„Profitcenter Steak“: Die fachlich-praktische Inszenierung von „Steak

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„Profitcenter Steak“: Die fachlich-praktische Inszenierung von „Steak“
als eigenständigen Bereich in der Fleischtheke
Ein fachlicher Dialog zwischen Moritz Häfele und Fritz Gempel
Häfele
der Fleischtheke?
„Inszenierung“ – machen wir da also Theater an
Gempel
Inszenierung heißt „In Szene setzen“. Ja, darum
geht es. Und ein Stück weit um die ganz große Fleisch-Show. Jedes
besondere Produkt hat einen Showroom. OK, unser Showroom heißt
bisher einfach Fleischtheke. Und so ein besonderes Produkt braucht an
der Theke auch einen Showmaster. Unser Showmaster heißt bisher
einfach Metzger.
Es geht bei dieser Inszenierung also um eine neue Theke, um viel mehr
Information und Kennzeichnung, und um einen coolen Typ als
Verkaufsmetzger.
In diesem Showroom muss es was zu Staunen geben.
Sagen Sie mal, Herr Häfele: Was davon läuft bei Ihnen schon jetzt in der
Praxis?
Häfele
„Fleisch-Schau“ ist gut und wichtig. Bei uns in
Winnenden steht ein Fleischreife-Schauschrank. Der ist eine Schau.
Aber, auch schon wenn wir mit Messer und Säge nur ein Stück vom
Rinderrücken abschneiden … es stehen dann schnell fünf bis zehn
Leute, die gebannt schauen ...
Gempel
sie stehenbleiben?
Was ist das, was den Leuten da gefällt, weshalb
Häfele
Die Leute wissen nicht mehr, was Fleisch ist. Die
Leute wissen nicht mehr, dass Fleisch vom Tier stammt. Das sieht man
dem panierten Schnitzel nicht mehr an.
Die Männer bleiben sicher aus einem archaischen Bedürfnis heraus
stehen. Männer waren ja mal Jäger und heute schieben die Helden im
Supermarkt das Einkaufswägelchen. Bei den Frauen hat ein
gutaussehender Metzger, der mit dem Messer arbeitet, auch eine
erotische Wirkung.
Gempel
Die Leute bleiben vor allem beim FleischSchauschrank stehen. Ist das etwas anderes als die Leute, die an der
normalen Fleischtheke stehen bleiben?
Häfele
Fleisch-Schauschrank und Fleischtheke haben
eine völlig andere Ästhetik. Die „normale“ Fleischtheke ist das
Aufgeräumte, das klein Geschnittene, das sorgfältig Drapierte.
Der Fleischreifeschrank hingegen zeigt das Rohe, das Grobe, das
Ursprüngliche, das Archaische. Auf einmal ist den Leuten wieder
bewusst: „Da ist ein Stück vom ganzen Rind“. Die Leute sehen auf
einmal Rindfleisch nicht mehr als ein Stück Muskel in Folie, sondern
erfahren „das ganze Tier“ und auch, was „abgehangenes Fleisch“
wirklich bedeutet … das hat etwas mit Hängen und Hängen lassen zu
tun.
Gempel
Dann ist es also ganz einfach: Ich muss mir einen
Fleischreifeschrank kaufen, den in meinen Laden stellen und ein
Roastbeef reinhängen. Und das ist es dann? Dann läuft das Geschäft mit
Dry-Aged Beef?
Häfele
Ja, dann läuft es. Aber das setzt viel voraus. Wir
haben das in unserem Geschäft in Auenstein erlebt. Dort ist unsere
Produktion und dort ist auch unser Schlachthof. Dort haben wir die
ganze Geschichte zum Fleisch, zur Herkunft, zur handwerklichen
Schlachtung den Kunden schon jahrelang erzählt. Und dann, wenn das
alles schon erzählt ist, dann ist der Fleischreife-Schrank der Hit.
Gempel
Frage an den studierten Kulinaristiker: Ist DryAged-Beef der ganz große Fleischtrend, von dem wir alle reden? Lohnt
es sich also überhaupt, da mitzumachen. Denn: Mancher Trend, der im
Fleischbereich hoch gelobt wurde, ist auch schnell wieder
verschwunden.
Häfele
Wir sollten die großen und langfristigen
Veränderungen sehen. Früher haben die Leute Fleisch gekauft, weil es
Geschmacks- und Energieträger ist. Heute ist, gerade wenn wir über
Steaks reden, Fleisch auch Statussymbol. Man kann mit Fleisch
angeben, wie mit Auto oder Urlaub. Fleisch wird dann zum
Belohnungskauf.
Ein Beispiel aus unserem Geschäft: Da kommt ein Kunde, der für sechs
Personen eine Party macht. Der käme nie auf die Idee, einen großen
Rinderbraten zuzubereiten. Das wäre ja ein ganz normales Essen, von
dem man satt wird und das gut schmeckt, mit dem man aber nicht
angeben kann. Aber dann kauft er für über 200 EUR Dry-Aged-Steaks
und damit geht’s: Das Angeben vor den Gästen, weil einer halt weiß,
wo man so was kauft, worauf es ankommt und wie man es zubereitet.
Gempel:
Es gilt immer noch: Die Männer essen mehr
Fleisch als die Frauen. Die Süddeutschen essen mehr Wurst als die
Norddeutschen. Und die Ärmeren essen mehr Fleisch und Wurst als die
Reicheren. Ändert sich das jetzt?
Häfele
Ja, es ändert sich. Es gibt immer deutlicher eine
Zwei-Klassen-Gesellschaft beim Fleisch. Die einen orientieren sich am
Billigangebot des Discounters für Putenschnitzel und Hackfleisch und
essen auch viel und meist täglich Fleisch. Ein Grund dafür: Kaum ein
anderes Lebensmittel ist billiger. Die anderen essen zwar weniger
Fleisch. Man nennt sie auch Flexitarier: Das sind Leute, die sich bewusst
fleischarm ernähren, aber einmal die Woche dann ein Stück
außergewöhnliches Fleisch essen. Die anderen sind auch die
kaufkräftigen Genießer und die sich selbst verwirklichenden HobbyKöche.
Ich denke, wir haben diese Zwei-Klassen-Gesellschaft schon – ob sie
uns gefällt oder nicht. Was ich noch nicht weiß, ist: Wie wirkt sich diese
Zwei-Klassen-Gesellschaft auf die Fleischer-Fachgeschäfte aus?
Gempel:
Für die meisten Fleischer-Fachgeschäfte – und
genauso für die Bedientheken an den guten Supermärkten – bedeutet
das, dass wir einen kleineren Teil der Bevölkerung nicht mehr als
Zielgruppe sehen. Bedenken wir: Nur 67 % der Menschen in
Deutschland kaufen mindestens einmal jährlich Fleisch und Wurst an
einer Bedientheke. Wer das Genießen und das bewusste Essen nie
erlebt und gelernt hat; wer schon mit Putenschnitzel, Hackfleisch und
Fix-Gerichten aufgewachsen ist, der ist für uns meist verloren. Wir
brauchen immer mehr die Kunden, die es entweder im Kopf oder in der
Brieftasche haben. Ich halte es für realistisch zu sagen, dass wir uns mit
der Bedientheke an eine Zwei-Drittel-Gesellschaft wenden. Unsere
Zielgruppe hat etwas mehr Geld und mehr Wissen als der Durchschnitt.
Es sind mithin die anspruchsvolleren und auch etwas schwierigeren
Kunden.
Gerade zu diesem Szenario passt unser Thema Steak oder Dry Aged
Beef. Denn, dort, wo der Fleischreife-Schauschrank steht, findet ein
Imagetransfer statt. Der geht in den Gehirnwindungen etwa so „Die hier
haben dieses tolle und teuere Dry-Aged, hier muss alles andere auch
etwas besser sein“.
Gempel:
Herr Häfele, wir entwickeln jetzt einmal in unserer
Fantasie gemeinsam die Steaktheke in einer Zukunfts-Fleischerei, die
den Trend zu Steak und zu Dry-Aged optimal nutzt.
Gempel und Häfele abwechselnd:
1. Standort
viel Frequenz (die kommt etwa von einem
großen Drogeriemarkt),
hohe Kaufkraft,
als Nachbarn wünschen wir uns starke
Fachgeschäfte, Handwerk
und auch einen Bio-Supermarkt, ein Reformhaus
und einen guten Rewe oder Edeka
2. Ladengestaltung
Wir holen uns für den Ladenbau Anleihen aus
dem Bereich Weinpräsentation und Schmuck. Wir schauen uns dazu
mal Fotos von der Fleischerei Viktor Churchill aus Sidney, Australien an
…
Der Vergleich Wein und Fleisch ist gut. Denn, beim Wein ist es ähnlich:
Da gibt es Sorten, die stehen vorne und man zugreifen. Andere Sorten
sind in einem Weinschauschrank, Klimaschrank oder Weintresor
präsentiert. Auch, wenn kein Kunde täglich eine Flasche Barolo oder
Champagner kauft, braucht das eine gute Weinabteilung einfach.
Oder wir denken an den Juwelier: An die Präsentation eines
Schmuckstücks … da liegen nicht zwanzig Schmuckstücke
aufeinander. Da liegt eines oder da liegen wenige. Denken wir auch
daran, wie der Juwelier dieses Schmuckstück anfasst. Die Art der
Warenberühungen zeigt den Wert und die Wertschätzung. Auch da
sollten wir von den Juwelieren lernen. Und: Unsere Steaks, das sind
unsere Juwelen.
3. Theke
Wir haben da einen FleischreifeSchauschrank oder Vitrine für Fleischspezialitäten. Und wir haben
natürlich die klassische Fleischtheke für die Menge und den Großteil
des Umsatzes. Den wir leben nicht vom Image der Juwelen, sondern
eben vom Imagetransfer.
4. Fleischgattungen
Als ersten denken wir natürlich an das Rind
(verschiedene Rassen und Qualitäten),
aber auch an das Schwein (in der Spezialitätentheke gibt es kein
„normales Schweinefleich“, aber z. B. das Ablinsenschwein von der
Schwäbischen Alb oder das Bunte Bentheimer Schwein von Neuland
oder eben das Iberico-Schwein aus Spanien), Lamm (sowohl deutsches
Lamm als auch die schönen Edelsteilstücke aus Neuseeland).
Wir (Moritz Häfele und Fritz Gempel) sehen Geflügel nicht als Bestandteil
dieser Theke.
5. Fleischzuschnitte
Die klassischen Fleischzuschnitte werden
die Klassiker bleiben. Die neuen Zuschnitte, die wir hier zeigen, werden
eine bessere Wertschöpfung und größere Auswahl schaffen.
Und diese neuen Zuschnitte dürfen auch handwerkliches Können
präsentieren.
6. Höhepunkte, die es nicht immer gibt
- Herkunftsländer oder Herkunftsregion und Rassen – z. B. die
weißen Chianina-Rinder aus der italienischen Maremma oder der
Albbüffel von der Schwäbischen Alb.
- Vielleicht ist auch der Ochse aus dem Nachbardorf ein solcher
Höhepunkt
7. Information
Unsere Kunden wollen informiert sein. Da
geht es etwa um Thekenpreisschilder, die lesbar und zuordenbar sind.
Die Schilder müssen helfen, eine Geschichte zu erzählen, nicht nur die
Pflicht der Preisangabenverordnung erfüllen. Dass der Preis gezeigt wird
und dem Produkt zuordenbar ist ein Muss. Moritz Häfele kennt da einen
Spruch aus seiner tegut-Zeit: „ohne Preis ist ein Scheiß“. Es geht um
freiwillige Kennzeichnung, die der Kunde will. Es geht nicht um
Pflichterfüllung.
8. Mitarbeiter
Am ehesten ein attraktiver Mann. Männer
machen sich am Fleisch von jeher besser. Der Kunde – egal ob selbst
männlich oder weilblich – sieht in dem Mann an der Fleischtheke den
Metzgermeister oder auch den Koch. Dieser Mann hat Ahnung vom
Fleisch und kann verkaufen. Er trägt eine traditionelle FleischerBerufskleidung, weißes Hemd und Krawatte. Der kann vom Fleisch und
zum Steak alles erzählen. Wenn dieser Mitarbeiter nich mit Verkauf oder
Beratung beschäftigt ist, macht er handwerkliche Fleischarbeiten. Da
findet dann schon mal eine kleine Fleisch-Schauzerlegung statt. Nicht
gerade eine ganze Rinderkeule, aber die Rindfleisch-Feinzerlegung
oder das Ausbeinen einer Lammkeule schon.
9. Sonstige Höhepunkte
Steakessen vor Ort
Verkostung, Kochkurse, Events, Schau-Grill,
Gempel
Letzte Frage an einen der vier Söhne der Häfeles:
Ist der Trend in Ihren Filialen auch Geschäft? Wird damit auch jetzt
schon Geld gemacht?
Häfele
Der Schrank ist voll. Ich meine damit den
Fleischschrank, nicht den Geldschrank. Und in jeder Woche kommen
drei bis vier ganze Roastbeefs neu hinein – das sind 40 bis 50 kg Fleisch
bei einem Preis von 30 bis 40 EUR (mit Knochen). Ich denke, das muss
ich nicht vorrechnen. Das passt.
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