Transkription bei Prokaryoten

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Transkription bei Prokaryoten
Hinweis: Im Atelier finden Sie die CD "The Nature of Genes". Mittels Tutorials und Aufgaben
werden die wichtigsten Themen der Molekularbiologie leicht verständlich vermittelt.
Elemente
Gene
Die zelluläre DNA legt die Nukleotidsequenz jeder RNA resp. die Aminosäurenfolge jedes
Proteins fest. Einen DNA-Abschnitt, welcher für die Synthese eines funktionsfähigen
biologischen Produktes (Protein via mRNA oder tRNA resp. rRNA) erforderlich ist, bezeichnet
man als Gen. Die Gesamtzahl der Gene eines Organismus nennen wir Genom.
Oft sind Gene in prokaryotischen Zellen, welche für verschiedene Proteine kodieren, als Gruppe
hinter einem gemeinsamen Promotor-Operator angeordnet. Eine solche Anordnung bezeichnet
man als Operon. Diese Anordnung gestattet eine simultane, koordinierte Regulation mehrerer
Gene.
Das Chromosom von Escherichia coli besteht aus einem einzigen ringförmigen DNA Molekül
von ungefähr 4.6 x 106 Basenpaaren. Das ist genug DNA um für etwa 4300 verschiedene
Proteine zu kodieren.
DNA-abhängige RNA-Polymerasen
Alle zellulären RNA-Polymerasen sind aus mehreren Untereinheiten aufgebaut. Die RNAPolymerasen von Bakterien bestehen aus 6 Untereinheiten:
RNA-Polymerase von E. coli
Untereinheit
Anzahl pro Komplex
α
2
β
1
β‘
1
ω
1
σ*
1
Molekulargewicht (kDa)
36
150
155
6
70
1
Funktion
DNA-Bindung
Nukleotidbindung
Matrizenbindung
Initiation
* Bakterienzellen enthalten in ihren RNA-Polymerasen verschiedene σ Untereinheiten, die für
die Transkription unterschiedlicher Gengruppen verantwortlich sind.
Die RNA-Polymerase kann funktionell und strukturell unterteilt werden: die 2 α, β, β' und ωUntereinheiten werden als Core-Protein (Core=Kern) bezeichnet. Zusammen mit der σ
Untereinheit bilden sie das Holoenzym:
Funktionen der RNA-Polymerase-Untereinheiten
• Die β -Untereinheit ist hauptsächlich für die Bindung der Nukleotide (ATP, GTP, UTP, CTP)
verantwortlich und spielt eine Rolle bei der Einleitung der RNA-Synthese. Dies kann dadurch
gezeigt werden, dass das Antibiotikum Rifamycin durch Binden an die β - Untereinheit den
Start der Transkription verhindert. Auch chemische Untersuchungen sprechen für eine
Aufgabe beim Start, denn das erste Nukleotid am 5'-Ende der RNA lässt sich kovalent an die
Seitengruppe einer Aminosäure in der β - Untereinheit binden. Die β - Untereinheit ist auch
an der Wechselwirkung mit der RNA beteiligt.
• Die β' -Untereinheit hat als wichtigste Aufgabe die Bindung des Enzyms an den
Matrizenstrang, die DNA.
• Die α-Untereinheiten halten das Enzym zusammen. Wie sich aus Untersuchungen über die
Zusammenlagerung der getrennten Untereinheiten ergab, bildet sich zuerst ein Dimer aus den
beiden α-Untereinheiten, an welches sich nacheinander die β - und die β'-Untereinheiten
lagern. Die α -Untereinheiten vermitteln auch Kontakte des Enzyms mit der DNA in der
Region des Promotors.
• Die σ- Untereinheit hat die spezielle Aufgabe, Startstellen der Transkription von BakterienGenen (-35 und -10 Position) zu erkennen.
Mechanismus
Der Grund-Vorgang
Alle RNA-Arten einer Zelle werden durch einen im Prinzip gleichartigen Mechanismus gebildet:
es wird eine Abschrift der Nukleotidfolge in einem Genabschnitt erstellt. Man bezeichnet das
Umschreiben von DNA in RNA als Transkription.
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Die für die Transkription notwendigen Enzyme heissen RNA-Polymerasen, oder genauer gesagt
DNA-abhängige RNA-Polymerasen. Die genauere Bezeichnung ist dann nützlich, wenn man
beispielsweise DNA-abhängige von RNA-abhängigen Polymerasen unterscheiden möchte.
Manche Viren, die als genetisches Material RNA tragen, benötigen nämlich für ihre Vermehrung
RNA-abhängige RNA-Polymerasen.
Die RNA-Polymerase kopiert die Nukleotidfolge des DNA-Matrizen-Stranges nach den Regeln
der Basenpaarung. Dort, wo in der DNA ein Guanin-Baustein steht, wird in der RNA ein CytosinNucleotid eingebaut, und umgekehrt. Komplementär zu einem Thymin in der DNA wird ein
Adenin-Nucleotid und komplementär zu einem Adenin- ein Uracil-Nucleotid in die RNA
eingebaut. Uracil nimmt also in der RNA die Stelle des Thymins ein. Die RNA-Polymerase
knüpft ein Nucleotid nach dem anderen an das 3' OH-Ende einer wachsenden RNA-Kette.
Aufgabe: Versuchen Sie zum folgenden DNA-Strang den entsprechenden RNA Strang
aufzuschreiben:
3'-GCATCTGCATTCGA-5'
Lösung: S. 12
Die Promotor-Operator-Region
Die RNA-Synthese muss präzise an einer Stelle in einem Gen beginnen. Es darf auch nicht
irgendein Strang transkribiert werden, sondern nur der Strang, dessen Transkript die genetische
Information trägt, der codogene oder Sinnesstrang. Die RNA-Polymerase (Holoenzym) bindet
bevorzugt an Stellen auf der DNA, die vor einem Genanfang liegen. Eine solche Erkennungs- und
Bindungsstelle nennt man Promotor.
Im Genom von E. coli sind die Nukleotidsequenzen von vielen verschiedenen Promotoren
bekannt. Wenn man sie vergleicht, so fallen einige Regelmässigkeiten auf:
•
In dem Bereich, der etwa 10 Basenpaare stromaufwärts vor dem Startpunkt der RNASynthese liegt (als stromaufwärts werden die Sequenzen vor dem Startpunkt, stromabwärts
solche hinter dem Startpunkt, also innerhalb der transkribierten Sequenz liegende Sequenzen
bezeichnet), kommt eine Sequenz von Nukleotiden vor, die eine mehr oder weniger grosse
Ähnlichkeit mit der Folge 5'-TATAAT-3' hat. Diese Region wird als Pribnow-Box (nach
ihrem Entdecker), als TATA-Box oder einfach als -10-Region bezeichnet (wobei als +1 das
Nukleotid am Startpunkt der RNA-Synthese angegeben wird, also das erste Nukleotid der
RNA).
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•
In dem Bereich, der etwa 35 Nukleotide stromaufwärts vom Start liegt (also in der -35
Region), gibt es innerhalb eines AT-reichen Abschnitts eine zweite Folge von oft
vorkommenden Nucleotiden, häufig 5'-TTGACA-3':
Die Abbildung zeigt einen Muster-Promotor. Man spricht von einer Konsensus-Sequenz, weil die
meisten natürlich vorkommenden Promotoren im Genom von E. coli in mehreren Positionen mit
der Mustersequenz übereinstimmen. Es stimmt jedoch fast kein Promotor genau mit der
Konsensus-Sequenz überein. Natürliche Abweichungen von der Konsensus-Sequenz
beeinträchtigen die Effizienz der RNA-Polymerase-Bindung und der Transkriptionsinitiation.
Die -35- und -10-Sequenzen werden durch DNA-Abschnitte, die stromaufwärts oder
stromabwärts liegen, beeinflusst. Diese Regionen, welche entweder vor der -35 Region oder aber
nach dem Startpunkt liegen, nennt man Operator.
Initiation
Die Initiation der Transkription ist ein wichtiger Angriffspunkt für die Kontrolle der
Genexpression. Häufig ist die Entscheidung darüber, ob an einem bestimmten Promotor initiiert
wird oder nicht, der wichtigste oder gar einzige Schritt bei der Festlegung, ob ein Gen ausgeprägt
werden soll. Wie wird nun die Fähigkeit der RNA Polymerase, an einem bestimmten Promotor zu
initiieren, kontrolliert?
Wir teilen zunächst die Promotoren in zwei Klassen ein:
• Einige Promotoren können vom RNA-Polymerase-Holoenzym allein erkannt werden; in
diesen Fällen wird ein zugänglicher Promotor immer transkribiert. Die Verfügbarkeit eines
Promotors wird durch Bindung von Proteinen festgelegt. Diese wirken entweder direkt am
Promotor, indem sie der RNA Polymerase den Zugang versperren, oder indirekt über die
Kontrolle der Genomstruktur in dem betreffenden Bereich.
• Andere Promotoren können die Transkription alleine nicht angemessen unterstützen; es
werden zusätzliche Proteinfaktoren benötigt, damit die Initiation stattfinden kann. Diese
Proteinfaktoren wirken gewöhnlich, indem sie DNA Sequenzen erkennen, die sich in der
Nähe der von der RNA-Polymerase gebundenen Sequenz befinden oder sogar mit dieser
überlappen.
Die RNA-Polymerase bindet schwach an irgendeine Stelle auf der Bakterien-DNA. Von dort
gleitet sie der DNA entlang, d.h. sie löst und bindet sich abwechslungsweise, bis sie auf eine
Promotor-Sequenz trifft. Dort bleibt sie haften. Bei dieser Bindung spielt die σ-Untereinheit der
RNA-Polymerase eine wichtige Rolle: sie verringert einerseits die Wechselwirkung der RNAPolymerase mit unspezifischer DNA und erkennt andererseits (im Verbund des Holoenzyms) die
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Nukleotid-Sequenzen sowohl in der -10-Region als auch in der -35-Region und vermittelt so die
spezifische Bindung der RNA-Polymerase an den Promotor.
Die Bindung der RNA-Polymerase an den Promotor ist nur der erste Schritt der Initiation. Ihr
folgt rasch der Übergang vom geschlossenen in den offenen Promotor-Komplex. Damit einher
geht eine Entwindung der DNA Doppelhelix in einem Abschnitt von etwa 12 Basenpaaren um
den Transkriptionsstart. Die Konformation der RNA-Polymerase wird verändert, und sie bedeckt
nun einen Abschnitt von ungefähr 80 Basenpaaren im Promotor.
Nun beginnt die eigentliche Transkription, indem die RNA-Polymerase ein kurzes Stück RNA
synthetisiert, das etwa 10 Nucleotide lang ist. Abhängig von der Art der Promotor-Sequenz und
den Bedingungen kann sich eine solche abgebrochene RNA-Synthese vielfach wiederholen, ohne
dass die RNA-Polymerase ihre Position verändert oder verlässt: sie steht also still. Man spricht
vom Initial-Transkriptionskomplex.
Erst wenn die RNA-Stücke eine Länge von 12 oder mehr Nukleotiden erreichen, geht der IntialTranskriptionskomplex in den Elongationskomplex über. Die σ-Untereinheit fällt ab, das CoreProtein verlässt den Promotor und begibt sich auf den Weg entlang des Matrizenstranges. Die
RNA-Polymerase nimmt dabei eine neue Konformation an, denn sie bedeckt nur noch einen
DNA Abschnitt von etwa 30 Basenpaaren.
Elongation
Das Prinzip der Kettenverlängerung liegt in der ständigen Wiederholung der Reaktionsfolge:
Auswahl des passenden Nukleotids, Anheftung an das 3'-OH-Ende der letzten Base und
Bewegung des Enzyms relativ zur DNA-Matrize. Dies läuft bei optimalen Bedingungen mit einer
Geschwindigkeit von durchschnittlich 30-60 Nucleotiden pro Sekunde ab.
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Alle Nukleinsäuren werden aus
Nukleosidtriphosphaten synthetisiert. Die
untenstehende Abbildung zeigt die
Kondensationsreaktion zwischen der 5'
Triphosphatgruppe des hinzukomrnenden
Nukleotids und der 3'OH-Gruppe des letzten
an die Kette gehängten Nukleotids. Das
neue Nukleotid verliert seine zwei
endständigen Phosphatgruppen (γ und β);
seine α-Phosphatgruppe wird für die
Phosphodiesterbindung verwendet.
Die Wanderung der RNA-Polymerase entlang der DNA ist keine gleichförmige Bewegung:
abhängig von der Nukleotid-Sequenz kann es manchmal zu Verzögerungen oder gar zum
Stillstand kommen. Um diese Probleme zu bewältigen, benötigt die RNA-Polymerase zusätzliche
Elongationsfaktoren, die mit der aktiven RNA Polymerase in Wechselwirkung treten und sie, je
nach Bedarf, wieder verlassen.
Verhalten der RNA-Polymerase bei einem Stillstand
Stillstände in ihrer Wanderung bewältigt die RNA-Polymerase durch neue Anläufe; ein
endständiges Stück bis zu einer Länge von 9 Nukleotiden wird vom 3'-OH-Ende der RNA
abgeschnitten. Dann werden, als neuer Anlauf zur Überwindung der Blockierung, einige neue
Nukleotide synthetisiert. Dazu braucht die RNA-Polymerase die Hilfsproteine Gre A und Gre B,
die sich bei einem Stillstand an die RNA-Polymerase binden. Weder die RNA-Polymerase noch
die Hilfsproteine können das Abschneiden des RNA-Endes allein durchführen. Eine Funktion der
Proteine Gre A und Gre B ist die Aktvierung einer Schneideaktivitat der RNA-Polymerase. Die
Abtrennung von RNA-Stücken, die bis zu 9 Nukleotide lang sind, setzt eine enge Bindung des
wachsenden RNA-Endes mit der RNA-Polymerase voraus. Entsprechende Experimente zeigen,
dass die isolierte RNA-Polymerase auch in Abwesenheit von DNA effzient an RNA binden kann.
Termination
Das Ende eines transkribierten Abschnittes auf der DNA bezeichnet man als Terminator-Region.
An dieser Stelle kommt die RNA-Polymerase gezielt zum Stillstand. Es folgt eine Ablösung von
RNA und Enzym von der DNA. Bei E. coli unterscheidet man zwei Arten der Termination:
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Rho-abhängige Termination
Das Rho-Protein besteht aus sechs identischen Untereinheiten mit einem Molekulargewicht von
je etwa 50 kDa. Es bindet an die gerade gebildete RNA in der Nähe des Terminators und
vermittelt so die Ablösung der RNA vom Enzym und von der DNA. Dazu ist die Bereitstellung
chemischer Energie in Form von ATP notwendig. Eine der Funktionen des Rho-Proteins ist die
Trennung der Wasserstoffbrücken zwischen komplementären DNA- und RNA-Strängen
(Helikase-Aktivität).
Einfache (oder Rho-unabhängige) Termination
Rho-unabhängige Termination wird durch spezifische Sequenzen in der DNA (und damit in der
RNA) bestimmt. Eine solche Sequenz findet sich am Ende vieler Transkriptionsabschnitte im
Bakteriengenom. Sie besteht aus Folgen von GC-Nukleotiden mit einem anschliessenden Block
von Adenin-Resten. Nach der Transkription dieser Terminationssequenz kann die gerade
synthetisierte RNA eine Doppelstrangstruktur mit einem Stamm aus 4-10 GC-Basenpaaren und
mit einer Schleife von 3-8 Nukleotiden bilden. Vermutlich interagiert der RNA-Doppelstrang mit
der RNA-Polymerase und verändert dadurch die Konformation des Enzyms, so dass der Komplex
aus RNA, Enzym und DNA auseinanderfällt:
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•
•
•
Der Poly(U)-Bereich wird von der RNA-Polymerase synthetisiert.
Durch die intramolekulare Paarung komplementärer Sequenzen in der RNA wird eine
Haarnadel gebildet, wodurch ein Teil des RNA-DNA-Hybrids zerstört wird.
Der verbleibende AU-Hybridbereich ist relativ instabil, und die RNA dissoziert vollständig
von der DNA ab.
Hinweis: Im Atelier können Sie sich das Video "Transkription bei Prokaryoten" ansehen.
Die Produkte
Alle Klassen von RNA, also mRNA (dient als Matrize bei der Translation), rRNA (ist am Aufbau
der Ribosomen beteiligt) und tRNA (sie bindet und liefert bei der Translation die Aminosäuren),
werden in E. coli Zellen mit etwa gleicher Rate synthetisiert. Trotzdem ist nur ein Anteil von 5-10
% der Gesamt-RNA einer Bakterienzelle vom Typ der mRNA, 75-80% ist rRNA, der Rest tRNA.
Diese Werte mögen erstaunen, wenn man bedenkt, dass zu einer gegebenen Zeit 1000 oder mehr
proteinkodierende E. coli-Gene transkribiert werden und mRNA liefern, während nur 7 rRNAGene und etwa 50 tRNA-Gene transkribiert werden. Die Ursache liegt darin, dass mRNA bald
nach ihrer Synthese wieder abgebaut wird, während rRNA und tRNA für längere Zeit erhalten
bleiben.
Die Halbwertszeit durchschnittlicher bakterieller mRNA liegt im Bereich von wenigen Minuten.
Dies mag verschwenderisch erscheinen. Es hat aber für Bakterien den Vorteil der grösseren
Flexibilität, denn die Bakterienzellen können ihre Genexpression rasch umstellen. Neue
Transkripte können produziert werden und in der Zelle zu wirken beginnen, ohne dass ihr Effekt
für längere Zeit von der Aktivität früher synthetisierter mRNA überdeckt wird.
Die stabilen RNA-Arten sind Bestandteile des Proteinsynthese-Apparates. Mehr dazu finden Sie
im Kapitel "Translation".
Hinweis: Im Atelier können Sie sich am Geschichtsposten über die Entdeckung der Synthese von
rRNA von 1962 informieren ("Yankofsky & Giacomoni, 1962").
Regulation der Transkription
Im Stoffwechsel von Bakterien sind sehr oft mehrere Enzyme an einer biochemischen
Reaktionsfolge beteiligt. Ihre Synthese wird erniedrigt, wenn das Substrat fehlt und erhöht,
sobald das Substrat erscheint. Aus dieser Verhaltensweise erklären sich die zentralen Merkmale
der Organisation bakterieller Gene. Gewöhnlich sind die Gene in Gruppen angeordnet, sog.
Operons, welche für mehrere Proteine, die für einen bestimmten Stoffwechselweg benötigt
werden, kodieren.
Eine solche Transkriptionseinheit wird in eine einzige polycistronische mRNA transkribiert, die
dann durch die Ribosomen in die einzelnen Proteine translatiert wird.
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Die Synthese von Enzymen als Antwort auf das Erscheinen eines spezifischen Substrats nennt
man Induktion. Dieser Regulationstyp ist bei Bakterien weit verbreitet. Das Musterbeispiel für
diese Art von Kontrollmechanismen liefert das Lactose-Operon von E. coli.
Wenn man E. coli Zellen in Abwesenheit eines β-Galaktosids wachsen lässt, enthalten sie sehr
wenige Moleküle des Enzyms β -Galaktosidase - vermutlich weniger als 5. Die Aufgabe dieses
Enzyms ist es, β -Galaktoside in seine Zuckerkomponenten zu spalten; z.B. wird Lactose in
Glucose und Galactose gespalten, welche dann weiter abgebaut werden. In Abwesenheit des
Substrates ist kein Bedarf für das Enzym.
Wenn ein geeignetes Substrat zugegeben wird, erscheint die Enzymaktivität in Bakterien sehr
schnell. Innerhalb von einigen Minuten liegt bereits eine geringe Menge an Enzym vor, und bald
darauf können es bis zu 5000 Enzymmoleküle pro Bakterium sein. Enfernt man das Substrat
wieder aus dem Medium, so hört die Enzymsynthese genau so schnell wieder auf, wie sie
begonnen hat. Die Transkription kann also entweder negativ (Repression) oder positiv
(Stimulation) beeinflusst werden.
Das Lac-Operon von E. coli: Beispiel einer Enzyminduktion
Das Lac-Operons enthält die drei Strukturgene lacZ, lacY und lacA. Es sind die Gene, die die
Information zur Synthese von Enzymen des Lactose-Stoffwechsels tragen. Die Aktivität dieser
Gene unterliegt einer genauen Regulation, denn im lactose-freien Nährmedium werden in einer
Bakterienzelle nur wenige Moleküle der Lactose verwertenden Enzyme gebildet. In Gegenwart
von Lactose als einziger Kohlenstoffquelle nimmt die Menge an Lactose-Enzymen um mehr als
das 1000-fache zu. Der Grund dafür ist, dass die von der Zelle aufgenommene Lactose bzw. ein
Umwandlungsprodukt (Allolactose) die Transkription des Lac-Operons anregt.
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Die drei Gene des Lac-Operons:
• lacZ kodiert für das Enzym β -Galactosidase, dessen aktive Form ein Tetramer aus 4
Untereinheiten von gesamthaft ca. 500'000 Dalton ist. Jede Untereinheit hat 1023
Aminosäuren. Damit ist die β -Galactosidase eines der grössten Proteine der Bakterienzelle.
Sie spaltet das Disaccharid Lactose in Glucose und Galactose, die dann jeweils über eigene
Stoffwechselwege zur Gewinnung zellulärer Energie abgebaut werden.
• lacY codiert für die β -Galactosid-Permease, eine membrangebundene 30'000 Dalton schwere
Proteinkomponente des Transportsystems. Dieses Carrier-Protein erleichtert der Zelle die
Aufnahme von Lactose.
• lacA codiert für die β -Galactosid-Transacetylase, ein Enzym, das eine Acetylgruppe von
Acetyl-CoA auf β -Galactoside überträgt. Die physiologische Bedeutung dieses Enzyms für
den Bakterienstoffwechsel ist nicht bekannt.
Ausser Lactose können mehrere andere Galactoside die Synthese der drei Proteine induzieren,
darunter sind auch solche Galactoside, die von der β-Galactosidase nicht gespalten werden
können. Der stärkste Induktor, Isopropyl-β-D-thiogalactosid (IPTG), gehört zu dieser Gruppe von
Galactosiden.
Die Gene des Lac-Operons werden transkribiert, es sei denn, das Regulatorprotein schaltet sie ab.
Eine Mutation, die den Regulator inaktiviert, lässt die Gene im exprimierten Zustand verharren.
Da es die Funktion des Regulators ist, die Expression der Strukturgene zu verhindern, wird er
Repressor genannt. Das Konzept, nach dem zwei verschiedene Genklassen anhand ihrer Funktion
voneinander unterschieden werden, wurde im Jahre 1961 von F. Jacob und J. Monod in ihrer
klassischen Formulierung des Operon-Modells vorgeschlagen. Das Operon ist eine Einheit der
Genexpression mit Strukturgenen und den Elementen, die deren Expression kontrollieren. Die
Aktivität des Operons wird durch ein (oder mehrere) Regulatorgen(e) kontrolliert, dessen (deren)
Proteinprodukt(e) mit den Kontrollelementen interagieren.
Die Regulation der Transkription des Lactose-Operons
Die drei Gene lacZ, Y, und A werden in eine einzige mRNA transkribiert, ausgehend vom
Promotor Plac. Die Möglichkeit, die Transkription bei Plac zu initiieren, wird durch das
Repressorprotein kontrolliert, welches vom Regulatorgen LacI kodiert wird:
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In Abwesenheit eines Induktors wird die Gengruppe nicht transkribiert. Gibt man einen Induktor
hinzu, so startet die Transkription an Plac und läuft über die Gene bis zum Terminator hinter
lacA. Damit ergibt sich koordinierte Regulation: alle Gene werden miteinander exprimiert (oder
nicht exprimiert). Die Lac-mRNA ist instabil und wird mit einer Halbwertszeit von ca. drei
Minuten abgebaut. Diese Eigenschaft erlaubt eine schnelle Umkehrung der Induktion: die
Transkription hört auf, sobald der Induktor entfernt wird; in sehr kurzer Zeit ist sämtliche lacmRNA zerstört, und die Zelle stoppt die Produktion der Enzyme.
Das Lac-Operon enthält das Strukturgen lacZ für die β-Galactosidase und das Gen lacY für das
Transportprotein (Permease), welches das Substrat in die Zelle führt. Wie soll jedoch der
Induktor in die Zelle gelangen, um den Prozess der Induktion zu starten, wenn sich das Operon in
reprimiertem Zustand befindet? Zwei Prozesse dürften sicherstellen, dass immer minimale
Mengen von β-Galactosidase und Permease in der Zelle vorhanden sind, welche ausreichen, die
Transkription in Gang zu setzen: Die Expression des Operons wird auf einem Grundniveau
gehalten; sogar wenn die Transkription nicht induziert ist, wird das Operon mit einer Minimalrate
exprimiert (ca. 0.1% des induzierten Niveaus). Ausserdem können einige Induktoren
möglicherweise über ein anderes Aufnahmesystem in die Zelle eindringen.
Das Repressorprotein besitzt eine sehr hohe Affinität zum Operator. In Abwesenheit des
Induktors bindet es dort. Wenn aber der Induktor vorhanden ist, bindet dieser den Repressor und
bildet einen Repressor/lnduktor-Komplex, welcher nicht mehr an den Operator bindet. Somit hat
der Repressor eine Doppelfunktion: einerseits kann er die Transkription verhindern, andererseits
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kann er den Induktor erkennen. Wenn der Induktor bindet, verändert er die Konformation des
Repressors derart, dass die Affinität für die Bindungsstelle an der DNA stark herabgesetzt wird.
Neben der oben beschriebenen Repression existiert für das Lac-Operon auch der andere Typ der
Regulation, nämlich die Stimulation. Bei der Stimulation wird die Transkription des Operons
dramatisch verstärkt. Dies ist der Fall, wenn im Medium Lactose vorhanden ist, aber keine
Glucose. Bei Glucose-Mangel steigt die cAMP Konzentration (zyklisches AMP) stark an. cAMP
bindet an ein Rezeptor-Protein (CAP=cAMP-bindendes Protein). Dieser Komplex bindet dann an
den Operator, stimuliert die Bindung der RNA-Polymerase und sorgt damit für eine verstärkte
Transkription.
Quellennachweis
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Lehninger: "Prinzipien der Biochemie", 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN
3-86025-106-6: Seiten 377, 977, 981,1073-1087
Knippers R.: "Molekulare Genetik", 6. neubearbeitete Auflage, Georg Thieme Verlag
Stuttgart. New York; ISBN 3-13477006-7,1996: Seiten 29, 47-55, 71, 303, 310 ff
Alberts et al: "Molekularbiologie der Zelle", 3. Auflage; VCH Verlagsgesellschaft mbH,
Weinheim (D), ISBN 3-527-300554,1995, Seiten 43, 113, 399, 476, 493-500
Lewin B.: ,,GeneU, 2. Auflage, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim (D) 1991, ISBN
3-527-28052-9, Seiten 262 ff, 307 ff, 537 ff, 585 ff, 600
Hinweis: In der „Lese-Ecke“ stehen Ihnen Lehrbücher zum vertieften Studium zur Verfügung
Lösungen
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Versuchen Sie zum folgenden DNA-Strang den entsprechenden RNA-Strang aufzuschreiben:
3'-GCATCTGCATTCGA-5'
Die Lösung sieht folgendermassen aus:
5'-CGUAGACGUAAGCU-3'
Uebungsaufgaben mit Lösungen
finden Sie in der Internetversion des Ateliers!
Hinweis: Das „Repetitorium Molekularbiologie“ definiert den Stoff, welcher in den Prüfungen
verlangt wird. Wegen seiner Kürze eignet es sich allerdings nicht als primäre Informationsquelle!
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