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Wissenschaft im Exil: Die Association of Austrian
Engineers, Chemists and Scientific Workers in Great
Britain
Wolfgang L. Reiter
Die 1942 als Teilorganisation des Free Austrian Movement gegründete Association of
Austrian Engineers, Chemists and Scientific Workers in Great Britain war die größte
Exilorganisation der wissenschaftlichen Emigration. Ziel der Association war die
Förderung des sozialen Lebens im Exilland, die Stärkung des politischen Ziels eines
freien und unabhängigen Österreich sowie Planungen für den Wiederaufbau des
wissenschaftlichen Lebens in Österreich nach der Befreiung des Landes.
Das Studium der österreichischen Exilorganisationen in Großbritannien ist aufgrund deren verzweigter politischer, sozialer,
kulturpolitischer und publizistischer Aktivitäten von besonderem
Interesse für die Exil- und Emigrationsforschung. Aus der Vielzahl
von Publikationen zu diesem Thema sei hier exemplarisch auf drei
Arbeiten hingewiesen: Helene Maimanns Politik im Wartesaal
(1975),1 die Dokumentation Österreicher im Exil. Großbritannien
1938–1945 (1992) des Dokumentationsarchivs des österreichischen
Widerstands (DÖW)2 und die 2004 in deutscher Übersetzung erschienene umfassende Darstellung des Austrian Centre, der wichtigsten
österreichischen Exilorganisation in Großbritannien.3
Die radikale Zerstörung des wissenschaftlichen Lebens in
Österreich nach dem Einmarsch Hitlers im März 1938, die Vertreibung der Vernunft, wie das gleichnamige Symposium des Jahres 1987
betitelt war, prägten das akademische Leben noch Jahrzehnte nach der
Befreiung des Landes vom Nationalsozialismus und die Selbstprovinzialisierung der österreichischen Universitäten nach 1945 wirkte
nachhaltig auf das intellektuelle Klima des Landes.4 Nicht zuletzt
aufgrund dieser Nachkriegskonstellation setzte die historische Bearbeitung der wissenschaftlichen Emigration und des Exils auch erst
relativ spät ein:5 Erste Ergebnisse zur Erforschung des österreichischen Exils 1934 bis 1945 wurden 1975 publiziert.6 Zwölf Jahre
später folgte das bereits erwähnte Symposium zu Emigration und Exil
österreichischer Wissenschaft.7
Engelbert Broda (1910-1983) befasste sich in seinem Beitrag
zum Symposium 19758 mit der Association of Austrian Engineers,
6
Wolfgang L. Reiter
Chemists and Scientific Workers in Great Britain (im weiteren kurz
Association), der er selbst angehört hatte. Mit der Publikation der
umfassenden DÖW-Dokumentation zum Exil in Großbritannien 1992
wurden Quellen aus den Beständen des Dokumentationsarchivs des
österreichischen Widerstands greifbar, die Brodas Darstellung der
Association ergänzen. Brodas knappe Beschreibung der Ereignisse
ließ vermuten, dass der Association im gesamten Spektrum der Exilaktivitäten der Österreicherinnen und Österreicher in Großbritannien
nur ein geringer Stellenwert zukommt. Das nunmehr im DÖW verfügbare Material förderte nicht die erwarteten Dokumente zutage. Der
vorliegende Beitrag versucht daher, aufgrund der zugänglichen Quellen, eine Neubewertung der Aktivitäten der Association vorzulegen.
Die Berechtigung zu dieser Synopse im Rahmen einer umfassenden Historiographie der österreichischen Emigration und des
Exils in Großbritannien leitet sich dabei aus zwei unterschiedlichen
Motiven ab: Einerseits aus dem Anspruch, eine bisher kaum beachtete
Exilorganisation in Großbritannien im Kontext ihrer politischen
Arbeit näher zu beleuchten. Andererseits – und dies ist hier der dominierende Aspekt – stellt diese Organisation von scientific workers eine
Gruppierung dar, wie es sie in keinem anderen Exilland gab und
verdient es auch deshalb genauer betrachtet zu werden.
Das wissenschaftliche Exil in Großbritannien
Um im weiteren den organisatorischen und politischen Stellenwert der
Association qualifizieren zu können, wird hier einleitend versucht, das
wissenschaftliche Exil in Großbritannien zu quantifizieren. Allein die
Tatsache, dass über das Gesamtausmaß der Emigration nach
Großbritannien keine übereinstimmenden Zahlen vorliegen, läßt
erwarten, dass im besten Fall eine grobe Schätzung dieser Kohorte
möglich ist. Zu beachten ist auch, dass die Weiteremigration aus
Großbritannien (vornehmlich in die USA, nach Canada und Australien) und die Zuordnung von österreichischen Exilanten als ‘German
emigrants’ zu erheblichen Unsicherheiten in der Beurteilung von
Angaben ab 1933 bzw. ab 1938 führen; so sprechen die britischen
Behörden während des Krieges von 15 000 Österreichern, Exilorganisationen von 16 000, ‘wobei der Großteil noch als Deutsche registriert
war’.9 Eine Erhebung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG)
ergab für den Zeitraum Mai 1938 bis Oktober 1941 für Großbritannien
eine Gesamtzahl von 27 293 Flüchtlingen, eine nach Kriegsende
Wissenschaft im Exil
7
angestellte Untersuchung eine Zahl von 30 850. Zuverlässige Angaben über das tatsächliche Ausmaß der österreichischen Emigration
liegen also nicht vor, wie auch die Dokumentation zum österreichischen Exil in Großbritanien bedauernd feststellt; die Zahlen der
Erhebung 1941 und jene der Untersuchung nach Kriegsende differrieren um 12%; für meine Überlegungen stütze ich mich auf die
Zahlen der Erhebung 1941.10 Die Unterschiede zwischen der Erhebung
1941 und der Untersuchung nach Kriegsende könnten daran liegen,
dass im ersteren Fall ausschließlich jüdische Flüchtlinge erhoben
wurden, im zweiten Fall auch nicht-jüdische Flüchtlinge, was auf eine
Differenz von ca. 10% käme. Die Gesamtzahl der jüdischen Emigrantinnen und Emigranten aus Österreich beträgt bis Ende Oktober
1941 146 816 bei einem Gesamtstand zum 2. Mai 1938 von ca. 206
000 österreichischen Jüdinnen und Juden. Für die quantitative Beurteilung des Anteils der wissenschaftlichen Emigration an der
Gesamtemigration ist der Anteil an akademischen Berufen mit 27%
bei Männern und 17% bei Frauen zu veranschlagen; für eine
Differenzierung nach akademischen Gebieten (etwa: Geistes- und
Sozialwissenschaften/Naturwissenschaften und technische Wissenschaften) fehlen jedoch alle Angaben. Der vom Austrian Centre in
London publizierte Zeitspiegel bezieht sich auf eine vom Free
Austrian Movement (FAM) 1942 durchgeführte Berufsumfrage und
gibt die Zahl von 300 Technikern, Ingenieuren und Chemikern
(bezogen auf die Gesamtzahl der emigrierten Akademiker von 16 000
sind das knapp 2%) und 450 Ärzte und Zahnärzte an.11 Legt man einer
Schätzung von Emigranten in akademischen Berufen die oben
genannte Aufteilung zwischen Männern (27%) und Frauen (17%)
sowie einen Frauenanteil an der Emigration von 50% zugrunde, so
erhält man als obere und untere Schranken (bezogen auf die Zahlen
für die Gesamtemigration von 27 000 bzw. 16 000 Personen) ca. 6 000
(3 700 Männer, 2 300 Frauen) bzw. ca. 3 500 (2 200 Männer, 1 300
Frauen) Flüchtlinge mit akademischen Berufen. Eine Auswertung
einer 1945 vom FAM durchgeführten Fragebogenaktion ergibt für die
Kategorie ‘Ingenieure, Chemiker, Pharmazeuten, wissenschaftliche
Arbeiter’ einen Anteil von 10% bei 2 000 beantworteten Fragebögen.12
Mit aller gebotenen Vorsicht lässt sich daraus eine Zahl für ‘scientific
workers’ von 350 bis 600 schätzen, wobei in dieser Schätzung zu
berücksichtigen ist, dass nicht sicher ist, in welchem Ausmaß ‘scientific workers’ im FAM organisiert waren. Mit diesem Versuch einer
vorsichtigen Schätzung der Größe der wissenschaftlichen Emigration
in Großbritannien bzw. der Anzahl der dorthin geflüchteten ‘scientific
8
Wolfgang L. Reiter
workers’ wird auch eines der Probleme der Exilforschung deutlich:
die partiell prekäre Quellenlage. Die wenigen Spuren, die die
Association hinterlassen hat, sind ein deutlicher Beleg für die Schwierigkeiten, mit denen die Exilforschung konfrontiert ist. Mit dieser
Arbeit soll ein kleiner Beitrag geleistet werden, die Spurensuche
weiterzuführen.
Zum besseren Verständnis der politischen und organisatorischen Rahmenbedingungen, die zur Gründung der Association
führten, sei hier gerafft die Flüchtlingsarbeit der weitgehend von
österreichischen Kommunisten dominierten Hilfsorganisationen dargestellt. Der bereits im September 1938 gegründete überparteiliche
Council of Austrians in Great Britain (Ausschuß der Österreicher in
Großbritannien) widmete sich anfänglich generellen exilpolitischen
Aufgaben, im weiteren verstärkt den notwendigen Hilfestellungen zu
einer Verbesserung der sozialen Situation der österreichischen Emigranten. Um der rasch wachsenden Zahl von Flüchtlingen effektiver
helfen zu können, wurde im März 1939 in London das Austrian
Centre als Plattform gegründet, die im weiteren Sinne kulturelle und
soziale Aktivitäten organisieren sollte. Nachdem die anfängliche
Überparteilichkeit des Centre mit der Besetzung von Schlüsselpositionen durch Mitglieder der KPÖ verloren gegangen war, widmete
sich das Centre auch der Propagierung von politischen Zielen der
Kommunisten.13 Es entwickelte sich mit den Jahren zur größten
österreichischen Emigrantenorganisation, das seine Tätigkeit ab 1941
eng mit der Politik des FAM verknüpfte.14 Die Gründung des FAM im
Dezember 1941, als Arbeitsgemeinschaft von elf Exilorganisationen,
entsprang der politischen Absicht, die Bildung einer ‘nationalen
Einheitsfront’ aller Österreicherinnen und Österreicher in
Großbritannien organisatorisch und politisch zu unterstützen. Diese
Politik einer ‘nationalen Einheitsfront’ entsprach den geänderten
Direktiven der Komintern nach dem Überfall des Deutschen Reiches
auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Der Krieg wurde nun nicht
mehr als ‘imperialistische’ Auseinandersetzung zwischen kapitalistischen Staaten verdammt, sondern als Befreiungskrieg begrüßt. Mit
dieser Veränderung der politischen Einschätzung des Krieges kam es
zu einem radikalen Schwenk hinsichtlich der Unterstützung der
Kriegsanstrengungen Großbritanniens. Die politischen Hauptziele des
Centre und des FAM waren nun die Stärkung des zivilen und
militärischen ‘war efforts’ im Kampf gegen den Nationalsozialismus
und die politische Unterstützung des Kampfes um die Selbständigkeit
und Unabhängigkeit eines demokratischen Nachkriegs-Österreich. Mit
Wissenschaft im Exil
9
der Gründung des FAM verfolgte die KPÖ auch das politische Ziel,
dem ersehnten Alleinvertretungsanspruch für die gesamte österreichische Emigration näher zu kommen und die offizielle Anerkennung
seitens Großbritanniens dafür zu erlangen. Die negative britische
Haltung zu diesem zentralen politischen Ziel der KPÖ dokumentieren
die folgenden Zeilen:
In conformity with the British tradition, such persons are free to
associate and to form organisations or groups so long as they
observe the regulations applying to aliens which war conditions
make it necessary to impose. […] His Majesty’s Government do
not extend any form of recognition to any of these organisations or
groups, but the appropriate departments are prepared to receive
from such bodies information as to their plans and activities.15
Schon Anfang 1942 umfasste das FAM nicht weniger als 15
Organisationen; bis Ende 1943 wuchs es auf 27 Organisationen und
repräsentierte ca. 7 000 Österreicher.16 Die Einbindung bzw.
Gründung von beruflich orientierten Gruppierungen innerhalb des
FAM erfolgte mit dessen zunehmender organisatorischer Ausdifferenzierung. Anfänglich finden wir nur fünf dieser Gruppen:
Austrian Music Group, unter dem Vorsitz des politisch nicht
deklarierten Dr. Ferdinand Rauter und den beiden Vizevorsitzenden,
dem Musikologen Dr. Georg Knepler und Dr. Alfred Ronu (beide
KPÖ), die Association of Austrian Sculptors, Painters and Architects,
Vorsitz Professor Georg Ehrlich (politisch nicht deklariert) und die
Association of Austrian Doctors, Vorsitz Professor Dr. Friedrich
Silberstein (Austrian Centre) und Frau Dr. H. Hammerstein als
Sekretärin; weiters die Association of Austrian Nurses und die Austrian Needle Women. Diese Berufsorganisationen hatten zum Ziel, die
Einbindung der Österreicherinnen und Österreicher in die Kriegsproduktion, den ‘war effort’ zu verstärken.
Die Gründung der Association
In einer ungezeichneten Notiz mit dem Titel ‘Austrian Scientific
Workers in Great Britain’ berichtet Nature vom 23. Mai 1942: ‘An
Association of Austrian Engineers, Chemists and Scientific Workers
in Great Britain has recently been formed.’17 Der Vorsitzende der
Association war Dr. Ing. Fritz Ehrenfest-Egger18 (politisch nicht
deklariert), die organisatorische Arbeit lag in den Händen von Ing.
10
Wolfgang L. Reiter
Fritz Bild (1901-?)19 und Klara Hilfreich, die als honorary secretary
zeichnete.20
Kurz nach der Gründung der Association berichtet Nature
über deren Ziele:
The main activities of the association will be to assist members in
their professional work, and interests, to present them with the
authorities, to promote contact and relations with British colleagues and to form links with British scientific and technical
institutions. Lectures, courses and discussions will be held and
will give opportunities for the exchange of views and to discuss
matters of mutual interest. It is hoped that the Association may
assure that better use is made of the knowledge and abilities of
Austrian engineers, chemists and scientific workers who are
anxious to assist in the war effort.21
Der letzte Satz dieses Berichts verweist darauf, dass die Berufsorganisationen auf Anregung des FAM-Komittees für die ‘war
production’ ins Leben gerufen wurden. Auch wenn die Mobilisierung
für den ‘war effort’ ein wesentliches politisches Ziel war, so ist doch
deutlich, dass die Association sich in ihren Aktivitäten nicht von
anderen vornehmlich sozial engagierten Einrichtungen des Centre und
FAM unterschied – der Club-Charakter war ein Angebot:
Every Monday, commencing June 1 [1942], at 7 p.m., a club-room
will be open for members of the Association, at the Austrian
Centre, 69 Eton Avenue, N.W. 3, where there will be opportunities to read technical periodicals and to meet other collegues.
Eine Bemerkung zur Namensgebung für die Association scheint
angebracht, da die Heraushebung von chemists und engineers
erklärungsbedürftig erscheinen mag. Eine Liste von ca. 20 000
Deutschen und Österreichern nach Berufsgruppen und Flüchtlingskategorien aus dem Jahr 1940 zeigt, dass unter den naturwissenschaftlich-technischen Berufen Ingenieure und Chemiker sehr stark
vertreten sind und daher liegt die Annahme nahe, dass die Wahl des
Titels für die Association aus pragmatischen Gründen erfolgte; die
Bezeichnung scientific workers als Sammelbezeichnung für jene
Berufe mit geringer Repräsentanz (Physiker, Biologen, etc.) entspricht
der damals gebräuchlichen Bezeichnung für scientists.22 Ergänzend sei
vermerkt, dass das englischsprachige Organ des FAM Free Austria im
Februar 1942 die Gründung einer Association of Austrian Chemists,
Architects and Technicians ankündigt, deren Zielsetzung mit der
wenig später, mit leicht verändertem Namen – Architects werden
Wissenschaft im Exil
11
Engineers, Technicians zu Scientific Workers – gegründeten Association im Wortlaut übereinstimmt.23
Broda schreibt in einen Rückblick auf ‘[d]as Jahr 1938 und
die Naturwissenschaften in Österreich’ unter dem Titel ‘Auf dem Weg
zur Befreiung’:
In Großbritannien bildeten Hunderte [sic!] österreichische
Naturwissenschaftler und Techniker einen “Bund der österreichischen Ingenieure, Chemiker und wissenschaftlichen Arbeiter in
Großbritanien”, der der Freien Österreichischen Bewegung angeschlossen war. Dieser Bund unterstützte in vielfacher Weise die
antihitlerische Kriegsführung sowie die Propaganda für ein freies,
unabhängiges und demokratisches Österreich.24
Die Aktivitäten der Association werden hier mit den strategischen
politischen Zielen des FAM ab 1942/43 identifiziert: (1) ‘war effort’
(Unterstützung der ‘antihitlerischen Kriegsführung’) und (2) Propaganda für ein freies, unabhängiges und demokratisches Österreich.
Mit der Moskauer Deklaration der Alliierten vom 1. November 1943 wurde der zentrale Aspekt der Politik der KPÖ, die
Wiederherstellung Österreichs als freier, unabhängiger und demokratischer Staat, forciert und zur Leitlinie der Propaganda und
Volksfront, die jenseits von Partei- und Klassenschranken als ‘nationale Einheitsfront’ konzipiert wurde. Das FAM sollte mit seinen
zahlreichen Untergruppierungen, zu denen nun auch die Association
zählte, der Unterstützung dieser politischen Forderung dienen. Und
dies in dreifacher Hinsicht, nämlich (1) innerhalb der österreichischen
Emigration, (2) durch Einwirken auf die politischen Entscheidungsträger in Großbritannien, (3) im Hinblick auf die Gestaltung der
politischen Verhältnisse in Österreich nach Ende des Krieges. Die
Planungen für die Nachkriegsordung in Österreich bestimmten ab
1944 zunehmend die Aktivitäten des FAM, wofür spezielle Komitees
eingerichtet wurden.
Der Bericht über die 2. Generalversammlung der Association
im Juni 1944 zeigt deutlich die neue Aufgabenstellung, ‘sich mit dem
Wiederaufbau Österreichs [zu] beschäftigen’.25 Die Association habe
‘aktiven Anteil an der österreichisch-tschechoslowakischen Arbeitsgemeinschaft’ genommen, die vom Chemiker und Industriellen Paul
Löw-Beer (1910-2003) auf österreichischer Seite repräsentiert wurde.
Sie beteiligte sich an der Wirtschaftskommission des FAM und
erstellte eine Reihe von Exposés über die österreichische
Holzindustrie, Leim- und Gelatineindustrie, Spirituosenerzeugung, zu
Dieselmotoren, die Elektroindustrie, die Erzeugung von
12
Wolfgang L. Reiter
Wolframdrähten und von Speziallegierungen, verfasste eine Zusammenfassung über die österreichische Erdölproduktion und eine
Aufstellung über die österreichischen Wasserkraftwerke. Weiters
berichtete die Generalversammlung, dass die Pharmazeutenfachgruppe eine ‘Aufstellung über den Medikamentenbedarf Österreichs
als Unterlage für die UNRRA [United Nations Relief and
Rehabilitation Administration, Anm. d. Verf.]’ erstellte und eine
Arbeitsgemeinschaft der Bauingenieure und Architekten gebildet
wurde, die für ‘Fragen der Sofortmaßnahmen zur Lösung des
Wohnungsproblems’ zuständig sei. Letzteres weist darauf hin, dass
Pharmazeuten und Architekten (beide vergleichsweise starke
Gruppierungen innerhalb der britischen Emigration) in die Tätigkeiten
der Association eingebunden wurden.
Bemerkenswert ist, dass die universitäre und außeruniversitäre
Forschung sowie die Restrukturierung der österreichischen Universitäten innerhalb der Association nur eine untergeordnete Rolle spielten.
Dass die illusionslose Einschätzung von Erich Schindel, einem
Mitglied der Association of Austrian Doctors, in einem Interview aus
dem Jahre 1984 cum grano salis für die gesamte Arbeit der
Association gilt, erscheint insoferne plausibel, als sie die spezifischen
Möglichkeiten des erwartbaren politischen Einflusses und die
konkreten Bedürfnisse in einem weitgehend zerstörten Österreich
ausblendete:
Wir haben eine Reihe von Publikationen verfasst, […] Wir hatten
natürlich keine Illusionen, wir haben genau gewußt, daß das, was
wir da in Programmen und Wünschen äußern, beim Wiederaufbau
Österreichs keine Rolle spielen wird, aber es hat doch sein Ziel
ungefähr erreicht, weil das Interesse unter den sozialistischen
Ärzten und der Organisation British Friends of Austria, britische
Freunde Österreichs, erregt wurde. Unser Programm war also
Gewinnung von Freunden für diese Arbeit und für den Wiederaufbau Österreichs und Hilfe für die Ärzte, die zurückkehren bzw.
die in England bleiben wollen. Die meisten wollten ja nach
Österreich nicht zurück.26
Die Mitgliederzahl der Association wird in diesem Bericht mit ‘derzeit
[1944] über 170’ angegeben, die bis Mitte 1945 auf 200 ansteigen
sollte. Über die Namen und die regionale Verteilung von Mitgliedern
liegen keine Informationen vor. Der Vorstandsbericht für 1944/45
vom 4. August 1945, also bereits nach Kriegsende, erwähnt die
Bildung einer Ortsgruppe in Manchester, und in Birmingham hatten
Mitglieder der Association gemeinsam mit emigrierten österrei-
Wissenschaft im Exil
13
chischen Ärzten eine Study Group ins Leben gerufen. ‘Eine Anzahl
von Mitgliedern hat an den Arbeiten der Wirtschaftskommission und
der Hochschulkommission des FAM teilgenommen.’ Weiters wird
kursorisch von der Bildung von Fachgruppen der Chemiker,
Maschinen- und Elektroingenieure, Pharmazeuten, Bauingenieure und
Architekten berichtet – ‘das Bild einer reichen und fruchtbaren
Tätigkeit’, wie der Zeitspiegel lobend anmerkt.27
In den für diesen Aufsatz eingesehenen Archivalien werden an
lediglich einer Stelle Mitglieder der Association namentlich genannt,
die Mitglieder des Vorstands 1944: Dr. Ing. F. Ehrenfest-Egger
(Obmann), Ing. F. Bild, Ing. O. Bondy, Frl. S. Brenner, M.P.S., Dr. B.
Deutsch, Ing. H. Fraenkel, Ing. E. Geller, K. Hilfreich, Dr. L. Ivanowsky, Ing. G. Lenke, Dr. P. Löw-Beer.28 Warum Broda dem
Vorstand nicht angehörte, läßt sich nicht beantworten.
Vom 21. bis 22. Juli 1945 wurde die erste landesweite Vollkonferenz des FAM seit der Befreiung Österreichs abgehalten, bei der
alle 38 angeschlossenen Organisationen vertreten waren. Im Rahmen
dieser FAM-Konferenz berichtete Klara Hilfreich von einer für
November des Jahres geplanten Konferenz zur Unterstützung des
Wiederaufbaus des wissenschaftlichen Lebens in Österreich.29
Engelbert Broda und die Aktivitäten in Cambridge
Bevor wir uns der von Hilfreich angekündigten Konferenz, dem
unbestrittenen Höhepunkt der Aktivitäten der Association, zuwenden,
ist noch von einer Aktivität in Cambridge zu berichten. Das FAM war
hier seit März 1942 durch die von Broda gegründete Association of
Austrians in Cambridge mit ungefähr 60 Mitgliedern fest verankert.30
Vorsitzender dieser Gruppe war der Zoologe Alexander Stock, Broda
war Sekretär und später stieß der technische Physiker J. Wolloch zum
engeren Kreis dieser Gruppe. Die personellen Überlappungen mit der
Association und etwa auch die freundschaftliche Verbundenheit des
schon 1936 nach Großbritannien ausgewanderten Chemikers und
Kristallographen Max F. Perutz (1914-2002, Nobelpreis für Chemie
1962), der in der Association Vorträge hielt, jedoch nicht Mitglied
war, mögen die Erwähnung dieser Guppe hier rechtfertigen. Broda
berichtet darüber ausführlich in einem Beitrag zum Symposium
‘Vertriebene Vernuft’ und schildert lebhaft die Organisation einer
Austellung über Österreich in den Räumen eines Kaufhauses in
Cambridge.31 Die Ausstellung fand vom 17. bis 22. April 1945 statt
14
Wolfgang L. Reiter
und stand unter dem Patronat des Vice-Chancellors der Universiät und
des Mayors von Cambridge. Das Organisationskommittee leitete Sir
Ernest Barker, Litt.D., Hon.L.L.D. und Honorary Treasurer war die
Biochemikerin Barbara Holmes, die Tochter des Nobelpreisträgers für
Physiologie/Medizin (1929), Sir Frederick G. Hopkins. Die Ausstellung war Teil eines Kulturprogramms, mit Konzerten, Filmvorführungen sowie einem Public Meeting ‘The Past and Future of
Austria’, bei dem der frühere britische Botschafter in Österreich
(1933-1937), Sir Walford Selby, und Egon Wellesz, nunmehr Fellow
am Lincoln College, Oxford, sprachen. Die gedruckte Einladung
(‘Austria Invites’) zierte der Stephansdom vor einer im Winde
flatternden rot-weiß-roten Fahne.
Die FAM-Gruppe in Cambridge verdankte ihr Profil einer
dominanten Person des wissenschaftlichen Exils in Großbritannien,
Engelbert Broda. Er flüchtete 1938 nach England und arbeitete bis zu
seiner ersten Internierung von September bis Dezember 1939 als
Rockefellerstipendiat des Medical Research Council am University
College London an chemisch-physikalischen Untersuchungen der
Photochemie des Sehvorgangs, Versuchen der Solubisierung des
Sehpurpurs. Nach einer weiteren Internierung vom Juni bis September
1940 im Lager Huyton/Liverpool kommt Broda im Dezember 1941 an
das Cavendish Laboratory in Cambridge. In einem nach 1945
verfassten Lebenslauf heißt es dazu:
Dezember 1941 bis August 1946 war ich im Cavendisch Laboratory, Cambridge mit chemisch-physikalischen Forschungen für
die [s]taatliche [B]ritische Atomorganisation (zuerst als Tube
Alloys Directorate, dann als Atomic Energy Authority des Versorgungsministeriums [Department of Scientific and Industrial
Research (DSIR)] bekannt) beschäftigt. 32
Zeitweilig arbeitete er auch an der Liverpool University mit James
Chadwick (1891-1974, Nobelpreis für Physik 1948), dem Entdecker
des Neutrons, und in verschiedenen industriellen Labors (radioaktive
Chemie, Elektrochemie, Kernphysik), wahrscheinlich im Zuge der
Arbeiten für Tube Alloys. Seine am Cavendish Laboratory und ab
1946 bis zu seiner Rückkehr nach Österreich im Oktober 1947 als
Research Fellow bei Norman Feather am Physikalischen Institut in
Edinburgh gewonnenen wissenschaftlichen Erfahrungen umfassen die
Gebiete der Physik langsamer und schneller Neutronen, die
Verwendung photographischer Platten für Untersuchungen von
Kernumwandlungen, chemische Fragen zur Radioaktivität, pharmako-
Wissenschaft im Exil
15
logische Untersuchungen sowie die Verwendung radioaktiver Indikatoren für biochemische Zwecke. (Das zuletzt genannte Gebiet
sollte nach seiner Rückkehr nach Wien einer von Brodas Forschungsschwerpunkten werden.) Eine kurze Bemerkung in Brodas
Lebenslauf, die in keiner seiner späteren Stellungnahmen Erwähnung
findet, lautet: ‘Unsere Gruppe [in Cambridge] war die erste, die die
Möglichkeit von sich selbst fortpflanzenden Kettenreaktionen
nachwies.’33 Diese Feststellung34 und die Erwähnung seiner Mitabeit
an der unter dem Codenamen Tube Alloys im September 1941
eingerichteten britischen Organisation zum Bau einer Atombombe
weist Broda als Geheimnisträger der höchsten Sicherheitsstufe aus.35
Neben Otto Robert Frisch (1904-1979), Hans von Halban jun. und
Friedrich A. Paneth ist Broda der vierte in Wien geborene Emigrant,
der an den britischen Anstrengungen zum Bau der Atombombe
mitwirkte.36 Unter diesen Umständen ist es verständlich, dass sich der
MI5 – unabhängig von Brodas Aktivitäten im FAM – für ihn
interessierte, ohne jedoch konkrete Verdachtsmomente einer
nachrichtendienstlichen Tätigkeit für die Sowjetunion zu finden.37
Eine neuere Veröffentlichung erklärt dagegen – ohne greifbare
Anhaltspunkte – Broda zu einem der Topspione zu Gunsten der
Sowjetunion in Großbritannien.38 Eine vergleichsweise intensive
Überwachung durch den MI5 erfuhren von 1939 bis 1955 auch Paul
Löw-Beer, Brodas enger Freund und politischer Vertrauter, und
dessen Familie.39
Science in Austria
Ab 1944 – und verstärkt mit dem Herannahen des Kriegsendes –
konzentrierten sich die Aktivitäten des FAM auf die Vorbereitung des
Wiederaufbaus in Österreich. Das ‘Bedürfnis zu wirkungsvoller
Aktion’, so Broda in seinem Aufsatz ‘Reflexionen und Erinnerungen’
über die Association, realisierte sich in der bereits erwähnten
Konferenz, die von der Association am 3. November 1945 zum Thema
‘Science in Austria’ in London durchgeführt wurde.40 Die organisatorische Leistung, die wohl vornehmlich Broda zu danken ist,
wenige Monate nach Kriegsende eine repräsentative Veranstaltung zur
Unterstützung des wissenschaftlichen Lebens in Österreich auf die
Beine zu stellen, demonstriert nicht nur eine bemerkenswerte Vernetzung der österreichischen Emigranten mit dem wissenschaftlichen
Establishment in Großbritannien, sie zeugt vor allem vom politischen
16
Wolfgang L. Reiter
Willen, auf das Geschehen im Nachkriegsösterreich Einfluss zu
nehmen. Im Zeitspiegel vom 12. Oktober 1945 berichtet Broda
ausführlich über eine ‘Londoner Konferenz fuer die oesterreich[ischen] Naturwissenschaften’.
Es ist der Zweck der Kundgebung, die Aufmerksamkeit der
wissenschaftlichen Öffentlichkeit auf unsere Probleme zu lenken
und die organisatorischen Voraussetzungen für eine künftige
Zusammenarbeit zu schaffen. Wir hoffen, dass nach der hoffentlich bald erfolgten Anerkennung unserer Regierung die
Hochschulen die Möglichkeit bekommen werden, Kontakte mit
den Wissenschaftern der Vereinten Nationen aufzunehmen und
dass wir für den Wiederaufbau und weiteren Ausbau unserer
Hochschulen und Bibliotheken die Sympathie und Unterstützung
des Auslandes geniessen werden.41
In ihrer Funktion als Sekretärin der Association hatte Klara Hilfreich
mit einem ausführlichen Schreiben vom 17. Oktober 1945 unter
Nennung der illustren Namen der britischen Sponsoren das Foreign
Office (F.O.) von der geplanten Konferenz informiert und in einem
weiteren Schreiben vom 27. Oktober 1945 um die Entsendung eines
Vertreters des F.O. zur Tagung ersucht. Diesem Ansuchen wurde vom
F.O. nicht stattgegeben. Die Akten zeigen: Die Zugehörigkeit der
Association zum FAM war für die negative Haltung des F.O.
entscheidend.42 Die Unterstützung durch prominente britische Wissenschaftler hatte offensichtlich keinen Einfluß auf die politische Haltung
des F.O. gegenüber der Association bzw. dem FAM.
Die Londoner Konferenz wurde als ‘Meeting of British and
Austrian Scientists in Support of the Restoration of Science in
Austria’ angekündigt und fand am 3. November 1945 im Burlington
House der Chemical Society statt. ‘Sie war ausgezeichnet besucht und
verlief nach unseren Wünschen.’43 Als Sprecher konnten eminente
britische Wissenschaftler gewonnen werden: der Physiker P. M. S.
Blackett, F.R.S., der Chemiker F. G. Donnan, C.B.E., F.R.S. und der
Biologe L. Hogben, F.R.S.; K. Przibram vom Institut für Radiumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der
Österreich 1938 verlassen musste und die Kriegsjahre in Brüssel
überlebt hatte, sprach als Repräsentant der österreichischen Flüchtlinge und Präsident des Front National Autrichien in Belgien;44 den
Vorsitz führte der Zoologe Sir D’Arcy W. Thompson, C.B., F.R.S.
Neben neunzehn Vertretern der britischen wissenschaftlichen
Gemeinde, davon sechszehn Fellows der Royal Society, umfaßte die
Liste der Sponsoren des Treffens die Namen folgender aus Österreich
Wissenschaft im Exil
17
emigrierter Wissenschaftler: E. Abel (London), F. Bergel (London), F.
Feigl (Rio de Janeiro), P. Gross (London), H. von Halban sen.
(Zürich), V. Hess (New York), S. Jellinek (Oxford), O. Loewi (New
York), H. Mark (New York), L. Meitner (Stockholm), K. Menger
(Notre Dame), R. von Mises (Harvard), F. A. Paneth (Durham), W.
Pauli sen. (Zürich), L. Portheim (London), K. Przibram (Brüssel), E.
Schrödinger (Dublin) und K. Weissenberg (Manchester). Ludwig
Wittgenstein hatte die Teilnahme abgelehnt; auf den Sohn des
Begründers der Kolloidchemie, W. Pauli sen., den Physiker Wolfgang
Pauli jun., der 1945 den Nobelpreis für die Entdeckung des „Ausschliessungsprinzips“ (Pauli-Prinzip) erhielt, das den Aufbau der
chemischen Elemente erklärt, hatte man vergessen.45
Ehrenfest-Egger, der einleitend feststellt ‘Austria, the first
victim of Nazi aggression, is free again’, geht in seiner an die
Versammelten der Londoner Konferenz gerichteten Adresse auf die
Ziele der Association ein und spricht die nach dem Ende des Krieges
nun drängende Entscheidung ihrer Mitglieder über den Verbleib in
Großbritannien, die Weiterwanderung oder die Rückkehr nach
Österreich an:
This Association has been formed for the purpose of helping all
Austrian scientists and technicians living in the country in their
professional interests and activities, irrespective of what their
individual plans for their future are. And it is our opinion that any
one of us can and should give the share of which he is capable
towards the help for Austria in his own personal sphere, whether
he intends to return or whether he has other ideas about his
future.46
In ihren Reden betonten D’Arcy W. Thompson und Donnan die
Forschungsleistungen österreichischer Physiker, Chemiker und Biologen; Hogben verwies auf die Notwendigkeit eines fortgesetzten
Kampfes gegen den pseudowissenschaftlichen Radikalismus von Eugenik und Rassenhygiene, ‘not confined to Nazi circles’ und mahnte
zu Wachsamkeit: ‘That is one of my reasons for participating in this
gathering, not to emphasize what British science can do for Austria,
but to suggest what the rebirth of Austrian science can contribute to a
saner British outlook on man’s social relation.’ Blackett, der im
Rahmen des britischen Bombenprojekts ‘Tube Alloys’ u. a. eng mit
dem aus Wien gebürtigen Kernphysiker und Neffen Lise Meitners, O.
R. Frisch kooperierte, ‘welcomed the idea of organizational union of
academic and industrial men of science, as achieved in the Association of Austrian Chemists, Engineers and Scientific Workers and in
18
Wolfgang L. Reiter
the British Association of Scientific Workers.’ Bezüglich der Frage
nach wissenschaftlicher Kooperation betonte Blackett die Notwendigkeit einer übernationalen Zusammenarbeit, die sich aus dem
Einsatz neuer, sehr kostenintensiver Geräte, wie z. B. von Teilchenbeschleunigern, ergebe, da diese im Alleingang kaum zu finanzieren
seien. ‘[I]n the liberated countries this will often be possible only with
collaboration from outside.’ Mit diesen Worten nahm Blackett eine
Entwicklung der Forschungspolitik auf europäischer Ebene vorweg,
die einige Jahre später u. a. zur Gründung des CERN führte.
Als einziger Vertreter der österreichischen Wissenschaftler
sprach Karl Przibram. Er betonte in seiner Stellungnahme vor allem
die Notwendigkeit, die intellektuelle Isolierung Österreichs während
der Nazizeit zu durchbrechen und rief zur Rückkehr auf.
Only emerging out of an isolation of seven years’ duration, and
without trustworthy information as to the state in which the
Austrian Universities actually are, it is difficult to judge future
possibilities. [...] Much, of course, will depend upon the willingness of our leading men of science now in foreign parts to return
to Austria and the hardship of reconstruction, and also upon the
help given by colleagues in other countries.47
Aus persönlicher Betroffenheit gab Przibram, dessen Bruder, Hans
Przibram, im KZ Theresienstadt ‚died a victim of Nazi barbarism’,
wie Przibram in London sagte, seiner Hoffnung Ausdruck, dass Stefan
Meyer in seine Position als Direktor des Instituts für Radiumforschung zurückkehre, die er 1938 verlassen musste. Ferner wünschte
er, dass die von seinem Bruder Hans Przibram begründete experimentelle (‚quantitative’) Biologie nach der im Krieg vollständigen
Zerstörung des ‚Vivariums’ (die von Przibram, Leopold Portheim und
Wilhelm Figdor gegründete ‚Biologische Versuchsanstalt’) als Forschungsrichtung in Österreich neu begründet würde.48
Es ist eine für uns heute verstörende Beobachtung, dass die
Greuel der Vernichtungslager, die zum Zeitpunkt des Londoner
Meetings aufgrund der Informationen durch die alliierten Befreier der
KZs bereits bekannt waren, lediglich in Karl Przibrams persönlichen
Worten der Trauer Ausdruck fanden. In diesem Ausblenden der Shoah
aus der politischen Diskussion sehe ich ein politisches und
moralisches Defizit des FAM und der Association. Allerdings ist
festzustellen, dass die Shoah zu Ende des Kriegs und in den ersten
Jahren nach 1945 nur von wenigen Intellektuellen in ihrer umfassenden und historisch singulären Bedeutung verstanden und
problematisiert wurde.49
Wissenschaft im Exil
19
In der für die Londoner Konferenz erstellten Broschüre
Science in Austria gehen Broda und Stock ausführlich auf die
Geschichte, Vergangenheit und Tradition der österreichischen
Wissenschaft von Peuerbach bis Boltzmann ein, weisen auf den
eminenten Beitrag jüdischer Wissenschaftler zu science in Austria –
von Joseph von Sonnenfels, Ignaz L. Lieben bis Otto Loewi, Lise
Meitner und Sigmund Freud – hin, ohne jedoch die brutale
Wirklichkeit der Vernichtung des europäischen Judentums mit einem
Wort zu erwähnen.50 Der historische Rückblick auf die Entwicklung
der Wissenschaft in Österreich vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart dient den Autoren in ihrem Beitrag ‚What Austrian Scientists
Desire’ auch zur Begründung ihrer drängendsten politischen Forderung, die Anerkennung der provisorischen Bundesregierung unter
Karl Renner (installiert am 27. April 1945), zu der die britische
Labour-Regierung eine äußerst distanzierte Haltung einnahm.
What does Austria need? Clearly, the most important step will be
the general recognition of the Austrian Provisional Government so
that it can suppress Fascism all over our country, and build a new
life in re-integrated Austria.51
Unter dem Gesichtspunkt eine möglichst breite politische Akzeptanz –
sowohl seitens der britischen Labour-Regierung als auch seitens der
neuen österreichischen Regierung – für die Initiative des FAM zu
erreichen, war die selektive Nennung von Mitgliedern der
österreichischen Regierung durch Broda und Stock kaum geeignet
vertrauensbildend zu wirken. Dass Staatsekretär Ernst Fischer (KPÖ)
und dessen Unterstaatssekretär Dr. Karl Lugmayer (ÖVP) im
Staatsamt für Volksaufklärung, Unterricht, Erziehung und Kultusangelegenheiten, das u. a. für die Universitäten und deren
Entnazifizierung zuständig war, explizit erwähnt wurden, verdankte
sich deren administrativen und politischen Aufgaben. Das Fehlen des
Namens Karl Renner signalisierte die politische Ablehnung seiner
Person durch die KPÖ. Diese Haltung der KPÖ nahm eine
Schwächung der im April 1945 gebildeten österreichischen Regierung
aus ihrer vermeintlichen Position der Stärke heraus in Kauf. Der
zentrale politische Punkt jenseits aller Differenzen zwischen den
Parteien war freilich die Anerkennung der provisorischen Regierung
durch alle Alliierten, denn ohne die Anerkennung der provisorischen
Regierung Renner seitens der westlichen Alliierten konnte es keine
offiziellen Kontakte geben, damit auch keine solchen, die den
wissenschaftlichen Neubeginn des Landes unterstützten. Die Aner-
Wolfgang L. Reiter
20
kennung der Regierung Renner durch die westlichen Alliierten erfolgte dann am 20. Oktober 1945; als die Broschüre zur Londoner
Konferenz am 3. November erschien, war sie vom Lauf der Geschichte bereits überholt. Das konkrete Ergebnis der Londoner Konferenz
ließ sich in wenigen Zeilen formulieren:
At the end of the meeting it was announced that a committee of
British men of science is being formed to implement suggestions
for practical help. In particular, the committee will at the present
stage concentrate on the question of the supply of literature. 52
British Books for Austria
Zur Umsetzung dieser Empfehlung der Londoner Konferenz wurde im
Mai 1946 ein Aufruf ‘British Books for Austria’ des neugegründeten
‘The Anglo-Austrian Scientists’ Committee’ verfasst. Die Namen von
Patrons, Sponsors of the Appeal und Members dienten als kulturelles
Kapital auf dem Briefpapier des Committee dem guten Zweck; Broda
zeichnete als Hon. Sec., womit einmal mehr seine Rolle bei den
Aktivitäten der Association dokumentiert wird. Die Literaturspendenaktion zielte auf das Durchbrechen der Isolation v. a. gegenüber
der angelsäsischen wissenschaftlichen Literatur, die über sieben Jahre
in Österreich kaum zugänglich war.
The supply to Austria of at least one or two copies of essential
books, and of one or two sets of the most important periodicals
would be very desirable. It would help to break the monopoly
which German literature has so far held in Central Europe.
Broda entfaltete daraufhin einen regen Briefwechsel, um Geld- und
Bücherspenden von britischen Freunden zu erbeten und knüpfte
Verbindungen mit Wien an – mit den bereits nach Wien zurückgekehrten Karl Przibram und Hans Thirring –, um die Bedürfnisse der
Bibliotheken zu erkunden. Thirring verfasst dazu im Jänner 1947
einen ‘Bericht über die Notlage der österreichischen Hochschulbibliotheken’:
Durch die angeführten Verhältnisse ist das wissenschaftliche
Arbeiten äußerst erschwert, ja beinahe unmöglich. Es steht daher
sehr zu befürchten, da[ß] hierdurch – sowie durch den
Massenandrang der Studierenden – das österreichische wissenschaftliche Niveau in kurzer Frist äußerst tief sinken wird.53
Wissenschaft im Exil
21
Eine grössere Geldspende kam von Hans von Halban jun., wie Broda
dankbar bemerkt, und O. R. Frisch spendete zum Jahreswechsel
1946/47 5 Pfund; die Zeitschriftenbestellungen liefen langsam an, u. a.
Nature, Physical Review und Proceedings of the Royal Society
(Section A) wurden über die Vertretung der österreichischen Bundesregierung in London weitergeleitet. Von großem Erfolg war die
Aktion jedoch nicht begleitet, wie Broda bedauert: ‘Leider war die
Spendefreudigkeit unserer britischen Freunde nicht so groß wie
erwartet.’54
‘British Books for Austria’ war die letzte Aktivität der
Association in der britischen Öffentlichkeit. Die Association war noch
bis 1947 aktiv; im Juni 1946 wurde ein Bulletin publiziert mit
Artikeln von F. Ehrenfest-Egger, E. Abel, F. Singer, E. Broda, F.
Eirich and A. Klein, das letzte schriftliche Zeichen ihrer Aktivitäten.
Die Vortragstätigkeit dauerte etwas länger an: Zwischen September
und Jahresende 1945 wurden noch elf Vorträge veranstaltet.55 Am 15.
Januar 1946 schloss das Austrian Centre. Nun galt es zu entscheiden,
ob man nach Österreich zurückkehren, weiterwandern oder in dem
Land bleiben solle, das den meisten zur neuen Heimat geworden war.
Nach Erhebungen der britischen Behörden befanden sich im Oktober
1945 16 086 österreichische Zivilisten in Großbritannien.56
Remigration
Die für das FAM und damit auch für die Mitglieder der Association
drängende Frage der Remigration wurde von der politischen
Einstellung zur Rückkehr nach Österreich geprägt. Jene, die nach
Aufhebung der Rückreisebeschränkungen durch die britischen
Behörden ab Mitte 1946 remigrierten, waren – neben den Kadern der
KPÖ – überwiegend die im Young Austria sozialisierten und dort zur
Remigration motivierten jungen Exilanten. Die fehlende Bereitschaft
der österreichischen Bundesregierung und der forschungspolitisch
Verantwortlichen, vertriebene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Rückkehr einzuladen (mit den bekannten Ausnahmen des
KPÖ-Stadtrats für Kultur und Volksbildung in Wien, Dr. Viktor
Matejka, und des KPÖ-Staatssekretärs für Unterricht, Ernst Fischer),
ist zwar aus politisch-moralischer Sicht zu verurteilen, hatte jedoch
auf die reale Remigrationbereitschaft keinen Einfluss.57
Dennoch blieb die Remigration von vertriebenen Wissenschaftlern und Technikern nach Österreich marginal und für das
22
Wolfgang L. Reiter
universitäre System lediglich in Einzelfällen von Bedeutung. Eine
aktive Politik der Rückberufung vor allem junger aus Österreich
vertriebener Wissenschaftler war nicht im Interesse der konservativen
bzw. reaktionären Eliten. Die nach 1945 geänderten Herausforderungen an die Wissenschaft, die wachsende Bedeutung von Forschung
und Entwicklung für die nationalen Innovationssysteme, wurden von
den politischen Entscheidungsträgern nicht erkannt. Eine zutiefst
konservative Hochschulpolitik knüpfte vielmehr an die Zeit von vor
1938 an und mündete in die bereits eingangs erwähnte Selbstprovinzialisierung des Wissenschaftssystems bis in die Zeit der
1960er-Jahre.
Einige wenige Beispiele der wissenschaftlichen Emigration in
Großbritannien und der Assocation verdeutlichen, dass die Assimilation im Exil bevorzugt wurde: O. R. Frisch erhielt einen Lehrstuhl in
Cambridge, H. von Halban jun. und H. Motz erhielten Positionen in
Oxford, F. Ehrenfest-Egger blieb in London, A. Stock ging nach
Australien, lediglich Broda kehrte 1947 nach Wien zurück.58 Die
sozialdemokratisch orientierten Naturwissenschaftler und Techniker,
Rudolf Kompfner, Kurt Hoselitz, Hans Motz, die Sozialwissenschaftlerin Marie Jahoda und viele andere, die der Politik des FAM
reserviert gegenüberstanden, fanden beste Bedingungen für akademische Karrieren in Großbritannien oder in den USA. Die
persönlichen und politischen Präferenzen, die individuellen sozialen
Dimensionen und die Möglichkeiten einer wissenschaftlichen Karriere
nach 1945 waren für die Emigrantinnen und Emigranten ineinander
verwoben und beeinflussten insofern deren Bereitschaft zur Remigration bzw. zur Assimilation.
Die Erwartungen der Emigranten in Großbritannien, soweit
sie sich mit den politischen Zielen des FAM identifizierten bzw.
Mitglieder der KPÖ waren, politisch beim Wiederaufbau Österreichs
an maßgeblicher Stelle mitwirken zu können, zerschlugen sich am Tag
der ersten Wahl zum Parlament des befreiten Österreich am 25.
November 1945. Die KPÖ sah sich mit knapp über fünf Prozent der
Stimmen marginalisiert.
Zusammenfassend lassen sich die Aktivitäten der Association
(wie auch des FAM) in ihren politischen Ausrichtungen den
folgenden, sich teilweise überlappenden Perioden zuordnen: (1) social
effort (1938-1945): Unterstützung bei der beruflichen und sozialen
Integration im Exilland, (2) war effort (1942-1945): Unterstützung des
Exillandes bei den Kriegsanstrengungen im zivilen und militärischen
Bereich, (3) nation building effort (1943-1945): Propaganda für ein
Wissenschaft im Exil
23
freies, selbstständiges und demokratisches Österreich, (4) reconstruction effort (1943/44-1945): Planungen für den Wiederaufbau
Österreichs.
Während die Perioden (1) und (2) als Charakteristika von
Exilgruppen in den Exilländern der Alliierten zu bezeichnen sind,
zielten die Aktivitäten der Perioden (3) und (4) politisch auf die
Selbstständigkeit Österreichs als zentrale Botschaft der KPÖ-Politik in
der (englischen) Emigration. Es ist nicht verwunderlich, dass die
Association mit ihrem Anspruch, den Neubeginn des wissenschaftlichen Lebens in Österreich zu beeinflussen, erst in der
kritischen Phase nach Ende des Krieges diesen in einer breiten
wissenschaftlichen Öffentlichkeit vertreten und artikulieren konnte.
Denn bis 1945 hatte der war effort die Kräfte der scientific community
in Großbritannien gebunden, die nun – wie die Londoner Konferenz
beweist – nach Ende des Krieges für eine weitgehend symbolische
Unterstützung von ‘Science in Austria’ mobilisierbar wurden. Allerdings war das wissenschaftliche und vor allem das universitäre
System Großbritanniens durch die Kriegsjahre personell und finanziell
so geschwächt, dass es bei dieser Konferenz für die österreichischen
Emigranten nicht mehr als good will und freundliche Worte ‘in
support of the restoration of science in Austria’ erbringen konnte.
Die im englischen Exil erworbenen Erfahrungen remigrierter
österreichischer Wissenschaftler waren prägend für ihre Interventionen nach ihrer Rückkehr nach Österreich, neue Konzepte für die
Verbesserung des Wissenschaftsystems in Österreich zu formulieren.
Ein marxistisch begründetes Verständnis der Bedeutung von
Forschung und technologischer Entwicklung als entscheidende
Produktivkräfte der gesellschaftlichen Entwicklung und der in den
Exilländern erfahrene Stellenwert von Naturwissenschaften und
Technik lieferten den Remigranten nach 1945 das intellektuelle
Rüstzeug für Konzepte einer Modernisierung der naturwissenschaftlich-technischen Entwicklung in Österreich. Broda erkannte sehr
früh die Notwendigkeit der Forschungsförderung, die in einer Enquete
unter dem Vorsitz des Wiener Bürgermeisters Theodor Körner (18731957) erstmals 1948 diskutiert und mit einer zeitlichen Verzögerung
von fast zwanzig Jahren schließlich in den späten Sechzigerjahren mit
der Gründung des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen
Forschung und des Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche
Wirtschaft 1967 realisiert wurden. Broda, Frank, Löw-Beer und der
ihnen freundschaftlich und politisch verbundene Nationalökonom
Theodor Prager (1917-1986, Vorsitzender der ‘National Union of
Wolfgang L. Reiter
24
Austrian Students in Great Britain’ des FAM, Remigration 1945)
erarbeiteten Memoranden zur Forschung und zur technologischen
Entwicklung, die deren unbestreitbare Position in einem modernen
Industriestaat hervorheben.59 Das 1946 gegründete Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK) bot dafür die Diskussionsplattform. Die
‘Säuberung’ des IWK von KPÖ-Migliedern im Jahre 1953 durch die
dort führenden sozialistischen Funktionäre betraf nicht zuletzt die
wenigen aus der Emigration zurückgekehrten Wissenschaftler.60 Die
seinerzeitigen Auseinandersetzungen zwischen den Emigranten des
Austrian Centre und des London Bureau of the Austrian Socialists in
Great Britain61 waren nun im heimischen ‚Kalten Krieg’ angekommen.
Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DÖW, der Österreichi-schen
Zentralbibliothek für Physik, und des Archivs der Österreichi-schen
Akademie der Wissenschaften, sowie Frau Dr. Juliane Mikoletzki, Archiv der
Technischen Universität Wien und Frau Barbara Wolf, Einstein Archive,
Jerusalem sei für ihre Hilfe bei der Beschaffung von Archivmaterial
herzlichst gedankt. Dr. Reinhard Schurawitzki, Wien, bin ich für seine
ermutigende Mithilfe bei der Abfassung dieser Arbeit verpflichtet. Dr. Robert
Rosner und Dr. Otto Suschny, beide Wien, gaben mir wertvolle Hinweise
und Anregungen. Dr. Andrea Reiter, University of Southampton, gilt mein
besonderer Dank für die sorgfältige editorische Betreuung und die
zahlreichen konstruktiven Kommentare und Anregungen.
Anmerkungen
1
Helene Maimann, Politik im Wartesaal. Österreichische Exilpolitik in Großbritannien 1938-1945 (Wien: Böhlau Verlag, 1975).
Österreicher im Exil. Großbritannien 1938 – 1945. Eine Dokumentation. Einleitung,
Auswahl und Bearbeitung: Mag. Dr. Wolfgang Muchitsch (Hg.) (Wien: Österreichischer Bundesverlag, 1992). Im weiteren zitiert als Österreicher im Exil.
2
3
Marietta Bearman/Charmian Brinson/Richard Dove/Anthony Grenville/Jennifer
Taylor, Wien – London, hin und retour. Das Austrian Centre in London 1939 bis 1947
(Wien: Czernin Verlag, 2004). Idem, Out of Austria. The Austrian Centre in London
in World War II. (London-New York: Tauris Academic Studies, 2008).
Wissenschaft im Exil
25
Christian Fleck, ‘Autochthone Provinzialisierung. Universität und Wissenschaftspolitik nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich’, in:
Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 7. Jg. 1996, S. 67-92.
4
5
Internationales Symposiums zur Erforschung des österreichischen Exils von 1934
bis 1945. Veranstaltet vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands
gemeinsam mit der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur.
6
DÖW/Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Hrsg.), Österreicher im Exil 1934 bis 1945. Protokoll des Internationalen Symposiums zur
Erforschung des österreichischen Exils von 1934 bis 1945. Red.: Helene Maimann
und Heinz Lunzer (Wien: Österreichischer Bundesverlag, 1977).
7
Vertriebene Vernunft II. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft. Intern.
Symposion 19. bis 23. Oktober 1987 in Wien. Friedrich Stadler (Hg.) (Wien–
München: Jugend und Volk, 1988). (Unveränderte Neuauflage: Teilband 1, (Münster:
LIT Verlag, 2004.))
Engelbert Broda, ‘Österreichische Naturwissenschaften im Exil’, in Österreicher im
Exil 1934 bis 1945 (Anm. 2), S. 577ff. Erweiterte Fassung 1971 für das DÖW:
‘Notizen zur Rolle der österreichischen Wissenschafter in der Emigration’. DÖW
19.533 und Österreichische Zentralbibliothek für Physik, Broda-Archiv Nr. 341.
8
9
Österreicher im Exil (Anm. 2), S. 8.
10
Ibid., S. 8.
11
Zeitspiegel, London, Nr. 40, 3. 10. 1942, DÖW Bibliothek 3001. Österreicher im
Exil (Anm.2), S. 142.
12
Archiv der Republik. Gz. 110.388-pol/46. Staatskanzlei, Auswärtige Angelegenheiten. Free Austrian World Movement – Listen österr. Emigranten in
Spezialberufen, die Rückkehr nach Österreich anstreben. Schreiben des F. A. W. M.
[Free Austrian World Movement, konstituiert im März 1944] vom 11.9.1945.
‘The Austrian Centre was founded in 1939 on the initiative of Austrian communists
und comprised about 2600 (other sources 3500) members, among them 100 to 120
communists.’ [probably after begin of 1943] Note de Bureau No. 50 des FO
(undatiert): Studie über die politischen Aktivitaeten der oesterreichischen Emigration
in England, S. 9. DÖW 11.630 and DÖW 1011.
13
14
Österreicher im Exil (Anm. 2), S. 164-174. A Declaration of the Austrian
Associations in Great Britain was issued on December 3rd, 1941, signed by 11
organisations which subsequently led to the foundation of the FAM (Foreign Office,
Public Record Office 371 26539, DÖW 9969). With its 14 district organisations FAM
counted about 7000 members (DÖW 1011).
15
Public Office Record, DÖW 11.630.
26
Wolfgang L. Reiter
16
Note de Bureau No. 50, DÖW 11.630. Eine FAM Ortsgruppe Cambridge wurde
von Broda in Februar 1942 gegründet und er war FAM-Repräsentant der “Eastern
area” (Essex, Norfolk, Suffolk, Bedfordshire, Hertfordshire, Huntingdonshire).
17
Nature, 149, No. 3786, May 23, 1942, S. 577. Ein leicht differierender Titel
‘Association of Austrian Engineers, Technicians, Chemists and Scientific Workers’
findet sich in Österreicher im Exil (Anm. 2), S. 171.
18
Friedrich Johannes Ehrenfest-Egger wurde am 13.3.1893 in Berlin geboren
(zuständig nach Wien), als Sohn des Kommerzialrates und Zivilingenieurs Arthur
Ehrenfest-Egger. Er absolvierte die Realschule in Wien IV. und studierte von 19101919 Maschinenbau an der (k.k.) Technischen Hochschule in Wien. 1912/13
absolvierte er sein Einjährig-Freiwilligen-Jahr bei der k.u.k. reitenden ArtillerieDivision Nr. 1 in Wien, 1914-1918 war er eingerückt. Nach Besuch eines sog.
‘Kriegskurses’ im WS 1918/19 (Überbrückungskurs für Kriegsteilnehmer) schloss er
am 18.7.1919 sein Studium mit der Ablegung der II. Staatsprüfung ab. Am 28.2. 1948
wurde ihm eine Diplom-Bescheinigung ausgestellt. Archiv der Technischen
Universität Wien. Weitere Quelle (gesperrt): F. Ehrenfest-Egger, The National
Archives, Kew, UK, HO 405/12052:
http://www.nationalarchives.gov.uk/catalogue/displaycataloguedetails.asp?CATLN=6
&CATID=8055790&FullDetails=True&Gsm=2008-02-12&j=1.
Das sind die bislang spärlichen Informationen zur Person von Ehrenfest-Egger. Vgl.
dazu auch Brief von Dr. Fritz Ehrenfest-Egger, London, vom 1. 9. 1953 an Albert
Einstein. Einstein Archive, Jerusalem, Dokument 5-137. In diesem Brief stellt sich
Ehrenfest-Egger als Neffe des österreichischen Physikers Paul Ehrenfest vor.
19
Fritz Bild war in London liiert mit Mrs. Douglas, neé Lelewer, der Tochter des
Präsidenten der legitimistischen Austrian League, Dr. Georg Lelewer, dem
vormaligen k. und k. General-Auditor und Richter beim Obersten Gerichtshof. Die
League war bis zum Austritt im August 1943 Mitglied des FAM und Lelewer
Ehrenpräsident.
20
Klara Hilfreich war zugleich Mitglied des Vorstands des Austrian Centre. Die
Adresse des Büros der Association war 133, Hatherley Court, London W. 2.
21
Nature, 149, No. 3786, May 23, 1942, S. 577.
22
Österreicher im Exil (Anm. 2), S. 76f.
23
Free Austria, London, Februar 1942. DÖW Bibliothek 3021/1. Österreicher im Exil
(Anm. 2). S. 482.
E. Broda, ‚Das Jahr 1938 und die Naturwissenschaften in Österreich’. Manuskript,
S. 2. DÖW 13.143. Idem, Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 2 (1978), S. 230-236.
24
25
Zeitspiegel, London, Nr. 27, 8. 7. 1944. DÖW Bibliothek 3001. Österreicher im
Exil (Anm. 2), S. 484f.
Wissenschaft im Exil
27
26
Interview mit Erich Schindel über die Association of Austrian Doctors, 23. 8. 1984.
DÖW, Erzählte Geschichte, Interviewabschrift 170. Österreicher im Exil (Anm. 2), S.
485f.
27
Zeitspiegel, London, Nr. 31, 4. 8. 1945. DÖW Bibliothek 3001. Österreicher im
Exil (Anm. 2). S. 488f.
28
Ibid., Nr. 27, 8. 7. 1944. DÖW Bibliothek 3001. Österreicher im Exil (Anm. 2), S.
485.
29 Ibid., No. 31, 4. 8. 1945, S. 4. DÖW Bibliothek 3001. Löw-Beer: “Vorbereitungen,
die zur Wiederanknüpfung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen sowie des
Fremdenverkehrs getroffen werden können.” Hilfreich: “Frau Hilfreich berichtete im
Namen der Vereinigung der Ingenieure, Techniker und Chemiker über einen Plan, die
Unterstützung der britischen wissenschaftlichen Institutionen für den Wiederaufbau
der wissenschaftlichen Tätigkeiten in Österrreich zu gewinnen. Namhafte österreichische Wissenschaftler im Ausland wie Prof. Schrödinger[,] Prof. Przibram, Prof.
Hess, Prof. Hermann Mark und andere haben bereits ihre Mitarbeit zugesagt.”
30
Austrian News. Monthly Bulletin of the Austrian Centre, July 1942. DÖW
Bibliothek 3057/A/18. Österreicher im Exil. S. 295.
Engelbert Broda, ‚Wissenschaft, Emigration und Exil. Reflexionen und Erinnerungen’, in Vertriebene Vernunft II. (Anm. 7), S. 681-692.
31
32
Österreichische Zentralbibliothek für Pysik, Broda-Archiv, Box 1, File 2. Das DSIR
war ab 1941 koordinierend zuständig für das britische Reaktor (‘power’)- und das
Bombenprojekt.
33
Ibid.
34
Brodas Bemerkung könnte dahingehend interpretiert werden, dass er am Cavendish
Laboratory in der Gruppe um Hans von Halban jun. und Lew Kowarski, beide
ehemalige Mitarbeiter von Pierre Joliot in Paris, die im Juni 1940 mit 26 Kanistern
schwerem Wasser nach Großbritannien kamen, arbeitete. Die beiden hatten – in
Fortsetzung ihrer Pariser Arbeiten – mit Messungen am Cavendish Laboratory im Mai
1941 gezeigt, dass die Kettenreaktion in natürlichem Uran mit langsamen Neutronen
moderiert durch schweres Wasser divergent ist. Vgl. dazu Andrew Brown, The
Neutron and the Bomb. A Biography of Sir James Chadwick (Oxford-New YorkTokyo: Oxford University Press, 1977), S. 209.
35
Margaret Gowing, Britain and Atomic Energy 1939-1945 (London: Macmillan,
1964).
Die Mitarbeit von emigrierten Wissenschaftlern – enemy aliens – am britischen
Atombombenprogramm wird insofern verständlich, als britische Wissenschaftler zu
dieser Zeit schon überwiegend mit anderen kriegswichtigen Forschungen beschäftigt
36
28
Wolfgang L. Reiter
waren (Radar, magnetische Minen, U-Bootabwehrsystemen etc.) und die Rekrutierung von Exilanten den ‘war effort’ stärkte.
37
Vgl. dazu http://www.mi5.gov.uk/output/engelbert-broda.html. (Zuletzt besucht am
5. Jänner 2010).
38
John Earl Haynes, Harvey Klehr, and Alexander Vassiliev, Spies: The Rise and Fall
of the KGB in America (New Haven and London, Yale University Press, 2009), S. 6470.
39
Ein ausführlicher Kommentar zu dem Löw-Beer betreffenden file ref KV 2/21812190 ist auf der webpage des MI5 abrufbar:
http://www.mi5.gov.uk/output/communists-and-suspected-communists.html (Zuletzt
besucht am 5. Jänner 2010).
E. Broda, ‚Wissenschaft, Emigration und Exil. Reflexionen und Erinnerungen’, in
Vertriebene Vernunft II (Anm. 7), S. 688-692.
40
41
Zeitspiegel Nr. 41, 12. 10. 1945. DÖW Bibliothek 3001.
42
DÖW 11.988.
Vgl. dazu auch E. Broda, ‚Restoration of Science in Austria’. Nature, Vol. 157, No
3976, January 12, 1946, S. 53-54.
43
44
Przibram war bis zur Wiedererrichtung der offiziellen konsularischen und
diplomatischen Vertretungsbehörde in Belgien mit der Wahrnehmung der österreichischen Interessen vor Ort betraut. Dies wird in einem Schreiben der Staatskanzlei/auswärtige Angelegenheiten vom 27. 11. 1945 (Zl. 2001-pol/1945) an
Przibram nach Bruxelles bestätigt. DÖW 520A.
E. Broda‚ ‘Notizen zur Rolle der österreichischen Wissenschafter in der Emigration’. DÖW 19.533, S. 4.
45
46
Science in Austria. Leaflet, Presented on the Occasion of the Meeting of British and
Austrian Scientists in Support of the Restoration of Science in Austria. November
3rd,1945. Chemical Society, Burlington House, London, S. 7. DÖW 6504.
47
Leaflet, S. 9-10.
Wolfgang L. Reiter, ‘Österreichische Wissenschaftsemigration am Beispiel des
Instituts für Radiumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften’, in
Vertriebene Vernunft II. (Anm. 7), S. 709-729. Idem, ‘Stefan Meyer: Pioneer of
Radioactivity’, in Physics in Perspectives, Vol. 3, No.1 (2001) 106-127. Idem,
‘Zerstört und vergessen: Die Biologische Versuchsanstalt und ihre Wissenschaftler/innen’ in Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften, 10. Jg.,
Heft 4/1999, S. 585-614.
48
Wissenschaft im Exil
29
49
Vgl. dazu Enzo Traverso, Auschwitz denken. Die Intellektuellen und die Shoah
(Hamburg: Hamburger Edition, 2000).
50
Science in Austria. Leaflet, a. a. O., S. 16-22. DÖW 6504.
51
Leaflet, S. 21-22.
E. Broda, ‚Restoration of Science in Austria’. Nature, Vol. 157, No3976, January
12, 1946, S. 54.
52
53
DÖW 6504.
E. Broda‚ ‘Notizen zur Rolle der österreichischen Wissenschafter in der Emigration’. DÖW 19.533, S. 7.
54
55
Ibid.
56
Österreicher im Exil (Anm. 2), S. 597.
Wolfgang L. Reiter, ‘Naturwissenschaften und Remigration’, in Sandra WiesingerStock, Erika Weinzierl und Konstantin Kaiser (Hg.), Vom Weggehen. Exil aus
heutiger Sicht (Wien: Mandelbaumverlag, 2005), S. 177-218.
57
58
Broda kam am 6. Juni 1947 nach Österreich zurück und fand eine Position als
Ministerialsekretär im Bundesministerium für Elektrifizierung und Energiewirtschaft
unter Bundesminister Karl Altmann (KPÖ, Bundesminister 1945-1947), in dem auch
der aus der Schweizer Emigration zurückgekehrte Mathematiker und Techniker
Wilhelm Frank (1916-1999) als Leiter der Abteilung für Planung und Studien und der
aus Großbritannien remigrierte Elektrotechniker Gustav Hammerschlag (1892-1966)
als Sektionsleiter tätig waren. Obwohl Broda, der sich 1948 an der Universität Wien
für physikalische Chemie habilitierte, schon 1955 zum tit. a.o. Professor an dieser
Universität ernannt wurde, wurde er erst 1963 in ein Dienstverhältnis der Universität
Wien übernommen; 1968 Ernennung zum ordentlichen Professor für angewandte
physikalische Chemie und Radiochemie am Institut für Physikalische Chemie.
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Denkschrift über die Entwicklungsmöglichkeiten der österreichischen Technik und
die Lage der technischen Intelligenz. Herausgegeben von: Arbeitsgemeinschaft
“Entwicklungsmöglichkeiten der österreichischen Technik“ (Wien: Deuticke Verlag,
1955). Theodor Prager, Forschung und Entwicklung in Österreich (Wien, Verlag des
Österreichischen Gewerkschaftsbundes, 1965). Zu dieser Gruppe gehörte auch der
Psychoanalytiker und Philosoph Walter Hollitscher, der im FAM aktiv war. Weiters
zu nennen sind die Nationalökonomen Eduard März (Remigration aus den USA 1953)
und Kurt Rothschild (Remigration aus Großbritannien 1947).
Wilhelm Frank, ‚Emigration österreichischer Techniker/innen’. (Erweiterte Fassung
eines im Inst. für Wissenschaft und Kunst am 20. 1. 1987 zu haltenden Vortrages),
Typoskript im Archiv des Verf., S. 37. An der Beendigung der Aktivitäten von E.
Broda am IWK waren u. a. sein Bruder Christian Broda (1916-1987) und Leopold
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Wolfgang L. Reiter
Zechner (1884-1968), geschäftsführender Präsident des Stadtschulrats Wien (19451960) und Abgeordneter zum Nationalrat (SPÖ) beteiligt. Zechner war ein
Verwandter der ungarischen Linie der Familie Broda. Dieser „Hinauswurf“ von E.
Broda unter Mitwirkung seines Bruders Christian trug wesentlich zur langjährigen
Entfremdung zwischen den beiden bei. (Persönliche Mitteilung Paul Broda vom 16. 5.
2010 an den Verfasser.).
Vgl. dazu Anthony Grenville, ‘Zeit der Prüfung, Zeit der Taten, Zeit des Triumpfes
und der Illusionen. Die politischen Tätigkeiten des Austrian Centre, in Marietta
Bearman/Charmian Brinson/Richard Dove/Anthony Grenville/Jennifer Taylor (Hg.),
Wien – London, hin und retour, S. 20-61. Idem in Out of Austria S. 23-52 (beide:
Anm.3).
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