Begriffsdefinition

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Die Physiologie der Dekompressionskrankheit
Referent: Christian Lücke
Begriffsdefinition
Dekompressionskrankheit: Krankheitserscheinungen, die durch das Ausperlen von Inertgas (chem.
unwirksames Gas, z. B. Edelgase, Gemische von Wasserstoff, Kohlendioxid, Stickstoff u. a.) in den Körpergeweben
oder im Blut verursacht werden. Durch das Atmen von Druckluft wird dem Körper Stickstoff ( zu etwa
79% in der Luft enthalten) zugeführt. Während Abstieg und Aufenthalt des Tauchers in der Tiefe sättigen
sich die Körpergewebe mit Inertgasen entsprechend dem erhöhten Partialdruck im Atemgas ( abhängig
von der Gewebeart, der Gaslöslichkeit und der regionalen Perfusion und Diffusion)
Während eines Tauchgangs ist Stickstoff in Körpergeweben und Körperflüssigkeiten in erhöhter
Konzentration physikalisch gelöst, und muß beim auftauchen wieder über die Lunge abgegeben
werden.
Stickstoff als Inertgas wird als Inertgasgas weder gebunden noch verbraucht. Er kann nur über das
Gefäßsystem aus den Geweben zur Lunge abtransportiert und dort aus dem Körper eliminiert werden.
Bei langsamer Abnahme des Umgebungsdrucks erfolgt die Elimination ohne Auftreten von
Symptomen. Taucht man allerdings zu schnell auf (v > 10m/min sowie Mißachtung der Dekostops) kann sich
das stickstoffhaltige Gewebe nicht schnell genug entsättigen. Durch den schnellen Druckabfall kann
es zur Bildung von Gaßbläschen in Körperflüssigkeiten und -geweben kommen.
Intravasale Gasbläschen können in abhängige Organe übertreten, interstitielle Gasbläschen können
zu lokalen Ausfällen führen.
Klinisches Bild
Dekompressionskrankheit Typ 1:
- Zeitverzögertes Auftreten (mehrere Stunden nach der Exposition)
- Schmerzsymptome in Gelenken und Muskeln (i.d.R. zeitverzögert)
- Hautsymptome (Juckreiz, schmerzhaftes Prickeln, flohstichartiger Ausschlag)
Dekompressionskrankheit Typ 2:
- Intravasale oder interstitielle Bläschen führen zu lokaler Ischämie (Durchblutungsstörung)
- Zielorgane: ZNS und Lungen (neurologische Ausfälle in Form einer inkompletten
Querschnittslähmung oder Lungenfunktionsstörungen – innerhalb der ersten Stunde nach
dem Auftauchen bis hin zu lebensbedrohlichen neurologischen Notfällen)
- Müdigkeit, Verwirrung, Desorientierung, Seh- und Sprachstörungen, Bewusstlosigkeit,
generalisierte Krämpfe, Schwindel, Übelkeit, Brechreiz, Tinitus, Hörverlust
- Chokes (primär in der Blutbahn auftretende Gasblasenansammlungen) mit Atemnot
- Permanente neurologische Störungen sind zu erwarten
Diagnose und Primärtherapie
Symptome nach einem Tauchgang erfordern sofortiges ärztliches handeln. Auch bei unklaren
Erkrankungen , die in zeitlichem Zusammenhang mit dem Tauchgang stehen. Differenzierung
zwischen Dekompressionserkrankung und Barotrauma mit arterieller Gasembolie ( Druckverletzung in allen
Luftgefüllten Organen und Körperhöhlen (Lunge, Schädelhöhle, Magen, etc.) – mit zunehmender Tiefe muß das Volumen des
Luftgefüllten Organs abnehmen. Ist das nicht mehr möglich, entsteht eine Druckdifferenz zw. Luftgefülltem Organ und
Umgebung) ist schwierig bis unmöglich (es können beide Schädigungsmechanismen zusammen vorliegen).
Maßnahmen:
- Kontrolle und Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen
- Lagerung (flache Rückenlage bei wachen Patienten, stabile Seitenlage bei Bewusstlosen
Patienten.
- Rekonstruierung des Tauchgangs – Anamnese
- Auskultation der Lunge
- Kontinuierliche Gabe von normobarem Sauerstoff (Konzentrationsgradient zw. Lungen und
Umgebungsluft, Blut und Lungen, Gewebe und Blut, Inertgasbläschen und Blut führt zu 4-5
mal schnelleren Elimination der Inertgase)
- Gabe von Acetylsalicylsäure (bis 500mg) um Blasenoberfläche zu beeinflussen
Sekundäre Maßnahmen:
- Überführung in ein Druckkammerzentrum (HBO)
Wirkprinzipien der HBO-Therapie:
- Mechanische Reduktion der Gasbläschen (Boyle-Marriotte’sches Gesetz p x V = k)
- Physikalisch erhöhte Löslichkeit von Sauerstoff im Plasma (6 Vol.% bei 280 kPa)
- 2-3 fach gesteigerte Eindringtiefe von Sauerstoff in hypoxisches Gewebe
- Vasokonstriktiver Effekt zur Ödemvermeidung
- Oxygenierung betroffener Randgebiete hypoxischer Gewebe
Hypothesen über Entstehung / Entwicklung
Trotz aller Bemühungen gibt es dennoch große Fragezeichen in allen Bereichen der
Dekompressionskrankheit.
So wurden bei fast der Hälfte aller analysierten Fälle schwerer Dekompressionskrankheit keine
offensichtlichen Tauchfehler nachgewiesen. Bei anderen Tauchern mit gleichem Tauchprofil, oder
sogar einem Profil was die Auftauchrichtlinien missachtet, konnten keine Symptome oder Probleme
nachgewiesen werden. Dies führt zur Hypothese, dass intraindividuelle Unterschiede in der Reaktion
auf Gasbläschen im Blut bestehen können. Damit wäre das Risiko Dekompressionsunfall zu einem
gewissen Grad unabhängig von äußeren Faktoren.
Neuere Hypothesen über die Entstehung der Dekompressionskrankheit beziehen auch die Rolle von
Herzfehlern mit ein. So liegt bei etwa 10-20 % der Menschen ein offenes Foramen ovale vor. Dies
Stellt eine Kurzschlussverbindung zwischen den beiden Vorhöfen her, wodurch Gasblasen anstatt zur
Lunge (um dort abgeatmet zu werden) wieder zurück in den arteriellen Blutkreislauf gelangen können.
Dies kann zur Mangelversorgung wichtiger Organe, vor allem des ZNS führen.
Weitere Untersuchungen zeigen, das es Patienten nach einer Rekompression zunächst besser geht.
Doch wenn längst keine Blasen mehr vorhanden sind, verschlechtert sich ihr Zustand seltsamerweise
wieder. Zurückzuführen ist die auf eine stetige Verminderung der Hirndurchblutung, selbst wenn alle
Bläschen aus dem Gefäßsystem eliminiert worden sind. Vermutlich wird durch die Bläschen und die
Embolie das Endothel beschädigt, was dann Thrombozyten anlockt. -> Beeinträchtigte Zirkulation
durch beginnende Gerinnung -> Thrombenbildung.
Das Ausperlen selbst ist ähnlich wie beim öffnen einer Mineralwasserflasche. Beim Menschen
scheinen sich die Bläschen jedoch nicht im Blut zu bilden. Schon Erasmus Darwin (1731-1802,
Großvater von Charles) fand heraus, das in einem vom Kreislauf isolierten mit Blut gefülltem
Gefäßstück selbst unter hoher Kompression und schneller Rekompensation nichts ausperlt.
Gasblasen finden sich auch unter normalen Alltagsbedingungen in Gelenken, Gliedmaßen und der
Wirbelsäule. Diese entstehen durch einen Vakuumeffekt zw. sich gegeneinander verschiebenden
Gewebsoberflächen mit viskoser Adhäsion (Knacken der Finger = Kollabieren solcher Bläschen). Gasreste
dieser Taschen wirken als Keime, aus denen die Bläschen im Gewebsbereich entstehen ( ahnlich bei
Glas Bier: die Kohlensäureperlen steigen von winzigen luftgefüllten Kratzern der Innenwandung des Glases auf ).
Die Bläschen können durch die Kapillarwand ins Blutsystem oder in Gewebe wechseln.
Gliederschmerzen von Gelenken durch Blasen, verursacht, die das Gewebe um die Gelenke herum
Überdehen und die Nervenendigungen beeinträchtigen.
Lähmung von Gliedmaßen hingegen von solchen Bläschen im Rückenmark, die dort Nervenleitung
und Blutversorgung unterbrechen.
Nicht nur Verletzung des Endothel lockt Thrombozyten an, sondern die Bläschen selbst, da sie als
Fremdkörper betrachtet werden. Das verschlechtert die ohnehin schon schlechte Blutversorgung noch
mehr.
An sich sind Gasblasen jedoch kein Problem. Unmittelbar nach dem Auftauchen finden sich im
venösen System Häufig Bläschen. Solche Bläschen sind harmlos solange sie wieder durch das
Lungenkapillarnetz herausgefiltert werden. Eine kritisch erhöhte Anzahl überfordert das System, und
die Bläschen können so von der Lunge wieder zurück ins arterielle System gelangen, von dort aus
relativ schnell ins Gehirn (Beeinträchtigung des Sehvermögens, der Sprachfähigkeit, des Denkens, der Persönlichkeit
und des Bewusstseins).
In Deutschland ist die Dekompressionskrankheit eine Meldepflichtige Berufskrankheit.
Abschließend
Apnoetauchen:
Apnoe oder auch Freitauchen ist die Kunst mit angehaltenem Atem zu tauchen. Sei es entspannt im
Wasser liegend, beim Streckentauchen oder beim Tieftauchen. Mit Delphinen, Walhaien und Walen
zu tauchen, ist nur den Freitauchern vorbehalten. Der Record beim Tieftauchen ohne Atemgerät liegt
derzeit bei etwa 162 m
Für Apnoetaucher ergeben sich zwar nicht die Dekompressionsschwierigkeiten ( sie atmen ja nicht ein),
aber oft kommt es beim austauchen und Lufthohlen zu Atemnot.
Beim Abstieg nimmt der Umgebungsdruck zu, damit auch der alveoläre Druck -> scheinbarer Vorteil.
Beim Auftauchen nimmt der Umgebungsdruck durch den schnellen Aufstieg rasch ab, damit auch der
alveoläre Druck. Dadurch kann die kritische Hypoxieschwelle von 30-35 mmHg unterschritten werden.
Es kommt zur Atemnot und zur Mangelversorgung wichtiger Organe.
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