6.7 Wirkung erzielen

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6.7
6 Als Arzt sprechen
Wirkung erzielen
Aufbauend sprechen
Satzanfänge, die aufbauend wirken, wirken aufbauend:
Sie können sich darauf verlassen …
Es wird sich für Sie gut auswirken, wenn Sie …
Erheblich sicherer sind Sie, wenn …
Eine überzeugende Wirkung erreichen Sie …
Es zahlt sich aus, wenn …
Vorteile werden Sie daraus ziehen, dass …
Es nutzt Ihnen sicher, wenn …
Verwenden Sie immer wieder – locker eingestreut – solche Formulierungen, auch
diese sorgen für eine stabilere Compliance.
Emotionen und Lösungen
Stellen Sie sich die Situation vor, Sie schieben seit Monaten ein wichtiges persönliches Problem vor sich her. Sie finden einfach keine Lösung dafür, dass Ihr Partner
Sie betrügt, Sie ihn deshalb verlassen möchten oder »müssten«, es aber nicht tun.
Über welche Ebene wird die Trennung verhindert? Ganz sicher über die der Gefühle. Da kann es Hunderte verkopfte Argumente (»Das kann ich mir nicht bieten
lassen«, »Ich bin mehr wert«, »Mit mir nicht …«) geben: Solange Ihr Gefühl Nein
zur Trennung sagt, trennen Sie sich nicht.
Folgendes sollte beachtet werden, erst recht zwischen Arzt und Patient:
Jede nicht über die Sachebenen erreichbare Lösung wird über das Gefühl stattfinden,
oder sie findet nicht statt.
Sie bleiben in diesem Schwebezustand, Sie lassen sich Vieles gefallen, solange Ihr
Gefühl eine Trennung unmöglich macht. Wenn das Schicksal Ihnen hold ist, verlieben Sie sich just in dieser Zeit, dann ändert sich Ihre Gefühlslage und eine Trennung wird möglich. Vielleicht haben Sie auch auf andere Weise Glück, Ihr Partner
trennt sich vom anderen, weil er die Wahrhaftigkeit des altbekannten Satzes:
»Meistens kommt nichts Besseres nach« selbst kennenlernte, und Sie beginnen Ihre
Beziehung neu.
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Beispiel
»Ich mag nicht noch mehr Tabletten nehmen.«
Was meinen Sie genau? Ich habe Ihnen doch nur Aero-opt als Muster mitgegeben?
»Mein Hausarzt hat mir Venolast, Cardiopunk und Prostafit verordnet, das sind insgesamt zwölf Tabletten jeden Tag. Das macht ja mein Magen langsam nicht mehr mit.«
Haben Sie bereits Beschwerden durch die Medikamente?
»Nein, aber die sind nun vorprogrammiert.«
Aero-opt verursacht praktisch nie Nebenwirkungen. Sie brauchen wirklich keine Sorgen
zu haben …
Das ist ein fataler Fehler: Der Arzt bleibt auf der Sachebene, er holt den Patienten nicht
dort ab, wo er steht.
»Doch, die mache ich mir aber!« (Recht hat er, der Patient)
Chance für den Arzt, auf die Gefühlsebene zu wechseln:
Ja, das verstehe ich gut, wenn Sie bereits zwölf Tabletten einnehmen und nun noch drei
weitere nehmen sollen. 15 Tabletten, das sind schon richtig viele.
»Jetzt sehen Sie es auch!«
Sicher, ich meine, Sie sollten wirklich auf Ihren Körper und Magen achten. Es ist gut,
dass Sie das angesprochen haben.
»Dann muss ich Aero-opt nicht nehmen?«
Lassen Sie es mich so ausdrücken: Von den vier Medikamenten können Sie wahrscheinlich auf Venolast noch eher verzichten als auf Aero-opt. Haben Sie denn noch Beschwerden in den Krampfadern?
»Nein, die hatte ich noch nie so richtig. Ach so, dafür sind die gedacht.«
Dann verzichten Sie doch probehalber auf diese fünf Tabletten täglich.
Eigenverantwortung des Patienten
Das Selbstbild mit dem Bild der anderen abzugleichen, kann mittels Feedback verbessert werden. Das Feedback können Sie auch nutzen, um dem Patienten eine
eigenverantwortliche Position anzubieten. Es gibt letztlich nur ein Ziel: Der Feedback-Nehmer (also der Patient oder Ihr Mitarbeiter) soll gestärkt aus dem Feedback herausgehen.
Das wenigste, was in Besprechungen als Feedback bezeichnet wird, ist auch
eines. Feedback ist eine konstruktive Äußerung, von der der Aufnehmende das
Recht hat, sie zu nehmen oder sie beim Aussprechenden zu lassen.
Feedback ist ein vorrangig passiver Prozess unter Akzeptanz des Gegenüber, das
heißt, was ihm gesagt wird, sollte er nur dann kommentieren, wenn es ihn verletzt
– und das zu vermeiden liegt in Ihrer Verantwortung. Feedback nutzt die folgenden
drei Stufen:
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6 Als Arzt sprechen
STEPS: Feedback geben
STEP 1 Loben
Ich fand Folgendes besonders gelungen …
STEP 2 Weiterentwicklungen/Änderungen
Vielleicht mögen Sie einmal darüber nachdenken, dass …
STEP 3 Motivation
Es wird Sie stärken, wenn Sie in Zukunft noch berücksichtigen, dass …
Wenn Sie ein Feedback geben und damit Ihrem Patienten etwas Bestimmtes mitteilen wollen, integrieren Sie die folgenden Inhalte:
쐌 Bei sich bleiben: Die Ich-Form wählen.
Ich habe Folgendes empfunden …
Ich glaube, dass …
Nicht: Sie haben schon wieder nicht daran gedacht, dass …
쐌
Bei der Sache bleiben: Keine Ablenkung auf die Person oder andere Inhalte.
Bei diesen Symptomen denke ich daran, dass …
Nicht: Neulich habe ich das von einem anderen Patienten schon einmal gehört.
쐌
Unveränderliches respektieren: Was nicht geändert werden kann, ist so, wie es
ist.
Ich kann verstehen, wenn Sie kein Fleisch essen mögen.
Nicht: Ich finde es schade, dass Sie kein Fleisch essen.
쐌
Keine Änderungen fordern: Das ist grenzüberschreitend: Der Aufnehmende
sollte selbst entscheiden können.
Überlegen Sie sich bitte bis zu unserem nächsten Gespräch, ob Sie mehr pflanzliche
Kost in Ihren Speiseplan aufnehmen wollen.
Nicht: Ich finde, Sie sollten ab sofort nur noch Rohkost essen.
쐌
Sachlich korrekt: Keine Fantasie, nur Realität.
Schwester Irmintraut, Sie schauen den Patienten nur selten an und beschäftigen
sich in der Regel mit den Verbandsmaterialien und nicht mit dem kranken Menschen.
Nicht: Sie sind nicht empathisch dabei.
쐌
Dosiert: Die Aufnahmebereitschaft und -fähigkeit achten.
Ich meine, für heute ist es wichtig, wenn Sie wissen, dass …
Nicht: Folgende zehn Punkte sollten wir in den nächsten fünf Minuten noch besprechen.
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Im Rahmen von Feedback gilt (nicht für Äußerungen hinsichtlich der Einstellung
einer neuen Therapie oder der Notwendigkeit einer Operation):
쐌 Nur neue Informationen geben: Es ist Vergeudung von Zeit, bereits geäußertes Feedback zu wiederholen.
Ich meine, das wirklich Wichtige ist bereits gesagt worden.
Nicht: Ich will gerne noch einmal wiederholen, dass …
쐌
Subjektiv: Es soll klar werden, wer die Aussage trifft.
Ich finde, dass Sie dabei nie Ihre Gesundheit aus den Augen verlieren ist wirklich
beachtenswert.
Nicht: Man sollte tatsächlich dabei auch immer an die Gesundheit denken.
쐌
Konkret: Auf einen begrenzen Inhalt, nicht auf die ganze Person bezogen – keine Verallgemeinerungen.
Bei der Entscheidung sollten Sie immer an Ihre gesundheitliche Lage denken.
Nicht: Sie verstehen es einfach nicht, auf Ihre Gesundheit zu achten.
쐌
Brauchbar: Immer den Nutzen für den Feedback-Nehmer beachten.
Dann freut sich Ihr Partner sicher über Ihre Entscheidung.
Nicht: Das haben Sie gut entschieden.
쐌
Beschreibend: Auf jede Bewertung (allenfalls Lob) verzichten.
Wenn Sie Ihren Blutdruck jeden Tag messen, werden Sie ein genaues Abbild Ihrer
Situation erhalten.
Nicht: Das können Sie so doch nicht tun: Wenn Sie Ihren Blutdruck praktisch nie
messen, können Sie nicht wissen, wie es um Sie steht.
쐌
Konstruktiv: Perspektiven aufzeigen, nicht bereits Vorhandenes destruieren.
Sie halten sich so gut an die Essensregeln. Verbinden Sie es auch mit etwas Sport.
Dann wird sich Ihr Blutdruck wieder auf Normalwerte zu bewegen.
Nicht: Es reicht nicht, nur aufs Essen zu achten und den Sport zu vergessen.
쐌
Angemessen, aber fast ausschließlich positiv formulieren: Negative Aussagen
wirken destruktiv und konterkarieren damit das Ziel eines Feedbacks.
Es ist gut, dass Sie daran gedacht haben.
Nicht: Das wissen Sie doch längst, aber immerhin haben Sie wenigstens das beachtet.
Annehmbar formulieren
Lernen Sie positiv zu beschreiben, was Sie begehren, anstatt das zu sagen, was Sie
nicht wollen [41].
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6 Als Arzt sprechen
Übung: Aus Minus mache Plus
»
Im Folgenden werden Ihnen einige Sätze angeboten. Ihre Aufgabe besteht darin, diese Sätze so umzuformulieren, dass eine positive Aussage daraus wird.
Beispiel:
Wenn Sie die Tabletten nicht in exakt achtstündigem Abstand einnehmen, wirken sie schlechter.
Positiv:
Die beste Wirkung erzielen die Tabletten, wenn Sie diese möglichst genau in achtstündigem Abstand einnehmen.
Sätze:
쐌 Die Krankenkassen zahlen das längst nicht mehr.
쐌 Wenn Sie weiterhin zu dick sind, wird Ihr Zucker niemals besser.
쐌 Sie wissen doch: Rauchen verursacht Lungenkrebs.
쐌 Normalerweise heilt solch eine Wunde schneller als bei Ihnen.
쐌 Die Impfung wirkt in 45 % der Fälle nicht.
쐌 Wenn Sie diese Behandlung wünschen, müssen Sie mit vielen Risiken rechnen.
Formulieren Sie nun die Sätze in eine positive Aussage um. Wenn Sie dann an
einer gewissen Steigerung üben möchten, drücken Sie die sechs Sätze positiv
und zugleich hoffnungs- und erwartungsvoll aus.
Beispiel:
Ich bin sehr zuversichtlich, dass Ihnen diese Tabletten rasch helfen werden. Beachten Sie einfach den Abstand von acht Stunden möglichst genau.
Gehört wird das Gute
Fallbeispiel
Die Ärztin führt ein Mitarbeitergespräch. Sie ist mit der neu eingestellten Arzthelferin
nicht zufrieden. Sie braucht Menschen, die anpacken – und das geht mit auffallend
langen, aufgeklebten Fingernägeln nur schlecht. Daneben hat sie gesehen, wie die Arzthelferin von ihr gewünschte Probenentnahmen vertauscht hat, was unschöne Konsequenzen gehabt hätte, wäre es nicht bemerkt worden.
Im Gespräch teilt die Ärztin der Arzthelferin ruhig mit, dass sie ihre Probezeit in gegenseitigem Einverständnis auf sechs Monate verdoppeln möchte, weil sie sich nicht sicher
ist, ob eine dauerhafte Zusammenarbeit sinnvoll ist.
Nach dem Gespräch berichtet die Arzthelferin ihren Kolleginnen, wie zufrieden die
Ärztin sei und dass sie sie nach einer gewissen Beobachtungszeit übernehmen wolle.
Sicher, es gäbe ein paar Kleinigkeiten, an denen sie arbeiten müsse, aber alles in allem
sei die Chefin wohl zufrieden mit ihr.
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