10. Verletzung von P und C - Server der Fachgruppe Physik der

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10. P2 TH 04/05 Verletzung von P und C
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Elementarteilchenphysik II, RWTH, WS 2004/05, T.Hebbeker
30.11.2005
10. VERLETZUNG VON P UND C
In dieser Vorlesung werden mehrere (‘klassische’) Experimente zur Untersuchung der Verletzung
der Invarianz unter Paritätstransformationen und Ladungskonjugation vorgestellt; in der kommenden
Vorlesung kehren wir zurück zu K- und B-Mesonen, um die CP-Verletzung zu diskutieren.
0. Übersicht
P-Verletzung ist gleichbedeutend mit prinzipiellen Unterschieden zwischen ‘links’ und ‘rechts’. Natürlich unterscheiden wir im täglichen Leben häufig zwischen links und rechts; diese Unterschiede stellen jedoch solange keine PV dar, wie sie nicht zu einer absoluten Definition von links und rechts
benutzt werden können!
C-Verletzung ist gleichbedeutend mit prinzipiellen Unterschieden zwischen Teilchen und Antiteilchen. Solange die Natur unter der Kombination CPT der drei diskreten Operationen P, C und T (Zeitumkehr) invariant ist (was der Fall zu sein scheint), gibt es aber Einschränkungen an die Unterschiede
zwischen Teilchen und Antiteilchen, die müssen insbesondere in Masse und Lebensdauer übereinstimmen: CPT-Theorem . Meist beobachtet man C-Verletzung im Zusammenhang mit Helizitäten, es
gibt also eine enge Beziehung zur P-Verletzung, und in dieser Vorlesung werden explizit nur Experimente zur P-Verletzung vorgestellt. Auch aus der (näherungsweisen) Erhaltung von CP kann man
bei bekanntem Verhalten unter P-Transformationen auf C zurückschließen.
In der elektromagnetischen WW (γ-Austausch) und in der starken WW (g-Austausch) wurden bisher weder P- noch C-Verletzungen beobachtet; diese Invarianz macht man sich zunutze, um P- und
C-Paritäten von Teilchen zu bestimmen, etwa die C-Parität des π 0 aus dem Zerfall in zwei Photonen. Dagegen zeigen alle Leptonen und Quarks bei schwacher WW P- und C-Verletzung, sowohl
bei Kopplung an W-Bosonen als auch an Z-Bosonen. Entsprechend benötigt man hier zur theoretischen Beschreibung zwei unterschiedliche Kopplungskonstanten für linkshändige und rechtshändige
Teilchen, gl und gr . PV heißt |gl | =
6 |gr |.
Im Standardmodell der elektroschwachen WW sind P- und C-Verletzung folgendermaßen eingebaut:
• Die Fermionfelder sind unterteilt in linkshändige SU(2)-Dubletts und rechtshändige Singletts. WBosonen koppeln nur an erstere, Z-Austauschteilchen an Linearkombinationen von beiden. Das bedeutet in beiden Fällen Paritätsverletzung.
• Man kann zeigen, dass der C-Operator so auf einen Dirac-Spinor wirkt:
C:
ψ → ψC ≡ iγ 2 ψ ∗
(1)
für die in dieser Vorlesung verwandte Dirac-Pauli-Darstellung der Gamma-Matrizen. Betrachten wir
einen linkshändigen Strom, der z.B. an ein W koppelt:
C:
ψ̄γ µ (1 − γ 5 )ψ → ψ̄C γ µ (1 − γ 5 )ψC
(2)
2
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Auswerten des letzten Ausdruckes ergibt (Übung):
ψ̄γ µ (1 + γ 5 )ψ
(3)
also werden jetzt die rechtshändigen Komponenten herausprojiziert.
1. QED und QCD
QED: Zu jedem Feynmangraphen mit Photonaustausch gibt es auch einen solchen mit Z-Austausch
(und damit PV!). Man kann also elektromagnetische und schwache Effekte prinzipiell nicht trennen.
√
Allerdings ist der Z-Beitrag in der Amplitude um einen Faktor s/m2Z unterdrückt, wobei
s die
√
Energieskala des Prozesses angibt. Bei elektronischen Übergängen in Atomen (z.B. mit s = 1 eV)
ist der Faktor von der Größenordnung 10−22 . PV-Effekte in Atomen sind tatsächlich beobachtet worden (s. unten), mit der erwarteten Stärke unter der Annahme dass es keine PV bei Photonaustausch
gibt. Daraus folgt für Photonamplituden, dass der PV-Beitrag sehr klein sein muss.
QCD: Auch bei ‘starken’ Wechselwirkungen gibt es ‘schwache’ Beimischungen. Zerfälle von angeregten Kernen oder Mesonen zeigen, dass PV klein ist, und zwar von der im Standardmodell (ohne
starke PV) erwarteten Größe.
Beispiel: Γ(η → 2π)/Γ(ρ → 2π) < 10−8 . Alle beteiligten Teilchen haben negative Eigenparität;
das ρ hat Spin 1 (→ zusätzlicher Faktor (−1)l ), alle anderen Spin null.
Auf die Amplituden bezogen bedeutet dies: PV-Beitrag in der starken WW kleiner als 10−4 .
1.1. Dipolmoment des Neutrons
Wir wollen eine Messung, bei der im Prinzip elektromagnetische und/oder starke PV-Effekte eine
Rolle spielen, etwas genauer vorstellen. Es geht um das elektrische (!) Dipolmoment des Neutrons,
dn , das sehr genau experimentell untersucht werden konnte.
Eigenzustände zum Operator P haben ein verschwindendes elektrisches Dipolmoment1 d~ = Q · ~
x.
2
Deshalb bedeutet dn 6= 0, dass P (und auch T) verletzt sind .
Die Messungen ergeben
dn
< 0.63 · 10−27 m ≈ 10−12 · rn
e
und schränken daher paritätsverletzende Effekte stark ein.
(90% CL)
(4)
Das von Harris et al durchgeführte bisher genaueste Experiment benutzt kalte Neutronen am Institut
Laue Langevin in Grenoble. Die Grundidee ist diese: Die Spin-1/2-Neutronen präzedieren in einem
statischen Magnetfeld mit der Larmorfrequenz ν ∼ µn ·B, wobei µn das magnetische Dipolmoment
des Neutrons ist. Diese kann man genau vermessen durch Ablenkung der präzedierenden Neutronen
in magnetischen Materialien in Abhängigkeit von der Spinrichtung.
Legt man (anti)parallel zum schwachen B-Feld (hier 10−6 T) zusätzlich ein starkes elektrisches Feld
an (hier 4.5kV /cm), verschiebt sich die Larmorfrequenz (etwa 30 Hz):
2π ν = 2 µn B + 2 dn E
1
(5)
Für eine genauere Diskussion siehe z.B. Artikel in Phys. Bl. Sept. 1996
Vorsicht: Systeme wie z.B. das Wasserstoffatom können ein el. Dipolmoment besitzen, da sie entartete Zustände
verschiedener Parität haben, die mischen, z.B. die s1/2 und p1/2 -Niveaus.
2
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Solche Frequenzverschiebungen hat man nicht beobachtet und die oben angegebene Grenze abgeleitet.
2. Schwache Wechselwirkung
2.1. PV und geladene Ströme (W -Austausch)
Die nachfolgend skizzierten und viele weitere Experimente führen auf folgendes Bild (Standardmodell der elektroschwachen WW):
Bei W-Austausch sind die Kopplungskonstanten aller Fermionen
gl = 1
gr = 0
(6)
gA = gl − gr = 1
(7)
oder
gV = gl + gr = 1
Vektoren und Axialvektoren unterscheiden sich durch das Vorzeichen bei Raumspiegelungen. Da in
der Langrangedichte der Fermion-W-Kopplungen Ausdrücke der Form gV − gA γ 5 auftreten, spricht
man von der V − A-Kopplung. Bei Antiteilchen wird daraus wegen γ 0 γ 5 = −γ 5 γ 0 eine V + AKopplung. Da gr = 0 ist die PV maximal! Masselose schwach wechselwirkende Fermionen haben
immer die Helizität -1, Antiteilchen +1 (rechtshändig). Bei massiven Teilchen tritt mit einem Anteil
proportional zu 1 − β auch die ‘andere’ Helizitätsamplitude auf (β = Geschwindigkeit).
Im folgenden werden einige wichtige Experimente zur PV beschrieben.
2.1.1. θ - τ - Puzzle und Lösung, 1956
Positive Kaonen K + zerfallen sowohl in Endzustände mit zwei Pionen (Eigenparität des 2-Pion Systems = +1) als auch in 3 Pionen (Eigenparität -1). Zunächst nahm man daher an, dass es sich um 2
verschiedene Teilchen handelte, genannt θ und τ (nicht zu verwechseln mit dem schweren Lepton),
obwohl Massen und Lebensdauern sehr ähnlich waren. 1956 schlugen T.D. Lee und C.N.Yang (Nobelpreis 1957) vor, dass es sich um das gleiche Teilchen handelt und dass bei schwachen Prozessen
PV auftritt. Sie konstatierten, dass alle anderen verfügbaren experimentellen Daten über schwache
Prozesse sowohl mit Paritätserhaltung als auch mit PV kompatibel waren!
2.1.2. Das Experiment von Wu et al., 1957
Kurze Zeit später überprüften Frau C.S. Wu, E. Ambler et al. mit einem an der Columbia-Universität
durchgeführten Experiment diese Hypothese am β-Zerfall von 60 Co. Sie fanden eine Korrelation zwischen Kernspin und Impulsrichtung des ausgesandten Elektrons, wie schematisch in Abb. 1 gezeigt.
Da unter einer Paritätstransformation der Impuls p
~ des Elektrons umgekehrt wird, die Spinrichtung
~
~
σ (= I) des Kerns aber nicht (Drehimpulse ∼ ~
r×p
~ sind invariant unter P-Transformationen),
erwartet man bei Abwesenheit von PV für den Mittelwert h~
σ · p
~i = 0, im Widerspruch zum
Messergebnis. Den experimentellen Aufbau zeigt Abb. 2. Im unteren Drittel des Kryostaten befin-
4
10. P2 TH 04/05 Verletzung von P und C
Abbildung 1:
Abbildung 2:
5
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det sich ein paramagnetisches Salz, Cerium-Magnesium-Nitrat, und darauf eine nur 0.5 mm dicke
Schicht von 60 Co, in der die Zerfallselektronen nicht absorbiert werden können. In diesem paramagnetischen Salz folgt die Ausrichtung der Kernspins der durch die Hüllenelektronen bestimmten
makroskopischen Magnetisierung. Die Abkühlung erfolgt mittels adiabatischer Entmagnetisierung
(Ce-Mg-Nitrat) auf T = 0.003 K. Das Helium dient dazu, die bei der Magnetisierung auftretende
Wärme aufzunehmen und durch Verdampfung abzuführen. Der niedrige Temperaturwert ist essentiell,
da kT < µK B ∼ 10−6 eV sein muss. Anschließend werden die Kobalt-Spins mit einem Solenoidfeld von B = 2.3 T nach oben bzw. unten ausgerichtet. Durch β-Zerfall gehen die 60 Co-Kerne
mit Spin und Parität 5+ in angeregte Nickel-Kerne mit Spin 4+ über, die anschließend durch Aussendung von γ’s in den Grundzustand übergehen. Aus der Winkelverteilung der Photonen (Vergleich
der polaren und äquatorialen Richtungen) relativ zum Magnetfeld kann man den Polarisationsgrad
der Kobalt-Kerne bestimmen (aber nicht die Polarisationsrichtung, deshalb ist das keine PV!). Dies
geschieht im Experiment mit den zwei Natriumjodid-Zählern. Die Elektronen werden in einem kleinen Szintillator-Kristall direkt über der Probe gemessen. Das Licht wird über einen Lichtleiter aus
dem Kryostaten herausgeführt und auf einen Photomultiplier geleitet. Nach der Abkühlung erwärmt
sich die Probe in ein paar Minuten, wobei die Polarisation verschwindet. Abb. 3 zeigt oben die γZählraten und in der Mitte die daraus berechnete Anisotropie, die proportional zum Polarisationsgrad
der Kobaltspins ist. Unten ist die Zählrate der Zerfallselektronen gezeigt, für die Magnetfeldrichtungen ‘aufwärts’ und ‘abwärts’. Man erkennt eine mit der Zeit (Temperatur) abklingende Asymmetrie
proportional zum Polarisationsgrad. Theoretisch erwartet man für die Intensitätsverteilung der Elektronen
I(θ) = 1 + α · (~
σCo ·
p
~e
Ee
) = 1 + α · β · cos θ
(8)
mit Winkel θ zwischen Kernspin und Elektronflugrichtung sowie Elektronengeschwindigkeit β. α ist
der ‘Asymmetrieparameter’. PV ist gleichbedeutend mit α 6= 0. Extremwerte sind α = +1, −1.
Das Wu-Experiment fand α < −0.7 und war konsistent mit α = −1, also maximaler PV.
2.1.3. Leptonpolarisation im β-Zerfall
2.1.3.1. Elektronen
Die Elektronen aus dem β-Zerfall sind longitudinal polarisiert, mit Polarisationsgrad β, wobei Elektronen eine negative und Positronen eine positive Helizität aufweisen. Zuerst wurde die Polarisation
von H. Frauenfelder et al. 1957 gemessen. Auch sie benutzten 60 Co, das Elektronen mit β ≈ 0.5
emittiert. Die Elektronen werden in einem elektrostatischen Feld um 108◦ abgelenkt; dadurch wird
die longitudinale in eine transversale Polarisation verwandelt, s. Abb. 4. Im nichtrelativistischen
Grenzfall bewegt sich der Spin σ nicht; bei höheren Geschwindigkeiten muss auch die Bewegung
der Spinrichtung berücksichtigt werden, daher ein Winkel, der etwas größer ist als 90o . Bei elastischer Streuung der transversal polarisierten Elektronen an einer Goldfolie tritt wegen Spin-OrbitWechselwirkungen eine Links-Rechts-Asymmetrie in der Streuwinkelverteilung auf, wie in Abb. 5
erläutert (das ist keine PV!): Der Bahndrehimpuls ~l des Kernes in Bezug auf das Elektron bedeutet links ein nach unten gerichtetes magnetisches Moment µ
~ l . Das magnetische Moment des Elektronspins ist µ
~ s ∼ −~
σ . Sind beide magnetischen Momente parallel, bewirkt dies eine zusätzliche
magnetische abstoßende Kraft. Das Ergebnis bestätigte den erwarteten Polarisationsgrad mit einer
Genauigkeit von einigen Prozent.
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10. P2 TH 04/05 Verletzung von P und C
Abbildung 3:
Abbildung 4:
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10. P2 TH 04/05 Verletzung von P und C
Abbildung 5:
2.1.3.2. Neutrinos
Die Helizität der Neutrinos wurde 1957 von M. Goldhaber, L. Grodzins und A. Sunyar (indirekt)
gemessen. Ein spinloser 152 Eu-Kern zerfällt schwach nach einem Elektroneneinfang in ein Neutrino
und einen angeregten 152 Sm-Kern mit Spin 1:
e− +
152
Eu →
152
Sm∗ + νe
Das Europium-Isotop wird zuvor durch Neutronenbestrahlung an einem Kernreaktor erzeugt. Da es
sich um einen Zweikörperzerfall handelt, sind die Helizitäten der Zerfallsprodukte gleich. Beim Zerfall des angeregten Samarium-Kerns via
Sm∗ (Spin 1) → Sm (Spin 0) + γ
(9)
entstehen 963 keV-Photonen3 . Falls diese in Flugrichtung des Kernes emittiert werden, haben sie
wiederum die gleiche Helizität wie der Kern, Abb. 6. Das Prinzip der Messung ist in Abb. 7 gezeigt.
Die Photonpolarisation wird durch einen Magnetfilter bestimmt: Der Wirkungsquerschnitt für Comptonstreuung von Photonen an Elektronen des Eisens hängt nämlich von der relativen Orientierung der
zugehörigen Spins ab. Die Flugrichtung wird indirekt über die Photonenergie gemessen: Nur wenn
Photonrichtung und Kernflugrichtung gleich sind, ist die Photonenergie groß genug, um SamariumKerne anzuregen; jetzt gleichen sich nämlich der dem Photon durch den Kernrückstoß verloren gehende Impuls und der Impuls des Sm∗ -Kernes, den jener aus dem Eu-Zerfall mitgenommen hat, aus.
3
Dabei ändert sich die Kernparität nicht, s. Abb. 6, da es sich um einen magnetischen Übergang handelt.
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10. P2 TH 04/05 Verletzung von P und C
Abbildung 6:
Abbildung 7:
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10. P2 TH 04/05 Verletzung von P und C
Photonen mit kleiner Energie passieren den Samarium-Reflektor, während hochenergetische Photonen das Sm anregen und zur (Re-)Emission von Photonen unter anderen Winkeln führen, die dann
nachgewiesen werden. Ergebnis: Neutrino-Helizität = −1.
2.2. PV und neutrale Ströme
Bei Z-Austausch sind die Kopplungskonstanten der Fermionen
gl = I3 − Q sin2 θW
gr = −Q sin2 θW
(10)
oder
gV = I3 − 2Q sin2 θW
gA = I3
(11)
Dies ist eine Konsequenz der Mischung der elektroschwachen Eichbosonen W 3 und B, siehe Elementarteilchenphysik I. Hier ist I3 die dritte Komponente des schwachen Isospins: Teilchen die in
den Fermiondubletts ‘oben’ (‘unten’) stehen haben I3 = +1/2 (−1/2). Für Neutrinos ergibt sich
die gleiche Situation wie bei CC-WW. Bei den anderen Fermionen tritt auch PV auf, aber sie ist nicht
maximal. Besonders klein ist sie bei den geladenen Leptonen: |gl | = 0.27, |gr | = 0.23.
2.2.1. Elektron-Deuteron-Streuung
Fünf Jahre nach dem Nachweis der neutralen Ströme gelang es 1978 C. Prescott et al., in ElektronDeuteron-Streuexperimenten am SLAC die Asymmetrie
A=
σr − σl
σr + σl
(12)
zu messen. σl (σr ) ist der WQ für die inelastische Streuung von linkshändigen (rechtshändigen)
Elektronen an unpolarisierten Deuteronen:
e− + d → e− + X
(13)
Man fand A ∼ 10−4 , also PV auch bei NC-Reaktionen. Im Standardmodell wird der Effekt durch
Interferenz der Amplituden für Austausch virtueller Photonen und virtueller Z-Bosonen zwischen den
Elektronen und den Quarks im Deuteron erklärt, Abb. 8.
2.2.2 NC-Neutrino-Reaktionen
Tiefinelastische NC-Streuung von Neutrinos an Kernen ist besonders geeignet zur Messung der linksund rechtshändigen Quarkkopplungen der leichten Quarks an das Z. Man misst hier direkt den ZBeitrag. Die Neutrinostrahlen sind ‘automatisch’ polarisiert und man kann die Helizität wechseln bei
Austausch ν ↔ ν̄. Die Quarkkopplungen beeinflussen den totalen WQ sowie die y-Verteilung (Energieübertrag vom Neutrino auf den Kern). Insbesondere gilt im Schwerpunktsystem: Falls linkshändige [rechtshändige] Neutrinos an linkshändigen Quarks streuen, ist der Gesamtspin null [ungleich
null] und die Winkelverteilung der gestreuten Quarks isotrop [bevorzugt in Richtung des einfallenden
Quarks]. So kann man die links- und rechtshändigen Kopplungen getrennt bestimmen, auch wenn
man nur eine Neutrinosorte zur Verfügung hat. Zur ‘Normalisierung’ kann man die entsprechenden
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10. P2 TH 04/05 Verletzung von P und C
Abbildung 8:
Abbildung 9:
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10. P2 TH 04/05 Verletzung von P und C
CC-Reaktionen benutzen (wenn man annimmt, dass die W-Kopplungen für alle Fermionen gleich
sind). Dabei fallen gemeinsame Faktoren heraus (Strahlintensität) und Unsicherheiten (Strukturfunktionen) werden reduziert. Benutzt man verschiedene Targets mit unterschiedlichen u- und d-Anteilen,
kann man die linkshändigen und rechtshändigen Kopplungen für die beiden Quarkflavors getrennt
bestimmen. Abb 9 zeigt das Ergebnis, siehe auch ’Elementarteilchenphysik I’. Definiert man für ein
isoskalares Target (gleich viele Neutronen wie Protonen) gl2 = u2l + d2l und gr2 = u2r + d2r , so folgt
aus einem globalen Fit an alle relevanten NC-Messdaten:
gl2 = 0.3005 ± 0.0012
gr2 = 0.0311 ± 0.0010
(14)
also deutliche PV. Die Werte sind im Einklang mit dem Standardmodell4 für
sin2 θW = 0.231 ± 0.001
(15)
2.2.3. Paritätsverletzung in Atomen
Interferenz zwischen Photonaustausch und Z-Austausch bei der Elektron-Kern-Wechselwirkung führt
auf PV-Effekte in Atomen der Größenordnung Z 3 · Q2 /m2Z ≤ 10−11 . Dabei ist Q ∼ 1keV
die Größenordnung der Energieskala (inverser Bohr-Radius, ∼ α me für Wasserstoff). Die starke
Abhängigkeit von der Ordnungszahl Z ist eine Folge des anwachsenden Q und der kohärenten Addition der Quarkamplituden, d.h. die Elektronen ‘sehen’ den Kern als Ganzes, und nicht einzelne
Quarks wie etwa im SLAC-Experiment bei hohen Energien!
Schon Ende der 50er Jahre wurde dieser Effekt diskutiert und in den 70er Jahren begann man SMRechnungen und Messungen; in den 80er Jahren wurde der Effekt experimentell nachgewiesen. Es
gibt verschiedene Typen von Experimenten; wegen der Z-Abhängigkeit benutzt man Elemente wie
Cäsium, Blei oder Wismut.
a) Linear polarisiertes Laserlicht wird durch einen Atomstrahl geschickt. Dabei wird die Polarisationsebene um einen sehr kleinen Winkel (10−6 rad) gedreht.
b) Die Intensität I von Übergängen wird als Funktion äußerer elektrischer oder magnetischer Felder
untersucht. Ein PV-Beitrag ändert das Vorzeichen von ∆I bei Umkehr der Feldrichtungen.
Die Messungen bestätigen die Voraussagen des Standardmodells mit einer Genauigkeit von < 1%.
4
unter Berücksichtigung von Strahlungskorrekturen
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