Differentielle Psychologie 09/10

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Differentielle Psychologie WS & SS 09/10 (Prof. Neyer)
Persönlichkeitspsychologie im Alltag
 unsere Erfahrungen und Erwartungen engen unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten im
Alltag ein
 gilt auch für psychologische Fragen (durch Alltagspsychologie eingeengt)
Alltagspsychologie:
 ein System kulturell tradierter Überzeugungen über menschliches Erleben und Verhalten
und dessen Ursachen
 Alltagspsychologie (im Gegensatz z.B. zur Alltagsphysik) besonders differenziert, wodurch die
Skepsis gegenüber der Psychologie als Wissenschaft besonders groß ist
Laucken (1974): Rekonstruktion der deutschen Alltagspsychologie auf der Basis einer
umfangreichen Sammlung alltagspsychologischer Erklärungen
 Versuch implizite Alltagspsychologie explizit zu machen, damit eine Unterscheidung zur
Psychologie möglich ist
Struktur der Alltagspsychologie:
 alltagspsychologisch beobachtbar,
vorhersage- und erklärungsbedürftig ist
das Erleben und Verhalten einer Person
in einer bestimmten Situation
 naive Prozesstheorie:
- besteht aus Vorstellungen über aktuell
ablaufende Prozesse der
Informationsverarbeitung
(Wahrnehmungsprozesse, kognitive,
motivationale und emotionale Prozesse
bis hin zu Prozessen der
Verhaltensaktivierung)
- Bsp: Warum fiel X durch die Prüfung? –
Sie hatte einen emotionalen Block
 naive Dispositionstheorie:
- besteht aus Vorstellungen über
Dispositionen (überdauernde Merkmale
der Person, die für ihr Verhalten
verantwortlich gemacht werden, z.B. Fähigkeiten, Interessen, Wissensbestände)
- Bsp: Warum fiel X durch die Prüfung? – Weil sie prüfungsängstlich ist
 die beiden Theorien schließen sich nicht gegensätzlich aus, sondern sind zwei mögliche, durchaus
kombinierbare Erklärungsansätze (Bsp: Warum fiel X durch die Prüfung? – Weil sie
prüfungsängstlich ist und deshalb einen emotionalen Block hatte)
 der Teil der Alltagspsychologie, der sich auf die Persönlichkeit bezieht (naive
Persönlichkeitstheorie) ist im Kern eine naive Dispositionstheorie
 Persönlichkeit besteht aus mittelfristig stabilen Dispositionen, die Menschen dazu bringen, in
bestimmten Situationen sich in bestimmter Weise zu verhalten
 Dispositionen beschreiben Verhaltensregelmäßigkeiten, nicht Verhalten, und sind im Gegensatz
zum Verhalten nicht direkt beobachtbar, sondern nur aus Verhaltensbeobachtungen erschließbar
Dispositionsarten nach Laucken:
aktbestimmende
intellektuelle, soziale & körperl. Fähigkeiten
Dispositionen
(werden aus beobbeschreibt, wie jemand Akte vollzieht
achtbaren Verhaltensregelmäßigkeiten
geschlossen)
inhaltsliefernde
Dispositionen
alles erfahrene und erlernte Wissen über Umwelt
und sich selbst (kognitiven Prozessen zugeordnet)
Individ. Neigungen, Interessen, Einstellungen
(werden motivationalen Prozessen zugeordnet)
Tendenz, bestimmte kulturelle Normen zu akzeptieren, eigenes Verhalten danach ausrichten
Bereitschaft auf bestimmte Situationen mit best.
Gefühlen zu reagieren ( Gefühlstheorie)
 Dispositionen sind horizontal (gemeinsames Auftreten) und vertikal (Allgemeinheitsgrad)
verknüpft (zweidimensional)
- Allgemeinheitsgrad: Bsp.: „konservativ“ umfasst verschiedene Dispositionen
- Gemeinsames Auftreten: gleichzeitig
 zusätzlich werden körperliche statische Merkmale auch als Persönlichkeitseigenschaften
betrachtet, wenn sie psychologisch relevant sind (z.B. Größe, Schönheit): Gestalteigenschaften
(körperliche Merkmale, die von anderen unmittelbar wahrgenommen werden und in denen sich
Menschen unterscheiden)
Persönlichkeit = Dispositionen + Gestalteigenschaften
 Persönlichkeit bezieht sich auf individuelle Besonderheiten, schließt also universelle Merkmale
aus
 Persönlichkeit = Disposition + Gestalteigenschaften in denen sich Menschen derselben
Altergruppe und Kultur unterscheiden
Bewertung der naiven Persönlichkeittheorie
 Ist die naive Persönlichkeitstheorie bereits eine Theorie im Sinne der empirischen Wissenschaften,
deren Aussagen sich durch Beobachtung bestätigen bzw. widerlegen lassen?
 derartige Theorien sind Systeme von Aussagen, die es erlauben, möglichst viele Beobachtungen in
einem Gegenstandsbereich, z.B. Persönlichkeit, zu beschreiben, vorherzusagen und zu erklären
 diese Frage kann anhand der 8 zentralen Kriterien für Theorien in den empirischen
Wissenschaften überprüft werden:
1. Explizitheit: Begriffe/Aussagen der Theorie sollen explizit dargelegt sein, d.h. genau definiert
sein (für alle verständlich)
2. emprisiche Verankerung: Operationalisierung: Begriffe sollen sich direkt oder indirekt auf
Beobachtungsdaten beziehen
3. Widerspruchsfreiheit
4. Prüfbarkeit: Widerlegbarkeit, nicht Beweisbarkeit
5. Vollständigkeit: keine Lücken in der Erklärung/Theorie
6. Sparsamkeit: wenig Grundbegriffe
7. Produktivität: soll neue Fragestellungen erzeugen, Forschung voranbringen
8. Anwendbarkeit: Praxis
 die naive Persönlichkeitstheorie ist praktisch für die Erklärung und Vorhersage von Verhalten im
Alltag, aber unbrauchbar als Theorie im Sinne der empirischen Wissenschaften
 neben diesem Fazit liefert diese Rekonstruktion der naiven Persönlichkeitspsychologie aber auch
eine erste Definition der Persönlichkeitspsychologie als empirische Wissenschaft:
Persönlichkeitspsychologie ist die empirische Wissenschaft von den überdauernden,
nichtpathologischen, verhaltensrelevanten individuellen Besonderheiten von Menschen innerhalb
einer bestimmten Population
Wissenschaftsparadigma
 Kuhn (1967): Ein in sich kohärentes, von vielen Wissenschaftlern geteiltes Bündel aus
theoretischen Leitsätzen, Fragestellungen und Methoden, das längere Perioden in der Geschichte
einer Wissenschaft überdauert:
Normale Wissenschaft
(Paradigmen verändern sich durch Anomalien,
die im Prozess der „normalen Wissenschaft“ auftauchen)
Anomalien
(erwartungswidrige Befunde,
wie widersprüchliche Beobachtungen,
theoretische Schwachstellen): Krise
Deklaration als unlösbar
Paradigmen der Persönlichkeitspsychologie
Klassische Paradigmen (kaum noch relevant)
 Psychoanalyse
 Behaviorismus
Aktuelle Paradigmen (empirisch fundiert)
 Eigenschaftsparadigma
 Informationsverarbeitungsparadigma
 Neurowissenschaftliches Paradigma
 Dynamisch-Interaktionistisches Paradigma
 Evolutionspsychologisches Paradigma
Weitere Paradigmen (hier nicht behandelt)
 Humanistisches Paradigma
Paradigmenwechsel
(alternatives Paradigma, das die
Anomalie erklärt, gewinnt Überhand)
Das psychoanalytische Paradigma
Drei Kränkungen der Menschheit:
1.) Kopernikanische Wende: Erde nicht der Mittelpunkt des Universums
2.) Evolutionstheorie: Menschen sind mit Affen verwandt
3.) Psychoanalyse: Mensch, gesteuert durch unbewusste Prozesse
Allgemeines Menschenbild
 alle menschliche Aktivität und das „Seelenleben“ beruht auf der Verarbeitung von psychischer
Energie (Freud hoffe, sie später physiologisch messen zu können)
 sie wird aus angeborenen Trieben gespeist, die nach Triebbefriedigung an Triebobjekten drängen
 besonders interessiert an Sexualtrieb, der die Libido (sexuelle Energie) speist, und den
Aggressionstrieb
 dieses Triebmodell wird von den meisten wissenschaftlich arbeitenden Psychoanalytikern
abgelehnt
Strukturmodell der Psyche (3 psychische Instanzen):
1.) Es (Lustprinzip)
2.) Ich (Realitätsprinzip)
3.) Über-Ich (Gewissen: verinnerlichte Normen/Werte)
 ständige Konflikte zwischen den Instanzen
Phasenmodell der psychischen Entwicklung:
1.) orale Phase (1. Lebensjahr): Abhängigkeit/Vertrauen
2.) anale Phase (2.-3. Lebensjahr): Selbstkontrolle/Autonomie/Macht/Ohnmacht
3.) phallische Phase (3.-5. Lebensjahr): Ödipuskomplex bei Jungen, Penisneid bei Mädchen 
Geschlechtsidentität/Akzeptanz der sexuellen Beziehung der Eltern
4.) Latenzphase (6. Lebensjahr bis Pubertät)
5.) Genitale Phase (ab Pubertät)
Persönlichkeitsbild
 Freud bezeichnete Persönlichkeit als Charakter, welcher bereits in der frühen Kindheit durch zwei
Prozesse geformt wird:
1.) Fixierung
2.) Entwicklung typischer Abwehrmechanismen
Fixierung:
 zu große Triebbefriedigung in einer bestimmten Phase oder zu starke Einschränkung dieser durch
die Eltern wird der Charakter geprägt:
- orale Fixierung (Alkohol, Drogen, Nikotin): Abhängigkeit von anderen, oralen Tendenzen
- anale Fixierung: Zwangscharakter (ordentlich, pedantisch, geizig)  anal-retentiv
(Zurückhaltung) & anal-explosiv (Gefühlsausbrüche)
- phallische Fixierung: Ödipuskomplex (Streben nach Macht, Erfolg)  hysterischer Charakter
Abwehrmechanismen:
 Formen der Verarbeitung von Angst durch das Ich:
- reale Gefahren  Realangst
- Es-Impulse  neurotische Angst
- Versagen gegenüber Über-Ich  Moralische
Angst
 individualtypische Form der Verarbeitung prägt
wie Fixierung den Charakter
 Persönlichkeit ist nach Freud die individualtypische
Ausformung der weitgehend unbewusst
ablaufenden Triebdynamik
 Kombination von Fixierungen und
Abwehrmechanismen machen die individuelle
Persönlichkeit des Einzelnen aus, die ab der
phallischen Phase weitgehend konstant ist
Methodik
 freie Assoziation, Kindheitserinnerungen und z.T. Träume werden gedeutet, insbesondere
bezüglich Fixierung und Abwehrmechanismen und deren Entwicklung
 Kritik: Gefahr der Immunisierung der Deutung des Analytikers (Deutungen werden unfehlbar):
- akzeptiert Patient Deutung  Bestätigung
- akzeptiert Patient Deutung nicht  Widerstand, Abwehrmechanismen (z.B. Verkehrung ins
Gegenteil)
 durch suggestive Wirkungen können Deutungen zu selbsterfüllenden Prophezeiungen werden
 Freud war sich des Problems der Scheinbestätigung durch suggestive Wirkungen auf die Patienten
bewusst
 seine Lösung:
- Neurosen lassen sich nur durch Bewusstmachen der zugrunde liegenden Konflikte dauerhaft
beseitigen
- Nur die psychoanalytische Methode ist dazu in der Lage
- Deshalb ist jeder Therapieerfolg eine Bestätigung, dass die Deutungen in der Therapie
korrekt waren
Problem der Erklärung der Charakterentwicklung:
1.) sie beruht auf Kindheitserinnerungen von Erwachsenen und ist von daher wegen der
inzwischen bekannten Erinnerungsverzerrungen inakzeptabel als Methode einer empirischen
Wissenschaft
2.) Problem der verzerrten Stichproben (nur neurotische Patienten, die verbal eloquent sind und
die teure Therapie bezahlen können)
3.) Problem der fehlenden empirischen Verankerung der Grundkonzepte Energie, Ich/Es/ÜberIch, Abwehrmechanismen  deshalb Missbrauchmöglichkeit in Deutungen
 Psychoanalyse eher eine hermeneutische (interpretierende) Geisteswissenschaft und keine
empirische Wissenschaft
Empirische Bewährung
 die meisten Aussagen sind empirisch nicht überprüfbar, da sie unklar definiert oder nicht
operationalisierbar sind
 empirisch überprüfbare Aussagen erwiesen sich meist als falsch (z.B. kein Zshg. zwischen
Problemen bei Sauberkeitserziehung und späterem Zwangscharakter)
 einige Konzepte haben sich als fruchtbar für die heutige empirische Persönlichkeitspsychologie
erwiesen:
- Konzept der unbewussten Kognitionen und Motive
- Konzept der assoziativen Informationsverarbeitung
- Abwehrmechanismen, insbesondere im Umgang mit realen Bedrohungen
- Wichtige Rolle früher Objektbeziehungen für spätere soziale Beziehungen
Beispiel für Operationalisierung von Angstverdrängung
 Weinberger et al. (1979): niedrige Ängstlichkeit gepaart mit starker Tendenz zu sozial
erwünschten Antworten weist auf Präferenz von
Angstverdrängung hin
 empirischer Test für Adäquatheit dieser Operationalisierung:
- Represser sollten physiologisch stärker erregt sein als
Niedrigängstliche beim freien Assoziieren zu Sätzen mit
-
sexuellem/aggressivem Inhalt, nicht aber mehr Angst berichten (wurde bestätigt)
Es wurde herausgefunden, dass Represser bei Assoziieren ängstlicher aussahen als
Niedrigängstliche (Beurteilung von Videoaufnahmen ihres Gesichts)  Diskrepanz zwischen
spontanem und kontrolliertem Angstausdruck
Bewertung
 klassisches psychoanalytisches Paradigma ist aus methodischen Gründen ungeeignet als
Paradigma der empirischen Persönlichkeitspsychologie, hat aber immer noch heuristischen Wert
(Wert für die Generierung testbarer Hypothesen)
Das behavioristische Paradigma
Allgemeines Menschenbild
 Kritik des Behaviorismus am Introspektionismus und Psychoanalyse: Beschränkung auf direkt
beobachtbare Reaktionen R und direkt beobachtbare auslösende Stimuli S:
S  R Psychologie, S  BlackBox  R
 John Locke: Neugeborenes ist unbeschriebenes Blatt (mit ungerichteter Spontanaktivität und
Reflexen), alles andere Verhalten ist erlernt (alles basiert auf Erfahrungen)
 drei Lernformen im Behaviorismus:
- klassisches und operantes Konditionieren
- Nachahmungslernen (Pawlow, Skinner, Bandura)
Persönlichkeitsbild
 überdauernde individuelle Besonderheiten im Verhalten sind Resultate der individuellen
Lerngeschichte (genetische Fixierung der Angst durch Erfahrungen der Vorfahren)
 Nutzung in den Anfängen der Verhaltenstherapie (Umkonditionieren der Ängste, von denen
angenommen wurde, dass sie klassisch konditioniert worden seien)
 Person als Opfer ihrer Umwelt
 Persönlichkeitsveränderungen können (nur) durch Veränderungen der Verstärkungs- oder
Beobachtungsbedingungen herbeigeführt werden
Methodik
 Prüfung lerntheoretischer Hypothesen über Erwerb und Aufrechterhaltung von Reaktionen durch
Lernexperimente
 Problem: asymmetrische Lernsituation (Ratte denkt, sie hat Person konditioniert)
 die Absicht des Experimentators, ein Experiment durchzuführen, die Planung seiner Durchführung
und die Erwartungen der Ergebnisse können nicht behavioristisch operationalisiert werden ( da
sie individuell sind)
 Probleme:
- Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion individueller Lerngeschichten
- Einseitige Interpretation beobachteter Kontingenzen (z.B. rigider Erziehungsstil –
Aggressivität der Kinder)
- Einflüsse der Lernenden auf ihre Lernumwelt werden ignoriert
Bewährung
 Erfolge der Verhaltenstherapie insbesondere bei Phobien (bestätigen Behaviorismus aber nicht)
 Neugeborene sind kein „unbeschriebenes Blatt“, sondern weisen große Temperaments- und
Intelligenzunterschiede auf
 Lerneffekte oft wenig stabil trotz intensivem Lernen
 One Trial Learning, z.B. bei schlechter Nahrung
 Problem: Planen und Belohnungsaufschub; Kritik führte zum Informationsverarbeitungsparadigma
 genetische Prädispositionen zum Beobachtungslernen bei Rhesusaffen: genetische
Prädispositionen zum Erlernen bestimmter Lerninhalte widersprechen der behavioristischen
Annahme, dass Lerngesetze universell seien (Angst vor Blumen kann nicht und Angst vor
Schlangen kann konditioniert werden)
 Lernen ist fähigkeitsabhängig und auch beim Menschen teilweise prädisponiert (z.B. Erwerb von
Phobien)
 langfristige Konsequenzen von Kindesmisshandlung werden durch genetische Einflüsse
mitbestimmt
 GENERELL: die Persönlichkeit des Lernenden nimmt Einfluss auf den Lernprozess und ist deshalb
nicht nur Lernresultat, sondern auch Lernvoraussetzung
Bewertung
 gute Operationalisierbarkeit der Theorieelemente Reiz und Reaktion wurden durch sträfliche
Vernachlässigung der Inhalte der „BlackBox“ erkauft, dadurch die Reichweite der Theorie extrem
eingeschränkt (Inhalte der „BlackBox“ lassen sich nicht direkt beobachten, aber deren
Konsequenzen)
 Grundannahme des unbeschriebenen Blattes und der universellen Gültigkeit der Lerngesetze sind
falsch
Das Eigenschaftsparadigma
Allgemeines Menschenbild
 knüpft an die naive Persönlichkeitspsychologie an und füllt die sog. „BlackBox“ mit Eigenschaften,
die zwischen einer (komplexen) Situation und (komplexem) Verhalten vermitteln
Situation  Eigenschaften (erzeugen eine stabile Beziehung zwischen den Situationen und den
Reaktionen einer Person)  bestimmen  Verhalten
oder
Verhalten = f (Eigenschaften, Situation)
 Alltagspsychologie:
- unterstellt wird manchmal: Verhalten = f (Eigenschaften), was aber kein
Eigenschaftstheoretiker behauptet
- die Eigenschaften sind nicht beobachtbare, aber aus Verhaltensregelmäßigkeiten
erschließbare Verhaltensdispositionen
Persönlichkeitsbild
 Persönlichkeit wird verstanden als das System aller individualtypischer Eigenschaften
 zwei Ansätze zur Erfassung von Eigenschaften:
1.) Individuumszentrierter Ansatz: Eigenschaften eines Individuums werden unabhängig von
den Eigenschaften anderer Individuen beschrieben (z.B. Körpergröße in cm)
 aber: Vergleich mit anderen ist notwendig, um Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ziehen
zu können
2.) Differentieller Ansatz: Eigenschaftsdifferenzen innerhalb einer Population werden
beschrieben, d.h. individuelle Eigenschaften werden relativ zu den Eigenschaften anderer
betrachtet (z.B. Rangplatz, IQ)
Individuumszentrierter Ansatz
 alltagspsychologisch werden Eigenschaften durch entsprechende Eigenschaftsworte (dünn, nervös,
aggressiv, intelligent, usw.) oder komplexere Eigenschaftsbeschreibungen mitgeteilt (z.B.
Biographie)
 im Eigenschaftsparadigma müssen Eigenschaften operationalisiert werden, z.B. durch
Testergebnisse, Beurteilung auf Skala, usw.
 Stabilität der Eigenschaftsausprägungen muss über kürzere Zeiträume nachgewiesen werden
 individuumszentrierter Ansatz kann komplexe Einzelfallanalysen beinhalten
 Simonton (1998):
- Rekonstruktion der körperlichen und mentalen Gesundheit und der politischen und
persönlichen Belastung von König George III zwischen Geburt und Tod aufgrund vorliegender
Quellen
Ergebnis dieser historiometrischen Analyse war, dass Belastungsveränderungen am besten
Gesundheitsveränderungen 9 Monate später vorhersagten
- es bleibt unklar, ob dies nur für König George III zutrifft, typisch für Politiker ist oder gar auf
alle Menschen zutrifft  Ergebnis sagt nichts über die Persönlichkeit von König George III aus
 GENERELL: rein individuumszentrierte Eigenschaftsbeschreibungen sagten nichts über die
Persönlichkeit aus!
Differentieller Ansatz
 ohne einen Vergleich mit einer Referenzpopulation lässt sich nichts über die
Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen sagen
 deshalb können sich Persönlichkeitsaussagen ändern, wenn sich die Referenzpopulation ändert
 Beispiel: Aggressivität eines 20jährigen Skinheads variiert mit Referenzpopulation:
- 20jährige Skinheads
- 20jährige Deutsche
- 80jährige Deutsche
- Mundurucú Indianer (Kopfjäger im Amazonasgebiet)
 Referenzpopulation in Persönlichkeitspsychologie: Peers (Altersgleiche) derselben Kultur
Vier Differentielle Ansätze nach Stern (1911)
Variablenorientiert
1 Merkmal, viele Personen
 Betrachtung der Variation eines
Merkmals über eine Stichprobe von
Personen hinweg
2 Merkmale, viele Personen
 Zusammenhang (Kovariation) von 2
Merkmalen über verschiedene Personen
hinweg (z.B. Schulnoten – Intelligenz)
Personorientiert
1 Person, viele Merkmale
 Betrachtung eines Persönlichkeitsprofils,
Individuum im Hinblick auf
intraindividuelle Variation mehrerer
Merkmale
2 Personen, viele Merkmale
 Vergleich von Merkmalsprofilen
mehrerer Personen
Methodik
Individuumszentrierte Datenerhebung
 Merkmale einer Person werden unabhängig von ihrer Ausprägung bei anderen Personen erhoben
 freie Beschreibung, Biographie, usw. sind „weiche Methoden“ (keine Messung im Sinne der
empirischen Wissenschaften)
 „harte Methoden“ erfordern die Messung der Merkmale, d.h. die Zuordnung der Merkmale zu
Merkmalswerten derart, dass Unterschiede zwischen den Werten Unterschiede zwischen den
Zahlen repräsentieren:
Role Construct Repertory Test (Rep) von Kelly: Generierung persönlicher Konstrukte
- Verfahren baut auf systematischen Vergleichen zwischen Personen durch die Testperson auf,
liefert zunächst aber nur freie Beschreibungen von Konstrukten
- Es ist keine Messung der Konstrukte der Testperson
- Können in Messungen umgewandelt werden, indem die Konstrukte etwa nach Ähnlichkeit
klassifiziert werden
- Dann lässt sich die Zahl unterschiedlicher Konstrukte bestimmen, die etwas über die
„kognitive Komplexität“ der Testperson aussagt
- Diese kann dann zwischen verschiedenen Testpersonen verglichen werden
Q-Sort von Stephenson: Sortierung von Eigenschaften einer Person nach Salienz ( wie typisch für
diese Person: Q-Sort Profil  Eigenschaften werden intraindividuell verglichen
 beruht eine individuumszentrierte Datenerhebung auf Beurteilungen, so gehen indirekt auch
differentielle Überlegungen der Beurteiler ein
 beim Q-Sort wird die Salienz eines Merkmals meist dann extrem beurteilt, wenn die beurteilte
Person im Vergleich zu Peers eine extreme Ausprägung in diesem Merkmal hat: Q-Sorts sind
immer „differentiell verunreinigt“ (Vergleich mit anderen)
 individuumszentrierte Messungen im strengen Sinne erfordern absolute Messungen, z.B.
Körpergröße (cm), Sehschärfte (Dioptrien), Häufigkeiten von Verhaltensweisen pro Zeiteinheit,
uws.
Differentielle Datenerhebung
 Erhebung von Merkmalen im Vergleich zu anderen Personen, vor allem Peers
 Drei Hauptmethoden:
1.) Beurteilung auf Persönlichkeitsskalen ( die oft in Persönlichkeitsinventaren gruppiert sind)
2.) Beurteilung in Situations- (Reaktions-) Inventaren
3.) Verhaltensbeobachtung
Persönlichkeitsskalen
 bestehen aus mehreren Items, die dieselbe Eigenschaft erfassen sollen
 jedes Item wird auf einer Antwortskala beurteilt, z.B. (gar nicht, wenig, etwas, stark, sehr stark)
 es gibt mehrere Items, um durch Mittelung den Messfehler zu reduzieren
 Persönlichkeitsinventare bestehen aus mehreren Persönlichkeitsskalen, deren Items gemischt
werden
 Persönlichkeitsskalen werden beurteilt durch
- die Person selbst (Selbstbeurteilung)
- Bekannte, Eltern, Partner, usw. (Fremdbeurteilung)
 Problem: Situationen werden nicht vorgegeben oder nicht systematisch variiert; Zuordnung
Verhaltenstendenz zu Situationen wird Urteilern überlassen
 Lösung: Situations- (Reaktions-) Inventare, in denen Situationen (und Reaktionen) systematisch
variiert werden und alle Urteile pro Person gemittelt werden
Situations-Reaktions-Inventare
 Fear Survey Schedule von Wolpe & Lang
 allgemeine Ängstlichkeit einer Person erfasst
 individuelles Situationsprofil kann erstellt
werden (Mittelwerte von Reaktionen pro
Situation)
Verhaltensbeobachtung
 werden auch Reaktionen variiert, können
nicht nur typische Situationsprofile, sondern
auch typische Reaktionsprofile einer Person
erstellt werden
 individuelles Reaktionsprofil kann erstellt
werden (Mittelwerte von Situation pro
Reaktion)
Bsp. Wurm da – Ist Person änstlich? Vs. Person ängstlich – ist Wurm da?
 hierbei handelt es sich jedoch um die Beurteilung hypothetischer Situationen, die
Erinnerungsfehler enthält
 besser, aber aufwändiger, ist die direkte Verhaltensbeobachtung in realen Situationen durch
anwesende Beobachter oder Beurteilungen von Videoaufnahmen; privates Erleben oder intime
Situationen lassen sich aber kaum beobachten
Beurteilungsfehler:
- mangelhaftes Verständnis der Items, der Antwortskala, der Person
- selektive Kenntnis der relevanten Situationen
- Erinnerungsverzerrungen, z.B. optimistischer Bias
- Tendenz zu sozial erwünschten Antworten
- Tendenz zu (nicht) extremen Urteilen
- Halo-Effekte, z.B. Schönheit – IQ
- Schlechte Beobachtbarkeit der Eigenschaft
Beschreibung von Verteilungen:
- Mittelwert M
- Median
- Modalwert
- Schiefe
- Verteilungsbreite (min, max)
- Standardabweichung SD: Wurzel aus Varianz
- Z-Transformation zur Standardisierung: resultiert in M=0 und SD=1 und macht damit
Verteilungen vergleichbar
Korrelation von Eigenschaften
 Korrelationen beschreiben den Zusammenhang von zwei Variablen X,Y; beruhen auf z-Werten z(X),
z(Y)
 d.h. Korrelation ist das mittlere Produkt aller einander zugeordneten z-transformierten X und
Y-Werte in der Stichprobe
 Beispiele für Korrelationen:
- positive Korrelation
- negative Korrelation
- Nullkorrelation
- Unsinnige Korrelation (Scheinkorrelation)
Reliabilität von Eigenschaftsmessungen
 Reliabilität bedeutet Messgenauigkeit
 Reliabilität= Verhältnis von wahrer und beobachteter Varianz (Ist der Test messgenau?)
 Bestimmung durch Korrelation zwischen zwei parallelen Messungen mit gleich großem Fehler
oder Schätzung einer solchen Korrelation
Validität von Eigenschaftsmessungen
 Validität ist begrenzt durch die Reliabilität
 Validität= Was misst der Test?
 Validität= Gültigkeit, d.h. es wird gemessen, was gemessen werden soll
 konvergente Validität: Korrelation mit
Kriterium, sollte hoch sein
 diskriminante Validität: Korrelation mit
anderen Variablen, sollte niedrig sein
 Gefahr eines Zirkelschlusses bei
Kriteriumsvalidierung: Test A ist valide, weil A
mit B korreliert, B mit C, und C wiederum mit A
 alternative Sichtweise: nomologisches Netzwerk (ein Netzwerk korrelierter Messungen beschreibt
ein Konstrukt, z.B. Schüchternheit; jedes Item mit jedem)
Aggregationsprinzip
 die Spearman-Brown-Formel beschreibt ganz allgemein das Aggregationsprinzip, nach dem die
Reliabilität und deshalb auch die Validität von Eigenschaftsmessungen durch Aggregation
(=Mittelung) über viele Messungen erhöht werden kann
 aggregiert werden kann z.B. über parallele Items eines Tests,
Situationen, Reaktionen, Beobachter, Zeitpunkte
 das Aggregationsprinzip hat seine Grenzen in der
Voraussetzung paralleler Messungen und der Interpretierbarkeit der aggregierten Messungen
 Bsp.: Validität von Dominanzurteilen über Kinder im Kindergarten in Abhängigkeit von
Beobachtungsdauer und Erzieherzahl (höhere Reliabilität nach längerer Zeit)
Bewährung: Beurteilerübereinstimmung
 die Beurteilerübereinstimmung liegt bei Verhaltensbeobachtung von relevantem Verhalten
zwischen .60 - .80, so dass 1-2 Beurteiler meist ausreichen
 liegt bei Beurteilungen in Persönlichkeitsskalen und Q-Sorts selten höher als .50, z.B. zwischen
Selbst, Eltern, Freunde, Partner
 dies liegt vor allem an der unterschiedlichen Kenntnis relevanter Situationen
 Diskrepanzen zwischen Selbst, Freunden und Partner können nicht durch Aggregation minimiert
werden
Bewährung: Interne Konsistenz
 durch Eliminierung von ungeeigneten Items können interne Konsistenzen von .75 - .85 erreicht
werden, bei Leistungstests auch .90 -.95
 bei der Itemselektion wird die Trennschärfe jedes Items bestimmt (Korrelation mit Rest der Skala),
und Items mit zu geringer Trennschärfe werden weggelassen, bis die interne Konsistenz
ausreichend ist
 dann muss die Reliabilität erneut in einer weiteren Stichprobe von Personen kreuzvalidiert
werden, da insbesondere bei kleinen Stichproben zufällig hohe Trennschärfen die Reliabilität
überschätzen
Bewährung: Validität
 die Validitäten von Persönlichkeitsskalen werden durch die Beurteilerübereinstimmung begrenzt
und erreichen damit nicht mehr als .50
 Tests im Leistungsbereich können höhere Validitäten erreichen
 die Validität von Verhaltensbeobachtungen liegen selten höher als die von Persönlichkeitsskalen;
dies liegt daran, dass die Eigenschaften meist in nur wenigen Situationen beobachtet werden
Bewährung: Zeitliche Stabilität
 Persönlichkeitsskalen erreichen regelmäßig Retestreliabilitäten über wenige Wochen von .75 - .85
 allerdings wird so eigentlich nur die Stabilität der Urteile erfasst, nicht die Stabilität des Verhaltens
 bei Leistungstests können auch .90 erreicht werden
 bei ausreichend langer Beobachtung können auch bei Verhaltensbeobachtungen .75 - .85 erreicht
werden
Bewährung: Transsituative Konsistenz
 Verhalten ist konsistent über die Zeit und verschiedene Situationen hinweg
 hierunter wird die Korrelation von Verhaltensdispositionen zwischen verschiedenen Situationen
verstanden
 Hartshorne & May zeigten, dass Ehrlichkeit nicht ausreichend konsistent ist (wird nicht in allen
Situationen gleich gezeigt)
 es ergab sich eine mittlere Korrelation zwischen den Situationen von .19 und damit nach der
Spearman- Brown-Formel eine interne Konsistenz der Messungen von .65
 Mischel (1968) postulierte die „magische Grenze“ von .30 für die transsituative Konsistenz von
Eigenschaftsmessungen und zog den Schluss, dass es keine Eigenschaften gebe; es handle sich um
Fiktionen der Alltagspsychologie
 Kritik von Mischel beruhte auf dem Missverständnis, dass eine hohe transsituative Konsistenz
notwendig für den Eigenschaftsbegriff sei
 notwendig ist jedoch nur eine hohe zeitliche Stabilität; Unterschiede in stabilen Situationsprofilen
sind mit dem Eigenschaftsbegriff vereinbar (muss nur über die Zeit stabil sein, nicht über die
Situationen)
 Shoda et al. Beobachteten Aggressivität in verschiedenen Situationen bei 53 Kindern in 6wöchigen
Ferienlagern  die transsituative Konsistenz der Aggressivität betrug unter .30, aber die mittlere
Stabilität der Situationsprofile betrug immerhin .47
 Lösung des Problems der mangelnden transsituativen Konsistenz
- Unterscheidung von Situationsprofil-Typen, z.B. aggressiver gegenüber Kindern als
gegenüber Erwachsenen
- Differenzierung einer Disposition in untergeordnete situationsspezifischere Dispositionen, z.B.
„aggressiv gegenüber Kindern/Erwachsenen“
Bewährung: Reaktionskohärenz
 hierunter wird die Korrelation zwischen
eigenschaftstypischen Reaktionen verstanden
 sie ist oft niedrig, z.B. bei physiologischen
Stressreaktionen: individuelle Reaktionshierarchien
(jede Person reagiert unterschiedlich)
 Korrelation zwischen Reaktionen über Personen
werden betrachtet, die sich auf dieselbe Eigenschaft
beziehen sollten  wird Kohärenz genannt
 Abb.: Reaktionen sind nicht kohärent (jede Person
reagiert anders)
 in physiologischen Stress-Studien und bei Induktion
sozialer Angst im Labor zeigten gut 50% der Personen
zeitlich stabile Reaktionshierarchien
 manchmal lassen sich Reaktionshierarchien vorhersagen, z.B. Diskrepanzen zwischen berichteter
und physiologisch/mimisch gezeigter Angst bei Repressern
 Reaktions-Inkohärenzen lassen sich durch Bildung von Profiltypen oder durch
reaktionsspezifischere Dispositionen auflösen (analog zu transsituativen Inkonsistenzen)
Bewertung
 im Eigenschaftsparadigma wurde der alltagspsychologische Begriff der Persönlichkeitseigenschaft
präzisiert und messbar gemacht
 wird klar zwischen beobachtbaren Verhalten und daraus erschlossener Disposition unterschieden,
ist der Begriff der Eigenschaft nicht zirkulär
 da Persönlichkeitseigenschaften individuelle Besonderheiten beschreiben, ist eine rein
individuumszentrierte Erfassung nicht möglich; notwendig sind Vergleiche mit anderen Personen
einer Referenzpopulation
 dadurch werden alle Aussagen im Eigenschaftsparadigma populationsunabhängig
 drei Probleme des Eigenschaftsparadigmas.
1.) keine Aussagen über Prozesse der Situationsverarbeitung: die „BlackBox“ des Behaviorismus
enthält Eigenschaften, nicht aber Prozesse, die Situationen in Reaktionen umsetzen
2.) der Eigenschaftsbegriff ist statisch: keine Aussagen über Persönlichkeitsveränderungen
(Problem: Persönlichkeit verändert sich)
3.) die Eigenschaften werden oft aus der Alltagspsychologie entlehnt oder diagnostischen
Anforderungen entnommen, z.B. Fahrtüchtigkeit; keine Begründung dafür, warum sich
Menschen in bestimmten Eigenschaften unterscheiden (Suche nach Eigenschaften ist stark
durch alltagspsychologische Überlegungen beschränkt)
Informationsverarbeitungsparadigma
Allgemeines Menschenbild
 Kritik am Behaviorismus, Psychoanalyse und Introspektionismus:
- Vernachlässigung der Prozesse in der BlackBox
- Informations- statt Energieverarbeitung
- Informationsverarbeitung statt bewusstes Erleben
 Analogie zu sequentieller Verarbeitung im Computer, später auch parallele Verarbeitung und
neurowissenschaftlich orientierte Modelle
 Verarbeitungsprozesse sind weitgehend unbewusst; Problem ist nicht Unbewusstes, sondern was
Bewusstsein ist
 Unterscheidung zwischen zwei Modi der Informationsverarbeitung:
- emotional – rational
- affektiv – kognitiv
- intuitiv – analytisch
- impulsiv – reflektiv
- spontan – willentlich
- implizit – explizit
 Unterscheidungen sind ähnlich, aber nicht identisch
 Bsp.: Modell von Strack und Deutsch (2004)
3 Arten von Verhaltenssteuerung:
1.) spontan (durch impulsives System)
2.) automatisiert (Delegation an
impulsives System)
3.) willentlich ( reflektives System)
Bsp.: lateralisiertes willentliches, nicht
lateralisiertes spontanes Lächeln bei
zentraler Lähmung der
Gesichtsmuskulatur
Persönlichkeitsbild
 im Informationsverarbeitungsparadigma können Persönlichkeitsunterschiede beruhen auf:
- Architektur (Hardware) der Informationsverarbeitung
- Parametern (Software) der Informationsverarbeitung
- Wissen
Architektur der Informationsverarbeitung
 Annahme ist, dass die grundlegende Architektur der Informationsverarbeitung bei allen Menschen
gleich ist (höchstens Geschlechtsunterschiede)
 biologisches Argument hierfür: Architektur beruht auf sehr vielen Genen; würde es grundlegende
Unterschiede geben, würde es bei der Durchmischung der Gene von Vater und Mutter zu
Problemen kommen
 allerdings kann es Unterschiede in der Feinstruktur des Gehirns geben:
- stärker vernetzte Neurone bei Ratten, die in anregender Umwelt aufwuchsen
- Hypothese von Garlick: Intelligenzunterschiede beruhen auf Unterschieden in der
neuronalen Plastizität (nicht empirisch bestätigt)
Parameter von Informationsverarbeitungsprozessen
 Unterschiede in der allgemeinen Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, z.B. bedingt
durch unterschiedliche Myelinisierung: Bezug zu allgemeiner Intelligenz
 Unterschiede im Zugriff zum KZG, LZG, AG usw.: Bezug zu allgemeiner Intelligenz
 Schwellen für Wahrnehmung, Einspeichern, Erinnern
 Unterschiedliche Schwellen für die Aktivierung physiologischer Erregungs-/Hemmungsprozesse:
Bezug zu Temperament
 Unterschiedliche Sollwerte für die Regulation von Bedürfnissen
Wissen
 stabiles Wissen ist Grundlage für Persönlichkeitsunterschiede
 relevante Unterscheidungen:
1.) deklaratives Wissen: Dinge, die man bei Was-Frage herausbekommt, z.B. Selbstkonzept
2.) prozedurales Wissen: Vorgänge, Prozesse, wenn-dann-Zshg, z.B. Bewältigungsstil
oder
1.) explizites Wissen (logisches, hierarchisches Verhältnis) (propositionales Format)
2.) implizites Wissen (Assoziationen, nicht logisch( (Assoziationsstruktur)
Methodik
 Erfassung allgemeiner Verarbeitungsgeschwindigkeit:
1.) Mental Speed Test: Reaktionszeit erfasst Langsamkeit
--------------- Welche Linie ist länger?
2.) Zugriff zum KZG: Sternberg Paradigma: Reaktionszeit erfasst Schnelligkeit des Zugriffs
Akndkib – Kam b vorher vor?
3.) Zugriff zum verbalen LZG: NI-PI-Paradigma: Differenz Name Identity (NI) – Physical Identity
(PI) erfasst Schnelligkeit des Zugriffs
AA Aa AB – semantisch oder physikalisch gleich?
 Erfassung der Fähigkeit zum komplexen Problemlösen: dynamisches komplexes System
- z.B. Gemeinde wird auf Computer simuliert
- Versuchsperson („Bürgermeister“) soll System, dessen Funktionsweisen zunächst unbekannt
ist, hinsichtlich mehrerer Kriterien optimieren
- Ergebnis nach vielen Entscheidungen ist Maß der Problemlösefähigkeit
 Erfassung explizites Wissen: Fragebogen, Interviews (z.B. „wer bin ich ?“)
 Erfassung implizites Wissen: Erschließung aus Verhalten
1.) z.B. durch affektives oder semantisches Priming
- Beispiel impliziter Rassismus: Gesichter von Schwarzen und Weißen als Primes für
positive/negative Worte
- Zusammenhang zwischen implizitem – explizitem
Rassismus wurde moderiert durch Motiv zur
Vorurteilskontrolle
- starkes Motiv bzgl Rassismus: zeigen sich sozial
erwünscht, obwohl sie implizit auf der negativen
Skala sind
2.) z.B. durch Impliziten Assoziationstest (IAT)
- Assoziation ich – andere mit schüchtern –
Nichtschüchtern
Bewährung
 die zeitliche Stabilität von Parametern, die aus
typischen allgemeinpsychologisch orientierten
Experimenten gewonnen werden, ist oft unzureichend
 Bsp: Komplexes Problemlösen: Retestreliabilität nur
ca .50; Lösung: mehrere strukturell sehr ähnliche, inhaltlich aber verschiedene (d.h. parallele)
Szenarien verwenden
 Bsp: Priming: die interne Konsistenz und Retestreliabilität ist meist sehr niedrig (unter .50); beim
IAT ist die interne Konsistenz ausreichen (um .80), die Retestreliabilität aber regelmäßig deutlich
niedriger (um .65), Lösung steht noch aus
Bewertung
 positiv: es werden letztlich Eigenschaften bestimmt, aber diese sind als Prozessparameter
eingebettet in ein Modell der Informationsverarbeitung
 wegen dieses Vorzugs wird das Problem der Parameterstabilität oft übersehen, gerade in der
primär allgemeinpsychologisch orientierten Forschung
 so werden unreliable Maße der Fähigkeit zum komplexen Problemlösen oft in der
Personalauswahl und – entwicklung verwendet
 Problem der Unverbindlichkeit der gegenwärtigen Informationsverarbeitungsmodelle
 Problem der statischen Eigenschaften
Das neurowissenschaftliche Paradigma
Allgemeines Menschenbild
 Informationsverarbeitung wird untersucht im Nervensystem und anderen damit in
Wechselwirkung stehenden Systemen, vor allem:
- Motorisches (Muskeltonus,
Bewegungen)
- Hormonelles
(Psychoneuroendokrinologie)
- Herz-Kreislauf (kardiovaskuläre
Psychophysiologie)
- Immunsystem
(Psychoneuroimmunologie)
Grenzen von Lokalisationsannahmen
 jedes der ca. 100 Milliarden Neurone
im intakten Gehirn ist im Prinzip mit
jedem anderen Neuron verbunden
 Emotionen finden im ganzen Körper
statt, nicht nur im limbischen System;
am rationalen Denken sind rechte und
linke Hirnhälfte beteiligt usw.
 an komplexeren psychischen Funktionen sind weiträumige Erregungs- und Hemmungsprozesse im
Nervensystem beteiligt, die oft in Wechselwirkung mit anderen Systemen jenseits des
Nervensystems stehen
Psychoneuroendokrinologie
 die Substanzwirkung variiert stark
räumlich und zeitlich (z.B. Testosteron im
Blut versus Speichel) und steht in
Wechselwirkung mit anderen Substanzen
(z.B. Hormone mit Neurotransmittern)
 deshalb ist eine einfache Zuordnung zu
Funktionen nicht möglich
 der Vorteil des biochemischen Ansatzes besteht vor allem in der experimentellpharmakologischen Beeinflussbarkeit
 Bsp.: Behinderung der Dopaminaufnahme durch Rezeptorblocker in Experimentalgruppe, Placebo
in Kontrollgruppe
Interaktionistische Sichtweise
 biologische Auffassungen (Ursachen psychischer Phänomene sind primär biologisch) und
psychologistische Auffassungen (Ursachen biologischer Phänomene sind primär psychologisch)
sind zu verkürzt
 Beispiel 1: Sex vergrößert daran beteiligte Neurone (spricht gegen einseitig biologische Sichtweise)
 Beispiel 2: Es gibt keine „Krebspersönlichkeit“ (spricht gegen einseitig psychologische Sichtweise)
 vielmehr gilt interaktionistische
Sichtweise
Persönlichkeitsbild
 im neurowissenschaftlichen Paradigma können Persönlichkeitsunterschiede beruhen auf der
- Architektur (Gene) der biologischen Systeme
- Anatomischen Feinstruktur der biol. Systeme
- Physiologischen Aktivität der biol. Systeme
 die Architektur der biologischen Systeme wird als universell angenommen mit Ausnahme der
Geschlechtunterschiede (z.B. Hoden/Eierstöcke)
 die Feinstruktur variiert dagegen deutlich
 Beispiel 1: Umweltabhängige Vernetzung von Neuronen (mehr Synapsen und Dendriten in
anregenderen Umwelten)
 Beispiel 2: Myeliniesierungshypothese der Intelligenz
 am meisten wird nach Unterschieden in physiologischen Aktivierungsparametern gesucht, z.B.
autonomes Nervensystem bei Stress
 vier grundlegende methodische Zugänge zu Persönlichkeitsunterschieden:
1.) Korrelativer Ansatz
2.) Multivariate Psychophysiologie
3.) Systemorientierter Ansatz
4.) Ambulantes Monitoring
Korrelativer Ansatz
 wichtig:
- Parameter der Physiologie und des Erlebens und Verhaltens müssen zeitstabil sein
- Messung muss in eigenschaftsrelevanten Situationen erfolgen (z.B. bei Aggressivität)
 Bsp.: Herz-Kreislauf- Reaktionen bei Ärger
- Befund: Korrelationen zwischen:
 Defensivität und chronischer Ärgerunterdrückung und diastolischer Blutdruck
 Feindseligkeit und koronare Herzerkrankung
- Interpretation 1: Ärgerverarbeitung (unterdrücken)  Blutdruck (erhöht)  Herzerkrankung
- Interpretation 2:
 Fazit: der korrelative Ansatz kann dies nicht entscheiden  generell sind im korrelativen Ansatz
Aussagen über Wirkungsrichtungen nicht möglich
Multivariate Psychophysiologie
 mehrere physiologische Reaktionen
 mehrere Situationen
 Hoffnung war, interindividuell kovariierende Reaktionen in bestimmten Situationen (z.B. Ärger,
Freude, Angst) zu finden
 Problem: trotz hoher intraindividueller Korrelationen nur geringe interindividuelle Korrelationen
Systemorientierter Ansatz
 Ausgangspunkt ist ein möglichst genau umschriebenes System (Anatomie, Biochemie, Physiologie)
 interindividuelle Unterschiede in der Reaktivität des Systems werden auf beurteilte oder
beobachtete Persönlichkeitsdispositionen bezogen
 dies wird geprüft, indem die Systemparameter experimentell
situativ und/oder pharmakologisch manipuliert werden,
wobei abhängige Variablen die Systemparameter und das
aktuelle Erleben und Verhalten in der Situation sind
 Bsp. Wacker et al (2006)
- dopaminerges System wurde aktiviert durch Belohnung bei Bearbeitung kognitiver Aufgaben
- „Challenge-Test“ behinderte pharmakologisch in Experimentalgruppe Dopaminausschüttung,
Kontrollgruppe erhielt Placebo
- positive Emotionalität wurde vorher selbstbeurteilt; AV: EEG- und Reaktionszeitmaße
- Ergebnis: unter Placebos bearbeiteten die positiv Emotionalen die Aufgaben schneller als die
weniger positiv Emotionalen, während es bei Dopamin-Blockierung zu einer Umkehrung kam;
entsprechendes ergab sich für linksfrontale EEG-Aktivierung
Ambulantes Monitoring
 physiologische Reaktionen werden im Alltag („Feld“) mit tragbaren Geräten gemessen, nicht im
Labor
 Technik wurde in der Medizin zum Monitoring von Herz-Kreislauf-Patienten entwickelt
 Bsp.:
- Kagan et al: gehemmte Kinder reagieren mit erhöhter Herzrate auf unbekannte Situationen
im Labor
- Asendorpf & Meier: an normalen Schultagen sprachen gehemmte Kinder in Schulpausen und
auf Spielplätzen weniger, aber Herzrate war normal; Sprechen erhöhte im Alltag Herzrate um
9 Schläge/Min.
 Widerspruch zwischen Labor und Feld erklärbar?
- ist kein Widerspruch, da die gehemmten Kinder in hemmenden Situationen einerseits
weniger sprechen, andererseits vermutlich stärker erregt waren: Trade-off von 2 Wirkungen
auf Herzrate
- ohne Überprüfung von Laborbefunden im Feld können deren Ergebnisse nicht auf den Alltag
verallgemeinert werden
- so sind bei Panik-Patienten subjektiv als lebensbedrohlich erlebte Herzattacken im Alltag
nicht in Protokollen des ambulanten Herz-Monitoring nachweisbar, wobei aber Gehen versus
Sitzen oder Gehen versus Treppensteigen klar nachweisbar ist
Bewährung
Bewährung: Korrelativer Ansatz
 insgesamt sind Korrelationen zwischen Physiologie und selbstbeurteilter Persönlichkeit gering, da:
- physiologische Messungen oft nicht ausreichend aggregiert sind
- Selbstbeurteilungen Verzerrungstendenzen unterliegen (z.B. zu sozial erwünschten
Antworten)
- Individuelle Reaktionshierarchien die Korrelationen dämpfen (z.B. niedrige Herzrate bei
Sportlern)
- Messungen oft dem technisch Machbaren folgen anstatt systemspezifisch zu sein und so
meist durch viele unterschiedliche physiologische Systeme beeinflusst werden (z.B. Herzrate)
Bewährung: Multivariater Ansatz
 Haupteffekt der Personen ist meist gering relativ zu
statistischen Interaktionen Personen × Reaktionen, bei
situationaler Variation auch Interaktionen mit Situationen
Bsp: Interaktion P × R geht auf individuelle
Reaktionshierarchien in den beobachteten Reaktionen zurück
Bewährung: Systemorientierter Ansatz
 noch zu wenig verfolgt, auch wegen fehlenden Wissens über
physiologische Systeme und deren Wechselwirkung
 erscheint aber vielversprechend
Bewährung: Ambulantes Monitoring
 intraindividuelle Variabilität im Alltag ist größer als im Labor
 nach statistischer Kontrolle der Bewegungseffekte sind Effekte kognitiver und emotionaler
Belastung ähnlich schwach wie im Labor
 interindividuelle Nullkorrelationen zwischen subjektivem Erleben oder selbsteingeschätzter
Persönlichkeit und physiologischen Messungen im Alltag bestätigen Laborbefunde (z.B. subjektive
Beschwerden und Herz-Kreislauf-Paramter sind meist unkorreliert)
Bewertung
 Hauptproblem: Graben zwischen dem neurowissenschaftlich Messbaren und dem subjektivverbalen Berichtbaren erscheint derzeit unüberwindlich
 Überwindung erfordert Lösung des Bewusstseinsproblems und des Gedächtnisproblems, und
selbst dann verbleiben vermutlich klare Unterschiede aufgrund emergenter Eigenschaften der
psychologischen Ebene
 Ertrag der Neurowissenschaft für das inhaltliche Verständnis von Persönlichkeitsunterschieden ist
derzeit gering
Evolutionspsychologisches Paradigma
Allgemeines Menschenbild
 menschliches Erleben und Verhalten ist Resultat der Evolution, d.h. des Prozesses der genetischen
Anpassung der Lebewesen an die jeweiligen vorherrschenden Umweltbedingungen
 deshalb sind wir der Umwelt unserer Vorfahren besser angepasst als der heutigen Umwelt (Bsp.:
Fettkonsum, Ängste)
 Darwin (1859): Entstehung der Arten (Phylogenese) durch Variation und Selektion
- Variation wird durch Genetik (Darwin noch unbekannt) erklärt
- Selektion nicht durch „survival of the fittest“, sondern durch Fortpflanzungserfolg in einer
bestimmten Umwelt auf der Ebene einzelner Gene:
- Fitness= f(Gen,Umwelt)
 Annahme, dass angesichts medizinischer Fortschritte heutzutage evolutionäre Prozesse beim
Menschen keine Rolle mehr spielen, ist falsch
 reproduktionsrelevant sind nicht nur Klima, Nahrungsangebot, Krankheitserreger usw., sonder vor
allem soziale Umweltbedingungen, z.B. Partnerpräferenzen des anderen Geschlechts, Rivalität mit
eigenem Geschlecht auf Partnermarkt
Inklusive Fitness
 Häufigkeit des Gens bei direkten und indirekte Nachkommen
 Hamilton (1964): inklusive Fitness unter Einschluss des Reproduktionserfolgs genetisch
Verwandter (z.B. aufopfern für 3 Geschwister)  hilft man genetisch Verwandten, fördert das
indirekt die Verbreitung der eigenen Gene
 genetische Fitness beruht auf zwei Komponenten:
1.) Reproduktionserfolg der eigenen Gene (deren Vorkommen in Kindern, Enkeln)
2.) Reproduktionserfolg dieser Gene bei genetisch Verwandten (Geschwistern, Neffen, Nichten)
Soziobiologie vs. Evolutionspsychologie
 Wilson (1975): wandte evolutionsbiologische Erklärungsprinzipien auf das Sozialverhalten
verschiedener Tierarten an und prägte den Begriff der Soziobiologie im Sinne einer
Evolutionsbiologie des Sozialverhaltens, einschließlich dem Sozialverhalten von Menschen
 Soziobiologie auf der Grundlage rein ultimater Erklärungen von Verhalten (begründen das
Verhalten durch Reproduktionsvorteile in der evolutionären Vergangenheit)
 löste lange Kontroverse mit Sozialwissenschaften aus
Evolutionspsychologie
 immer auch Angabe proximater Mechanismen (geben an, wie das Verhalten konkret zustande
kommt) in Form von bereichs- und kontextspezifischen, genetisch fixierten evolvierten
psychologischen Mechanismen (EPM)
 Bsp: starke Schlangenangst bei 25% der Mitteleuropäer
Proximate versus ultimate Erklärungen
 Beispiel für ultimate vs. Proximate Erklärungen: Studie von Neyer & Lang:
- eingeschätzte emotionale Nähe zu Bezugspersonen korreliert intraindividuell im Mittel .50
mit dem genetischen Verwandschaftsgrad r
- je genetisch ähnlicher, desto emotional näher
EPM für Hilfeleistung
 emotionale Nähe wiederum scheint enger mit der Vertrautheit zusammenzuhängen als mit der
genetischen Verwandtschaft
 deshalb Hypothese:
 Hypothese erklärt proximat den Zshg. zwischen genetischer Verwandtschaft und Hilfeleistung, der
aus Überlegungen zur inklusiven Fitness ultimat abgeleitet wird
 tatsächlich ist Zshg. der Hilfeleistung mit emotionaler Nähe stärker als mit genetischer
Verwandtschaft: proximate und ultimate Erklärungen können teilweise divergieren
Persönlichkeitsbild
 Erklärungen von Persönlichkeitsunterschieden durch
1.) genetische Variation (Mutation, sexuelle Rekombination, usw.): Variation ist hoch wegen
fluktuierender Umwelt (z.B. Wettrennen Wirt-Parasit)
2.) Umweltunterschiede, die durch EPM vermittelt sind (damit geht Erklärung über dynamischen
Interaktionismus hinaus)
 drei spezifischere Erklärungsprinzipien:
1.) frequenzabhängige Selektion
2.) konditionale Entwicklungsstrategie
3.) strategische Spezialisierung
Frequenzabhängige Selektion
 Fitness eines Gens hängt von seiner Häufigkeit in der Population (Fortpflanzungsgemeinschaft) ab
 Beispiel: Geschlechterverhältnis ist 1:1 zum Zeitpunkt der maximalen Fruchtbarkeit um 18 Jahre
(vorher mehr Jungen, später mehr Frauen wegen höherer Sterblichkeit des männlichen
Geschlechts)
 frequenzabhängige Auslese muss nicht in 1:1 Verhältnis resultieren, führt aber zu evolutionär
stabilem Verhältnis
 bei sonstigen Umweltänderungen kann sich aber auch dieses Verhältnis ändern
 Beispiel: Soziosexualität (Anzahl Sexpartner) von Frauen
- 2 Kriterien für Partnerwahl von Frauen:
 Investition des Mannes in die Kinder
 „gute Gene“ bzgl. Gesundheit und sexueller Attraktivität (beides fördert
Reproduktionserfolg)
 wegen intrasexueller Rivalität führ das zu zwei alternativen, frequenzabhängigen Strategien:
- restriktiv: Sicherng eines investierenden Mannes
- unrestriktiv: viele Männer mit „guten Genen“
 wenn es frequenzabhängige Auslese gibt, bedeutet dies, dass es keine absolute Fitness einer
Persönlichkeitseigenschaft gibt
 Fitness muss vielmehr relativ zu alternativen Eigenschaften gesehen werden
Konditionale Entwicklungsstrategien
 sind genetisch fixierte EPM, die die Individualentwicklung in Abhängigkeit von alternativen
Umweltbedingungen der Kindheit in jeweils adaptive Richtungen lenken (Eigenschaften bestimmt
durch die Umwelt)
 Beispiel: väterliche Investition in eigene Kinder: reiche Umwelt  geringe Investition; arme
Umwelt  starke Investition
 Hypothese von Draper & Harpending: väterliche Anwesenheit in der frühen Kindheit ist
Umweltmerkmal, das zu erwartende väterliche Investition signalisiert und deshalb zu
konditionaler Entwicklungsstrategie bei Mädchen führe:
- Vater anwesend  späte Geschlechtsreife, späterer erster Sex, weniger Sexpartner
- Vater abwesend  frühe Geschlechtsreife, früher erster Sex, viele Sexpartner
 bei Jungen seien keine Unterschiede zu erwarten, weil mütterliche Investition immer hoch sein
sollte
 wurde in mehreren Kulturen bestätigt, z.B. Korrelation .43 positive Vater-Tochter-Beziehung in
Kindheit und Zeitpunkt 1. Regelblutung
 mögliche proximate Mechanismen (Ellis et al., 1999)
- Beschleunigung der weiblichen Reifung durch Geruchsstoffe nichtverwandter männlicher
Artgenossen bei vielen Tierarten und auch beim Menschen
- Hemmung der weiblichen Reifung durch Geruchsstoffe des eigenen Vaters
- Alternative Erkärung durch interindividuell variierende Gene, die Väter und Töchter teilen;
kann durch Adoptionsstudien entschieden werden
Strategische Spezialisierung
 hierunter wird die Tendenz zu alternativen Reproduktionsstrategien verstanden, z.B. in Form
 Beispiel: Geschwisterposition (Sulloway): Erstgeborene besetzen „Nischen“ innerhalb der Familie
und zwingen so Spätergeborene zu höherer sozialer Kompetenz und größerer Offenheit
gegenüber neuen Erfahrungen
 diese Tendenzen sind nach Sulloways Auffassung auch nach Verlassen des Elternhauses
nachweisbar: konditionale Entwicklungsstrategie
Empirische Belege: Geschwisterposition und Offenheit
1.) Korrelation zwischen Geschwisterposition und Offenheit versus Konservativismus .20
(Problem: Altersunterschiede beeinflussen Beurteilungen)
2.) Historische Analysen der Akzeptanz wissenschaftlicher Neuerungen, z.B. Akzeptanz der
Evolutionstheorie von Darwin durch 405 Wissenschaftler seiner Zeit
 Problem der historischen Analyse: bisher keine unabhängige Bestätigung
 Alternativerklärung: Geburtspositionseffekt: nach der 1. Geburt verschiebt sich der
Hormonstatus der Mutter durch Immunisierung gegenüber den männlichen Hormonen des 1.
Kindes in weibliche
 hierfür sprechen 2 Adoptionsstudien, in denen nur biologisch Erstgeborene untersucht
wurden, wobei der Zshg. zwischen Geschwisterposition (Position des adoptierten Kindes) und
Offenheit etc. jeweils minimal war
Methodik
 entscheidend ist die Qualität des Nachweises, dass ein psychologischer Mechanismus ein EPM ist;
denn da die Umwelten der Vergangenheit wenig bekannt sind, sind ultimate Erklärungen recht
spekulativ
 Kriterien für EPM:
- Angabe des gelösten adaptiven Problems der Vergangenheit
- Angabe des psychologischen/physiologischen Mechanismus
- Plausibilität der genetischen Fixiertheit des Mechanismus
- Kriterien für adaptives Design erfüllt, z.B. Ökonomie, Effizienz, Zuverlässigkeit
 förderlich, nicht aber notwendig für den Nachweis eines EPM ist auch der Nachweis homologer
EPM bei verwandten Arten, z.B. Menschenaffen und anderen Primaten
 Homologie= Ähnlichkeit und Vorkommen bei gemeinsamen Vorfahren, schwer nachzuweisen für
Verhalten
 nicht erforderlich für den Nachweis eines EPM ist, dass er unter heutigen Umweltbedingungen
adaptiv ist; interessant sind gerade EPM, die ehemals adaptiv waren, heute aber nicht mehr
adaptiv sind, z.B. Präferenz für fette und süße Nahrung
Bewährung
 das evolutionspsychologische Paradigma ist noch zu jung, um definitive Aussagen über seine
Eignung für die Persönlichkeitspsychologie zu machen; jedenfalls derzeit sehr aktives und
innovatives Forschungsfeld
Bewertung
 Chance, Persönlichkeitsunterschiede und ihre Abhängigkeit von Gen-Verteilungen und
Umweltbedingungen besser zu verstehen
 Anforderungen an Erklärung gehen über alltagspsychologische Überlegungen zu Kosten und
Nutzen von Persönlichkeitseigenschaften und Einräumung eines Stellenwerts in
Informationsverarbeitungsmodellen hinaus
 Risiko von Scheinerklärungen: Bekanntes wird evolutionär verständlich gemacht durch Erfindung
adaptiver Erfolgsgeschichten
 EPM schwer zu trennen von zufälligen, selektiv neutralen Varianten, relativ seltenen nicht
adaptiven Varianten und nicht adaptiven Ergebnissen seltener und nicht neuer
Umweltbedingungen
Dynamisch-interaktionistisches Paradigma
Allgemeines Menschenbild
Grundannahmen
 Person und Umwelt sind mittelfristig konstant
 Person und Umwelt können sich langfristig ändern
 diese Veränderungen beruhen auf:
 Veränderungen innerhalb der Person
 Veränderungen innerhalb der Umwelt
 Einflüssen der Umwelt auf die Person
 Einflüssen der Person auf die Umwelt
Persönlichkeitsbild
Einfluss von Personen auf ihre Umwelt
 dynamisch-interaktionistisches Paradigma unterscheidet sich von alltagspsychologischen,
psychoanalytischen und behavioristischen Entwicklungskonzepten vor allem durch die
Berücksichtigung von Einflüssen der Person auf ihre Umwelt
 dadurch kann es zu einer kontinuierlichen Wechselwirkung (Transaktion) kommen
 drei Einflussarten:
1. Auswahl, z.B. Partnerwahl
2. Herstellung, z.B. Beziehung knüpfen: Dating, Mating, Relating
3. Veränderung, z.B. heiraten, sich scheiden
Zwei Interaktionskonzepte
 statistische Interaktion: X und Y wirken nichtadditiv auf Y, z.B.
 dynamische Interaktion: X und Y beeinflussen sich wechselseitig im Zeitverlauf, z.B. bei sozialer
Interaktion oder
 die Persönlichkeit verändert sich nur, wenn es differentielle Veränderungen gibt
 Beispiel: differentielle Veränderung bei individuell konstanten Aggressivitätswerten
 deshalb thematisiert das dynamisch-interaktionistische Paradigma nur differentielle
Veränderungen der Persönlichkeit und der Umwelt, denn auch die Umwelt ändert sich
Methodik
 Einflussmessung Umwelt: Persönlichkeit durch den Vergleich einer Experimentalgruppe mit
Intervention mit einer Kontrollgruppe ohne Intervention
 Problem der Umweltintervention, besonderes Problem bei Umkehrung Persönlichkeit  Umwelt
 Nutzung naturalistischer Experimente (Quasiexperimente)
 Beispiel: Wirkung erster stabiler Partnerschaft auf Neurotizismus
 Alternative: Korrelationen Persönlichkeit – Umwelt
 Problem: Mehrdeutigkeit von Korrelationen
 Beispiel: Korrelation von .30 zwischen kindlicher Aggressivität und rigide-autoritärem
Erziehungsstil der Mutter
 Problem: Mehrdeutigkeit von Korrelationen zwischen gleichzeitig erhobenen Variablen
 Verbesserung: Korrelationen über die Zeit
 Wenn X (1)  Y (2) gilt, kann Y(2) nicht X(1) beeinflusst haben
 trotzdem Problem: Fortpflanzung von Einflüssen bei stabilen Merkmalen muss kontrolliert werden
 Kreuzkorrelationen können nicht direkt interpretiert werden, wenn Stabilitäten unterschiedlich
sind; vielmehr müssen Pfadkoeffizienten interpretiert werden
Bewährung
 Beispiel 1: Umwelteffekte auf die Intelligenzentwicklung
 je größer das Umweltrisiko, desto größer die differentielle
Intelligenz im Vergleich mit anderen
 Beispiel 2: Persönlichkeitseffekte auf soziale Beziehungen
 negative Korrelation: Schüchternheit – Bekannte
 Schüchterne: weniger Bekannte
 Schüchternheit ist stabiler (0,77)
 insgesamt mehr Persönlichkeitseffekte auf Beziehungen als
umgekehrt ab dem Jugendalter
Vereinfachung: Katapultmodell
 früher Umwelt  späte Persönlichkeit
 Problem: fehlende Kontrolle früher Persönlichkeit
 ist angemessen, wenn es sensitive Perioden in der Entwicklung gibt
 Beispiel: Unterscheidung r/l bei japanischen Kindern
Bewertung
 dynamisch-interaktionistisches Paradigma ist ein umfassendes Modell der
Persönlichkeitsentwicklung
 die empirische Analyse von Einflüssen durch (naturalistische) Experimente und Kreuzkorrelationen
ist aber sehr aufwändig, deshalb dominieren einfach korrelative Designs, z.B. Katapultmodell
 es gibt bisher wenig Untersuchungen zu den Prozessen, die zwischen Persönlichkeit und Umwelt
vermitteln
SS 2010
Handlungseigenschaften
 „Handlungseigenschaften“ sind kein etablierter Begriff in der Psychologie
 eher eine Überschrift über ein heterogenes Gebiet der Persönlichkeitspsychologie, in dem
Persönlichkeitsunterschiede im zielgerichteten Handeln im Mittelpunkt stehen:
1.) Dispositionen mit Bezug auf Verhaltensrichtung:
 Bedürfnisse
 Motive
 Interessen
2.) Dispositionen mit Bezug auf Überzeugungen über eigenes Handeln:
 Erwartungsstile
 Kontrollüberzeugungen
 Attributionsstile
Bedürfnisse
 dieses Konzept dominierte die Psychoanalyse von Freud, die Ethologie von Lorenz und die ältere
Motivationspsychologie, in der Motive in Analogie zu Hunger, Durst und sexuellen Bedürfnissen in
Form von Regelkreismodellen konzeptualisiert wurden
 in der heutigen stark kognitiv ausgerichteten Motivationspsychologie werden Bedürfnisse (zu)
wenig thematisiert
 Regelkreismodelle von Bedürfnissen nehmen an, dass es
individuell charakteristische Sollwerte gibt, z.B. für Sattsein,
sexuelles Befriedigtsein
 diese Sollwerte werden ständig mit dem aktuellen IstZustand verglichen
 Abweichungen zwischen Ist-Zustand und Sollwert motivieren
Verhalten, den Ist-Zustand and den Sollwert anzunähern
 bei Hunger und Durst werden die Abweichungen primär
intern produziert, bei Sex intern und extern, bei Neugier
primär extern
 Persönlichkeitsunterschiede bestehen dabei in Sollwerten!
Motive
 die heutige Motivationspsychologie beschäftigt sich mehr mit rationalen Zielbildungsprozessen,
die einem Erwartungs-mal-Wert Modell folgen
 dies wurde zuerst und am genauesten für die Leistungsmotivation herausgearbeitet
 Vorsicht:
 Motivationsstärke ist aktueller Zustand einer Person in einer motivierenden Situation
 Ein Motiv ist die überdauernde Tendenz zu bestimmten Motivationsstärken in
motivanregenden Situationen (also ein Persönlichkeitsmerkmal)
Leistungsmotiv
 Risikowahlmodell nach Atkinson:
 Leistungsmotivation (L)
 Subjektive Erfolgwahrscheinlichkeit (W)
 Leistungsmotiv (M)
 die drei Komponenten werden multiplikativ verknüpft:
L= M x (1-W) x W, wobei
 M x (1-W) die Wertkomponente der Motivation
 W die Erwartungskomponente der Motivation
 M besteht aus
 Erfolgsmotiv Me, Erfolg anzustreben
 Misserfolgsmotiv Mm, Misserfolg zu meiden
 beide seien nur schwach negativ korreliert, also:
L = Me x (1-W) x W – Mm x (1-W) x W
= (Me-Mm) x (W – W²)
 W – W² ist maximal bei W= 0,5
Folgerungen für Leistungsmotiv
 Erfolgsmotivierte wählen eher Aufgaben mittlerer
Schwierigkeit und bearbeiten sie besser und
ausdauernder
 Misserfolgsmotivierte währen eher sehr leichte
oder sehr schwere Aufgaben und bearbeiten
 Annahmen wurden empirisch bestätigt (allerdings
eher für W=0,7 statt W=0,5)
 Motive werden oft durch projektive Tests
gemessen
Projektive Motivtests
 ein Proband soll Geschichten zu mehrdeutigen Bildern erzählen, die bestimmte Motive mittelstark
anregen
 die Häufigkeit, mit der ein bestimmtes Motiv in den Geschichten vorkommt, wird als Motivstärke
interpretiert: das Motiv wurde in die Geschichte „hineinprojiziert“
 die so gemessenen Motive müssen den Probanden nicht bewusst sein
 Ziel des Verfahrens ist es vielmehr latente Motive zu erfassen, zunehmend implizite Motive
genannt
 verbreitet: Thematischer Apperzeptionstest (TAT)
 Kritik an projektiven Tests:
 Interne Konsistenz nur ca. .50 bei ca. 6 Bildern
 Verteidigung: Motivwechsel durch Sättigungseffekt
 Retestreliabilität über wenige Wochen auch nur ca. .50
 Verteidigung: unterschiedliche Motivationslagen an verschiedenen Testtagen
 Unklarheit der Interpretation: eigenes Motiv oder nur Sensitivität für Thema?
 Beispiel: Aggressions-TAT für Kinder
 Besagen hohe Werte, dass das Kind aggressiv ist oder dass es of Aggressionen anderer erlebt?
 Kinder mit hohen Werten im Aggressions-TAT sind entweder tatsächlich stark aggressiv (laut
Erzieherurteil)
 Oder: sie erkennen diese Reize besonders gut (Sensitivität gegenüber Aggressionsthematik)
 Insofern sollte der Name „Thematischer Apperzeptionstest“ ganz wörtlich genommen
werden
Motivmessung
 bewusste Motive können mit Fragebögen erfasst werden
 z.B. Skalen der Personality Research Form (PRF)
 Leistungsstreben
 Geselligkeit
 Aggressivität
 Ausdauer
 Dominanzstreben,etc.
 projektive Tests und Fragebögen für dasselbe Motiv korrelieren meist nur äußerst gering
 Alternativen zum TAT:
 Operanter Motiv-Test (OMT) von Kuhl & Schellfer mit mehr Bildern aber nur Bitte, Stichworte
statt ausformulierte Geschichte zu schreiben
 Motiv-Gitter von Schmalt mit vorgegebenen Antwortalternativen ist nur semiprojektiv
 Motiv-IAT von Brunstein & Schmitt: implizites Konzept der eigenen Kompetenz
 Reliabilität zwar besser, Validität ist aber unklar oder steht noch aus!
Anschlussbedürfnis
 Bedürfnis nach Aufnahme und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen unabhängig vom Grad der
erreichten Vertrautheit
 davon unterschieden wird das Intimitätsbedürfnis, das sich auf Aufnahme und Aufrechterhaltung
intimer Beziehungen bezieht (intim im Sinne eines intensiven Austauschs, nicht notwendig sexuell)
 das Anschlussbedürfnis kann wie das Leistungsmotiv in eine Erfolgs- und eine
Misserfolgskomponente eingeteilt werden:
Hoffnung auf Anschluss und Furcht vor Zurückweisung
 so unterscheiden sich z.B. ungesellige von schüchternen Kindern darin, dass ungesellige
nachmittags weniger mit anderen Kindern spielen als gesellige, während schüchterne genauso viel
Kontakt mit vertrauten Personen haben wie nichtschüchterne, aber in Gruppen oder Beisein von
Fremden weniger reden als nichtschüchterne (sie reagieren dann gehemmt)
 Schüchternheit korreliert deshalb auch nur mäßig mit Ungeselligkeit (um .30)
Interessen
 Interessen beziehen sich darauf, ob bestimmte Tätigkeiten als anziehend oder abstoßend
empfunden werden
 wenig entwickeltes Gebiet der Persönlichkeitspsychologie, obwohl es direkt Anwendungen in der
Berufsberatung hat; hierfür gibt es Berufsinteressentests
 die Passung zwischen Berufsinteressen und Arbeitsinhalt korreliert positiv mit der
Arbeitszufriedenheit, wobei die Kausalrichtung natürlich unklar ist:
Passung  Zufriedenheit
Zufriedenheit  Passung
 die Berufswahl wird durch Fähigkeiten besser vorhergesagt als durch Interessen
Handlungsüberzeugungen
 auch „Handlungsüberzeugungen“ ist kein etablierter
Begriff in der Psychologie; gemeint sind damit
Überzeugungen über das eigene Handeln
 zwar beziehen sich Erwartungs-, Kontroll- und
Attributionsstile auf unterschiedliche Phasen des
Handlungsprozesses, doch korrelieren diese Stile mittelhoch
miteinander, so dass sie einen übergeordneten Faktor
gemeinsam haben, der hier Handlungsoptimismus genannt
wird
Selbstwirksamkeitserwartung
 der Erwartungsstil Selbstwirksamkeitserwartung
bezeichnet die Erwartung, zu einem bestimmten Verhalten
fähig zu sein (z.B. mit dem Rauchen aufzuhören)
 der Bezug zum eigenen Handeln grenzt
Selbstwirksamkeitserwartungen von
(Miss)Erfolgserwartungen ab: optimistische Fatalisten können eine hohe Erfolgserwartung bei
niedriger Selbstwirksamkeitserwartung haben
Handlungskontrollstile
 Erinnerung an Motive:
Furcht vor Misserfolg ist keine homogene Dimension, sondern zerfällt in zwei trennbare Motive:
 Tendenz, Misserfolg handlungsorientiert aktiv zu vermeiden
 Tendenz, über eingetretenen Misserfolg lageorientiert zu grübeln (Menschen warten
Misserfolg ab und überlegen dann, was sie machen können)
Attributionsstile
 Attributionsstile bei der Bewertung von Handlungsergebnisse wurden vor allem beim
Leistungshandeln untersucht
 Handlungsoptimismus ist durch ein selbstwertdienliches Attributionsmuster gekennzeichnet:
Erfolg wird auf Fähigkeit, Misserfolg auf mangelnde Anstrengung zurückgeführt
 alle Handlungsüberzeugungen lassen sich für verschiedene Situationsbereiche getrennt erfassen,
z.B. für intellektuelle Leistungen, sportliche Leistungen und soziale Beziehungen
 wird das getan, zeigt sich eine geringe transsituative Konsistenz
 z.B. kann ein Handlungsoptimist in Bezug auf die Studienleistung ein Handlungspessimist in Bezug
auf Partnerbeziehungen sein oder umgekehrt
Bewältigungsstile
 wurden zuerst in der Stressforschung untersucht
 unter Stress werden in der Psychologie Belastungen verstanden, die subjektiv als Überforderung
erlebt und deshalb von negativen Emotionen begleitet werden
 vier Phasen der Stressverarbeitung:
1.) primäre Bewertung der Situation: bedrohlich?
2.) Sekundäre Bewertung: Bewältigungsstil?
3.) Bewältigungsstil anwenden
4.) Neubewertung
 3 Arten von Bewältigungsstilen:
 Intrapsychische Stile: verändern nicht die Situation, aber deren Bewertung und die
ausgelösten Gefühle, z.B. Verdrängung, Verleugnung
 Problemorientierte Stile verändern die Situation, z.B. Flucht, Uminterpretation als eigentlich
positiv
 Ausdruckskontrollstile: verändern den Emotionsausdruck (z.B. Ärger verbergen), nicht aber
die Situation oder deren Bewertung
 Bewältigungsstile sind innerhalb bestimmter Situationsbereiche zeitlich ausgesprochen stabil,
auch bei drastischen Situationsänderungen (z.B. bei Krebspatienten im Verlauf ihrer Erkrankung)
 entgegen der Meinung in der frühen Stressforschung sind die deutlich mehr durch die
Persönlichkeit als durch Phasen der Stressverarbeitung bedingt
 für unterschiedliche Situationen sind unterschiedliche Bewältigungsstile optimal
 so ist Verdrängung gut geeignet bei der Vorbereitung auf eine nicht vermeidbare Operation
(solche Patienten nehmen weniger Schmerzmittel, haben weniger Komplikationen und werden
eher entlassen), nicht aber in der Rehabilitationsphase (würde die Eingliederung in den Alltag
behindern):
 jeder Bewältigungsstil hat eine situative Nische, wo er angemessen ist
 da die Bewältigungsstile persönlichkeitsabhängig und stabil sind, kann man sie bei Belastungen
nicht einfach optimal einsetzen
 im Gegenteil zeigen Untersuchungen zur Aufklärung von Patienten vor bedrohlichen Operationen,
dass weder eine schonungslose Aufklärung noch das Herunterspielen von Risiken generell hilfreich
ist; optimal ist vielmehr ein Grad an Aufklärung, der zum individuellen Bewältigungsstil des
Patienten passt
 eine gute Passung zwischen Bewältigungsstil und Bewältigungsangebot erleichtert die
Bewältigung, nicht das Vermitteln einer „besten“ Bewältigungsform
 Beispiel: Ärgerausdruckskontrolle
 Dabei spielen Persönlichkeitsunterschiede eine Rolle:
1.) Anger-In (Ärger „in sich hineinfressen“)
2.) Anger-Out (Ärger offen ausagieren)
3.) Konstruktiver Ausdruck (klarer aber konstruktiver, nicht verletzender Ärgerausdruck)
 gesundheitspsychologische Untersuchungen legen nahe, dass sowohl Anger-Out als auch
Anger-In schädlich sind, da sie mit einem erhöhten Risiko für (unterschiedliche)
Erkrankungen korrelieren
Anwendung: Politikvorhersage
 Gibt es typische Persönlichkeitsmerkmale von Führern in Organisationen (z.B. Präsidenten; Päpste,
Vorstandsvorsitzende)?
 Gibt es also typische Führungspersönlichkeit (z.B. charakterisiert durch Machtinstinkt,
Kompromissfähigkeit)?
 dafür sprechen:
 Führerrolle erfordert Führungsqualitäten
 Selektionsmechanismen der Organisation für Aufstieg zum Führer
 Persönlichkeitsveränderungen beim Aufstieg zum Führer
 Metaanalyse zum Zusammenhang von Persönlichkeit mit durch Gruppenmitglieder
eingeschätzter Führungsqualität
 Problem: die meisten Untersuchungen beziehen sich auf Führer in Schüler- oder
Studentengruppen
 Alternative: Historiometrie, d.h. empirische Analyse historischer Quellen
 z.B. Untersuchung von Expertenbeurteilungen von politischen Führern
 ein Befund ist eine umgekehrt U-förmige Beziehung zwischen Intelligenz und
Führungsqualität
 optimal scheint es zu sein, wenn der IQ des Führers ca. 18 Punkte über dem
Gruppendurchschnitt liegt
 damit sollte z.B. der IQ der deutschen Bundeskanzlerin nicht höher sein als der eines
durchschnittlichen Abiturienten (Argument gegen höheren IQ: Kommunikationsprobleme
mit der Mehrheit)
 weitere nichtlineare Beziehungen sind:

Politische Effizienz absolutistischer Herrscher war besonders hoch entweder bei sehr hoher
oder bei sehr niedriger Moral
 Historisch besonders einflussreiche US-Präsidenten waren entweder besonders idealistisch
oder besonders pragmatisch
 Insbesondere sollten sich die dominanten Motive von Führern zur Vorhersage ihres
politischen Handelns nutzen lassen
 Winter: kodierte alle Antrittsreden US-amerikanischer Präsidenten 1789-1981 für die darin
enthaltenen Intimitäts- und Machtmotive und setzte die Ergebnisse in Beziehung zu Merkmalen
der US-amerikanischen Politik in der darauf folgenden Amtszeit des Präsidenten
 die Korrelationen von Winter beruhen auf einer Kombination des in den Antrittsreden
gespiegelten Zeitgeistes und der individuellen Motive des Präsidenten
Bewertungsdispositionen
Definition
 „Bewertungsdispositionen“ (kein etablierter Begriff) sind Persönlichkeitsunterschiede in der
Bewertung von Objekten der Wahrnehmung oder Vorstellung
 unterschieden werden:
 Werthaltungen: Bewertung wünschenswerter Lebensziele (z.B. Freiheit) oder
Handlungsdispositionen (z.B. Ehrlichkeit)
 Einstellungen: Bewertung konkreter Objekte, z.B. politische Einstellungen, Einstellung zum
Partner
 Motive können als Bewertungen von Handlungsfolgen aufgefasst werden und sind insofern auch
Bewertungsdispositionen
 Bewertungsdispositionen für Handlungsdispositionen (z.B. Ehrlichkeit) dürfen nicht mit diesen
verwechselt werden; jemand kann Ehrlichkeit hoch schätzen, selbst jedoch oft unehrlich handeln
 ähnliches gilt für das Verhältnis von Werthaltungen und Motiven; ein Vorgesetzter kann Leistung
hoch schätzen, aber selbst eher anschlussmotiviert als leistungsmotiviert sein
Werthaltung
 in der Werteforschung werden u.a. unterschieden:
 Endziele (z.B. Brüderlichkeit)
 Instrumentelle Ziele (Z.B. Hilfsbereitschaft) (führt zu Endziel)
 ähnlich wie bei projektiven Verfahren können auch Werthaltungen aus Dokumenten erschlossen
werden
 Beispiel: jeweils 25000 Worte aus Texten von Politikern und Schriftstellern wurden auf Rangplätze
von 18 Werten untersucht
 Schwartz (1992) untersuchte 11 Wertebereiche in 20 Kulturen (Beurteiler waren meist Studenten
und Lehrer)
 die Ähnlichkeit der Werte bzgl. Ihres Rangs wurde mit Hilfe nichtmetrischer multimdimensionaler
Skalierung so auf einen zweidimensionalen Raum projiziert, dass der Abstand der Werte als
Unähnlichkeit interpretiert werden kann
 es ergab sich eine weitgehend universelle Wertestruktur; nur die Position von
„Spiritualität“ variierte deutlich zwischen den Kulturen
 Lexikalischer Ansatz von Renner (1992)
 383 Werte wurden von repräsentativer Stichprobe beurteilt, wie stark sie Leitmotiv ihres
persönlichen Lebens seien
 Faktorenanalyse ergab 5 Faktoren von Werthaltungen:
 Intellektualität
 Harmonie
 Religiosität
 Materialismus
 Konservatismus
 Hypothesen von Bilsky & Schwartz
 Wachstumsbedürfnisse (Maslow) korrelieren mit entsprechenden Werthaltungen (z.B.
Selbstverwirklichung mit Wertschätzung von Freiheit)
 Mangelbedürfnisse korrelieren mit der Wertschätzung von Werten, die eine Befriedigung des
Bedürfnisses beinhalten (z.B. Ängstlichkeit mit Wertschätzung von Sicherheit)
 Hypothese wurde weitgehend bestätigt
Autoritätshörige Persönlichkeit
 nach dem 2. Weltkrieg entwickelten Adorno et al. Eine Skala, die autoritätshörige Persönlichkeit
von Deutschen erfassen sollte, die Faschismusskala (F-Skala)
 Probleme:
 Mischkonstrukt aus
 Ablehnung von Minderheiten (Juden, Schwule)
 Konventionalismus
 Unterordnung unter Autoritäten
 Ja/nein Format, „ja“ bedeutet immer Autoritätshörigkeit
 neuere Entwicklungen (Kritik F-Skala)
 Altemeyer (1988) adaptierte die F-Skala an die USA und die SU 1986, wobei in den USA
Kommunisten und in der SU Kapitalisten als abgelehnte Minderheit fungierten
 Dennoch ergaben sich in beiden Ländern ähnliche Korrelationen mit Alter (+) und Bildung (-)
 Deshalb: Invarianz des Konstrukts bei kulturspezifischen Itemversionen


Oesterreich (1998) entwickelte eine Autoritarismus-Skala ohne Items, die Ablehnung von
Minderheiten messen sollte(z.B. Ablehnung von Neuem, Unterordnung unter Autoritäten)
Er fand trotzdem bei Berliner Jugendlichen Korrelationen um .50 mit Rechtsextremismus und
Ausländerfeindlichkeit
Explizite Einstellungen
 meist werden explizite Einstellungen durch Frage(böge)n erfasst
 klassische Studie von LaPiere zeigte erstmals, wie gering die Konsistenz zwischen
Einstellung und Verhalten ausfallen kann:
 1933 (starke antichinesische Vorurteile in den USA) versandte LaPiere Briefe an 250 Hotels
und Restaurants in den USA und erfragte, ob sie chinesische Gäste bedienen würden
 92% der Antwortenden gaben an, dass sie dies nicht tun würden
 in den 6 Monaten zuvor hatte LaPiere alle diese Etablissements zusammen mit einem
chinesischen Ehepaar besucht
 Ergebnis: sie wurden in 249 von 250 Fällen bedient; hier siegte Geschäftsinteresse über
Vorurteile
Erweiterung von Fishbein & Ajzen um subjektive Norm für das Verhalten (Gefühl der
Verpflichtung, das einstellungskonforme Verhalten auch auszuführen)
 Einstellung plus subjektive Norm(Glaube, dass andere der Meinung sind, man solle sich so
verhalten) sagen z.B. recht gut das berichtete Verhalten in einstellungsrelevanten
Situationen vorher, z.B. Ausländern zu Hilfe eilen, die angepöbelt werden
Implizite Einstellungen
 Messung impliziter Einstellungen durch Priming/IAT
 Devine: explizite Vorurteile beruhen auf dem unterschiedlich starken Motiv, ein universell
vorhandenes implizites Vorurteil zu kontrollieren
 Dagegen Fazio et al.: es gibt auch interindividuelle Unterschiede in impliziten Vorurteilen
 Befunde bestätigen eher Fazio; z.B. sagen IAT-Messungen des Vorurteils gegenüber
Schwarzen bei weißen Vpn in den USA spontanes Verhalten gegenüber schwarzen
Versuchsleitern vorher
 bei impliziten Vorurteilen ist das Motiv zur Einstellungskontrolle ein Moderator des
Zusammenhangs mit der expliziten Einstellung
 MODE-Modell von Fazio et al.:
 Explizite Einstellungen  kontrolliertes Verhalten
 Implizite Einstellungen  spontanes Verhalten
Anwendung: Rückfallvorhersage
 die Vorhersage der Rückfälligkeit von Straftätern ist
eine wichtige kriminalpsychologische Aufgabe
 Rückfallquote von Sexualstraftätern für sexuelle
Straftaten innerhalb von 5-10 Jahren beträgt 1520% für Vergewaltigung und Kindesmissbrauch in
Nordamerika und in Deutschland; hinzu kommen ca. 15%
nichtsexuelle Straftaten
 Metaanalyse von Hanson & Bussière:
 Die 4 besten Prädiktoren waren:
 Einstellungen des Täters zu Sexualpartnern und zur männlichen Geschlechtsrolle:
Phallometrie (physiologische Messung des Penisumfangs beim Ansehen von
Kinderbildern) bei Kindesmissbrauch
 Maskulinität (Bejahung der traditionellen männlichen Rolle)
 sexuelle Abweichung (z.B. Präferenz für Kinder oder brutalen Sex)
 Zahl früherer sexueller Vergehen
 Insgesamt konnte die Rückfallrate bei optimaler Kombination der Prädiktoren zu zu .46
vorhergesagt werden; Sachverständigenurteile aufgrund der Aktenlage schnitten mit .10 sehr
viel schlechter ab
 deshalb sollte psychologisches Wissen zur Rückfallvorhersage mehr genutzt werden
 Schwellenmodell: ab Risikofaktor X Inhaftierung, darunter Freilassung
 da die Korrelation nicht 1, impliziert dies 2 Fehler:
 Täter werden zu früh freigelassen ( Risiko ß  falsch negative Vorhersage)
 Täter bleiben zu lange inhaftiert (Risiko a  falsch positive Vorhersage)
 Wie viele Täter sollen ungerechtfertigt inhaftiert bleiben, um 1 Opfer zu vermeiden?
 Keine wissenschaftliche Entscheidung möglich
Selbstbezogene Dispositionen
Ich und Mich
 William James führte in seinem berühmten „Principles of Psychology“ die Unterscheidung
zwischen I (self as knower, Ich) und Me (self as known, Mich) ein
 das Ich wird als Urheber der eigenen Handlungen erlebt, das Mich ist das Objekt des eigenen
Wissens
Selbstkonzept
 das Selbstkonzept enthält das Wissen über sich selbst
 es ist der dispositionale Aspekt des Mich
 es enthält universelle und individualtypisches Wissen (letzteres ist eine Persönlichkeitseigenschaft)
 Nutzung scheinbar individualtypischen Wissens in Horoskopen etc.
 das Selbstkonzept übt wie andere Wissensbestände auch die Funktion eines kognitiven Schemas
aus, indem es die Verarbeitung selbstbezogener Informationen beeinflusst
 klassische Studie von Markus: Worte, die mit dem Selbstkonzept bzgl. Konformismus kompatibel
waren, wurden schneller verarbeitet und besser erinnert als inkompatible Worte
 weiterer Hinweis Studie von Deutsch et al.: spontan genannte typische Eigenschaften des Selbst
wurden besser verarbeitet als von anderen Vpn spontan genannte typische Eigenschaften von
deren Selbst
Selbstwertgefühl
 das Selbstwertgefühl ist die Zufriedenheit mit sich selbst (affektive Bewertung des Selbstkonzepts)
 das allgemeine Selbstwertgefühl wird z.B. durch die Self-Esteem Scale von Rosenberg auf einer
Zustimmungsskala erfasst
 Beispielitems der deutschen Übersetzung:
 Alles in allem bin ich mit mir selbst zufrieden.
 Hin und wieder denke ich, dass ich gar nichts tauge
es ist ein zentraler Indikator für Lebenszufriedenheit und psychische Gesundheit
 Kritik: Eindimensionalität des allgemeinen Selbstwertgefühls
 Verbesserungsvorschlag: Erfassung in Form einer Selbstwerthierarchie mit untergeordneten
bereichsspezifischen Selbstwertfaktoren (bestätigt)
 in der Regel ist Stabilität des allgemeinen Selbstwertgefühls geringer als die Stabilität des
bereichsspezifischen Selbstwertgefühls
 das wäre erstaunlich, wenn das allgemeine lediglich ein Aggregat der bereichsspezifischen Urteile
wäre
 Erklärung: das eher abstrakte Urteil über das allgemeine Selbstwertgefühl ist stärker situationsund stimmungsabhängig als das konkretere bereichsspezifische Urteil
 deshalb sagt Depressivität eher niedrigen allgemeinen Selbstwert vorher als umgekehrt
Selbstwertdynamik
 Selbstkonsistenzerhöhung verzerrt Prozesse der Selbstwertdynamik:
 Selbstwahrnehmung: wir tendieren dazu, uns so zu sehen, wie wir zu sein glauben
 Selbsterinnerung: wir erscheinen in unseren Erinnerungen eher konsistent mit unserem
aktuellen Selbstbild; dadurch glauben wir zu wissen, wer wir sind
 Cooley (1902): Wir sehen uns so, wie wir uns im Spiegel der anderen sehen: sie halten uns durch
ihre Reaktionen auf uns einen Spiegel vor
 allerdings sehen wir im Spiegel nicht deren „objektive“ Reaktionen, sondern nehmen sie subjektiv,
ggf. selbstkonsistenzerhöhend wahr: wir tendieren dazu, uns so zu sehen, wie wir glauben, dass
andere uns sehen
 empirisch: bei negativem Selbstwert werden Leistungsrückmeldungen eher unterschätzt und
negative Rückmeldungen eher beachtet und erinnert als bei positivem Selbstwert
 empirisch: in Studentengruppen korreliert der wahrgenommene Eindruck anderer über die
eigenen Person über .80 mit dem Selbstkonzept („Projektion“), und Unterschiede zwischen
anderen in deren Eindruck werden nicht valide wahrgenommen
 das spricht gegen die Ausnahme de symbolischen Interaktionismus (Mead, 1934, dass unser
Selbstbild durch Generalisierung der Rückmeldungen anderer geformt wird, allerdings nicht
beliebiger anderer, sondern „significant others“ (z.B. Eltern, gute Freunde), und solche
Rückmeldungen wurden nicht untersucht
 Bezugsgruppeneffekte auf das Selbstwertgefühl kommen dadurch zustande, dass man sich selbst
mit anderen aus einer bestimmten Bezugsgruppe vergleicht, nicht nur mit Altersgleichen
Selbstdarstellung
 auch das eigene Verhalten unterliegt Einflüssen, es an das Selbstbild oder ein erwünschtes davon
abweichendes Bild (z.B. Idealselbst) anzupassen
Goffman: in der Öffentlichkeit spielen alle Theater, sind Selbstdarsteller; dadurch versuchen wir,
Einfluss auf den Eindruck anderer von uns zu gewinnen (Eindrucksmanagement)
 dies kann auch indirekt geschehen (z.B. Gerüchte verbreiten)
 Beispiel: persönliche Homepages im Internet
 Gosling et al.: Homepage-Beurteilungen der Big Five des Homepage-Inhabers
korrelierten im Mittel .31 mit dem Selbsturteil und .39 mit dem Bekanntenurteil über die Inhaber
der Homepages
 die Homepage-Beurteilungen korrelierten nur für Extraversion und Verträglichkeit mit dem IdealSelbst der Inhaber der Homepage, d.h. wurden durch Selbstdarstellung in Extraversion und
Verträglichkeit in ihrem Urteil beeinflusst
Gesamtmodell
Narzissmus
 persönlichkeitspsychologisch gibt es zahlreiche selbstbezogene Dispositionen, die in der
Selbstwertdynamik eine Rolle spielen
 eine davon ist Selbstüberschätzung versus Selbstunterschätzung
 eine mäßige Selbstüberschätzung (Diskrepanz zwischen Selbstbild und dem Bild anderer oder
objektiven Leistungen) ist normal
 gnadenloser Realismus oder Unterschätzung finden sich eher bei Depression oder sehr niedrigem
Selbstwert
 stark überdurchschnittliche Selbstüberschätzung ist aber ebenfalls problematisch, da sie mit
einem negativen Bild anderer korreliert
 Sigmund Freud und später Otto Kernberg sprachen bei starker Selbstüberschätzung von
Narzissmus, charakterisiert durch ein „grandioses Selbstbild“, das mit viel Abwehr-Aufwand
verteidigt werden müsse und entsprechen fragil sei: mangelnde Empathie (um negative
Rückmeldungen zu meiden), Überempfindlichkeit gegenüber Kritik, starke
Stimmungsschwankungen
 normale Varianten von Narzissmus werden durch das Narcisstic Personality Inventory (NPI) erfasst
 mit dem NPI wurde u.a. gefunden:
 Narzissmus korreliert bei Studierenden mit einer Überschätzung der eigenen Intelligenz und
physischen Attraktivität, der eigenen Leistung in Gruppen, der zu erwartenden eigenen Note
 Narzissmus korrelierte in Tagebuchstudien mit starken Schwankungen der Stimmung und des
aktuellen Selbstwertgefühls von Tag zu Tag
 Bei Erfolgs-Misserfolgs-Erfolgs-…-Sequenzen reagieren Narzissten auf Erfolg besonders
positiv, wenn er nach Misserfolg auftritt, und bei Misserfolg mit Ärger, besonders nach Erfolg
 Fernsehstars (insbesondere Frauen) sind unabhängig von Karrieredauer narzisstischer:
Selektionseffekt, nicht professionelle Verbiegung
Selbstüberwachung
 Persönlichkeitsunterschiede in der Selbstdarstellung werden als Selbstüberwachung bezeichnet
 Faktorenanalyse ergaben jedoch zwei klar trennbare Faktoren
1. Soziale Fertigkeit beschreibt die Fähigkeit zur Selbstdarstellung („ich bin ein guter
Schauspieler“) und korreliert negativ mit Neurotizismus und Gehemmtheit
2. Inkonsistenz beschreibt die Abhängigkeit des eigenen Verhaltens von anderen („ich bin nicht
immer so, wie ich vorgebe zu sein“) und korreliert positiv mit Neurotizismus und
Gehemmtheit
 eine andere Differenzierung beruht auf der Unterscheidung zwischen:
1. akquisitive Selbstdarstellung (Suche nach positiver Bewertung)
2. protektive Selbstdarstellung (Vermeidung negativer Bewertung)
 Laux und Renner entwickelten hierfür Skalen und fanden durch Clusteranalyse 4 Typen:
 schwache Selbstdarsteller (beides niedrig)
 akquisitive Selbstdarsteller
 protektive Selbstdarsteller
 starke Selbstdarsteller (beides hoch)
 die ersten beiden Typen gaben ein starkes Bedürfnis nach authentischer Selbstdarstellung an, die
letzten beiden Typen nicht
Selbstbewusstheit
 Duval du Wicklund untersuchten die Effekte experimentell induzierter Selbstaufmerksamkeit (z.B.
durch Spiegel, Video- oder akustische Rückmeldung, Fotos der eigenen Person) und unterschieden
private und öffentliche Selbstaufmerksamkeit (Aufmerksamkeit ist auf inneres Erleben bzw.
Eindruck anderer gerichtet)
 wie stark und häufig beide Formen vorkommen, beschreibt Persönlichkeitsunterschiede, die als
private und öffentliche Selbstbewusstheit bezeichnet werden
 nachfolgende Untersuchungen zeigten, dass die affektive Tönung wesentlich ist
 bei negativer Tönung (ich grüble über meine Vergangenheit) korrelieren private und öffentliche
Selbstbewusstheit so stark, dass sie nicht mehr unterscheidbar sind
 nur bei positiver Tönung (ich bin stolz auf meine Erfolge im letzten Jahr) sind sie klar trennbar
Wohlbefinden
 das subjektive Wohlbefinden ist also deutlich vom Temperament abhängig
 die Lebensumstände (Gesundheit, materielle,…) tragen dagegen überraschend wenig bei
 37% der 100 reichsten US-Bürger gaben ein unterdurchschnittliches Wohlbefinden an; auch
Rollstuhlfahrer und Blinde sind überwiegend glücklich
 Längsschnittstudien fanden, dass das Wohlbefinden selbst bei extremer Änderung der
Lebenssituation (Lotteriegewinn, Querschnittslähmung) bereits nach 3 Monaten zum vorherigen
Ausgangswert zurückgeht
 die Vorhersage des Wohlbefindens aufgrund von Extraversion und Neurotizismus beträgt
bereits .60; Berücksichtigung positiver und negativer Ereignisse verbessern die Vorhersage auf .75
aber nur bzgl. der Ereignisse in den letzten 3 Monaten
 deshalb kann das Wohlbefinden als Sollwert eines Regelkreises des Glücks, also als
Persönlichkeitseigenschaft aufgefasst werden
 neuere Analysen einer großen repräsentativen deutschen Längsschnittstudie führten aber zu einer
Revision:
 das Wohlbefinden korreliert stark mit:
 allgemeines Selbstwertgefühl
 Selbstwirksamkeit
 hohe Extraversion und niedriger Neurotizismus
 Religiosität
 dagegen korreliert es in Industrienationen nur um .10 mit dem realen Einkommen
 da die Persönlichkeitskorrelate das Wohlbefindens untereinander ebenfalls deutlich
korrelieren, ist die Kausalitätsfrage kaum zu beantworten (Beispiel: Wohlbefinden  mehr
Kontakt Extraversion; Extraversion  mehr Kontakt  Wohlbefinden)
Umwelt und Beziehungen
Situationsexposition
 Situation: aktuelle Umweltbedingung einer Person
 Setting: „objektive“ Situation, die durch äußere Beobachter vollständig beschreibbar ist
 Situationsexposition:
 Häufigkeit und Dauer, mit der eine Person Situationen eines bestimmten Typs ausgesetzt ist
 Eigenschaft der Person und ihrer Umwelt
 Ihre Stabilität ist ähnlich hoch wie die von Persönlichkeitseigenschaften
 Messverfahren:
 Retrospektive Einschätzung (ungenau bereits für vorangegangene Tage, sehr unzuverlässig
für vergangene Wochen)
 Tagebuch, Logbuch ( z.B. Internet; wichtig zur Kontrolle des Aufzeichnungsdatums)
 Piepstechnik (6-10 pro Tag in randomisierten Abständen)
 Direkte Beobachtung ( Protokollierung durch Beobachter oder kontinuierliche
Verhaltensmessung)
Persönliche Umwelt
 persönliche Umwelt ist Gesamtheit der stabilen Situationsexpositionen einer Person
 Stabilität ist meist ähnlich hoch wie bei Persönlichkeitseigenschaften
 proximale vs. distale Umweltmerkmale
 Beispiel: sozioökonomischer Status der Familie
 Operationalisierung meist durch
 Bildungsgrad der Eltern
 Berufsprestige der berufstätigen Eltern
 Einkommen der Familie
 Oft Mischung von proximalen Umweltmerkmalen und Persönlichkeitsmerkmalen, z.B.
 bei berufstätigem Vater
 bei Eltern
 bei Kindern
Umweltsysteme
 aus systemischer Sicht besteht die Umwelt einer Person aus einem System mit einer von ihr
unabhängigen Struktur
 um Umweltsysteme auf die Persönlichkeit eines Individuums beziehen zu können, müssen sie auf
einzelne Dimensionen reduziert werden, die seinen Systemstatus beschreiben
 Beispiel Soziometrie: soziometrischer Status
Beziehungen
 eine soziale Beziehung ist ein zeitstabiles Merkmal einer Dyade
 aus Sicht einer der beiden beteiligten Personen ist die andere Person eine Bezugsperson, die Teil
der persönlichen Umwelt ist; die Beziehung selbst ist eine Relation zwischen Persönlichkeit und
Umwelt
 Behavioristisch: stabiles Interaktionsmuster
 Kognitiv:  Selbstbild in Beziehung
 Bild der Bezugsperson
 Interaktionsskript
 Affektiv: Beziehungsqualität
 die Beziehungsqualität hängt ab von
 Der Persönlichkeit beider Bezugspersonen
 Ihrer Interaktionsgeschichte
Beziehungsnetzwerk
 ein systemischer Ansatz ist für Beziehungen nicht ausreichend
 deshalb Netzwerkansatz: individuelles Netzwerk aller sozialen Beziehungen untersuchen
 Merkmale des Beziehungsnetzwerks korrelieren mit der Persönlichkeit (eher schwach), weil sie
persönlichkeitsabhängig definiert sind, die Persönlichkeit Beziehungen beeinflusst und Beziehungen
die Persönlichkeit beeinflussen
 im jungen Erwachsenenalter beeinflusst die Persönlichkeit Beziehungen stärker als umgekehrt,
wie sich durch Pfadmodelle zeigen lässt
Bindungsstile bei Kindern
 besonders enge, Sicherheit vermittelnde Beziehungen werden als Bindung bezeichnet, stabile
Unterschiede in der Qualität der Bindung als Bindungsstile
 Bowlby verknüpfte das Konzept der mentalen Repräsentationen von Beziehungen mit
evolutionsbiologischen und systemtheoretischen Vorstellungen:
 Ein evolviertes Bindungssystem, das bei Gefahr die Nähe zwischen Kind und primärer
Bezugsperson (meist: Mutter) gewährleiste durch Suchen von Nähe bzw. Spenden von
Sicherheit
 Die frühen Erfahrungen des Kindes mit solchen Situationen seien in Form eines inneren
Arbeitsmodells von Beziehungen gespeichert, das spätere Erwartungen an Beziehungen
präge und so eine Ähnlichkeit der Bindungsqualität in Kindheit und Erwachsenenalter
bedinge
 Anwendung zunächst: Waisenhäuser, klinische Störungen
 Ainsworth et al. erweiterten Bowlbys klinischen Ansatz auf normale Varianten von Bindungsstilen
bei 12-18 Monate alten Kindern aufgrund von Verhaltensbeobachtungen zunächst in Uganda,
dann in den USA
 drei Bindungsstile, operationalisiert durch Beobachtung im Fremde-Situations-Test:
 die kritische diagnostische Situation ist also die Wiedervereinigung von Bezugsperson und Kind
 Main & Solomon erweiterten die Typologie von Ainsworth et al. um den Bindungsstil D
(desorganisiert – desorientiert), beschrieben als „the look of fear and nowhere to
go“ (Zusammenbruch der normalen Verhaltens- und Aufmerksamkeitsstrategien)
 Typ B (sichere Bindung) wird am häufigsten gefunden; Typ D kann allerdings in klinischen
Stichproben sogar häufiger sein als Typ B
 in westlichen Kulturen ist Typ A (vermeidend) häufiger als Typ C (ängstlich-ambivalent)
 die Befunde zur mittelfristigen Stabilität des Bindungsstils bei Kindern sind widersprüchlich
 in Risikostichproben ist die Stabilität geringer als in stabilen Familien, aber auch da ist die Stabilität
über 6 Monate in manchen Studien gering
 werden Mutter und Vater mit dem Kind zeitnah beobachtet, ist der Bindungsstil bezüglich sicher –
unsicher nicht konsistent; nur die Form der Unsicherheit (Typ A,C,D) zeigt eine mittelhohe
Konsistenz zwischen den Eltern
 Fazit: der Bindungsstil ist kein Persönlichkeitsmerkmal des Kindes, sondern beziehungsspezifisch,
d.h. das Merkmal einer sozialen Beziehung
 die Inkonsistenz des Bindungsstils für sicher – unsicher legt nahe, dass die Bindungssicherheit von
der Persönlichkeit der Bezugsperson abhängt
 am höchsten korreliert die Bindungssicherheit des Kindes mit der Einfühlsamkeit der
Bezugsperson in die kindlichen Bedürfnisse
 die höhere Konsistenz des Bindungsstils für den Typ der unsicheren Bindung legt nahe, dass dies
eher von Merkmalen des Kindes abhängt, insbesondere von seinem Temperament: emotionale
Labilität mit Typ C
 ein sicherer Bindungsstil im Alter von 12-18 Monaten sagt sozial kompetentes Verhalten mit
Gleichaltrigen bis zum Jugendalter vorher
vermeidende Bindung ist mit Aggressivität, ängstlich-ambivalente Bindung mit Schüchternheit und
Ängstlichkeit korreliert
 neuere Längsschnittstudien zeigen, dass der Bindungsstil im frühen Kindesalter mäßig bis gar nicht
den Bindungsstil an die eigenen Eltern oder Partner im Erwachsenenalter vorhersagt,
insbesondere nicht bei Risikofamilien
 Psychoanalytiker und klassische Bindungstheoretiker überschätzen die langfristige Bedeutung der
frühkindlichen Bindung
 offenbar ändert sich das „innere Arbeitsmodell“ von Beziehungen oft noch deutlich im Verlauf der
Entwicklung
Bindungsstile bei Erwachsenen
 Bindungsstile im Erwachsenenalter werden mit zwei völlig unterschiedlichen Methoden
untersucht
 Interviewmethode (AAI)
 Selbstbeurteilung prototypischer Bindungsstile
 im Adult Attachment Interview (AAI) von Main et al. beschreiben Erwachsene ihre Beziehung zu
Mutter und Vater in der Kindheit durch Adjektive und sollen dies dann durch konkrete Erlebnisse
belegen
 extrem aufwändiges Verfahren: 1-2 Stunden Interview plus 8 Stunden Auswertung durch Experten
pro Person
 Vorteil: beruht auf Abwehrtheorie; positive, nicht konkret belegbare Beziehungsbeschreibungen
und Widersprüche im Interview werden als Ausdruck unsicherer Bindung interpretiert
 Klassifikation: autonom-sicher, unsicher-distanziert, unsicher-verwickelt, unverarbeitet, entspricht
Ainsworth-Main-Typen B,A,C,D
 Rechtfertigung des hohen Aufwands beim AAI durch die hohe Validität: AAI-Bindungstyp der
Mutter vor der Geburt des Kindes sagt die Bindung des eigenen Kindes im Alter von 12-18
Monaten gut vorher
 aber Transmissionsstücke: die mütterliche Einfühlsamkeit korreliert nur mäßig mit AAI
sicher/unsicher und Kind sicher/unsicher, erklärt also Zusammenhang nicht ausreichend; es gibt
also weitere relevante Merkmale der Mutter (genetische scheiden aus, weil die Validität des AAI
bei Adoptivkindern nicht niedriger ist
 Partner ist bei Erwachsenen meist primäre Bindungsperson
 wenn vorhanden, dann in 77% primäre Person
 wenn nicht vorhanden, dann of Mutter oder beste(r) Freund(in) (jeweils 37%)
 deshalb wurden auch AAI-Varianten für die Bindung al den aktuellen Partner entwickelt:
Übereinstimmung zwischen den AAI-Diagnosen für Eltern bzw. Partner ist mäßig
 geringe bis völlig fehlende Übereinstimmung gibt es auch in Bezug auf den selbsteingeschätzten
Bindungsstil in der Beziehung zum Partner
 die Validität dieser alternativen Methode ist aber auch durch zahlreiche Studien belegt
 Bartholomew erweiterte das 3-Typen-Modell, indem sie den vermeidenden Stil in einen
abweisenden und einen ängstlichen differenzierte und den ängstlich-ambivalenten Stil als
besitzergreifenden Stil interpretierte:
 Bindungsstile sind auch im Jugend- und Erwachsenenalter stark beziehungsspezifisch:
 Cook untersuchte Familien mit 2 Eltern und 2 Jugendlichen und ließ sie ihren Bindungsstil zu
allen 3 anderen Familienmitgliedern einschätzen; Unterschiede zwischen den Stilen beruhten
primär auf der Interaktion Urteiler x Beurteiler und den Urteilern, sekundär auf den
Beurteilern
 Furman et al. untersuchten mit dem AAI und analogen Interviews für Freunde und Partner
Bindungsstile bei Jugendlichen und fanden Korrelationen zwischen Eltern und Freunden,
Freunden und Partner, aber nicht Eltern und Partner: Eltern Freunde Partner
Modell von Miklincer & Shaver
 das Modell regte zahlreiche
kognitionspsychologische Experimente an, in
denen es weitgehend bestätigt wurde
 es bettet die Bindungsforschung erstmals in das
Informationsparadigma ein, beschreibt
Bedingungen für die Aktivierung des
Bindungssystems und interpretiert ängstliche bzw.
vermeidende unsichere Bindung als hyper- bzw.
deaktivierende Strategien
 nach diesem Modell variieren Bindungsstile primär
auf der Dimension sicher-unsicher, sekundär auf
der Dimension Hyperaktivität – Deaktivierung
Soziale Unterstützung
 neben der Bindungsqualität wurde besonders die
soziale Unterstützung durch Beziehungen
untersucht, vor allem im
gesundheitspsychologischen und klinischen Kontext
 denn nach der Stresspuffer-Hypothese von Cohen & Wills fördert soziale Unterstützung die
Bewältigung von Belastungen
 unterschieden werden verschiedene Formen der Unterstützung, die in unterschiedlicher Weise
mit dem Bewältigungserfolg bei Belastungen zusammenhängen
 Beispiel: Belastung durch Tod der Ehefrau
 nicht immer ist Unterstützung hilfreich
 Beispiel Bolger et al. bei brustamputierten Patientinnen: erhaltene Unterstützung durch
Angehörige nahm mit subjektivem Leiden der Patientinnen ab und beeinflusste weder deren
subjektives Leiden noch den objektiven Schweregrad der Erkrankung
 Bespiel Schmerzpatienten: Unterstützung durch den Partner während
Rückenschmerzperioden steigerte die Schmerzen und trug zur Chronifizierung der
Schmerzen bei
Guter Partner
 Welche Persönlichkeit hat ein „guter“ Partner?
 Antwort abhängig vom Kriterium:
 Zufriedenheit mit Partnerschaft
 Partnerschaftsstabilität
 Prädiktoren:
 Individuelle Persönlichkeit
 Dyadische Passung der Persönlichkeit
 bezüglich individueller Persönlichkeit ist der Neurotizismus bei Mann und Frau der beste Prädiktor
für aktuelle Unzufriedenheit und künftige Unzufriedenheit und Trennung
 bezüglich Passung der Persönlichkeit der Partner zueinander gibt es schwache Beziehungen derart,
dass die Ähnlichkeit in manchen Merkmalen die Zufriedenheit mit der Beziehung fördert, z.B. in:
 Radikalität der politischen Einstellung
 Sexuelles Verlangen
 Gewissenhaftigkeit
 Neurotizismus
 also sind z.B. zwei neurotische Partner zufriedener miteinander, als man nur bei Betrachtung der
individuellen Werte erwarten würde
 Ähnlichkeit in den Einstellungen der Partner fördert dagegen die Stabilität der Partnerschaft
Persönlichkeitsentwicklung
Entwicklungsverläufe
 in der Persönlichkeitspsychologie werden durchschnittliche Veränderungen manchmal auch als
Persönlichkeitsveränderungen bezeichnet
 Beispiel:McCrae et a. :kulturvergleichende Querschnittstudien zeigen übereinstimmend ab dem
Alter von 20 Jahren eine:
 Abnahme des Neurotizismus
 Zunahme von Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit
 allerdings könnte dies auch durch Kohorteneffekte bedingt sein (unterschiedliche
Geburtsjahrgänge werden verglichen)
 Metaanalyse von Längsschnittstudien bestätigte jedoch die querschnittlichen Ergebnisse
 Kritik: eigentlich handelt es sich nicht um Persönlichkeitsveränderungen, sondern typische
Altersveränderungen
 Persönlichkeitsveränderungen im Strengen Sinne setzen differentielle Veränderungen voraus
 sie können auch stattfinden, wenn es keine durchschnittlichen Veränderungen gibt
 insofern sind Persönlichkeitsveränderungen prinzipiell unabhängig von durchschnittlichen
Veränderungen
 allerdings finden sich empirisch bei deutlichen durchschnittlichen Veränderungen durchweg auch
deutliche differentielle Veränderungen
 McCrau et al. interpretierten die kulturell universellen durchschnittlichen Veränderungen als
intrinsische Reifung, z.B. genetisch bedingt
 Kritik: sie übersahen, dass es auch kulturell universelle durchschnittliche Umweltveränderungen
geben kann, die verantwortlich für die gefundenen durchschnittlichen
„Persönlichkeitsveränderungen“ sein können
Langfristige Stabilität
 bei differentieller Entwicklung in einem Merkmal ändert sich die Rangfolge der Personen in
diesem Merkmal; das senkt die Stabilität des Merkmals
 umgekehrt liegt bei langfristiger Instabilität differentielle Entwicklung vor
 Entwicklungsveränderungen sind gerichtet; Instabilität besagt nur, dass Veränderungen
stattgefunden haben
 erfasst wird die langfristige Stabilität einzelner Persönlichkeitseigenschaften durch
Längsschnittstudien, in denen die Eigenschaft bei denselben Personen in größerem Abstand
mindestens zweimal gemessen wird
 die Korrelation zwischen den Messzeitpunkten ist ein quantitatives Maß der langfristigen Stabilität
der Eigenschaft
 Methode ist also dieselbe wie bei kurzfristiger Retestreliabilität, nur dass der Messabstand
typischerweise mehrere Jahre beträgt
1. Prinzip der Eigenschaftsstabilität
 die Stabilität nimmt mit zunehmendem Messabstand ab, bedingt durch größere Chancen für
Persönlichkeitsveränderungen
 die Abnahme ist nicht linear; sie wird recht gut approximiert durch die Funktion:
Stabilität = Reliabilität x Einjahresstabilitätn (wobei n den Messabstand in Jahren angibt)
2. Prinzip der Eigenschaftsstabilität
 es gibt eine Hierarchie der Stabilität:
Intelligenz > Temperament > Selbstwert, Wohlbefinden
3. Prinzip der Eigenschaftsstabilität
 die Stabilität ist bei instabiler Umwelt typischerweise niedriger als bei stabiler Umwelt
 Beispiel: die Bindungsstile junger Erwachsener waren umso instabiler, je instabiler ihre Umwelt
war
4. Prinzip der Eigenschaftsstabilität
 die Stabilität steigt mit dem Lebensalter (Beispiel: Stabilität des IQ)
 Metaanalyse zeigt, dass Persönlichkeitseigenschaften sich nur langsam stabilisieren, bis sie im
Alter von ca. 50 Jahren ihre maximale Stabilität erreicht haben
 dies spricht klar gegen die psychoanalytische Annahme, dass die frühe Kindheit bereits prägend ist
 vielmehr gibt es noch viele differentielle Veränderungen, auch nach Erreichen des
Erwachsenenalters
 Ursachen für die zunehmende Stabilisierung:
 Zunehmende Reliabilität der Eigenschaftsmessung
 Stabilisierung des Selbstkonzepts
 Wachsender Einfluss der Person auf die Umwelt, die passen ausgewählt oder gestaltet wird:
kumulative Stabilität
 Beispiel für kumulative Stabilität:
 Partnerwahl nach ähnlichem IQ und ähnlichen Einstellungen und Werthaltungen
 Anschluss aggressiver Jugendlicher an deviante Gruppen
 Rückkehr Krimineller nach der Entlassung in kriminelle Kreise
Kontinuität
 Instabilität kann bedingt sein durch:
 Geringe Stabilität auf Konstruktebene
 Geringe Konstruktvalidität des Messverfahrens für einen oder beide Zeipunkte
 Geringe Kontinuität des Konstrukts
 Beispiel: Vorhersage des Flügelmusters von Schmetterlingen aus dem Raupenstadium
 Beispiel: Intelligenzmessung im Säuglingsalter
 Bis 1985 typischerweise durch Bayley-Skalen zur Erfassung der (korrelierten) motorischen
und kognitiven Entwicklung
 Problem: die Bayley-Skalen im Alter von 6-12 Monaten korrelieren nur um .20 mit IQ-Tests
im Vorschulalter: mangelnde Stabilität der Intelligenz, geringe Kontinuität der Intelligenz
oder geringe Konstruktvalidität der Bayley-Skalen
 ab 1985 Alternative: visuelle Habitattionstests
 Sind zwar – ähnlich wie andere kognitive Tests für das Säuglingsalter – nur mäßig reliabel,
aber sie korrelieren fast genauso hoch mit IQ-Tests im Vorschulalter
 Schlussfolgerung: Intelligenz zeigt hohe Kontinuität und Stabilität zwischen Säuglings- und
Vorschulalter; die Bayley-Skalen erfassen Intelligenz im Säuglingsalter nur schlecht
 visuelle Habitation – Vorschul-IQ-Tests: heterotype Stabilität
 Heterotype Stabilität der Aggresivität: Vorhersage antisozialen Verhaltens im Alter von 30
Jahren aus Aggressivitätsurteilen von Klassenkameraden im Alter von 8 Jahren
 In derselben Studie wurde auch die Aggressivität der Eltern bzw. Kinder erhoben
 Die Stabilität über 22 Jahre war dabei geringer als die Vorhersage der nächsten Generation
im gleichen Alter
 Erklärung: Stabilitätsminderung durch mangelnde Kontinuität von Aggressivität
Vorhersagekraft
Dunedin Studie
 beste Studie zur langfristigen Vorhersage psychiatrischer und krimineller Merkmale aus frühen
Persönlichkeitsmerkmalen  Dunedin Longitudinal Study
 repräsentative Stichprobe von über 1000 drei-jährigen wurde beobachtet und mit Clusteranalyse
in 5 Persönlichkeitstypen eingeteilt:
 Gut angepasst vs. resiliente (Kontrollgruppe)
 Überkontrollierte bzw. gehemmte
 Unterkontrollierte
 die drei Typen unterschieden sich im Alter von 21 Jahren signifikant
Terman-Studie
 in der Terman-Studie werden über 1000 hochintelligente 1910 geborene kalifornische Kinder bis
ins hohe alter untersucht; es konnte aus Persönlichkeitsbeurteilungen im Alter von 11 Jahren die
Todeswahrscheinlichkeit im Alter von 70 Jahren überzufällig vorhergesagt werden
 Risikofaktoren für frühen Tod waren:
 Niedrige Gewissenhaftigkeit
 Hohe (!) Fröhlichkeit
 die Effekte niedriger Gewissenhaftigkeit konnten teilweise über Alkoholismus, Rauchen und
Unfälle erklärt werden
 unerwartet ist der Effekt für Fröhlichkeit; möglicherweise wird er auch über Leichtsinnigkeit
vermittelt
Nonnen-Studie
 in der Nonnen-Studie wurden 180 katholische Nonnen vom Eintritt ins Kloster mit 18-32 Jahren
bis ins hohe Alter untersucht; alle mussten bald nach Klostereintritt eine kurze Autobiographie
schreiben
 bis zum Jahr 2000 waren 38% der Nonnen mit den 25% häufigsten positiven Aussagen gestorben,
aber 70% der Nonnen, die sich am seltensten positiv geäußert hatten
 die Häufigkeit negativer Aussagen sagte die Todesrate nicht vorher
 der scheinbare Gegensatz zur Terman-Studie könnte an der ungewöhnlich risikoarmen Umwelt im
Kloster liegen
 die Vorhersagestärke der letzten drei Studien zeigte folgende Rangordnung:
Dunedin-Studie < Terman-Studie < Nonnen-Studie
 dies entspricht dem Alter bei der Erhebung der Prädiktoren für die Vorhersage:
3 Jahre < 11 Jahre < 18-32 Jahre
 hier zeigt sich wieder die zunehmende Stabilisierung der Persönlichkeit mit wachsendem Alter
Einflüsse auf die Persönlichkeitsentwicklung
 Fragestellung: Erklärung von Persönlichkeitsunterschieden: Warum entwickeln unterschiedliche
Menschen eine unterschiedliche Persönlichkeit?
 Erklärung in der Alltagspsychologie: deterministische Regel auf Einzelfall anwenden
 Erklärung in der Persönlichkeitspsychologie: empirisch begründete Regeln finden in Form
probabilistischer Wenn-dann-Aussagen
 Erklärungen sind nie monokausal: mehrere Einflüsse fließen zusammen
Schätzungsarten
 direkte Einflussschätzung: Prädiktor  Eigenschaftsvariable
 Beispiel: Aggressivität der Mütter  Aggressivität der Kinder
 Interpretationsmöglichkeiten:
Aggressivität der Mütter  Aggressivität der Kinder
Aggressivität der Kinder  Aggressivität der Mütter
 Drittvariable hat Einfluss auf den Zusammenhang
 bei mehreren Prädiktoren können diese untereinander korrelieren
 bei korrelierten Prädiktoren kann der relative Beitrag durch Pfadanalyse ermittelt werden:
 direkte Einflussschätzungen setzen voraus, dass spezifische Prädiktoren bekannt sich und
gemessen werden können
 manchmal interessieren aber nicht spezifische Prädiktoren, sondern der Gesamteinfluss einer
ganzen Klasse von Prädiktoren, die im einzelnen nicht bekannt sind oder nicht gemessen werden
können
 Beispiel: Ehepartner werden sich ähnlicher, weil sie Einflüsse auf ihre Entwicklung teilen
 in diesem Fall gibt es die Möglichkeit der indirekten Einflussschätzung durch den Vergleich der
Ähnlichkeit von Personenpaaren, die bestimmte Einflüsse teilen bzw. nicht teilen: je ähnlicher sich
die Paare sind, die die Einflüsse teilen relativ zu Kontrollpaaren, die sie nicht teilen, desto stärker
sind die Einflüsse
 empirisch: die Varianz des Merkmals wird zerlegt in die geteilte und die spezifische Varianz; die
Korrelation zwischen den Personen misst die geteilte Varianz
Genom und Umwelt
 mit der indirekten Einflussschätzung kann vor allem die Frage beantworte werden, wie stark
Persönlichkeitsunterschiede durch genetische Unterschiede zwischen den Personen bedingt sind:
der relative Anteil von Genom und Umwelten an Persönlichkeitsunterschieden
 hierzu wird die genetische Ähnlichkeit bestimmter Personenpaare genutzt: der Anteil der von
ihnen geteilten Allele; dieser variiert je nach genetischer Verwandtschaft zwischen 0% und 100%
Zwillingsmethode
 verglichen werden eineiige Zwillinge (r= 100%) mit zweieiigen Zwillingen (r=50%)
 r = genetischer Verwandtschaftsgrad
 eine höhere Ähnlichkeit eineiiger Zwillinge wird interpretiert als halber genetischer Einfluss, denn
der Unterschied in der Ähnlichkeit ein- und zweieiiger Zwillinge geht darauf zurück, dass 50% der
Allele von zweieiigen Zwillingen nicht geteilt werden
 der gesamte genetische Einfluss würde geschätzt, indem die Ähnlichkeit eineiiger Zwillinge mit der
von Adoptivgeschwistern verglichen würde, denn letztere teilen keine Allele
 empirisch wird die Ähnlichkeit der Paare in einer Persönlichkeitseigenschaft durch die Korrelation
der Eigenschaft zwischen vielen Paarlingen geschätzt: aus den Eigenschaften der einen Paarlinge
werden die Eigenschaften der anderen Paarlinge vorhergesagt
 damit schätzt die Differenz zwischen der Korrelation für eineiige Zwillinge und der Korrelation für
zweieiige Zwillinge den halben genetischen Einfluss
 er beträgt also das Doppelte der Korrelationsdifferenz
 Ergebnis der genetischen Einflussschätzung mit der Zwillingsmethode: der genetische Einfluss auf
IQ und die (selbstbeurteilten) Big Five beträgt also ungefähr 50%
Adoptionsmethode
 verglichen werden Adoptivgeschwister (r=0%) mit leiblichen Geschwistern (R=50%)
 eine höhere Ähnlichkeit leiblicher Geschwister wird interpretiert als halber genetischer Einfluss,
denn der Unterschied in der Ähnlichkeit geht darauf zurück, dass leibliche Geschwister 50% der
Allele teilen
 damit schätzt die Differenz zwischen der Korrelation für leibliche Geschwister und der Korrelation
für Adoptivgeschwister den halben genetischen Einfluss
 er beträgt also das Doppelte der Korrelationsdifferenz
 Ergebnis der genetischen Einflussschätzung mit der Adoptionsmethode: der genetische Einfluss
auf den IQ beträgt also ungefähr 50% auf die selbstbeurteilten Big Five aber weniger: Widerspruch
zu Zwillingsmethode
 diese Widersprüche liegen an zahlreichen methodischen Problemen der Zwillings- und
Adoptionsmethode
 deshalb wird vermehrt die Kombinationsmethode verwendet, bei der die Ähnlichkeit von drei und
mehr Arten von Personenpaaren in einer einzigen statistischen Analyse verglichen werden
 in der German Observational Study of Adult Twins wurden ein- und zweieiige Zwillinge in 15
verschiedenen Situationen gefilmt
 Beobachter schätzten dann jeweils einen Paarling in einer Situation ein: Unabhängigkeit der
Beurteilungen zwischen Paarlingen und Situationen
 Ergebnis für die Big Five: genetischer Anteil im Mittel 41%, also ähnlich wie bei
Selbstbeurteilungen in Kombinationsstudien
 insgesamt sind damit genetischer Einfluss und Umwelteinfluss auf IQ und die Big Five annähernd
gleich stark
 oft vorgebrachter Einwand:
 Schiff et al. verglichen den IQ und Schulversagen zwischen französischen UnterschichtsGeschwisterpaaren, bei denen jeweils ein Paarling im Alter von ca. 4 Monaten in die
Oberschicht wegadoptiert worden war
 Ergebnis: IQ-Gewinn des wegadoptierten 14 IQ-Punkte, d.h. fast eine Standardabweichung
 17% der wegadoptierten blieben bis zur 6.Klasse sitzen, aber 66% ihrer UnterschichtsGeschwister
 aber kein Widerspruch zu den indirekten Schätzungen, da 95%-Konfidenzintervall für
genetischen Schätzung bzw. Umweltschätzung des IQ +/- 20 IQ-Punkte
 die indirekten Einflussschätzungen sind populationsabhängig, da sie von der Variabilität der Gene
und Umweltbedingungen und deren Wechselwirkung innerhalb der untersuchten Population
abhängen
 insbesondere sind sie deshalb kulturabhängig
 Änderungen der wirksamen Umweltbedingungen können den genetischen Einfluss verändern; z.B.
erhöht maximale individuelle Förderung den genetischen Einfluss auf die dann noch
verbleibenden Leistungsunterschiede: Chancengleichheit erhöht den genetischen Einfluss
 ein genetischer Einfluss auf eine Eigenschaft besagt nicht, dass es Gene gibt, die die Eigenschaft
direkt bedingen
 Beispiel: in Australien ist die Einstellung zur Todesstrafe zu ca. 50% genetisch bedingt
 Erklärung: eine positive Einstellung zur Todesstrafe korreliert negativ mit dem IQ und anderen
genetisch beeinflussten Persönlichkeitsmerkmalen; deren genetische Beeinflussung überträgt sich
auf alle hiermit korrelierten Merkmale, z.B. Einstellung zur Todesstrafe
Umweltarten
 mit Hilfe der indirekten Schätzungsmethode können zwei Arten von Umwelteinflüssen auf eine
Eigenschaft unterschieden werden:
 von Geschwistern geteilte Umwelteinflüsse
 von Geschwistern nicht geteilte Umwelteinflüsse
 erstere sind Umwelteinflüsse, die Geschwister ähnlich machen, letztere Umwelteinflüsse, die sie
unähnlich machen
 geteilte Umwelteinflüsse werden durch die Korrelation von Adoptivkindern geschätzt, nicht
geteilte durch die Differenz zwischen Reliabilität der Messung und Korrelation eineiiger Zwillinge
 mit Ausnahme des IQ und bestimmter Werthaltungen bis zum Verlassen des Elternhauses sind die
nicht geteilten Umwelteinflüsse größer als die geteilten
 nahe liegend ist die Annahme, dass (nicht) geteilte Einflüsse auf (nicht) geteilten objektiven
Umweltbedingungen beruhen
 der Einfluss spezifischer nicht geteilter Umweltbedingungen kann durch die direkte Methode der
Einflussschätzung bestimmt werden, indem Umweltunterschiede zwischen Geschwistern
derselben Familie mit Persönlichkeitsunterschieden zwischen ihnen korreliert werden
 Ergebnis: Persönlichkeitsunterschiede zwischen Geschwistern lassen sich durch
Umweltunterschiede zwischen ihnen nur wenig erklären: Widerspruch zu indirekten Schätzungen
nicht geteilter Umwelteinflüsse
 der Widerspruch ist aber nur scheinbar, da nicht-geteilte Umwelten ähnliche Einflüsse auf
Geschwister ausüben können und geteilte Umwelten unähnliche Einflüsse
 geteilte Umweltbedingungen wie z.B. Tod der Mutter können je nach Alter des Kindes und dessen
Persönlichkeit unterschiedliche Wirkungen haben und damit zu nicht geteilten Umwelteinflüssen
werden: die Persönlichkeit moderiert den Einfluss der auf sie wirkenden Umweltbedingungen
 dass die nicht geteilten Umwelteinflüsse so stark sind, scheint an mehreren Faktoren zu liegen:
 viele unterschiedliche Umweltbedingungen beeinflussen dieselbe Eigenschaft
 dieselbe Umweltbedingung wirkt je nach Persönlichkeit anders
 Zufall in den Wirkungsketten
Altersabhängigkeit
 da die indirekten Einflussschätzungen populationsabhängig sind, können die Ergebnisse innerhalb
derselben Kultur mit dem Alter variieren
 Wie verändern sich genetische Einflüsse mit wachsendem Alter?
 für den IQ steigt der genetische Einfluss bis zum Alter von 65 Jahren
 für die Big Five wurden dagegen keine deutlichen Veränderungen des genetischen Einflusses mit
dem Alter gefunden
 insgesamt findet sich nie eine Abnahme, sondern eher eine Zunahme des genetischen Einflusses
auf Persönlichkeitsunterschiede
 bei einer statistischen Interaktion zwischen Genom und Umwelt hängen die genetischen
Wirkungen wesentlich von den Umweltbedingungen ab und umgekehrt
Statistische Interaktion: Genom x Umwelt
 genetische und Umweltbedingungen wirkten also nicht additiv, sondern multiplikativ
 dieselbe Interaktion wurde in zwei skandinavischen Studien gefunden
 allerdings wurde der genetischen Einfluss jeweils nur indirekt durch antisoziale Tendenzen der
leiblichen Mutter der wegadoptierten Kinder geschätzt; er kann auch über von der Mutter
bedingte Umwelteffekte während Schwangerschaft und Geburt gewirkt haben
Kovarianz
 bei der Genom-Umwelt-Kovarianz finden sich bestimmte Genome gehäuft in bestimmten
Umwelten
 Plonim et al. unterschieden drei Arten:
 Aktive G-U-Kovarianz, bei der Umwelten aus genetischen Gründen ausgewählt oder
umgestaltet werden (Beispiel: Partnerwahl)
 Reaktive G-U Kovarianz, bei der die soziale Umwelt auf genetisch bedingte Merkmale
reagiert (Beispiel: Zuweisung von Kindern aufgrund ihrer Intelligenz zu Schultypen)
 Passive G-U Kovarianz, bei der genetisch Verwandte durch ihr Verhalten bestimmte
Umwelten bieten (z.B. Bildungsmilieu der Familie)
 wegen der G-U Kovarianz können Korrelationen zwischen Umweltbedingungen und
Persönlichkeitseigenschaften bei Kindern teilweise genetisch bedingt sein
 Beispiel: Korrelation zwischen Zahl der Bücher im Haushalt und IQ der Kinder
 reine Umweltinterpretationen derartiger Korrelationen sind nur im Falle von Adoptivfamilien
möglich
 Annahme von Scarr & McCartney zu Veränderungen der Kovarianz mit wachsendem Alter:
 Die aktive G-U Kovariation nimmt zu, insbesondere ab der Pubertät
 Die passive G-U Kovariation nimmt ab, insbesondere nach Verlassen des Elternhauses
 Die reaktive G-U Kovariation bleibt gleich
 Die aktive G-U Kovariation nimmt stärker zu, als die passive abnimmt
 letzteres würde den wachsenden genetischen Einfluss auf manche Eigenschaften erklären: die
persönliche Umwelt gerät zunehmend unter genetischen Einfluss und verstärkt ihn dadurch
Wechselwirkungen zwischen Persönlichkeit und Umwelt
 Welche Prozesse liegen genetischen und Umwelteinflüssen auf die Persönlichkeit zugrunde, aber
auch Einflüssen der Persönlichkeit auf genetische Aktivität und Umwelt?
 das Genom ist zeitlebens konstant (bis auf wenige Mutationen in einzelnen Zellen, z.B. bei Krebs)
 Fehlschluss: der genetische Einfluss auf die Persönlichkeit ist konstant
 das Genom ist zwar konstant, aber sein Einfluss variiert im Verlauf des Lebens, weil Einflüsse nicht
auf Genen, sondern auf aktivierten Genen beruhen, und die Aktivität von Genen variiert
beträchtlich
 zwischen genetischer Aktivität (nicht:
Genen), neuronaler Aktivität, Verhalten
und der Umwelt besteht im Prinzip eine
vollständige Wechselwirkung
 insofern ist die Vorstellung falsch, Gene
„bewirkten“ Entwicklung oder Verhalten
 das Genom ist kein „Programm“, das die
Entwicklung „steuert“
 adäquater ist die Vorstellung, es sei ein
Text, von dem im Verlauf des Lebens immer wieder Teile gelesen werden; der Test legt fest, was
gelesen werden kann, aber nicht, was zu einem bestimmten Zeitpunkt gelesen wird
 klassisches Beispiel für Umweltwirkung auf genetische Einflüsse: Phenylketonurie bedingt durch
Allel auf dem 12. Chromosom; bei homozygoter Form Phenylalanin-Überschuss, der massiv
intelligenzmindernd wirkt
 bei Phenylalanin-armer Diät im Kindesalter und entsprechender Medikation kann der
intelligenzmindernde Effekt fast ganz unterdrückt werden: Umwelt verändert genetischen Einfluss
 umgekehrt können Umweltwirkungen durch Veränderung der Genaktivität oder Veränderung des
Genoms durch Gentechnologie verändert werden (noch fiktiv, aber prinzipiell möglich)
 bei Phenylketonurie ist der Umwelteingriff nur während der Hirnreifung erforderlich, da nur dann
das kritische Allel seine Wirkungen entfaltet
 andere Gene werden erst spät im Leben aktiv, z.B. das Allel auf dem 4. Chromosom, das für die
Chorea Huntington verantwortlich ist; die Wirkung setzt im Mittel mit 43 Jahren ein; vorher sind
die Allel-Träger gänzlich unauffällig: genetische Wirkungen sind altersabhängig; sie können
stabilisierend, aber auch destabilisierend auf die Persönlichkeit wirken
Molekulargenetische Persönlichkeitsforschung
 QTL Ansatz ab 1994
 bisher keine überzeugend replizierbaren Ergebnisse für den IQ
 umstritten wegen widersprüchlicher Befunde: DRD4-Gen auf dem 11. Chromosom und Streben
nach Neuigkeit
 bisher kein überzeugender Nachweis eines QTL für normale Persönlichkeitsvarianten
 bei Allel für niedrige MAOA-Aktivität und Kindesmisshandlung ist antisoziales Verhalten bei
Männern deutlich häufiger als beim häufigeren Allel für starke MAOA-Aktivität und
Kindesmisshandlung: letzteres „schützt“ weitgehend vor dem Effekt von Kindesmisshandlung;
repliziert für 4 verschiedene Indikatoren antisozialen Verhaltens
 vermittelnder Prozess: das Enzym MAOA reduziert exzessive Produktion von Serotonin,
Noradrenalin und Dopamin, die typischerweise bei starkem Stress auftritt
 Ziel der molekulargenetischen Persönlichkeitsforschung kann nicht sein, psychologische
Diagnosen durch genomanalytische Diagnosen zu ersetzen, weil letztere alle Umwelteinflüsse
ignorieren und deshalb äußerst ungenau sind
 Beispiel IQ: Konfidenzintervall bei IQ-Testung +/- 9 Punkte mit 95% Sicherheit, aber +/- 21 Punkte
mit 95% Sicherheit bei Genomanalyse oder reiner Umweltdiagnose
 deshalb: Genom und Umwelt müssen berücksichtig werden
Antisoziales Verhalten
 unter antisozialem Verhalten wird aggressives, kriminelles oder sonstiges Verhalten verstanden,
das soziale Normen verletzt, bis hin zu Schuleschwänzen
 schwere Formen wie physische Aggressivität und Delinquenz nehmen im Jugendalter stark zu und
dann wieder ab, wobei dieser Effekt in westlichen Kulturen in den letzten Jahrzehnten stark
zugenommen hat
 diese Zunahme im Jugendalter beruht nicht darauf, dass alle Jugendlichen so reagieren, sondern
dass sich zwei Formen antisozialer Tendenzen überlagern: eine überdauernde Form und eine
pubertätsgebundene Form
 zusätzlich wurde inzwischen eine dritte Form antisozialer Tendenzen gefunden, die sich im
Jugendalter manifestiert und dann stabil bleibt
 die überdauernde Form wird meist als antisoziale Persönlichkeit bezeichnet; schwerere Formen
erfüllen das Kriterium der antisozialen Persönlichkeitsstörung
Entwicklungsmodell Teil 1
 zu den neuropsychologischen Risiken gehören
Störungen der pränatalen Entwicklung, die sich
z.T. in minimalen körperlichen Anomalien
zeigen, und perinatale Probleme,z.B.
Sauerstoffmangel
 nach Geburt ist der Hauptrisikofaktor ein
schwieriges Temperament:
 Aufmerksamkeitsschwäche
 Motorische Unruhe
 Irritierbarkeit
 Schwer zu beruhigen
 Keine stabile Biorhythmen
 verstärkt wird das schwierige Temperament
durch mangelnde Einfühlsamkeit der Eltern,
was zu einer vermeidenden Bindung (Typ A)
führt, und durch einen rigiden-autoritären Erziehungsstil, wobei das elterliche Verhalten sowohl
Konsequenz als auch Bedingung für das schwierige Temperament ist
 in der Kindheit etabliert sich hierdurch ein Teufelskreis aus Aggression – erfolgloser
Kontrollverlust durch Eltern und Geschwister – verstärkte Aggression: Prozess der gegenseitigen
Nötigung
 der Prozess der gegenseitigen Nötigung betrifft zunächst Familienmitglieder, dann aber auch
Gleichaltrige und Erwachsene, so dass Beurteilungen des antisozialen Verhaltens eine
ungewöhnlich hohe Konsistenz zwischen Eltern und Lehrern zeigen
 experimentell ließ sich zeigen, dass aggressive Kinder mehrdeutiges Verhalten anderer eher als
feindselig interpretieren als andere Kinder; dadurch kommt es zu Aggressionen, die für andere
überraschend sind und so ihren schlechten Ruf fördern
 Studie von Dodge:
 Jungen der 2.-6. Klasse sollten Puzzle zusammensetzen; dafür gab es einen Preis
 Das Puzzle wurde dann zu einem angeblichen Jungen im Nachbarraum getragen
 Fiktive Verhaltensrückmeldung durch Tonband:
 Puzzle wurde fluchend heruntergeworfen
 Puzzle fiel herunter (mehrdeutige Bedingung)
 Puzzle fiel herunter, Junge versuchte es wieder zusammenzusetzen
 Aggressive Jungen reagierten (nur) auf mehrdeutige Bedingungen aggressiver
Entwicklungsmodell Teil 2
 wegen ihres störenden Verhaltens werden
aggressive Kinder von Gleichaltrigen und
Familienmitgliedern eher abgelehnt; die Reaktion
hierauf ist mit Eintritt in das Jugendalter
unterschiedlich
 Die Mehrheit der antisozialen Jugendlichen
befreundet sich mit ähnlichen Gleichaltrigen,
insbesondere durch Anschluss an eine deviante
Clique; dadurch werden ihr Selbstwert und ihr
Verhalten weiter verstärkt: Gruppentäter
 Es kommt zu einer Selbstwertminderung und
sozialem Rückzug: Einzeltäter
 das Entwicklungsmodell ist dynamischinteraktionistisch, d.h. Wirkungen früher Ursachen können zu Ursachen nachfolgender
Veränderungen werden
 Beispiel: Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten und restriktiv-autoritärem
Erziehungsstil der Eltern
 früher immer interpretiert als Wirkung des Erziehungsstils auf die Eltern; aber auch umgekehrte
Einflussmöglichkeit; kindliche Aggressivität beeinflusst den Erziehungsstil der Eltern
 Belege für Einfluss der kindlichen Aggressivität auf Erziehungsstil der Eltern:
 Medikamentöse Dämpfung wirkt sich auch auf Erziehungsverhalten aus
 Instruiertes aggressives Verhalten ruft rigide-autoritäres Verhalten der Mütter vorher
 Aggressive Jungen brachten Mütter nicht aggressiver Kinder zu rigide-autoritärem Verhalten
 Mütter aggressiver Jungen provozierten nichtaggressive Jungen nicht zu Aggressionen
Schüchternheit
 nach Grays Temperamenttheorie ist Schüchternheit
bedingt durch eine starke Verhaltenshemmung in neuen
oder evaluativen sozialen Situationen
 nach der Zweifaktorentheorie von Asendorpf kann dabei
Schüchternheit auf einem Temperamentsmerkmal beruhen
(Stärke des Verhaltenshemmungssystems) oder auf
häufiger sozialer Ablehnung
 da die Stärke des Verhaltenshemmungssystems die
Sensitivität gegenüber sozialer Ablehnung erhöht,
potenzieren sich die Wirkungen von Temperament und
Ablehnungserfahrungen
 empirische Evidenz: in der Kindheit lassen sich die beiden
Faktoren gut unterscheiden; ab dem Jugendalter
konvergieren sie jedoch zu einer einheitlichen Dimension
Asendorpf & van Aken: die im Kindergarten Abgelehnten
(jedoch nicht die temperamentsmäßig Schüchternen)
hatten bis zur 4. Klasse ein geringeres soziales
Selbstwertgefühl
 langfristig hat aber auch temperamentsmäßige
Schüchternheit in der Kindheit Konsequenzen in Form von
verzögert bewältigten Transistionsphasen
Entwicklungsmodell
 Aggressivität ist mit Externalisierungsproblemen, Schüchternheit mit Internalisierungsproblemen
assoziiert
 Gewalttätigkeit bei Internalisierungsproblemen in Form plötzlicher, überraschender
Gewaltausbrüche auf der Basis gehemmter Aggressivität, bei Externalisierungsproblemen in Form
vorhersehbarer Gewaltausbrüche auf der Basis hoher Aggressivität
Zufallsnotwendigkeit
 verbreitete Annahme: zusätzlich zu systematischen genetischen und Umweltbedingungen
beeinflussen irregulär auftretende kritische Lebensereignisse die Persönlichkeitsentwicklung; sie
können negativ, aber auch positiv erlebt werden
 sie sind umso einflussreicher, je stärker sie die vorhandene Person-Umwelt-Passung stören und
dadurch zu Veränderungen der Persönlichkeit oder der Umwelt zwingen
 kritische Lebensereignisse werden ich ihrem Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung aber
überschätzt, weil sie abhängig von der Persönlichkeit sind
 zudem hängt die Wirkung eines kritischen Lebensereignisses von der Persönlichkeit der
Betroffenen ab, nämlich der Art des Umgangs mit dem
Ereignis
 die Persönlichkeit kanalisiert kritische
Lebensereignisse und ihre Wirkung
 Persönlichkeit ist deshalb ein ständiger Kompromiss
zwischen Eigendynamik und Fremdbestimmung;
Personen sind nicht Spielball ihrer Umwelt, haben
diese aber auch nicht völlig unter Kontrolle
 bei den langandauernden Wechselwirkungen zwischen Person und Umwelt kommt eine gehörige
Portion Zufall ins Spiel; aber es gibt auch Notwendigkeiten in Form systematischer Wenn-dann
Regeln
 deshalb ist die Persönlichkeitsentwicklung mittelstark vorhersehbar
 wie beim Würfelwurf wechseln sich Phasen der Determiniertheit mit Phasen der Unbestimmtheit
ab; allerdings ist die Unbestimmtheit geringer, so dass das Gesamtresultat, anders als beim
Würfeln, nicht völlig zufällig ist
 wir überschätzen die Rolle des Zufalls in der Persönlichkeitsentwicklung, weil wir alltägliche
Zufälle kaum wahrnehmen, wohl aber bedeutsame Zufälle: 66666666666666 erscheint
unwahrscheinlicher als 23073820535867
 beide Folgen sind aber gleichwahrscheinlich
 Persönlichkeitsentwicklung als Lawine: mit zunehmender Stabilität der Persönlichkeit bahnt sie
sich selbst ihren Weg, ist also unabhängiger von Umweltbedingungen
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