Zeitpunkt der Synthese und Zusammensetzung der messenger

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ZEITPUNKT DER SYNTHESE UND ZUSAMMENSETZUNG DER MESSENGER-RNS
331
Z e i t p u n k t der Synthese u n d Z u s a m m e n s e t z u n g der messenger-RNS
bei KB-Zellen nach Adenovirus-Infektion
Von
K
urt
K
öhler
und
T
a k esh i
O
daka
*
Aus dem Max-Planck-Institut für Virusforschung, Abteilung für physikalische Biologie, Tübingen
(Z. Naturforschg. 19 b, 331—336 [1964] ; eingegangen am 8. November 1963)
Time of synthesis and base composition of messender-RNA in adenovirus infected KB-cells has
been studied. KB-cells infected with Adnovirus type 2 do not carry out viral synthesis when low
concentrations of Actinomycin are present in the medium. The whole period from the time of in­
fection up to the 16th hour after infection is sensitive to the inhibitor.
During various intervals after infection, pulse labelled RNA was investigated for its base com­
position. During the course of viral synthesis kinds of RNA which show a transient tendency to
match Adenovirus-DNA in its base composition appear. It is proposed that this type of RNA is
messenger-RNA due to its sensitivity to Actinomycin and its base composition.
Adenovirus Typ 2, dessen genetisches M aterial
eine Doppelstrang-DNS i s t 1, läßt sich in Zellkultu­
ren von HeLa- oder KB-Zellen leicht vermehren.
Nach der Infektion mit diesem Virus wird in der
Zelle eine neue DNS synthetisiert, die mit Viruspro­
tein umhüllt, zur neuen infektiösen Einheit wird.
Diese DNS hat eine von der normalen KB-Zelle ver­
schiedene Zusam m ensetzung 1. Außerdem werden
mindestens 2 neue Proteine synthetisiert2, die nur
in infizierten Zellen mit Antiseren gegen gereinigtes
Adenovirus nachweisbar sind. Die Synthese dieser
Proteine sollte nach den allgemeinen Erfahrungen
durch eine besondere Messenger-RNS (m-RNS)**
vermittelt werden, die an der infektiösen Virus-DNS
synthetisiert wird und spezifischer Inform ationsträ­
ger ist.
Eine ausführliche Darlegung der messenger-RNSHypothese ist kürzlich von S i b a t a n i 3 geschrieben
worden, so daß die folgenden Postulate ohne Kom­
m entar bleiben können.
Messenger-RNS sollte erstens ein der DNS ent­
sprechendes oder angenähertes Basenverhältnis
haben, sofern beide Stränge oder die gesamte Länge
der Stränge statistisch gleiche Basenverteilung haben
und m-RNS produzieren. Sie sollte zweitens durch
kurze Pulse mit Isotopen zu markieren sein, drittens
sich mit der DNS, an der sie gebildet wurde, hybri­
disieren lassen und viertens eine spezifische P rotein­
Z e l l k u l t u r e n : Das Adenovirus Typ 2 (St.
Louis) wurde auf KB-Zellen vermehrt, die von der
Italdiagnostic bezogen wurden. Die Anzucht geschah in
R o u x - Kolben (ca. 160 cm2 Fläche) mit Hilfe von
E a g l e s Medium (modifiziert nach D u l b e c c o 5 bzw.
M a r c u s und Mitarbb. 6) und 5% Kälberserum. Vor der
Infektion wurden die Zellschichten nach zweimaliger
Waschung mit „Tris“ gepufferter Salzlösung 5 mit 0,5 ml
Virussuspension inokuliert und 60 Min. bei Zimmertem­
peratur stehengelassen. Darauf wurden die Kulturen
mit dem modifizierten E a g l e s Medium übergossen
und bis zur Aufarbeitung inkubiert. Sie wurden dann
trypsiniert und in einem Zentrifugenglas gesammelt
und ca. 108 Zellen in 30 ml modifiziertem E a g l e ohne
Phosphat 30 Min. lang in Suspensionskultur gehalten,
* Stipendiat der „Alexander v. Humbold-Stiftung“.
1 M. G r e e n , Cold Spring Harbor Sympos. quantitat. Biol.
27, 219 [1962].
2 z. B. W . C. W il c o x , H. S. G in s b e r g u . T. A . A n d e r s o n , J.
exp. Medicine 118, 307 [1963].
** Abkürzungen: m-RNS = Messenger RNS, r-RNS = Ribosomen-RNS, A = Adenylsäure, U = Uridylsäure, G =
Guanylsäure, C = Cytidylsäure.
3 A. S ib a t a n i , Exp. Cell Res. Suppl. 9, 289 [1963].
4 E. R e i c h , R . M . F r a n k l i n , A. J. S h a t k i n u . E. L. T a tu m ,
Proc. nat. Acad. Sei. USA 48.1238 [1962].
5 R . D u lb e c c o u . G. F r e e m a n , Virology 8, 396 [1959].
6 P . I. M a r c u s , S . J. C i e c i u r a u . T . T . P u c k , J. exp. Medicine
104, 615 [1956].
synthese im zellfreien System ergeben. Fünftens
wird m-RNS-Synthese durch Actinomycin spezifisch
gehemmt.
Actinomycin D beeinflußt die Synthese verschiede­
ner RNS-Viren, wie z. B. Polio- und Mengovirus nicht.
Dagegen wird z. B. die Vermehrung des Vaccinevirus
(DNS) im Cytoplasma von L-Zellen unterdrückt4, was
auf die Beteiligung einer m-RNS schließen läßt.
Es werden hier Ergebnisse mitgeteilt, die zeigen,
daß Actinomycin die Adenovirussynthese hemmt
und daß sich eine durch Puls markierte RNS nach
Infektion in ihrer Zusammensetzung der Adeacovirus-DNS annähert.
M aterial und M ethoden
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332
K. KÖHLER UND T. ODAKA
sodann wurden 4 mC Phosphat zugefügt und 25 Min.
weitergerührt. Danach wurden die Zellen abzentrifu­
giert und mit einer Dodecylsulfat-Lösung von 60 cC
lysiert (s.u.).
E x t r a k t i o n : Für die Extraktion wurden meh­
rere Methoden durchprobiert7-10 und schließlich das
folgende als das einfachste und erfolgreichste Verfah­
ren beibehalten:
P henol: (handelsübl., Fa. Merck, Darmstadt) wurde
mit Wasser .gesättigt und auf 100 ml 5 ml 1-n.
NaOH zugefügt, so daß sich ein pn von 7 —8 er­
gab.
D odecylsulfat: zu 100 ml Salzlösung 5 von pn 7,4 wur­
den 2 g Dodecylsulfat (Fa. Heyl, Berlin, 2-mal ge­
reinigt und kristallisiert nach C restfield und Mit­
arbb. n ) und 0,125 g Bentonit Nr. 2 (Fa. Roth,
Karlsruhe) gegeben.
Beide Medien wurden auf 60 C vorgewärmt und die
übliche zweimalige Phenolextraktion mit je 50 ml von
jedem der genannten Medien durchgeführt; nach
5 Min. Schütteins wurden die Phasen durch Zentrifuga­
tion getrennt.
Die vereinigten Pufferphasen wurden mit 3 Volu­
mina Alkohol gefällt und über Nacht bei —20 °C
stehengelassen. Danach wurde zentrifugiert („KühlStock“ 3000 U/min, 15 Min.), einmal mit Alkohol ge­
waschen und das Sediment mit 20 ml 0,1-m. NaCl-Lösung in 0,05-«. N a-P04-Puffer und einer Spur Bentonit
bei Zimmertemperatur gerührt. Der Überstand wurde
säulen-chromatographisch auf getrennt.
S ä u l e n c h r o m a t o g r a p h i e : Es wurden die
Erfahrungen von Sueoka u . a. 10, 12 genutzt. 12 g HyfloSupercel wurden mit 3 ml methyliertem Albumin ge­
koppelt und eine Säule von ca. 2 cm Durchmesser und
ca. 10 cm Höhe gegossen. Auf diese wurde mit 0,3 atm
Druck der Überstand der Extraktion absorbiert und
2mal mit 20 ml 0,1-m. NaCl (ph 6,7) gewaschen. Es
wurde mit einem log. Gradienten von 0,1-m. nach 2 -m.
NaCl eluiert. Die Apparatur enthielt ein Durchflußphotometer (LKB-Uvicord, Messung bei 254 la/x) und
registrierendem Schreiber, sodann einem „Durchfluß­
zählrohr“, welches an einem registrierenden Schreiber
(Modell F + H) angeschlossen war. Die 5 ml Proben
wurden schließlich mit einem Fraktionssammler gesam­
melt. (Das „Durchflußzählrohr“ bestand aus einer Spi­
rale aus Polyäthylenschlauch und einem Endfensterzählrohr FHZ 12 a).
Die Proben wurden im Zeiss-Spektralphotometer und
mit einem Flüssigkeitszählrohr (FHZ 44) an einem
Telefunkengerät nachgemessen.
5, 217 [1962].
J. E. D a r n e l l , B i o d i e m . B i o p h y s i c . R e s .
C o m m . 7,4 8 6 [1962].
G . P . G e o r g i e v u . V. L. M a n t i e v a , B i o c h i m . b i o p h y s i c a
A c t a [ A m s t e r d a m ] 61. 153 [1962].
L. P h i l i p p s o n , J. G e n . P h y s i o l . 4 , 899 [1961].
A . M . C h e s t f i e l d , K. C . S m i t h u . F. W. A l l e n , J. b i o l .
C h e m i s t r y 216, 185 [1955].
7 H . H . H ia tt,
8
9
10
11
K.
J.
m o le c u la r B io l.
S cherrer u .
B a s e n a n a l y s e : Die für die Basenanalye vor­
gesehenen Röhrchen wurden vereinigt, mit Hefe-RNS
versetzt und mit 0,2-n. Perchlorsäure (Endkonz.) ge­
fällt. Nach 15 Min. (bei 4 cC) wurde abzentrifugiert,
der Überstand abgekippt und sofort 0,5-n. KOH zuge­
geben und 18 Stdn. bei 37 °C hydrolysiert. Das mit
Perchlorsäure in Gegenwart von Phenolrot bei 4 °C
neutralisierte Hydrolysat wurde auf eine Dowex 1 x 2
(400 mesh) Säule, ca. 1 cm Durchmesser, 35 cm Höhe,
gegeben und mit einem log. Gradienten von H20 nach
0,1-n. HCl eluiert13. Die Elution der Säulen wurde mit
Durchflußphotometer und -zählrohr überwacht. Die Pro­
ben wurden einzeln und vereint gemessen. Die Ergeb­
nisse sind Mittelwerte aus 3 Messungen.
Actinomycin D stellte uns Fa. Merck, Sharp u.
Dome, New York, zur Verfügung. Die im folgenden be­
schriebenen Tests wurden im Dunkeln in 5 cm Durch­
messer Falcon-Petrischalen durchgeführt; die Antiseren
wurden durch Injektion von gereinigtem Adenovirus 14
in Kaninchen gewonnen. Der Agardiffusionstest nach
O u c h t e r l o n y wurde ebenfalls in 5 cm-Falcon-Petrischalen angesetzt, wobei 1% Reinagar-„Behringwerke“Gel benutzt wurde.
E rgebnisse
1. Versuche m it A ctin o m yc in
In einer ersten Versuchsreihe wurden verschie­
dene Konzentrationen von Actinomycin auf infi­
zierte und nicht infizierte Zellen gegeben. Eine
Dauerapplikation von nur 0,05 y/ml hemmt die Ver­
mehrung der KB-Zellen. Die gleiche Konzentration
verhindert in solchen Zellen die Virus-Synthese, wie
auch die Anreicherungen von Virusantigen. Abb. 1
Abb. 1. Agardiffusionstest. Im Zentrum Kaninchen-Antiserum
gegen Adenovirus. In den peripheren Löchern Zellhomogenat
von infizierten KB-Zellen, die 48 Stdn. in verschiedenen Kon­
zentrationen von Actinomycin belassen worden waren (Ko
ohne Actinomycin).
12 J. D. M a n d e l l u. A. D. H e r s h e y , Analyt. Biodiem. [New
York] 1, 66 [1963] ; N. S u e o k a u . T.-Y. C h e n g , J. molecu­
lar Biol. 4, 161 [1962]; M . T a k a i , N. K o n d o u . S . O s a w a ,
Biochim. biophysica Acta [Amsterdam] 55, 416 [1962].
13 Herrn Dr. M. C esk a verdanke ich Ratschläge bei der Ein­
richtung der Methode.
14 K . K ö h l e r , Z. Naturforsdig. 17 b, 544 [1962].
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333
ZEITPUNKT DER SYNTHESE UND ZUSAMMENSETZUNG DER MESSENGER-RNS
nicht infiziert
nach
24 Stdn.
nach
48 Stdn.
tryps. n.
24 Stdn.
nach
48 Stdn.
+
+
+
+
+
±
±
—
+
+
+
+
+
+
—
—
+
+
+
+
+
+
—
—
A ctinom ycin
V
f
0,0000
0,005
0,01
0,03
0,05
0,1
0,3
1,0
infiziert
tryps. n.
24 Stdn.
nach
72 Stdn.
+
+
+
+
±
±
—
—
nach
24 Stdn.
nach
48 Stdn.
+
+
+
+
+
+
±
—
CPE
CPE
CPE
CPE
tryps. 24 Std. n. Infektion
nach
nach
48 Stdn.
72 Stdn.
+
+
—
—
CPE
CPE
CPE
CPE
CPE
±
CPE
CPE
CPE
CPE
CPE
±
—
±
—
—
Tab. 1. Einwirkung von verschiedenen Konzentrationen Actinomycin auf infizierte und nicht infizierte KB-Zellen. Zustand zu
verschiedenen Zeiten nach Zugabe des Inhibitors. + : Gesunde, festsitzende Zellen (Vermehrungsrate nicht bestimmt).
CPE: Zellen abgelöst, traubig verklumpt, cytopathogener Effekt. — : Tote, freischwebende Zellen oder spindlig festsitzend.
2. B asen an alyse p u lsm a rk ie rte r R N S
In einer Reihe von weiteren Versuchen sollte ge­
klärt werden, ob eine rasch synthetisierte RNS k ü r­
zerer Lebensdauer existiert und ob ihre Basen-
Banden im
O u c h te r ­
lo n y
plaques
pro ml
—
0
0 - 2
2 - 4
4 - 6
6 - 8
8 -1 0
1 0 -1 2
1 2 -1 4
1 4 -1 6
1 6 -1 8
1 8 -2 0
2 0 -2 2
2 2 -2 4
K ontrolle
Tab. 2.
—
0
—
—
0
—
—
—
+
+
+
+
+
0**
Zugabe von
Actinom ycin
nach
Infektion
[Stdn.]
00
00
zeigt einen O u c h t e r l o n y - Agardiffusionstest,
bei dem bereits bei 0,03 y j ml die Banden schwächer
werden, bei 0,05 7/ ml gelingt der Nachweis von Virusantigen nicht mehr.
In einem weiteren Versuch wurden verschiedene
Konzentrationen Actinomycin auf normale und in­
fizierte KB-Zellen in kleinen Petrischalen gegeben
und diese 24 Stdn. inkubiert. Danach wurde die
Hälfte der Schalen trypsiniert, neu ausgesät und wei­
tere 48 Stdn. beobachtet. Da sich infizierte Zellen
nach eigenen Versuchen nicht mehr am Polystyrol
(Schalenmaterial) festsetzen, konnte man sicher her­
ausfinden, welche Zellen erfolgreich infiziert waren.
Tab. 1 zeigt, daß bei 0,03 7/m l die KB-Zellen in der
Beobachtungszeit ungeschädigt bleiben und Virus
synthetisieren. Bei 0,05 7/m l zeigen die trypsinierten infizierten Zellen, daß sie zwar infiziert sind,
aber offenbar kein V irus produzieren, da sie sich
nicht mehr festsetzen.
Um den Zeitpunkt der Synthese von m-RNS im
Zeitraum zwischen dem Eindringen des infizierten
Virus und der Fertigstellung des neuen Virusmate­
rials zu erfahren, wurde in 2-Stdn.-Intervallen eine
höhere Konzentration Actinomycin (4 7 /ml) verab­
folgt und nach Waschen das gewöhnliche K ultur­
medium für insgesamt 48 Stdn. belassen (Tab. 2 ).
Es ergibt sich, daß die w ährend der ersten 16 Stdn.
wichtige durch Actinomycin hemmbaren Vorgänge
ablaufen, die für die Synthese von infektiösem Virus
und Antigen benötigt werden.
2 • 107
4 • 107
Zugabe von Actinomycin zu infizierten KB-Zellen
zu verschiedenen Zeiten.
Zusammensetzung auf eine Beziehung zu einer DNS
hinweist. Um diese Frage zu klären, wurden die in­
fizierten Zellen (wie unter Material und Methoden
angegeben) mit 32P pulsm arkiert und die Nucleinsäurefraktion auf einer methylierten Albumin-Kieselgursäule aufgetrennt. Das Elutionsschema ist für
infizierte wie für nicht infizierte Zellen gleich
(Abb. 2.)
Der markierte Gipfel pulsm arkierter RNS folgt
der Ribosomen-RNS und hat daher eine Sedimenta­
tionskonstante von mehr als 28 S 10. Da bei der
Länge der Pulse die Möglichkeit einer RibosomenRNS-Synthese nicht ausgeschlossen werden kann,
wurde der Gipfel im Maximum in 2 Teile zerlegt
und jede Schulter für sich hydrolysiert. Die Basen­
verhältnisse der (Ribosomen)-Schulter (a) und des
Gipfels im Bereich der s-RNS bleiben während der
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K. KÖHLER UND T. ODAKA
Radio­
aktivität
Abb. 2.
Elutionsschema fiir Nucleinsäuren aus KB-Zellen
18 Stdn. nach Infektion mit Adenovirus.
ganzen Zeit nach Infektion gleich (Tab. 3, Zeile 6
und 7 ). Dagegen ändern sich in der Schulter (b)
die Basenverhältnisse mit einer charakteristischen
Tendenz. Die Adenylsäure (A) und U ridylsäure (U)
nehmen im Verlauf der Virussynthese ab, Guanyl(G ) und Cytidylsäure (C) steigen an. Etwa ab 18
Stdn. reflektiert das Basenverhältnis angenähert
dasjenige der Virus-DNS (Abb. 3 ). Der Anteil von
Guanylsäure und Cytidylsäure in der normalen KBZelle fällt daher von ca. 1,2 auf ca. 0,8 für die in­
fizierte Zelle ab. Das entsprechende Verhältnis für
normale HeLa-, bzw. KB-DNS liegt bei 1,3 (G r e e n i ,
S c h e r r e r 8), für Adenovirus-DNS bei 0,8 1 (Abb. 4 ).
In Gegenwart von Actinomycin (10 7/ml) wird
keine m arkierte RNS gebildet. Die Region, in der
normalerweise diese RNS von der Säule eluiert
wird, zeigt nach Hydrolyse keine m eßbare R adio­
aktivität für Nucleotide. FUDR (1 0 ~ 4-/n.), das die
Stdn. nach Infektion ■
Abb. 3. Verschiebung der Basenverhältnisse für pulsmarkierte
RNS der Schulter (b) im Verlauf der Infektion.
15 R . R . R
ueckert u .
G.
C.
M
u eller,
[I960].
16 M . G r e e n ,
Cancer Res. 20, 1584
Stdn. nach Infektion ■
Abb. 4. Verschiebung des Quotienten für pulsmarkierte RNS
für Schulter (a) und (b) im Verlauf der Infektion.
Zell- und Virus-DNS-Synthese ab sto p p t 15,16 hat in
unseren Versuchen keinen Einfluß auf die Zusam­
mensetzung dieser RNS. Es wird also auch dann
neue RNS gebildet, wenn keine neue Virus-DNS ge­
macht wird. Es darf daher angenommen werden,
daß neu synthetisierte Virus-DNS mehr als ein
Molekül m-RNS produziert.
D isk u sio n
Es konnte gezeigt werden, daß im Verlauf der
Infektion von KB-Zellen mit Adenovirus dauernd
pulsmarkierte RNS gebildet w ird; in Gegenwart von
Actinomycin findet diese Synthese nicht statt. Ac­
tinomycin im Kulturmedium verhindert auch die
Produktion von Virus in Zellkulturen. W ir vermu­
ten daher, daß zwischen den beiden Vorgängen ein
ursächlicher Zusammenhang besteht. Da Actinomy­
cin die Synthese von m-RNS durch Reaktion mit
dem Guanin der Mutter-DNS blockiert17, sollte
diese RNS den messenger des Adenovirus darstel­
len. Die Verschiebung der Basenverhältnisse ist ein
zusätzlicher Hinweis dafür.
Wenn nun während des ganzen Zeitraumes der
Virusproduktion in der Zelle m-RNS gebildet und
benötigt wird, würde das bedeuten, daß wichtige
Proteine schon innerhalb der ersten Stdn. syntheti­
siert werden. Solche Proteine sind bereits für die
Entwicklung von DNS- und RNS-Viren bekanntge17 I. H. G o l d b e r g , M. R a b in o w it z
Acad. Sei. USA 48. 2094 [1962].
Virology 18, 601 [1962].
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u
.
E.
R e i c h ,,
Proc. nat.
ZEITPUNKT DER SYNTHESE UND ZUSAMMENSETZUNG DER MESSENGER-RNS
335
worden, wo sie als „early-proteins“ bezeichnet wer­
den 18. Unter diesen early proteins wird man En­
zyme vermuten dürfen, so wie z. B. für das Adeno­
virus eine DNS-polymerase ( G r e e n 19) und even­
tuell eine RNS-polymerase für m-RNS. Die Synthese
solcher Proteine beginnt nach 16 Stdn. entbehrlich
zu werden; das ist die gleiche Zeit, ab der V iruspar­
tikel zusammengebaut werden, während die Synthe­
sen der DNS 16, sowie auch die der m-RNS, noch
einige Stdn. andauern.
Den Einfluß von Actinomycin auf ein anderes
DNS-Virus-Zellsystem (Vaccinevirus) haben R e ich
und M itarbb. 4 untersucht. Konzentrationen von
0,1 y/ml drücken dort die Virusausbeute auf 1/100
herab.
Mengo- und Poliovirussynthese wird dagegen
selbst von einer Konzentration 10 y/ml nicht beein­
flußt 4. Es ist zu vermuten, daß ein Teil der RNSViren RNS unabhängig von DNS bildet, während
die DNS-Viren, entsprechend dem genetischen Ma­
terial der Zellen selber, für ihre „A usprägung“ eine
m-RNS benötigen. Man findet allerdings, daß auch
die Verm ehrung einiger RNS-Viren durch Actino­
mycin verhindert wird. So zeigten B a r r y und M it­
arbb., daß bei der Infektion mit Influenzavirus in
Gegenwart des Inhibitors kein Hämagglutinin gebil­
det wird. R o tt und S choltissek verfolgten das P ro ­
blem weiter und fanden, daß in Gegenwart von Ac­
tinomycin die Synthese aller virusspezifischen Kom­
ponenten unterb leib t20. In diesem Zusammenhang
ist interessant, daß auch die Vermehrung des Reovirus, das eine Doppelstrang-RNS besitzt, unter Ac­
tinomycin gehemmt wird 21. Für das Roux-SarcomaVirus konnte Temin 22 zeigen, daß die V irusproduk­
tion bei mehr als 0,1 y Actinomycin im ml K ultur­
flüssigkeit unterbleibt. Er fordert daher, daß hier
auch eine DNS, und das müßte offenbar die der
Zelle sein, für die Synthese eine Rolle spiele.
Das Basenverhältnis der m-RNS nach AdenovirusInfektion verschiebt sich während der ersten 18 Stdn.
in Richtung der Basenzusammensetzung der VirusDNS. Zum Verständnis dieses „Überganges“ muß
beachtet werden, daß die Zellkulturen nicht synchro­
nisiert worden sind und daß der eigene Zellstoff­
wechsel wahrscheinlich nicht sofort radikal auf die
Adenovirussynthese umgeschaltet wird. Eine weitere
Möglichkeit ist die, daß zunächst nur an kurzen
Teilstücken der Virus-DNS messenger gemacht wird,
die von der durchschnittlichen Zusammensetzung ab­
weichen, bis dann nach 15 oder 18 Stdn. die ganze
Länge der DNS m-RNS liefert.
Die folgende Tabelle (Tab. 3, Zeile 1 —24) stellt
einige Werte für Basenverhältnisse von Nucleinsäuren einiger Säugetierzellen zusammen. Allgemein
gilt, daß die DNS dieser Zellen einen hohen Anteil
an A und T (> 5 0 % ) hat (Zeile 1, 8, 13, 17, 22).
Die RNS der Kernribosomen und der Ribosomen
im Cytoplasma besitzt dagegen einen höheren P ro ­
zentsatz an G und C (Zeile 12, 14, 15, 18 —2 1 ).
Die abgetrennte Schulter (a) des markierten Gipfels
(Abb. 2) in den oben beschriebenen Experimenten
läßt sich auf Grund ihrer Lage im Elutionsschema
und der Basenzusammensetzung als r-RNS deuten
(Zeile 6 ). S cherrer und D arnell 8,23 haben mit
vergleichbaren Methoden HeLa-Zellen m arkiert und
die Basenverhältnisse der m arkierten Gipfel be­
stimmt. Der größte Anteil dieser neugebildeten RNS
scheint r-RNS zu sein (Zeile 23 —2 4 ), wenig da­
gegen m-RNS mit niedrigem G + C-Gehalt. Wenn
bei unseren Experimenten eine neue RNS [Schulter
(b) des Gipfels in Abb. 2] mit niedrigem G + C in
viel größerer Menge gefunden wurde, so ist dies
darauf zurückzuführen, daß S cherrer und D arnell
logarithmisch wachsende Suspensionskulturen ver­
wendet haben, während hier bei KB-Zellen geschlos­
sene Monolayer-Kulturen, deren Zellen nicht mehr
logarithmisch weiter wachsen, zugrunde liegen. Die
sich teilende Zelle wird daher — im Gegensatz auch
zur infizierten Zelle — eine starke Synthese an
Ribosomen zeigen. W ir haben den Vorteil der „stepdown-“-Kultur 28 genutzt, mit Zellen zu arbeiten, die
vorwiegend messenger m arkieren würden. Trotzdem
weichen die Brutto-Basenverhältnisse zwischen
KB —DNS und ihrer m-RNS voneinander ab, so
daß man daraus schließen darf, daß wiederum nur
ein Teil des Genoms unter den gewählten Bedingun­
gen aktiv ist.
Der von uns chromatographisch angetrennte Gip­
fel radiom arkierter RNS ist nicht einheitlich; des­
halb wurde er in die Schultern (a) und (b) zerlegt.
18 z .
20 R .
J. B. Z i m m e r m a n n , S . R . K o r n b e r g u .
Proc. nat. Acad. Sei. USA 45, 772 [1959] ;
C. S c h o l t i s s e k , R . R o t t , P . u. H . H a u s e n u . W. S c h ä f e r ,
Cold Spring Harbor Sympos. quantitat. Biol. 27, 245
[1962],
M. G r e e n u. M. P in a , Virology 17, 603 [1962].
J.
19
B. A.
K o rn b e rg ,
J o sse,
21
22
D. B a r r y , D. R . I v e s u . J. G . C r u i c k s h a n k , Nature [Lon­
don] 194, 1139 [1962] ; R . R o t t u. C . S c h o l t i s s e k , im
Drude.
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H. T e m in , Virology 20, 577 [1963],
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ZEITPUNKT DER SYNTHESE UND ZUSAMMENSETZUNG DER MESSENGER-RNS
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23
24
K öhler
K öhler
S ibata n i 24
S ibatani
S ibatani
S ibatani
S ibatani
Chargaff 25
G eo r g iev 1
G eorgiev
G eorgiev
H arris 26
H arris
H arris
A t t a r d i, u .
S mith 27
A t t a r d i. u .
Sm ith
S cherrer u.
D arnell 23
Sch errer u .
D a r n e ll
Scherrer u .
D a r n e ll
Gewebe, Methode
NS
G
C
A
U /T
21
28
29,1
21
28
29.7
28
23
20
30
21
20.6
25
27
22
27
23
21
28
24
29
27
19,8
19,9
19.2
19.8
28,2
21,5
28,7
27,7
23,6
20,2
34,2
31,0
31,1
19
17
29.3
26,8
16,3
29,3
20,4
28,7
20,2
21,0
27,2
28,4
19,0
20,2
16,9
23
22
28,4
29,9
28,7
28,4
18,6
28,4
19,7
22,1
28,8
32,7
16,4
17,3
18,0
K B-Zellen, chem.
Adenovirus, chem.
K B inf. m. Adenovirus
32P-Einbau
10—22 Stdn. n.
Infektion
K B-Zellen, 32P-Einbau
K B-Zellen, inf. m.
Adenovirus 24 Stdn.
n. Infektion
K B-Zellen, Schulter A
peak I (9 Stdn. p. J.)
Thym us
Thym us, Nueleolen
Fraktion II
m -R N S
m -RN S
Thym us, Kernribisomen
R atte, Leber
R atte, Leber
R atte, Leber Kerne
R atte, Leber Kerne
H eLa
H eLa Kerne
H eLa Cytoplasm a
H eLa, chem.
r-R N S
DNS
r-RNS
r-RNS
m -R N S
DNS
r-RNS
r-R N S
r-R N S
29
34
22.5
23,2
25,8
22,5
32,7
21,4
31,4
29.2
20,4
18,7
30,4
31,4
34,0
r-R N S
27,6
29,9
19,6
22,8
DNS
22,0
21,4
29,1
27,5
H eLa 45 s 32P-Einbau
m -R N S
29,3
29,8
19,8
20,1
H eLa 35 s 32P -Einbau
m -R N S
28,8
30,4
19,9
20,7
H eLa, 32P-Einbau
HeLa
DNS
DNS
RNS
r-RNS
?
DNS
m -R N S
Tab. 3. Basenverhältnisse von Nucleinsäuren aus Säugetier zellen (Auswahl).
s-RNS (vermutlich).
m-RNS (vermutlich), r-RNS (vermutlich),
Es gelang uns bisher keine bessere Trennung zwi­
schen r-RNS und m-RNS ebenso wie eine U nter­
scheidung von Zell- und Virus-m-RNS durch Auf­
trennung von Gemischen von 3H und 14C m arkier­
ter Nucleinsäure aus infizierten Zellen. Auf Grund
von Arbeiten von K u b i n s k i und M itarbb. und K a n o S u e o k a und S p i e g e l m a n 29 hatten wir uns solche
Hoffnungen gemacht.
Die Versuche haben Hinweise für die Existenz
einer m-RNS des Adenovirus gebracht. Das ent­
scheidende Kriterium, daß die von uns gefundene
m-RNS für die Synthese eines spezifischen Proteins
(z.B . der Capsomeren = gruppenspez. A ntigen2)
verantwortlich sei, muß aber unbedingt erbracht
werden.
R. de K lo e t , V. G. A l l f r e y u . A . E. M ir s k y ,
Proc. nat. Acad. Sei. USA 48, 471 [1962].
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27 G. A t t a r d i u . J. S m it h , Cold Spring Harbor Sympos. quan­
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28 M. H a y a s h i u . S . S p ie g e lm a n , P r o c . n a t . A c a d . S e i. U S A
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29 T. K a n o - S u e o k a u . S . S p ie g e lm a n , Proc. nat. Acad. Sei.
U S A 48, 1942 [1962]; H . K u b in s k i, G. K o c h u . B. H i e r o nym i, Experientia [Basel] 19,311 [1963].
30 W . B . W o o d u . P. B e r g , Proc. nat. Acad. Sei. USA 48.
94 [1962].
24 A . S ib a t a n i , S .
Frau L. G r o h und Frau J. K a h l danken wir für die
Bereitstellung der Zellkulturen und für die Mithilfe
bei einigen Versuchen.
Das B u n d e s m i n i s t e r i u m f ü r w i s s e n ­
s c h a f t l i c h e F o r s c h u n g förderte in dankens­
werter Weise die Untersuchungen durch Gewährung
von Sachbeihilfen.
Unauthenticated
Download Date | 5/11/16 5:48 PM
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