Kap I: Grundlagen

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Kap I: Grundlagen
1. Mengen und Abbildungen
Wir gehen aus vom naiven Mengenbegriff nach Georg Kantor:
Von ihm stammt die folgende intuitive Definition des Mengenbegriffs:
Eine Menge ist eine Zusammenfassung bestimmter wohlunterschiedener Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens - welche die Elemente der
Menge genannt werden - zu einem Ganzen.
Die ersten und gewichtigsten Beispiele von Mengen sind:
i) N= Menge der natürlichen Zahlen
ii) Z= Menge der ganzen Zahlen
iii) Q= Menge der rationalen Zahlen
iv) R= Menge der reellen Zahlen
Die aus keinem Element bestehende Menge heißt die leere Menge und wird
mit ∅ bezeichnet.
Ist X eine Menge und x ein Objekt dieser Menge, so schreibt man
x ∈ X, falls x Element der Menge X ist,
andernfalls schreibt man x 6∈ X.
Statt x1 ∈ X, x2 ∈ X, ... ,xn ∈ X schreibt man auch x1 , ..., xn ∈ X.
Sind X und Y Mengen, so heißt X eine Teilmenge von Y , wenn jedes
Element von X auch Element von Y ist, man schreibt hierfür X ⊂ Y .
2
Zwei Mengen X und Y heißen gleich, wenn X ⊂ Y und Y ⊂ X gilt. Man
schreibt hierfür X = Y .
Die Menge X heißt echte Teilmenge von Y , wenn X ⊂ Y und X 6= Y gilt;
man schreibt hierfür X ⊂ Y .
6=
Beispiel: N ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R. “echte Inklusion”
6=
6=
6=
Sind x1 , ..., xn endlich viele Objekte (nicht notwendig verschiedene), so bezeichnet {x1 , ..., xn } diejenige Menge, die genau die vorgegebenen Objekte
x1 , ..., xn als Elemente besitzt.
Beispiel:
{1, 2, 3} ist die aus den Zahlen 1, 2 und 3 bestehende Menge.
Es gilt:
{1, 2, 3} = {3, 2, 1} = {3, 3, 1, 1, 2, 1, 3}.
Ist X eine Menge und E eine Eigenschaft, die jedes Element von X hat oder
nicht, so bezeichnet
{x ∈ X|x hat die Eigenschaft E}
die Menge aller Elemente von X, die die Eigenschaft E besitzen.
Beispiele:
{x ∈ Z|x > 0} = N
ist die Menge der natürlichen Zahlen;
{x ∈ R|x 6∈ Q}
ist die Menge der irrationalen Zahlen;
{x ∈ N|x > 1 und y/x in N =⇒ y = 1 oder y = x}
ist die Menge der Primzahlen.
3
Definition:
Sei Ω eine Menge und X und Y Teilmengen von Ω. So hat man folgende
Mengenoperationen:
i) X ∪ Y := {x ∈ Ω|x ∈ X oder x ∈ Y }
Die Menge der Element aus Ω, die in X oder in Y liegen.
ii) X ∩ Y := {x ∈ Ω|x ∈ X und x ∈ Y }
Die Menge der Element aus Ω, die in X und in Y liegen.
iii) X \ Y := {x ∈ Ω|x ∈ X und x 6∈ Y }
Die Menge der Element aus Ω, die in X aber nicht in Y liegen.
Bemerkung:
Mengen X und Y mit X ∩ Y = ∅ heißen disjunkt.
Die Bildungen Vereinigung und Durchschnitt von Mengen sind kommutativ
und assoziativ d. h. für Mengen X, Y und Z gilt:
X ∪Y =Y ∪X
X ∩Y =Y ∩X
und
(X ∪ Y ) ∪ Z = X ∪ (Y ∪ Z)
(X ∩ Y ) ∩ Z = X ∩ (Y ∩ Z)
Ferner gelten folgende Rechenregeln:
Lemma 1:
Seien X, Y und Z Mengen, dann gilt:
i) X ∩ Y = X ⇐⇒ X ⊂ Y
ii) X ∪ Y = X ⇐⇒ Y ⊂ X
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iii) Distributivität:
X ∩ (Y ∪ Z) = (X ∩ Y ) ∪ (X ∩ Z)
X ∪ (Y ∩ Z) = (X ∪ Y ) ∩ (X ∪ Z)
iv Sind Y1 und Y2 Teilmengen von X, so gilt:
X \ (Y1 ∪ Y2 ) = (X \ Y1 ) ∩ (X \ Y2 )
X \ (Y1 ∩ Y2 ) = (X \ Y1 ) ∪ (X \ Y2 )
Sei X1 , ..., Xn ein System endlich vieler Mengen. Wir betrachten n-Tupel
(x1 , ..., xn ) von Elementen x1 ∈ X1 , ..., xn ∈ Xn
und nennen zwei solche n-Tupel (x1 , ..., xn ) sowie (x01 , ..., x0n ) gleich, falls
xi = x0i für i = 1, ..., n gilt.
Definition:
Mit den obigen Mengenangaben definieren wir
n
Y
Xi := X1 × ... × Xn := {(x1 , ..., xn )|xi ∈ Xi für alle i = 1, ..., n}
i=1
als das (direkte oder cartesische) Produkt des Systems X1 , ..., Xn
Speziell für Xi = X für alle i = 1, ..., n schreibt man statt X1 × ... × Xn auch
X n und nennt es das n-fache Produkt von X.
Wir kommen nun zum Begriff der Abbildung:
Definition:
Seien X und Y Mengen. Eine Abbildung f von X nach Y ist eine Zuordnungsvorschrift, die jedem Element x ∈ X genau ein Element von Y , welches
mit f (x) bezeichnet wird, zuordnet.
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Die Menge X heißt der Definitionsbereich von f , und die Menge Y der
Bild- oder Wertebereich von f .
Für eine Abbildung f von X nach Y schreibt man f : X −→ Y oder auch
f
X −→ Y .
Für x ∈ X heißt f (x) das Bild von x unter f , und die Zuordnung von x
zu seinem Bild f (x) schreibt man mit x 7−→ f (x), und die Abbildung dann
auch mit
f : X −→ Y
.
x 7−→ f (x)
Beispiele für Abbildungen:
i) Ist X eine Menge, so heißt die Abbildung
idX : X −→ X
x 7−→ x
die identische Abbildung von X.
ii) Ist X 0 eine Teilmenge von X, so heißt die Abbildung
X 0 −→ X
x 7−→ x
die Inklusion oder die kanonische Injektion von X 0 in X.
iii) Sind X1 , ..., Xn Mengen, so heißt für i = 1, ..., n die Abbildung
pri : X1 × ... × Xn −→ Xi
(x1 , ..., xn ) 7−→ xi
die kanonische Projektion auf den i-ten Faktor.
iv) Die Addition reeller Zahlen ist eine Abbildung, nämlich
R × R −→
R
,
(x, y) 7−→ x + y
ebenso die Multipikation usw.
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Definition:
Seien f : X −→ Y und g : Y −→ Z Abbildungen von Mengen. Dann erklärt
man die Komposition von f und g als die Abbildung
g ◦ f : X −→
Y
.
x 7−→ g(f (x))
Lemma 2:
Seien f : X −→ Y , g : Y −→ Z und h : Z −→ U Abbildungen von Mengen.
Dann gilt:
h ◦ (g ◦ f ) = (h ◦ g) ◦ f
f ◦ idX = idY ◦ f = f
Definition:
Sei f : X −→ Y eine Abbildung von Mengen.
i) f heißt surjektiv, wenn es zu jedem y ∈ Y ein x ∈ X gibt mit f (x) =
y.
ii) f heißt injektiv, wenn für Elemente x, x0 ∈ X mit f (x) = f (x0 ) stets
x = x0 folgt.
iii) f heißt bijektiv, wenn f sowohl surjektiv als auch injektiv ist.
Beispiele:
i) Für jede Menge X ist die identische Abbildung
idX : X −→ X
x 7−→ x
bijektiv, und für jede Teilmenge X 0 von X ist die Inklusion
X 0 −→ X
x 7−→ x
injektiv.
7
ii) Die Abbildung
R −→ R
x 7−→ x2
ist weder surjektiv noch injektiv, die Abbildung
R −→ R+ := {x ∈ R|x ≥ 0}
x 7−→
x2
ist hingegen surjektiv, jedoch nicht injektiv; die Abbildung
R+ −→ R+
x 7−→ x2
ist surjektiv und injektiv, also bijektiv.
Lemma 3:
Seien f : X −→ Y und g : Y −→ Z Abbildungen von Mengen.
i) Sind f und g surjektiv, so auch g ◦ f .
Sind f und g injektiv, so auch g ◦ f .
ii) Ist g ◦ f surjektiv, so auch g.
Ist g ◦ f injektiv, so auch f .
Beweis:
i) Seien f und g surjektiv, und sei ein Element z ∈ Z gegeben. Wegen
der Surjektivität von g gibt es ein y ∈ Y mit g(y) = z und wegen der
Surjektivität von f gibt es ein x ∈ X mit f (x) = y. Dann gilt:
(g ◦ f )(x) = g(f (x)) = g(y) = z
und also ist g ◦ f surjektiv.
Seien f und g injektiv. Seien x, x0 ∈ X gegeben mit (g ◦ f )(x) =
(g ◦ f )(x0 ), d. h. g(f (x)) = g(f (x0 )). Wegen der Injektivität von g folgt
f (x) = f (x0 ) und wegen der Injektivität von f folgt x = x0 , und also
ist g ◦ f injektiv.
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ii) Sei g ◦ f surjektiv. Sei z ∈ Z gegeben, dann gibt es ein x ∈ X mit
(g ◦ f )(x) = z, d. h. g(f (x)) = z. Also ist g surjektiv.
Sei g ◦ f injektiv. Seien x, x0 ∈ X gegeben mit f (x) = f (x0 ). Dann folgt
g(f (x)) = g(f (x0 )), d. h. (g ◦ f )(x) = (g ◦ f )(x0 ). Wegen der Injektivität
von g ◦ f folgt x = x0 . Also ist f injektiv.
Durch Kombination der beiden Aussagen in i) und der beiden Aussagen in
ii) erhält man:
Korollar:
Seien f : X −→ Y und g : Y −→ Z Abbildungen von Mengen. Dann gilt:
i) Sind f und g bijektiv, so auch g ◦ f .
ii) Ist g ◦ f bijektiv, so ist g surjektiv und f injektiv.
Die Bijektivität von Abbildungen läßt sich folgendermaßen charakterisieren:
Lemma 4:
Für eine Abbildung f : X −→ Y von Mengen sind folgende Aussagen zueinander äquivalent:
i) f ist bijektiv.
ii) Es existiert eine Abbildung g : Y −→ X mit g◦f = idX und f ◦g = idY .
Trifft die zweite Aussage zu, so ist g : Y −→ X eindeutig bestimmt.
Beweis:
i)=⇒ ii):
Sei f : X −→ Y bijektiv. Dann gibt es zu jedem y ∈ Y genau ein g(y) ∈ X
mit f (g(y)) = y. Auf diese Weise definieren wir eine Abbildung
g: Y
y
−→ X
7−→ g(y)
mit der Eigenschaft f ◦ g = idY . Sei nun x ∈ X beliebig, dann folgt
f (g(f (x))) = (f ◦ g)(f (x)) = f (x)
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und wegen der Injektivität von f dann g(f (x)) = x, und also g ◦ f = idX .
ii)=⇒i):
Sei g : Y −→ X eine Abbildung mit g ◦ f = idX und f ◦ g = idY . Nach
Aussage ii) des Korollars zu Lemma 3 folgt aus g ◦ f = idX die Injektivität
von f und aus f ◦ g = idY die Surjektivität von f . Also ist f bijektiv.
Zum Beweis der Eindeutigkeit von g sei g 0 : Y −→ X eine weitere Abbildung
mit g 0 ◦ f = idX und f ◦ g 0 = idY . Dann folgt:
g0 =
=
=
=
=
g 0 ◦ idY
g 0 ◦ (f ◦ g)
(g 0 ◦ f ) ◦ g
idX ◦ g
g.
Definition:
Ist f : X −→ Y eine bijektive Abbildung von Mengen, so heißt die eindeutig
bestimmte Abbildung g : Y −→ X mit g ◦ f = idX und f ◦ g = idY die
Umkehrabbildung von f oder auch die zu f inverse Abbildung, sie wird
mit f −1 bezeichnet.
Hierüber gilt das
Lemma 5:
i) Ist f : X −→ Y eine bijektive Abbildung, so ist auch f −1 : Y −→ X
bijektiv, und es gilt (f −1 )−1 = f .
ii) Sind f : X −→ Y und g : Y −→ Z bijektive Abbildungen, so gilt
(g ◦ f )−1 = f −1 ◦ g −1 .
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2. Angeordnete Körper
Ist X eine Menge, so versteht man unter einer Verknüpfung (oder Operation) auf X eine Abbildung
∗ : X × X −→ X
.
(x, y) 7−→ x ∗ y
Beispielsweise hat man auf den Mengen N, Z, Q und R zwei Verknüpfungen
gegeben, die Addition
(x, y) 7−→ x + y
und die Mulitplikation
(x, y) 7−→ x · y.
Definition:
Eine Gruppe ist eine Menge G mit einer Verknüpfung
· : G × G −→ G,
welche folgenden Bedingungen genügt:
(G1) a · (b · c) = (a · b) · c für alle a, b, c ∈ G (Assoziativität).
(G2) Es gibt ein Element e ∈ G mit e · a = a für alle a ∈ G
(G3) und zu jedem a ∈ G gibt es ein a0 ∈ G mit a0 · a = e.
Bemerkung:
1) Die Verknüpfung in einer Gruppe bezeichnet man meist als Gruppenmultiplikation. Entsprechend heißt a·b das Produkt von a und b, schreibe meist ab statt a · b.
2) (G1)-(G3) heißen die Gruppenaxiome.
Das Element e ∈ G gemäß (G2) heißt ein neutrales Element von G,
und das Element a0 zu a gemäß (G3) heißt ein zu a inverses Element.
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3) Aus den Axiomen (G1)-(G3) folgt, daß das neutrale Element e und das
zu a inverse Element a0 in G eindeutig ist.
4) Eine Gruppe G heißt kommutativ, falls ab = ba für alle a, b ∈ G gilt.
Definition:
Ein Körper ist eine Menge K mit zwei Verknüpfungen
+ : K × K −→ K und · : K × K −→ K,
genannt Addition und Multiplikation, welche folgenden Bedingungen genügen:
(K1) K ist bezügl. “+” eine kommutative Gruppe. Ihr neutrales Element
wird mit 0 und das zu x ∈ K inverse Element mit −x bezeichnet.
(K2) K \{0} ist bezügl. “·” eine kommutative Gruppe. Ihr neutrales Element
wird mit 1 und das zu x ∈ K \ {0} inverse Element mit x−1 bezeichnet.
(K3) Für alle x, y, z ∈ K gilt
x · (y + z) = x · y + x · z
(Distributivgesetz).
Bemerkung:
1) Wir verwenden in K abkürzende Schreibweisen wie folgt:
Statt x · y schreibe xy
Statt xy −1 schreibe xy
Statt x + (−y) schreibe x − y
2) Für n ∈ N und x ∈ K sei
nx := x + x + ... + x (n-fache Addition)
xn := x · x · ... · x (n-fache Multiplikation)
Für x1 , ..., xn ∈ K definiere
n
X
xi := x1 + x2 + ... + xn
i=1
n
Y
i=1
xi
:= x1 · x2 · ... · xn
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Definition:
Sei X eine nichtleere Menge. Eine Relation auf X ist eine nichtleere Teilmenge R ⊂ X × X.
Eine Ordnungsrelation (oder Anordnung) auf X ist eine Relation R (wir
schreiben x ≤ y statt (x, y) ∈ R) mit folgenden Eigenschaften:
a) Reflexivität: x ≤ x für alle x ∈ X
b) Antisymmetrie: x ≤ y und y ≤ x ⇐⇒ x = y für x, y ∈ X
c) Transitivität: x ≤ y und y ≤ z =⇒ x ≤ z für x, y, z ∈ X
Eine Ordnungsrelation heißt total, falls für alle x, y ∈ X gilt:
x ≤ y oder y ≤ x.
Schreibweisen:
x<y
:⇐⇒ x ≤ y und x 6= y
x≥y
:⇐⇒ y ≤ x
x ≤ y ≤ z :⇐⇒ x ≤ y und y ≤ z
Definition:
Ein Körper K versehen mit einer totalen Ordnungsrelation “≤” heißt angeordneter Körper, falls für x, y ∈ K gilt
a) x ≤ y =⇒ x + z ≤ y + z für alle z ∈ K
b) x ≤ y =⇒ xz ≤ yz für alle z ≥ 0 in K
Definition:
Sei K ein angeordneter Körper. Dann definieren wir für jedes x ∈ K den
Absolutbetrag von x durch

 x, falls x ≥ 0
|x| :=

−x, falls x < 0
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Satz 1:
Sei K ein angeordneter Körper. Dann gilt für x, y, a ∈ K
i) x ≤ y ⇐⇒ y − x ≥ 0 ⇐⇒ −x ≥ −y
ii) x < y und a > 0 =⇒ xa < ya
x < y und a < 0 =⇒ xa > ya
x ≤ y und a < 0 =⇒ xa ≥ ya
iii) 0 < x < y =⇒
0 < x ≤ y =⇒
1
y
1
y
<
≤
1
x
1
x
iv) |x| ≥ x und |x| ≥ 0
|xy| = |x||y|
||x| − |y|| ≤ |x + y| ≤ |x| + |y|
Dreiecksungleichungen
3. Vollständig angeordnete Körper
Das wichtigste Beispiel für einen angeordneten Körper ist der Körper Q der
rationalen Zahlen, der bekanntlich aus allen Brüchen m
mit m, n ∈ Z (n 6= 0)
n
besteht. Eine Anordnung auf diesem Körper wird definiert durch
m
p
≤ :⇐⇒ mq ≤ np
n
q
für m, n, p, q ∈ Z und n, q 6= 0.
Der Körper Q hat allerdings “Mängel” in dem Sinne, daß nicht jede Gleichung mit Koeffizienten aus Q eine Lösung in Q besitzt. Beispielweise ist die
Gleichung x2 = 2 in Q nicht lösbar. Letzteres wollen wir wie folgt begründen:
Angenommen, obige Gleichung hätte eine Lösung in Q, d. h. es gäbe m, n ∈ Z
mit n 6= 0 und
m 2
m2
=
(
) = 2.
n2
n
Wir können annehmen, daß m und n zueinander teilerfremd sind. Es folgt
m2 = 2n2 .
Da m2 gerade ist, so muß auch m gerade sein, daher folgt
2n2 = m2 = (2r)2 = 4r2
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für ein r ∈ Z, daher folgt n2 = 2r2 , also ist n2 und damit n gerade im
Widerspruch zur Annahme,
daß m und n teilerfremd sind. Wir haben also
√
gesehen, daß die Zahl 2 irrational ist.
Für alles nachfolgende vereinbaren wir folgende Schreibweise:
Sind M und N Teilmengen eines angeordneten Körpers K, so schreiben wir
M ≤ N , falls x ≤ y für alle x ∈ M und y ∈ N gilt. Wir schreiben für jedes
z ∈ K ferner M ≤ z, falls x ≤ z für alle x ∈ M gilt. Entsprechendes gilt für
“ <, >, ≥00 .
Definition:
Ein angeordneter Körper K heißt vollständig, falls für alle Paare M, N ⊂ K
von nicht-leeren Teilmengen von K mit M ≤ N ein z ∈ K existiert, so daß
M ≤ z ≤ N.
Es ist eine Tatsache, daß es (bis aus Isomorphie) genau einen vollständig
angeordneten Körper gibt. Dieser heißt Körper der reellen Zahlen R.
Ausgehend vom axiomatisch eingeführten Körper der reellen Zahlen R konstruieren wir nunmehr die Zahlenbereiche der natürlichen, ganzen, rationalen
und komplexen Zahlen.
Eine Menge M heißt induktiv, falls folgende Eigenschaften zutreffen:
a) 1 ∈ M
b) Ist n ∈ M , so auch n + 1 ∈ M
Es gibt induktive Teilemengen, z. B. R oder R+ .
Wir definieren nun die Menge der natürlichen Zahlen durch
\
N :=
M,
M induktiv
d. h. N ist der mengentheoretische Durchschnitt aller induktiven Teilmengen
von R oder mit anderen Worten: Die Menge der natürlichen Zahlen ist die
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kleinste induktive Teilmenge von R.
Ausgeschrieben hat die Menge der natürlichen Zahlen folgende Gestalt, nämlich
N := {1, 2, 3, 4, 5, ...}
Die übrigen Zahlenbereiche lassen sich jetzt sehr schnell definieren durch
Z := N ∪ (−N) ∪ {0} = {0, 1, −1, 2, −2, 3, −3, ...}
als die Menge der ganzen Zahlen sowie
Q := {
m
|m, n ∈ Z mit n 6= 0}
n
als die Menge (Körper) der rationalen Zahlen.
Bevor wir zur Konstruktion des Körpers der komplexen Zahlen kommen,
führen wir die Begriffe Supremum und Infimum ein:
Sei M eine nicht-leere Teilmenge von R. Ein Element c ∈ R heißt obere
Schranke von M , falls x ≤ c für alle x ∈ M gilt (wir schreiben dafür kürzer
M ≤ c. Die Menge M heißt in diesem Falle nach oben beschränkt.
Entsprechend heißt ein Element c ∈ R untere Schranke von M , falls c ≤ M
gilt; in diesem Fall heißt M nach unten beschränkt.
Die Menge M heißt beschränkt, wenn sie sowohl nach unten als auch nach
oben beschränkt ist.
Definition:
Sei M eine nicht-leere Teilmenge von R.
i) Ein Element s ∈ R heißt Supremum von M , falls
a) s obere Schranke von M ist und
b) für jedes c ∈ R mit M ≤ c folgt s ≤ c
Man schreibt s = sup(M ).
ii) Ein Element i ∈ R heißt Infimum von M , falls
a) i untere Schranke von M ist und
b) für jedes c ∈ R mit M ≥ c folgt i ≥ c
Man schreibt i = inf(M ).
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Gilt s ∈ M bzw. i ∈ M , so heißt s Maximum (oder größtes Element) von
M bzw. i Minimum (oder kleinstes Element) von M und man schreibt in
diesem Fall s = max(M ) bzw. i = min(M ).
Sei M eine nicht-leere nach oben beschränkte Teilmenge von R. Dann besitzt
M ein Supremum, denn:
Sei
O(M ) := {c ∈ R|M ≤ c}
die Menge der oberen Schranken von M . Diese Menge ist nicht-leer, da M
nach oben beschränkt ist. Da M ≤ O(M ) gilt und R vollständig ist, so gibt
es ein s ∈ R mit M ≤ s ≤ O(M ). Das Element s ist obere Schranke für M
und daher s ∈ O(M ), d. h. s = min(O(M )). Nach obiger Definition folgt
s = sup(M ).
Ist M nach unten beschränkt, dann ist die Menge der unteren Schranken
U(M ) := {c ∈ R|c ≤ M }
von M nicht leer und es folgt wie oben inf(M ) = max(U(M )).
Beispiele:
Für Elemente a, b ∈ R definiert man die folgenden Intervalle:
[a, b] := {x ∈ R|a ≤ x ≤ b}
[a, b[:= {x ∈ R|a ≤ x < b}
]a, b] := {x ∈ R|a < x ≤ b}
]a, b[:= {x ∈ R|a < x < b}
Das Intervall [a, b] besitzt a als Minimum und b als Maximum.
Das Intervall [a, b[ besitzt a als Minimum und b als Supremum,
jedoch kein Maximum.
Das Intervall ]a, b] besitzt a als Infimum und b als Maximum,
jedoch kein Minimum.
17
Das Intervall ]a, b[ besitzt a als Infimum und b als Supremum,
jedoch weder ein Minimum noch ein Maximum.
Satz 2:
Seien M und N nicht-leere Teilmengen von R. Dann gelten im Falle der
Existenz folgende Rechenregeln für Suprema und Infima:
i) inf(M ) = −sup(−M )
ii) sup(M + N ) = sup(M ) + sup(N )
inf(M + N ) = inf(M ) + inf(N )
iii) Für M ⊂ N folgt
sup(M ) ≤ sup(N ) und inf(N ) ≤ inf(M )
Beweis:
i) Es sei s := sup(−M ) existent. Wir zeigen, daß max(U(M )) = −s gilt:
Wegen −M ≤ s folgt M ≥ −s, d. h. −s ∈ U(M )). Sei nun c ∈ R
mit c ≤ M , dann folgt −M ≤ −c und damit s ≤ −c. Hieraus folgt
schließlich c ≤ −s.
ii) Es seien s := sup(M ) und t := sup(N ) existent. Dann folgt M ≤ s und
N ≤ t, also M + N ≤ s + t, d. h. s + t ∈ O(M + N ). Sei nun c ∈ R
mit M + N ≤ c, dann folgt M ≤ c − N und damit s ≤ c − N , d. h.
N ≤ c − s, also t ≤ c − s. Daraus folgt s + t ≤ c und die Behauptung.
Für die letzte Gleichung seien inf(M ) und inf(N ) existent, dann folgt:
inf(M ) + inf(N ) =
=
=
=
−sup(−M ) − sup(−N )
−sup((−M ) + (−N ))
−sup(−(M + N ))
inf(M + N ).
iii) Sei s := sup(N ). Wegen M ⊂ N folgt M ≤ s und daher sup(M ) ≤ s.
Die zweite Ungleichung folgt mit i) aus der ersten Ungleichung.
18
Bemerkung:
Sei D eine beliebige Teilmenge von R, und seien f, g : D −→ R Funktionen,
dann definiert man:
f + g : D −→
R
sowie sup(f ) := sup(f (D)).
x 7−→ f (x) + g(x)
Ferner definiert man f ≤ g, falls f (x) ≤ g(x) für alle x ∈ D ist. Mit diesen
Bezeichnungen gilt nun:
sup(f + g) ≤ sup(f ) + sup(g),
denn für jedes x ∈ D gilt
(f + g)(x) = f (x) + g(x) ≤ sup(f ) + sup(g)
und daher
sup(f + g) ≤ sup(f ) + sup(g).
Wir führen nun den Körper der komplexen Zahlen ein:
Wir haben bereits festgestellt, daß der Körper Q “Lücken” im Hinblick auf
die Nichtlösbarkeit der Gleichung x2 = 2 in Q besitzt. Es gibt jedoch auch
eine Lücke im Hinblick auf die Unlösbarkeit der Gleichung x2 = −1 in R.
Durch Konstruktion der komplexen Zahlen wird auch diese Lücke behoben.
Man kann mit Hilfe der Funktionentheorie beweisen, daß jede Polynomgleichung der Form a0 + a1 x + a2 x2 + ... + an xn = 0 mit komplexen Koeffizienten
a0 , a1 , ..., an eine komplexe Lösung besitzt.
Wir können uns die reellen Zahlen anschaulich als Punkte der Zahlengeraden
vorstellen. In ähnlicher Weise verhält es sich mit den komplexen Zahlen. Diese
können wir uns als Punkte in der Ebene R × R vorstellen. Wir definieren die
Menge der komplexen Zahlen als Ebene, d. h. C := R × R. Jede komplexe
Zahl ist damit ein Paar (x, y) mit reellen Zahlen x und y (anschaulich ist dies
ein Punkt in der Ebene).
Diese Menge der komplexen Zahlen machen wir zu einem Körper, indem
wir in geeigneter Weise eine Addition und Multiplikation auf den Elementen
dieser Menge definieren durch
(x, y) + (x0 , y 0 ) := (x + x0 , y + y 0 )
(x, y) · (x0 , y 0 ) := (xx0 − yy 0 , xy 0 + x0 y)
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für x, x0 , y, y 0 ∈ R. Wir identifizieren nachfolgend für jedes x ∈ R stets
(x, 0) = x entsprechend der geometrischen Vorstellung, daß die reellen Zahlen
Punkte der horizontalen Achse eines kartesischen Koordinatensystems in der
Ebene darstellen. Die Zahl i := (0, 1) heißt imaginäre Einheit, und alle
komplexen Zahlen haben die Gestalt x + iy mit x, y ∈ R, denn
(x, y) = (x, 0) + (0, y)
= (x, 0) + (0, 1) · (y, 0)
= x + iy.
Für jede komplexe Zahl z = x+iy heißt x Realteil von z und y Imaginärteil
von z, und wir schreiben hierfür Re(z) := x und Im(z) := y.
Durch die Konstruktion der komplexen Zahlen erhalten wir die Gleichung
i2 = (0, 1) · (0, 1) = (0 · 0 − 1 · 1, 0 · 1 + 1 · 0) = (−1, 0) = −1
und daher mit i eine Lösung der Gleichung x2 = −1 in C.
Für jede komplexe Zahl z = x+iy heißt die Zahl z := x−iy die Konjugation
von z (oder auch die zu z konjugierte komplexe Zahl). Geometrisch läßt sich
diese Zahl als die an der reellen Achse zu z gespiegelte Zahl interpretieren.
Es gilt:
zz = (x + iy)(x − iy) = x2 + y 2 ∈ R.
Unter Beibehaltung der Bezeichnungen definieren wir nun den Absolutbetrag von z durch
p
√
|z| := zz = x2 + y 2 .
Für komplexe Zahlen mit Realteil 0 (d. h. für reelle Zahlen) stimmt dieser
Absolutbetrag mit dem früher definierten Betrag in R überein. Geometrisch
läßt sich der komplexe Absolutbetrag von z als Abstand zwischen dem Nullpunkt und der komplexen Zahl z deuten.
Satz 3 (Rechenregeln in C):
Für z, w ∈ C und a ∈ R gilt:
i) z = z
Re(z) = 12 (z + z)
Im(z) = 2i1 (z − z)
20
zz = |z|2
|Re(z)| ≤ |z| und |Im(z)| ≤ |z|
Re(z + w) = Re(z) + Re(w), Re(az) = aRe(z)
Im(z + w) = Im(z) + Im(w), Im(az) = aIm(z)
ii) z + w = z + w
zw = z · w
iii) |zw| = |z| · |w|
||z| − |w|| ≤ |z + w| ≤ |z| + |w|.
Beweis:
Die Aussagen i) und ii) erhält man durch elementares Nachrechnen.
Nun zur Aussage iii):
Es gilt:
|zw|2 = (zw)(zw) = (zz)(ww) = |z|2 |w|2
daraus folgt |zw| = |z| · |w|.
Wir zeigen nun |z + w| ≤ |z| + |w|. Für z + w = 0 ist diese Ungleichung
z
w
richtig. Sei nun z + w 6= 0, dann folgt: 1 = z+w
+ z+w
und daraus
1 = Re(
z
w
z
w
|z| + |w|
) + Re(
)≤|
|+|
|=
z+w
z+w
z+w
z+w
|z + w|
daraus folgt die behauptete Ungleichung. Schließlich folgt auch
|z − w| = |z + (−w)| ≤ |z| + | − w| = |z| + |w|.
Die Ungleichung ||z| − |w|| ≤ |z + w| folgt so:
|z| = |(z + w) − w| ≤ |z + w| + |w|
und daraus |z| − |w| ≤ |z + w|. Ebenso
|w| = |(z + w) − z| ≤ |z + w| + |z|
und daraus |w| − |z| ≤ |z + w|. Daraus folgt die Behauptung.
Wir werden später noch andere Darstellungsweisen für komplexe Zahlen kennen lernen, etwa die Darstellung mittels Polarkoordinaten.
21
Kap II: Konvergenz
1. Konvergente Zahlenfolgen
Definition:
Sei M eine nicht-leere Menge. Eine Folge in M ist eine Abbildung der Form
N −→ M
n 7−→ an
von der Menge der natürlichen Zahlen N in die Menge M .
Eine Folge in C heißt Zahlenfolge. Für die Folge schreibt man kurz (an )n∈N
oder noch kürzer einfach (an ).
Definition:
Sei a ∈ C. Eine Zahlenfolge (an )n∈N heißt konvergent gegen a, wenn es zu
jedem ² > 0 ein m ∈ N gibt mit
|an − a| < ² für alle n ≥ m.
Man schreibt für diesen Sachverhalt lim an = a oder kurz an −→ a.
n→∞
Eine Zahlenfolge (an )n∈N heißt konvergent, wenn es ein a ∈ C gibt mit
lim an = a; andernfalls heißt sie divergent.
n→∞
Sei (an )n∈N eine konvergente Zahlenfolge mit Limes a.
Anschaulich liegen für jedes ² > 0 ab einem genügend großen Index alle
Folgenglieder in der ²-Umgebung von a. Man sagt dann auch, daß fast alle
Folgenglieder in der ²-Umgebung von a liegen. Für jedes ² > 0 definieren wir
n(²) := min{m ∈ N||an − a| < ² für alle n ≥ m},
dann gilt:
Sind ², ²0 > 0 mit ² < ²0 , dann folgt n(²0 ) ≤ n(²), denn:
Dies folgt wegen
{m ∈ N||an − a| < ² für alle n ≥ m} ⊂{m ∈ N||an − a| < ²0 für alle n ≥ m}
22
aus Kap I, Satz 2.
Sei (an )n∈N eine konvergente Zahlenfolge mit Limes a. Dann ist der Grenzwert eindeutig, denn sei a0 ein weiterer Grenzwert. Angenommen a 6= a0 ,
dann ist ² := |a − a0 | > 0 und es gibt ein m ∈ N mit
|an − a| <
²
²
und |an − a0 | <
2
2
für alle n ≥ m. Ferner folgt für alle n ≥ m
|a − a0 | ≤ |(a − an ) + (an − a0 )| ≤ |an − a| + |an − a0 | <
² ²
+ = ² = |a − a0 |
2 2
dies ist ein Widerspruch, also muß a = a0 folgen.
Bemerkung:
Sei (an )n∈N eine Zahlenfolge und a ∈ C. Dann gilt
lim an = a ⇐⇒ lim (an − a) = 0.
n→∞
n→∞
Dies folgt aus der Definition der Konvergenz, denn:
|an − a| = |(an − a) − 0|
für alle n ∈ N.
Wir behandeln nun Rechenregeln für Grenzwerte, nämlich
Satz 1 (Rechenregeln für Grenzwerte):
Seien (an )n∈N und (bn )n∈N konvergente Zahlenfolgen mit Grenzwerten a und
b, d. h. an −→ a und bn −→ b. Dann gilt
i) lim |an | = |a|
n→∞
lim Re(an ) = Re(a) und lim Im(an ) = Im(a)
n→∞
n→∞
ii) lim (an + bn ) = a + b
n→∞
iii) lim (an · bn ) = ab
n→∞
iv) Ist b 6= 0, so ist bn 6= 0 für hinreichend große n und es gilt:
lim abnn = ab
n→∞
23
v) Sind an , bn ∈ R mit an ≤ bn für hinreichend große n, so auch a ≤ b.
Beweis:
i) Die Gleichungen folgen der Reihe nach aus
||an | − |a|| ≤ |an − a| −→ 0
|Re(an ) − Re(a)| = |Re(an − a)| ≤ |an − a| −→ 0
|Im(an ) − Im(a)| = |Im(an − a)| ≤ |an − a| −→ 0
ii) |(an + bn ) − (a + b)| ≤ |an − a| + |bn − b| −→ 0
iii) |an bn − ab| = |(an − a)b + an (bn − b)| ≤ |b||an − a| + |an ||bn − b| −→ 0
iv) Sei b 6= 0. Wegen bn −→ b gilt
|b| − |bn | ≤ |bn − b| <
|b|
2
für hinreichend große n. Daraus folgt
|bn | > |b|
> 0 für hinreichend große n. Jetzt folgt für hinreichend große
2
n
an a
|ban − abn |
2
| − |=
≤ 2 |ban − abn | −→ 0.
bn
b
|bbn |
|b|
v) Angenommen es ist a > b, dann gilt
|an − a| <
a−b
a−b
und |bn − b| <
2
2
für hinreichend große n und daher:
an = a+(an −a) ≥ a−|an −a| > a− a−b
= a+b
= b+ a−b
> b+|bn −b| ≥
2
2
2
bn für hinreichend große n im Widerspruch zu an ≤ bn für hinreichend
große n.
2. Häufungswerte, Teilfolgen, Cauchy-Folgen
Definition:
Ein a ∈ C heißt Häufungswert einer Zahlenfolge (an ), wenn es für jedes
² > 0 und jedes m ∈ N ein n > m in N gibt mit |an − a| < ².
24
Bemerkung:
Anschaulich bedeutet obige Definition des Häufungswertes, daß für jedes
² > 0 die Menge {n ∈ N||an − a| < ²} unendlich ist.
Dabei heißt allgemein eine Teilmenge M von R unendlich, falls es eine injektive Abbildung N −→ M von der Menge der natürlichen Zahlen N in die
Menge M gibt, mit anderen Worten:
es gibt eine Zahlenfolge (xn ) in M mit xn 6= xm für alle n 6= m in N.
Ist (an ) eine konvergente Zahlenfolge mit Grenzwert a, so ist a auch trivialerweise Häufungswert von (an ).
Beispiel:
Der Häufungswert einer Zahlenfolge muß nicht eindeutig sein. Betrachte etwa
die Folge xn := (−1)n . Sie hat die Häufungswerte 1 und −1.
Wir befassen uns nun mit dem Zusammenhang zwischen Grenzwert und
Häufungswert einer Zahlenfolge, der durch den Begriff der Teilfolge hergestellt wird:
Definition:
Sei (an ) eine Zahlenfolge. Eine Zahlenfolge (a0n ) heißt Teilfolge von (an ),
wenn es eine streng monoton wachsende Abbildung τ : N −→ N (d. h. mit
n < m =⇒ τ (n) < τ (m)) gibt mit a0n = aτ (n) für alle n ∈ N.
Bemerkung:
Sei τ : N −→ N eine streng monoton wachsende Abbildung, dann gilt τ (n) ≥
n für alle n ∈ N, denn:
Zunächst gilt in jedem Fall τ (1) ≥ 1. Sei nun n > 1 und die Aussage τ (n −
1) ≥ n − 1 richtig. Dann gilt
τ (n) = τ ((n − 1) + 1) > τ (n − 1) + τ (1) ≥ n − 1 + 1 = n.
Daraus folgt die Behauptung.
Wir kommen nun zum
25
Satz 1 (Teilfolgensatz):
Sei (an ) eine Zahlenfolge und a ∈ C. Dann gilt
i) lim an = a ⇐⇒ lim a0n = a für alle Teilfolgen (a0n ) von (an ).
n→∞
n→∞
ii) Folgende Bedingungen sind äquivalent:
1) a ist Häufungswert von (an )
2) Es gibt eine Teilfolge (a0n ) von (an ) mit lim a0n = a.
n→∞
Beweis:
i)
00
=⇒00 :
Sei τ : N −→ N eine streng wachsende Abbildung und ² > 0 gegeben,
dann gibt es ein m ∈ N mit |an − a| < ² für alle n ≥ m. Sei nun n ≥ m,
dann ist auch τ (n) ≥ m, denn τ (n) ≥ n. Daher folgt |aτ (n) − a| < ².
00
⇐=00 :
Dies ist trivial, denn auch τ := id : N −→ N ist streng wachsend und
daher (an ) Teilfolge seiner selbst.
ii) 00 2)=⇒ 1)00 :
Sei dazu ² > 0 und m ∈ N. Wegen aτ (n) −→ a gibt es ein n > m mit
|aτ (n) − a| < ². Nun ist τ (n) > τ (m) ≥ m. Also ist a Häufungswert von
(an ).
00
1)=⇒ 2)00 :
Sei nun umgekehrt a Häufungswert von (an ). Wir konstruieren dazu
eine streng wachsende Abbildung mit aτ (n) −→ a. Dazu beweisen wir
induktiv, daß es für jedes n ∈ N Elemente τ (1) > ... > τ (n) in N gibt
mit |aτ (n) − a| < n1 . Dann nämlich folgt lim aτ (n) = a.
n→∞
Da a Häufungswert von (an ), gibt es zu 1 ∈ N ein τ (1) > 1 in N mit
|aτ (1) − a| < 1. Sei nun n > 1 und die Aussage richtig für n − 1, d. h. es
1
. Da a
gibt Elemente τ (1) > ... > τ (n − 1) in N mit |aτ (n−1) − a| < n−1
Häufungswert, gibt es wieder ein τ (n) > τ (n − 1) mit |aτ (n) − a| < n1 .
Damit ist die Aussage bewiesen.
26
Definition:
Eine Folge (an ) in R heißt nach oben (unten) beschränkt, falls es ein
c ∈ R gibt mit an ≤ c (an ≥ c) für alle n ∈ N.
Die Folge heißt beschränkt, falls sie nach oben und nach unten beschränkt
ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn es ein c ∈ R gibt mit |an | ≤ c für alle
n ∈ N.
Eine komplexe Zahlenfolge (an ) heißt erwartungsgemäß beschränkt, falls es
ein c ∈ R gibt mit |an | ≤ c für alle n ∈ N.
Eine reelle Folge (an ) heißt monoton wachsend (fallend), falls an ≤ an+1
(an ≥ an+1 ) für alle n ∈ N gilt.
Lemma 1:
i) Jede konvergente Zahlenfolge (an ) ist beschränkt.
ii) Bolzano-Weierstrass:
Jede beschränkte Zahlenfolge besitzt einen Häufungswert, d. h. hat eine
konvergente Teilfolge.
Beweis:
i) Sei (an ) eine konvergente Zahlenfolge mit Limes a. Dann gibt es ein
m ∈ N mit
|an | − |a| ≤ |an − a| < 1
für alle n ≥ m. Setze nun c := |a1 | + |a2 | + ... + |am | + |a| + 1. Dann
gilt |an | ≤ c für alle n ∈ N, und also ist (an ) beschränkt.
ii) Sei nun (an ) eine beschränkte Zahlenfolge.
Lemma 2:
Sei (an ) eine monoton wachsende und nach oben beschränkte reelle Folge.
Dann ist sie konvergent und es gilt lim an = sup({an |n ∈ N}).
n→∞
27
Beweis:
Da (an ) nach oben beschränkt ist, so existiert s := sup({an |n ∈ N}). Sei
² > 0. Dann gibt es ein m ∈ N mit s − ² < am , denn s ist die kleinste obere
Schranke von {an |n ∈ N}. Nun folgt für jedes n ≥ m und aus der Monotonie
von (an ):
|an − s| = s − an ≤ s − am < ²
und also lim an = s.
n→∞
Bemerkung:
Entsprechend wie in Lemma 2 beweist man für jede monoton fallende und
nach unten beschränkte reelle Folge deren Konvergenz mit
lim an = inf({an |n ∈ N})
n→∞
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