und nicht zu den relevanten
Stellen im Unternehmen zurück fließen. Aber zur erfolgreichen Therapie gehört
nun einmal eine „objektive“ und schonungslose Diagnose. Mit der inhaltlichen
Aufnahme der „gesendeten“ Informationen ist die Bestandsaufnahme aber noch
nicht abgeschlossen. Sie muss vielmehr um die Fragestellung ergänzt werden,
was mit den vom Markt gewonnenen Informationen passiert. Verbleiben diese
in den Customer-Touch-Points? Wenn ja, in den Köpfen der angesprochenen
Mitarbeiter oder in auswertbaren Dokumentationssystemen? Und wenn nein,
an wen werden diese Informationen im Unternehmen weitergeleitet? Sind es die
richtigen Ansprechstationen, arbeiten diese mit den Daten oder lassen sie sie hier
versanden? Dieser Rückfluss von Informationen in das Unternehmen kann über
Beschwerden oder auch Lob am Point of Sale (POS), im Service Center oder
über den Dialog im Online-Marketing selbst erfolgen. Entscheidend ist, dass,
wie in Abbildung 3 dargestellt, die aufgelaufenen Informationen weiter in das
Unternehmen hineingetragen werden. Wichtig ist in jedem Fall, dass Informationen
aus der Kundensphäre möglichst ungefiltert und unverfälscht in den Bereichen des
Unternehmens ankommen, wo darauf reagiert werden kann.
Auch im Online-Marketing kann das Konzept des Mystery Market Research
zum Einsatz kommen. Wie bereits deutlich wurde, kann das Vorhandensein oder
Fehlen einer ausreichenden Kundenorientierung nicht allein bei der Besprechung
klassischer Marktstudien festgestellt werden. Die Aussage, „7,2 Prozent der Kunden
sind mit dem Onlineauftritt nicht zufrieden“, präsentiert vielleicht auf Seite 25
unten rechts der 40-seitigen Marktforschungspräsentation, lenkt das Augenmerk
nicht ausreichend auf einen solchen Punkt. Wer authentische Einblicke in sein
Unternehmen durch die „Augen seiner Kunden“ erleben will, kommt um den Einsatz
von Mystery Market Research nicht umhin. Hierbei werden als ganz normale
Kunden „getarnte“ Personen im Auftrag eines Marktforschungsinstituts aktiv, um
aus Sicht eines Interessenten beziehungsweise eines tatsächlichen Kunden heraus
zu dokumentieren, wie beispielsweise das Serviceerleben im Onlinebereich
wahrgenommen wird. So kann festgestellt werden, in welchem Ausmaß die bei
Kunden oder Interessenten aufgebauten Erwartungen im direkten Kontakt mit dem
Onlineauftritt des Unternehmens erfüllt werden. Gerade dieser Servicequalität
kommt an den Kundenschnittstellen eine besondere Bedeutung zu, weil aus Sicht
der Kunden viele Angebote austauschbar geworden sind.
Beim Mystery Shopping zum Beispiel nutzt der Testkunde den Onlineshop und
dokumentiert seine ganz subjektiven Erfahrungen aus Kundensicht. Dabei können
unter anderen die folgenden Fragen bearbeitet werden:
• Wie performant ist der Onlineauftritt?
• Wie leicht sind gesuchte Informationen zu finden?
• Werden systematisch verkaufserleichternde Informationen präsentiert?
• Wie gut funktioniert ein Suchmodus auf der Page?
34
Ralf T. Kreutzer: Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung
• Werden die gewünschten Informationen über die Verfügbarkeit
von Artikeln gegeben – und treffen diese dann auch zu?
• Wie werden die AGBs präsentiert?
• Wie nimmt der Kunde die Einholung von Einverständniserklärungen,
auch Permissions genannt, wahr?
Um derartige Analysen nicht nur aus der Interessenten-, sondern auch aus der
Kundenperspektive durchführen zu können, müssen entsprechende Kundendaten
als Dummy-Adressen in den Datenbanken angelegt werden. Erst auf diese Weise
kann erfasst werden, ob Kunden im Onlinedialog im Sinne der definierten Vorgaben
betreut werden.
Gerade die Gestaltungsformen des Web 2.0 bieten vielfältige Möglichkeiten zur
aktiven Einbindung der Kunden in die Informationsgewinnung. Ein gelungenes
Beispiel für einen entsprechenden Corporate Blog liefert FRoSTA. Das Selbstverständnis dieses Blogs wird in folgender Beschreibung deutlich: „Das FRoSTA
-Blog ist ein Webtagebuch von FRoSTA-Mitarbeitern. Wir möchten auf diese Weise
offen, ehrlich und aus erster Hand über die Marke FRoSTA berichten und mit
Ihnen über aktuelle Themen aus dem Bereich Ernährung diskutieren. FRoSTA‘s
`Blogger` kommen aus den Abteilungen Forschung und Entwicklung, Produktion,
Einkauf, Marketing, Verbraucherservice, Öffentlichkeitsarbeit und der obersten
Geschäftsleitung. Alle `Blogs` sind unzensiert und ungefiltert. Die Beiträge werden
weder von Agenturen vorformuliert noch vorgeschlagen. Denn wir möchten Ihnen
einen ähnlich direkten Eindruck von unserer Philosophie vermitteln, als wenn
Sie uns gegenüber säßen. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare, Anregungen und
Wünsche!“[4]. Gelingt es, einen solchen Blog mit spannenden Informationen zu
füllen und damit die eigenen Kunden mit wichtigen Informationen zu versorgen,
kann ein wichtiger Beitrag zur Kundenbindung geleistet werden.
Auch einzelne Instrumente der klassischen Marktforschung können, richtig eingesetzt,
der Entfremdung entgegen wirken. Dies gelingt beispielsweise durch die Einrichtung
eines Kundenpanels. Hierbei wird eine repräsentativ ausgewählte Kundengruppe
über einen längeren Zeitraum regelmäßig zu gleichen Themenbereichen befragt,
um auf diese Weise Entwicklungen in der Kundenwahrnehmung festzustellen. Dies
erfolgt zum Beispiel in der Musikindustrie durch Online-Panels. Panelteilnehmer
erhalten wöchentlich eine Einladungs-E-Mail mit einem Link, um an einer
Bewertung von neuen Songs teilzunehmen. Durch dieses kundennahe Vorgehen
soll erreicht werden, dass die heute noch bei 98 Prozent liegende Flop-Quote in der
Musikindustrie deutlich gesenkt wird [5]. Auch für andere Fragen bietet sich das
Panel an, insbesondere wenn es als Online-Panel ausgestattet ist. Ob die Relevanz
einer bestimmten technischen Funktion, die Bewertung einer Werbekampagne oder
das Interesse an bestimmten verkaufsfördernden Maßnahmen ermittelt werden soll,
über den Online-Kanal können solche Fragen mit kurzen Vorlaufzeiten beantwortet
werden. Die Unternehmen haben dabei das Ohr ganz nah am Kunden gemäß dem
Motto: Kundennähe durch Kundenintegration.
35
Kunden per Blog
involvieren
Online-Panels
helfen Flops zu
vermeiden
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Verankerung der Vertriebsorientierung im Unternehmen
Kundenwert
durch Scoring
ermitteln
Das unternehmerische Überleben ist davon abhängig, ob es in ausreichendem Maße
gelingt, Kunden für das Unternehmen und seine Produkte zu begeistern. Allerdings
reicht diese Begeisterung nicht aus, wenn sie nicht auch in konkrete Kaufakte
umgesetzt wird. Deshalb ist eine Kundenorientierung durch eine ausgeprägte
Vertriebsorientierung zu ergänzen. Weder die sogenannten „Hard Sellers“,
die nach dem Motto „Sell once and forget“ agieren, noch die „Nice Guys“, die
dem Kunden jeden Wunsch erfüllen wollen und dabei das profitable Verkaufen
vergessen, werden langfristig nachhaltig zum Unternehmenserfolg beitragen. Erst
eine Ausgewogenheit in den Orientierungen sichert das langfristige Überleben.
Um diese Balance konsequent einzuhalten, bedarf es beispielsweise einer umfassenden Bewertung der Kunden im Hinblick auf ihren Kundenwert. Nur solche
Kunden sollten langfristig und intensiv betreut werden, die für das Unternehmen
einen hohen Mehrwert generieren. Hierzu kann bereits ein einfaches Scoring-Modell
eine wichtige Entscheidungsunterstützung liefern wie exemplarisch in Abbildung 4
dargestellt [6]. Die Herausforderung für den Onlinedialog besteht dabei darin,
die für eine solche Potenzialbewertung notwendigen Informationen zu generieren.
Durch entsprechende Anreize, die von Gewinnspielen über Wertgutscheine bis zur
Gewährung von Punkten bei Online-Kundenbindungssystemen reichen können, sind
die Kunden zur Bereitstellung der entsprechenden Informationen zu motivieren.
Abb. 4: Scoring als Grundlage einer differenzierten Kundenbetreuung
Basierend auf einer solchen Bewertung können dann auch erst entsprechende
Betreuungskonzepte greifen, die sich konsequent am erreichten Kundenwert
orientieren. Dies wird in Abbildung 5 deutlich. Im Rahmen der Onlinedialoge
ist die einmal vorgenommene Klassifizierung der Kunden immer wieder zu
hinterfragen, um im Zuge einer dynamischen Segmentierung die Veränderungen
der Kunden auch hinsichtlich ihrer Wertigkeit für das Unternehmen regelmäßig
abzubilden.
36
Ralf T. Kreutzer: Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung
Abb. 5: Kundenbetreuung orientiert sich konsequent am Kundenwert
Verankerung der Mitarbeiterorientierung im Unternehmen
87 Prozent der knapp 32 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland verspüren
keine echte Verpflichtung gegenüber ihrer Arbeit. 68 Prozent machen lediglich
Dienst nach Vorschrift und 19 Prozent haben ihre innere Kündigung bereits
vollzogen [7]. Damit erreicht der Anteil der Beschäftigten mit einer geringen oder
keiner emotionalen Bindung an ihren Beruf ein erschreckend hohes Niveau. Diese
Erkenntnisse bedeuten nichts anderes, als dass es auf breiter Front zum Bruch des
„psychologischen Arbeitsvertrages“ gekommen ist, der die unausgesprochenen
Erwartungshaltungen, Hoffnungen und Wünsche der Parteien beinhaltet.
Das Ergebnis ist eine Verweigerungshaltung der Mitarbeiter, wodurch deren
Leistungsniveau deutlich und nachhaltig unter dem vorhandenen Potenzial bleibt.
Dessen gesamtwirtschaftlicher Schaden beläuft sich allein in Deutschland auf circa
250 Milliarden Euro pro Jahr.
87 Prozent der
Arbeitnehmer
ohne echtes
Engagement
Inhalte eines professionellen Marketing nach innen?
Mit Marketing nach innen ist insbesondere die Kommunikation gemeint, die
das, was an Unternehmens- und Marketingzielen und -strategien definiert wird,
im Unternehmen selbst vermittelt. Teilweise findet sich hierfür auch der Begriff
interne Kommunikation, worunter zumeist eine kaskadenartige, von oben
nach unten verlaufende Informationsbereitstellung verstanden wird [8]. Das hier
angesprochene Konzept des Marketing nach innen greift darüber weit hinaus
und stößt zusätzlich unter anderem eine dialogische Kommunikation an, um
kontinuierliche Rückinformationen aus allen relevanten Unternehmensbereichen
37
Kontinuierliche
Rückinformation
seitens der
Mitarbeiter
wichtig
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
zu erhalten. In Summe wird dabei auch die Überwindung der klassischen Grenzen
zwischen Marketing- und Personalarbeit in funktional aufgestellten Unternehmen
deutlich. Entscheidend ist, dass der gesamte Prozess des Marketing nach innen
kritisch begleitet wird und eine ebenso kritische Überprüfung folgender Fragestellungen erfolgt:
• Wird den sich verändernden Informationsbedarfen
der unterschiedlichen Zielgruppen ausreichend Rechnung getragen?
• Werden die angebotenen Informationskanäle genutzt?
• Wird von der Möglichkeit, Feedback zu geben,
auch ausreichend Gebrauch gemacht?
Die Leitideen für ein Marketing nach innen lassen sich auf einen einfachen
Nenner bringen:
• Wertschätzung
• Information
• Dialog
Wertschätzung, ein respektvoller Umgang mit den Mitarbeitern – eine Selbstverständlichkeit? Weit gefehlt. Ausprägungen fehlender Wertschätzung findet man
jeden Tag x-fach in den meisten Unternehmen. Wertschätzung drückt sich gerade
auch durch ein Interesse am Menschen und nicht nur am Leistungsträger aus.
Damit soll hier beileibe keiner „Kuschelkultur“ das Wort geredet werden. Aber
Leistung zu fordern und Mitarbeiter wertschätzend zu behandeln, stellt eben nur
scheinbar einen Widerspruch dar. Die Kausalität ist umgekehrt. Wertschätzung zahlt
in hohem Maße auf Leistungsbereitschaft und Motivation ein, nicht dagegen auf
das Leistungspotenzial, das durch andere Faktoren beeinflusst wird.
Mitarbeiter sollen
Unternehmensziele kennen
Beim Thema Information geht es darum, die Mitarbeiter über die Zielrichtung
des Unternehmens zu informieren. Dabei geht es zunächst „ums große Ganze“,
das heißt wohin soll sich ein Unternehmen entwickeln? Der Dialog schließlich
ist stärker auf die operative Ebene ausgerichtet und soll sicherstellen, dass die
unternehmensinternen Prozesse korrekt ablaufen.
Während es früher immer hieß: „Der Gewinn liegt im Einkauf“, so kann dem
angesichts der oben aufgeführten Erkenntnisse entgegengehalten werden: „Der
Gewinn liegt im Mitarbeiter!“ Denn zum einen wurde die Kostenoptimierung,
und nicht nur auf der Einkaufsseite, in den letzten Jahren schon konsequent
umgesetzt, und zum anderen steigt angesichts der zunehmenden Verschiebung
zum Dienstleistungssektor der Anteil der Arbeitskosten deutlich an. So wird es
höchste Zeit, das in vielen Bereichen noch schlummernde Mitarbeiterpotenzial zu
aktivieren.
Welche Informationsströme in einem Unternehmen sind besonders wichtig? Dazu
zählen die strategischen Richtlinien, die von der Unternehmensführung zur
Zielorientierung des gesamten Managements sowie der Mitarbeiter kommuniziert
werden müssen. Dabei geht es unter anderem um folgende Bereiche [9]:
38
Ralf T. Kreutzer: Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung
• In welchen Feldern möchte das Unternehmen in Zukunft tätig sein?
• Welche Umsatz- und Ergebnisziele strebt das Unternehmen
im nächsten Jahr an?
• Gegen welche Wettbewerber möchte man sich abgrenzen?
• Welcher Stellenwert wird Innovationen und der Produktund/oder Dienstleistungsqualität zugemessen?
• Wie möchte man den Kunden gegenüber auftreten?
• Welche Serviceziele hat man sich gesetzt?
Die Bereitstellung derartiger Informationen ermöglicht eine Grundorientierung
und Motivation der Mitarbeiter. Denn wenn derartige Informationsbereiche
nicht „Top Down“ gefüllt werden, so besteht das Risiko, dass aufgrund dieses
strategischen Vakuums Bereichs- oder Abteilungsziele definiert werden, die
nicht oder nicht ausreichend auf die Gesamtziele des Unternehmens einzahlen.
Die notwendige Informationskaskade beginnt auf der obersten Hierarchiestufe.
Dem Unternehmen stehen eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Befriedigung der
Informationsbedürfnisse der Mitarbeiter zur Verfügung. Für deren Erbringung bieten
sich verschiedene Medien und Konzepte an:
• Intranet
• Rundschreiben
• „Schwarzes Brett“
• Mitarbeiterzeitschriften
• Informationsveranstaltungen des Managements
• Weblogs
Ein innovatives Instrument der dialogischen Kommunikation stellen Weblogs,
abgekürzt Blogs, dar. Während in Internet-Tagebüchern bisher primär Teenager
über ihre Schulprobleme berichtet und Techniker über Produktinnovationen
diskutiert haben, setzen zunehmend auch Unternehmenslenker auf Blogs, um mit der
Belegschaft und den Kunden zu kommunizieren [10]. Diese Kommunikationsform
entwickelt sich durch Mitarbeiter-Blogs zum Teil zur dialogischen Kommunikation
weiter, wodurch sich Mitarbeiter aller Hierarchieebenen über ihre Arbeit, neue
Produkte und Anderes austauschen können. Gleichzeitig geben diese MitarbeiterBlogs dem Unternehmen ein zusätzliches Gesicht nach außen. Eine tatsächliche
Steigerung des Unternehmenswertes durch authentische Mitarbeiter-Tagebücher
scheint mir jedoch zu hoch gegriffen.
Zur Sicherstellung einer hohen Motivation der Mitarbeiter gehört deren frühzeitige
informatorische Einbindung in kundenorientierte Maßnahmen, um auf entsprechend
informierte Kunden, sei es am POS oder im Kunden Service Center, ausreichend
vorbereitet zu sein. Schließlich stellen derartige Informationen, gleichsam als
„Schmierstoff des Marketing nach innen“, die Voraussetzung dafür dar, dass
im Unternehmen eine überragende Servicequalität erreicht werden kann. Denn die
39
Weblogs
verbessern
interne Kommunikation
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Zielsetzung sollte immer sein, dass durch das Unternehmen gut informierte Kunden
auf ebenso gut informierte Mitarbeiter treffen.
Wikis machen
Wissen über
Hierarchiegrenzen hinweg
sichtbar
Balanced Scorecard-Konzepte
weiterentwickeln
Ein weiterer zentraler Aspekt der dialogischen Kommunikation ist das unternehmensinterne Ideenmanagement. Nur gut informierte und motivierte
Mitarbeiter nehmen, wie oben gezeigt, die Herausforderung an, sich aktiv an der
innovativen Weiterentwicklung des Unternehmens zu beteiligen. Gleichgültig, ob
es ein Web-basiertes Ideenmanagement ist, wie es beispielsweise bei Chemetall
eingesetzt wird, oder ob es das Programm „smartidee“ von O2 ist. Unternehmen
gelingt es nur dann, Mitarbeiter zu einem engagierten Mitmachen zu bewegen,
wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind . Auch der Aufbau von
unternehmensinternen Wikis kann einen wichtigen Beitrag leisten, um über
Hierarchiegrenzen hinweg im Unternehmen vorhandenes Wissen sicht- und nutzbar
zu machen. Hierbei gilt es, alle Mitarbeiter zu einem Engagement auf einer solchen
Plattform zu motivieren.
Wenn Unternehmen die interne Effizienzreserve der Mitarbeiter erschließen
möchten, dann müssen dafür allerdings auch die relevanten Steuerungsinformationen
vorhanden sein. Deshalb ist in den diskutierten Balanced Scorecard-Konzepten
die Mitarbeiterperspektive deutlicher zu integrieren. Auf diese Weise wird zum
einen die Orientierung des Unternehmens an mehreren Zielsetzungen, inklusive
der Perspektive eines Marketing nach innen, deutlich. Zum anderen kann die
Balanced Scorecard auch genutzt werden, um diese Ziele auf breiter Basis im
Unternehmen zu kommunizieren. Durch die Einbeziehung möglichst vieler
Mitarbeiter in den Kommunikations- und Exekutionsprozess können gleichzeitig
die Energien und Potenziale der gesamten Organisation auf die Erreichung der
hier fixierten Ziele ausgerichtet werden. Dabei stellt die Vermittlung von Zielen
innerhalb der Mitarbeiterperspektive schon ein Ziel für sich dar. Ein entsprechend
weiterentwickeltes Balanced Scorecard-Konzept kann beispielsweise wie in
Abbildung 6 ausgestaltet sein.
Abb. 6: Weiterentwickeltes Balanced Scorecard-Konzept
40
Ralf T. Kreutzer: Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung
Während die finanzwirtschaftliche Perspektive Auskunft darüber gibt, wie sich
die Strategieumsetzung in den zentralen Ergebniskennzahlen niederschlägt, zeigt
die Kundenperspektive, welche Ergebnisse bei den kundenorientiert definierten
Ziele erreicht werden. Die interne Prozessperspektive liefert Erkenntnisse darüber,
wie sich die internen Prozesse darstellen, und die Mitarbeiterperspektive zeigt, in
welchem Ausmaß es gelungen ist, die Mitarbeiter auf dem Weg der strategischen
Entwicklung und operativen Umsetzung „mitzunehmen“. Die kritischen
Messkriterien hierfür können über die Personalabteilung ermittelt oder periodisch,
zum Beispiel durch eine alle zwei bis drei Jahre durchgeführte Mitarbeiterbefragung,
dafür erhoben werden. Ein zentrales Messkriterium ist unter anderem die
Mitarbeiterfluktuation auf den unterschiedlichen Managementebenen, denn diese
wirkt sich unmittelbar auf die Kosten für Rekrutierung und Einarbeitung aus. Auch
die Bereitschaft, sich im Zuge des betrieblichen Vorschlagswesen zu beteiligen, kann
als Indikator für die Motivation der Mitarbeiter genutzt werden, wenn beispielsweise
durchschnittliche Beteiligungsquoten der eigenen Branche miteinander verglichen
werden. Sehr viel umfassender ist der Ansatz der international agierenden
Marktforschungsgruppe Gallup, die einen international einsetzbaren Fragebogen
erarbeitet hat, um den Faktor Employee Engagement zu ermitteln. Durch dessen
Einsatz kann der Wert dieses Faktors für einzelne Geschäftsfelder, Vertriebsbereiche
oder ein Unternehmen insgesamt ermittelt und untereinander oder mit ähnlichen
Einheiten verglichen werden.
Verschiedene Studien zeigen nicht nur einen positiven Zusammenhang zwischen
der Mitarbeiterzufriedenheit und der Loyalität zum und dem Arbeitseinsatz
im Unternehmen, sondern auch zwischen der Mitarbeiterzufriedenheit und der
Kundenorientierung [11]. Diese Beziehung wird im Engagement-Portfolio in
Abbildung 7 sichtbar.
Abb. 7: Engagement-Portfolio zur Beziehung zwischen Employee Engagement
und Customer Engagement [12]
41
Betriebliches Vorschlagswesen als
Indikator
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Dabei ist allerdings auf eine Ausgewogenheit zwischen beiden Dimensionen zu
achten. Unternehmen oder Abteilungen, die im Feld I liegen, schöpfen ihr Potenzial
bei weitem nicht aus – weder an der Kunden- noch an der Mitarbeiterfront. Auch
eine Position in den Feldern II und III steht für „Underperforming“. Im Feld II sind
die Mitarbeiter zwar hoch motiviert, kümmern sich aber nicht ausreichend um die
Kunden. Bei Feld III machen die Mitarbeiter zwar einen guten Job, werden aber
nicht ausreichend vom Unternehmen unterstützt. Studien von Gallup zeigen, dass
ein Leistungsoptimum, gemessen an den finanziellen Ergebnissen der Unternehmen,
erst im Feld IV erreicht wird, in dem eine Ausgewogenheit zwischen Customer
und Employee Engagement gegeben ist .
Bei konsequenter Umsetzung eines Marketing nach innen bewahrheiten sich dann
auch die Thesen:
• „Zufriedene Kunden durch zufriedene Mitarbeiter.“
• „Loyale Kunden durch loyale Mitarbeiter“.
Durch Integration zum überzeugenden Erfolg
Einzelne Medien
auf die Bedürfnisse unterschiedlicher
Zielgruppen
zuschneiden
In welcher Weise eine Verzahnung zwischen den oben beschriebenen Orientierungen erfolgen kann, soll anhand eines Fallbeispiels deutlich gemacht werden.
Hierbei handelt es sich um cash.life, den Marktführer auf dem Zweitmarkt für
Lebensversicherungen, der sehr erfolgreich eine Integration über verschiedene
Medien unter Berücksichtigung der Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung erreicht hat [13]. In Abbildung 8 wird deutlich, wie die einzelnen
Medien auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Zielgruppen zugeschnitten
wurden – mit deutlich verkaufsorientiertem Hintergrund.
Die Vertriebsorientierung wurde in ein konkretes Korsett zur Erfolgsmessung
eingebunden. Die wichtigsten Kennzahlen sind in Abbildung 9 zusammengeführt.
Hier wird nochmals deutlich, dass eine umfassende Kontrolle die Definition
messbarer Ziele voraussetzt.
42
Ralf T. Kreutzer: Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung
Abb. 8: Zielgruppen und Kanäle einer integrierten Kommunikationskampagne [13]
Abb. 9: Kriterien und Ergebnisse des Kommunikationserfolges [13]
43
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Die folgenden sechs Erfolgstreiber wurden dabei als Richtlinien für eine
erfolgreiche Integration von Online- und Offline-Marketing identifiziert [13]:
1. Überwindung interner Firewalls
Entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der integrierten Kommunikation
ist die Überwindung interner „kognitiver Firewalls“, sei es zwischen den Verantwortlichen der klassischen, direkten und Online-Kommunikation oder zwischen
den involvierten Fachbereichen Kommunikation, Vertrieb, Produktmanagement
und IT.
2. Corporate Design-Barometer
Eine integrierte Kommunikation setzt voraus, dass frühzeitig inhaltliche und
gestalterische Konstanten zur Erreichung des kommunikativen Dreiklangs
von Text – Bild – Haptik definiert werden. Diese sind in einem CD-Manual zu
dokumentieren und bei jeder kommunikativen Umsetzung zu berücksichtigen.
Abb. 10: Checkliste zur Überwindung einer Entfremdung vom Kunden
44
Ralf T. Kreutzer: Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung
Abb. 11: Checkliste zur Umsetzung einer Vertriebsorientierung
3. Exaktes Timing
In einer ersten Informationskaskade sind zunächst alle unternehmensinternen
und externen Customer-Touch-Points sowie die eingebundenen Vertriebspartner
mit Informationen und Unterlagen zu versorgen. Erst nach erfolgreichem Durchlauf
der ersten startet die zweite Informationskaskade mit Zielrichtung externer Markt,
also breite Öffentlichkeit, potenzielle Vermittler, Ist- und Zielkunden.
4. Erfüllung der Kundenerwartungen
Die definierten kommunikativen Leitlinien sind auch bei der Bearbeitung von
Reaktionen der Zielpersonen – zeitlich und inhaltlich – einzuhalten. Hierzu bedarf
es eines gut funktionierenden Workflows, um gegebenenfalls auch eine Vielzahl
von Reaktionen in einem engen Zeitfenster zu bearbeiten.
45
Erst Mitarbeiter
und Vertriebspartner
informieren, dann
an die Öffentlichkeit gehen
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Abb. 12: Checkliste zur Sicherstellung eines Marketings nach innen
5. Werbewirkungskontrolle (technisch)
Die erzielten Ergebnisse sind pro Kanal kontinuierlich zu messen und zu bewerten.
Hierbei wird auch die Wechselwirkung zwischen den Kanälen untersucht.
6. Effizienz- und Effektivitäts-Barometer (ökonomisch)
Die Effizienz und Effektivität aller Maßnahmen muss von Beginn an konsequent
gemessen werden. Eine solche Analyse liefert die relevanten Erkenntnisse zur
Optimierung der eingebundenen Kanäle und Aktivitäten.
Ablauf und
Organisation
sind komplexer
geworden
In der Summe wird sichtbar, dass auch die erfolgreiche Ausgestaltung des
Online-Marketings ohne eine konsequente Umsetzung von Vertriebs-, Kundenund Mitarbeiterorientierung nicht auskommt. Dabei gilt, dass sich die für eine
Umsetzung zu beherrschende Komplexität noch weiter gesteigert hat. Deshalb sind
sowohl ablauf- wie auch aufbauorganisatorische Lösungen zu schaffen, um eine
konsequente Berücksichtung langfristig sicherstellen zu können.
Um zu überprüfen, wie „fit“ Ihr Unternehmen hinsichtlich der oben genannten
Faktoren ist, kann eine Bestandsaufnahme anhand folgender Checklisten erfolgen
[14].
46
Ralf T. Kreutzer: Kunden-, Vertriebs- und Mitarbeiterorientierung
Literatur
[1] F. Malik: Auch Vorstände sollten mal U-Bahn fahren. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Seite 35, 14.11.2004.
[2] L. Reppesgaard: Persönliche Betreuung fehlt. - In: Handelsblatt, Seite 16, 5.6.2006.
[3] H. Simon: Mehr Zeit am Kunden. Das klingt trivial. Man muss es nur tun. In: absatzwirtschaft online, 15.3.2006.
[4] Frosta-Homepage, 9.4.2007.
[5] Vocatus: Größere Kundennähe durch Online-Panels. - In: Feedback, 7. Jg., 1/2006.
[6] Ralf T. Kreutzer: Praxisorientiertes Marketing, Grundlagen – Instrumente Fallbeispiele, Seite 142-148, ISBN: 3409143343, Gabler, 2006.
[7] Gallup: Engagement-Index 2006, Studie zur emotionalen Bindung
von ArbeitnehmerInnen in Deutschland. - Berlin, 2006.
[8] Ralf T. Kreutzer: Praxisorientiertes Marketing, Grundlagen - Instrumente Fallbeispiele, Seite 142-148, ISBN: 3409143343, Gabler, 2006
M. Bruhn: Notwendigkeit eines Internen Marketing für Dienstleistungsunternehmen. In: M. Bruhn / H. Meffert (Hrsg): Handbuch Dienstleistungsmanagement. –
Seite 705-731, 2. Aufl., Gabler, 2001 C. Homburg,R. Stock: Der kundenorientierte
Mitarbeiter, Bewerten - Begeistern - Bewegen, Gabler, 2000.
[9] Ralf T. Kreutzer: Schlüssel 1: Marketing nach innen - Das ungenutzte
Erfolgspotenzial. - In: Ralf T. Kreutzer, Holger Kuhfuß, Wolfgang Hartmann:
Marketing Excellence. Sieben Schlüssel zur Profilierung Ihrer Marketing Performance.
- Seite 36-65, ISBN: 3834903906, Gabler, 2007.
[10] J. Lembke: Hier schreibt sogar der Vorstandschef. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Seite 44, 5. März 2006.
[11] Salem Samhoud, Hans van der Loo, Jeroen Geelhoed: Lust & Leistung, Mitarbeiter
motivieren in schwierigen Zeiten, 206 Seiten, ISBN: 352750138X, Wiley-VCH, 2005.
[12] J.H. Fleming, C. Coffman, J.K. Harter: Manage Your Human Sigma, Seite 7, 2005.
[13] C. Heinneccius, R. T. Kreutzer: TV als Response-Treiber. In: absatzwirtschaft, Seite 34-36, 50 Jg., 7/2007.
[14] vergleiche weiterführend Ralf T. Kreutzer, Holger Kuhfuß, Wolfgang Hartmann:
Marketing Excellence. Sieben Schlüssel zur Profilierung Ihrer Marketing Performance.
- ISBN: 3834903906, Gabler, 2007.
Klaus Brandmeyer: Alle führen Jahresgespräche. Und wer spricht mit dem Kunden? In: Absatzwirtschaft online, 4.1.2006.
Ralf D. Brinkmann, Kurt H. Stapf: Innere Kündigung. - 224 Seiten, ISBN: 3406528155,
Beck, 2005.
K. Eck: Weblogs in der Kundenkommunikation. - In: Torsten Schwarz, Gabriele Braun
(Hrsg): Leitfaden Integrierte Kommunikation - Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert.
- Seite 201-214, ISBN: 3000192719, Absolit, Waghäusel, 2006.
J. H. Fleming, C. Coffman, J.K. Harter: Manage Your Human Sigma. In: Harvard Business Review, Seite 1-8, July-August 2005.
Lars Gössing: Der Psychologische Vertrag. - 97 Seiten, ISBN: 3865501680, Vdm Verlag
Dr. Müller, 2005.
T. Großer: Es riecht nach Revolution. - In: enable, Seite 2, 1/2006.
Wolfgang Hartmann, Ralf T. Kreutzer, Holger Kuhfuß: Kundenclubs & More, Innovative
Konzepte der Kundenbindung. - 268 Seiten, ISBN: 3409125914, Gabler, 2004.
Christian Homburg: Kundenorientierung als Managementherausforderung. Vortrag an der Berlin School of Economics, 2006.
Christian Homburg, Heiko Schäfer, Janna Schneider: Sales Excellence –
Vertriebsmanagement mit System. - 355 Seiten, ISBN: 383490015X, 4. Aufl., Gabler, 2006.
47
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Ralf T. Kreutzer: Schlüssel 2: Der entfremdete Kunde – Kaum einer hat oder will heute
noch Kundenkontakt. - In: Ralf T. Kreutzer , Holger Kuhfuß, Wolfgang Hartmann:
Marketing Excellence, Sieben Schlüssel zur Profilierung Ihrer Marketing Performance.
- Seite 66-90, ISBN: 3834903906, Gabler, 2007.
Erwin Lammenett: Praxiswissen Online-Marketing. - 248 Seiten, ISBN: 383490273X,
Gabler, 2006.
M. Oetting: Wie Web 2.0 das Marketing revolutioniert. - In: Torsten Schwarz, Gabriele
Braun (Hrsg): Leitfaden Integrierte Kommunikation - Wie Web 2.0 das Marketing
revolutioniert. - Seite 173-200, ISBN: 3000192719, Absolit, Waghäusel, 2006.
Wolfgang Rechtien: Angewandte Gruppendynamik. - 243 Seiten, ISBN: 362127426X, 3.
Aufl., BeltzPVU, 1999.
L. Reppesgaard: Wer hat eigentlich das Sagen? In: Handelsblatt, Karriere und Management, Seite 1, 31.03.2006.
Torsten Schwarz, Gabriele Braun: Leitfaden Integrierte Kommunikation - Wie Web 2.0
das Marketing revolutioniert.- 324 Seiten, ISBN: 3000192719, Absolit, Waghäusel, 2006.
Horst Steinmann, Georg Schreyögg: Management Grundlagen der Unternehmensführung. - Gabler, 2002.
Wieselhuber & Partner: Marketing Performance, Wie fit sind Unternehmen
bei der Messung und Kontrolle der Marketing-Performance. Studie von Dr. Wieselhuber & Partner, 2005.
Jeremy Wright: Blog-Marketing als neuer Weg zum Kunden. - 306 Seiten, ISBN:
363601384X, Redline, 2006.
48
Online-Marketing
im Versandhandel
Martin Groß-Albenhausen
Im Jahr 1999 veranstaltete die Branchenzeitschrift „Der Versandhausberater“
schon zum zweiten Mal ein Seminar über den Online-Handel. Die bange Frage
eines Teilnehmers lautete damals: „Kann ich denn wenigstens einen Teil meiner
E-Commerce-Aufwendungen durch bezahlte Werbung wieder reinholen?“ Eine
typische Erwartung an den Dienstleister debis lautete damals: „Hier sind 10.000
Mark. Machen Sie mir eine Homepage wie Amazon, nur erfolgreicher.“ Schon ein
Jahr zuvor aber wusste der amerikanische Marketing-Guru Phil Kotler, dass durch
das Internet der Bestellkatalog verschwinden würde.
Nur acht Jahre später erreichen nicht wenige Versandhändler einen Onlineanteil an
der Nachfrage von 30 Prozent und mehr. Einzelne Anbieter mit besonders affinen
Zielgruppen nehmen inzwischen mehr als die Hälfte ihrer Umsätze über den
Onlineshop ein. Die Katalogumsätze gehen hingegen deutlich, zum Teil dramatisch
zurück. Dramatisch deshalb, weil die Onlinenachfrage nicht immer die verlorenen
Bestellvolumina der schriftlichen Werbung kompensieren kann. Dieser Trend trifft
die Universal- und Spezialversender gleichermaßen.
Fast die Hälfte
des Umsatzes
wird online
gemacht
So ist der Versandhandel die Branche, die – vielleicht nur noch mit Reisebüros
vergleichbar – die Notwendigkeit einer völligen Neuverteilung der Werbebudgets am
deutlichsten spürt. Welches sind die wesentlichen Hebel, die den Versandhändlern
heute offen stehen?
• Suchmaschinenoptimierung und Suchmaschinenmarketing
• E-Mail-Marketing
• Affiliate-Networks
• Online-Marktplätze
• Künftig: Social Commerce-Anwendungen
Doch bevor man hier mit Bausch und Bogen die alten Kataloge mit Kotler
obsolet erklärt, sollte man eine Zahl aus den USA zur Kenntnis nehmen: Dort, im
Mutterland des Electronic Commerce, stieg die Zahl der gedruckten Katalogseiten
seit 2000 kontinuierlich an. Nicht weniger, sondern mehr Kataloge erreichen heute
die amerikanischen Haushalte. Das „National Directory of Catalogs“ hat im April
2007 damit überrascht, dass die Zahl der gedruckten Kataloge sich von 9.522 im
Jahr 2002 auf 12.136 im Jahr 2007 erhöht hat [1].
49
Nicht weniger,
sondern mehr
Kataloge
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Jüngere shoppen
bevorzugt online
Dennoch kann niemand darüber hinwegsehen, dass die Mischung sich ändert. Das
Deutsche Versandhandels-Institut zeichnet seit 2001 kontinuierlich die Nutzung der
unterschiedlichen Vertriebswege im Internet nach. Im Jahr 2006 überholte danach
erstmals das Internet die Kataloge als der am häufigsten genannte „Kaufort“ im
Versandhandel. 63,5 Prozent der Versandhandelskäufer gaben an, über Internet
gekauft zu haben - einen Hauch mehr als die 63,2 Prozent, die noch über Katalog
kauften. In der Studie des Vorjahres neigte sich die Waagschale mit 66 zu 52 Prozent
noch deutlich zugunsten des Kataloges.
Vor allem sind es nicht mehr nur die jüngeren Nutzer, die das Internet zum Shopping
einsetzen. Bis hin zu den 50-jährigen übertrifft inzwischen die Onlinebestellung
den Katalogkauf, wie auch in den Grafiken zu sehen ist.
Abb. 1: Einkaufswege nach Alter [2]
50
Martin Groß-Albenhausen: Online-Marketing im Versandhandel
Abb. 2: Reaktanz nach Altersgruppen in Prozent [2]
Abb. 3: Medien-Kreuzreferenz [2]
Dass sich die Nutzer ähnlicher werden, zeigt auch die Medien-Kreuzreferenz.
Jeder zweite Onlinekäufer ist auch Katalogkunde, fast jeder zweite, in 2006 jeder
dritte Katalogkunde auch Onlinekäufer.
Doch es gibt zwei wesentliche Veränderungen, die das Online-Marketing zur großen
Chance gerade für Versandhändler werden lassen.
Online-Marketing als Kernkompetenz zeitgemäßen Versandhandels
Kunden erwarten heute selbstverständlich, dass nicht nur etablierte Versandhändler,
sondern auch vornehmlich stationäre Anbieter ihre Waren online anbieten. Damit
müssen Versender ihre Rhythmen stärker als bisher dem Takt der Einzelhändler
anpassen. Hier geben Händler mit einem vertikalen Produktmanagement und
häufigen Kollektionswechseln die Weise vor, wie Sortimente geführt werden.
Demgegenüber haben die klassischen Kataloge Vorlaufzeiten von neun Monaten
von der Produktentwicklung bis zum Versand. Kontinuierlich neue Artikel ins
Sortiment aufzunehmen, verbietet sich jedoch. Denn Versender müssen während
51
Kunden erwarten
Online-Bestellmöglichkeit
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
der Laufzeit des Kataloges lieferfähig bleiben. Selbst wenn dies nicht mehr
juristisch unabdingbar ist, so kann es sich dennoch kein Versender leisten, Kunden
durch Nachlieferungen zu verärgern, geschweige denn durch Nichtlieferungen zu
verprellen. Gar nicht zu reden von den nicht lieferbaren Nachlieferungen: Dann
haben Kunden auf die Produkte vergeblich gewartet.
Doch genau diese Situationen drohen, wenn permanent frische Ware ungetestet im
Katalog gezeigt wird. Die Renner fehlen, die Nieten verstopfen das Lager.
Kollektionen
werden im
Internet getestet
Hier wird zunehmend das Online-Marketing wichtiger. Vertikale Anbieter wie
s.Oliver testen heute schon Kollektionen im Internet vor. Die Bestückung erfolgt
in kleinster Menge, und nur die wirklich erfolgreichen Farben und Modestile
werden in die Kollektion aufgenommen. Auch neckermann.de hat solche FlashKollektionen getestet, und die Otto-Tochter bonprix testet heute kontinuierlich die
Renner im Internet vor.
Kataloge spielen weiter eine zentrale Rolle im Versandhandel. Doch dank der
Möglichkeit, Artikel im Internet – auf der Website oder per E-Mail-Marketing – zu
qualifizieren, wird künftig die Disposition der Waren sicherer, die Organisation der
teuren Katalogdoppelseiten produktiver und die Präsentation der Waren notwendig
aktueller. Ein Trend ist ein Trend, und je höher die Rennerquote im Katalog, umso attraktiver erscheint das Angebot auch denen, die eigentlich Papier für ein
altmodisches Vertriebsmedium halten.
Online-Marketing als Möglichkeit, neue Kunden zu erreichen
Kataloge
bewirken Onlinenachfrage
Waren anfangs drei von vier Onlinebestellungen lediglich umgeleitete Katalogbestellungen, so kann man heute mehr als die Hälfte der online erteilten Aufträge
tatsächlich als „Marktplatz“-Nachfrage bezeichnen. Dem steht nicht entgegen,
dass noch immer die Marktplatz-Nachfrage von Katalogaussendungen deutlich
beeinflusst wird. Die Kataloge verändern ihren Charakter und induzieren die
Onlinenachfrage. Doch auch in diesem Kontext steigt die Zahl der tatsächlich
über Suchmaschinenmarketing oder Affiliates gewonnenen Aufträge.
Vor allem wird auf lange Sicht nicht zu unterschätzen sein, dass die Kunden Angebote
von Versandhändlern nicht nur aktiver empfehlen, sondern auch verkaufen werden.
Die aStores von Amazon, die „Widgets“ aus aktuellen Web 2.0-Applikationen wie
ThisNext, Zlio oder FavoriteThingz, sie alle können speziell für die etablierten
Versandhändler die „SB/NV“-Umsätze der Zukunft sein.
Social Commerce
löst Sammelbesteller ab
SB/NV, das sind die klassischen Sammelbesteller und nebenberuflichen Vertreter.
Nicht nur Universalversender wie Baur, Otto und Neckermann, auch etliche Spezialversender haben in der Vergangenheit diese Form von „Außendienst“ eingesetzt.
Speziell im Business-Versandhandel ergänzten für wichtige Kunden lange Zeit
Vertriebsmitarbeiter die für kleine und mittlere Kunden effizienteren Kataloge.
Im Konsumenten-Versand spielen Sammelbesteller heute kaum noch eine Rolle.
Doch angenommen es stimmt, dass im „Mitmach-Web“ immer mehr Kunden aktiv
werden, dann werden mehr und mehr Nutzer zu Agenten. Affiliates spielen schon
52
Martin Groß-Albenhausen: Online-Marketing im Versandhandel
heute eine wichtige Rolle darin, neue Kunden zunächst zum Versender selbst zu
lotsen. In der nächsten Web-Generation werden die Transaktionen vielleicht nicht
mehr beim Versandhändler, sondern an Millionen Knotenpunkten im World Wide
Web erfolgen.
Wie auf eBay werden viele nur kleine, zufällige Umsätze auf ihren Seiten erzeugen.
Andere werden Spaß daran finden, Provisionen und obendrein, wie die klassischen
Sammelbesteller, günstigere Einkaufskonditionen zu erhalten.
Bevor solche Visionen Realität werden, müssen noch viele rechtliche und
logistische Fragen geklärt werden. Wer ist Vertragspartner des Kunden? Wer
sollte die weiteren Kontakte mit ihm halten? Wie und wo erfolgen die zwingend
erforderlichen rechtlichen Belehrungen?
Doch all das sind Detailfragen. Entscheidend ist: Die „klassischen“ Versandhändler
haben die Systeme für solche multiplen Vertriebsstrukturen schon jetzt am Platz. Sie
können verlässlich liefern, die Qualität der Waren garantieren. Sicher werden die
Anforderungen immer komplexer, zumal wenn die Versandhändler selbst mehr und
mehr Sortimente Dritter in ihre Shops einbinden und dabei die Bestandsführung
aus verschiedenen Lagern virtuell geschieht. Gerade Marken sind sehr wählerisch,
in welchem Umfeld sie präsentiert werden. Aber auch das sind in erster Linie
programmiertechnische und vertragliche Details.
Die Chancen des Online-Marketing für Versandhändler liegen darin, Dienstleister
zu werden: Dienstleister für Marken, Dienstleister auch für Kunden. Sie managen
Kundenbeziehungen.
Literatur
[1] National Directory of Catalogs 2007, New York: Oxbridge Communications, 2007.
[2] Emnid/DVHI: Studie Versandhandel, Tab. 3.1, Februar 2007.
53
Versandhändler
werden Dienstleister für Marken
und Kunden
Marktentwicklung
im Online-Marketing
Harald R. Fortmann
OnlineWerbemarkt
wächst überproportional
Der Online-Marketing-Markt überschlägt sich in den letzten Quartalen immer
wieder mit neuen Zahlen und das Wachstum scheint unendlich zu sein. Gerade
erst veröffentlichte Forrester eine EU-Studie, nach der sich das Online-MarketingVolumen in Europa in den nächsten fünf Jahren verfünffachen wird. Der Onlinewerbung gehört die Zukunft - zumindest in diesem Punkt sind sich alle Beteiligten
einig. Uneinigkeit hingegen herrscht bei den Statistiken und Prognosen hinsichtlich
der Höhe der Werbeausgaben.
Gleich vier namhafte Institutionen präsentieren in regelmäßigen Abständen neue
Marktzahlen und Prognosen für die Zukunft der Digitalen Wirtschaft und stiften
damit bisweilen unnötige Verwirrung bei der werbetreibenden Industrie.
Maßgeblich verantwortlich für die Diskrepanzen der einzelnen Datenerhebungen
sind die angewandten Methodiken. Es lohnt sich, hier etwas genauer hinzusehen,
wenngleich die Grundaussage, dass der Online-Werbemarkt überproportional
wächst, davon unberührt bleibt.
Über eine
Milliarde Euro für
Suchmaschinenmarketing
In seiner Prognose zu Beginn des Jahres ging der Online-Vermarkterkreis (OVK)
im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V., per definitionem „zentrales
Gremium der führenden deutschen Online-Vermarkter“, von einem weiteren
Zuwachs in Höhe von 33 Prozent oder 624 Millionen Euro für 2007 gegenüber
2006 aus. Hierbei unterteilen sich die Zahlen in 1,175 Milliarden Euro für die
klassische Onlinewerbung (Banner, gesponserte Webseiten und kurze Filme),
1,148 Milliarden Euro für die Suchwortvermarktung und 210 Millionen Euro für
das Affiliate-Marketing. Erfahrungsgemäß sind die Prognosen des BVDW stets
konservativ ausgefallen und wurden im Laufe des Jahres immer nach oben revidiert,
wovon auch dieses Jahr auszugehen ist. Das zeigen auch die Zahlen von Nielsen
Media, auf deren Grundlage die OVK-Werbestatistik erstellt wird. Demnach lagen
die Ausgaben im Bereich der klassischen Onlinewerbung im ersten Halbjahr bereits
bei rund 600 Millionen Euro, Erwartungen im Markt liegen aufgrund dieser starken
ersten sechs Monate bei 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro für das gesamte Jahr 2007. Die
gesamten Werbeausgaben (inklusive Suchwortvermarktung und Affiliate-Marketing)
dürften demzufolge in die Nähe der Drei-Milliarden-Euro-Schwelle rücken.
Zu deutlich anderen Zahlen kommt der Bundesverband Informationswirtschaft,
Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM), der die klassische
Onlinewerbung auf 480 Millionen Euro im Jahr 2006 (gegenüber 904 Millionen
Euro beim BVDW) taxiert. Der Bereich Suchwortvermarktung, der gemäß BVDW
54
Harald R. Fortmann: Marktentwicklung im Online-Marketing
auf ähnlichem Niveau wie die klassische Onlinewerbung liegt, wird vom BITKOM
nicht erfasst, gleiches gilt für das Affiliate-Marketing, das in dieser Statistik ebenfalls
unberücksichtigt bleibt. Es bleibt so letztlich nur ein Ausschnitt der getätigten
Werbeumsätze im Onlinebereich. Das gilt bei genauer Betrachtung auch für den
Bereich der sogenannten Display-Ads, was auf die Methodik zurückzuführen ist.
Der BITKOM nutzt Thomson Media Control zur Evaluierung der Daten, und damit
ein Crawler Verfahren, bei dem die auf den ausgewählten Websites eingeblendete
Werbung erfasst wird. Mit dieser Methode lassen sich jedoch wichtige Bereiche des
Online Marketing gar nicht oder nur unzureichend erfassen, beispielsweise sogenannte Targeting Kampagnen, bei denen gegen erhöhten Tausenderkontaktpreis
(TKP) die Werbemittel nach demographischen, territorialen oder auch nutzungsverhaltensbezogenen (Behavioral Targeting) Aspekten ausgeliefert werden. Das
gleiche gilt für das „Frequency-Capping“ (Begrenzung der Werbemittelkontakte
pro User), Rotationen (Ungenauigkeiten hinsichtlich der Vollständigkeit der
Rotationskampagnen), Werbung in passwortgeschützten Bereichen (gerade bei
den Premium Content-Anbietern interessant), Sponsoring (zum Beispiel feste
Integration von Logos im Hintergrund) und sonstige feste Integrationen, wie etwa
Sub-Channels.
Auch ohne Datenübergabe festgestellte Daten bedingen Ungenauigkeiten. Hierunter
zählen unter anderem die immer häufiger vorkommenden Hybridmodelle der großen
Vermarkter, also die Mischung von TKP und CPC (Cost per Click) Modellen oder die
Abrechnung nach CPx (Cost per Action). Weiterhin zählen hierzu Ungenauigkeiten
bei den tatsächlich ausgelieferten AdImpressions.
Der BVDW stützt seine Zahlen auf eine Kooperation zwischen dem OVK, Nielsen
Media, der AGOF (Arbeitsgemeinschaft Online Forschung), INFOnline sowie den
führenden Anbietern und Vermarktern in den Bereichen klassische Onlinewerbung,
Suchwortvermarktung und Affiliate-Marketing. Die Nielsen Zahlen deckten 2006
rund 75 Prozent des Online-Werbemarktes ab – 2007 wird eine noch höhere Deckung
erwartet – und stellen damit die Basis für die Hochrechnung auf 100 Prozent.
Der BITKOM konterte im Frühjahr 2007, dass einer der Hauptgründe für die
Diskrepanz die Brutto-Netto-Schere sei, also der Unterschied zwischen formell
ausgewiesenen Preisen und tatsächlich ausgehandelten Konditionen. Das würde
jedoch bedeuten, dass die Online-Vermarkter ausgerechnet in Zeiten großer
Nachfrage hohe Rabatte gewähren würden, was einem gesunden kaufmännischem
Verhalten widerspräche. Zwar verwies der BITKOM auf die Zahlen des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), die auch Netto-Umsätze
ausweisen. Für 2006 hat der ZAW 2,5 Prozent Markanteil der Onlinewerbung am
gesamten Werbevolumen ermittelt, somit rund 500 Millionen Euro.
Für die Glaubwürdigkeit der BVDW-Zahlen als Maßeinheit für die Digitale Wirtschaft spricht, dass hier verschiedene Marktteilnehmer an einem Strang ziehen und
vor allem die großen Player ihre Zahlen melden.
Der Bereich der Suchwortvermarktung bleibt, solange Google seine Zahlen
für Deutschland nicht bekannt geben muss, der Bereich mit den vermutlich
höchsten Ungenauigkeiten – wobei hier ebenfalls von einer eher konservativen
55
Ungenauigkeiten bei den
tatsächlich
ausgelieferten
AdImpressions
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Vorgehensweise der Beteiligten ausgegangen werden darf. Wären die Umsatzzahlen
zu hoch, hätte der Branchenprimus sicher widersprochen. Ähnlich verhält es sich
im Bereich des Affiliate-Marketings, wo die dominierenden Unternehmen eine
Meldung noch nicht unterstüzen.
Umsätze aus
Mobile Marketing
und Rubrikenund Kleinanzeigen sollen
folgen
Nicht
berücksichtigt
sind die Agenturhonorare
Hier liegt die größte Herausforderung in der nächsten Zeit: Das bestehende
Zahlenwerk weiter abzusichern und gleichzeitig auch verlässliche Aussagen über
die Netto-Werbeumsätze in der gesamten Onlinewerbung zu treffen. Weitere
Herausforderungen in Sachen belastbarer Marktzahlen stehen in diesem Zusammenhang im Bereich Mobile Marketing und hinsichtlich der Umsätze aus den Bereichen
der Rubriken- und Kleinanzeigen in den Onlinemedien an. Erste Schritte werden
hier bereits unternommen.
Trotz aller angeführten Unwägbarkeiten lässt sich bei Betrachtung aller Zahlenspiele
letztendlich doch ein gemeinsames Fazit ziehen: Der Online-Marketing-Markt
wächst weiter überproportional und legt in seiner Bedeutung am gesamten Werbemarkt von Jahr zu Jahr deutlich zu. Zudem berücksichtigen die publizierten Zahlen
auch nicht die Agenturhonorare, die gerade auch in diesem Medium nicht von der
Hand zu weisen sind und so umso mehr die Bedeutung der Digitalen Wirtschaft als
Wirtschaftsbranche am Standort Deutschland unterstreichen.
Abb. 1: OVK-Werbestatistik 2004 bis 2007 in Millionen Euro in Segmenten [1]
Literatur
[1] OVK Onlinevermarkterkreis im BVDW, AGOF Arbeitsgemeinschaft OnlineForschung: Online-Report 2007/01. Zahlen und Trends im Überblick. - Seite 5, März
2007.
56
Geschäftsmodelle
im Internet
Dirk Ploss
Das Internet hat die Welt verändert – und sich selbst. Seit Tim Berners-Lee am
Kernforschungszentrum CERN 1989 das World Wide Web erfand, hat es sich rasant
entwickelt und verändert. Auch die Mediennutzung und der alltägliche Umgang
mit Technologie hat sich dramatisch verändert – und so sind in den letzten Jahren
vermehrt neuartige Geschäftsmodelle entstanden, die diesen Umständen Rechnung
tragen.
Die neuen
und alten
Geschäftsmodelle
Im Rahmen dieses Beitrages möchte ich versuchen aufzuzeigen, welche unterschiedlichen Geschäftsmodelle heutzutage im Internet existieren – und wie man
diese für sich selbst nutzbringend einsetzen kann.
In diesem ersten Abschnitt widme ich mich den Geschäftsmodellen, wie sie heute
im Internet anzufinden sind.
Transaktion - Verkauf oder Vermietung
Das klassischste aller Geschäftsmodelle: Auf der einen Seite ein Anbieter, der eine
Ware oder Dienstleistung anzubieten hat, auf der anderen Seite ein Abnehmer, der
einen Bedarf für bzw. ein Bedürfnis nach diesem Angebot hat. Kommen beide
zusammen, kann eine Transaktion in Form von Verkauf oder Vermietung des
Angebotes erfolgen.
Im Wesentlichen stehen drei Transaktionsobjekte zur Verfügung:
• Physische Waren
• Dienstleistungen
• Virtuelle Waren / Informationen
Woot.com – Transaktion durch Verkauf von Waren
Das Onlinekaufhaus Woot.com verkauft auf seiner Webseite Produkte – und zwar
eines pro Tag. Das Prinzip der Verknappung wird hier bis zum Exzess getrieben
– oftmals passiert es schon, dass ein Produkt nach wenigen Stunden ausverkauft
ist. Durch diese Abwandlung des klassischen Handelsmodells hat sich Woot! eine
sehr treue Fangemeinde aufgebaut – Schätzungen zufolge machte Woot! mit seiner
konsequenten Ein-Produkt-Strategie allein 2005 etwa 40 Millionen US-Dollar
Umsatz. Zuletzt lag der Durchschnittsumsatz bei weit über 100.000 US-Dollar
pro Produkt beziehungsweise pro Tag.
57
Jeden Tag ein
neues Produkt
verkaufen
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Skype.com – Transaktion durch Verkauf von Dienstleistungen
Skype bietet Internettelefonie an – zwei oder mehr Nutzer können dabei nach
Installation einer Software-Applikation miteinander kostenlos telefonieren. Seine
Erlöse erzielt Skype durch das sogenannte skype-out: Hierbei kauft der User ein
Guthaben, um anschließend auch ganz normale Festnetzanschlüsse weltweit und
Mobiltelefone anrufen zu können, die nicht in das Skype-Netzwerk eingebunden
sind.
Salesforce.com – Transaktion durch Vermietung von Software
Neue Dienstleistungen finden
ihre Käufer
Salesforce ist der am stärksten wachsende Anbieter von Customer-RelationshipManagement-Software. Im Gegensatz zu Unternehmen wie SAP erfolgt jedoch
keinerlei Installation auf den Systemen des Kunden – vielmehr erwirbt der Kunde
Zugänge und damit das Nutzungsrecht der ausschließlich online laufenden Software.
Durch die hohe Skalierbarkeit und extrem starke Erweiterbarkeit der Software um
zusätzliche Module vertraut salesforce.com neben den regelmäßigen Einnahmen
auch auf verstärktes Cross- und Up-Selling.
Werbung
Das derzeit vorherrschende Geschäftsmodell im Internet sind Einkünfte durch
Werbung. Durch die hohe und immer noch steigende Reichweite des World Wide
Web sowie der Kommunikationsform E-Mail einerseits und der hervorragenden
Messbarkeit des Nutzerverhaltens andererseits erscheint das Internet als eine
geradezu ideale Werbeplattform für Angebote aller Art. Allein in Deutschland
wurden 2006 insgesamt rund 1,9 Milliarden Euro für Online-Werbung ausgegeben
[1]. Das Geschäftsmodell „Werbung“ muss noch nach direkter und indirekter
Werbung unterschieden werden:
Bei der direkten Werbung kommen für den Nutzer unmittelbar sichtbare Werbemittel
wie der klassische Banner, Layer-Ads, Textanzeigen und sogenannte Advertorials
zum Einsatz. Anbieter, die dieses Geschäftsmodell verfolgen, erzielen Werbeerlöse
durch den Verkauf beziehungsweise die Vermietung von Werbeplätzen.
Handel mit
Kundenprofilen
Bei der indirekten Werbung werden online nur Daten erhoben – diese werden
dann anschließend von werbungtreibenden Unternehmen dazu genutzt, dem
Konsumenten individuell auf ihn zugeschnittene klassische Direktmailings oder
Online-Newsletter zu schicken. Das Geschäftsmodell ist im Kern ein Business-toBusiness-Modell, da die zum Beispiel über Gewinnspiele gesammelten Daten nicht
von dem Erhebenden selbst, sondern von dessen Kunden eingesetzt werden, die für
die Erhebung beziehungsweise Nutzung der Konsumentendaten bezahlen.
Maschinenmarkt.de – Werbung durch Profilhandel
Maschinenmarkt.de, MM, ist der Online-Ableger der Fachzeitschrift gleichen
Namens aus dem Vogel Business Medien Verlag. Neben dem Anbieten klassischer
Online-Werbeformate wie Banner et cetera bietet der Verlag seinen Kunden
die Möglichkeit, gezielt die Daten von Personen, die an den Produkten des
58
Dirk Ploss: Geschäftsmodelle im Internet
Kundenunternehmens interessiert sind, zu kaufen. Um dies zu erreichen, werden
vom Kundenunternehmen Informationen wie Webcasts, Whitepaper und ähnliche
online angestellt. Interessiert sich ein MM-Leser jetzt dafür, muss er sich vorab
registrieren – diese Registrierungsdaten sowie die Nutzungsdaten des Users werden
anschließend an den Werbungtreibenden weitergereicht.
Leads qualifizieren und
weitervermitteln
Wazap.com – Werbung durch Banner
Wazap.com ist eine Spiele-Suchmaschine und bietet klassische Werbeformate an.
Durch die eindeutige Positionierung sowie die sehr starke und treue Community
der „Gamer“ besteht für Werbungtreibende aus dem Entertainment-Umfeld hier
eine gute Möglichkeit, die Zielgruppe direkt – also mit weniger Streuverlusten
– zu umwerben.
Gebühren: Abo- und Premium-Angebote
Ein weiteres, populäres Geschäftsmodell ist das Angebot von Premium- und Aboservices gegen Entgelt. Zumeist werden die Basisleistungen kostenfrei angeboten
– will der Nutzer jedoch bestimmte Zusatzfunktionen nutzen, so ist dies nur gegen
Bezahlung möglich.
Die Abrechnung kann entweder zeitbezogen, als Abonnement beziehungsweise
Flat-Rate, oder aktionsbezogen, „Einzelkauf“, erfolgen.
Xing.com – Gebühren für Premium-Angebot
Xing.com – vormals OpenBC – ist ein Business-Netzwerk zum Knüpfen und
Aufrechterhalten von Geschäftskontakten. Die Basisfunktionen wie zum Beispiel
das Erstellen von Profilen sowie das Antworten auf Nachrichten anderer Nutzer
sind kostenlos – für zusätzliche Funktionen wie eine detaillierte Mitgliedersuche,
das Aufrufen von Kontakten, die das eigene Profil angeschaut haben und Ähnliches
ist jedoch eine geringe monatliche Gebühr zu entrichten.
Bluebuy.de – Gebühren für Auktionen
Bluebuy bietet unter dem Label Bluebid ein innovatives Auktionsverfahren an: Der
Nutzer, der den niedrigsten, einmalig gebotenen Kaufpreis für ein Angebot bietet,
erhält den Zuschlag und das Produkt für besagten Discount-Preis. Interessant ist
daran vor allem, dass für jede Gebotsabgabe eine Gebühr von fünfzig Eurocent zu
bezahlen ist – wenn also tausend Nutzer für ein Produkt bieten und der Gewinner
der Auktion am Ende des Tages nur dreizehn Euro für das Produkt bezahlt, so beträgt
der Umsatz von Bluebuy dennoch 513 Euro.
Peer-to-Peer-Angebote mit Provisionen
Der Name leitet sich aus dem englischen „peer“ ab, das soviel wie „Gleichgestellter“, „Ebenbürtiger“ oder „Altersgenosse“ bedeutet. Peer-to-Peer bezeichnet
also die Verknüpfung von Mensch zu Mensch, von Computer zu Computer, von
59
Wofür Nutzer
bereit sind,
Gebühren zu
zahlen
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Endverbraucher zu Endverbraucher. Eine recht neue Spielart unter den Geschäftsmodellen ist das Zur-Verfügung-Stellen einer Plattform, über die Verbraucher sich
untereinander vernetzen und Waren, Dienstleistungen oder anderes austauschen
können. Das Geschäftsmodell basiert darauf, dass der virtuelle Marktplatz an der
Aktivität der Nutzer partizipiert, indem eine Marktplatz-Nutzungs-Gebühr erhoben
wird.
Die Abrechnung bei diesem Geschäftsmodell erfolgt entweder volumenabhängig,
zum Beispiel umsatzbezogen, oder aktionsabhängig, das heißt für jede Peer-toPeer-Aktion ist ein Entgelt fällig.
Zopa.com – umsatzbezogene Peer-to-Peer-Angebot
Angebot und
Nachfrage direkt
miteinander in
Kontakt bringen
Zopa.com ist ein Peer-to-Peer-Netzwerk aus Großbritannien, über das Privatleute
Kredite an andere Privatpersonen vergeben können. Zopa erhält auf die vermittelten
Kredite eine Provision, betreibt jedoch selbst kein eigenständiges Bankgeschäft.
In Deutschland ist dieses Geschäftsmodell aufgrund der herrschenden Gesetzeslage
noch nicht umzusetzen; in anderen Ländern dagegen ist das Konzept des „P2PLending“ bereits sehr populär.
Hitflip.de – aktionsbezogene Peer-to-Peer-Angebot
Hitflip ist eine Tauschbörse für Medien. Endverbraucher können hier untereinander
CDs, Hörspiele, Bücher, Spiele et cetera tauschen. Das Geschäftsmodell von Hitflip
basiert darauf, dass jeder erfolgreiche Tausch, jeder Erhalt eines Artikels, 99 Cent
kostet – mithin ist dieses Geschäftsmodell rein aktionsbezogen aufgebaut. Es fallen
weder Mitglieds-, noch Abo-, noch umsatzbezogene Gebühren an.
Sonderformen: Support-Angebote und Spenden-Modelle
Der wertvolle
Kundenstamm
heißt heute
Community
Ein weiteres, insbesondere im Umfeld des „Web 2.0“ sehr populäres Geschäftsmodell
ist das Erbringen von kostenlosen Leistungen mit der Absicht, dieses irgendwann
von einem der großen etablierten Anbieter vergütet zu bekommen. Für große
Unternehmen wie eBay, Google oder Microsoft sind häufig die von kleinen
Unternehmensgründern entwickelten Anwendungen beziehungsweise aufgebauten
Communities, früher einmal als Kundenstamm bekannt, strategisch sehr wertvoll,
da sie das Leistungsportfolio abrunden oder aber ergänzende Services darstellen.
Viele der aufsehenerregendsten Akquisitionen der letzten Jahre basieren auf
diesem Modell – so zum Beispiel die Übernahme des Videoportals YouTube durch
Google, bei dem 1,65 Milliarden US-Dollar Kaufpreis gezahlt wurden (Quelle:
golem.de).
Ebenfalls relativ jung ist das Geschäftsmodell „Spenden“, das sich insbesondere
im Umfeld der Open-Source-Bewegung etabliert hat. Da auch bei der Entwicklung
beziehungsweise dem Anbieten von „freier Software“ Kosten entstehen, werden
Nutzer der angebotenen Leistungen oftmals gebeten, auf freiwilliger Basis zu
spenden.
60
Dirk Ploss: Geschäftsmodelle im Internet
Wikipedia.org – Spenden-Modell
Die Wikipedia ist eine von der Wikimedia Foundation betriebene und von freiwilligen
Autoren ohne Honorar verfasste Online-Enzyklopädie in mittlerweile 79 Sprachen.
Die Nutzung, Ergänzung und Weitergabe der Inhalte – auch zu kommerziellen
Zwecken – ist ausdrücklich gestattet, da sämtliche Inhalte unter der sogenannten
„GNU FD“ Lizenz liegen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Lizenznehmer
zur Einhaltung der Lizenzbedingungen. Diese sehen unter anderem die Pflicht
zur Nennung des Autors beziehungsweise der Autoren vor und verpflichten den
Lizenznehmer dazu, abgeleitete Werke unter dieselbe Lizenz zu stellen. Wikimedia
hat keine eigenen Einkünfte und ist daher auf Spenden angewiesen. Die Wikimedia
Foundation, Betreiber der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia, beziffert die
Kosten für das Jahr 2005 zum Beispiel auf mehr als 730.000 US-Dollar [2].
Auch von
Spenden kann
man leben
Twitter.com – Support-Angebot
Twitter.com ist ein recht junges Online-Angebot, das die zeitnahe Veröffentlichung
von Botschaften im Internet über die Kanäle Web, Instant Messenger und SMS
ermöglicht. Dabei dreht sich alles um die Frage „Was machst du gerade?“. Das
Senden beziehungsweise Empfangen einer „getwitterten“ Nachricht ist beim Instant
Messaging und bei der Web-Eingabe kostenlos; via SMS werden nur die üblichen
Kosten für eine SMS fällig.
Das Geschäftsmodell von Twitter ist auch weniger im Business-to-Consumer-Bereich
als im B2B-Geschäft zu sehen: Für Unternehmen könnten sowohl die große und
aktive Fangemeinde von Twitter als auch die Möglichkeit der Sofortkommunikation
interessant sein. So könnte ein Auktionshaus beispielsweise die aktuell eingestellten
oder gleich ablaufenden Auktionen „twittern“.
Im Internet Geld verdienen – aber wie?
Jedes Unternehmen, das online aktiv ist – und nicht, wie die Wikimedia Foundation,
nur unentgeltlich arbeiten möchte – steht irgendwann vor der Frage: Wie lässt sich
im Internet Geld verdienen? Im Wesentlichen existieren vier Möglichkeiten, wie
ein Unternehmen das für sich passende Geschäftsmodell findet:
Themengetrieben zum Erfolg
Sehr viele erfolgreiche Internet-Unternehmen sind aus einer „Leidenschaft“ oder
einem Hobby der Gründer hervorgegangen. Das Geschäftsmodell findet sich oftmals
erst später. Erst wenn die erreichten Nutzer sehr zahlreich sind und relevante Kosten
für den Betrieb des Angebotes entstehen, wird nach entsprechenden Monetarisierungsmöglichkeiten gesucht.
Dieser Ansatz ist für Sie der richtige, wenn Sie ein intensiv betriebenes Hobby
zu Ihrem beruflichen Standbein machen wollen oder wenn Ihr Unternehmen eine
Zielgruppe hat, die sehr eng mit einem bestimmten Thema verknüpft ist.
61
Erst die Leidenschaft, dann das
Geschäftsmodell
Stärken des Internet für die eigene
Marke nutzen
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Produktgetrieben zum Erfolg
Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgen in der Regel Unternehmen, die bereits
offline etabliert sind. Diese versuchen zumeist, die Möglichkeiten des Internets so
zu nutzen, dass sie einem Produkt beziehungsweise einer Marke des Unternehmens
maximal nutzen. Hier stehen neben klassischen Transaktionsmodellen auch oft
Werbegeschäftsmodelle im Fokus.
Dieser Ansatz ist für Sie der richtige, wenn Ihr Unternehmen das Internet und
seine Möglichkeiten zur Unterstützung bestehender Produkte, Services oder anderer
Angebote nutzen möchte.
Technikgetrieben zum Erfolg
Gerade seit dem Aufkommen von Technologien wie AJAX, Asynchronous Javascript
And XML und RSS, Really Simple Syndication , sind viele Unternehmen auf eine
recht spielerische Art und Weise gestartet: Aus der reinen Nutzung der Technologien
beziehungsweise der Demonstration dessen, was damit machbar ist, haben sich große
Fangemeinden, neudeutsch Communities, entwickelt, deren Nutzungsverhalten
anschließend monetarisiert werden kann. Wie beim themengetriebenen Ansatz
steht hier also die Idee beziehungsweise die Nutzung durch den User im Fokus;
die geschäftliche Seite des Unterfangens gesellt sich erst später dazu.
Dieser Ansatz ist für Sie der richtige, wenn Sie entweder selbst ein technikbegeisterter
Experte sind oder wenn Ihre Zielgruppe aus Menschen besteht, die tendenziell
immer die neuesten Technologien nutzen.
Trendgetrieben zum Erfolg
Gerade im Internet ist das Phänomen der sogenannten „Copycats“ ein sehr weit
verbreitetes. Hinter diesem Begriff steckt das altbekannte „Me-Too“-Muster aus der
klassischen Wirtschaft: Sobald ein Unternehmen ein erfolgreiches Produkt lanciert
hat, wird dieses Produkt von mehreren anderen Anbietern kopiert. Ob alando, mit
seiner Kopie von eBay, StudiVZ, als Nachahmer von Facebook, oder wamadu,
mit einer Kopie von Twitter – die Originale sind oftmals in anderen Märkten zu
finden.
Dieser Ansatz ist für Sie der richtige, wenn Sie in Bezug auf den Erfolg Ihrer
Internet-Unternehmung unsicher sind und sich auf ein bestehendes Konzept
verlassen möchten, das in anderen Ländern bereits erfolgreich arbeitet.
Um zu dem für Sie passenden Geschäftsmodell zu finden, gehen Sie einfach die
Punkte der folgenden Checkliste durch:
• Was will ich anbieten?
Produkt/Ware, Dienstleistung, Informationen
oder Unterstützung/Support
• Wem will ich etwas anbieten?
Business-to-Business oder Business-To-Consumer
• Welche Zielgruppen will ich bedienen?
Technologieaffine, Modeaffine, Kommunikationsaffine et cetera
62
Dirk Ploss: Geschäftsmodelle im Internet
• Womit will ich Geld verdienen?
Werbung, Verkauf, Vermietung
• Welchen Nutzen bietet mein Angebot?
Zeitersparnis, Informationsplus, geldwerte Vorteile
• Wie will ich mein Angebot vertreiben?
Nur online, offline, Multichannel
Beachten Sie dabei auch, dass jedes Geschäftsmodell spezifische Anforderungen
an Ressourcen, rechtliche Ausgestaltung und Logistik stellt – wenn Sie zum
Beispiel Produkte verkaufen wollen, müssen Sie sich auch mit Themengebieten
wie Lagerhaltung, Retourenhandling, Produkthaftung und anderen beschäftigen.
No risk, no fun
Grundsätzlich gilt in einem sich schnell verändernden Medium wie dem Internet:
Jede Unternehmung ist mit einem Risiko verbunden – dem Risiko des Scheiterns.
Beantworten Sie daher vor dem Start die folgenden drei Fragen und diskutieren
Sie diese mit potenziellen Abnehmern, Partnern oder Freunden:
Trend oder Strohfeuer?
Nicht jeder Trend ist nachhaltig oder kann sich auf Dauer durchsetzen. Gerade durch
das ständige Auftauchen neuer Ideen und Angebote besteht leicht die Gefahr, dass
etwas, das eben noch wie ein Megatrend aussah, plötzlich von niemandem mehr
gewollt wird. Beachten Sie immer, dass zwei Dinge auch im Internet limitiert sind:
Die Anzahl der Kunden und die Zeit, die ein potenzieller Kunde zur Verfügung hat.
Kurzlebige Trends nehmen oftmals einen Großteil des Zeitbudgets der InternetNutzer in Anspruch – doch nach einer gewissen Zeit langweilen sich diese und teilen
ihr Zeitbudget anders auf. Ihr Fokus sollte deshalb darauf liegen, ein Angebot zu
schaffen, das den Nutzer dauerhaft fesselt und immer wieder neue Reize setzt. Nur
den Spieltrieb bzw. die Trendneugier der Kunden zu bedienen, kann das Risiko des
Scheiterns nachhaltig erhöhen.
Speed kills? Awareness kills!
Gerade durch die Unübersichtlichkeit und Vielfalt des Internets ist die Bedeutung
des so genannten „First Mover Advantage“, also des Vorteils, ein Angebot
als erster zu haben, bei weitem nicht mehr so relevant wie noch vor wenigen
Jahren. Ein Unternehmen kann heute auch als drittes, zehntes oder hundertstes
in einen bereits bestehenden Markt starten – entscheidend für den Erfolg ist, eine
möglichst große Reichweite aufzubauen. Der Weg zu dieser Reichweite führt über
die Awareness. Haben Sie ein Angebot, das sich „wie ein Lauffeuer“ von allein
verbreitet (Mundpropaganda, virales Marketing), kann dies von sehr großem Vorteil
sein – anderenfalls sollten Sie von vornherein ausreichende Werbebudgets in Ihre
63
Schneller Aufbau
von Reichweite
entscheidet über
den Erfolg
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 1 Einleitung
Kalkulation mit einbeziehen. Denken Sie dabei auch an klassische Offline-Werbung
– oftmals sind nämlich genau die Internet-Unternehmen am erfolgreichsten, die
außerhalb des Internets für ihre Online-Angebote werben.
Märkte sind Gespräche
Um den Jahrtausendwechsel herum sorgte im Zuge der „New Economy“-Diskussion
insbesondere ein Buch für Furore: Das Cluetrain-Manifest. Die Autoren Levine,
Locke, Searls und Weinberger stellten darin 95 Thesen zu einer sich verändernden
Wirtschaft auf – eine der wichtigsten lautet: Märkte sind Gespräche.
Gerade diese These hat durch die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem „Web
2.0“ einen neuerlichen Bedeutungsaufschwung erlangt: Weblogs, Crowdsourcing,
soziale Netze und das Mitmach-Web beweisen, dass das Gespräch nach wie vor
der wichtigste Treiber eines jeden Geschäftsmodells ist. Und Gespräch heißt gerade
in der heutigen Zeit „Dialog“ – reichte es früher noch aus, zu den Menschen
zu sprechen, sind Unternehmen heute gezwungen, mit den Unternehmen zu
sprechen.
Nutzen Sie diese Möglichkeiten zum Austausch mit Ihren Kunden und Partnern
– denn ein Unternehmen, das sich aktiv an Gesprächen beteiligt, wird automatisch
Mitglied der Community.
Fazit und Ausblick
Ohne Kunden
kein Geschäft
Es mag schwer sein, schon jetzt abzusehen, welche der aktuellen Trends und
Entwicklungen sich wirklich als nachhaltig erweisen werden und welchen eher
nur eine kurze Lebensdauer beschieden sein wird. Doch eines ist sicher: Erfolg
wird derjenige haben, der überlegt und mit Bedacht mit der Zeit geht, nicht jedem
Trend hinterher rennt, sondern jede neue Entwicklung auf einen ganz einfachen
Aspekt hin untersucht: Inwieweit kann diese Technologie, dieser Trend, meinen
Kunden nützen? Denn eines wird auch in Zukunft mit Sicherheit gelten: Ohne
Kunden gibt es kein Geschäft.
Literatur
[1] BVDW: OVK Online-Report 2007/01.
[2] Financial Report 2005, wikimediafoundation.org
64
Buchinformation
Leitfaden Online-Marketing
Herausgeber: Torsten Schwarz
850 Seiten, Preis: 39,90 Euro, gebunden
ISBN: 978-3000209048, September 2007,
Verlag: marketing-BÖRSE.
http://www.amazon.de/dp/3000209042
Online-Werbung wächst derzeit zehnmal schneller als alle anderen Werbemedien. Kein
anderes Medium ist so preisgünstig und effizient bei der Ansprache neuer Kunden und
Zielgruppen. Deshalb setzen immer mehr Unternehmen bei der Neukundengewinnung auf
Suchmaschinenmarketing, Kontextwerbung oder Viral Marketing. In diesem Buch erläutern
die einhundert renommiertesten deutschsprachigen Online-Marketing-Experten, was sich
bewährt hat. Es bündelt das aktuelle praxisrelevante Wissen einer jungen Branche. Von
Affiliate- über Suchmaschinenmarketing bis zum Web 2.0 werden Strategien erläutert und
praktische Tipps gegeben.
Keine Werbeform entwickelt sich so schnell weiter wie Online-Werbung. Während TV-,
Print- und Außenwerbung 2006 um maximal sieben Prozent zulegten, stiegen die Ausgaben
für Online-Werbung laut Branchenverband BVDW um sagenhafte 84 Prozent. Fast eine
Milliarde Euro wurde 2006 für klassische Online-Werbebanner ausgegeben. Dazu kommen
noch einmal über eine Milliarde Euro für Suchmaschinenanzeigen. Aber auch Bereiche wie
Suchmaschinenoptimierung oder E-Mail-Marketing boomen. Unter dem Sammelbegriff Web
2.0 schießen Mitmach-Angebote und soziale Netzwerke wie Pilze aus dem Boden.
Verbraucher informieren sich via Internet über Preisvergleichs- und Meinungsportale. Dort
schreiben Menschen offen, was sie von Produkten und Firmen halten. Hier als Unternehmen
Präsenz zu zeigen, erfordert Fingerspitzengefühl.
Dieses Buch bündelt das aktuelle Wissen einer ganzen Branche. Als Standardwerk ist es ein
absolutes Muss für Online-Marketing-Spezialisten und solche, die es werden wollen. Die
Autoren sind die führenden Köpfe der Online-Branche. Es sind erfolgreiche Fachbuchautoren,
hochrangige Experten aus renommierten Unternehmen sowie anerkannte Wissenschaftler.
Zum Herausgeber:
Dr. Torsten Schwarz gilt als Fachmann für Online-Marketing in Deutschland. Er ist
Herausgeber des Beratungsbriefs "Online-Marketing-Experts", Autor diverser Fachbeiträge
und Bücher sowie mehrfacher Lehrbeauftragter. Laut "acquisa" gehört er zu den Vordenkern
in Marketing und Vertrieb. Der Online-Pionier war Marketingleiter eines Softwareherstellers
und berät heute internationale Unternehmen. Er ist Geschäftsführer des Dienstleisterportals
marketing-BÖRSE und leitet den Arbeitskreis Online-Marketing im Verband der deutschen
Internetwirtschaft.
marketing-BÖRSE GmbH – Melanchthonstr. 5 – 68753 Waghäusel – www.marketing-boerse.de
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++49 (0) 7254 / 95773-90
Ja, ich bestelle das Buch
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ISBN: 978-3000209048, September 2007
Preis: 39,90 Euro*
(*zzgl. 3,- Euro Versandkosten innerhalb Deutschlands,
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