Fall 2 - Mediwiki

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Psychosomatik-Prüfung am 24.01.05
Fall 2
Frage 1:
Folgende Differentialdiagnosen sind auszuschließen bzw. zu belegen:
1. Essstörung (Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa)  dafür spricht der sehr niedrige
BMI von 15,6, der reduzierte Allgemeinzustand und der kachektische
Ernährungszustand der Patientin. Ebenso passt die Anamnese  die Patientin gibt an
kaum noch Appetit zu haben, kaum zu essen.
2. Hypoglykämie  dafür sprechen die Bewusstlosigkeit, der Schwindel, die
Kaltschweißigkeit und die Blässe der Haut.
3. Drogenkonsum  dafür spricht ihre Allgemeinerscheinung (Kachexie, reduzierter
AZ, langsame Bewegungen).
4. Alkohol- oder Tablettenkonsum
5. Anämie unterschiedlicher Genese  dafür spricht die allgemeine Blässe und die
mäßige Schleimhautdurchblutung. (DD: Eisenmangel, Vit. B12-Mangel,
Folsäuremangel, Blutung, Hämolyse etc.)
6. bakterieller oder viraler Infekt  dafür sprechen die Schwäche, der Schwindel, der
reduzierte AZ, die Kaltschweißigkeit, die Blässe, die Hypotonie und evtl. die
Dehydratation (DD: Magen-Darm-Infekt etc.)
7. orthostatische Dysregulation aufgrund eines bestehenden Hypotonus oder aufgrund
der Dehydratation
8. Hyperthyreose  dafür sprechen die Gewichtsabnahme, das Schwitzen und die leicht
erhöhte Herzfrequenz
9. depressive Episode (ICD-10:F32)
10. reaktive Depression, evtl. hervorgegangen aus einer pathologischen
Trauerreaktion (ICD-10: F43.21)
11. PTSD (ICD-10: F43.1)
Diagnose: mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F32) entstanden aus
pathologischer Trauerreaktion oder als Komorbidität bei PTSD
Die Patientin erfüllt aufgrund der vorliegenden Anamnese zwei Hauptsymptome der
depressiven Episode nach ICD-10: 1. depressive Stimmung und 2. Interessenverlusst,
Freudlosigkeit. Außerdem treffen bei ihr als somatische Symptome zu 1. Interessenverlusst,
Verlust der Freude an sonst angenehmen Tätigkeiten 2. deutlicher Appetitverlusst und 3.
Gewichtsverlusst.
Definition für endogene Depression: Körperlich nicht begründbare Depression
Klinik:
 gedrückte Stimmungslage, Freudlosigkeit
 Interessenverlusst, Verminderung des Antriebs, Aktivitätsminderung
 Vermindertes Selbstwertgefühl, fehlendes Selbstvertrauen, pessimistische Einstellung
zur Zukunft, Isolationsneigung, Verlusst an Lebensfreude, evtl. Arbeitsplatzverlusst
 Konzentrationsstörungen, Entscheidungsunfähigkeit
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Angstzustände, hypochondrische Befürchtungen, Schuldgedanken
Suizidgedanken, latente Suizidalität
Somatische Beschwerden: Schlafstörungen, Appetitminderung, Gewichtsverlusst,
Obstipation, Libidoverlusst, ständige Müdigkeit
Vitalstörungen
„Gefühl der Gefühllosigkeit“
evtl. zirkadiane Rhythmik der Symptome mit Maximum am Morgen
DD bei denen Depressionen auftreten können : Schizophrenie, neurotische Störungen,
organische Psychosen (durch Pharmaka induziert, Hirn-TU, Parkinson-Syndrom,
Enzephalitis...), Schwangeschaftsdepression, Wochenbettdepression, manisch-depressive
Erkrankungen, Zyklothymie...
Frage 2:
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Weiterführendes Labor: BB, Diff-BB, E-lyte, BZ, Transaminasen, -GT, -HCG,
CRP, T3+T4, TSH, CDT, BSG, Drogenscreening
EKG
Medikamentenanamnese
Erfragen von Vorerkrankungen
Ausführliche Familien- und Sozialanamnese
Frage 3:
 Konkrete, aber einfühlsame Nachfrage nach:
 Gab es bereits vor diesem Vorfall einen Kollaps der Patientin, wenn ja, wann?
 Gewichtsanamnese: seit wann ist die Patientin so schlank, in welchem Zeitraum hat
sie wie viel Gewicht verloren, hat sie absichtlich abgenommen? Essanfälle?,
Körperselbstbild/Körpergefühl der Patientin
 Selbsteinschätzung der eigenen Stimmung, ist diese gleichbleibend oder schwankt
sie?, Schlafstörungen?
 Bisherige Trauerverarbeitung – alleine oder mit Familie?, Familienkonstellation,
Veränderungen seit dem Unfall, wie geht die Familie damit um?, Schuldfrage!
 Soziales Umfeld – hat die Patientin gar keine Freunde/Bezugspersonen mehr?,
Beruf/Schule?, Überlastung, Stress, Bewältigungsstrategien, Alltagsablauf
 Suizidgedanken?
Frage 4:
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Der Patientin muss der (zeitliche) Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Tod
ihres Bruders und ihrer depressiven Symptomatik gezeigt werden, damit eine
Aufarbeitung des Auslösers und der darausfolgenden Symptome überhaupt möglich
ist.
Der Patientin muss sehr viel Empathie und ehrliches Interesse entgegengebracht
werden, damit sie das Vertrauen aufbaut, das nötig ist um sie für eine weitere dringend
notwendige Therapie zugänglich zu machen und sie sich ernst genommen fühlt.
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Wichtig ist auch eine Entlastung der Patientin um ihr eine gewisse positive Hoffnung
auf Besserung ihrer Erkrankung zu vermitteln z.B. indem man ihr erklärt, dass sie kein
Einzelfall ist, dass man ihr helfen kann und dass diese Möglichkeiten auch verfügbar
sind... .
Falls die Patientin Suizidgedanken äußert, sollte man auf jeden Fall den Weg der
stationären Psychotherapie wählen, vor allem wenn kein intaktes familiäres und
soziales Umfeld vorhanden ist. Man sollte sich überlegen, ob eine stationäre
Behandlung bei einem BMI von 15,6 nicht sowieso sinnvoll und nötig ist.
Bei einer Entscheidung für eine ambulante Psychotherapie, die schnellst möglich
einsetzen sollte, gibt es mehrere Möglichkeiten: kognitive Verhaltenstherapie (Ziel:
vermehrte Aktivität und Förderung von Erfolgserlebnissen), psychodynamische PT
(Schwerpunkt auf Affekterleben, Schuld und Scham sowie biographische Aspekte),
Psychoanalytische PT (Indikation: Persönlichkeitsprobleme aufgrund
lebensgeschichtlicher Traumatisierung), interpersonelle PT (Bestärkung der
Patienten ihre Gefühle, besonders in Bezug auf Trauer, Verlusst oder
Veränderung soz. Rollen , auszudrücken; zentrales Anliegen ist die Reduktion
der Isolation).
Evtl. ist eine unterstützende Behandlung mit SSRI’s oder trizyklischen Antidepressiva,
bei unzureichender Besserung durch PT, sinnvoll. Diese sollte dann spätestens 6-8
Wochen nach Beginn der PT erfolgen ( laut einer Studie von Frank et all. 2000 ist
dieses sequentielle Vorgehen einer sofortigen Kombination von PT und Pharmaka bei
leichten und mittelschweren depressiven Episoden überlegen).
Je nach Familiensituation würde sich eventuell auch eine Familientherapie anbieten.
Frage 5:
Quellen:
AMWF-Leitlinien; „Neurologie und Psychiatrie“ Gleixner, Müller, Wirth
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