Spurenelemente - Aerzteverlag medinfo AG

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vitamine und
spurenelemente
FORTBILDUNG
Unterversorgung führt zu Mangelerscheinungen
Spurenelemente:
Auch strukturell von Bedeutung
Es vergeht fast kein Tag, ohne dass nicht in der Werbung auf
die positiven gesundheitlichen Vorteile von Spurenelementen
hingewiesen wird und diese in einer Vielzahl angeboten
werden. Andrerseits wird von Expertengruppen immer wieder
betont, dass eine ausgewogene, vollwertige und abwechslungsreiche Nahrung den Bedarf an allen notwendigen Nährstoffen abdecke.
S
purenelemente sind Mikroelemente, die der Organismus für
lebenswichtige Funktionen benötigt. Bei ihrem Fehlen, d.h. bei
einer Unterversorgung kann es zu Mangelerscheinungen kommen.
Sie werden deshalb wie die Vitamine als essentiell bezeichnet.
Spurenelemente gehören zur Gruppe der Mineralstoffe. Sie
haben im Gegensatz zu den Vitaminen auch eine strukturelle
Bedeutung, d.h. sie sind Bestandteile wichtiger Proteine oder anderer Zellbestandteile (z.B. Fe in Hämoglobin, Myoglobin und Kobalt
im Vitamin B12, Selenoproteine) und wirken so auch sekundär
funktionell. Im Gegensatz zu den Mengenelementen beträgt ihr
Anteil im menschlichen Körper weniger als 50mg/kg. Einzig Eisen,
das auch zu den Spurenelementen gezählt wird, ist in einer Menge
von 60 mg/kg im Körper enthalten.
Referenzwerte und Konsumverhalten
Für die meisten dieser Verbindungen – wie auch für die Vitamine – ist die tägliche Bedarfsmenge (Referenzwert, empfohlene Menge) bekannt oder geschätzt, d.h. diejenige Menge, von
der angenommen werden darf, dass sie nahezu alle Personen der
jeweils angegebenen Bevölkerungsgruppe vor ernährungsbedingten Gesundheitsschäden schützen und eine volle Leistungsfähigkeit gewährleisten kann (1). Sie genügt auch dazu, eine bestimmte
Prof. emer. Dr. med.
Kurt Baerlocher
St. Gallen
Körperreserve zu schaffen, die bei Situations-abhängigen Bedarfssteigerungen verfügbar ist. Eine vollwertige und abwechslungsreiche Ernährung kann also den Nährstoffbedarf prinzipiell decken.
Trotzdem werden verschiedene Lebensmittel heute mit Anreicherung von Spurenelementen angeboten und im Rahmen einer
üblichen Kost verzehrt. Im Jahre 2002 wurden in der Schweiz 452
angereicherte Produkte erfasst, davon 409 mit Vitaminen und/
oder Mineralstoffen (2). Bewährt hat sich die Anreicherung von
Jod und Fluorid im Salz, was frühere Krankheitsbilder wie Kretinismus und ausgeprägte Karies zum Verschwinden gebracht hat.
Welchen Anteil angereicherte Lebensmittel zur Versorgung mit
Spurenelementen beitragen, ist schwierig anzugeben, da die zugesetzte Menge möglicherweise in den gängigen Nährwerttabellen
nicht erfasst ist. Dies macht es heute ausserordentlich schwierig,
die eigentlichen Verzehrmengen einer Bevölkerungsgruppe ohne
Berücksichtigung von detaillierten Angaben zu den einzelnen Produkten zu berechnen.
Verschiedene Situationen wie Abneigungen gegen Lebensmittel,
Reduktionsdiäten, Alkohol- und Nikotinkonsum sowie bestimmte
Krankheiten können eine ausreichende Zufuhr dieser essentiellen Nährstoffe gefährden und rechtfertigen damit eine Ergänzung
mit angereicherten Lebensmitteln oder Supplementen. Eine Unter-
_ 2014 _ der informierte arzt
1005 Fortbildung · Schwerpunkt
suchung aus Genf bei 639 35- bis 74-jährigen Personen über die
Verzehrsmenge von „functional food“ (mit Vitaminen, Mikronährstoffen, PuFA, Pro- und Präbiotika angereicherte Lebensmittel) im
Jahre 2003 ergab, dass 38.1% der Männer und 50.6% der Frauen
solche Produkte konsumierten, 70% davon taten dies bewusst (3).
Eine kürzliche Erhebung in Süddeutschland bei 1080 über 65-Jährigen ergab, dass 54% der Frauen und knapp 34% der Männer
Supplemente wie Vitamine, Mineralstoffe oder andere Stoffe wie
n-3-Fettsäuren oder Coenzym 10 einnahmen. Am meisten wurde
Magnesium (31.9%) und Vitamin D (21.5%) bei den Frauen ergänzend eingenommen sowie Magnesium (18%) und Vitamin E (12%)
bei den Männern. Die höchsten Mengen verglichen mit den DACHReferenzwerten ergaben sich bei Biotin, Vitamin B6 und B1. Für
Magnesium und Vitamin E lagen die Einnahmewerte über den von
der EFSA festgelegten oberen Toleranzwerten (4).
Die wichtigsten Spurenelemente sind Eisen, Jod, Fluor, Zink,
Kupfer, Selen und – etwas weniger bekannt – Chrom, Mangan und
Molybdän. Die Wirkungen dieser Spurenelemente, ihre empfohlene Zufuhr, die Nahrungsquellen, sowie die bekannten Mangelerscheinungen sind in der Tabelle (s. oben) zusammengefasst.
Eisen und Jod
Im klinischen Alltag spielt Eisen sicher die grösste Rolle und dessen
Anwendung in der Therapie bietet immer wieder Diskussionsstoff.
Prof. Dr. med. Andreas R. Huber fasst in seinem Beitrag die aktuellen Kenntnisse des Eisenstoffwechsels und die heutigen Behand-
Tab. 1
Element
lungsempfehlungen zusammen. Obwohl die Zufuhr von Jod durch
die Anreicherung im Salz seit Jahren in der Schweiz reguliert und
kontrolliert wird und damit meist genügend ist, sind die Gefahren
einer Unterversorgung, besonders während der Schwangerschaft,
noch immer aktuell (5). Dies wird auch im Jodbericht des BLV von
2012 für die Schweiz bestätigt. Auf den 1. Januar 2014 wurde in der
Schweiz die Jodzugabe zum Speisesalz von 20 mg auf 25 mg pro
Kilogramm erhöht (6).
Zink
Von den übrigen Spurenelementen ist Zink am bekanntesten, da
es eine breite Wirkung für Wachstum, männliche Fertilität, Wundheilung, Immunabwehr, Sinnesfunktionen und auch bei Durchfallerkrankungen (Bestandteil der Rehydratationslösung) hat. Es ist
Bestandteil zahlreicher Enzyme des Stoffwechsels von Kohlehydraten, Lipiden, Amino-und Nukleinsäuren wie auch des Hormonstoffwechsels, z.B. auch bei der Insulinspeicherung im Pankreas.
Kupfer
Auch Kupfer ist Bestandteil zahlreicher für den Organismus wichtiger Enzyme wie des Caeruloplasmins (wichtig für den Eisenstoffwechsel), der Cytochromoxidase (Phosphorylierung), der
Lysyloxidase (Kollagenstoffwechsel) oder bei Gerinnungsfaktoren. Bekannte Defekte im Kupferstoffwechsel sind der Morbus Wilson und das Menkes Syndrom. Eine erhöhte Kupferzufuhr durch
Getränke, die in Kupferbehältern aufbewahrt wurden, oder durch
Übersicht über Spurenelemente
Wirkungen
empfohlene Zufuhr Hauptnahrungsquellen
Mangelerscheinungen
(für Erwachsene)
Eisen
Bestandteil von O2 – und Elektronen
10 bis 15 mg /Tag
übertragenden Wirkgruppen und Enzymen (Hämo- und Myoglobin, Cytochrome)
Jod
Bestandteil des Schilddrüsenhormons
150 bis 200 µg /Tag Fische, maritime Produkte,
Milch, Eier, angereicherters
Salz
Struma, Kretinismus, Hypothyreose
Fluorid
normaler Bestandteil im Organismus,
v.a. in Knochen und Zähnen
3.1 bis 3.8 mg /Tag
gering in Lebensmitteln, im
Trinkwasser, angereichertes
Salz
Karies
Zink
Bestandteil zahlreicher Enzyme des EW,
7 bis 10 mg /Tag
KH, Fett- und Nukleinsäurestoffwechsel,
von Hormonen und Rezeptoren bei
Insulinspeicherung und im Immunsystem
Fleisch, Ei, Milch, Käse
verminderte Geschmacksempfindung,
Appetitlosigkeit, Haarausfall, Durchfall,
Hautentzündungen, Wachstumsstörungen,
gestörte männl. Sexualentwicklung, verzögerte Wundheilung, Immunstörungen
Kupfer
Bestandteil von Metalloenzymen, meist
1 bis 1.5 mg /Tag
des antioxidativen Systems und von
Coeruloplasmin (Wirkung im Fe-Stoffwechsel) Synthese von Kollagen und Elastin
Getreideprodukte, Leber,
Fisch, Schalentiere, Nüsse,
Kakao, Schokolade, Kaffee,
Tee
hypochrome, mikrocytäre Anämie (bei hohen Fe-Werten) Leuko- und Thrombopenie,
Osteoporose, Gefässrupturen
Selen
Bestandteil von Selenoproteinen
(Glutathionperoxidase, Dejodasen,
Plasmaselenoprotein P)
30 bis 70 µg /Tag
Fleisch, Fisch, Eier, Linsen Keshan Krankheit (Kardiomyopathie),
und Spargel, Getreide von
gestörte Muskelfunktion
Selen angereicherten Böden
Chrom,
Mangan,
Molybdän
Funktion im KH-Stoffwechsel
Mangan Metalloenzyme
MolybdänBestandteil von Oxidasen
30 bis 100 µg /Tag
2 bis 5 mg /Tag
50 bis 100 µg /Tag
Fleisch, Leber, Ei,
pflanzliche Nahrungsmittel
Hülsenfrüchte und Bohnen
der informierte arzt _ 05 _ 2014
Fleisch, Wurst, Gemüse und Anämie, reduzierte Leistungsfähigkeit und
Brot
Immunabwehr
Kleinkinder: spätere kognitive Defizite
Mangelsymptome nur bei langer parente­
raler Ernährung beobachtet
11
Fortbildung · Schwerpunkt
kontaminiertes Trinkwasser führte früher zu akuten oder chronischen Intoxikationen, oft mit letalem Ausgang.
Selen
Es erfüllt im Organismus in Form von Selenocystein, das Bestandteil zahlreicher Proteine (Selenopreoteine) ist, vielfältige Funktionen. Am bekanntesten sind die Glutathion-Peroxidasen, die zu den
antioxidativen Mechanismen des Organismus beitragen und vor
oxidativer Schädigung schützen. Selen ist Kofaktor der Dejodasen
in der Schilddrüse, die die Überführung vom Prohormon zum aktiven Hormon Trijodthyronin bewirken. Selen nimmt auch Einfluss
auf zelluläre Prozesse wie Apoptose, Proliferation und Differenzierung und kann so das Zellwachstum regulieren (7). Häufig wurden
auch präventive Wirkungen von Selen bei erhöhter Zufuhr diskutiert, so bei chronisch degenerativen Krankheiten und zur Prävention maligner Tumoren.
Gefahren erhöhter Zufuhr
Eine erhöhte Zufuhr kann zu Anreicherung in verschiedenen
Organsystemen und dabei zu toxischen Erscheinungen führen.
Damit besteht bei unkontrollierter Einnahme von Supplementen
einzelner Spurenelemente die Gefahr, die Toleranzgrenze zu überschreiten und durch Überdosierung eine Intoxikation zu erleiden.
Beratung in der Praxis
Für die Beratung von Konsumenten und Patienten gilt es deshalb,
sich beim heutigen grossen Angebot von angereicherten Lebensmitteln und den zahlreichen Supplementen von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen:
1. eine abwechslungsreiche, ausgewogene und vollwertige Kost ist
in der Lage den Bedarf an Spurenelementen zu decken.
2. Wer sich einseitig ernährt, eine spezielle Diät einhalten muss
oder bei wem die Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen durch Medikamente, Alkohol oder Rauchen erschwert ist, der
kann den Bedarf durch angereicherte Lebensmittel oder Supplemente ergänzen.
3. Für die meisten Leute, die heute Supplemente einnehmen, stehen gesundheitliche Aspekte im Vordergrund. Epidemiologische
Untersuchungen haben gezeigt, dass bei optimaler Vitaminfuhr
d.h. im oberen Bereich der Bedarfsempfehlungen langfristig
gewisse gesundheitliche Vorteile, sogenannte präventive Wirkungen, bestehen. Entsprechende Untersuchungen sind bei Spurenelementen zurzeit noch seltener.
4. In allen Situationen ist aber ein bewusster Umgang mit angereicherten Lebensmitteln und Supplementen wichtig, um die Toleranzgrenze der einzelnen Spurenelemente nicht zu überschreiten
und sich vor der Gefahr einer Intoxikation zu schützen.
Prof. emer. Dr. med. Kurt Baerlocher
ehem. Chefarzt Ostschweizer Kinderspital
Tanneichenstrasse 10, 9010 St. Gallen
[email protected]
Literatur:
1. D_A_CH : Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweiz. Gesellschaft für Ernährung. 1.Auflage, 5.korrigierter Nachdruck 2013, Neuer Umschau Buchverlag, Neustadt an der Weinstrasse.
2. Wälti M.K., Jacob S. Angereicherte Lebensmittel in der Schweiz. Fünfter Schweizerischer Ernährungsbericht, Eds. Eichholzer M, Camenzind-Frey E, Matzke A,
Amado R, Ballmer PE et al. Bern: Bundesamt für Gesundheit 2005
3. Beer-Borst s, Costanza MC, Morabia A, Die Bedeutung von „Functional Food“ in
der Ernährung der erwachsenen Genfer Bevölkerung - eine Bestandesaufnahme.
Fünfter Schweizerischer Ernährungsbericht, Eds Eichholzer M, Camenzind-Frey
E, Matzke A, Amado R, Ballmer PE et al. Bern: Bundesamt für Gesundheit 2005
4. Schwab S, Heier M, Schneider A et al. The Use of Dietary Supplements among
Older Persons in South Germany - Results of the KORA-Age Study. The Journal of
Nutrition, Health and Aging (2013) 1-10 DOI 10.1007/s 12603-013-0418-8
5. Bath SC, nSteer CD, Golding J et al.: Effect of inaaequate iodine status in UK
pregnant women on cognitive outcomes in their children: results from the Avon
Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC). Lancet 382 (9889)(2013)
331-337
6.http://www.blv.admin.ch/aktuell/01617/04492/index.html?lang=de&msgid=51580
7. Hahn A, Schuchardt JP. Selen – die Frage nach der optimalen Dosis. Schweiz Z
Ernähr.med 2011, 1: 25-33
Take-Home Message
◆Der Organismus benötigt Spurenelemente für lebenswichtige Funk­
tionen. Bei einer Unterversorgung kann es zu Mangelerscheinungen
kommen
◆Eine ausgewogene und vollwertige Ernährung deckt den Bedarf an
Spurenelementen
◆Bei einseitiger Ernährung, speziellen Diäten oder erschwerter Auf­
nahme von Spurenelementen (durch Medikamente, Alkohol,
Rauchen) kann der Bedarf durch angereicherte Lebensmittel oder
Supplemente ergänzt werden
◆Ein bewusster Umgang mit angereicherten Lebensmitteln und Sup­
plementen ist wichtig, um sich vor der Gefahr einer Intoxikation zu
schützen
_ 2014 _ der informierte arzt
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