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Transkription bei Prokaryoten
Hinweis: Im Atelier finden Sie die CD "The Nature of Genes". Mittels Tutorials und Aufgaben
werden die wichtigsten Themen der Molekularbiologie leicht verständlich vermittelt.
Elemente
Gene
Die zelluläre DNA legt die Nukleotidsequenz jeder RNA resp. die Aminosäurenfolge jedes
Proteins fest. Einen DNA-Abschnitt, welcher für die Synthese eines funktionsfähigen
biologischen Produktes (Protein via mRNA oder tRNA resp. rRNA) erforderlich ist, bezeichnet
man als Gen. Die Gesamtzahl der Gene eines Organismus nennen wir Genom.
Oft sind Gene in prokaryotischen Zellen, welche für verschiedene Proteine kodieren, als Gruppe
hinter einem gemeinsamen Promotor-Operator angeordnet. Eine solche Anordnung bezeichnet
man als Operon. Diese Anordnung gestattet eine simultane, koordinierte Regulation mehrerer
Gene.
Das Chromosom von Escherichia coli besteht aus einem einzigen ringförmigen DNA Molekül
von ungefähr 4.6 x 106 Basenpaaren. Das ist genug DNA um für etwa 4300 verschiedene
Proteine zu kodieren.
DNA-abhängige RNA-Polymerasen
Alle zellulären RNA-Polymerasen sind aus mehreren Untereinheiten aufgebaut. Die RNAPolymerasen von Bakterien bestehen aus 6 Untereinheiten:
RNA-Polymerase von E. coli
Untereinheit
Anzahl pro Komplex
α
2
β
1
β‘
1
ω
1
σ*
1
Molekulargewicht (kDa)
36
150
155
6
70
1
Funktion
DNA-Bindung
Nukleotidbindung
Matrizenbindung
Initiation
* Bakterienzellen enthalten in ihren RNA-Polymerasen verschiedene σ Untereinheiten, die für
die Transkription unterschiedlicher Gengruppen verantwortlich sind.
Die RNA-Polymerase kann funktionell und strukturell unterteilt werden: die 2 α, β, β' und ωUntereinheiten werden als Core-Protein (Core=Kern) bezeichnet. Zusammen mit der σ
Untereinheit bilden sie das Holoenzym:
Funktionen der RNA-Polymerase-Untereinheiten
• Die β -Untereinheit ist hauptsächlich für die Bindung der Nukleotide (ATP, GTP, UTP, CTP)
verantwortlich und spielt eine Rolle bei der Einleitung der RNA-Synthese. Dies kann dadurch
gezeigt werden, dass das Antibiotikum Rifamycin durch Binden an die β - Untereinheit den
Start der Transkription verhindert. Auch chemische Untersuchungen sprechen für eine
Aufgabe beim Start, denn das erste Nukleotid am 5'-Ende der RNA lässt sich kovalent an die
Seitengruppe einer Aminosäure in der β - Untereinheit binden. Die β - Untereinheit ist auch
an der Wechselwirkung mit der RNA beteiligt.
• Die β' -Untereinheit hat als wichtigste Aufgabe die Bindung des Enzyms an den
Matrizenstrang, die DNA.
• Die α-Untereinheiten halten das Enzym zusammen. Wie sich aus Untersuchungen über die
Zusammenlagerung der getrennten Untereinheiten ergab, bildet sich zuerst ein Dimer aus den
beiden α-Untereinheiten, an welches sich nacheinander die β - und die β'-Untereinheiten
lagern. Die α -Untereinheiten vermitteln auch Kontakte des Enzyms mit der DNA in der
Region des Promotors.
• Die σ- Untereinheit hat die spezielle Aufgabe, Startstellen der Transkription von BakterienGenen (-35 und -10 Position) zu erkennen.
Mechanismus
Der Grund-Vorgang
Alle RNA-Arten einer Zelle werden durch einen im Prinzip gleichartigen Mechanismus gebildet:
es wird eine Abschrift der Nukleotidfolge in einem Genabschnitt erstellt. Man bezeichnet das
Umschreiben von DNA in RNA als Transkription.
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Die für die Transkription notwendigen Enzyme heissen RNA-Polymerasen, oder genauer gesagt
DNA-abhängige RNA-Polymerasen. Die genauere Bezeichnung ist dann nützlich, wenn man
beispielsweise DNA-abhängige von RNA-abhängigen Polymerasen unterscheiden möchte.
Manche Viren, die als genetisches Material RNA tragen, benötigen nämlich für ihre Vermehrung
RNA-abhängige RNA-Polymerasen.
Die RNA-Polymerase kopiert die Nukleotidfolge des DNA-Matrizen-Stranges nach den Regeln
der Basenpaarung. Dort, wo in der DNA ein Guanin-Baustein steht, wird in der RNA ein CytosinNucleotid eingebaut, und umgekehrt. Komplementär zu einem Thymin in der DNA wird ein
Adenin-Nucleotid und komplementär zu einem Adenin- ein Uracil-Nucleotid in die RNA
eingebaut. Uracil nimmt also in der RNA die Stelle des Thymins ein. Die RNA-Polymerase
knüpft ein Nucleotid nach dem anderen an das 3' OH-Ende einer wachsenden RNA-Kette.
Aufgabe: Versuchen Sie zum folgenden DNA-Strang den entsprechenden RNA Strang
aufzuschreiben:
3'-GCATCTGCATTCGA-5'
Lösung: S. 12
Die Promotor-Operator-Region
Die RNA-Synthese muss präzise an einer Stelle in einem Gen beginnen. Es darf auch nicht
irgendein Strang transkribiert werden, sondern nur der Strang, dessen Transkript die genetische
Information trägt, der codogene oder Sinnesstrang. Die RNA-Polymerase (Holoenzym) bindet
bevorzugt an Stellen auf der DNA, die vor einem Genanfang liegen. Eine solche Erkennungs- und
Bindungsstelle nennt man Promotor.
Im Genom von E. coli sind die Nukleotidsequenzen von vielen verschiedenen Promotoren
bekannt. Wenn man sie vergleicht, so fallen einige Regelmässigkeiten auf:
•
In dem Bereich, der etwa 10 Basenpaare stromaufwärts vor dem Startpunkt der RNASynthese liegt (als stromaufwärts werden die Sequenzen vor dem Startpunkt, stromabwärts
solche hinter dem Startpunkt, also innerhalb der transkribierten Sequenz liegende Sequenzen
bezeichnet), kommt eine Sequenz von Nukleotiden vor, die eine mehr oder weniger grosse
Ähnlichkeit mit der Folge 5'-TATAAT-3' hat. Diese Region wird als Pribnow-Box (nach
ihrem Entdecker), als TATA-Box oder einfach als -10-Region bezeichnet (wobei als +1 das
Nukleotid am Startpunkt der RNA-Synthese angegeben wird, also das erste Nukleotid der
RNA).
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•
In dem Bereich, der etwa 35 Nukleotide stromaufwärts vom Start liegt (also in der -35
Region), gibt es innerhalb eines AT-reichen Abschnitts eine zweite Folge von oft
vorkommenden Nucleotiden, häufig 5'-TTGACA-3':
Die Abbildung zeigt einen Muster-Promotor. Man spricht von einer Konsensus-Sequenz, weil die
meisten natürlich vorkommenden Promotoren im Genom von E. coli in mehreren Positionen mit
der Mustersequenz übereinstimmen. Es stimmt jedoch fast kein Promotor genau mit der
Konsensus-Sequenz überein. Natürliche Abweichungen von der Konsensus-Sequenz
beeinträchtigen die Effizienz der RNA-Polymerase-Bindung und der Transkriptionsinitiation.
Die -35- und -10-Sequenzen werden durch DNA-Abschnitte, die stromaufwärts oder
stromabwärts liegen, beeinflusst. Diese Regionen, welche entweder vor der -35 Region oder aber
nach dem Startpunkt liegen, nennt man Operator.
Initiation
Die Initiation der Transkription ist ein wichtiger Angriffspunkt für die Kontrolle der
Genexpression. Häufig ist die Entscheidung darüber, ob an einem bestimmten Promotor initiiert
wird oder nicht, der wichtigste oder gar einzige Schritt bei der Festlegung, ob ein Gen ausgeprägt
werden soll. Wie wird nun die Fähigkeit der RNA Polymerase, an einem bestimmten Promotor zu
initiieren, kontrolliert?
Wir teilen zunächst die Promotoren in zwei Klassen ein:
• Einige Promotoren können vom RNA-Polymerase-Holoenzym allein erkannt werden; in
diesen Fällen wird ein zugänglicher Promotor immer transkribiert. Die Verfügbarkeit eines
Promotors wird durch Bindung von Proteinen festgelegt. Diese wirken entweder direkt am
Promotor, indem sie der RNA Polymerase den Zugang versperren, oder indirekt über die
Kontrolle der Genomstruktur in dem betreffenden Bereich.
• Andere Promotoren können die Transkription alleine nicht angemessen unterstützen; es
werden zusätzliche Proteinfaktoren benötigt, damit die Initiation stattfinden kann. Diese
Proteinfaktoren wirken gewöhnlich, indem sie DNA Sequenzen erkennen, die sich in der
Nähe der von der RNA-Polymerase gebundenen Sequenz befinden oder sogar mit dieser
überlappen.
Die RNA-Polymerase bindet schwach an irgendeine Stelle auf der Bakterien-DNA. Von dort
gleitet sie der DNA entlang, d.h. sie löst und bindet sich abwechslungsweise, bis sie auf eine
Promotor-Sequenz trifft. Dort bleibt sie haften. Bei dieser Bindung spielt die σ-Untereinheit der
RNA-Polymerase eine wichtige Rolle: sie verringert einerseits die Wechselwirkung der RNAPolymerase mit unspezifischer DNA und erkennt andererseits (im Verbund des Holoenzyms) die
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Nukleotid-Sequenzen sowohl in der -10-Region als auch in der -35-Region und vermittelt so die
spezifische Bindung der RNA-Polymerase an den Promotor.
Die Bindung der RNA-Polymerase an den Promotor ist nur der erste Schritt der Initiation. Ihr
folgt rasch der Übergang vom geschlossenen in den offenen Promotor-Komplex. Damit einher
geht eine Entwindung der DNA Doppelhelix in einem Abschnitt von etwa 12 Basenpaaren um
den Transkriptionsstart. Die Konformation der RNA-Polymerase wird verändert, und sie bedeckt
nun einen Abschnitt von ungefähr 80 Basenpaaren im Promotor.
Nun beginnt die eigentliche Transkription, indem die RNA-Polymerase ein kurzes Stück RNA
synthetisiert, das etwa 10 Nucleotide lang ist. Abhängig von der Art der Promotor-Sequenz und
den Bedingungen kann sich eine solche abgebrochene RNA-Synthese vielfach wiederholen, ohne
dass die RNA-Polymerase ihre Position verändert oder verlässt: sie steht also still. Man spricht
vom Initial-Transkriptionskomplex.
Erst wenn die RNA-Stücke eine Länge von 12 oder mehr Nukleotiden erreichen, geht der IntialTranskriptionskomplex in den Elongationskomplex über. Die σ-Untereinheit fällt ab, das CoreProtein verlässt den Promotor und begibt sich auf den Weg entlang des Matrizenstranges. Die
RNA-Polymerase nimmt dabei eine neue Konformation an, denn sie bedeckt nur noch einen
DNA Abschnitt von etwa 30 Basenpaaren.
Elongation
Das Prinzip der Kettenverlängerung liegt in der ständigen Wiederholung der Reaktionsfolge:
Auswahl des passenden Nukleotids, Anheftung an das 3'-OH-Ende der letzten Base und
Bewegung des Enzyms relativ zur DNA-Matrize. Dies läuft bei optimalen Bedingungen mit einer
Geschwindigkeit von durchschnittlich 30-60 Nucleotiden pro Sekunde ab.
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Alle Nukleinsäuren werden aus
Nukleosidtriphosphaten synthetisiert. Die
untenstehende Abbildung zeigt die
Kondensationsreaktion zwischen der 5'
Triphosphatgruppe des hinzukomrnenden
Nukleotids und der 3'OH-Gruppe des letzten
an die Kette gehängten Nukleotids. Das
neue Nukleotid verliert seine zwei
endständigen Phosphatgruppen (γ und β);
seine α-Phosphatgruppe wird für die
Phosphodiesterbindung verwendet.
Die Wanderung der RNA-Polymerase entlang der DNA ist keine gleichförmige Bewegung:
abhängig von der Nukleotid-Sequenz kann es manchmal zu Verzögerungen oder gar zum
Stillstand kommen. Um diese Probleme zu bewältigen, benötigt die RNA-Polymerase zusätzliche
Elongationsfaktoren, die mit der aktiven RNA Polymerase in Wechselwirkung treten und sie, je
nach Bedarf, wieder verlassen.
Verhalten der RNA-Polymerase bei einem Stillstand
Stillstände in ihrer Wanderung bewältigt die RNA-Polymerase durch neue Anläufe; ein
endständiges Stück bis zu einer Länge von 9 Nukleotiden wird vom 3'-OH-Ende der RNA
abgeschnitten. Dann werden, als neuer Anlauf zur Überwindung der Blockierung, einige neue
Nukleotide synthetisiert. Dazu braucht die RNA-Polymerase die Hilfsproteine Gre A und Gre B,
die sich bei einem Stillstand an die RNA-Polymerase binden. Weder die RNA-Polymerase noch
die Hilfsproteine können das Abschneiden des RNA-Endes allein durchführen. Eine Funktion der
Proteine Gre A und Gre B ist die Aktvierung einer Schneideaktivitat der RNA-Polymerase. Die
Abtrennung von RNA-Stücken, die bis zu 9 Nukleotide lang sind, setzt eine enge Bindung des
wachsenden RNA-Endes mit der RNA-Polymerase voraus. Entsprechende Experimente zeigen,
dass die isolierte RNA-Polymerase auch in Abwesenheit von DNA effzient an RNA binden kann.
Termination
Das Ende eines transkribierten Abschnittes auf der DNA bezeichnet man als Terminator-Region.
An dieser Stelle kommt die RNA-Polymerase gezielt zum Stillstand. Es folgt eine Ablösung von
RNA und Enzym von der DNA. Bei E. coli unterscheidet man zwei Arten der Termination:
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Rho-abhängige Termination
Das Rho-Protein besteht aus sechs identischen Untereinheiten mit einem Molekulargewicht von
je etwa 50 kDa. Es bindet an die gerade gebildete RNA in der Nähe des Terminators und
vermittelt so die Ablösung der RNA vom Enzym und von der DNA. Dazu ist die Bereitstellung
chemischer Energie in Form von ATP notwendig. Eine der Funktionen des Rho-Proteins ist die
Trennung der Wasserstoffbrücken zwischen komplementären DNA- und RNA-Strängen
(Helikase-Aktivität).
Einfache (oder Rho-unabhängige) Termination
Rho-unabhängige Termination wird durch spezifische Sequenzen in der DNA (und damit in der
RNA) bestimmt. Eine solche Sequenz findet sich am Ende vieler Transkriptionsabschnitte im
Bakteriengenom. Sie besteht aus Folgen von GC-Nukleotiden mit einem anschliessenden Block
von Adenin-Resten. Nach der Transkription dieser Terminationssequenz kann die gerade
synthetisierte RNA eine Doppelstrangstruktur mit einem Stamm aus 4-10 GC-Basenpaaren und
mit einer Schleife von 3-8 Nukleotiden bilden. Vermutlich interagiert der RNA-Doppelstrang mit
der RNA-Polymerase und verändert dadurch die Konformation des Enzyms, so dass der Komplex
aus RNA, Enzym und DNA auseinanderfällt:
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•
•
•
Der Poly(U)-Bereich wird von der RNA-Polymerase synthetisiert.
Durch die intramolekulare Paarung komplementärer Sequenzen in der RNA wird eine
Haarnadel gebildet, wodurch ein Teil des RNA-DNA-Hybrids zerstört wird.
Der verbleibende AU-Hybridbereich ist relativ instabil, und die RNA dissoziert vollständig
von der DNA ab.
Hinweis: Im Atelier können Sie sich das Video "Transkription bei Prokaryoten" ansehen.
Die Produkte
Alle Klassen von RNA, also mRNA (dient als Matrize bei der Translation), rRNA (ist am Aufbau
der Ribosomen beteiligt) und tRNA (sie bindet und liefert bei der Translation die Aminosäuren),
werden in E. coli Zellen mit etwa gleicher Rate synthetisiert. Trotzdem ist nur ein Anteil von 5-10
% der Gesamt-RNA einer Bakterienzelle vom Typ der mRNA, 75-80% ist rRNA, der Rest tRNA.
Diese Werte mögen erstaunen, wenn man bedenkt, dass zu einer gegebenen Zeit 1000 oder mehr
proteinkodierende E. coli-Gene transkribiert werden und mRNA liefern, während nur 7 rRNAGene und etwa 50 tRNA-Gene transkribiert werden. Die Ursache liegt darin, dass mRNA bald
nach ihrer Synthese wieder abgebaut wird, während rRNA und tRNA für längere Zeit erhalten
bleiben.
Die Halbwertszeit durchschnittlicher bakterieller mRNA liegt im Bereich von wenigen Minuten.
Dies mag verschwenderisch erscheinen. Es hat aber für Bakterien den Vorteil der grösseren
Flexibilität, denn die Bakterienzellen können ihre Genexpression rasch umstellen. Neue
Transkripte können produziert werden und in der Zelle zu wirken beginnen, ohne dass ihr Effekt
für längere Zeit von der Aktivität früher synthetisierter mRNA überdeckt wird.
Die stabilen RNA-Arten sind Bestandteile des Proteinsynthese-Apparates. Mehr dazu finden Sie
im Kapitel "Translation".
Hinweis: Im Atelier können Sie sich am Geschichtsposten über die Entdeckung der Synthese von
rRNA von 1962 informieren ("Yankofsky & Giacomoni, 1962").
Regulation der Transkription
Im Stoffwechsel von Bakterien sind sehr oft mehrere Enzyme an einer biochemischen
Reaktionsfolge beteiligt. Ihre Synthese wird erniedrigt, wenn das Substrat fehlt und erhöht,
sobald das Substrat erscheint. Aus dieser Verhaltensweise erklären sich die zentralen Merkmale
der Organisation bakterieller Gene. Gewöhnlich sind die Gene in Gruppen angeordnet, sog.
Operons, welche für mehrere Proteine, die für einen bestimmten Stoffwechselweg benötigt
werden, kodieren.
Eine solche Transkriptionseinheit wird in eine einzige polycistronische mRNA transkribiert, die
dann durch die Ribosomen in die einzelnen Proteine translatiert wird.
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Die Synthese von Enzymen als Antwort auf das Erscheinen eines spezifischen Substrats nennt
man Induktion. Dieser Regulationstyp ist bei Bakterien weit verbreitet. Das Musterbeispiel für
diese Art von Kontrollmechanismen liefert das Lactose-Operon von E. coli.
Wenn man E. coli Zellen in Abwesenheit eines β-Galaktosids wachsen lässt, enthalten sie sehr
wenige Moleküle des Enzyms β -Galaktosidase - vermutlich weniger als 5. Die Aufgabe dieses
Enzyms ist es, β -Galaktoside in seine Zuckerkomponenten zu spalten; z.B. wird Lactose in
Glucose und Galactose gespalten, welche dann weiter abgebaut werden. In Abwesenheit des
Substrates ist kein Bedarf für das Enzym.
Wenn ein geeignetes Substrat zugegeben wird, erscheint die Enzymaktivität in Bakterien sehr
schnell. Innerhalb von einigen Minuten liegt bereits eine geringe Menge an Enzym vor, und bald
darauf können es bis zu 5000 Enzymmoleküle pro Bakterium sein. Enfernt man das Substrat
wieder aus dem Medium, so hört die Enzymsynthese genau so schnell wieder auf, wie sie
begonnen hat. Die Transkription kann also entweder negativ (Repression) oder positiv
(Stimulation) beeinflusst werden.
Das Lac-Operon von E. coli: Beispiel einer Enzyminduktion
Das Lac-Operons enthält die drei Strukturgene lacZ, lacY und lacA. Es sind die Gene, die die
Information zur Synthese von Enzymen des Lactose-Stoffwechsels tragen. Die Aktivität dieser
Gene unterliegt einer genauen Regulation, denn im lactose-freien Nährmedium werden in einer
Bakterienzelle nur wenige Moleküle der Lactose verwertenden Enzyme gebildet. In Gegenwart
von Lactose als einziger Kohlenstoffquelle nimmt die Menge an Lactose-Enzymen um mehr als
das 1000-fache zu. Der Grund dafür ist, dass die von der Zelle aufgenommene Lactose bzw. ein
Umwandlungsprodukt (Allolactose) die Transkription des Lac-Operons anregt.
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Die drei Gene des Lac-Operons:
• lacZ kodiert für das Enzym β -Galactosidase, dessen aktive Form ein Tetramer aus 4
Untereinheiten von gesamthaft ca. 500'000 Dalton ist. Jede Untereinheit hat 1023
Aminosäuren. Damit ist die β -Galactosidase eines der grössten Proteine der Bakterienzelle.
Sie spaltet das Disaccharid Lactose in Glucose und Galactose, die dann jeweils über eigene
Stoffwechselwege zur Gewinnung zellulärer Energie abgebaut werden.
• lacY codiert für die β -Galactosid-Permease, eine membrangebundene 30'000 Dalton schwere
Proteinkomponente des Transportsystems. Dieses Carrier-Protein erleichtert der Zelle die
Aufnahme von Lactose.
• lacA codiert für die β -Galactosid-Transacetylase, ein Enzym, das eine Acetylgruppe von
Acetyl-CoA auf β -Galactoside überträgt. Die physiologische Bedeutung dieses Enzyms für
den Bakterienstoffwechsel ist nicht bekannt.
Ausser Lactose können mehrere andere Galactoside die Synthese der drei Proteine induzieren,
darunter sind auch solche Galactoside, die von der β-Galactosidase nicht gespalten werden
können. Der stärkste Induktor, Isopropyl-β-D-thiogalactosid (IPTG), gehört zu dieser Gruppe von
Galactosiden.
Die Gene des Lac-Operons werden transkribiert, es sei denn, das Regulatorprotein schaltet sie ab.
Eine Mutation, die den Regulator inaktiviert, lässt die Gene im exprimierten Zustand verharren.
Da es die Funktion des Regulators ist, die Expression der Strukturgene zu verhindern, wird er
Repressor genannt. Das Konzept, nach dem zwei verschiedene Genklassen anhand ihrer Funktion
voneinander unterschieden werden, wurde im Jahre 1961 von F. Jacob und J. Monod in ihrer
klassischen Formulierung des Operon-Modells vorgeschlagen. Das Operon ist eine Einheit der
Genexpression mit Strukturgenen und den Elementen, die deren Expression kontrollieren. Die
Aktivität des Operons wird durch ein (oder mehrere) Regulatorgen(e) kontrolliert, dessen (deren)
Proteinprodukt(e) mit den Kontrollelementen interagieren.
Die Regulation der Transkription des Lactose-Operons
Die drei Gene lacZ, Y, und A werden in eine einzige mRNA transkribiert, ausgehend vom
Promotor Plac. Die Möglichkeit, die Transkription bei Plac zu initiieren, wird durch das
Repressorprotein kontrolliert, welches vom Regulatorgen LacI kodiert wird:
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In Abwesenheit eines Induktors wird die Gengruppe nicht transkribiert. Gibt man einen Induktor
hinzu, so startet die Transkription an Plac und läuft über die Gene bis zum Terminator hinter
lacA. Damit ergibt sich koordinierte Regulation: alle Gene werden miteinander exprimiert (oder
nicht exprimiert). Die Lac-mRNA ist instabil und wird mit einer Halbwertszeit von ca. drei
Minuten abgebaut. Diese Eigenschaft erlaubt eine schnelle Umkehrung der Induktion: die
Transkription hört auf, sobald der Induktor entfernt wird; in sehr kurzer Zeit ist sämtliche lacmRNA zerstört, und die Zelle stoppt die Produktion der Enzyme.
Das Lac-Operon enthält das Strukturgen lacZ für die β-Galactosidase und das Gen lacY für das
Transportprotein (Permease), welches das Substrat in die Zelle führt. Wie soll jedoch der
Induktor in die Zelle gelangen, um den Prozess der Induktion zu starten, wenn sich das Operon in
reprimiertem Zustand befindet? Zwei Prozesse dürften sicherstellen, dass immer minimale
Mengen von β-Galactosidase und Permease in der Zelle vorhanden sind, welche ausreichen, die
Transkription in Gang zu setzen: Die Expression des Operons wird auf einem Grundniveau
gehalten; sogar wenn die Transkription nicht induziert ist, wird das Operon mit einer Minimalrate
exprimiert (ca. 0.1% des induzierten Niveaus). Ausserdem können einige Induktoren
möglicherweise über ein anderes Aufnahmesystem in die Zelle eindringen.
Das Repressorprotein besitzt eine sehr hohe Affinität zum Operator. In Abwesenheit des
Induktors bindet es dort. Wenn aber der Induktor vorhanden ist, bindet dieser den Repressor und
bildet einen Repressor/lnduktor-Komplex, welcher nicht mehr an den Operator bindet. Somit hat
der Repressor eine Doppelfunktion: einerseits kann er die Transkription verhindern, andererseits
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kann er den Induktor erkennen. Wenn der Induktor bindet, verändert er die Konformation des
Repressors derart, dass die Affinität für die Bindungsstelle an der DNA stark herabgesetzt wird.
Neben der oben beschriebenen Repression existiert für das Lac-Operon auch der andere Typ der
Regulation, nämlich die Stimulation. Bei der Stimulation wird die Transkription des Operons
dramatisch verstärkt. Dies ist der Fall, wenn im Medium Lactose vorhanden ist, aber keine
Glucose. Bei Glucose-Mangel steigt die cAMP Konzentration (zyklisches AMP) stark an. cAMP
bindet an ein Rezeptor-Protein (CAP=cAMP-bindendes Protein). Dieser Komplex bindet dann an
den Operator, stimuliert die Bindung der RNA-Polymerase und sorgt damit für eine verstärkte
Transkription.
Quellennachweis
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Lehninger: "Prinzipien der Biochemie", 2. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, ISBN
3-86025-106-6: Seiten 377, 977, 981,1073-1087
Knippers R.: "Molekulare Genetik", 6. neubearbeitete Auflage, Georg Thieme Verlag
Stuttgart. New York; ISBN 3-13477006-7,1996: Seiten 29, 47-55, 71, 303, 310 ff
Alberts et al: "Molekularbiologie der Zelle", 3. Auflage; VCH Verlagsgesellschaft mbH,
Weinheim (D), ISBN 3-527-300554,1995, Seiten 43, 113, 399, 476, 493-500
Lewin B.: ,,GeneU, 2. Auflage, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim (D) 1991, ISBN
3-527-28052-9, Seiten 262 ff, 307 ff, 537 ff, 585 ff, 600
Hinweis: In der „Lese-Ecke“ stehen Ihnen Lehrbücher zum vertieften Studium zur Verfügung
Lösungen
•
Versuchen Sie zum folgenden DNA-Strang den entsprechenden RNA-Strang aufzuschreiben:
3'-GCATCTGCATTCGA-5'
Die Lösung sieht folgendermassen aus:
5'-CGUAGACGUAAGCU-3'
Uebungsaufgaben mit Lösungen
finden Sie in der Internetversion des Ateliers!
Hinweis: Das „Repetitorium Molekularbiologie“ definiert den Stoff, welcher in den Prüfungen
verlangt wird. Wegen seiner Kürze eignet es sich allerdings nicht als primäre Informationsquelle!
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Transkription bei Eukaryoten
Hinweis: Im Atelier finden Sie die CD "The Nature of Genes". Mittels Tutorials und Aufgaben
werden die wichtigsten Themen der Molekularbiologie leicht verständlich vermittelt.
Die Transkription bei Eukaryoten verläuft nach den gleichen Prinzipien wie die Transkription bei
den Prokaryoten; es gibt jedoch einige wichtige Unterschiede:
Chromatin-Remodellierung
Die DNA eukaryotischer Zellen ist als Chromatin organisiert. Die Transkription einzelner Gene
bedingt vorgängige Veränderungen in der lokalen Chromatinstruktur, welche Gene für den
Transkriptionsapparat zugänglich machen:
•
•
•
•
Jede Zelle transkribiert zu einem gewissen Zeitpunkt nur einen Teil ihres Genoms.
Nicht-transkribierte Gene und benachbarte DNA-Regionen sind sehr dicht gepackte DNAProtein-Komplexe (Heterochromatin).
Transkribierte Gene und benachbarte DNA-Regionen sind weniger dicht gepackt
(Euchromatin) und teilweise sogar frei von Histonen.
Die Aufhebung der Heterochromatin-Struktur wird durch DNA-bindende Proteine und
Acetylierung von Histonen erreicht. Diese Vorgänge werden als Chromatin-Remodellierung
bezeichnet und sind Voraussetzung für die Transkription.
RNA Polymerasen
Im Gegensatz zu prokaryotischen Zellen besitzen eukaryotische Zellen nicht nur eine, sondern
gleich drei verschiedene RNA-Polymerasen: RNA-Polymerase I, II und III.
•
•
•
Die RNA-Polymerase I befindet sich im Nucleolus und transkribiert diejenigen Gene, die für
ribosomale RNA (18S, 28S) kodieren.
Die RNA-Polymerase II transkribiert vorwiegend Gene, welche für Proteine kodieren.
Die RNA-Polymerase III synthetisiert die kleineren RNAs wie tRNA, ribosomale 5S-RNA
und einen Teil der kleinen Kern-RNA-Arten (snRNA=small nuclear RNA).
Wie die prokaryotische RNA-Polymerase sind sie alle sehr gross und aus mehreren
Untereinheiten aufgebaut. Und wie jede andere Polymerase synthetisieren sie neue Ketten in 5' ->
1
3' Richtung. Diese RNA-Polymerasen erkennen Promotoren, welche sich strukturell stark
voneinander unterscheiden.
Wir wollen nur die RNA-Polymerase II-Gene näher betrachten:
Eukaryotisches protein-kodierendes Gen
Das Genom des Menschen enthält schätzungsweise 30'000-50'000 Gene, welche für Eiweisse
kodieren. In ihrem grundsätzlichen Aufbau gleichen sie den prokaryotischen Genen:
Die Promoter-Region: Wie die prokaryotischen Promotoren enthalten auch die RNA-PolymeraseII-Promotoren Bindungsstellen für die RNA-Polymerase und für Proteine, die diese Bindung
modulieren können (UAS, upstream activating sequence). Die TATA-Box, analog der PribnowBox in Prokaryoten, bestimmt den Transkriptions-Start bei Position +1. Viele RNA-Polymerase
II-Promotoren haben noch eine Enhancer (Verstärker)-Region. Sie kann, wie in der Abbildung
dargestellt, vor dem eigentlichen Promoter liegen, kommt aber nicht selten hinter dem Gen oder
gar mitten im Gen (z.B. in einem Intron) vor. Die Enhancer-Region stimuliert die Transkription
des Gens mittels Proteinen, welche an diese DNA-Sequenz binden.
Transkribierte Region: Der Anfang der transkribierten Region, Position +1, heisst cap site, weil
nach dem Beginn der Transkription die entstehende mRNA am ersten Nukleotid durch Anhängen
der Cap-Struktur modifziert wird. Die Cap-Struktur wird durch Uebertragung von GTP auf die 5'
terminale Base und Methylierung von Guanin in Position 7 synthetisiert. Die Cap-Struktur
schützt die mRNA gegen Abbau durch Nukleasen und ist wichtig für die Translation.
Termination: Nach dem Passieren der Poly(A)-Addierungs-Sequenz AAUAAA auf der
neusynthetisierten RNA pausiert die RNA-Polymerase II, assoziierte Proteine erkennen die
Sequenz AAUAAA und die Transkription stoppt. Ein Enzymkomplex bindet an die Poly(A)Addierungs-Sequenz AAUAAA der RNA, schneidet sie 10 - 15 Nukleotide weiter hinten (3' Richtung) und hängt 50-150 Adenosine (Poly(A)-Sequenz) an.
Anordnung von Genen: In höheren Eukaryoten finden wir sehr oft Gene, die für das gleiche oder
sehr ähnliche Proteine kodieren, sog. Gen-Familien. In der Regel werden nur wenige Gene, oft
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gar nur ein Gen aus einer Gen-Familie exprimiert. Die nicht-funktionellen Mitglieder der GenFamilie werden als Pseudogene bezeichnet. Eukaryoten haben, im Gegensatz zu Prokaryoten,
Gene nicht in Operons organisiert.
Genom-Grössen: Vergleicht man die Genom-Grössen von Zellen, so stellt man fest, dass sie mit
zunehmendem Entwicklungsstand während der Evolution zunehmen. Eigenartigerweise stimmt
diese Beziehung innerhalb der Eukaryoten nicht generell. So variiert die Genom-Grösse innerhalb
der Amphibien von 109 bis 10 11 Basenpaaren. Zudem sind die Genome grösser, als man aus der
Anzahl Gene (10'000 - 100'000) in eukaryotischen Zellen erwarten würde. Aus dieser
Beobachtung ergibt sich, dass nur ein kleiner Teil des Genoms von höheren Eukaryoten für
Protein kodiert. Was ist die restliche DNA und welche Funktion hat sie? Die Genome von
höheren Eukaryoten enthalten neben den einzelnen Genen noch hoch- und mittel-repetierte DNASequenzen. Zu den hochrepetierten Sequenzen gehören DNA-Abschnitte von 300 - 1000
Basenpaaren Länge, die bis zu 100'000-fach wiederholt vorkommen. Ihre Funktion ist nicht
bekannt. Zu den mittel-repetierten Sequenzen gehören die Gene für ribosomale RNA und tRNAs.
Diese Gene sind repetiert, weil grosse Mengen der entsprechenden Gen-Produkte von der Zelle
benötigt werden.
Regulation der Transkription
Die Regulation der Transkription ist aus mehreren Gründen von grosser Bedeutung:
1. Der gesamte Prozess der Transkription und Translation ist sehr energieaufwendig und sollte
daher auf das notwendige Mass beschränkt sein.
2. Durch verstärkte oder verminderte Synthese eines Enzyms kann dessen Konzentration in der
Zelle erhöht resp. erniedrigt und dadurch der Stoffwechsel reguliert werden.
3. Bei höheren Organismen sind viele Merkmale, die im Verlaufe der Entwicklung ausgebildet
werden, genetisch determiniert. Die hierfür verantwortlichen Gene müssen also in bestimmten
Entwicklungsphasen "angeschaltet" werden, um ihre Funktion zu erfüllen.
Die Genregulation bei Eukaryoten wurde erst durch die Methoden der Analyse, Sequenzierung
und Veränderung (Deletion, Mutation) definierter Genabschnitte einer gezielten Untersuchung
zugänglich. Ein Ansatz bestand zunächst darin, DNA Strukturen in der Umgebung gleichartig
regulierter Gene miteinander zu vergleichen und strukturell ähnliche Abschnitte zu benennen und
ihre Funktion zu analysieren.
Durch Verwendung der geschilderten Methoden ist es gelungen, DNA-Abschnitte zu
beschreiben, die die Expression eines Gens beeinflussen. Die TATA-Box und UAS als Teil der
Promotorstrukturen wurde bereits genannt. Eine Sequenzklasse, die zunächst bei EukaryontenViren beschrieben, dann aber auch für zelluläre Gene gefunden wurde, sind die EnhancerElemente, welche die Aktivität der Promotoren drastisch steigern.
Wichtige Tatbestände zur Genregulation:
•
•
Transkriptionsfaktoren regulieren die Bindung der RNA-Polymerase an Promotoren.
Die allgemeinen Transkriptionsfaktoren sind für die Ablesung aller Gene notwendig: Der
Faktor IID bindet an die TATA-Box von Polymerase II-Genen und ermöglicht damit die
Bindung weiterer Faktoren (TFI, IIA, 2B, etc.) in einem grossen Protein-Komplex. Dieser
Transkriptionsfaktor-Komplex ist nötig, aber nicht ausreichend, für effiziente Erkennung des
3
Promoters durch die RNA-Polymerase. Es braucht noch spezifische Transkriptionsfaktoren,
welche eine DNA-Bindungsstelle haben, mit welcher sie die UAS (upstream activating
sequences)erkennen, und eine Sequenz, mit welcher sie die allgemeinen Faktoren binden. Es
ist dann dieser Superkomplex aus allgemeinen und spezifischen Faktoren, welcher die RNAPolymerase bindet und damit die Transkription des Gens ermöglicht:
Fig.: TF, Transkriptionsfaktor; UAS, upstream activating sequence; TBF, TATA-binding factor;
TAF, TATA-associated factor; Pol II, RNA-Polymerase II.
•
•
Unter den spezifischen Faktoren gibt es neben den stimulierenden auch inhibierende
Faktoren. Es ist dann für jedes Gen die Kombination der stimulierenden und inhibierenden
Faktoren, welche den Grad der Ablesung bestimmen
Da die Anwesenheit und die Aktivität der spezifischen Transkriptionsfaktoren durch die Zelle
verändert werden kann, ergibt sich für jedes Gen die Möglichkeit der vielfältigen Regulation.
Diese Regulation kann zudem durch andere Zellen im Organismus beeinflusst werden. So
können z.B. Wachstumsfaktoren oder Hormone an Rezeptoren der Zelle binden und über eine
Kaskade von Proteinen die Aktivität von Transkriptionsfaktoren beeinflussen. Sehr oft liegen
spezifische Transkriptionsfaktoren in inaktiver Form im Zytoplasma der Zelle und die
Aktivierung führt zum Transport des Faktors in den Zellkern:
4
Figur: Die Bindung des Hormons an den Rezeptor führt zur Aktivierung einer
Signaltransduktionskette.
•
•
Transkription findet wahrscheinlich an bestimmten Stellen im Zellkern statt: transkribierte
und nicht-transkribierte DNA-Abschnitte sind räumlich getrennt.
Der Transkriptionsort im Kern für DNA, welche für rRNA kodiert, ist der Nukleolus
Introns, Exons und Splicing
Die Vorstufen der meisten eukaryotischen mRNA-Moleküle enthalten die kodierende Sequenz
nicht in ununterbrochener Reihenfolge. Es sind vielmehr ein oder mehrere Stücke nicht in Protein
zu übersetzende Basensequenzen eingeschoben. Dies bedeutet, dass die Gene, an denen diese
Prä-mRNA synthetisiert wurde, durch entsprechende DNA-Abschnitte unterbrochen sind. Man
bezeichnet die nicht-kodierenden Sequenzen als Introns und die kodierenden Sequenzen als
Exons.
Das primäre Transkript der Polymerase II ist eine hochmolekulare RNA, die auch Prä-mRNA
genannt wird. Die Umwandlung (Prozessierung) der Prä-mRNA zur reifen mRNA beginnt
damit, dass am 5'-Ende die sog. Cap-Struktur angehängt wird (siehe oben).
5
Die zunächst transkribierten Intronabschnitte werden im Verlaufe der Reifung der Prä-mRNA
herausgeschnitten, und die kodierenden Abschnitte der mRNA werden zusammengefügt. Diesen
Vorgang, den man in Analogie zum Spleissen von Tauwerk als das Splicing der RNA bezeichnet.
Wir unterscheiden 3 Typen (I,II und III) von Introns in eukaryotischen Genen. Sie unterscheiden
sich vor allem in der Art und Weise, wie sie aus der Vorläufer-RNA entfernt werden. Nur Typ III
kommt in protein-kodierenden Genen vor:
•
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•
Typ I schneidet sich selber heraus ("self-splicing", katalytische RNA).
Typ II benötigt Proteine für effizientes Herausschneiden
Typ III benötigt komplexe Protein-RNA-Partikel (snRNP's, small nuclear ribonucleoprotein
particles) zum Splicing. Typ III Introns finden wir in den für Eiweiss kodierenden Genen in
höheren Eukaryoten. Die RNA-Sequenzen über die Exon-Intron Grenze am Anfang und am
Ende der Introns sind immer ähnlich oder identisch (konserviert). Sie werden durch RNP's
erkannt, indem der RNA-Anteil dieser Partikel mit der hnRNA hybridisiert. Die Reaktionen,
welche zum Ausschneiden des Introns und Ligieren der Exons führen, sind nicht im Detail
bekannt, doch nimmt man heute an, dass diese Reaktionen von den RNA-Anteilen der
snRNP's katalysiert werden.
Eine interessante ungeklärte Frage ist diejenige nach der Entstehungsweise von Introns während
der Evolution.
Es gibt Prä-mRNAs, welche nicht immer gleich gespleisst werden, d.h. es können von einer
hnRNA mehrere unterschiedliche mRNAs angefertigt werden. Dieses Phänomen bezeichnen wir
als "Alternatives Spleissen" (alternative splicing). Alternatives Spleissen wird reguliert und kann
die kodierende Kapazität eukaryotischer Genome beträchtlich erhöhen.
Fertig modifizierte RNA wird als mRNA (messenger RNA) bezeichnet. Sie wird vom Kern ins
Zytoplasma der Zelle transportiert, wo sie von Ribosomen gebunden und transliert wird.
Hinweis: Sie können sich im Atelier das Video "Transkription bei Eukaryonten" ansehen.
Hinweis: Das „Repetitorium Molekularbiologie“ definiert den Stoff, welcher in den Prüfungen
verlangt wird. Wegen seiner Kürze eignet es sich allerdings nicht als primäre Informationsquelle!
6
Translation
bei Prokaryoten
und Eukaryoten
Einleitung
Hinweis: Im Atelier finden Sie die CD "The Nature of Genes". Mittels Tutorials und Aufgaben
werden die wichtigsten Themen der Molekularbiologie leicht verständlich vermittelt.
Die Translation, die Übersetzung der mRNA in eine Aminosäuresequenz, bildet nach der
Transkription und Modifikation des Transkripts die letzte Stufe auf dem Weg der Expression
eines Gens in ein Protein.
Wegen des Fehlens einer Kernmembran laufen bei Prokaryoten die Prozesse Transkription und
Translation fast gleichzeitig ab: während ein Gen noch transkribiert wird, setzt an der dabei
entstehenden mRNA schon die Translation ein.
Bei Eukaryoten laufen die Prozesse Transkription und Translation von einander getrennt ab: die
Transkription findet im Kern, die Translation im Cytoplasma statt.
Während der Translation wird die Basensequenz einer mRNA nach den Regeln des genetischen
Codes in eine Aminosäuresequenz übersetzt: jeweils drei aufeinanderfolgende Basen bestimmen,
welche Aminosäure in die wachsende Polypeptidkette eingebaut wird. Dies geschieht unter
Vermittlung von Transfer-RNAs, welche die nötigen Aminosäuren transportieren, und
Ribosomen, den biochemischen Maschinen für die Translation.
Hinweis: Im Atelier können Sie sich ein Video zum Thema Translation ansehen.
Betrachten wir vorerst die für die Translation nötigen Komponenten:
Prokaryotische messenger RNA (mRNA)
Über die mRNA wurde bereits im Kapitel "Transkription" berichtet. Hier nochmals das
Wichtigste in Kürze:
Prokaryotische Gene sind oft als Operons organisiert, was bedeutet, dass mehrere Gene auf
einmal transkribiert werden können. Eine solche mRNA enthält deshalb auch mehr als eine
kodierte Aminosäuresequenz, sie ist polycistronisch:
1
Jeder Abschnitt besteht aus einer Ribosomenbindungsstelle (Shine-Dalgarno-Sequenz, S/D) und
einem Start- und einem Stop-Codon (UAA, UAG oder UGA), welche den zu translatierenden
Bereich begrenzen (ein Codon ist ein Basentriplett. Näheres dazu: siehe Kapitel "Der genetische
Code").
Eukaryotische messenger RNA (mRNA)
Das primäre Transkript erhält durch Übertragung von GTP und Methylierung von Guanin in
Position 7 eine Cap-Struktur am 5'-Ende und einen Poly-A-Schwanz am 3'-Ende. Die so
modifizierte RNA nennt man hnRNA (heterogene nukleäre RNA) oder auch "pre-messengerRNA". Diese Vorläufer-RNA reift im Kern durch Splicing zur eigentlichen mRNA, bei welcher
die nicht-kodierenden Abschnitte (Introns) entfernt sind:
Die mRNA passiert die Kernporen und gelangt so ins Cytoplasma. Dort erfüllt sie ihren
eigentlichen Zweck, sie wird übersetzt ("transliert"). Die mRNA ist nämlich Uebermittler (Bote)
der genetischen Information zwischen Kern und Cytoplasma: sie dient als Matrize für die
Übersetzung von Nukleotidsequenzen in Aminosäurensequenzen. Transliert wird aber nur
derjenige Abschnitt der mRNA, welcher vom Startcodon AUG bis zu einem Stopcodon (UAA,
UAG oder UGA) reicht.
Aminosäuren
Aminosäuren (AS) sind die Bausteine von Proteinen. Da 20 verschiedene AS in Proteine
eingebaut werden, ist die Formenvielfalt und der Reichtum an funktionell unterschiedlichen
Proteinen kaum zu ermessen.
AS enthalten eine saure Carboxy- (COOH) und eine basische Aminogruppe (NH2) am α Kohlenstoff-Atom, welches ausserdem mit einem Wasserstoffatom (H) und einem von AS zu AS
verschiedenen Rest (R) verknüpft ist. Das α -C-Atom ist also asymmetrisch substituiert. Von den
beiden enantiomeren Formen weisen alle in Proteinen vorkommenden AS die gleiche
Stereochemie auf. Sie weisen die S-Konfiguration auf und gehören somit zur sogenannten LReihe:
2
Die 20 AS unterscheiden sich einzig im Rest R, dessen Struktur, Grösse, elektrische Ladung und
damit auch Wasserlöslichkeit variiert.
AS unterteilt man häufig nach den chemischen Eigenschaften der Seitenkette in fünf
Hauptklassen: es gibt unpolare und aliphatische, aromatische, polar-ungeladene, polar-negativ
geladene und polar-positiv geladene AS:
Die meisten Bakterien können ihren Bedarf
an AS durch Biosynthese decken. Für den
Menschen sind fast die Hälfte der AS
essentiell - er muss sie also mit der Nahrung
aufnehmen. Es sind dies Valin, Leucin,
Isoleucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin,
Threonin, Tryptophan, Histidin und Arginin
(Arg nur bei Kindern).
3
Transfer RNA (tRNA)
Die Aminosäuren, die bei der Translation gemäss dem genetischen Code an die wachsende
Polypeptidkette angehängt werden, erkennen die Codons auf der mRNA nicht wie Enzyme ihre
Substrate nach dem "Schlüssel-Schloss-Prinzip". Für die Vermittlung zwischen der mRNA mit
ihren Codons und den dazu passenden Aminosäuren ist ein besonderer Adapter notwendig - die
Transfer RNA oder tRNA.
Eine tRNA besteht aus einem linearen Strang aus 70 - 90 Nukleotiden und zeichnet sich durch
ihre besondere Faltung aus, welche für ihre Aufgabe als Adapter von entscheidender Bedeutung
ist: Vier kleinere Abschnitte bilden durch intramolekulare Basenpaarung eine
Doppelhelixstruktur aus, so dass die tRNA eine Sekundärstruktur erhält, die einem "Kleeblatt"
gleicht. Eine geringe Anzahl Basenwechselwirkungen formen die tRNA in ihre Tertiärstruktur.
Sie erinnert an einen Haken oder ein "L":
Sofort nach der Transkription wird die tRNA modifiziert: Sie erhält an ihrem 3'-Ende durch ein
spezielles Enzym die Basenfolge CCA angehängt, und ungefähr 10% der Nukleotide werden
chemisch verändert, zum Teil methyliert oder sulfatiert:
4
Das eine Ende des "L" bildet das Anticodon, ein Basentriplett, das mit dem komplementären
Triplett (dem Codon) einer mRNA basenpaart. Das andere Ende trägt die Bindungsstelle für eine
Aminosäure. Enzyme, die Aminoacyl-tRNA-Synthetasen, koppeln am 3'-Ende der CAASequenz die Carboxygruppe derjenigen Aminosäure, welche zum entsprechenden Anticodon
gehört. Dieser Vorgang, bei welchem tRNAs mit entsprechenden Aminosäuren beladen werden,
nennt man Aminoacylierung. Die Reaktion verbraucht ATP und verläuft in zwei getrennten
Schritten. Der erste führt zu einer aktivierten Aminosäurezwischenstufe, bei der die
Carboxylgruppe mit AMP verknüpft ist. Dieses Zwischenprodukt ist sehr reaktionsfreudig und
bleibt am Enzym gebunden, bis das AMP durch den zweiten Reaktionsschritt durch das tRNAMolekül ersetzt wird, so dass eine Aminoacyl-tRNA und freies AMP entstehen:
Eine Zelle enthält 20 verschiedene Aminoacyl-tRNA-Synthetasen, für jede Aminosäure eine. Das
bedeutet, dass diese Enzyme sowohl die korrekte Aminosäure als auch die dazu passende(n)
tRNA(s) erkennen müssen. Aminosäuren werden aufgrund ihrer charakteristischen Seitengruppe
identifiziert, bestimmte Nukleotid-Sequenzen des Kleeblattes erlauben die Unterscheidung
einzelner tRNAs.
Wieviele verschiedene tRNAs gibt es?
61 der 64 Codons codieren für Aminosäuren. Es wäre deshalb naheliegend, dass auch 61
Anticodons und damit 61 verschiedene tRNAs bei Translationen bereitstehen müssten. Dem ist
aber nicht so. Interessanterweise genügen ungefähr die Hälfte tRNAs, um die 61 Codons zu
entziffern! Der Grund ist darin zu suchen, dass nur die ersten beiden Basen des Anticodons eine
genaue Basenpaarung verlangen, die dritte Base hingegen wegen ihrer besonderen sterischen
Anordnung auch alternative Paarungen zulässt, also z.B. G mit U statt mit C, etc. Diese als
Wobble-Basenpaarung bezeichnete Codon-Anticodon-Wechselwirkung erlaubt es, dass
verschiedene Codons, die für dieselbe Aminosäure codieren und sich nur in ihrem dritten
Nukleotid unterscheiden, oft durch dieselbe tRNA entziffert werden:
5
Die Wobble-Basenpaarung
Die kurze Doppelhelix, die sich durch Basenpaarung zwischen dem Codon und Anticodon ausbildet, besitzt
nicht die exakte Konfiguration einer üblichen RNA-Helix, sondern ihre Dimensionen sind leicht verändert.
Infolgedessen können sich an der Wobble-Position (zwischen dem ersten Nucleotid des Anticodons und
dem dritten Nucleotid des Codons) unübliche Basenpaare ausbilden. Auf diese Weise kann sich ein
einziges Anticodon mit mehr als einem Codon paaren, und eine tRNA kann mehr als ein Mitglied einer
Codonfamilie entziffern. Allerdings sind die Regeln für die Basenpaarung an der Wobble-Position nicht
vollkommen flexibel, sondern es sind nur wenige unübliche Basenpaare möglich. Am häufigsten sind
folgende Kombinationen:
Inosin kann mit C, A und U Basenpaarungen
eingehen
In einigen tRNAs handelt es sich beim WobbleNucleotid des Anticodons um Inosin (I), eine
desaminierte Form von Guanin. Inosin kann
nicht nur mit C eine Basenpaarung eingehen,
sondern auch mit A und U.
Durch das "Wobbeln" vermindert sich die Zahl der zur Entzifferung des genetischen Codes erforderlichen
tRNAs. Allerdings bleiben die Regeln des genetischen Codes unangetastet, und die Polymerisation eines
durch Translation synthetisierten Polypeptids erfolgt streng gemäss der Nucleotidsequenz der
entsprechenden mRNA.
Wenn z.B. 31 tRNAs 20 Aminosäuren binden, muss es zwangsläufig Aminosäuren geben, welche
an mehr als ein tRNA-Molekül binden können. Zwei tRNAs, die dieselbe Aminosäure
transportieren, nennt man Isoakzeptoren. Kurzschreibweise: eine für Glycin spezifische tRNA
bezeichnet man als tRNAGly. Hat sie nach der Aminoacylierung Glycin gebunden, stellt man sie
mit Gly-tRNAGly dar.
Hinweis: Robert Holley gelang 1965 die Sequenzierung einer tRNA. Dafür erhielt er 1968 den
Nobelpreis. Das entsprechende Dokument ("R. Holley, 1965") finden Sie am Geschichtsposten
im Atelier.
Aufgabe: In den Mitochondrien des Menschen sind für die Proteinsynthese lediglich 22
verschiedene tRNAs erforderlich. Wie ist das möglich?
Lösung: S. 23
6
Ribosomale RNA (rRNA)
Wie der Name vermuten lässt, sind ribosomale RNA-Moleküle Bestandteil der Ribosomen.
Ribosomen sind Multienzymkomplexe aus RNA und vielen verschiedenen Proteinen. Jedes
Ribosom besteht aus einer grossen und einer kleinen Untereinheit. Das Ribosom ermöglicht den
engen Kontakt zwischen den Codons der mRNA und den Anticodons der tRNAs (für welche
zwei Bindungsstellen am Ribosom existieren, eine P- und eine A-Bindungsstelle) und sorgt für
die korrekte Position des Leserasters. Auf der grossen ribosomalen Untereinheit liegt das
Peptidyltransferase-Zentrum, eine Stelle, welche die Bildung einer Peptidbindung zwischen der
Carboxygruppe am Ende einer wachsenden Polypeptidkette und der freien Aminogruppe einer
Aminosäure katalysiert.
Früher glaubte man, dass nur Proteine die für katalytische Reaktionen notwendige komplexe
räumliche Struktur ausbilden könnten. Seit der Entdeckung der selbst-spleissenden RNA weiss
man aber, dass auch Nukleinsäuren katalytische Aktivitäten haben können. RNA-Moleküle, die
katalytische Aktivität besitzen, nennt man Ribozyme. Heute wissen wir, dass das
Peptidyltransferase-Zentrum aus katalytisch aktiver RNA besteht, d.h. die Bildung der
Peptidbindung wird durch eine Base der 28S rRNA katalysiert.
Prokaryotische Ribosomen
Prokaryotische Ribosomen haben eine Molmasse von ungefähr 2 500 000 Dalton und eine Grösse
von etwa 29 nm x 21 nm. Der Sedimentationskoeffizient beträgt 70S für das ganze Ribosom, 30S
für die kleine und 50S für die grosse Untereinheit.
Eukaryotische Ribosomen
Eukaryotische Ribosomen haben eine Molmasse von ungefähr 4 200 000 Dalton und sind grösser
(32 nm x 22 nm) als prokaryotische Ribosomen. Ihre grosse Untereinheit weist einen
Sedimentationskoeffizienten von 60S auf, die kleine Untereinheit einen von 40S und das
vollständige Ribosom einen von 80S.
7
Sedimentationsanalyse
Ribosomen sind wie viele Makromoleküle und hochmolekulare Strukturen so gross, dass die Abschätzung
ihrer Molmasse früher Schwierigkeiten bereitete. Deshalb bestimmte man die Grösse solcher Strukturen
durch Analyse der Sedimentationsgeschwindigkeit. Mit dieser Methode ermittelt man die Geschwindigkeit,
mit der ein Molekül oder ein Partikel durch eine dichte Lösung (oft Saccharose) sedimentiert, wenn es einer
hohen Zentrifugalkraft (100 000 g oder mehr) ausgesetzt wird. Der Sedimentationskoeffizient wird mit
einem S-Wert angegeben (S = Svedberg-Einheit, nach dem Schweden Svedberg, der Anfang der zwanziger
Jahre des letzten Jahrhunderts die erste Ultrazentrifuge baute). Der S-Wert hängt von mehreren Faktoren
ab, insbesondere von der Molmasse und von der Form des Makromoleküls.
Die Zusammensetzung prokaryotischer und eukaryotischer Ribosomen (N* = Nucleotide):
Ribosom
Sedimentationskoeffizient
Molmasse (Dalton)
Anzahl der Untereinheit
grosse Untereinheit
Sedimentationskoeffizient
Molmasse (Dalton)
RNA-Moleküle
Anzahl
Grössen
Anzahl der Polypeptide
kleine Untereinheit
Sedimentationskoeffizient
Molmasse (Dalton)
RNA-Moleküle
Anzahl
Grössen
Anzahl der Polypeptide
Prokaryoten
Eukaryoten
70S
2 500 000
2
80S
4 200 000
2
50S
1 590 000
60S
2 820 000
2
23S = 2 904 N*
5S = 120 N
34
3
28S = 4 718 N
5,8S = 160 N
5S = 120 N
49
30S
930 000
40S
1 400 000
1
16S = 1 541 N
21
1
18S = 1 874 N
33
8
Die grosse Untereinheit prokaryotischer Ribosomen enthält 34 Proteine und 2 verschiedene
rRNA-Moleküle: eine 5S rRNA mit 120 Nukleotiden und eine 23S rRNA (2904 Nukleotide
lang). Die kleine Untereinheit birgt 21 Proteine und nur ein RNA-Molekül, die 16S rRNA mit
1541 Nukleotiden (zum Vergleich: tRNA: 4S).
Die grosse Untereinheit eukaryotischer Ribosomen trägt gar 49 Proteine und 3 verschiedene
rRNA-Moleküle: eine 5S rRNA mit 120 Nukleotiden, eine 5.8S rRNA (160 Nukleotide) und eine
28S rRNA (4718 Nukleotide). Die kleine Untereinheit besteht aus 33 Proteinen und einer 18S
rRNA mit 1874 Nukleotiden.
Synthese und Zusammenbau der Ribosomen
Die verschieden grossen rRNA-Moleküle müssen in etwa gleicher Anzahl synthetisiert werden.
Die Synthese gleicher Mengen aller rRNA-Moleküle lässt sich dadurch gewährleisten, dass ein
vollständiger Satz rRNA-Moleküle zusammen in einer Einheit transkribiert wird. Das
Primärtranskript ist deshalb eine lange RNA-Vorstufe, die Prä-rRNA, die, durch kurze Spacer
getrennt, rRNAs enthält. Die Spacer der Prä-rRNA werden in einem nächsten Schritt entfernt, so
dass die reifen rRNAs freigesetzt werden:
Ein schnell wachsender Prokaryot wie eine E. coli-Zelle, die 20 000 Ribosomen enthält, teilt
sich etwa alle 20 Minuten. Deshalb muss sie alle 20 Minuten 20 000 neue Ribosomen herstellen,
nämlich den gesamten Bestand für eine der beiden Tochterzellen. Das erfordert ein beträchtliches
Ausmass an rRNA-Transkription, und zwar in einem solchen Umfang, dass eine einzige
Transkriptionseinheit nicht in der Lage wäre, dem Bedarf gerecht zu werden. Tatächlich verfügt
das E. coli-Chromosom über sieben Kopien der rRNA-Transkriptionseinheit.
9
Die Transkription der hintereinanderliegenden rRNA-Gene lässt sich auch im
Elektronenmikroskop darstellen: Eine Transkriptionseinheit gleicht dabei einem Baum, dessen
"Äste" (die Vorläufer-RNAs) rechtwinklig vom "Stamm" (der DNA) wegschauen:
Aufgabe: Können Sie entscheiden, in welche Richtung (von rechts nach links oder umgekehrt)
sich die Polymerase auf der DNA bewegt?
Lösung: S. 23
Bei Eukaryoten werden nur die 28S-, 18Sund die 5.8S-Gene zusammen transkribiert.
Sie liegen beim Menschen in den Nucleolusorganisierenden Regionen der
Chromosomen 13, 14, 15, 21 und 22.
Gene, die für die 5S rRNA codieren,
befinden sich auf anderen Chromosomen.
Sofort nach der Transkription binden
ribosomale Proteine (welche im Cytoplasma
synthetisiert und dann via Kernporen
importiert wurden) an die rRNAs. Die
beiden Untereinheiten eines Ribosoms
werden so noch im Nucleolus Stück für
Stück zusammengesetzt. Der letzte Schritt
der Ribosomenreifung findet aber erst statt,
wenn die Untereinheiten ihren Arbeitsplatz,
das Cytoplasma, erreicht haben.
Eine höhere Eukaryotenzelle enthält bis zu 10 Millionen Ribosomen. Die Menge an rRNA, die
für deren Synthese notwendig ist, stellen Eukaryoten durch zwei Strategien sicher: Erstens sind
die rRNA-Transkriptionseinheiten in 50-5000-facher Ausführung als Gen-Kopien vorhanden.
10
Zweitens wird jedes rRNA-Gen besonders intensiv transkribiert, indem auf eine Polymerase,
welche den Promoter gerade verlassen hat, eine neue folgt und ein weiteres rRNA-Molekül
synthetisiert wird.
Hinweis: 1966 konnte M. Bretcher zeigen, dass Ribosomen zwei Bindungsstellen für tRNAs
aufweisen (A- und P-Stelle) und dass die Initiator-Methionyl-tRNA an die P-Stelle bindet. Sie
finden dazu im Atelier am Geschichtsposten das Dokument "M. Bretcher, 1966".
Der genetische Code
In der Translation wird die Basensequenz der mRNA in die Aminosäurensequenz eines Proteins
übersetzt: Immer drei aufeinanderfolgende Basen bilden ein Codewort. Der genetische Code ist
also eine Schrift aus 4 "Buchstaben" (den vier Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil), mit
denen "Wörter" aus 3 Buchstaben Länge gebildet werden können. Es sind somit 43 = 64
verschiedene Basentripletts oder Codons möglich (Achtung: in der Abbildung fehlt
UGG=Tryptophan):
Aufgabe: Erstellen Sie eine Liste der Codons, die in einem zufälligen Heteropolymer aus A- und
G-Nukleotiden enthalten wären. Aus welchen Aminosäuren würde ein aus diesem Heteropolymer
synthetisiertes Polypeptid bestehen?
Lösung: S. 23
11
61 der 64 Basentripletts codieren für die 20 Aminosäuren. Die drei verbleibenden Codons UAA,
UAG und UGA sind sogenannte Stop- oder Terminationscodons. Es handelt sich dabei um
Steuersignale, welche die Translation beenden. Natürlich existiert auch ein Start-Codon, welches
die Translation einleitet: die Basenfolge AUG ist der Startpunkt. AUG codiert für die Aminosäure
Methionin. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:
• Methionin ist die erste Aminosäure, welche bei der Translation eingebaut wird (trotzdem
beginnt nicht jedes fertiggestellte Protein mit Methionin, weil einzelne Aminosäuren oder
Peptidabschnitte nach der Translation wieder entfernt werden).
• Es wird nicht die gesamte mRNA in eine Aminosäuresequenz übersetzt, sondern nur
derjenige Abschnitt, welcher zwischen einem Startcodon und einem Stopcodon liegt.
• eine mRNA kann mehrere Codons der Basenfolge AUG enthalten, aber nicht alle sind
Startpunkte für die Translation - die meisten codieren nämlich für internes Methionin.
Der genetische Code hat folgende Eigenschaften:
• Er ist nicht überlappend, d.h. die aufeinanderfolgenden Basen 1, 2 und 3 entsprechen einer
Aminosäure, die Basen 4, 5 und 6 der nächsten, usw. (überlappend wäre er, wenn die Basen
1, 2 und 3 die erste Aminosäure bestimmten und die Basen 3, 4 und 5 für die zweite
Aminosäure codierten).
Hinweis: Im Atelier (Geschichtsposten) finden Sie dazu das Dokument "Gamows DiamantenCode".
•
•
•
Er ist interpunktionsfrei, die einzelnen Codons sind also nicht durch "Kommas" voneinander
getrennt. Was heute absurd klingt, war früher Stoff für zahlreiche Theorien: Es wurde z.B
diskutiert, ob eine bestimmte Base (z. B. Cytosin) eine Art "Leertaste" bilde.
Er ist degeneriert, weil häufig mehrere Codons für eine Aminosäure codieren oder anders
gesagt, weil die meisten Aminosäuren von mehr als einem Codon repräsentiert werden.
Ausnahmen sind nur Methionin und Tryptophan: für diese beiden Aminosäuren gibt es
jeweils nur ein zugehöriges Codon. Interessanterweise sind diese Aminosäuren in Proteinen
spärlich vertreten.
Er ist universell, d. h. für alle Lebewesen gleich. In Chloroplasten und Mitochondrien gibt es
aber einige Abweichungen, wie folgende Tabelle zeigt:
Codon
UAG
AUA
CUA
AGA
AGG
"universeller" Code
STOP
lle
Leu
Arg
mitochondriale Codes
Säuger
Trp
Met
Leu
STOP
Drosophila
Trp
Met
Leu
Ser
Hefen
Trp
Met
Thr
Arg
Bei der Translation gewisser mRNAs wird beim Codon UGA nicht terminiert, sondern die
ungewöhnliche Aminosäure Selenocystein eingeführt. Selenocystein wir ausgehend von Serin an
einer speziellen (mit Serin beladenen) tRNA synthetisiert und von einem speziellen
Elongationsfaktor ans Ribosom gebracht. Selen-haltige Proteine sind selten aber für den
Stoffwwechsel sehr wichtig.
Aufgabe: Der Nichtmatrizenstrang eines Gens hat folgende Sequenz:
5'-ATGTTAGCTGATCCGGAAATGATGTTATATATAATATATGCCCAATAG-3'
Wie lautet die Aminosäuresequenz des Genproduktes lauten? Lösung: S. 23
12
Hinweis: Im Atelier finden Sie am Geschichtsposten viele interessante Berichte über die
Entschlüsselung des genetischen Codes, so zum Beispiel:
- Grundberg-Manago entdeckt die Polynukleotid-Phosphorylase
- Nirenberg & Matthaei decken das Codewort für Phenylalanin auf
- Leder & Nirenberg entschlüsseln den genetischen Code weitgehend
- Marcker findet das Start-Codon mit einer Formyl-Methionin-tRNA
- Gobind Khorana entdeckt die Stop-Codons
Mechanismus der Translation
Die Vorgänge bei der Translation werden in drei Phasen aufgeteilt: Initiation, Elongation und
Termination.
Die Initiation ist bei Prokaryoten und Eukaryoten unterschiedlich:
Initiation bei E. coli
Die kleine 30S Ribosomenuntereinheit muss sich an das zu translatierende mRNA-Molekül
anlagern, und zwar nicht an einer beliebigen Position, sondern an einer spezifischen Stelle
unmittelbar stromaufwärts (Richtung 5') vom Translationsstartcodon der mRNA. Der richtige Ort
für die Anlagerung ist durch eine Nukleotidsequenz bestimmt, welche in E. coli
folgendendermassen lautet:
5'-AGGAGGU-3'
Diese als Shine-Dalgarno-Sequenz (S/D-Sequenz) bekannte Nukleotidfolge geht eine
vorübergehende Basenpaarung mit einem Teil des 16S rRNA ein und ermöglicht so der 30S
Untereinheit, an die mRNA zu binden.
Da die kleine Untereinheit einen viel grösseren Bereich abdeckt als die Länge der ShineDalgarno-Sequenz, ist mit der Identifikation der Ribosomenbindungsstelle auch gleich das
Startcodon AUG korrekt positioniert. Das Startcodon liegt nämlich üblicherweise nur etwa 10
Nukleotide hinter der S/D-Sequenz. Das AUG-Triplett ist das Translationsstartcodon der mRNA,
d.h. es markiert die Stelle, an der die Translation beginnen muss.
Prokaryoten können mehrere Proteine auf einer einzigen mRNA codieren und somit gleichzeitig
verschiedene Proteine von derselben mRNA synthetisieren. Solche polycistronische mRNAs
benötigen deshalb auch dementsprechend viele Shine-Dalgarno-Sequenzen (S/D) und ebensoviele
Start- und Stop-Codons:
Der Translationsvorgang selbst beginnt, sobald eine Initiator-tRNA mit dem Start-Codon, das
durch die 30S Untereinheit ausfindig gemacht wurde, eine Basenpaarung eingeht. Diese InitiatortRNA ist bei Bakterien mit N-Formylmethionin (fMet) beladen:
13
Den Komplex aus mRNA, 30S Untereinheit und Formylmethionin-tRNA nennt man
Initiationskomplex, und seine Bildung markiert das Ende der Initiationsphase der Translation.
Synthese von Formylmethionin
Obwohl es für Methionin nur ein Codon gibt (AUG), besitzen alle Organismen zwei tRNA-Typen zur
Bindung von Methionin. Eine tRNA wird ausschliesslich dann verwendet, wenn AUG das InitiationsCodon für die Proteinsynthese dient. Die zweite tRNA wird verwendet, wenn Methionin in eine interne
Position eines Polypeptids eingefügt wird.
Bei Bakterien werden die beiden Typen von methionin-spezifischer tRNA als tRNAMet und tRNAfMet
bezeichnet. Der erste Aminosäurerest am amino-terminalen Ende ist N-Formylmethionin. Er wird als NFormyl-methionin-tRNAfMet, das in zwei aufeinanderfolgenden Reaktionen gebildet wird, zum Ribosom
transportiert. Zuerst wird Methionin von der Met-tRNA-Synthetase an die tRNAfMet gebunden:
Methionin + tRNAfMet + ATP -> Met- tRNAfMet + AMP + PPi
Darauf wird eine Formylgruppe von N10-Formyltetrahydrofolat durch eine Transformylase auf die
Aminogruppe des Methionin-Restes übertragen:
N(10)-Formyltetrahydrofolat + Met- tRNAfMet -> Tetrahydrofolat + fMet- tRNAfMet
Diese Transformylase kann kein freies Methionin oder an tRNAMet gebundenes Methionin formylieren.
Statt dessen ist sie spezifisch für an tRNAfMet gebundene Methionin-Reste, wobei sie ein
charakteristisches Strukturmerkmal dieser tRNA erkennt.
Die fMet-tRNAfMet wird vom Translationsinitiationsfaktor IF2 erkannt und an die P-Region der 30S
ribosomalen Untereinheit gebunden.
Initiation bei Eukaryoten
Der wesentliche Unterschied zu Prokaryoten betrifft die Art, wie die kleine Untereinheit des
Ribosoms (40S bei Eukaryoten) an die mRNA bindet und das AUG-Codon, an dem die
Translation beginnen soll, ausfindig macht. Ausserdem sind für die Initiation mindestens elf
Initiationsfaktoren erforderlich, im Gegensatz zu E. coli, wo drei solche Proteine ausreichen.
Bei Eukaryoten bindet einer dieser Initiationsfaktoren, das cap-bindende Protein eIF4E, an die 5'Cap-Struktur der mRNA und fördert die Bildung eines Komplexes zwischen der mRNA und der
40S Untereinheit des Ribosoms. Die 40S Untereinheit hat bereits Initiator-Methionyl-tRNA
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gebunden. Die 40S Untereinheit wandert dann der mRNA entlang, bis sie ein Start-Codon
erreicht. Dort wird die 60S Untereinheit des Ribosoms angefügt, und es resultiert ein 80SInitiationskomplexes, der die Initiator-Met-tRNAMet sowie mRNA enthält und für die
Elongation bereit ist.
Aufgabe: Beschreiben Sie, wie die 40S Untereinheit eines eukaryotischen Ribosoms ein
Startcodon auf einem mRNA-Molekül findet.
Elongation
Die Elongation verläuft bei Prokaryoten und Eukaryoten gleich:
Sobald sich der Initiationskomplex gebildet hat, kann sich die grosse Untereinheit des Ribosoms
anlagern. Es entstehen so zwei verschiedene abgegrenzte Bereiche, an denen tRNAs binden
können: Die erste heisst Peptidyl- oder P-Stelle und ist im Augenblick von der Methionin-tRNA
(bei Prokaryoten: Formyl-methionin-tRNA) besetzt, die noch mit dem Start-Codon basengepaart
ist. Die Aminoacyl- oder A-Stelle liegt über dem zweiten Codon des Gens und ist zunächst
unbesetzt.
Den Prozess der Polypeptidketten-Verlängerung (Elongation) kann man sich als zyklischen
Vorgang mit drei klar voneinander unterscheidbaren Schritten betrachten:
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1. Bindung einer neuen tRNA in Position A:
Eine Aminoacyl-tRNA plus GTP wird an
den Elongationsfaktor eEF1 (EF-Tu in E.
coli) gebunden und dieser Komplex findet
die leere A-Stelle neben einer besetzten PStelle am Ribosom. Dort bildet das
Anticodon der tRNA Basenpaare mit drei
Nukleotiden (Codon) der mRNA. Das GTPMolekül wird hydrolysiert und der
Elongationsfaktor entlassen.
2. Bildung der Peptidbindung:
Im zweiten Schritt wird das Carboxy-Ende
der Polypeptidkette von dem an der PBindungsstelle liegenden tRNA-Molekül
getrennt und über eine Peptidbindung an die
Aminosäure gebunden, die an das tRNAMolekül in der A-Stelle gebunden ist.
Katalysiert wird diese Reaktion von der
Peptidyltransferase. Diese enzymatische
Aktivität wird durch eine Base der 28S
rRNA in der grossen RibosomenUntereinheit vermittelt.
3. Translokation und Freisetzung der tRNA:
Im dritten Schritt wird schliesslich die neue
Peptidyl-tRNA von der A-Stelle in die PStelle verschoben. Dieser Schritt wird durch
den Elongationsfaktor eEF2 (EF-G in E.
coli) und GTP katalysiert. Dabei bewegt
sich das Ribosom um genau drei Nukleotide
auf der mRNA weiter und das das GTPMolekül wird hydrolysiert. Während des
Translokationsvorgangs löst sich das im
zweiten Schritt an der P-Stelle gebildete
freie tRNA-Molekül vom Ribosom und
kehrt in den cytoplasmatischen tRNA-Vorrat
zurück. Daher ist am Ende des dritten
Schritts die A-Stelle wieder frei und kann
eine neue Aminoacyl-tRNA aufnehmen.
Damit beginnt der ganze Vorgang von
neuem.
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Termination
Auch die Termination ist bei Prokaryoten und Eukaryoten im Wesentlichen gleich:
Sobald ein Stopcodon (UAA, UAG oder
UGA) in die A-Stelle gelangt, kommt es zur
Termination der Translation. Es gibt kein
tRNA-Molekül, dessen Anticodon mit
einem der Stop-Codons eine Basenpaarung
eingehen könnte. Stattdessen besetzt einer
von zwei Terminationsfaktoren (eRF1 oder
eRF2, bei Eukaryoten) die A-Stelle des
Ribosoms. Dabei erkennt eRF1 nur die
Stop-Codons UAG und UAA, eRF2 dafür
UGA
und
UAA.
Ein
dritter
Terminationsfaktor (eRF3) erfüllt bei
diesem Vorgang eine Hilfsfunktion. Die
Bindung von eRF an die A-Stelle ändert die
Aktivität der Peptidyltransferase so, dass
diese ein Wassermolekül anstelle einer
Aminosäure an die Peptidyl-tRNA anhängt.
Dadurch wird das Carboxy-Ende der
Polypeptidkette aus der Bindung an das
tRNA-Molekül gelöst. Da normalerweise
die
wachsende
Polypeptidkette
ausschliesslich durch diese Bindung mit
dem Ribosom verknüpt ist, wird die fertige
Proteinkette ins Cytoplasma entlassen.
Anschliessend setzt das Ribosom auch die
mRNA und die tRNA der zuletzt
eingebauten Aminosäure frei und zerfällt in
seine beiden Untereinheiten.Diese können
sich sogleich wieder an eine mRNA
anlagern.
Ein mRNA ist so gross, dass mehrere
Ribosomen sie gleichzeitig übersetzen
können. Solche Ribosomen-mRNAKomplexe nennt man Polyribosomen oder
auch Polysomen. Sie ermöglichen eine
rasche und intensive Proteinsynthese.
Polysomen können elektronenmikroskopisch
sichtbar gemacht werden:
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Faltung und Struktur von Proteinen
Die Information für die richtige Faltungeines Proteins ist in der Aminosäure-Sequenz enthalten.
Man kann sogar Eiweisse denaturieren und wieder renaturieren lassen. Das geht allerdings nicht
bei allen Eiweissen bzw. nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Ein Grund für diese
Einschränkung liegt darin, dass die Faltung von Eiweissen in der Zelle fortlaufend mit der
Eiweiss-Synthese und nicht erst nach abgeschlossener Synthese erfolgt. Neueste
Forschungsergebnisse zeigen, dass sowohl prokaryotische wie eukaryotische Zellen über eine
ganze Familie von Eiweiss-Enzymen verfügen, welche andere Eiweisse entfalten oder falten
können. Diese Entfaltungs- oder Faltungsprozesse sind von der Hydrolyse von ATP durch diese
Enzyme abhängig. Man weiss heute, dass diese katalysierten Entfaltungen bzw. Faltungen unter
anderem beim Durchtritt von Eiweissen durch Membranen von grosser Bedeutung sind.
Hinweis: Im Atelier können Sie sich das Video "Struktur und Funktion von Proteinen" ansehen.
Man unterscheidet bei Proteinmolekülen vier Strukturebenen:
1. Die Primärstruktur: die Abfolge der Aminosäuren.
2. Die Sekundärstruktur ergibt sich aus regelmässigen Wasserstoffbrücken-Wechselwirkungen
zwischen den Peptidbindungen selbst. Zwei Muster sind besonders häufig: die α-Helix und das β
-Faltblatt.
Eine -Helix entsteht, wenn sich eine Polypeptidkette regelmässig um sich selbst windet. Es
entsteht ein "Zylinder", in dem jede Peptidbindung regelmässig mit weiteren Peptidbindungen
über Wasserstoffbrücken verbunden ist. Die Seitenketten der Aminosäuren ragen dabei nach
aussen (Figur unten, links).
Das -Faltblatt entsteht, wenn zwei Peptidketten nebeneinander zu liegen kommen und jede
Peptidbindung mit seinem Gegenüber eine Wasserstoffbrücke ausbildet. Dieser Peptidrost ist
ziehharmonika- ähnlich gefaltet, deshalb stehen die Seitenketten der Aminosäuren nahezu
senkrecht nach oben oder nach unten. Faltblattstrukturen zwischen gegenläufigen, antiparallelen
Ketten nennt man antiparallele
-Faltblätter, solche zwischen gleich-läufigen, parallelen
Ketten parallele -Faltblätter (Figur unten, rechts).
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3. Die Tertiärstruktur ist die dreidimensionale Konformation eines Proteins: sie beschreibt die
Lage aller Atome im Raum. Zusammengehalten wird die Tertiärstruktur durch eine Vielzahl von
Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Aminosäuren. Bei diesen Kräften handelt es sich um
Wasserstoffbrückenbindungen, Ionenbindungen zwischen positiv und negativ geladenen Gruppen
der Seitenketten, hydrophobe Bindungen im Innern der Proteine und Disulfidbrücken, die durch
Dehydrierung (Oxidation) von zwei SH-Gruppen zweier Cystein-Reste entstehen:
Im Peptidhormon Insulin werden zwei Aminosäure-Ketten unterschiedlicher Länge mittels
Disulfidbrücken zusammengehalten. Die beiden Ketten sind Produkte einer einzigen
Polypeptidkette. Im unreifen Proinsulin ist die A-Kette nämlich noch über ein C-Peptid (welches
später entfernt wird) mit der B-Kette verbunden:
4. Die Quartärstruktur: Von Quartärstruktur sprechen wir bei Proteinen, welche aus zwei oder
mehr Untereinheiten bestehen. Es handelt sich bei der Quartärstruktur also um die räumliche
Gestalt von Aggregaten von Polypeptidketten. Die Untereinheiten können identisch sein oder wie
bei der RNA-Polymerase (α2ββγ) unterschiedliche Aminosäuresequenzen beinhalten.
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Posttranslationale Modifikationen
Einige frisch hergestellte Proteine erhalten ihre endgültige biologisch aktive Konformation erst,
nachdem sie durch eine oder mehrere Prozessierungsreaktionen, sogenannte posttranslationale
Modifikationen, abgeändert worden sind. Folgende Angaben gelten sowohl für Prokaryoten wie
für Eukaryoten (Ausnahme: Glycosylierung).
Amino-terminale und carboxy-terminale Modifikationen
Ursprünglich beginnen alle Polypeptide mit einem N-Formylmethionin- (bei Prokaryoten) oder
Methionin-Rest (bei Eukaryoten). Diese und häufig noch weitere amino-terminale und carboxyterminale Reste können jedoch enzymatisch entfernt werden und sind in den endgültigen
funktionellen Proteinen nicht immer vorhanden.
Modifikation einzelner Aminosäuren
•
•
•
Die Hydroxygruppe bestimmter Ser-, Thr- und Tyr-Reste einiger Proteine werden
enzymatisch mittels ATP als Phosphatdonor phosphoryliert, wodurch die Polypeptide
negative Ladungen erhalten.
An die Asp- und Glu-Reste einiger Proteine können zusätzliche Carboxygruppen angefügt
werden.
In einigen Proteinen werden bestimmte Lys-Reste enzymatisch methyliert.
Glykosylierungen
Bei einigen Glykoproteinen wird während oder nach der Synthese der Polypeptidkette
enzymatisch eine Kohlenhydrat-Seitenkette an Asparagin-Reste, bei andern an Serin- oder
Threonin-Reste addiert. Viele extrazellulär lokalisierte Proteine sowie die die Schleimhäute
auskleidenden Proteoglykane erhalten so ihre Oligosaccharid-Seitenketten.
Proteolytische Prozessierung
Viele Proteine, darunter das Insulin sowie die Proteasen Trypsin und Chymotrypsin, werden
zunächst als grössere inaktive Vorstufen hergestellt, die dann proteolytisch zu ihrer endgültigen,
aktiven Form gespalten werden.
Addition prosthetischer Gruppen
Viele prokaryotische und eukaryotische Proteine benötigen kovalent gebundene prosthetische
Gruppen für ihre Funktion. Diese Gruppen werden an die Polypeptidkette angefügt, nachdem
diese das Ribosom verlassen hat. Ein Beispiel hierfür ist die kovalent gebundene Hämgruppe des
Cytochroms c.
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Protein-Targeting
Protein-Targeting bei Eukaryoten
Fast alle Proteine entstehen an den Ribosomen im Cytosol (nur relativ wenige werden an den
Ribosomen der Mitochondrien und Chloroplasten gebildet). Der Weg, welchen die Proteine dann
nehmen, teilt sich in zwei Richtungen. Auf dem einen Weg (im Schema unten gestrichelt
dargestellt) werden die Proteine, wenn sie fertig synthetisiert sind, ins Cytosol entlassen. Manche
dieser Proteinen besitzen Sortiermerkmale, die für den Weitertransport aus dem Cytosol in die
Mitochondrien, Chloroplasten (bei Pflanzen), Peroxysomen oder in den Zellkern sorgen. Die
meisten Proteine haben überhaupt kein spezielles Sortiermerkmal und bleiben daher ständig
Bestandteile des Cytosols.
Über den zweiten Weg (ausgezogene Linie) werden Proteine befördert, die aus der Zelle
ausgeschieden werden sollen, und ausserdem auch solche, deren Bestimmungsort im ER, im
Golgi-Apparat, in der Plasmamembran oder in den Lysosomen liegt.
Die Prozesse, welche Proteine sortieren und zu ihrem korrekten Platz in der Zelle transportieren,
bezeichnet man als Protein-Targeting (Zielsteuerung). Für Protein-Targeting sind bestimmte
Sortiermerkmale nötig, welche die Proteine Schritt für Schritt durch die oben skizzierten
Transportwege dirigieren. Man unterscheidet nun mehrere Arten solcher Sortiermerkmale:
Signalpeptide und Signalbereiche.
Signalpeptide sind kurze Aminosäuresequenzen am Aminoterminus eines neu synthetisierten
Polypeptids. Diese Signalsequenzen lenken ein Protein zu seinem Bestimmungsort und werden
während des Transportes oder kurz danach entfernt.
Signalbereiche sind Oberflächenstrukturen, die sich durch die Faltung des Proteins ausbilden und
für das entsprechende Protein charakteristisch sind. Signalbereiche bleiben am fertigen Protein
erhalten und dienen für andere Sortierschritte, z. B. für die Erkennung bestimmter
Lysosomenproteine durch ein spezielles Sortierenzym im Golgi-Apparat.
Das vielleicht am besten charakterisierte Zielsteuerungssystem in eukaryotischen Zellen beginnt
am Endoplasmatischen Retikulum (ER). Die meisten lysosomalen Proteien, Membranproteine
und sekretierten Proteine besitzen eine amino-terminale Signalsequenz, die sie für einen
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Transport in den Innenraum des ER markiert. Diese Signalsequenz trägt wesentlich dazu bei, dass
das Ribosom zum ER gelenkt wird.
Der vollständige Prozess beginnt mit der Initiation der Proteinsynthese an freien Ribosomen im
Cytoplasma. Die Signalsequenz erscheint zu Beginn der Eiweissynthese, da sie sich am
Aminoterminus befindet. Sobald sie aus dem Ribosom herausragt, wird sie von einem ProteinKomplex gebunden, dem Signalerkennungspartikel SRP (signal recognition particle). Durch
diesen Bindungsvorgang wird die Elongation gestoppt, wenn die Signalsequenz vollständig
translatiert worden ist. Das gebundene SRP steuert das Ribosom mit dem unvollständigen
Polypeptid zu SRP-Rezeptoren auf der cytosolischen Seite des ER. Das entstehende Polypeptid
wird an einen Peptidtranslokationskomplex im ER abgegeben, das SRP dissoziiert vom Ribosom
ab, und die Synthese des Proteins wird fortgesetzt. Der Translokationskomplex transportiert das
wachsende Polypeptid durch eine ATP-getriebene Reaktion in den Innenraum des ER. Dort wird
die Signalsequenz von einer Signalpeptidase entfernt. Sobald das Protein zu Ende synthetisiert
worden ist, dissoziiert das Ribosom vom ER ab:
Protein-Targeting bei Prokaryoten
Auch bei Bakterien findet ein Protein-Targeting zur inneren oder äusseren Membranseite oder ins
extrazelluläre Medium (Sekretion) statt. Dabei werden die Signalsequenzen am Aminoterminus
der Proteine verwendet, die denen der eukaryotischen Proteine, die zum ER transportiert werden,
ähnlich sind.
Einige Proteine, die eine oder mehrere Membranen passieren, müssen, um ihren endgültigen
Bestimmungsort zu erreichen, solange eine ganz bestimmte "translokationsfähige" Konformation
einnehmen, bis dieser Vorgang abgeschlossen ist. Die funktionelle Konformation wird erst nach
der Translokation eingenommen, und man findet häufig, dass Proteine, die in dieser endgültigen
Form gereinigt wurden, nicht mehr transportiert werden können.
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass die Translokationskonformation bei allen
Bakterienzellen von einer Gruppe spezieller Proteine stabilisiert wird. Diese binden bereits an das
zu transportierende Protein, während es synthetisiert wird, und hindern es daran, sich zu seiner
endgültigen dreidimensionalen Struktur zu falten.
Bei E. coli fördert ein Protein, der sogenannte Trigger-Faktor, die Translokation mindestens
einiger Proteine.
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Quellennachweis
Die Texte und Abbildungen des vorliegenden Scripts entsprechen den Seitenangaben aus
folgenden Werken, welche f¸r Interessierte zur Ansicht angeboten werden:
•
•
•
•
Bruce Alberts et al.: "Molekularbiologie der Zelle", VCH, 2. Auflage, ISBN 3-527-27983-0,
p. 116-126, p. 240-256, p. 640-642
T. A. Brown: "Moderne Genetik - eine Einführung", Spektrum Akademischer Verlag 1993,
ISBN 3-86025-180-5, p. 83-164
Lehninger/Nelson/Cox: "Prinzipien der Biochemie", Spektrum Akademischer Verlag, 2.
Auflage, ISBN 3-86025-106-6, p. 123-139, p. 1030-1060
Karlson/Doenecke/Koolman: "Kurzes Lehrbuch der Biochemie für Mediziner und
Naturwissenschaftler", Thieme Verlag, 14. Auflage, ISBN 3-13-357814-6, p. 31-32
Lösungen
•
In den Mitochondrien des Menschen sind für die Proteinsynthese lediglich 22 verschiedene
tRNAs erforderlich. Wie ist das möglich?
Die normalen Regeln für die Codon-Anticodon-Paarung werden bei den Mitochondrien etwas
"nachlässiger gehandhabt", so dass viele tRNA-Moleküle alle vier Nukleotide in Position 3
akzeptieren. Dies gestattet einer tRNA, sich mit jedem der vier verschiedenen Codons zu paaren
und erlaubt Proteinsynthese mit weniger tRNA-Molekülen.
•
Können Sie entscheiden, in welche Richtung (von rechts nach links oder umgekehrt) sich die
Polymerase auf der DNA bewegt?
Die Spitze eines solchen "Baumes" markiert den Punkt auf der DNA, an dem die Transkription
beginnt, denn dort sind die Transkripte am kürzesten. Die Polymerase auf dem EM-Bild
transkribiert also von links nach rechts.
•
Erstellen Sie eine Liste der Codons, die in einem zufälligen Heteropolymer aus A- und GNukleotiden enthalten wären. Aus welchen Aminosäuren würde ein aus diesem
Heteropolymer synthetisiertes Polypeptid bestehen?
Codons: AAA, AAG, AGA, GAA, AGG, GGA, GAG, GGG. Aminosäuren: Lys, Arg, Glu, Gly
•
Der Nichtmatrizenstrang eines Gens hat folgende Sequenz:
5'-ATGTTAGCTGATCCGGAAATGATGTTATATATAATATATGCCCAATAG-3'
Wie lautet die Aminosäuresequenz des Genproduktes?
Met-Leu-Ala-Asp-Pro-Glu-Met-Met-Leu-Tyr-Ile-Ile-Tyr-Ala-Gln
Uebungsaufgaben mit Lösungen
finden Sie in der Internetversion des Ateliers!
Hinweis: Das „Repetitorium Molekularbiologie“ definiert den Stoff, welcher in den Prüfungen
verlangt wird. Wegen seiner Kürze eignet es sich allerdings nicht als primäre Informationsquelle!
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