DDR Patria Nostra? Die „Heimkehr“ von deutschen ehemaligen

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DDR Patria Nostra?
Die „Heimkehr“ von deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären aus der Demokratischen Republik
Vietnam in die Deutsche Demokratische Republik in der
ersten Hälfte der Fünfziger Jahre (1951-1956):
Von der Öffentlichkeit in die Staatssicherheit
Coreline Boot
Research Master „History: Cities, States, and Citizenship“
Universiteit Utrecht/Humboldt-Universität zu Berlin
Berlin, den 10. August 2008
Inhaltsverzeichnis
Danksagung…………………………………………………………………………………….5
Glossar und Abkürzungsverzeichnis…………………………………………………………...6
Einleitung………………………………………………………………………………………8
Teil I: Die Ehemaligen Fremdenlegionäre in der Öffentlichkeit
Kapitel I: Die DDR als „das zweite Deutschland“ 1945-1955
Par. 1. Von der SBZ zur DDR 1945-1949…………………………………………………….21
Par. 2: Die Gründung und Entwicklung der DDR 1949-1955……………………………….24
Par. 3 Die internationalen Ausgangspositionen der DDR und der BRD am Anfang der
Fünfziger Jahre……………………………………………………………………………….29
Par. 4 Die Entwicklungen in der BRD in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre…………….30
Par. 5 Die Westarbeit der DDR………………………………………………………………33
Par. 6 Die ideologische und propagandistische Rechtfertigung der Westpolitik nach
innen…………………………………………………………………………………………..38
Zusammenfassung………………………………………………………………………….…39
Kapitel II: Die Organisation und der Vollzug der Heimkehrer-Transporte durch die DDR
1950-1956
Par. 1 Deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in der DRV 1945-1950……………………...41
Par. 2 Die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der DRV… ……………………………43
Par. 3 „Operation Heimkehr“: Die Vorbereitung der Heimkehrer-Transporte……………..50
Par.4 Die Heimkehrer-Transporte 1951-1956……………………………………………….56
Par. 5 Die Ankunft in Quarantänelager Bischofswerda……………………………………...58
Zusammenfassung…………………………………………………...………………………..63
Kapitel III: Der Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und die Aufarbeitung
des Themas „deutsche ehemalige Fremdenlegionäre“ in der Öffentlichkeit
Par. 1 Die Aufarbeitung in den Medien………………………………………………………65
2
Par. 2 Die Aufarbeitung in der Repräsentation………………………………………………75
Par. 3 Die Aufarbeitung in der DDR-Literatur………………………………………………76
Par. 4 Das Engagement der gesellschaftlichen Organisationen……………………………..80
Zusammenfassung…………………………………………………………………….………86
Teil II: Die ehemaligen Fremdenlegionäre in der Staatssicherheit
Kapitel IV: Der Staatssicherheitsdienst in der DDR in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre
Par 1. Die Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit…………………………………89
Par.2 Die Inoffiziellen Mitarbeiter…………………………………………………………...94
Par. 3 Die Hauptabteilung II: Spionageabwehr……………………………………………...98
Zusammenfassung…………………………………………………………………………...101
Kapitel V: Der Aufenthalt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR
Par. 1 Die Betrachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch die DDR……102
Par. 2 Die Integration der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre……………..……….108
Zusammenfassung…………………………………………………………………………...110
Kapitel VI: Die Bemühung des Ministeriums für Staatssicherheit
Par. 1 Die Gründe der Staatsicherheit sich mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären
zu beschäftigen………………………………………………………………………………112
Par. 2 Die Beobachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch die
HA II/3..................................................... ...............................................................................116
Par. 3 Der Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre für die HA II/3………….121
Zusammenfassung…………………………………………………………………………...130
Fazit………………………………………………………………………………………….132
Literatur- und Quellenverzeichnis…………………………………………………………...139
Anhänge
I Einsätze der französischen Fremdenlegion………………………………………………..145
II Deutsche in der Fremdenlegion…………………………………………………………..147
3
III Der Ministerratsbeschluss vom 2.2.1950…………………..……………………………148
IV Die Heimkehrer-Transporte 1951-1956…………………………………………………150
V Die Zahlen der republikflüchtigen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre 19511956…………………………………………………………………………………………151
VI Organigramm der Struktur der HA II des Ministeriums für Staatssicherheit im Jahre
1958………............................................................................................................................155
4
Danksagung
Diese Master-Arbeit konnte nur mit der Hilfe vieler Personen in den Niederlanden und in
Deutschland verfasst werden. An erster Stelle möchte ich meinem Betreuer an der Universität
Utrecht, Prof. Dr. Jan Hoffenaar, für seine hilfreiche Betreuung danken. Trotz dem Abstand
zwischen Utrecht und Berlin war er immer in der Lage, durchdachte Kommentare
beizusteuern und meine Fragen zu beantworten. In Deutschland standen mir verschiedene
Historiker für Fragen in Bezug auf mein Thema zur Verfügung. Ich bedanke mich bei Oberst
Dr. Winfried Heinemann vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam und bei
Prof. Dr. Gerd Dietrich von der Humboldt-Universität zu Berlin.
Ohne die Hilfe der fachkundigen Mitarbeiter in den Berliner Archiven hätte meine Forschung
nicht so rasch voran kommen können. Im Bundesarchiv Berlin war mir zu Anfang meiner
Recherche Frau Kerstin Risse sehr behilflich. Herr Ulrich Geyer gab mir im Politischen
Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin wichtige Hinweise zu Akten. Schließlich hat es Herr
Frank Zwicker beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes
geschafft, in unerforschtem Quellenmaterial die Akten zu meinem Thema herauszusuchen.
Ich bedanke mich auch beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Dank
meines Stipendiums war ich in der Lage, das letzte Jahr meines Research Master an der
Humboldt-Universität zu studieren und darüber hinaus meine Master-Arbeit in Berlin zu
schreiben. In diesem Rahmen danke ich auch Frau Dr. Beatrice de Graaf, heute tätig beim
Center for Terrorism and Counterterrorism in Den Haag, vorher tätig an der Universität
Utrecht. Ihr großer Einsatz und ihre Hingabe trugen zum Erhalt meines Stipendiums bei.
Ein Wort des Dankes gebührt auch Herrn Ingo Landwehr, der die große Aufgabe auf sich
nahm, meine Master-Arbeit sprachlich zu lektorieren.
An letzter Stelle bedanke ich mich bei meiner Familie und meinen niederländischen und
deutschen Freunden, die nicht nur während meiner Master-Arbeit, sondern auch in
schwierigen Zeiten immer für mich da waren, mich motivierten haben und geduldig an mich
glaubten.
5
Glossar und Abkürzungsverzeichnis
ADN
Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst
A.L.E.F.
Anciens Légionnaires Étrangères Français
BArch
Bundesarchiv
BRD
Bundesrepublik Deutschland
B.S.L.E.
Bureau Secret de la Légion Étrangère
BStU
Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik
COMECON
Council of Mutual and Economic Assistance
CDU
Christlich Demokratische Union Deutschlands
CSSR
Tschechoslowakische Sozialistische Republik
DBD
Demokratische Bauernpartei Deutschlands
DDR
Deutsche Demokratische Republik
DFD
Demokratischer Frauenbund Deutschlands
DM
Deutsche Mark
DRV
Demokratische Republik Vietnam
DVdI
Deutsche Verwaltung des Innern
DWK
Deutsche Wirtschaftskommission
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohlen und Stahl
EVG
Europäische Verteidigungsgemeinschaft
FDGB
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund
FDJ
Freie Deutsche Jugend
GI
Geheimer Informant
GM
Geheimer Mitarbeiter
HA
Hauptabteilung
HM
Hauptamtlicher Mitarbeiter
HV
Hauptverwaltung
IM
Inoffizieller Mitarbeiter
K5
Kommissariat 5
KPD
Kommunistische Volkspartei Deutschlands
KVP
Kasernierte Volkspolizei
6
KW
Konspirative Wohnung
LDPD
Liberal Demokratische Partei Deutschlands
MdI
Ministerium des Innern
MfAA
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten
MfS
Ministerium für Staatssicherheit
MGB
Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR
NATO
North Atlantic Treaty Organisation
NDPD
National-Demokratische Partei Deutschlands
NSDAP
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
NVA
Nationale Volksarmee
Pol. Arch.AA
Politisches Archiv des Ministeriums für
Auswärtige Angelegenheiten
Politbüro
Politisches Büro
RGW
Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe
RIAS
Rundfunk im amerikanischen Sektor
SAG
Sowjetische Aktiengesellschaft
SAPMO
Stiftung Archiv der Parteien und
Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv
SBZ
Sowjetische Besatzungszone
SED
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
SKK
Sowjetische Kontrollkommission
SMAD
Sowjetische Militäradministration in Deutschland
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
SS
Schutzstaffel
UdSSR
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
UNO
United Nations Organisation
USA
Vereinigte Staaten von Amerika
VfgB
Vereinigung für gegenseitige Bauernhilfe
WEU
Westeuropäische Union
ZK
Zentralkomitee
7
Einleitung
,,Legio Patria Nostra”
Die Legion ist unser Vaterland. So lautet der Leitspruch der französischen Fremdenlegion, die
1831 gegründet wurde und noch immer besteht. Der Anlass zur Gründung war der Tod
Ludwigs XVIII im Jahre 1824, der nach der absolutistischen Herrschaft Napoleons die
Monarchie wiedereingeführt hatte. Nach seinem Tod wurde sein Brüder Karl X der neue
König Frankreichs. Auf Grund seiner absolutistischen Neigung leisteten in den 1820er Jahren
immer mehr Franzosen Widerstand gegen diesen Bourbonen-König. Demzufolge trauten sich
die Bourbonen nicht, Franzosen in ihre Armee aufzunehmen. Stattdessen beriefen sie sich auf
die vielen Flüchtlingen, die auf Grund der Aufstände in ganz Europa aus unterschiedlichen
Ländern nach Frankreich gekommen waren. Diese Zusammenarbeit konnte jedoch die
Kulmination des Widerstandes in der Juli-Revolution 1830 nicht verhindern. Auf Grund
dieser Revolution musste Karl X auf den Thron verzichten. Er flüchtete zuerst nach England
und später nach Prag. Sein Nachfolger wurde Louis Philippe, der die Situation in Frankreich
beruhigte. Das beinhaltete unter anderem die Auflösung der Bourbonen-Regimente. Die
Auflösung verursachte allerdings ein neues Problem. Jetzt sah Louis Philippe sich mit den
zahlreichen, arbeitslosen Söldnern aus den aufgelösten Regimentern konfrontiert.
Möglicherweise würden sie neue Unruhen verursachen. Am 9. März 1831 entschied Louis
Philippe sich deswegen dafür, keine Ausländer mehr in der französischen Armee zu tolerieren
und für sie eine „Légion Etrangère“ zu gründen.1
In den nächsten Jahren wurde die Fremdenlegion weiter aufgebaut und erhielt die für
sie später so kennzeichnenden Merkmale. Die französische Regierung entschied sich dafür,
im Prinzip nur ausländische Soldaten in ihren Regimentern zuzulassen. Außerdem wurde
festgestellt, dass nur gesunde Männer zwischen achtzehn und vierzig Jahre, die mindestens
1,55 Meter groß waren, in die Fremdenlegion eintreten konnten.2 Darüber hinaus musste man
seit den 1960er Jahren eine europäische Herkunft haben.3 Nach Unterzeichnung ihres
Vertrags betrug die Dienstzeit der Fremdenlegionäre in der Regel mindestens fünf Jahre. Ein
anderes, sehr kennzeichnendes Merkmal war die Anonymität. Es wurde den neuen
1
David Jordan, Die Geschichte der französischen Fremdenlegion von 1831 bis heute (Stuttgart 2006), S. 6-8.
Eckard Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten (5. Auflage; Paderborn
2006), S. 20.
3
Ibidem, s. 27.
2
8
Fremdenlegionären ermöglicht, nach ihrem Eintritt eine neue Identität anzunehmen und ihr
Alter oder ihre Nationalität zu ändern. Diese Möglichkeiten haben dazu beigetragen, dass die
Fremdenlegionäre, die sich meist aus der Unterschicht der Gesellschaft rekrutierten, in die
Fremdenlegion eintraten, um ein neues Leben zu beginnen.4
Ein anderes, sehr wichtiges Merkmal bezieht sich auf den Einsatz der Fremdenlegion.
Seit ihrer Gründung war sie dafür bestimmt, den Franzosen in ihren Kolonialkriegen
beizustehen.5 In Dezember 1831 reiste die Fremdenlegion nach Algerien ab, und dieses Land
blieb bis zu ihrer Unabhängigkeit 1962 die Heimat der Fremdenlegion. Die Stadt Sidi-belAbbes, achtzig Kilometer südlich von Oran, wurde die wichtigste Siedlung der
Fremdenlegion. Hierhin kamen die neuen Fremdenlegionäre zur Ausbildung und hierhin
kamen viele Fremdenlegionäre nach ihrer Dienstzeit zurück. Das Arbeitsterrain der
Fremdenlegion blieb aber nicht nur auf Algerien beschränkt. Auch in anderen Ländern und
Kriegen wurde sie eingesetzt. Im Neunzehnten Jahrhundert war das zum Beispiel während des
Krim-Kriegs von 1854 bis 1856 und in Mexico von 1863 bis 1867.6 Mexiko war wichtig, da
hier am 30. April 1863 der Camerone-Mythos entstand. In einem Kampf um das Städtchen
Camerone kämpften 65 Fremdenlegionäre gegen zwölfhundert Mexikaner. Nur drei
Fremdenlegionäre konnten mit dem Leben davonkommen. Ihr Hauptmann, Jean Danjou,
gehörte allerdings nicht dazu. Seine Handprothese – die er seit einem Unfall mit einem
defekten Geschütz besaß – wurde 1865 von einem Bauer gefunden und von ihm an die
Fremdenlegion verkauft. Jedes Jahr am 30. April wird dem Kampf um Camerone gedacht und
die Handprothese als Reliquie herumgetragen.7
Zwischen dem Ende des Neunzehnten Jahrhunderts und dem Zweiten Weltkrieg
wurde die Fremdenlegion erneut in Kolonialkriegen eingesetzt, sie kam aber auch einige Male
in Europa zum Einsatz. So kämpfte die Fremdenlegion zum Beispiel im FranzösischPreußischen Krieg, und in Mai 1871 wurden Fremdenlegionäre gegen die Pariser Kommune
eingesetzt.8 Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte die Fremdenlegion an der Westfront
und bei der anglo-französischen Landung in Gallipoli. Es gab auch Fremdenlegionäre die in
Nord-Afrika kämpften. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die französische Herrschaft in
den Kolonien ins Wanken. Ein neues Selbstbewusstsein kennzeichnete die Kolonialvölker.
Die Fremdenlegion wurde nun eingesetzt, um der Emanzipation der Kolonien, eventuell mit
4
Ibidem, S. 19-22.
Ibidem, S. 31.
6
Siehe Anhang I für eine Liste mit allen Einsätzen der Fremdenlegion.
7
Jordan, Die Geschichte der französischen Fremdenlegion von 1831 bis heute, S. 31.
8
Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 35-36.
5
9
Gewalt, entgegenzuwirken.
Zwischen 1946 und 1954 kämpften die Fremdenlegionäre in Indochina. 9 Dieses
Gebiet war seit 1940 von den Japanern besetzt. Im Jahre 1941 gründete Ho Chi Minh – dessen
ursprüngliche Name Nguygen Hai Quoc war – die Unabhängigkeitsbewegung Viet Nam Doc
Lap Dongh Minh (Liga für die Unabhängigkeit Vietnams). Während des Zweiten Weltkriegs
wurde diese Liga von den USA bewaffnet um gegen die Japaner zu kämpfen, doch nach dem
Zweiten Weltkrieg und der japanischen Kapitulation waren die Vietnamesen weniger
kooperativ mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten.10 Am 19. August 1945 wurde von Ho
Chi Minh und Vo Nguyen Giap eine neue vietnamesische Regierung installiert. Im November
1946 wurde die Demokratische Republik Vietnam (DRV) verkündet, mit Ho Chi Minh als
ihrem Präsidenten. Obwohl die Franzosen sich darum bemühten, Indochina wieder unter ihre
Herrschaft zu bringen, scheiterte dieser Versuch. Die Auseinandersetzung entwickelte sich
bald zu einem Guerillakrieg. Im Oktober 1950 brachten die Vietnamesen den Französen die
erste große Niederlage in Cao Bang ein. Letztendlich musste Frankreich seine
Fremdenlegionäre nach dem Kampf um Dien Bien Phu am 7. Mai 1954 abziehen und
Vietnam den Vietnamesen überlassen.
Nach dem Indochinakrieg wurden die Fremdenlegionäre gleich im nächsten Kämpf
eingesetzt, im Algerien-Krieg, der am 1. November 1954 begann. Bis 1962 kämpfte
Frankreich gegen die Front de la Libération Nationale, musste jedoch am 3. Juli 1962 die
Unabhängigkeit Algeriens akzeptieren und seine Truppen endgültig abziehen. Mit dem Ende
des Algerienkrieges war auch die französische Dekolonialisierung zu Ende. Das Fortbestehen
der Fremdenlegion wurde in Frage gestellt. Letztendlich entschied sich die französische
Regierung jedoch dafür, die Fremdenlegion fortzuführen. In den Jahren nach 1962 wurde sie
erneut in Kriegsgebieten stationiert, zum Beispiel von 1993 bis 2003 in Bosnien, Kosovo und
Makedonien, von 1996 bis 1997 im Kongo, von 2002 bis 2007 in Afghanistan und von 2003
bis 2006 im Irak.
Deutsche in der französischen Fremdenlegion 1870-1965
In der Literatur über die Fremdenlegion ist die Position der Deutschen in den verschiedenen
Epochen unter Historikern ziemlich schwach beleuchtet worden. Das wichtigste Buch zum
9
Das ehemalige Indochina umfasste das heutige Vietnam, Laos und Kambodscha.
Peter Macdonald, Fremdenlegion. Ausbildung, Bewaffnung, Einsatz (Stuttgart 2005), S. 89.
10
10
Thema „Deutsche in der Fremdenlegion“ wurde von Eckard Michels geschrieben. In
Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965. Mythen und Realitäten gibt er eine Übersicht über
die Rolle der Deutschen in den verschiedenen Jahrzehnten. Damit hat er das erste
Übersichtswerk zu diesem Thema geschrieben. Auch Detlef Michelers hat sich in seinem
Buch Le Boudin. Deutsche Fremdenlegionäre in der Nachkriegszeit mit diesen Menschen
auseinandergesetzt, doch er beschränkt sich auf die Periode nach 1945. Er sprach mit
deutschen ehemaligen Fremdenlegionären, zeigte ihre Erfahrungen auf und ergänzte sie mit
Kapiteln über die Entwicklung der Fremdenlegion. Jacques Doyon schrieb in seinem Buch
Soldats Blanc de Ho Chi Minh über den Indochinakrieg und die Rolle der europäischen – und
in diesem Rahmen auch der deutschen – Fremdenlegionäre. Heinz Schütte schließlich,
schrieb das aktuellste und spezifischste Buch. In Zwischen den Fronten. Deutsche und
Österreichische Überläufer zum Viet Minh setzte er sich mit drei Fremdenlegionären
auseinander, die nach 1945 zum Viet Minh überliefen.
Diese Autoren haben zwar ein Bild der Geschichte der Deutschen in der
Fremdenlegion dargestellt, doch es ist erstaunlich, dass dieses Thema nur von so wenigen
aufgenommen wurde. Ab 1870/1871stellten die Deutschen nämlich quantitativ und qualitativ
mehrmals die bedeutendste Nationalität in der Fremdenlegion dar. In den ersten zwei
Jahrzehnten nach 1870, zwischen 1919 und 1933 sowie während des Indochinakriegs
1953/1954 waren mehr als fünfzig Prozent der Fremdenlegionäre von deutscher Herkunft.11
Ab 1953-1954 und nach dem Ende des Indochinakriegs nahm der Zahl der Deutschen
allerdings ab. Das hatte einerseits mit der Unsicherheit des Fortbestehens der Fremdenlegion
im Jahre 1961 zu tun. Viele Deutsche kündigten ihren Vertrag. Andererseits waren sie von
den neuen Einsatzgebieten, beispielsweise Französisch-Somaliland, Korsika und Madagaskar,
weniger begeistert. Darüber hinaus kehrten die meisten lieber in die wirtschaftlich
prosperierende Bundesrepublik zurück. Ab 1965 entschieden sich kaum noch Deutsche für
den Dienst in der Fremdenlegion.12
Diese gelegentliche Überzahl von Deutschen hat aber dazu beigetragen, dass die
deutschen Fremdenlegionäre beizeiten ein wichtiges Thema in der deutschen Politik und in
der Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Frankreich wurden. Außerdem hat die
Öffentlichkeit dieses Thema mehrmals aufgenommen. Das war zum ersten Mal in den Jahren
nach 1870 der Fall, als die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich von
11
Siehe Anhang II für eine Übersicht der Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zwischen 1870 und
1965.
12
Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 267 und 298.
11
Spannungen charakterisiert waren. Die Spannungen fanden ihren Niederschlag im Umgang
mit dem Thema Fremdenlegionäre. Immer dann, wenn die Stimmung gegen Frankreich
aufgehetzt werden musste, wurde das Thema Fremdenlegion in die Öffentlichkeit gebracht,
und spiegelte so die deutsch-französischen Beziehungen.13 Im Jahre 1905 sorgte die
Marokko-Krise für eine neue Kampagne gegen die Fremdenlegion, zwischen 1910 und 1914
erreichte die anti-französische Propaganda einen Höhepunkt, und während des Ersten
Weltkriegs wurde diese Tendenz fortgesetzt. Als Bestandteil dieser Kampagnen diente die
Veröffentlichung von Büchern. Vor allem zwischen den 1880er und den 1930er Jahren
wurden in Deutschland viele Bücher zum Thema Fremdenlegion publiziert, aber die
Deutschen wurden nicht nur mit den Büchern aufgeklärt. Das Thema wurde auch in den
Schulen unterrichtet und hier wurde vor der Fremdenlegion gewarnt. Außerdem wurden um
1911 in verschiedenen Städten Verbände gegen die Fremdenlegion gegründet, wie in Köln der
„Verein zur Bekämpfung der Fremdenlegion“ und der „Dresdner Verein zur Bekämpfung der
Sklaverei Deutscher in der Fremdenlegion“. Auch wenn diesen Vereine auf Grund ihres Ziels
der Stärkung anti-französischer Ressentiments kein langes Leben beschert war, zeigten sie
doch eine Stimmung in der damaligen deutschen Gesellschaft.14
Auf Grund der Bemühungen der deutschen Politik und Öffentlichkeit entstand am
Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts ein Bild der Fremdenlegion, das in den nächsten
Jahrzehnten aufrechterhalten blieb. Zuerst wurde die Fremdenlegion auf die Ebene von
Leiden und Schmerz gestellt. Zum zweiten entstand der Mythos der „Werber“ für die
Fremdenlegion. Die deutsche Öffentlichkeit versuchte, die Deutschen von der Anwesenheit
dieser Werber zu überzeugen und glaubhaft zu machen, dass Frankreich Deutsche für ihre
eigenen Kriege ausnutzte. Diese negative Darstellung der Fremdenlegion erzeugte aber in den
verschiedenen Epochen immer wieder für mehr eine Beliebtheit denn eine Ablehnung der
Fremdenlegion.15 Das war zum Beispiel in den Zwanziger Jahren der Fall, als viele Deutsche
die Weimarer Republik auf Grund der Arbeitslosigkeit und Misere entflohen. Während des
Zweiten Weltkrieges sank ihre Zahl wieder, obwohl viele Kriegsgefangenen sich anstatt eines
weiteren Aufenthaltes im Kriegsgefangenlager für die Eintritt in die Fremdenlegion
entschieden, um sich so gegen die Nationalsozialisten wehren zu können.16 Nach 1945 ließen
sich noch weniger Deutsche als Fremdenlegionär rekrutieren. Die französische Regierung
13
Ibidem, S. 42.
Ibidem, S. 55 und 61.
15
Ibidem, S. 61 und 62.
16
Ibidem, S. 116.
14
12
bedauerte das und richtete in der französischen Besatzungszone, in Landau, Villingen,
Offenburg, Freiburg und Koblenz, sowie in Österreich in Innsbruck und Bregenz
Werbungsbüros und Zweigstellen ein.17
Diese Einrichtungen hatte zur Folge, dass nach 1945 ein neuer Mythos entstand. Er
besagte, dass Frankreich vor allem ehemalige Kriegsverbrecher aus der Schutzstaffel (SS) und
der Wehrmacht anwerbe und außerdem Kriegsgefangene so schlecht behandele, dass sie in
die Fremdenlegion eintraten. Laut Michels sei die Zahl der deutschen Kriegsverbrecher
allerdings gering gewesen. Frankreich habe auch keine hohe Zahl der ehemaligen SS- und
Wehrmachtsoldaten in ihrer Fremdenlegion akzeptiert.18 In den Vierziger und Fünfziger
Jahren wurde das Thema der Zwangsrekrutierung trotzdem in der deutschen Öffentlichkeit
thematisiert.19 Vor allem die Sowjetunion war von dieser Theorie überzeugt und nutzte sie für
Propagandazwecke aus, aber auch in der Bundesrepublik stieß sie auf Widerhall. Sowohl
Michelers und Michels betonen aber, dass von Zwangsrekrutierungen niemals die Rede
gewesen sei. Michelers zufolge hätten viele Fremdenlegionäre unter einer Form von
Vergangenheitsbewältigung gelitten. In ihren Köpfen habe die Idee der Zwangsrekrutierung,
existiert, obwohl sie auf Grund krimineller Delikte, Betrügereien und illegaler Grenzübertritte
eingetreten seien.20 Die Werber, die es gegeben habe, informierten Interessierte und sorgten
für Reiseproviant oder Fahrkarten zu den Kasernen in Freiburg, Koblenz, Offenburg und vor
allem Landau.21 Michels ist der Meinung, dass die Fremdenlegionäre auf Grund ihrer oft
aussichtslosen Situation im Nachkriegsdeutschland dazu gezwungen seien auf breiter Basis in
die Fremdenlegion einzutreten. Dazu konnten Arbeitslosigkeit, familiäre Umstände,
Liebeskummer, die Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung, Unterhaltsansprüche auf
Grund einer unerwünschten Schwangerschaft ihrer Freundin, aber ebenso Abenteuerlust
gerechnet werden. Ein anderer Grund sei das Fehlen einer deutschen Armee.22
Die deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre aus Indochina 1945-1954
Trotz der Aufmerksamkeit, die obengenannte Autoren den deutschen (ehemaligen)
Fremdenlegionären gewidmet haben, liegen nähere Studien über die Deutschen, die im
17
Ibidem, S. 187.
Ibidem, S. 151-157.
19
Ibidem, S. 166.
20
Detlef Michelers, Le Boudin. Deutsche Fremdenlegionäre der Nachkriegszeit (3. Auflage; Berlin 1992), S.
156.
21
Ibidem, S. 149.
22
Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 196 und 200-201.
18
13
Neunzehnten und Zwanzigsten Jahrhundert in den unterschiedlichen Kolonialkriegen
gekämpft haben, nicht vor. Das trifft beispielsweise auf die erste Gruppe Fremdenlegionäre
nach dem Zweiten Weltkrieg zu, die zwischen 1945 und 1954 in Indochina kämpften. Dieses
Thema ist von der Historiografie bisher nicht näher untersucht worden, obwohl eine
Auseinandersetzung mit diesem Thema eine neue Perspektive auf die Geschichte des Kalten
Krieges, die Auseinandersetzung zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
und der Bundesrepublik Deutschland (BRD), die ostdeutsche Westarbeit Richtung BRD, die
ostdeutsche internationale Lage, den internationalen Handlungsspielraum der DDR in der
ersten Hälfte der Fünfziger Jahre sowie die Beziehungen zwischen der DDR und der DRV zu
eröffnen mag.
Die deutschen Fremdenlegionäre traten in den ersten Nachkriegsjahren in die
Fremdenlegion ein. Einige verpflichteten sich für fünf Jahre und kehrten ab 1950 in die BRD
oder die DDR zurück. Anderen hielten jedoch nicht fünf Jahre durch und entschieden sich
dafür, zur nordvietnamesischen Volksarmee überzulaufen. Sie kämpften daraufhin gegen die
Fremdenlegion. Schließlich gab es auf der nordvietnamesischen Seite noch deutsche
Kriegsgefangene. Vor allem die deutschen Überläufer und Kriegsgefangenen stellen eine
interessante Gruppe dar. Sie blieben nämlich nicht in Indochina, sondern wurden in der ersten
Hälfte der Fünfziger Jahre von der DDR nach Ostdeutschland repatriiert. Nachdem die
ostdeutsche Regierung sich am 2. Februar 1950 dazu entschieden hatte, fanden zwischen 1951
und 1956 insgesamt sieben Heimkehrer-Transporte statt. Dem Thema der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre wurde von der DDR sowohl auf Regierungsebene wie in der
Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit geschenkt. Die Bemühungen um die Überläufer und
Kriegsgefangenen zeigten sich schon während den Heimkehrer-Transporte, als die DDR
Vertreter zur Betreuung und Überwachung der Transporte abstellte. Aber auch nach der
Ankunft der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, während ihres einmonatigen
Aufenthaltes im Quarantänelager Bischofswerda und nach ihrer Integration in die DDR sind
intensive der DDR nachzuweisen. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, das
Ministerium des Innern, das Amt für Information und das Ministerium für Staatssicherheit
setzten sich dezidiert mit dem Thema auseinander.
Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden in der Öffentlichkeit und in der
Außendarstellung thematisiert. Sie traten darüber hinaus auch selbst in der Öffentlichkeit auf.
Beispiele dafür sind organisierte Pressekonferenzen und Medienkampagnen sowie die von
ihnen publizierten Bücher. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden von der
14
DDR für ihre Zwecke instrumentalisiert, wozu sie nichts unversucht ließ. Die Beteiligung des
Ministeriums für Staatssicherheit hinsichtlich des Themas der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre zeigt aber auch eine andere Seite der Medaille. Hinter den Kulissen, weit
von der Öffentlichkeit entfernt, wurden die Heimkehrer und die regulär entlassenen deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre einerseits vom Staatssicherheitsdienst beobachtet und
andererseits für Spitzeldienste des Ministeriums für Staatssicherheit eingesetzt.23
Die doppelte Haltung der DDR in der Öffentlichkeit einerseits und bezüglich der
Staatssicherheit andererseits, erfordert eine nähere Untersuchung, besonders wenn die Zeit der
Ereignisse – die erste Hälfte der Fünfziger Jahre – in Betracht genommen wird. Die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre wurden für die DDR in einer Zeit, in der sie sich als Staat
festigte und anfing zu profilieren, ein Thema. Das war nicht nur nach innen der Fall, sondern
auch hinsichtlich ihrer internationalen Position. Die BRD war ihr Nachbarstaat, mit dem sie
immer wieder konkurrierte. In der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre waren die Ostdeutschen
sehr mit dem inneren Aufbau des Staates und der internationalen Politik sowie der
Systemkonkurrenz beschäftigt. Es ist erstaunlich, dass sie sich trotzdem mit einem
vordergründig so unwichtigen Thema wie die Heimkehr der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre auseinandersetzte. Es erscheint wenig glaubhaft, dass die DDR sich aus
rein humanitären Gründen mit ihnen beschäftigte. Vielmehr kann davon ausgegangen werden,
dass diese Beschäftigung eigene, zeitgebundenen Ziele und Zwecke verfolgte. Demzufolge
drängt sich eine zentrale Frage auf: In welchem Ausmaß instrumentalisierte die
Demokratische Republik Deutschland die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die
zwischen 1951 und 1956 aus Indochina in die DDR zurückkehrten, als Spielball für eine
politische und ideologische Auseinandersetzung mit dem Westen, und war diese
Instrumentalisierung erfolgreich?
Die Gliederung der Master-Arbeit
In dieser Master-Arbeit wird die zentrale Frage beantwortet. Zeitlich ist sie auf die genannten
Jahren beschränkt, da die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zwischen 1950 und 1956
mit den Heimkehrer-Transporten in die DDR zurückkehrten. Die meisten entlassenen
In dieser Master-Arbeit werden mit dem Begriff der ,,Heimkehrer” nur diejenigen gemeint, die zwischen 1951
und 1956 mit einem Heimkehrer-Transport in der DDR eintrafen. Die Gruppe der regulär aus der Fremdenlegion
entlassenen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wird als ,,die entlassenen Fremdenlegionäre” abgekürzt.
23
15
Fremdenlegionäre aus Indochina kamen ebenfalls überwiegend in dieser Zeit in die DDR.
Darüber hinaus stammen die untersuchten Archivakten meist aus den Jahren 1950 bis 1956.
Thematisch ist diese Master-Arbeit in zwei Teile untergliedert worden. Das erste Teil bezieht
sich auf die Haltung der DDR zu den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären in der
Öffentlichkeit. In diesem Teil liegt das Augenmerk vornehmlich bei den Heimkehrern, da
über ihre Position und ihren Einsatz in der Öffentlichkeit – im Gegensatz zu ihren entlassenen
Kollegen – Akten vorliegen. Im zweiten Teil, in dem die Position des
Staatssicherheitsdienstes in Bezug auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre erläutert
wird, wird dann auch den entlassenen Fremdenlegionären Aufmerksamkeit gewidmet. Sie
nahmen neben den Heimkehrern eine eigene, bedeutende Position für das Ministerium für
Staatssicherheit ein.
Beide Teile dieser Master-Arbeit sind in drei Kapiteln untergliedert. Im ersten Kapitel
des ersten Teiles, das ausnahmsweise auf Literaturrecherche basiert, wird eine Übersicht über
die nationale und internationale Lage der DDR und der BRD in der ersten Hälfte der
Fünfziger Jahre gegeben. In sechs Paragrafen wird nach einander auf die innerstaatliche
Entwicklung zwischen der DDR und der BRD eingegangen und die Frage aufgeworfen, von
welchen Entwicklungen die deutsch-deutschen Beziehungen in der ersten Hälfte der
Fünfziger Jahre gekennzeichnet waren. Dieses Kapitel stellt den historischen Kontext
Deutschlands in diesen Jahren dar und hilft, die Haltung der DDR hinsichtlich der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre, über die im nächsten Kapitel geschrieben wird, besser zu
verstehen.
Das zweite Kapitel hat die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in Indochina, zum
Thema. In diesem Kapitel wird erklärt, wie die DDR das Thema der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre aus Einzelinitiativen der ehemaligen Fremdenlegionäre aufnahm und wie
sie die Heimkehr zwischen 1950 und 1956 gestaltete. Dafür wird die Zusammenarbeit
zwischen der DDR und der DRV einerseits, aber auch die Zusammenarbeit zwischen den
verschiedenen ostdeutschen Ministerien andererseits beschrieben. Im zweiten Kapitel wird
auch die Organisation und der Vollzug der sieben Heimkehrer-Transporte erläutert sowie der
Aufenthalt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre im Quarantänelager Bischofswerda
beschrieben.
Kapitel drei handelt dann vom zentralen Thema der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre und ihrem Einsatz und sowie ihrer Instrumentalisierung in der ostdeutschen
Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit. Es wird dargestellt, wie diese Arbeit in der
16
ostdeutschen Gesellschaft, in der Politik, in den Medien, in der Literatur, in der
Repräsentation sowie von den gesellschaftlichen Organisationen gestaltet wurde. Darüber
hinaus wird verdeutlicht, auf welchen Ebenen die Heimkehrer für die Propaganda und
Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt wurden. Auch wird die Frage erörtert, warum die DDR so viel
Wert auf die Einbeziehung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre legte.
Im Kapitel vier, dem ersten Kapitel des zweiten Teils, wird wie im ersten Kapitel des
ersten Teils der historischen Kontext für die nächsten Kapitel dargestellt. Auch dieses Kapitel
ist auf Literaturrecherche basiert. Es bezieht sich auf die Entwicklung des ostdeutschen
Staatssicherheitsdienstes in der Zeit nach 1945 und besonders nach 1949, als das Ministerium
für Staatssicherheit gegründet wurde. Im Text werden die Entwicklungen des
Staatssicherheitsdienstes in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre skizziert. Auch wird über
den Personalbestand des Ministeriums für Staatssicherheit, bestehend aus Hauptamtlichen
Mitarbeitern (HM) und Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) Auskunft erteilt. An letzter Stelle wird
der Hauptabteilung (HA) IV, beziehungsweise HA II, Aufmerksamkeit gewidmet, da sie für
alle Heimkehrer und die entlassenen Fremdenlegionäre zuständig war.
Nach dieser Einleitung kann im fünften Kapitel auf den Aufenthalt, die Integration
und die Betrachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von der DDR eingegangen
werden. Es wird beschrieben, wie die Heimkehrer eingeschätzt wurden, da diese
Einschätzung ihre spätere Beziehung zum und ihren späteren Einsatz im Ministerium für
Staatssicherheit bestimmte. Zentral steht die Frage, in wie fern sich die Heimkehrer als
zuverlässige DDR-Bürger entwickelten. Im fünften Kapitel wird darüber hinaus erklärt, wie
es den Heimkehrern nach ihrer Quarantänezeit in ihren neuen Wohnorten und an ihren neuen
Arbeitsplätzen erging.
Schließlich widmet sich dann das sechste und letzte Kapitel den Beziehungen der
Heimkehrer und der entlassenen Fremdenlegionäre zum Staatssicherheitsdienst. In diesem
Kapitel wird für beide Gruppe dargelegt, wie sie vom Ministerium für Staatssicherheit
überwacht und operativ bearbeitet wurden. Es wird die Frage aufgeworfen, warum die HA IV,
beziehungsweise die HA II, in solch großen Ausmaß an den deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären interessiert war. Schließlich wird ihr Einsatz und ihre
Instrumentalisierung für das Ministerium für Staatssicherheit erläutert.
17
Das Quellenmaterial
Wegen des Fehlens der Literatur zum Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in
der DDR konnten, abgesehen von der allgemeinen Literatur zum Thema DDR in den
Fünfziger Jahren und zum Ministerium für Staatssicherheit, nur die bereits genannten Bücher
über die (Deutschen in der) Fremdenlegion direkt für diese Master-Arbeit ausgewertet
werden. Das hat zur Folge, dass die Arbeit vornehmlich auf Quellenmaterial, Periodika und
„Erlebnisberichte“ der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre basiert. Hinsichtlich des
Quellenmaterials wurde erstens im Bundesarchiv in Berlin recherchiert. Vor allem im Archiv
des ostdeutschen Ministeriums des Innern waren viele Akten über die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre vorhanden. Darüber hinaus bot die Stiftung „Archiv der Parteien und
Massenorganisationen der DDR“ im Bundesarchiv gute Möglichkeiten der Recherche. In
diesem Archiv werden die Aktenbestände der wichtigsten Organisationen der DDR, wie zum
Beispiel der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der Freien Deutschen Jugend
(FDJ), dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) und der Nationalen Front des
Demokratischen Deutschlands aufbewahrt. Ausserdem umfasst dieses Archiv die Nachlässe
der wichtigsten Vertreter der DDR, beispielsweise Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck.
Zweitens konnte im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, ebenfalls in Berlin,
recherchiert werden. In diesem Archiv sind unter anderem alle Akten des Ministeriums für
Auswärtige Angelegenheiten der DDR gelagert. Diese Akten sind für eine Master-Arbeit für
sowohl die ostdeutsche wie die internationale Reflexion des Themas der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre wichtig, da sie Auskunft über die Korrespondenz zwischen
dem Ministerium des Innern und der Abteilung Internationale Verbindungen der SED
einerseits und dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR andererseits
bieten. Darüber hinaus ist die Auswertung der Akten des Politischen Archives des
Auswärtigen Amtes für Auskunft über die Beziehungen zwischen der DDR und der DRV und
ihre Vertreter notwendig.
Schließlich führte das Thema dieser Master-Arbeit zum Bundesbeauftragten für die
Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, dessen Zentralarchiv in Berlin ist. Zum Thema sind
in diesem Archiv viele Akten vorhanden. Der Nachteil dieses Archivs ist allerdings, dass vom
Besucher/der Besucherin Akten nicht eigenständig, sondern nur von einem Mitarbeiter
bestellt werden können. Ausserdem dauert es immer eine Weile, bevor die bestellten Akten
auch tatsächlich vorliegen. In dem Archiv wurden vor allem Akten aus dem Zentralarchiv des
18
Ministeriums für Staatssicherheit eingesehen. Diese Akten haben bislang weder für die
Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes, noch für
Historiker oder andere Wissenschaftlern Aufmerksamkeit erregt. Die meisten Akten sind noch
in dem Zustand wie zur Zeit der DDR. Es handelt sich meist um Untersuchungsvorgänge.
Akten mit einem allgemeinen Charakter, wie zum Beispiel Richtlinien des
Staatssicherheitsdienstes in Bezug auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der
ersten Hälfte der Fünfziger Jahre sind selten. Es ist der/die Historiker/in, der/die diese Akten
aus einer Metaperspektive recherchieren und interpretieren muss, um so die allgemeine
Geschichte der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR in der ersten Hälfte der
Fünfziger Jahre und ihre Kontakte zum Staatssicherheitsdienst darstellen zu können.
Leichter ist das Recherchieren der ostdeutschen Zeitungen, die unter anderem im
Bundearchiv und in der Zeitungsabteilung der Staatsbibliothek in Berlin-Westhafen gelagert
werden. Zu den für diese Master-Arbeit recherchierten Periodika zählt an erster Stelle das
Neue Deutschland. Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Diese
Zeitung wurde von der SED in der ganzen DDR veröffentlicht und kann auf Grund dessen als
die weitverbreitetste und wichtigste ostdeutsche Zeitung betrachtet werden. An zweiter Stelle
wurde in der Tägliche Rundschau. Zeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur recherchiert, die
ebenfalls überall in der DDR publiziert wurde. Drittens bieten die Periodika der
Massenorganisationen eine eigene Perspektive auf das Thema der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre. Die Tribüne. Organ des Bundesvorstandes des FDGB schrieb über diese
Menschen aus der Perspektive des FDGB. Selbstverständlich wurden die Fremdenlegion und
die (jungen) deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auch von der FDJ als zentrale
ostdeutsche Jugendorganisation in der Junge Welt. Zentralorgan der Freien Deutschen
Jugend thematisiert. Schliesslich wird auch, doch in geringerem Ausmaß, der Waffenbrüder –
Kampforgan der Deutschen im Dienste Viet-nams Aufmerksamkeit gewidmet.
Die „Erlebnisberichte“ einzelner deutscher ehemaliger Fremdenlegionäre wurden von
der DDR in Büchern publiziert. So publizierte das Amt für Information ein Buch mit dem
Titel Die Straβe der Legionäre. Tatsachen aus der französischen Fremdenlegion. Andere
Bücher wurden direkt auf die Namen der Fremdenlegionäre bezogen, wie Légion Étrangère.
Tatsachenbericht nach Erlebnissen und Dokumenten von Rückkehrern aus Vietnam von
Günter Halle aus dem Jahr 1952, Flucht ins Leben. Erlebnisbericht aus Vietnam von Kaspar
Schmalenbach aus dem Jahr 1954 und Hông Chi. Vom Legionär zum Vietnamoi.
Erlebnisbericht des ehemaligen Fremdenlegionär 51484 von Werner Stage aus dem Jahr
19
1955. Auch wurde in diesem Rahmen das Schauspiel in drei Akten von Paul Herbert Freyer
aus dem Jahr 1953 mit dem Titel Auf verlorenem Posten. Schauspiel in drei Akten untersucht.
20
Kapitel I: Die DDR als „das zweite Deutschland“ 1945-1955
Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) am 23. Mai 1949 und der
Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 7. Oktober 1949 machten beide Staaten eine
große, von einander sehr unterschiedliche innen- und außenpolitische Entwicklung durch. Die
erste Hälfte der Fünfziger Jahre war vielleicht die interessanteste Periode, weil sowohl die
BRD als die DDR ihre Existenz legitimierten und sich jeweils als neuer Staat profilierten.
Diese Profilierung und Legitimierung konnte teilweise nur stattfinden wenn „das andere
Deutschland“ in Diskredit gebracht wurde. Obwohl in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre
die BRD und die DDR sich immer mehr von einander abgrenzten, war zur gleichen Zeit auch
immer von einer starken Verbundenheit die Rede. Die innerstaatlichen Entwicklungen fanden
nämlich vor dem Hintergrund des internationalen Spaltungsprozesses statt. Diese doppelte
Beziehung kam sowohl in der innerstaatlichen Entwicklung der DDR als auch in ihren
deutsch-deutschen Beziehungen zum Ausdruck. Wie sah diese innerstaatliche Entwicklung
aus und von welchen Entwicklungen wurden die deutsch-deutschen Beziehungen in der ersten
Hälfte der Fünfziger Jahre gekennzeichnet?
Par. 1. Von der SBZ zur DDR 1945-1949
Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) begann im Jahre 1945 mit dem
Aufbau ihrer Besatzungszone. Die Sowjetische Besatzungszone Deutschland (SBZ)
entwickelte sich ab 1945 zum Satellitenstaat der UdSSR und übernahm viele Kennzeichen des
autoritären, sowjetischen Systems. Zwischen 1945 und 1949 wurden die Bausteine für die
spätere innerstaatliche Entwicklung des ostdeutschen Staates nach 1949 gelegt. Schon in
diesen ersten Jahren wurden die charakteristischen Merkmale des ostdeutschen
Parteiensystems sichtbar. Am 9. Juni 1945 wurde der erste Schritt zu dessen Aufbau gemacht.
Mit Befehl Nr. 2 verkündete die Sowjetische Militäradministration Deutschlands (SMAD) in
der SBZ die Neuerrichtung des traditionellen deutschen Mehrparteiensystems. Die UdSSR
war die erste Besatzungsmacht die sich für eine Neugründung antifaschistisch-demokratischer
Parteien entschied.24 Die erste neugegründete Partei war die Kommunistische Partei
Deutschlands (KPD) am 11. Juni 1945, danach die Sozialdemokratische Partei Deutschlands
(SPD) am 15. Juni, die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) am 26. Juni und
24
Hermann Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte 1945-1990 (Hannover 1991), S. 19.
21
schließlich die Liberal Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) am 5. Juli. Sie vereinigten
sich am 14. Juli in der „Einheitsfront antifaschistischer-demokratischer Parteien“, die auch als
Antifa-Block bezeichnet worden ist. Im Mai und Juni 1948 wurden schließlich noch zwei
Parteien, nämlich die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Deutsche
Bauernpartei Deutschlands (DBD) gegründet, die noch im gleichen Jahr in die Einheitsfront
aufgenommen wurden. Auch die neu gegründeten gesellschaftlichen Organisationen, nämlich
die Freie Deutsche Jugend (FDJ) am 7. März 1945, der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund
(FDGB) am 15. Juni, die Kulturbund am 3. Juli und die Demokratische Frauenbund
Deutschlands (DFD) auf dem Deutschen Kongress für den Frieden vom 7. zum 9. März 1947,
wurden in der Einheitsfront aufgenommen.25
In den Jahren nach der Gründung der Einheitsfront baute die DDR ihre politische
Herrschaft aus. Ein wichtiger Schritt dazu wurde am 21. und 22. April 1946 mit der
Vereinigung der KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED)
gemacht. Diese in der Historiographie oft als „Zwangsvereinigung“ bezeichnete Verbindung
beider Parteien wurde 1946 von sowjetischen Entscheidungsträgern auf Grund ihrer Angst vor
eine Wahlniederlage der KPD als notwendig betrachtet.26 Nach ihrer Gründung spielte die
SED schon bald eine wichtige Rolle in der ostdeutschen Gesellschaft. Im Juli 1945 wurden
Landesverwaltungen für die Länder Sachsen, Mecklenburg und Thüringen sowie
Provinzialverwaltungen für die damaligen Provinzen Brandenburg und Sachsen-Anhalt
errichtet.27 Für die personelle Neubesetzung der Länder wurden SED-Mitglieder angestellt.
Auch das Ergebnis der Gemeindewahlen 1946 zeigt die politische Herrschaft der SED. Dank
ihrer Feindlichkeit und ungleicher Behandlung gegenüber die LPD und CDU hatte sie sich
selbst die günstigste Ausgangsposition gegeben.28 Die Leitlinien der SED wurden in diesen
Jahren ebenfalls gestaltet. Auf dem II. Parteitag der SED vom 20. bis 24. September 1947
entschied sich die politische Führung öffentlich für eine Annäherung des Modells der UdSSR.
Die Losung der SED als „Partei Neuen Typs“ wurde auf diesem Parteitag mitgeteilt und ein
Jahr später nochmals bekräftigt. Auch die Annäherung nach Osten wurde offensichtlich. Die
SED übte nämlich Kritik am westlichen Marshall-Plan und an der Vereinigung der
25
Ibidem, S. 26 und 30.
Die Verschmelzung von SPD und KPD wurde in der Historiographie von BRD-Historikern als
„Zwangsvereinigung“ dargestellt, während DDR-Historiker diese Verschmelzung eher als „Einheitswillen“
charakterisierten.
27
Diese zwei Provinzen wurden 1947 auch Länder.
28
Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte 1945-1990, S. 33.
26
22
amerikanischen und britischen Zonen zur Bizone.29
Die führende Position der SED wurde auf ihrem I. Parteikonferenz vom 25. bis zum
28. Januar 1949 sichtbar. Auf dieser Parteikonferenz wurde die SED zur „bewussten Vorhut
der Arbeiterklasse“ und damit zum zentralen, stalinistischen Organ der DDR bestimmt. Die
zentrale Parteiführung bekam eine neue Struktur mit einem Politischen Büro (Politbüro) und
einem Kleinen Sekretariat des Politbüros an der Spitze. Das Politbüro wurde das wichtigste
Führungsgremium der DDR. Es wurde vom Kleinen Sekretariat unterstützt. Das Kleine
Sekretariat bereitete auch die Beschlüsse des Politbüros vor und leitete den zentralen
Parteiapparat an. Walter Ulbricht wurde den Leiter des Politbüros. Die Mitglieder des
Politbüros waren Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Friedrich Ebert, Franz Dahlem, Helmut
Lehmann, Paul Merker und Walter Ulbrich. Auf dem I. Parteikonferenz wurden auch der
„Demokratische Zentralismus“ und das Nomenklatursystem beschlossen. Außerdem wurden
die Bedeutung der Parteidisziplin und die Feindlichkeit gegenüber den Sozialdemokraten
betont. Neue Kontrollkommissionen überwachten ab jetzt die „Sauberkeit“ der SED.30
Nicht nur politisch und gesellschaftlich, auch wirtschaftlich wurde ab 1945 ein neuer,
sozialistischer Kurs verfolgt. Im Jahre 1945 und 1946 wurden die Bodenreform und die
Industriereform verkündet. Die Bodenreform beinhaltete eine Enteignung der Grundbesitzer
die über hundert Hektar Land besaßen. Ihr Grund wurde jetzt Staatseigentum. Laut den
Befehlen Nr. 124 und 126 der SMAD vom 30. und 31. Oktober 1946, die die Industriereform
beinhalteten, gehörte das gesamte Eigentum des deutschen Staates, der National
Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und deren Amtsleiter, sowie der
Wehrmacht ab dem Jahr der SBZ. Es wurde immer weniger von Privateigentum und immer
mehr vom Volkseigentum geredet. Die Betriebe wurden in Sowjetische Aktiengesellschaften
(SAG) umgewandelt. Ziel dessen war die zentrale Steuerung der Wirtschaft, um so die
Reparationsansprüche der UdSSR zu erfüllen. Es wurde eine Deutsche
Wirtschaftskommission (DWK) gegründet, um die ostdeutsche Wirtschaft zu koordinieren.
Seit ihrer Gründung am 12. Februar 1948 stand sie an der zentralen, wirtschaftlichen Spitze.
Am 23. Juni 1948 wurde in Reaktion auf die in der westdeutschen Zone durchgeführte
Währungsreform eine ostdeutsche Währungsumstellung durchgeführt. Die sowjetische
Autorität wurde mittels dieser wirtschaftlichen Maßnahmen seit 1945 auch in Bezug auf die
29
30
Klaus Schroeder, Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR (München 1998), S. 59-60.
Ibidem, S. 65-66.
23
ostdeutsche Wirtschaft immer deutlicher sichtbar.31
Par. 2: Die Gründung und Entwicklung der DDR 1949-1955
Obwohl zwischen 1945 und 1949 schon die Lenkung der SBZ in Richtung UdSSR auf
politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene spürbar wurde, war erst ab 1949 von
einer öffentlichen Kursänderung die Rede. Die Voraussetzung dafür war ein neues
Staatssystem. Dieses Staatssystem konstituierte sich am 7. Oktober 1949 mit der Gründung
der DDR. Diese Gründung war vom Volksrat unter Leitung von Wilhelm Pieck initiiert. Nach
der Gründung erklärte der Volksratz sich zur „provisorischen Volkskammer“ der DDR mit
Johannes Dieckmann als ihrem Präsidenten. Am 10. Oktober wurde eine provisorische
Länderkammer mit 34 Abgeordneten, von denen die meisten aus der SED hervorkamen, unter
Führung von Robert Lobedanz (CDU) errichtet.32 An diesem Tag wurde auch die
Sowjetische Kontrollkommission (SKK) gegründet, die fortan als Vertreter der SMAD
amtierte. Einen Tag später wurde Wilhelm Pieck von der Volks- und Länderkammer als
Präsident der DDR ausgerufen.33 Am 12. Oktober bestätigte die Volkskammer die erste
Regierung der DDR mit Otto Grotewohl als Ministerpräsidenten. Auch der Ministerrat wurde
konstituiert und wie die Länderkammer zum größten Teil von SED-Ministern und
Staatssekretären besetzt.34 In der Verfassung der DDR wurde die zentralistische
Regierungsform mit der Volkskammer als Parlament festgelegt.
Nach der Gründung der DDR wurde bis 1952 der systematische Aufbau des Staates
und des Sozialismus vorangetrieben. Erstens erkannten die UdSSR und die DDR mit der SED
an der Spitze die Bedeutung, die die Ideologie bei diesem Aufbau einnahm. Diese Bedeutung
wurde so stark betont, da die DDR ihre Gründung nicht demokratisch legitimieren konnte und
deshalb auf eine Überzeugung der Massen mittels ihres ideologischen Programms angewiesen
war.35 Die zwei ideologischen Pfeiler der DDR waren der Marxismus-Leninismus und der
Antifaschismus. Der Marxismus-Leninismus rechtfertigte den totalitären Anspruch der SED,
Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte1945-1990, S. 34-36.
Hier wurde schon die ungleiche Mandatsverteilung klar, da die SED 17 Abgeordnete lieferte, die LDPD 9, die
CDU 7 und die Vereinigung für gegenseitige Bauernhilfe (VfgB) 1.
33
Wilhelm Pieck blieb bis seinem Tod am 7. September 1960 Präsident der DDR und war der erste und letzte
Präsident der DDR.
34
Von den 14 Ministern gehörten 6 der SED an.
35
Michael Lemke, „Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung“, in:
Jürgen Kocka und Martin Sabrow Die DDR als Geschichte. Fragen – Hypothesen – Perspektiven (Berlin 1994),
S. 181-185, hier S. 183.
31
32
24
während der Antifaschismus die Zukunft der DDR von der nationalsozialistischen
Vergangenheit und dem Weststaat abgrenzte. Überdies konnte mithilfe des Antifaschismus
Kritik an den westlichen Demokratien und dem Kapitalismus geübt werden.36
Zweitens wurde von 1949 bis 1952 der Kurs der SED abgesteckt. In den Jahren 1949
und 1950 fand eine Gleichschaltung des Parteiensystems statt. Die Parteimitglieder wurden
stärker im Parteiensystem aufgenommen und widerstrebende Mitglieder wurden entlassen.
Formal gab es, im Gegensatz zu der UdSSR, noch immer ein Mehrparteiensystem.
Tatsächlich hatte aber auch die DDR ein – sei es im Vergleich zur UdSSR gemäßigteres –
Einparteiensystem. Auf dem III. Parteitag der SED vom 20. bis zum 24. Juli 1950 wurden
organisatorischen Änderungen in der Parteistruktur durchgeführt. Der Parteivorstand der SED
wurde durch das Zentralkomitee (ZK) ersetzt. Am 25. Juli wurde Walter Ulbricht als dessen
Sekretär gewählt. Die Aufgabe des Zentralkomitees war das Leiten der gesamten Tätigkeit der
Partei und die „im Verkehr mit anderen Parteien, Organisationen, staatliche, wirtschaftliche
und kulturelle Verwaltungen und Institutionen vertreten“. Überdies wurden alle seit 1946
durchgeführten Wandlungen definitiv in der SED als „Partei Neuen Typs“ verankert. Das
hielt den Totalitätsanspruch der SED ein, aber auch, dass der kommunistische Charakter der
Partei nicht länger vertuscht wurde. Mit dem Begriff „monolithische Einheit“ wurde den
Ostdeutschen die Annahmeverweigerung der Existenz der oppositionellen Gruppierungen
oder Fraktionen offenbart. Auch erreichte die bereits 1948 angefangene Säuberungswelle
zwischen 1950 und 1951 einen Höhepunkt. Die Säuberung beinhaltete den „Kampf gegen
Spione und Agenten“, den Kampf gegen die „Tito-Clique“ und das Ausrotten der Überreste
des „Sozialdemokratismus“. Desweiteren wurden auch Parteifunktionäre und Leute aus der
Parteispitze entlassen.37 Das Ergebnis war ein großer personeller Wechsel und das Zeigen des
wahren Gesichts der SED.
Drittens wurde ab 1950 auch das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben der DDR
intensiver von der SED gestaltet und bestimmt. Die Massenorganisationen wurden
gleichgeschaltet und die führende Rolle der SED wurde von ihnen anerkannt. Beim III.
Kongress des FDGB vom 30. August bis zum 3. September 1950 äußerte der FDGB sich über
die SED als „bewusster Vortrupp der Arbeiterklasse“. Die FDJ folgte diesem Anspruch auf
dem IV. Parlament im Mai 1952, als sie die Größe der SED und ihre Bedeutung für den
demokratischen Aufbau anerkannte. Außerdem mussten die anderen Massenorganisationen
36
Schroeder, Der SED-Staat, S. 115-116.
37
Schroeder, Der SED-Staat, S. 99-100.
25
wie der Kulturbund und der DFD die zentrale Position der SED akzeptieren. Auch die vorher
manchmal gegen den Strich laufende CDU und LDP wurden gleichgeschaltet und zusammen
mit den Massenorganisationen als Transmissionsriemen und Hilfsorgane der Partei
angesehen. 38 Im Bezug auf die Wirtschaft wurde 1950 von der SED der erste Fünfjahresplan
vereinbart, der zwischen 1951 und 1955 ausgeführt wurde. Mit diesem Plan wurde die
Wirtschaft noch mehr als vorher zentralisiert. Ziel des Planes war die Entwicklung der
Schwerindustrie. Die DDR hoffte damit die Arbeitsproduktivität und den Lebensstandard
ihrer Bürger zu erhöhen.39
Nach 1952 wurden der Aufbau des Staates und des Sozialismus fortgesetzt. Es gab
aber einen Unterschied zwischen den Jahren vor und nach 1952. Vor 1952 hatte die DDR das
ostdeutsche Staatssystem zwar ausgebaut und konform ihrer sozialistischen Ideen gestaltet,
doch hielt sie sich zurück, ihre Sozialismus-Ansprüche öffentlich zu entfalten. Sie hoffte
nämlich noch auf die Wiedervereinigung Deutschlands. Spätestens 1952 erwies der
Notenwechsel mit dem Westen aber, dass eine schnelle Wiedervereinigung nicht in Frage
kam. Die Sowjetunion scheute sich nach 1952 daher nicht länger, ihre Absichten mit der DDR
zu offenbaren und die öffentliche Sozialisierung wurde im ostdeutschen Staat sichtbar. Auf
der II. Parteikonferenz der SED vom 9. bis zum 12. Juli verkündete Ulbricht den
„planmässigen Aufbau der Grundlagen des Sozialismus“.40 Dieser Aufbau traf auf die schon
in Gang gesetzten Prozesse zu. Ein solcher Prozess war der Aufbau der bewaffneten
Streitkräfte. Zwischen 1948 und 1950 waren die Truppen der DDR auf 50,000 Mann
gewachsen. Im Jahre 1952 kamen sie in Besitz von sowjetischen Waffen und im Juli des
gleichen Jahres wurde die Kasernierte Volkspolizei (KVP) formiert. Diese Polizei war auch
im Besitz von Luft- und Seeeinheiten.41 Auf dem II. Parteikonferenz wurde auch die staatliche
Verwaltungsreform vorbereitet, die am 23. Juli 1952 im „Gesetz über die weitere
Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeiterweise der staatlichen Organe in den Ländern
der Deutschen Demokratischen Republik“ festgelegt wurde. Dieses Demokratisierungsgesetz
beinhaltete die Auflösung der letzten Reste des Föderalismus und eine Zentralisierung der
Länder. Die Länder wurden jetzt in vierzehn Bezirke umgebildet, in denen am 1. August
Organisationsbüros der SED eingerichtet wurden.42 Andere Aspekte betrafen die weitere
Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte 1945-1990, S. 60.
Ibidem, S. 66-67.
40
Ibidem, S. 53.
41
Schroeder, Der SED-Staat, S. 107.
42
Diese vierzehn Bezirke waren: Karl-Marx-Stadt (ab 1953 Chemnitz genannt), Cottbus, Dresden, Erfurt,
Frankfurt Oder, Gera, Halle, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Potsdam, Rostock, Schwerin, Suhl.
38
39
26
Formierung der zentral geleiteten Industrie, der weitere Umbau des Rechtwesens, die
Weiterführung des „Klassenkampfs“ gegen Oppositionelle und die stärkere Bindung von
Kunst, Kultur und Ausbildung an die SED.
Der Aufbau des Sozialismus hatte eine Verschärfung der inneren Konflikte zur Folge.
Der immer größere Kollektivisierungsdruck und der Produktmangel, aber auch die
Unterdrückung der Kirchen, Künstler und Intellektuellen beförderten Konflikte. Viele Bürger
der DDR waren nicht mit den Beschlüssen der SED einverstanden und entschieden sich für
eine „Abstimmung mit den Füβen“.43 Während am Anfang der Fünfziger Jahre viele Bürger
aus der BRD in die DDR umgezogen waren, sorgte das Wirtschaftswunder im Laufe der
Fünfziger Jahre dafür, dass viele DDR-Bürger ihr Land in Richtung BRD verließen.
Anfänglich hatte die DDR die Auswanderung ihrer Einwohner als eine politische und
wirtschaftliche Entlastung betrachtet, doch mit dem fortschreitenden Ost-West Konflikt
brachte diese Auswanderung auch einen großen Legitimitätsverlust mit sich.44 Die DDR
definierte die Auswanderer als „Kriminelle“, „Saboteure“ und „Asoziale“, um so die
Auswanderung ihrer Bevölkerung zu erklären und rechtfertigen, doch ihre Politik konnte die
immer größer werdende Zahl der Auswanderer nicht verringern.45 Die Zahl der Auswanderer
erzielte vor allem nach der Verkündigung des Aufbaus des Sozialismus einen Höhepunkt.
Insgesamt verließen zwischen 1945 und 1961 drei Millionen Bürger die DDR.46
Die Republikflucht war für die DDR ein wichtiger Grund am 9. Juni 1953 zum
„Neuen Kurs“ überzugehen. Der Übergang zu einem neuen Kurs muss auch im Licht des
Todes Stalins am 5. März gesehen werden. Sein Tod hatte zu einer Desorientierung der SED
gesorgt. In ihrer Ratlosigkeit gab die SED zu, in der Vergangenheit Fehler begangen zu
haben, die eine Forcierung des Sozialismus zur Folge gehabt hatten.47 Einer dieser Fehler war
laut der SED die zur Finanzierung der Militarisierung eingeführten Steuer- und
Preiserhöhungen. Diese Erhöhungen wurden jetzt rückgängig gemacht. Das war für die
Bauern, die städtischen Mittelschichten, die Intelligenz und die Kirchen positiv, doch für die
„Abstimmung mit den Füβen“ ist ein zeithistorischer Begriff, das später von der Historiographie übernommen
wurde.
44
Hermann Wentker, „Die gesamtdeutsche Systemkonkurrenz und die durchlässige innerdeutsche Grenze.
Herausforderung und Aktionsrahmen für die DDR in den Fünfziger Jahren“, in: Dierk Hoffmann, Michael
Schwartz, Hermann Wentker (Hrsg.), Vor dem Mauerbau (München 2003), S. 59-77, hier S. 60 und 73.
45
Henrik Bispinck, „ ,Republikfluchtʼ: Flucht und Ausreise als Problem für die DDR-Führung“, in: Dierk
Hoffmann, Michael Schwartz und Hermann Wentker (Hrsg.), Vor dem Mauerbau (München 2003), S. 285-311,
hier S. 290.
46
Wentker, „Die gesamtdeutsche Systemkonkurrenz und die durchlässige innerdeutsche Grenze.“, S. 73.
47
Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte, S. 54.
43
27
Arbeiter wurden im Bezug auf die Steuern keine Zugeständnisse gemacht.48 Als einen
weiteren Fehler sah die SED die Betonung der Entwicklung der Schwerindustrie an. Sie
entschied sich jetzt dafür, anstelle der Schwerindustrie mehr Konsumgüter und
Nahrungsmittel zu produzieren.49 So hoffte sie eine größere Zufriedenheit des Volkes zu
erreichen. Auch die große Konflikte verursachende Kollektivisierung der Landwirtschaft
wurde ausgesetzt. Bauern konnten ihre Landmaschinen und die Mittelschichten ihre Betriebe
und Geschäfte jetzt zurück erhalten.
Obwohl die Maßnahmen dazu gedient hatten die Legitimität der SED zu vergrößern,
wurde der Neue Kurs von der DDR-Bevölkerung als eine „Bankrotterklärung der SEDDiktatur“ angesehen.50 Die Maßnahmen waren zu spät gekommen. Die fehlende Legitimität
der SED-Führung und die problematische wirtschaftliche Lage verursachten am 17. Juni 1953
einen Volksaufstand. In mehr als dreihundert Orten in Ostdeutschland wurde gestreikt und
demonstriert. Auch wurden örtliche Machtzentralen der SED bestürmt. Die Aufstand wurde
zum größten Teil von den nicht im Neuen Kurs berücksichtigten Arbeitern getragen. Die
DDR schlug den Aufstand mithilfe der KVP und sowjetischer Panzer blutig nieder.51 Ihre
Handlungsweise zeigt die wankende Basis der DDR-Herrschaft. Überdies zeigt sie, dass die
Herrschaft der DDR auf die Macht der UdSSR und deren militärischen Apparat basierte.52
Nach dem Volksaufstand folgte eine neue Verfolgungswelle und die Verhaftung der
Teilnehmer am Aufstand. In der DDR wurde vom „faschistischen Putschversuch“ oder vom
„Konterrevolutionären Putschversuch“ gesprochen.53 Es war charakteristisch für die
Herrschaft der SED in Zeiten von Krisen innere oder äußere Feinde und nicht sich selbst die
Schuld zuzuweisen. Obwohl der 17. Juni eigentlich zum Ziel hatte die SED-Herrschaft unter
Leitung von Ulbricht zu stürzen, konnte Ulbricht seine Herrschaft trotz der Machtkämpfe in
der SED und der an ihm geübten Kritik festigen. Wilhelm Zaisser und Rudolf Herrnstadt, die
Ulbricht am meisten kritisiert hatten, wurden von Ulbricht als Sündenböcke bezeichnet und
im Januar 1954 aus der SED entlassen.54 Auch andere widerstrebende Funktionäre wurden
aus der Partei ausgeschlossen. In den nächsten Jahren blieb diese Politik von Kurskorrekturen
und der Festigung der Partei-Herrschaft für den ostdeutschen Staat kennzeichnend.
48
Schroeder, Der SED-Staat, S. 121.
Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte, S. 67.
50
Schroeder, Der SED-Staat, S. 122.
51
Weber, DDR. Grundriβ der Geschichte 1945-1990, S. 48.
52
Schroeder, Der SED-Staat, S. 131.
53
Ibidem, S. 124.
54
Ibidem, S. 130 und 127.
49
28
Par. 3 Die internationalen Ausgangspositionen der DDR und der BRD am Anfang der
Fünfziger Jahre
Am Anfang der Fünfziger Jahre sah sich die DDR nicht nur innerstaatlich vor eine
Herausforderung gestellt. Außenpolitisch versuchte sie als „zweiter deutscher Staat“ einen
Platz in der internationalen Machtkonstellation zu erwerben. Sie hatte dafür allerdings keine
günstige Ausgangsposition. Der Handlungsspielraum der DDR war wegen ihrer festen
Bindung zur UdSSR gering. Die DDR wurde von der UdSSR und ihrer SKK überwacht,
kontrolliert und geleitet. Ohne die UdSSR in ihre Politik einzubeziehen konnte sie keine
selbständigen Entscheidungen treffen. Außerdem brauchte die DDR die UdSSR, da sie im
internationalen System wegen des Mangels an internationale Beziehungen isoliert war. Eine
von der UdSSR unabhängige Politik hätte die Position der DDR als zweiten deutschen Staat
noch unbedeutender gemacht. Hinzu kommt, dass von Seiten des Westens großer Druck auf
die DDR ausgeübt wurde. Ohne die militärische, politische und wirtschaftliche Hilfe der
UdSSR hätte der ostdeutsche Staat den Druck des Westens nicht überstanden.55
Die DDR entwickelte sich auf internationaler Ebene allerdings nicht nur in Bezug zur
UdSSR. Auch die Verbindung zur BRD bestimmte ihren Handlungsspielraum.56 Einerseits
war die DDR eine Gewährprobe auf der Seite der UdSSR, andererseits musste die DDR sich
in Bezug auf Westdeutschland selbstbewusst verhalten.57 Dieses selbstbewusste Verhalten
war notwendig, da die BRD sich im Vergleich zur DDR ganz anders entwickelte und es einen
schrillen Kontrast zwischen beiden Staaten gab. Außerdem hatte die BRD eine bessere
Ausgangsposition als die DDR. Sie wurde zwar durch die Alliierte Hohe Kommission in ihrer
Souveränität begrenzt, hatte aber trotzdem mehr Handlungsspielraum als die DDR. Das hatte
vor allem damit zu tun, dass sich die BRD mit Adenauer an der Spitze kooperativ aufstellte.
So konnte sich zum Beispiel mit der Hilfe der westlichen Alliierten das Wirtschaftswunder
vom Anfang der Fünfziger Jahre an entwickeln und eine neue Phase der Prosperisierung und
des Ansehens der BRD einläuten. Außerdem wurde die Existenz der BRD dadurch
legitimiert, dass sie sich als die einzige legitime Nachfolgerin der Weimarer Republik
präsentierte und von den westlichen Alliierten auch so betrachtet wurde. Am 20. September
1949 brachte Adenauer den Alleinvertretungsanspruch zum Ausdruck, in dem er den
Ingrid Muth, Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972. Inhalte, Strukturen, Mechanismen (Berlin 2000), S. 51.
Lemke, „Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung“, S. 181.
57
Joachim Scholtyseck, Die Auβenpolitik der DDR (München 2003), S. 7
55
56
29
Standpunkt der BRD als Alleinvertreter des deutschen Volkes verkündete.58
Adenauer fühlte sich zwar durch den Alleinvertretungsanspruch einerseits und die
positive Entwicklung in Westdeutschland andererseits gestärkt, doch die DDR fühlte sich
deswegen nicht nur isoliert, sondern auch von der BRD in ihrer Existenz bedroht und
angegriffen. Die konträre politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in den
beiden deutschen Staaten stand vom Anfang an im Zentrum der Auseinandersetzung der BRD
und der ostdeutschen Außenpolitik. Als Reaktion auf den Alleinvertretungsanspruch
profilierte die DDR ihre außenpolitischen Standpunkte in ihrer ersten außenpolitischen
Erklärung vom 24. Oktober 1949. In der Erklärung äußerte sie sich als Kämpferin für die
Einheit Deutschlands, einen Friedensvertrag und die Erfüllung der Abkommens von Jalta und
Potsdam. Desweiteren gab sie an friedliebende Beziehungen zu allen Völkern aufnehmen zu
wollen und sich gegen den Imperialismus und Kolonialismus zu wehren.59 Sie betrachtete sich
selbst als eine sozialistische Alternative zur BRD, die sie für den Nachfolger des
Nationalsozialismus hielt.60
Par. 4 Die Entwicklungen in der BRD in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre
Der Alleinvertretungsanspruch einerseits und die außenpolitische Erklärung der BRD
andererseits hatten eine Entfremdung beider Staaten in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre
zur Folge. Diese Entfremdung kam am deutlichsten in der fortschreitenden Annäherung der
BRD an dem Westen zum Ausdruck. Im gleichen Jahr, in dem Adenauer den
Alleinvertretungsanspruch verkündete, begann die Westintegration und der Prozess der
westdeutschen Souveränität. Der erste Schritt wurde am 28. April 1949 von den Vereinigten
Staaten von Amerika (USA), Großbritannien und Frankreich bei der Ratifizierung des
Ruhrstatuts gemacht. In dem Statut wurde die Internationalisierung des Ruhrgebietes
festgelegt, die die westdeutsche Anerkennung der Abhängigkeit von den westlichen Alliierten
bedeutete.61 Dem Ruhrstatut ging das Petersberger Abkommen vom 22. November 1949
voraus. Im Petersberger Abkommen wurden die Beschränkung der Demontagen, die
Michael Lemke, „Das Adenauer-Bild der SED“, in: Arnd Bauernkämpfer, Martin Sabrow und Bernd Stöwer
(Hrsg.), Doppelte Zeitgeschichte. Deutsch-deutsche Beziehungen 1945-1990 (Bonn 1998), S. 102-113, hier S.
106.
59
Muth, Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972, S. 15 und 7.
60
Michael Lemke, Einheit oder Sozialismus? Die Deutschlandpolitik der SED 1949-1961 (Köln usw. 2001), S.
122.
61
Rolf Steiniger, Deutsche Geschichte seit 1945. Darstellung und Dokumente in vier Bänden, Bd. 2 1948-1955
(Frankfurt am Main 1996), S. 123.
58
30
Wiederaufnahme konsularischer Beziehungen und die Lockerung der dem westdeutschen
Schiffsbau auferlegten Beschränkungen aufgenommen.62 Dieses Abkommen diente als
Entgegenkommen der westlichen Alliierten an West-Deutschland, weil die Alliierten und
Adenauer sich über das Ruhrstatut geeinigt hatten. Ein nächster Schritt wurde vom
französischen Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 gemacht, als er den nach ihm
benannten Schuman-Plan für die Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und
Stahl (EGKS) präsentierte. Frankreich, die Bundesrepublik und andere Länder sollten in der
Zukunft zusammen Kohle und Stahl produzieren. Am 18. April 1951 wurde der EGKSVertrag von Frankreich, Italien, den Benelux-Ländern und der Bundesrepublik
unterschrieben. Am 25. Juli 1952 trat der EGKS – auch Montanunion genannt – in Kraft.63
Ab 1950 wurden die Initiative zur Westintegration und zur westdeutschen
Souveränität auf Grund der internationalen Lage beschleunigt und immer mehr mit der
Wiederbewaffnung Westdeutschlands verbunden. Im Jahre 1949 war China kommunistisch
geworden, und 1950 brach der Korea-Krieg aus. In Europa und den USA entstand die Angst
vor dem Beginn einer kommunistischen Offensive und es wurde über das Ergreifen von
Maßnahmen geredet. Im März 1950 sprach sich Winston Churchill im britischen Unterhaus
für ein deutsches Kontingent im Rahmen einer europäischen Armee aus, und im Mai 1950
forderte Lucius Clay in der Öffentlichkeit die Wiederbewaffnung der BRD.64 Adenauer nutzte
die durch den Krieg mit den Kommunisten verursachte Angst für die Vergrößerung der
westdeutschen Souveränität. Er instrumantalisierte den Korea-Krieg für seine eigenen Ziele,
was zur Folge hatte, dass der Korea-Krieg der Vater der BRD-Souveränität und der
Bundeswehr wurde.65 Am 29. August 1950 schickte Adenauer den westlichen Alliierten ein
„Memorandum über die Sicherung des Bundesgebietes nach Innen und Außen“, in dem er die
Verteidigungsbereitschaft der BRD in Gefahr sah. Vom 12. bis zum 18. September 1950 fand
in New York eine Außenministerkonferenz statt, auf der den Wünschen der BRD
entgegengekommen wurde. Die alliierten Außenminister betrachteten die BRD als einzigen
Vertreter Deutschlands. Sie überlegten eine schnelle Beendigung des Kriegszustandes und
eine Revidierung des Besatzungsstatuts. Außerdem versprachen sie die
Wirtschaftsbeschränkungen der BRD zu lockern und Sicherheitsgarantien gegen die sich
Stefan Fröhlich, „Erste außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen“, in: Jürgen Elvert und Friederike
Krüger (Hrsg.), Deutschland 1949-1989. Von der Zweistaatlichkeit zur Einheit (Stuttgart 2003), S. 78-88, hier S.
80.
63
Raymond Poidevin und Jacques Bariéty, Frankreich und Deutschland. Die Geschichte ihrer Beziehungen
1815-1975 (München 1982), S. 431-432.
64
Ibidem, S. 427.
65
Steiniger, Deutsche Geschichte seit 1945, S. 145.
62
31
rasch ausbreitende ostdeutsche KVP zu bieten.66
Die New Yorker Außenministerkonferenz wurde Anlass für eine Diskussion über den
Ausbau der westdeutschen Truppen. Hier stießen die Interessen der Alliierten aufeinander.
Die USA hatten die größte Angst vor dem Kommunismus und befürworteten deshalb den
Ausbau, Großbritannien zögerte und Frankreich widerstrebte von jeher eine Stärkung der
BRD in Europa. Frankreich tat alles, um die deutsche Remilitarisierung zu verzögern und die
westdeutsche Aufnahme in die North Atlantic Treaty Organisation (NATO) zu verhindern. In
diesem Kontext wurde vom französischen Außenminister René Pleven am 24. Oktober 1950
der Pleven-Plan als eine Alternative vorgeschlagen.67 Aus diesem Plan kam ein Vertrag über
die Errichtung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zustande, worüber
zwischen Sommer 1951und Frühling 1952 diskutiert wurde. Dieser Vertrag wurde am 27.
Mai 1952 von den Außenministern aus Frankreich, Italien, den Benelux-Staaten und
Westdeutschland unterzeichnet.
Zusammen mit dem EVG-Vertrag war am 26. Mai 1952 der Deutschland- oder
Generalvertrag von den USA, Frankreich, Großbritannien und der BRD vereinbart worden.
Die BRD hatte diesen Vertrag als Gegenleistung für den EVG-Vertrag gefordert. In diesem
Vertrag wurde das Ende des Besatzungsstatuts aufgenommen, aber faktisch beinhaltete er die
Souveränität der BRD. Dieser Deutschlandvertrag konnte allerdings erst in Kraft treten, wenn
die nationalen Parlamente dem zugestimmt hatten. Frankreich bestand auf diese Zustimmung,
da es noch immer Angst vor dem Entstehen einer nationaldeutschen Armee hatte und sich
davon vergewissern wollte, dass es nur Truppenkontingente im Rahmen einer europäischen
Armee geben würde. Obwohl beide Verträge am 26. und 27. Mai unterzeichnet waren,
konnten sie nur nach Ratifizierung in Kraft treten. Die Versuche zur Ratifizierung scheiterten
allerdings definitiv am 30. August 1954. An diesem Tag wurde nämlich die Ratifizierung des
EVG-Vertrages von der französischen Nationalversammlung unter Leitung von Pierre
Mendès abgelehnt.68 Diese Ablehnung implizierte auch, dass der Deutschlandvertrag noch
nicht rechtsgültig sein konnte und die Souveränitätsgenehmigung der BRD verzögert wurde.
Neue Schritte auf dem Weg zur westdeutschen Souveränität wurden allerdings
gemacht. Vom 28. September bis zum 3. Oktober 1954 fand die Londoner
Neunmächtekonferenz statt. An diesem Konferenz waren Frankreich, die Benelux-Länder,
Italien, Großbritannien, die BRD, die USA und Kanada beteiligt. Hier wurde vereinbart, dass
66
Ibidem, S. 149-150.
Ibidem, S. 151-152.
68
Ibidem, S. 157.
67
32
die BRD in der Zukunft keine atomaren, bakteriellen oder chemischen Waffen und ebenfalls
keine schweren Rüstungsgütern produzieren würde. Außerdem würde sie die Grenze
respektieren und keine Veränderung zum Vorteil der BRD oder der deutschen
Wiedervereinigung nachstreben. Auf Grund dieser Vereinbarungen konnte am 23. Oktober
die Westeuropäische Union (WEU) als kollektiver Beistandspakt der wichtigsten Staaten
Europas und Möglichkeit zur militärischen Einbindung Westdeutschlands gegründet werden.
Nach der Ratifizierung der WEU wurden vom 19. bis zum 23. Oktober 1954 in Paris
Konferenzen organisiert die schließlich am 23. Oktober die Unterzeichnung der Pariser
Verträge durch Frankreich, Großbritannien, den Benelux-Staaten, Italien und die BRD
hervorbrachten. Mit diesen Verträgen wurde das Besatzungsstatut beendet und erhielt die
BRD ihre Souveränität, auch wenn diese durch die alliierten Vorbehaltsrechte bis zur
Wiedervereinigung 1989 eingeschränkt wurde. Außerdem wurde der Beitritt der BRD zur
NATO vereinbart, der am 9. Mai 1955 stattfand. Am 27. Februar 1955 wurden die Pariser
Verträge durch den westdeutschen Bundestag ratifiziert und am 5. Mai 1955 traten sie in
Kraft.69
Par. 5 Die Westarbeit der DDR
Die DDR hatte diese westdeutschen Entwicklungen zwischen 1949 und 1955 natürlich
sorgfältig beobachtet und mit grosser Befürchtung wahrgenommen. Sie entwickelte eine
„Westpolitik“, „Westarbeit“, „gesamtdeutsche Arbeit“ oder „Arbeit nach Westdeutschland“
um sich in Bezug auf Westdeutschland profilieren zu können. Obwohl in diesem Kontext oft
auch den Begriff „Deutschlandpolitik“ verwendet worden ist, entspricht dieser Begriff nicht
die ostdeutsche Terminologie, sondern der westdeutschen. Der Begriff „SED-Westarbeit“
bezieht sich Heike Amos zufolge auf „die gesamte operative Umsetzung der west- und
deutschlandpolitischen Ziele der SED-Führung zunächst in den westlichen Besatzungszonen,
dann in der Bundesrepublik Deutschland.“ Mit dieser Politik versuchte die DDR die
öffentliche Meinung, die Parteien, Organisationen, Politiker, Partei- und
Gewerkschaftsfunktionäre, Journalisten und Wissenschaftler der BRD zu beeinflussen.70
Um dieses Ziel zu erreichen, fand die Westarbeit auf vier Ebenen statt. Die erste war
die staatlich-offizielle Ebene, womit die Angebote der DDR an die BRD gemeint wurden. An
69
Ibidem, S. 294-295.
Heike Amos, Die Westpolitik der SED 1948/1949-1961 ‚Arbeit nach Westdeutschland‘ durch die Nationale
Front, das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit (Berlin 1999),
S. 8-9.
70
33
zweiter Stelle machte die DDR eine instrumentell gesteuerte Politik. Westdeutsche Personen
und Organisationen wurden von der DDR für deren nationale Ziele instrumentalisiert, doch
diese Instrumentalisierung war für sowohl die ost- als auch für die westdeutsche
Öffentlichkeit nicht immer offensichtlich. Eine dritte Ebene bezog sich auf den
geheimdienstlichen Apparat der SED, in dem das Ministerium für Staatssicherheit die
bedeutendste Stelle einnahm. Schließlich versuchte die DDR mittels öffentlicher und massiver
Propagandaaktionen und Pressekonferenzen ihre aktuellen nationalen Standpunkte zu
offenbaren.71
Die Westarbeit der DDR konnte nur ausgeführt werden, wenn der Westapparat
organisatorisch gestaltet wurde. Nachdem schon ab 1945 die Bausteine dafür gelegt waren,
folgte die Ausgestaltung in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre. Das Politbüro und das
Zentralkomitee der SED leiteten und kontrollierten die Westarbeit. Ihre Aufgaben waren die
Verkündung der kommunistischen Ideologie in der BRD, das Unterwandern des
parlamentarisch-demokratischen Systems sowie das Errichten und Unterstützen von
Hilfsorganisationen der SED. Auch leiteten das Politbüro und das Zentralkomitee das
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und das Ministerium für Staatssicherheit an.
Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten war 1949 gegründet worden und hatte in
den ersten Jahren die Aufgabe, die politischen Aktivitäten der Westmächte zu beobachten.72
Das Ministerium für Staatssicherheit beschäftigte sich mit der Überwachung vermeintlicher
Gegner, da die DDR im Bezug auf ihre Westarbeit sich immer zwischen „Erklärung“ und
„Abwehr“ bewegte.73 Die Parteien und Massenorganisationen der DDR wurden auf Grund
ihrer Möglichkeiten zur Erreichung einer großen Masse auch in die Westarbeit einbezogen.
Schließlich wurden Gremien und Ausschüsse gebildet, um die Westarbeit an internationalen
Entwicklungen orientieren zu können. Diese Gremien und Ausschüsse waren allerdings
wechselhaft: sie wurden gegründet, aufgelöst und neugegründet.74
Für die erste Hälfte der Fünfziger Jahren kann im Bezug auf die Westarbeit eine
Untergliederung in drei Phasen gemacht werden. Die Erste Phase fing 1949 an und endete
1952/1953. Bestimmend waren der BRD-Alleinvertretungsanspruch und die außenpolitische
Erklärung der DDR 1949. In der ersten Phase spielte die DDR auf die Entwicklungen in der
Heike Amos, „Die ‚Nationale Front des Demokratischen Deutschland‘ – ‚Sprachrohr‘ der SED-Westpolitik
(1948/1949-1961)“, in: Heiner Timmermann, (Hrsg.), Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre
(Berlin 2001), S. 39-58, hier S. 57.
72
Amos, Die Westpolitik der SED 1948/1949-1961, S. 349.
73
Ibidem, S. 346.
74
Ibidem, S. 341.
71
34
BRD an, weil sie glaubte, die internationale Lage lege noch nicht fest, sie könne die Einheit
Deutschlands noch zustande bringen und könne ihr „antifaschistisch-demokratisches Modell“
auf die BRD projizieren und übertragen. Diese Hoffnung war darauf basiert, dass die UdSSR
die schwerfälligen deutsch-deutschen Unterhandlungen wieder antreiben wollte, die Spaltung
Deutschlands noch nicht so lange bestand und die politische, wirtschaftliche und militärische
Einbindung der BRD im Westen noch nicht so fortgeschritten war.75 Die am 7. Oktober 1949
aus der Volkskongressbewegung hervorgegangene Nationale Front des Demokratischen
Deutschlands, mit einer Nationalrat an der Spitze, zielte auf die Herstellung der politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Einheit Deutschlands, die nationale Unabhängigkeit, den
Abschluss eines Friedensvertrags und den Abzug der Besatzungstruppen ab. Diese Nationale
Front war ein Integrations- und Koordinationsinstrument für alle Parteien und
gesellschaftliche Organisationen, die sich in diesen Jahren mit der Westarbeit
auseinandersetzten. Infolgedessen wurde sie das Organisationsgremium der Westarbeit im
Dienste der SED.76
Der ostdeutsche Staat hatte seinen Westapparat und seine Ziele in Bezug auf den
Westen zwar organisiert und klar konturiert, doch die Schwierigkeit lag darin, dass er ihre
Ziele nur konform seiner eigenen Ideen zustande bringen wollte. Diese Starrheit kam in
seinen Reaktionen auf die Geschehnisse in der BRD zum Ausdruck. So trat die DDR im
September 1950 dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bei, den am 25. Januar
1949 von der UdSSR, der Tschechoslowakei, Albanien Ungarn, Polen, Bulgarien und
Rumänien als eine sozialistische Alternative zur wirtschaftlichen Entwicklung im Westen
gegründet worden war.77 Die DDR nahm außerdem vom 20. bis zum 21. Oktober 1950 an der
Prager Außenministerkonferenz teil, die als eine Gegenkonferenz zur New Yorker
Außenministerkonferenz organisiert worden war. Der Außenminister der DDR, Georg
Dertinger, beabsichtigte alle Staaten im sowjetischen Machtbereich gegen die
Wiederbewaffnung der BRD zu vereinigen.78
Die DDR nahm nicht nur an Konferenzen teil, sie machte der BRD auch direkte
Vorschläge. Doch auch in ihren Vorschlägen weigerte sie sich, Konzessionen zu machen. Am
30. November 1950 versuchte Otto Grotewohl mit einem offenen Brief an Adenauer die
Verhandlungen zwischen der DDR und BRD erneut aufzunehmen. Gemäß der in der ersten
75
Ibidem, S. 75.
Ibidem, S. 46
77
Die RGW ist auch unter dem Namen Council of Mutual Economic Assistance (COMECON) bekannt.
78
Hermann Wentker, Auβenpolitik im engen Grenzen. Die DDR im internationalen System 1949-1989 (München
2007), S. 89.
76
35
Phase der DDR propagierten Losung „Deutsche an einen Tisch“ schlug Grotewohl
Verhandlungen über einen „Gesamtdeutschen Konstituierenden Rat“ vor. Adenauer
antwortete aber in einen Brief vom 15. Januar 1951, dass er diesem „Gesamtdeutschen
Konstituierenden Rat“ nur zustimmen würde, falls in der DDR freie, durch eine Kommission
der United Nations Organisation (UNO) kontrollierte Wahlen durchgeführt würden und es
zur Auflösung der KVP käme.79 Ein anderes Beispiel der ostdeutschen Starrheit war der
Notenwechsel zwischen der UdSSR und dem Westen im Frühjahr 1952, in dem die UdSSR
die Wiedervereinigung und Neutralität Deutschlands vorschlug. Die letzten gesamtdeutschen
Initiativen scheiterten, als der Westen diesen Vorschlag ablehnte. Die Alliierten glaubten
nämlich, die UdSSR sei nur an einer Verhinderung der Remilitarisierung und Westintegration
der BRD interessiert. Außerdem beharrten sie auf der Durchführung freier Wahlen, denen von
der DDR wiederum nicht zugestimmt wurden.80 Das Nicht-Nachgeben der DDR kam auch in
ihrer Errichtung einer Sperrzone und der Abriegelung der Westgrenze nach der Vereinbarung
des EVG-Vertrags im Mai 1952 zum Ausdruck.81
Die zweite Phase der Westarbeit zwischen Mitte 1953 und Mitte 1955 muss im Licht
dieser gescheiterten Versuche betrachtet werden. Es war der DDR mittlerweile klar, dass die
ost- und westdeutschen Deutschlandkonzeptionen miteinander unvereinbar waren. Doch auch
innenpolitisch musste die DDR ihre seit der II. Parteikonferenz im Juli 1952 und dem
Volksaufstand im Juni 1953 immer mehr ins Wanken geratene Position akzeptieren. Auf
Grund dessen glaubte die DDR ihre deutschlandpolitischen Ziele nicht mehr kurzfristig,
sondern nur mit der Zeit erreichen zu können. Diese Einsicht äußerte sie in ihrer neuen
„Zwei-Staaten-Theorie“. 82 Diese Theorie beinhaltete die Existenz zweier deutscher Staaten,
die gegenseitig von einander entfremdet waren und sich nur sehr schwierig einander annähern
konnten. Das die DDR immerhin noch an die Annäherung glaubte, bewies die Gründung des
„Ausschusses für deutsche Einheit“ am 7. Januar 1954, in dem „alle Fragen zusammenfassend
bearbeitet werden, die mit der Vorbereitung eines Friedensvertrages mit Deutschland und der
Wiederherstellung der Einheit eines demokratischen friedliebenden und unabhängigen
Deutschlands in Zusammenhang stehen.“ 83 Diese Gründung fand nicht zufälligerweise kurz
79
Ibidem, S. 89-90.
In der Historiographie ist seit der Fünfziger Jahre eine Debatte im Bezug auf die Noten-Wechsel und die
Absichten Stalins entstanden. In dieser Debatte hat es Anhänger der These der „verpassten Chance“ oder
„Angebotsthese“ (vor allem Paul Sethe, Rolf Steiniger und Wilfried Loth ) und Anhänger der „Propaganda- oder
Alibithese“ (vor allem Hermann Graml, Vojtech Mastny und Gerhard Wettig) gegeben.
81
Hermann Weber, Geschichte der DDR (2. Auflage; München 2000), S. 176.
82
Lemke, „Die Deutschlandpolitik der DDR zwischen Moskauer Oktroi und Bonner Sogwirkung“, S. 181.
83
Amos, Die Westpolitik der SED 1948/1949-1961, S. 258.
80
36
vor dem Außenministerkonferenz in Berlin statt, die vom 25. Januar bis zum 18. Februar 1954
von den Außenministern der USA, der UdSSR, Großbritannien und Frankreich organisiert
wurde. Obwohl auf dieser Konferenz die Beschlüsse in Bezug auf Korea und Vietnam
verabschiedet wurden, konnte in der deutschen Frage kein Durchbruch erreicht werden. Die
Gründe dafür waren das Ablehnen freier Wahlen durch die DDR, der Streit zwischen der
Sowjetunion und dem Westen hinsichtlich eines Friedensvertrages und ein kollektives
Sicherheitssystem, und schließlich die ostdeutsche Feindlichkeit gegenüber der westdeutschen
Wiederbewaffnung. Die Genfer Gipfelkonferenz vom 18. bis zum 23. Juli 1955, auf denen
sich die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und die Außenminister der BRD und DDR
trafen, ergab ebenfalls keine Fortschritte.84
Auch während der dritten Phase der Deutschlandpolitik zwischen Mitte 1955 und
Ende 1956 fand keine Annäherung zwischen Ost und West statt. Nach Adenauers
Verkündung der Hallstein-Doktrin am 10. Dezember 1955, die als Nachfolger des
Alleinvertretungsanspruch diente, gab es dafür auch keine Chance mehr. Konform diese
Doktrin dürften Staaten keine Beziehungen zur DDR aufnehmen, da die BRD der einzige
Vertreter des deutschen Staates war. In den Fünfziger Jahren versuchte Adenauer mittels der
Hallstein-Doktrin die völkerrechtliche Anerkennung und jede andere Aufwertung der DDR zu
verhindern.85 Die Hallstein-Doktrin blieb bis zur Verkündung der Ostpolitik der Kompass, an
dem sich die außen- und deutschlandpolitischen Entscheidungen der BRD orientierten.86
Nicht nur Adenauer, auch Nikita Chruschtschow ging immer mehr von der deutsch-deutschen
Entfremdung aus. Die Politik der UdSSR und der DDR wurde ab 1955 verstärkt von der
„Zwei-Staaten-Theorie“ bestimmt.87 Die Wiedervereinigung hatte für den Osten auf Grund
der Aufnahme der BRD in die NATO und ihrer eigenen Aufnahme in den Warschauer Pakt
am 14. Mai 1955 keine Priorität mehr. Infolgedessen hatte auch die DDR ein größeres
Ausmaß an Souveränität erhalten. Am 1. März 1956 ging aus der KVP die Nationale
Volksarmee (NVA) hervor. Während die Existenz der DDR ab 1955 nicht mehr zur
Disposition stand, konnte sie sich ab 1955 auf ihre völkerrechtliche Anerkennung
konzentrieren.88 Die Westarbeit wurde zwar fortgeführt, doch die DDR erreichte hiermit auch
in den nächsten Jahren wenig Erfolg.
Siegfried Schwarz, „Die Deutschland Problematik im internationalen Kontext“, in: Clemens Burrichter, Detlef
Nakath und Gerd-Rüdiger Stephan (Hrsg.), Deutsche Geschichte von 1945 bis 2000. Gesellschaft – Staat –
Politik. Ein Handbuch (Berlin 2006), S. 181-216, hier S. 192-193.
85
Ibidem, S. 194.
86
Christopher Kleβmann, Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970 (Bonn 1988), S. 83.
87
Wentker, Auβenpolitik im engen Grenzen, S. 98.
88
Muth, Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972, S. 51.
84
37
Par. 6 Die ideologische und propagandistische Rechtfertigung der Westpolitik nach innen
Die Westarbeit der DDR hatte natürlich auch eine innenpolitische Seite. Die DDR wollte ihre
Bürger konform ihrer eigenen Ideen erziehen und sie von der Richtigkeit ihrer außen- und
innenpolitischen Entscheidungen überzeugen. Das Zurückgreifen auf die Ideologie und
Propaganda erschienen ihr dafür die besten Möglichkeiten zu bieten.. Mit ihrer Ideologie
beabsichtigte die DDR die Theorie in die Massen „hineinzutragen“.89 Die Propaganda
bedeutete die Darstellung von Ansichten und Forderungen, und darüber hinaus wollte die
DDR, dass ihre Bürger ihre Weltsicht übernähmen. 90 Diese Ziele konnten nur mithilfe der als
Vermittlungsinstrument dienenden Massenmedien ausgeführt werden, die die DDR als ein
Instrument für den Ideologietransfer in Bezug auf gesellschaftliche Informationen und als eine
Möglichkeit zur öffentlichen Kommunikation betrachtete.91 In den Jahren nach 1945 wurde
der Propaganda- und Ideologieapparat auf- und ausgebaut, und am Anfang der Fünfziger
Jahre war ihre Organisationsstruktur faktisch gebildet. Diese Organisationsstruktur war auf
eine breite Basis gestellt worden. Der gesamte Mediensektor, die Massenorganisationen und
die staatlichen Verwaltungen waren einbezogen.92 Zeitungen, Zeitschriften, der Rundfunk und
später auch das Fernsehen konnten die Ideologie der DDR übertragen und die neuen
Machtverhältnisse sicherstellen. Durch die Einführung einer Zensur achtete der ostdeutsche
Staat darauf, dass nur die Berichte seiner Wahl publiziert wurden und eine einheitliche
Berichterstattung und Propaganda zustande kam.
Diese Berichterstattung und Propaganda betrieb eine Verherrlichung des SED-Staates
und eine Dämonisierung des Westens, insbesondere der BRD. Siegfried Schwarz hat in
seinem Artikel „Das Verhältnis der DDR zur westeuropäischen Integration. Phasen der
Wahrnehmung – Umdenken – Annäherung an die Realität (1950-1990)“ eine Untergliederung
in fünf Propagandarichtungen gemacht. Die erste Propagandarichtung bezog sich auf die
Integrationspolitik der BRD. Die DDR betrachtete diese Politik als antinational, da die BRD
auf Grund ihrer Handlungen die Einheit Deutschlands verhinderte. In ihrer zweiten
Propagandarichtung richtete der ostdeutsche Staat sich gegen die Westintegration, die sie als
eine amerikanische Vorbereitung auf einen neuen Krieg gegen die UdSSR ansah. Die USA
wäre überhaupt nur darauf aus, ganz Europa zu „kolonisieren“. Die Montanunion und der
Monika Gibas, „Ideologie und Propaganda“, in: Andreas Herbst, Gerd-Rüdiger Stephan und Jürgen Winkler
(Hrsg.), Die SED. Geschichte, Organisation, Politik. Ein Handbuch (Berlin 1997), S. 241-263, hier S. 243.
90
Monika Gibas, Propaganda in der DDR 1949-1989 (Thüringen 2000), S. 16.
91
Gibas, „Ideologie und Propaganda“, S. 245.
92
Gibas, Propaganda in der DDR, S. 32.
89
38
Nachdruck der USA auf die Entwicklung der Schwerindustrie und die wirtschaftliche
Zusammenarbeit der westeuropäischen Länder sollte in diesem Kontext gesehen werden. Die
dritte Propagandarichtung bezog die BRD in der Politik der USA ein. Die BRD war der DDR
zufolge nur darauf aus, die Westintegration für ihre eigenen Ziele durchzuführen und könnte
dann ebenfalls den Angriff auf die sozialistischen Länder vorbereiten. Viertens widerstrebte
der DDR die Mentalität der BRD als wäre sie in ihrer Tradition als christliches Abendland die
Trägerin der Europa-Idee und die Förderin der Integration. Diese vier Propagandarichtungen
kamen in der fünfte zusammen: Die DDR hob nachdrücklich die Konflikte und
Interessengegensätze zwischen Ost und West hervor.93
Nicht nur die Entwicklungen im Westen sowie in der BRD wurden von der DDR
kritisiert, ihre Kritik betraf auch in starkem Maß die Person Adenauer. Adenauer wurde als
die Verkörperung der BRD angesehen, die SED sprach über die BRD als „Adenauer-Staat“.
Dieses negative Bild hatte sich seit 1948 entwickelt, als Adenauer sich negativ über die
Volkskongressbewegung äußerte. Ein Jahr später, mit der Gründung der BRD und Adenauers
Verkündung des Alleinvertretungsanspruches, wurde das westdeutsche Bild der DDR umso
negativer. Die antiwestdeutsche Propaganda erreichte auf Grund der fortschreitenden
Westintegration nach 1952 einen Höhepunkt. Es wurde Adenauer übel genommen, dass er in
der gesamtdeutschen Frage nicht kooperativ sei. Er wurde in der Öffentlichkeit als ein Lakai
oder eine Marionette von den USA, als Revanchist, Kriegshetzer, „Kalter Krieger“ und
Reaktionär dargestellt.94 Alles was er machte, widerspreche den Bemühungen der DDR,
Deutschland wiederaufzubauen. Während die DDR Deutschland konform die aktuellen
Weltlage gestaltete, könne Adenauer sich nur auf die Restauration alter Strukturen berufen.95
Zusammenfassend betrachtete die DDR die Politik Adenauers als überhaupt unvereinbar mit
der nationalistisch einheitlichen Politik der SED, und sie versäumte nicht, ihre Bürger darauf
aufmerksam zu machen.
Zusammenfassung
Nach der Gründung der BRD am 23. Mai 1949 und der Gründung der DDR am 7. Oktober
Schwarz, „Das Verhältnis der DDR zur westeuropäischen Integration. Phasen zur Wahrnehmung – Umdenken
– Annäherung an die Realität (1950-1990), in: Heiner Timmermann (Hrsg.), Die DDR in Deutschland. Ein
Rückblick auf 50 Jahre (Berlin 2001), S. 139-157, hier S. 140-143.
94
Lemke, „Das Adenauer-Bild der SED“, S. 103-107.
95
Lemke, Einheit oder Sozialismus, S. 122.
93
39
1949 fing für beide Staaten eine Geschichte von Abgrenzung und Verflechtung an. Sowohl
die innerstaatlichen Entwicklungen in der DDR sowie ihre Beziehung mit der BRD wurden
hiervon bestimmt. Schon zwischen 1945 und 1949 wurden die Bausteine für die
innerstaatliche Entwicklung der DDR gelegt und nach 1949 wurde darauf aufgebaut. Die
DDR entwickelte sich zum Satellitenstaat der UdSSR, in dem der Sozialismus vorangetrieben
und das gesellschaftliche Leben völlig gleichgeschaltet wurde. Die erste Hälfte der Fünfziger
Jahre wurde vor allem von zahlreichen politischen Kurskorrekturen und der Abwanderung in
den Westen gekennzeichnet.
Die Entwicklung der DDR gestaltete sich im krassen Gegensatz zur Entwicklung der
BRD. Die BRD hatte nicht nur mehr Handlungsspielraum in ihrer nationalen und
internationalen Politik, sie profilierte sich auch als der einzige legitime deutsche Staat.
Darüber hinaus fühlte sie sich durch die Westintegration und die Wiederbewaffnung zwischen
1949 und 1955 gestärkt. Die DDR betrachtete diese Entwicklungen mit sehr viel Misstrauen
und handelte ähnlich. Sie war in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre allerdings nicht in der
Lage, auf politischer Ebene mit der BRD zu diskutieren oder zu konkurrieren. Die einzige
Protestmöglichkeit fand sie in ihrer Westarbeit, weswegen der ostdeutsche Westapparat in der
ersten Hälfte der Fünfziger Jahre sorgfältig ausgebaut wurde. Es können hinsichtlich der
Haltung der DDR drei Phasen angewiesen werden. Die erste Phase dauerte von 1949 bis
1952/1953, in der die DDR noch ihre eigenen Ziele hinsichtlich der Einheit Deutschlands und
der sozialistischen Ideologie übertragen zu können glaubte. In der zweiten Phase, zwischen
Mitte 1953 und Mitte 1955, wurden die Verhältnisse von der „Zwei-Staaten-Theorie“
bestimmt. Zwischen Mitte 1955 und Ende 1956 schließlich fand ebenfalls keine Annäherung
zwischen der BRD und der DDR statt. Die Spaltung wurde auf Grund der Verkündung der
Hallstein-Doktrin und der Aufnahme der BRD in die NATO, beziehungsweise der DDR in
das Warschauer Pakt definitiv. Diese Entwicklungen fanden ihrer Niederschlag in der
Ideologie und Propaganda nach Innen, womit die DDR die Westpolitik und ihre eigene
Ohnmacht gegenüber die Ostdeutschen zu rechtfertigen beziehungsweise zu kaschieren
versuchte.
40
Kapitel II: Die Organisation und der Vollzug der Heimkehrer-Transporte durch die
DDR 1950-1956
Ab 1950 wurden die Kontakte mit der Demokratischen Republik Vietnam (DRV) ein Thema
in der Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Diese Kontakte waren
von Anfang an mit der Heimkehr der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre verbunden.
Die DDR und die DRV arbeiteten in Bezug auf sie zusammen, damit die DRV sich von ihnen
befreien konnte, und die DDR vom Anfang an Einfluss hatte. Nur so konnte sie das Thema
„Heimkehr der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre“ zwischen 1950 und 1956 so gut wie
möglich für ihre eigenen Ziele nutzen. Wie wurde die „Operation Heimkehrer“ von der DDR
und der DRV gestaltet, und wie erging es den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären
während ihrer Zeit als Überlaufer oder Kriegsgefangene in Nordvietnam, während der Reise
in die DDR und nach ihrer Ankunft?
Par. 1 Deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in der DRV 1945-1950
In den Dreißiger Jahren hatten drei Männer aus Abneigung gegen das Nazi-Regime ihre
Heimat verlassen: Erwin Borchers, Rudy Schröder und Ernst Frey. Borchers wurde in
Straßburg geboren und verliess diese Stadt1933. Auch der Kölner Schröder zog 1933 nach
Frankreich. Beide Männer wurden 1939 auf Grund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit vor
die Wahl gestellt, entweder inhaftiert zu werden oder in die französische Fremdenlegion
einzutreten. Sie entschieden sich für die Fremdenlegion. Frey schließlich war Österreicher
und musste auf Grund seiner jüdisch-ungarischer Herkunft 1938 sein Land verlassen. Noch
im gleichen Jahr trat er, im Gegensatz zu Borchers und Schröder, freiwillig in die
Fremdenlegion ein, da er nicht wusste, was er sonst machen sollte.96
Die drei neuen Fremdenlegionäre wurden zuerst in Algerien und anschließend 1941 in
Indochina eingesetzt. Schon ab 1941 kam ihre kommunistische Interesse bei der Gründung
einer kommunistischen Zelle zum Ausdruck. Diese Zelle bestand insgesamt aus fünf
Fremdenlegionären. Zusammen besprachen sie die politische Lage hinsichtlich Faschismus
und Krieg, die französisch-japanische Kollaboration und die französische Zusammenarbeit
mit den Achsenmächten. Die Gründung der kommunistischen Zelle war von den Vietnamesen
96
Heinz Schütte, Zwischen den Fronten. Deutsche und österreichische Überläufer zum Viet Minh (Berlin 2006),
S. 60.
41
bemerkt worden. Truong Chinh, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams
(KVP) – ab 1951 in Lao Dong Partei umgetauft –, versuchte ab Ende 1941 Sympathisanten
unter den Fremdenlegionären zu finden.97 Noch im gleichen Jahr schloss die Zelle sich bei der
Kommunistischen Partei an, obwohl in den Jahren bis 1945 von einer Desertation der drei
Fremdenlegionäre zur nordvietnamesischen Seite noch keine Rede sein konnte. Die
Inhaftierung der drei Männer durch die Japaner nach dem japanischen Putsch vom 9. März
1945 einerseits, und ihre Freilassung nach der Unabhängigkeitserklärung Vietnams im
September 1945 andererseits, brachten aber nebem einem Systemwechsel auch einer
Bewusstseinsänderung mit sich. Diese Bewusstseinsänderung hatte mit der Lage Frankreichs
zu tun. Frankreich konnte sich nicht langer als Vertreiber der faschistischen Japaner
präsentieren.98 Auf Grund dessen fehlte es dem Land immer mehr an Legitimität in Bezug auf
die Besetzung Indochinas. Borchers, Schröder und Frey entschieden sich jetzt dafür, auf einer
politisch und moralisch besseren Seite zu kämpfen, die sich nicht mit Kolonialismus einließ
und ihre kommunistischen Ideale vertrat.
Durch ihren Seitenwechsel wurden sie die Pioniere der Überläufer der nächsten Jahre.
Nach dem Überlaufen erhielten die drei ehemaligen Fremdenlegionäre Decknamen. So wurde
Borchers „Chien Sy“, Schröder „Le Duc Nhan“ und Frey „Nguyen Dan“ genannt. Der Viet
Minh setzte sie beim Ministerium für Information und Propaganda ein und beauftragte sie mit
Tätigkeiten für die Fremdenlegionäre. Die Propaganda beinhaltete die Veröffentlichung von
Zeitungen. So wurde die französische Zeitung La République publiziert, in der Borchers,
Schröder und Frey Artikel über die gerechte Sache der Nordvietnamesen und die
menschenunwürdigen Handlungen der Franzosen schrieben. Diese Zeitung wurde 1946 in Le
Peuple - Organe de Combat pour l’Indépendance du Viêt-Nam umgetauft, von der insgesamt
22 Ausgaben erschienen.99 Borchers und Schröder schrieben nicht nur Zeitungsartikel,
sondern arbeiteten auch als Kommentatoren und Sprecher in der französischen Sprache beim
nordvietnamesischen Staatssender.100 Obwohl Frey sich anfangs mit den gleichen Tätigkeiten
wie Borchers und Schröder auseinandersetzte, interessierte er sich schon bald mehr für die
militärischen Handlungen der Nordvietnamesen statt für ihre Propagandatätigkeiten. Er lag es
auf Grund dessen auf eine Unteroffiziersausbildung in der nordvietnamesischen Volksarmee
97
Ibidem, S. 79.
Ibidem, S. 105.
99
Ibidem, S. 108-109.
100
Ibidem, S. 114.
98
42
an.101
Als im Dezember 1946 der Indochinakrieg ausbrach, betrachtete der Viet Minh die
Propaganda von Borchers und Schröder als Mitglieder der Propagandaabteilung „Dich Van“
als vermehrt bedeutungsvoll. Vor allem Borchers nahm in den nächsten Jahren eine
Schlüsselposition ein. Er war 1948 vietnamesischer Staatsbürger geworden und wurde
Politkommissar sowie Oberstleutnant in der Volksarmee. Außerdem wurde er Schriftleiter der
seit 1947 publizierten Propagandazeitschrift Waffenbrüder – Kampforgan der Deutschen im
Dienste Viet-nams, die ab 1950 unter dem Titel Heimkehr veröffentlicht wurde. Auch war er
Verantwortlich für die ebenfalls 1947 in Französisch publizierte Zeitschrift Frères d’armes Organe de Combat des amis du Viet-Nam. 102 In diesen Zeitschriften wurde auf die
Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland, die Ungerechtigkeit des Kolonialismus
und die Unmenschlichkeit des Indochinakrieges hingewiesen. So hieß es in Waffenbrüder
vom April 1948 zum Beispiel „Lasst euch in kein neues Camerone führen! Kommt zu uns!“,
und in Waffenbrüder vom August 1948: „In der Legion bleiben heißt: - Verrat an Deutschland
– Verzicht auf Heimkehr – Siechtum, Knechtschaft und Tod“.103 Außer der Veröffentlichung
von Zeitschriften verbreiteten Borchers und Schröder Handzettel und riefen die
Fremdenlegionäre mittels Lautsprecher auf, auf die Seite Ho Chi Minhs überzutreten.
Par. 2 Die Zusammenarbeit zwischen der DDR und der DRV
Obwohl drei ehemalige Fremdenlegionäre, von denen zwei die Deutsche Nationalität
besaßen, ab 1945 mit den Nordvietnamesen Kontakte knüpften, war von offiziellen deutschvietnamesischen Kontakten in den Vierziger und in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre noch
nicht die Rede. Zwischen 1945 und 1949 konnte weder die Bundesrepublik Deutschland
(BRD) noch die DDR auf Grund der Anwesenheit und Autorität der Alliierten in Deutschland
internationale Beziehungen eingehen. Auch nach der Spaltung Deutschlands blieben beide
Staaten im Bezug auf ihre internationale Politik weitgehend unter alliierter Kontrolle.
Abgesehen davon war die BRD überhaupt nicht an eine Aufnahme der Beziehungen mit der
DRV interessiert. Die DRV kämpfte gegen ihren Bundesgenossen Frankreich und war
außerdem kommunistisch orientiert. Zwischen der DDR und die DRV gab es mehr
Übereinstimmungen. Die DDR war, wie die DRV, kommunistisch, anti-imperialistisch und
101
Ibidem, S. 118-119.
Ibidem, S. 147.
103
Waffenbrüder – Kampforgan der Deutschen im Dienste Viet-nams vom April 1948 und vom 19.8.1948.
102
43
anti-kolonialistisch eingestellt. Außerdem befanden beide Staaten sich in einer ähnlichen
Situation, denn sie waren die kommunistische Hälfte eines gespaltenen Staates. Auf Grund
ihrer kommunistischen Orientierung waren sie diplomatisch isoliert, versuchten in den
fünfziger Jahren jedoch diplomatische Beziehungen anzugehen und Verbündete zu finden um
so ihrer Isolation zu entkommen.104
In erster Instanz wurde aber nicht an gegenseitige Beziehungen gedacht. Das hatte mit
der internationalen Lage am Ende der Vierziger Jahre zu tun. Diese internationale Lage
bestimmte und erschwerte nämlich den Handlungsspielraum und die Handlungsweise beider
Staaten. Die DDR, und mit ihr die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR),
ergriffen 1949 keine Initiativen, Beziehungen zur DRV aufzunehmen, weil sie Frankreich als
Gegner der DRV nicht provozieren wollten. Die DRV befand sich 1949 in einer schwierigen
Situation und ihre Lage wurde immer prekärer. Grund dafür war erstens Frankreichs
Anerkennung des „Staates Vietnam“ am 8. März 1949 im Süden Vietnams mit Kaiser Bao
Dai an der Spitze. Nordvietnam fühlte sich jetzt bedroht. Zweitens sorgte die Gründung der
Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 in Nordvietnam für Panik. Die DRV betrachtete die
Aufnahme diplomatischer Beziehungen jetzt als Voraussetzung für die Festigung ihrer
Machtposition, damit sie China ein Gegenwicht bieten konnte. Am 14. Januar 1950 rief Ho
Chi Minh alle Regierungen der Welt auf, Beziehungen zur DRV aufzunehmen. China, die
UdSSR und andere sozialistische Volksdemokratien gingen daraufhin Beziehungen zur DRV
ein.105
Die DDR konnte diese Aufforderung zwar nicht Folge leisten, aber wollte sich
symbolhaft und solidarisch der DRV gegenüber verhalten. Sie suchte auf Grund dessen nach
einer Zwischenlösung. Die DDR verwendete dafür einen Brief der Lao Dong Partei, in dem
sie auf die Anwesenheit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DRV
aufmerksam gemacht worden war. Der ostdeutsche Ministerrat beantwortete diesen Brief am
2. Februar 1950 in einer Regierungserklärung. Obwohl diese Erklärung keine Aufnahme der
diplomatischen Beziehungen zur DRV implizierte, stellte sowohl die DDR als die DRV es
später so dar. In Wirklichkeit bezog sich diese Erklärung nur auf das Thema der deutschen
104
Länder mit denen die DDR in den Vierziger und Fünfziger Jahren diplomatische Beziehungen aufnahm:
UdSSR 1949, Volksrepublik Bulgarien, Republik Polen 1949, Tschechoslowakische Föderative Republik 1949,
Republik Ungarn 1949, Rumänien 1949, Volksrepublik China 1949, Koreanische Volksdemokratische Republik
1949, Sozialistische Volksrepublik Albanien 1949, Mongolische Volksrepublik 1950, Demokratische Republik
Vietnam 1954, Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien 1957; Siehe dazu Muth Die DDR-Auβenpolitik
1949-1972, S. 234 und Scholtyseck, Die Auβenpolitik der DDR, S. 7.
105
Joachim Krüger, „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“, in: Asien, Afrika,
Lateinamerika Nr. 19 (Berlin 1991), S. 815-826, hier S. 817.
44
ehemaligen Fremdenlegionäre. Die DDR erklärte erstens ihre Sympathie und Freundschaft
mit dem nordvietnamesischen Volk. Zweitens wendete sie sich an die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre: „Die Regierung der Demokratischen Republik Deutschland fordert alle
Deutschen, die als Fremdenlegionäre in die französische Kolonialarmee gepreβt wurden, auf,
mit dem schmutzigen und verbrecherischen Krieg Schluβ zu machen und zur Volksarmee
Vietnam überzugehen.“ Außerdem bot sie den Überläufern eine Alternative für die
Fremdenlegion an: „Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik garantiert alle
deutschen Soldaten, die aus der französischen Kolonialarmee zur Volksarmee übergehen,
vollkommene Amnestie, Arbeit entsprechend ihren Wünschen und Fähigkeiten sowie
berufliche Ausbildungsmöglichkeiten. Die Regierung der Deutschen Demokratischen
Republik wird alles unternehmen, um die Heimreise dieser deutschen Soldaten zu
erleichtern.“ In der DDR würde „ein ehrenhaftes und sinnvolles Leben“ auf sie warten.106
Diese Erklärung wurde am 3. April 1950 vom Parteivorstand der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands (SED) in einem Brief an das Zentralkomitee (ZK) der KPV
bestätigt. In dem Brief hieß es, dass die DDR einen Beitrag liefern wolle die Vietnamesen
vom imperialistischen Joch zu befreien.107
Der Aufruf zur Heimkehr der deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre wurde am 21.
Februar 1950 von Erich Honecker als Leiter der Zentralrates der Freien Deutschen Jugend
(FDJ) wiederholt. Aus dem Text dieser Aufruf – deren Entwurf am 20. Februar aufgezeichnet
wurde – geht hervor, wie die DDR sich schon ab Februar 1950 über das Thema der deutschen
(ehemaligen) Fremdenlegionäre äußerte. Honecker stellte Frankreich als ein imperialistisches
Land dar, das als Büttel und Geschäftsteilhaber des amerikanischen Imperialismus dazu
beigetragen habe West-Deutschland in eine Kolonie zu verwandeln. Er kritisierte Frankreichs
Hineinpressen der Fremdenlegionäre in die Fremdenlegion. Er betonte jedoch, dass die
Fremdenlegionäre jetzt wegen der Unvereinbarkeit ihrer Arbeit in der Fremdenlegion mit der
Zukunft und Ehre Ostdeutschlands überlaufen müssten. Sie dürften nicht länger ihre Haut zu
Markte tragen und sich so als Feinde eines einheitlichen und friedliebenden Deutschlands
profilieren. Die Fremdenlegionäre sollten sich zu einer Rückkehr in die Heimat entscheiden:
„Erkennt, daβ die Heimat durch den Aufruf der Regierung der Deutschen Demokratischen
Republik euch den Weg zur Rückkehr in die Reihen des Volkes geebnet hat.“ Außerdem
106
Bundesarchiv (BArch), DO 1/9125, Ministerratsbeschluss, 2.2.1950. Der vollständige Text des
Ministerratsbeschlusses ist im Anhang III zu finden.
107
Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-BArch), NY
4036/712, Brief der Parteivorstand der SED an das ZK der KPV, Anlage Nr. 2 zum Protokoll vom 3.4.1950.
45
versprach die FDJ ihnen ebenfalls ein besseres Leben in der DDR: „Jeder, der jetzt die
Fremdenlegion verlässt, wird in den Genuss der Amnestie der Regierung der Deutschen
Demokratischen Republik kommen und in der Heimat Arbeit und Brot erhalten.“ Die
Fremdenlegionäre sollten sich für ihre Freiheit in der DDR anstatt für den Tod in der
Fremdenlegion entscheiden.108
Die Berichte aus Ostdeutschland erreichten natürlich nicht nur die Fremdenlegionäre,
sondern auch die Abgesandten des Viet Minh, die sich über die Einmischung der DDR
freuten. Vor allem Borchers war von Seiten Nordvietnams ab 1950 ein wichtiger Vertreter,
während Frey und Schröder die DRV 1950 und 1951 in Richtung BRD beziehungsweise
DDR verließen.109 Das Borchers als Ansprechpartner für die DDR so wichtig war, hatte damit
zu tun, dass er schon früh zum Viet Minh übergelaufen war, eine höhe Position innerhalb des
Viet Minh erreicht hatte und auf Grund seiner deutschen Nationalität ein guter
Ansprechpartner sein konnte. Borchers geriet auf Grund dessen in den Mittelpunkt der
Zusammenarbeit zwischen der DDR und der DRV. Er nahm die Korrespondenz zur DDR
1950 auf. Es liegt ein Brief von Borchers an Erich Honecker vor, der Auskunft über diese
Korrespondenz im Jahre 1950 vermittelt. Borchers schrieb am 15. Mai 1950, dass zum ersten
Mal seit dem Anfang des Krieges am 19. Dezember 1946 ein Weg zu den Freunden und
Genossen in Deutschland eingeschlagen sei. Aus dem Brief geht hervor, auf welche Art und
Weise Borchers sich mit den Fremdenlegionären beschäftigte, noch bevor ostdeutsche
Vertreter sich ab 1951 um sie kümmerten. Borchers teilte in seinem Brief mit, der Aufruf der
FDJ vom 20. Februar sei „mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unter die
Adressanten gebracht worden.“ Er schickte Honecker Exemplare von der Waffenbrüder und
von Flugblättern und Klebezetteln, um zu zeigen, was für Arbeit den Viet Minh in
Nordvietnam geliefert hatte, um die Fremdenlegionäre zum Überlaufen zu bewegen. Als
Gegenleistung bat er die FDJ darum, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften zu schicken, damit
der Viet Minh die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre noch besser schulen und auf ihre
Heimkehr vorbereiten könne.110
Es gab nicht nur Kontakte zwischen Borchers und den Regierungsvertretern in der
DDR. Wegen des Fehlens eines Ostdeutschen Botschafters in Indochina wurden am Anfang
108
SAPMO-BArch, DY 24/3691, Bericht von Erich Honecker, Zentralrat der FDJ, 20.2.1950. Honecker war u.a.
1946 Mitbegründer und bis 1955 Vorsitzender der FDJ, ab 1950 Mitglied des Politbüros des ZK der SED, und
ab 1949 Abgeordnete der Provisorischen Volkskammer. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch
Bd. 1, S. 336-337.
109
Schütte, Zwischen den Fronten, S. 267.
110
SAPMO-BArch, DY 24/3691, Brief von Chien Sy an Erich Honecker, 15.5.1950.
46
der Fünfziger Jahre die Kontakte zwischen der DDR und der DRV in Moskau und Peking von
den dortigen Vertretern beider Länder hergestellt. In Peking war Johannes König in diesen
Jahren den Vertreter der DDR. In Moskau und Peking wurden unter anderem gegenseitige
Informationen und die Übergabe von Erklärungen und Stellungnahmen der DDR und DRV,
der Parteien und der gesellschaftlichen Organisationen ausgetauscht. Auch wurde hier alles
im Bezug auf die deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre erledigt. Es muss aber betont
werden, dass die Kontakte und Beziehungen am Anfang der Fünfziger Jahren noch sehr
eingeschränkt waren.111
Nichtsdestotrotz stand Borchers in diesen Jahren auch mit König in Kontakt. Am 20.
Oktober 1950 wand Borchers sich an ihn und erwähnte, der Kern der Deutschlandpropaganda
in der DRV sei, die deutschen Fremdenlegionäre vom Fehler ihres Eintritts in die
Fremdenlegion zu überzeugen. Die Erfolge des Viet Minh sie davon zu überzeugen waren
allerdings gering. Michels zufolge hing die Loyalität der Fremdenlegionäre und die
Entscheidung überzulaufen nicht von ihrer politischen Einstellung, sondern von ihrer
Besoldung, Verpflegung und dem Zusammengehörigkeitsgefühl mit ihren Kollegen ab. 112 Die
meisten von ihnen waren nämlich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg politisch und
gesellschaftlich desorientiert in die Fremdenlegion eingetreten. Sie wollten aus ihrer oft
erbärmlichen Situation heraustreten und beschäftigten sich mehr mit ihrem eigenen
Wohlbefinden als mit der europäischen Politik. In der Fremdenlegion erhofften sie ein neues
Zuhause und eine neue, abenteuerliche Zukunft. Einmal im Dienst bemerkten sie aber, dass
das Leben als Fremdenlegionär nicht so abenteuerlich und traumhaft war, wie sie sich das
gewünscht hatten. Gefühle von Heimweh und der Wunsch der Fremdenlegionäre, in die
Heimat zurückzukehren, sorgten in den meisten Fällen für das Überlaufen zur Volksarmee.
Von Familienmitgliedern erhaltene Briefen konnten positiv auf die Entscheidung
überzulaufen und nach Hause zurückzukehren einwirken.113
Es war auch der DDR in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre bekannt, dass die
meisten deutschen Fremdenlegionäre nicht aus politischen Gründen überliefen, obwohl sie es
später so darstellte. Das Ministerium für Staatssicherheit teilte hinsichtlich der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre des ersten Heimkehrer-Transports mit, dass nur wenigen aus
politischer Überzeugung übergelaufen seien. Stattdessen hätten sie auf Grund der
Unerträglichkeit der grausamen Behandlung in der Fremdenlegion und der Aussicht auf ein
Krüger, „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“, S. 820.
Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 215-217.
113
Ibidem, S. 215-217.
111
112
47
sicheres Leben in der Volksarmee die Seite gewechselt.114 Wahrscheinlich blieben
persönliche statt politische Gründe auch für die deutschen Fremdenlegionäre, die mit den
nächsten Heimkehrer-Transporten in die DDR zurückkehrten, entscheidend. Auf jeden Fall
zeigen die gesamten Überläuferzahlen hinsichtlich der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre aus der DRV, dass nur eine Minderheit tatsächlich zur Volksarmee
überlief. Michels hat berechnet, dass während der ganzen Indochinakrieg nur 1,8% der
Fremdenlegionäre zum Viet Minh übergelaufen seien. Das bedeutete 1.325 von insgesamt
72.833 Fremdenlegionären.115 Wenn politische Gründe zum Überlaufen beigetragen hätten,
wäre diese Zahl auf Grund einer möglichen gegenseitigen Beeinflussung der deutschen
Fremdenlegionäre höchstwahrscheinlich größer gewesen.
Nach dem Überlaufen erwartete die Überläufer – und besonders die Kriegsgefangenen
– eine dreimonatige, politische Ausbildung die zum Ziel hatte, sie auf ihre Heimkehr
vorzubereiten.116 Aus einem Bericht über den dritten Heimkehrer-Transport geht hervor, dass
die Fremdenlegionäre sich in dieser Ausbildung mit der Weltfriedenslage und der Situation in
der DDR auseinandergesetzt hätten.117 Die Schulung der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre war allerdings keine leichte Aufgabe für den Viet Minh. Borchers stellte
fest: „Doch war und ist unsere Arbeit schwer. In die Köpfe dieser schlecht denazifizierten,
verirrten und verwirrten Landsknechte und Landsleute ‚mehr Licht‘ zu bringen, ist schwer –
doppelt schwer, wenn man, wie wir hier, jahrelang von Welt und Vaterland fast hermetisch
abgeschlossen in einem Land lebt und arbeitet, das der französischen Imperialismus in
Verhältnissen unbeschreiblicher Rückständigkeit gelassen hat.“ Borchers versuchte dieses
Problem mittels mehr Berichten aus der DDR zu beseitigen. Er bat König, ihm
Propagandamaterial zu schicken, zum Beispiel Zeitschriften, Texte der zwischen der DDR
und anderen Staaten geschlossenen Verträge, offizielle Texte in Bezug auf die Agrar-,
Industrie- und Schulreform, Lebensbeschreibungen, Fotos und Schriften von Karl Marx,
Friedrich Engels, Josef Stalin, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, Marxistische Studien über
114
Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU), MfS 511/62, Bd. 29,
Abteilungsleiter Paul Rumpelt der Abt. IV an Staatssekretär Erich Mielke im Hause, betr. Ablauf unserer Arbeit
im Lager Bischofswerda, 8.4.51, S. 000278-000279. Rumpelt war u.a. zwischen 1950 und 1952 Haupt der Abt.
IV des für Spionageabwehr. Siehe hierzu Kapitel IV.
115
Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 217-218.
116
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951. Warnke war u.a.
Vorsitzender des Bundesvorstandes des FDGB, zwischen 1949 und 1975 Mitglied des Parteienvorstands bzw.
des ZK der SED und zwischen 1950 und 1957 Abgesandter der Volkskammer. Siehe dazu: Gabriele
Baumgartner und Dieter Hebig (Hrsg.), Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 1945-1990 Bd. 2 (München
1997), S. 851.
117
BArch, DO I/9131, Bericht über den dritten Heimkehrer-Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus
Vietnam, 20.2.1953.
48
die deutsche Geschichte und die Volkswirtschaftslehre sowie deutsche Grammatik-, Wörterund Liedbücher.118
Die Korrespondenz zwischen der DDR und Borchers zeigt, wie die DDR und die DRV
ab 1950 in Bezug auf das Überlaufen und ab 1951 in Bezug auf die ideologische Schulung der
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre im Gebiet Nordvietnams zusammenarbeiteten und
so deren Heimkehr fortgesetzt. In den nächsten Jahren wurde diese Zusammenarbeit
weitergesetzt. Bis Ende 1954 blieben die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein
Schwerpunkt der Beziehungen zwischen der DDR und der DRV.119 Nach 1954 dehnten sich
die Beziehungen zwischen Ostdeutschland und der DRV jedoch aus. Die Handels- und
Wirtschaftsbeziehungen wurden 1954 aufgenommen. Vor 1954 hatten sowohl die DDR als
auch die DRV diese Beziehungen nicht aufnehmen können. Für Nordvietnam war dies im
Indochinakrieg begründet. Die schlechte wirtschaftliche Lage der DDR auf Grund der
deutschen Teilung und ihrer Widergutmachungszahlungen ließen keine Handels-und
Wirtschaftliche Beziehungen mit der DRV bis 1954 zu.120 Erst am 8. Dezember 1954 wurden
zwischen der DDR und der DRV offizielle internationale Beziehungen aufgenommen.121
Ein weiterer Schritt wurde am 16. Dezember 1954 mit der Vereinbarung, Botschafter
auszutauschen, gemacht. König wurde der ostdeutsche Botschafter in Hanoi und traf dort am
10. Januar 1955 ein. Am 13. Januar schrieb er sein Beglaubigungsschreiben an Ho Chi
Minh.122 Aus der ,,Zusammenfassung der Berichte, die Botschafter König über seine
Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat“ stellt sich heraus, welche Hauptpunkte es in der
Zusammenarbeit und den Gesprächen zwischen König und den Nordvietnamesen gab. Ein
erster Punkt war die materielle Hilfe der Ostdeutschen an die DRV und ein zweiter die
Heimkehr von deutschen ehemaligen Fremdenlegionären. Drittens informierte die DDR die
Nordvietnamesen über ihre Erfahrungen in Bezug auf den Aufbau eines einheitlichen,
demokratischen Deutschlands, damit die Lao Dong Partei Lehren daraus ziehen konnte.123 Es
gab ab 1955 aber auch einen gegenseitigen Austausch: Am Ende des Jahres traf der
nordvietnamesische Botschafter Nguyen Song Tung in Ost-Berlin ein.124
118
SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Erwin Borchers an den Botschafter der DDR in China, 20.10.1950.
Krüger, „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“, S. 821.
120
Ibidem, S. 822.
121
Ibidem, S. 824.
122
SAPMO-BArch,NY 4182/1270, Zusammenfassung der Berichte, die Botschafter König über seine
Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat, ohne Datum.
123
SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2 J-97, Zusammenfassung der Berichte die Botschafter König über seine
Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat, ohne Datum.
124
Krüger, „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“, S. 824.
119
49
Par. 3 „Operation Heimkehr“: Die Vorbereitung der Heimkehrer-Transporte
Während die Fremdenlegionäre in Nordvietnam zum Überlaufen überredet und danach
politisch geschult wurden, machte Ostdeutschland sich ab Februar 1950 darüber Gedanken,
wie sie die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in die DDR zurückführen könnte. Wie
dieser Beschlussfassungsprozess genau zustande kam, ist wegen des Fehlens der Protokolle
und Vermerke der Ministerratssitzungen vom Anfang 1950 jedoch nicht ermittelbar.125 Klar
ist aber, dass vor allem die Abteilung Internationale Verbindungen der SED, die Abteilung
Bevölkerungspolitik des Ministeriums des Innern, die Hauptabteilung I des Ministerium für
Auswärtige Angelegenheiten und Botschafter Johannes König sich mit den HeimkehrerTransporten auseinandersetzten.126
Während die DDR sich mit der Organisation und dem Vollzug dieser Transporte
beschäftigte, wurde sie zugleich auch mit der Gruppe der entlassenen Fremdenlegionäre
konfrontiert. Die ersten von ihnen waren nach dem Zweiten Weltkrieg in die Fremdenlegion
eingetreten, hatten ihre fünfjährige Dienstzeit geleistet und waren danach ehrenhaft entlassen
worden. Diejenigen von ihnen, die vor 1945 in Ostdeutschland ansässig gewesen waren,
kehrten jetzt in einem neuen, sozialistischen Staat zurück. In den Archiven gibt es nur sehr
wenig Berichte vom Ende des Jahres 1950 und Anfang 1951 über diese Gruppe der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre. Sie werden lediglich kurz in der Korrespondenz zwischen der
Abteilung Internationale Verbindungen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten
und dem Ministerium des Innern über die Heimkehrer erwähnt. In dieser Korrespondenz wird
mitgeteilt, dass diese entlassene Fremdenlegionäre in den monatliche Berichten des
Ministeriums des Innern regelmäßig erwähnt seien.127 Des weiteren wurde über sie
geschrieben, dass die Parteiorganisationen in den Kreisen angeschrieben wurden, um nach
den entlassenen Fremdenlegionäre zu fahnden, mit ihnen zu reden und sie auf ihr falsches
Verhalten hinzuweisen.128 Wie die DDR sich nachher diese Gruppe der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre gegenüber in der Öffentlichkeit verhielt, ist unklar.
Obwohl die ersten entlassenen Fremdenlegionäre schon 1950 in die DDR
125
Das Fehlen der Protokolle und Vermerke der Ministerratssitzungen wird auch von Joachim Krüger in seinem
Artikel „Die Anfänge der Beziehungen zwischen der DDR und der DR Vietnam“ auf Seite 819 bestätigt.
126
Siehe für die Organisationsstruktur des MfAA: Muth, Die DDR-Auβenpolitik 1949-1972, S. 104-112. Die HA
I setzte sich zwischen 1949 und 1954 mit den politischen Angelegenheiten in der UdSSR und in den
Volksdemokratien auseinander. Ab 1955 beschäftigte die HA II sich mit Asien, Amerika und Afrika.
127
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Brief betr. die Kriegsgefangenen aus Vietnam, 9.12.1950.
128
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Die Landesleitung der SED Thüringen an die Abt. Staatliche Verwaltung
des ZK der SED, 5.3.1951.
50
zurückkehrten, dauerte es noch ein Jahr bevor die ersten 69 Heimkehrer am 29. März 1951 im
ostdeutschen Bischofswerda eintrafen. Bevor der erste Heimkehrer-Transport durchgeführt
werden konnte, musste nämlich von der DDR viel vorbereitet werden. Das war auch bei den
nächsten Heimkehrer-Transporten der Fall. Ein erster organisatorischer Schwerpunkt war die
Logistik. Die logistische Organisation beinhaltete die Bestimmung des genauen Reiseplans.
Die DDR entschied sich dafür, die Reise ab der DRV durch China, die UdSSR und Polen
führen zu lassen. Bei der Grenzstation Otpor wurde die Grenze zur DDR überschritten. In der
DDR setzte sich die Reise via Frankfurt Oder nach Bischofswerda. Insgesamt waren die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein paar Wochen unterwegs. Die HeimkehrerTransporte konnten nur mit Durchreiseerlaubnissen durchgeführt werden, wozu die DDR die
betreffenden Länder vor jedem Transport um Zustimmung fragte. So wurde Anton
Ackermann zum Beispiel am 20. Juni 1950 vom Walter Ulbricht damit beauftragt, einen
Vorschlag für ein Telegramm an China und die UdSSR vorzubereiten, damit sie die
Durchreiseerlaubnisse erhalten würden.129 Ähnliche Telegramme wurden an Polen geschickt.
Die DDR schickte dem Ausland nicht nur Telegramme bezüglich der Durchreise. Sie teilte
auch die Übernahme aller Kosten vom Ministerium des Innern mit.
Zweitens wurde von Seiten der DDR erfasst, welche und wie viele deutsche ehemalige
Fremdenlegionäre in die DDR zurückkehren würden. Vom Ministerium für Auswärtige
Angelegenheiten wurden Listen mit den Namen und Fotos von den Heimkehrern und ihren
Lebenslaufen geführt. Eine genaue Verwaltung war wichtig, damit die DDR eine Übersicht
über die in der BRD und DDR ansässigen Fremdenlegionäre hatte. Die verschiedenen
Ministerien führten hierzu zwischen 1950 und 1956 eine gegenseitige Kommunikation. Am
16. Januar 1951 schrieb das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten dem Ministerium
des Innern zum Beispiel, dass mit dem ersten Transport siebzig deutsche ehemalige
Fremdenlegionäre in die DDR zurückgeführt würden. Von ihnen kamen zwanzig aus der
DDR, fünf aus Berlin und die anderen aus Westdeutschland.130 Letztendlich verringerte die
129
SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Walter Ulbricht an Anton Ackermann, 20.6.1950. Ulbricht war u.a.
zwischen 1946 und 1973 Mitglied des Parteivorstandes bzw. des ZK der SED, zwischen 1946 und 1973 Mitglied
des Zentralsekretariat bzw. des Politbüros, zwischen 1948 und 1973 Mitglied des Volksrates bzw. der
Volkskammer, zwischen 1950 und 1953 Generalsekretär der SED, und zwischen 1953 und 1971 erster Sekretär
des ZK der SED. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 948-949. Ackermann war
zwischen 1949 und 1953 Staatssekretär im MfAA, zwischen 1950 und 1954 Mitglied des ZK der SED, zwischen
1950 und 1953 Kandidat des Politbüros des ZK der SED und zwischen 1950 und 1954 Abgesandt der
Volkskammer. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 2.
130
BArch, DO I/9125, Max Keilson an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 16.1.1951. Keilson war nach der
Gründung der DDR die Leiter der Abt. Presse und Information im MfAA und leitete bis 1953 die HA I des
MfAA. Siehe dazu: Baumgartner: Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 382-383.
51
Zahl sich auf 69, da ein deutscher ehemaliger Fremdenlegionär vor der Reise verstarb.131 In
einem nächsten Bericht des Ministeriums des Innern an das ZK der SED vom 24. Januar
wurde auch über die Herkunft der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre des ersten
Heimkehrer-Transports berichtet. Dem Ministerium des Innern zufolge war es für die
westdeutschen ehemaligen Fremdenlegionäre schwierig, Asylrecht in der DDR zu erhalten.
Man musste jedoch versuchen das – für diejenigen die in der DDR bleiben möchten – zu
erledigen.132 Die DDR war hieran natürlich sehr interessiert, da es ihrem Ruf zugute kam
wenn Westdeutsche nicht in ihre Heimat zurückkehren wollten. Außerdem war die DDR an
der genauen Angabe der Herkunft der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre interessiert,
da sie deren Zuverlässigkeit prüfen wollte. DDR-Bürger wurden selbstverständlich als
zuverlässiger betrachtet als Westdeutsche. Auch war es wahrscheinlicher, dass sie in der DDR
blieben anstatt in den Westen zu gehen.
Genau so wichtig wie ihr ost- beziehungsweise westdeutscher Hintergrund, und damit
zusammenhängend, fand die DDR den Status der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre als
Überlaufer oder Kriegsgefangene. In dem Ministerratsbeschluss vom 2. Februar 1950 war nur
von der Rückkehr der Überläufer die Rede gewesen. Beim ersten Heimkehrer-Transport
wurden nur Überläufer rückgeführt, bei den nächsten Transporten jedoch auch
Kriegsgefangene. Der zweite Transport bestand sogar überwiegend aus Kriegsgefangenen.133
Bevor dieser Transports ausgeführt wurde, hatten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre,
die seit September und Oktober 1950 in nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft waren,
Pieck im April 1951einen Brief geschrieben. Dieser Brief war vom ZK der Lao Dong Partei
unterschrieben und wurde über die Partei an die DDR geschickt. Hieraus geht das Bemühen
der DRV um die deutschen Kriegsgefangenen hervor, sowie ihren offensichtlichen Wunsch,
die DDR auf die Kriegsgefangenenfrage anzusprechen. In dem Brief baten die
Kriegsgefangenen um eine Vermittlung der DDR mit der DRV im Bezug auf ihre Freilassung.
Als Gegenleistung versprachen sie: „Unsere Stimmen werden bei den künftigen Wahlen
schwer in die Waagschale fallen. Wir werden dem deutschen Volke alles das erzählen
können, was wir während unserer Gefangenschaft gesehen, gehört und somit verstanden
haben. Unsere Stimme wird alle begreifen lassen, daβ nur die wahre Demokratie ein Volk zu
131
BArch, DO I/9125, Anton Ackermann an den Staatssekretär des MdI, Herbert Warnke, 8.3.1951.
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2 – 391, Die HA Staatliche Verwaltung des MdI an die Abt. Staatliche
Verwaltung des ZK der SED, 24.1.1951.
133
Siehe für die genauen Zahlen von Überläufern und Kriegsgefangenen Anhang IV.
132
52
einer glücklichen Zukunft führen kann.“ 134 Die Abteilung Internationale Verbindungen der
SED teilte Ulbricht am 18. Mai 1951 den Inhalt dieses Briefes mit.135
Die Frage der Kriegsgefangenen wurde aber häufiger gestellt. Zur Zeit des zweiten
Transportes wurde die Regierung von zwei Mitarbeitern des Ministeriums des Innern
anlässlich ihrer Dienstreise vom 2. März bis 11. April 1952 auf die Anwesenheit der
Kriegsgefangenen aufmerksam gemacht. Außerdem fragten sie, was mit den deutschen
ehemaligen Fremdenlegionären gemacht werden sollte. Sie wiesen die Regierung darauf hin,
dass im Aufruf der Regierung vom 2. Februar 1950 nur den Überläufern eine besondere
Unterstützung in der DDR zugesichert sei. Darum sei es zu entscheiden, ob die gegebenen
Zusicherungen auch für den Kreis der Kriegsgefangenen Gültigkeit haben solle.136 Am 14.
Oktober 1952 wurde nochmals auf dieses Thema zurückgekommen und zur Übernahme von
69 weiteren Kriegsgefangenen Stellung genommen. Das Ministerium des Innern wiederholte,
dass in der Regierungserklärung vom 2. Februar 1950 zwar nichts über die Kriegsgefangenen
erwähnt sei, aber dass die Regierung nach dem ersten Transport auf sie aufmerksam gemacht
worden sei. Sie betonte aber, dass die Frage in Bezug auf die Rückführung von
Kriegsgefangenen nicht gelöst sei. In dem Bericht vom 14. Oktober stellte sie eine große Zahl
verschwundener Kriegsgefangener fest. Von den 92 in die DDR rückgeführten
Kriegsgefangenen sei zwei Drittel verschwunden, von den 41 Überläufern nur vier. Das
Ministerium des Innern betonte, dass es auf Grund dieser Quoten nicht ratsam sei, noch mehr
Kriegsgefangenen in die DDR zurückzuführen.137 Auch der ostdeutsche Botschafter in der
UdSSR war besorgt. Er schrieb nämlich, dass die meisten Kriegsgefangen in Westdeutschland
beheimatet seien und drängte darauf, die Frage der großen Zahl der Kriegsgefangenen zu
lösen „[…] da doch die Möglichkeit besteht, wie die Erfahrung bei Ihnen gezeigt hat, dass sie
wieder in die französischen Fremdenlegion gehen oder zu Söldnern der Adenauer-Truppen
werden.“138
134
SAPMO-BArch, NY 4036/712, Gesuch an den Vorsitzenden der SED (von der Abt. Internationale
Verbindungen aus dem Französischen übersetzt), 20.4.1951.
135
SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Hausmitteilung der Abt. Internationale Verbindungen der SED an Walter
Ulbricht, 18.5.1951.
136
SAPMO-BArch, DO I/9131, Das MdI über die Dienstreise vom 2.3.-11.4.1952 von Hauptsacharbeiter Bruno
Sedlaczek und Hauptreferent Heinze, 15.4.1952. Sedlaczek war ab 1951 Angehörige des diplomatischen
Dienstes der DDR und Mitarbeiter im MfAA. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S.
844. Auskünfte über Heinze konnten von der Autorin nicht ermittelt worden.
137
SAPMO-BArch, DO I/9142, Stellungnahme von der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI zur Übernahme von
weiteren 69 ehemaligen Fremdenlegionären, die aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft entlassen und in die
DDR überführt werden sollen, 14.10.1952.
138
Politisches Archiv des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (Pol.Arch.AA), MfAA/A 8299, Bericht
von der Botschaft der DDR in der UdSSR an das MfAA, 25.5.1954.
53
Die DDR hegte also Zweifel an der politischen Zuverlässigkeit der Kriegsgefangenen. Es
wäre aber falsch zu behaupten, dass die DDR die Überläufer nicht sowieso mit Misstrauen
betrachtete. In ihrer Sicht hatten sowohl die Überläufer als auch die Kriegsgefangenen für die
falsche Seite gekämpft. Dadurch hatten sie sich gegen ein kommunistisches Brudervolk
gewendet, das mutig für seine Freiheit und den Aufbau eines demokratischen Landes
kämpfte. Die Überläufer vertraten jedoch eine bessere Position als die Kriegsgefangenen, da
sie sich wenigstens selbst für einen Seitenwechsel entschieden hatten, auch wenn sie das
meistens nicht aus politischer Überzeugung taten. Trotz ihres Misstrauens entschied sich die
DDR dafür, beide Gruppen zurückzuführen. Sie konnte es der sich schon seit 1951 mit der
deutschen Kriegsgefangenenfrage auseinandersetzenden nordvietnamesischen Regierung
nicht verweigern. Die DRV drängte vor allem immer wieder auf die Repatriierung der
Kriegsgefangenen. Die DDR hob nachdrücklich hervor, was für eine schwere Aufgabe es für
die nordvietnamesische Regierung sei, sich um die Kriegsgefangenen zu kümmern.
Außerdem habe der schlechte gesundheitliche Zustand vieler Kriegsgefangen die DDR dazu
verpflichtet, die Sorge für sie zu übernehmen, da sonst mit einer hohen Sterbeziffer von etwa
achtzig Prozent zu rechnen sei. Eine andere Lösung sei es, die Kriegsgefangenen zu
verhaften.139 In späteren Berichten ist von diesem Verhaftungsvorschlag aber niemals wieder
die Rede, und mit den Heimkehrer-Transporten wurden außer Überläufern auch
Kriegsgefangenen zurückgeführt.
Die Frage der Kriegsgefangenen war nach der Waffenstillstand in Indochina 1954
aktuell. König berichtete nach seiner Ankunft in Hanoi 1955, die Frage der Kriegsgefangenen
sei von der nordvietnamesischen Regierung dringend gestellt, da die DRV sie nach der
Beendigung des Krieges nicht an Frankreich ausgeliefert habe und sie für die DRV ein ernstes
Problem darstellten. Dieses Problem bestand laut Königs Berichten darin, dass die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre sich schlecht verhalten hätten und die nordvietnamesische
Bevölkerung von ihnen belästigt worden sei. So stahlen sie zum Beispiel ihre Nahrung.
Manche deutsche ehemaligen Fremdenlegionäre wollten so gerne das Lager verlassen, dass
sie sich sogar als Kriegsgefangene der französischen Seite übergeben wollten, was politisch
ungewünscht sei.140 Die DDR genehmigte wiederum den Heimkehr-Versuch der DRV.
139
BArch, DO I/9142, Stellungnahme von der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI zur Übernahme von weiteren
69 ehemaligen Fremdenlegionären, die aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft entlassen und in die DDR
überführt werden sollen, 14.10.1952.
140
SAPMO-BArch, NY 4182/1270, Zusammenfassung der Berichte, die Botschafter König über seine
Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat, ohne Datum; DY 30/J IV 2/2 J-97, Zusammenfassung der Berichte, die
Botschafter König über seine Anwesenheit in Hanoi übermittelt hat, ohne Datum.
54
Insgesamt wurden in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre 146 Kriegsgefangenen und 617
Überläufer zurückgeführt.
Aus das gegenseitigen Verhalten der DDR und DRV ergibt sich, wie sehr sich die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, und hauptsächlich die Kriegsgefangen unter ihnen,
zwischen zwei Fronten befanden. Einerseits wollte die DRV sich ihrer entledigen,
andererseits hatte die DDR Angst, sie nach Ostdeutschland zurückzuführen. Doch es wäre
falsch es so darzustellen, als ob die DDR nur aus Solidarität mit der nordvietnamesischen
Regierung handelte und die Rückführung lediglich negativ betrachtete. Sie hätte sich
wahrscheinlich nicht so viel Mühe gegeben, wenn sie nicht auch von Anfang an die
Möglichkeit geglaubt hätte, aus der Repatriierung Vorteile ziehen zu können. Die DDR
beschäftigte sich mit der Feststellung dieser Vorteile, und ab 1950 wurde das ein dritter
Schwerpunkt neben der logistischen Vorbereitung der Heimkehrer-Transporte und die
Feststellung der Identität der Fremdenlegionäre. Leo Zuckermann betonte am 9. Juni 1950 die
Bedeutung des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Außerdem wies er ihn
auf den Vorteil der Rückführung hin: „Augenscheinlich sind viele deutschen Soldaten in
Gefangenschaft der Befreiungsarmee von Vietnam. Wenn wir eine Reihe solcher Gefangener
nach hier bekommen könnten, so wäre das eine große Sache für unsere Propaganda nach
Westdeutschland.“141 Wie die DDR sie nach der Heimkehr für ihre Propagandaziele
instrumentalisierte, wird im nächsten Kapitel erläutert.
Eine Voraussetzung für die von Anfang an so gut und effektiv wie mögliche
Gestaltung der propagandistischen Auswertung des Themas der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre war der Einsatz guter Vertreter. Ihre Einstellung war ein vierter
Schwerpunkt der DDR bei der Vorbereitung von jedem Heimkehrer-Transport. Diese
Vertreter mussten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aus der DRV abholen und
nach Ostdeutschland begleiten. Die DDR achtete darauf, wen sie mit den HeimkehrerTransporten beauftragte. Die SED hatte hier die Finger im Spiel. Bevor der erste HeimkehrerTransport ausgeführt wurde, teilte das Ministerium des Innern mit, der erste Transport sei
wegen des heutigen Fehlens der Zustimmung der SED für zwei Vertreter noch nicht bald zu
141
SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Leo Zuckermann an Wilhelm Pieck, 9.6.1950. Zuckermann war u.a. ab
April 1949 Leiter des Sekretariats der Kommission für Außenpolitische Fragen beim ZK der SED. Siehe dazu:
Helmut Müller-Enbergs u.a. (Hrsg.), Wer war wer in der DDR? Ein Lexikon ostdeutscher Biografien. Bd. 2
(Berlin 2006), S. 956. Pieck war u.a. zwischen 1946 und 1954 Vorsitzender der SED, zwischen 1946 und 1960
Mitglied des Zentralsekretariat bzw. des Politbüros der SED, und zwischen 1949 und 1960 Präsident der DDR.
Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 646.
55
erwarten.142 Letztendlich wurden allerdings für jeden Heimkehrer-Transport Vertreter
angestellt. Die Auswahlkriterien waren ihre Zuverlässigkeit, Parteiverbundenheit,
Mitgliedschaft in gesellschaftlichen Organisationen und ihr fachmännisches Können und
Klassenbewusstsein. Diese Überprüfung traf einerseits auf die Ärzte und Sanitäter zu, die mit
jedem Transport mitreisten. Diese Personen mussten die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre verpflegen, von denen die meisten unter Tropenkrankheiten wie Malaria
litten. Die DDR legte aber nicht nur Wert auf das fachmännische Können der Ärzte, so
beweist ein Brief in dem über einen Arzt geschrieben wurde: „Dr. S. ist gerade wegen seiner
gesellschaftlichen Aktivität – er ist ein unermüdlicher Agitator – ein wertvoller Mitarbeiter
der Charité. Er ist stets bereit, um die Beschlüsse unserer Partei und Regierung zu realisieren.
Man kann ihn als einen unserer besten Genossen bezeichnen.“143 Die Vertreter mussten nicht
nur allen Anforderungen, die an einen Betreuer, der ins Ausland fährt, gestellt werden,
entsprechen, sondern auch eine „besondere Befähigung auf politisch/agitatorischem Gebiet
besitzen“.144
Par.4 Die Heimkehrer-Transporte 1951-1956
Nach dem ersten Heimkehrer-Transport im März 1951 wurden noch sechs andere Transporte
organisiert und ausgeführt. Der zweite Transport traf am 8. April 1952 in Bischofswerda ein,
der dritte am 16. Februar 1953 und der vierte am 13. September 1953. Drei weitere
Heimkehrer-Transporte wurden nach der Beendigung des Indochinakriegs ausgeführt und
trafen am 16. August 1954, am 5. April 1955 und schließlich am 30. Januar 1956 in
Bischofswerda ein. Der sechste Transport war mit 357 Fremdenlegionären der größte.
Zwischen 1951 und 1956 wurden insgesamt 763 Fremdenlegionären zurückgeführt, mehr als
die Hälfte nach der Waffenstillstand in Indochina.145 Diese Zahlen beziehen sich auf die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Im Prinzip richtete die DDR sich vornehmlich auf
Deutsche. Es konnten jedoch auch ehemalige Fremdenlegionäre anderer kommunistischer
142
BArch, DO I/9125, Siegfried Büttner an die Abt. Staatliche Verwaltung des ZK der SED, 19.12.1950. Büttner
war u.a. seit dem Anfang der Fünfziger Jahre ostdeutscher Diplomat. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches
Handbuch Bd. 1, S. 99.
143
BArch, DO 1/9125, Brief der stellvertretenden Abteilungsleiter des Staatssekretariats fürs Hochschulwesen an
das Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten, 4.6.1954.
144
BArch, DO 1/9125, Brief von Peter Florin an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 7.12.1951. Florin war
u.a. zwischen 1949 und 1952 Hauptabteilungsleiter im MfAA, und zwischen 1953 und 1966 der Leiter der Abt.
Außenpolitik, bzw. Internationale Beziehungen des ZK der SED. Siehe dazu: Baumgartner Biographisches
Handbuch Bd. 1, S. 187.
145
Siehe Anhang IV für eine Liste der Heimkehrer-Transporte.
56
Länder, wie Ungarn, der Tschechoslowakei und Rumänien, mit den Heimkehrer-Transporten
zurückgeführt werden. Diese nicht-deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre trafen aber nicht
in die DDR ein, weil Ostdeutschland für sie keine Sorge tragen wollte.146 Sie wurden vorher,
zum Beispiel in Moskau, den jeweiligen Botschaften überlassen. Mit dem vierten
Heimkehrer-Transport wurden beispielsweise 85 ehemalige Fremdenlegionäre zurückgeführt,
unter ihnen achtzig Deutsche, drei Ungarn und zwei sowjetischen Staatsbürger. Die drei
Ungarn wurden in Moskau den Vertreter der ungarischen Botschaft überlassen, die zwei
Sowjets wurden in Brest abgeliefert.147
Nichtsdestotrotz waren die Vertreter während der Heimkehrer-Transporte für alle
ehemaligen Fremdenlegionäre zuständig. Mit ihren politischen und agitatorischen Qualitäten
redeten sie auf die ehemaligen Fremdenlegionäre ein. Wie ihre politische und ideologische
Betreuung während der Heimkehrer-Transporte gestaltet wurde, zeigen zwei
Erfahrungsberichte von Vertretern des dritten Heimkehrer-Transports. Laut der erste Bericht
vom 19. Februar 1953 hielt die Transportbegleitung sich jeden Tag etwa sechs Stunden im
Waggon der Heimkehrer auf. Sie hatten eine doppelte Aufgabe. Einerseits mussten die
Vertreter die ehemaligen Fremdenlegionäre kennenlernen, damit sie ihre politische
Stellungnahme und Zuverlässigkeit feststellen konnten. In Bezug auf die Feststellung der
politischen Stellungnahme und Zuverlässigkeit führten die Vertreter mit jedem einzelnen
Heimkehrer im Verlaufe der Fahrzeit zwei individuelle Gespräche. Die Themen dieser
Gespräche waren die Gründe des Eintrittes in die Fremdenlegion, der Zeitpunkt des
Eintreffens in Nordvietnam, das Zeitpunkt des Überlaufens oder der Gefangennahme, die
Tätigkeit in der Volksarmee, oder die anderen in Nordvietnam ausgeübten Tätigkeiten. 148
Andererseits hatten die Vertreter die Aufgabe, die schon in der DRV angefangene
Ausbildung und Umschulung fortzusetzen und die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
auf ihre Heimkehr in die DDR vorzubereiten. Dafür ließen die Vertreter sie zuerst ihre
Geschichte erzählen. Danach besprachen sie die politischen Probleme in der Welt. Die
politische Lage der DDR nahm natürlich einen besonderen Platz in den Gesprächen ein. Die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre hatten die Gründung der DDR und deren innen- und
außenpolitische Entwicklung nicht miterlebt, und sie mussten darüber informiert werden,
146
Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Peter Florin an die Mission in Moskau, 3.1.1952.
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht des Staatssekretariats für innere Angelegenheiten des MdI über den
fünften Heimkehrer-Transport und die Aufnahme ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 30.9.54, S.
000092-000094.
148
BArch, DO I/9131, Bericht von Erwin Günther über den dritten Heimkehrer-Transport ehemaliger
Fremdenlegionäre aus Vietnam, 20.2.1953. Auskünfte über Günther konnten von der Autorin nicht ermittelt
worden.
147
57
weil: „durch die jahrelange Abwesenheit aus der Heimat haben sie oft keine richtige
Vorstellung von den vor sich gegangenen Veränderungen.“149 Die Vertreter beabsichtigten
diese Fehlvorstellungen mittels einer Aufklärung über die „soziale Lage nach 1945“ zu
korrigieren.150 Die Gespräche und die Verteilung von ostdeutschen Zeitungen wie Neues
Deutschland sollten die Umerziehung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre leisten. In
dem Bericht vom 19. Februar wurde auch bemerkt, dass Bilderzeitungen wie DDR Im Aufbau
in der Zukunft zu diesem Zweck behilflich sein könnten. Schließlich wurden die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre darauf hingewiesen, dass ihre Hilfe für den friedlichen Aufbau
der DDR notwendig sei.151 Was die DDR unter „Hilfe“ verstand, wurde den deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre bald nach ihrer Ankunft in das Quarantänelager Bischofswerda
klar.
Par. 5 Die Ankunft in Quarantänelager Bischofswerda
Nach dem Heimkehrer-Transport trafen die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in
Bischofswerda ein. In dieser Stadt in Sachsen war für sie ein Quarantänelager eingerichtet. Es
gibt nur einen Bericht, in dem etwas über dieses Lager gesagt wurde. Laut dieses Berichts
wurde das Quarantänelager 1936 gebaut und hatte ein Fassungsvermögen von
vierzehnhundert Personen. Nach 1945 diente es als Lager für Heimkehrer unterschiedlicher
Transporte. So leisteten hier Kriegsgefangene, Internierte, Kriegsverbrecher, Umsiedler und
andere Heimkehrer ihre Quarantäne ab. Über das Lager in der ersten Hälfte der Fünfziger
Jahre wurde desweiteren berichtet, dass es keine legale Verbindung zur Außenwelt gab. Die
Überwachung bestand tagsüber aus einem Zählappell der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre, und in der Nacht wurde ein Wachtposten eingerichtet und das gesamte
Terrain von einem Hund überwacht. Aus dem Bericht ging aber auch hervor, dass dieser
Wachtposten am Haupteingang stand und die Bewacher von daher nicht das ganze Terrain
überblicken konnten. Es gab eine zur Unterhaltung dienende Lautsprecheranlage, die das
Aktuellste mitteilte. Außerdem gab es im Quarantänelager eine Bibliothek, die aus fast
eintausend Bänden bestand. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre übernachteten in
149
Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Bericht von Herbert Doms über den Empfang und Betreuung des Transportes von
Heimkehreren aus Vietnam vom 5.11.-16.11.1953, 19.2.1953. Auskünfte über Doms konnten von der Autorin
nicht ermittelt werden.
150
BArch, DO I/9131, Bericht von Erwin Günther über den dritten Heimkehrer-Transport ehemaliger
Fremdenlegionäre aus Vietnam, 20.2.1953.
151
Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Bericht von Herbert Doms über den Empfang und Betreuung des Transportes von
Heimkehreren aus Vietnam vom 5.11.-16.11.1953, 19.2.1953.
58
Baracken. Während der Quarantänezeit der Heimkehrer der ersten drei HeimkehrerTransporte waren die Türe dieser Baracken in der Nacht verschlossen gewesen, doch weil sie
deswegen aus den Fenstern geklettert waren, wurde ab 1953 dazu übergangen, die Türen nicht
mehr zu verschließen.152
In diese Umgebung wurden die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von den
Vertretern der Heimkehrer-Transporte entlassen. Im Quarantänelager wurde ihre Betreuung
vom ZK der SED, vom Ministerium des Innern, vom Amt für Information, vom Ministerium
für Staatssicherheit, vom Ministerium für Arbeit und von den gesellschaftlichen
Organisationen übernommen. Außerdem waren Aktivisten aus den Betrieben,
Gewerkschaftsvertreter des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und ein
Vertreter der Sozialversicherung anwesend.153 Die Ministerien und die gesellschaftlichen
Organisationen beschäftigten sich mit unterschiedlichen Formen von Betreuung. So mussten
die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre erstens Fragebögen über ihre Vergangenheit in
der Fremdenlegion, ihre Zeit als Überlaufer oder Kriegsgefangene und ihr Vorhaben für die
Zukunft ausfüllen. Auch wurde im Quarantänelager die Sorge für die materielle Verpflegung
übernommen. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre empfingen unter anderem
Kleidung und einen kleinen Betrag für den Kauf von zum Beispiel Toilettenartikeln und
Zigaretten. Darüber hinaus beinhaltete die Betreuung das Führen von Gesprächen und die
gemeinsame Suche nach einem Arbeitsplatz für die Zeit nach ihrer Entlassung aus
Bischofswerda. Auch wurden mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären Gespräche
über ihren Einsatz in der Öffentlichkeitsarbeit und im Staatssicherheitsdienst geführt, und
entsprechende Vorbereitungen getroffen.
Der Aufenthalt im Quarantänelager betrug etwa vier Wochen und diente ebenfalls
dazu, die schon in der DRV angefangene und während der Heimkehrer-Transporten
fortgesetzte politische und ideologische Schulung der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre über die Verhältnisse in der DDR nicht nur weiterzuführen, sondern auch
zu intensivieren. Das ZK der SED äußerte sich 1953 dazu: „Wir beabsichtigen, die
Rückkehrer in ein Lager – evtl. Bischofswerda – und diesmal für längere Zeit,
unterzubringen, um sowohl die ärztliche, als auch die politische Betreuung gründlich
152
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht von Röder, 26.9.53, S. 000229-000230. Auskünfte über Röder konnten
von der Autorin nicht ermittelt werden.
153
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht des Staatssekretariats für innere Angelegenheiten des MdI über den
fünften Heimkehrer-Transport und die Aufnahme ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 30.9.54, S.
000092-000094.
59
durchzuführen.“154 Wahrscheinlich hoffte die DDR, dass sie hinsichtlich der politischen
Schulung im Quarantänelager mehr Erfolg haben würde als Borchers im nordvietnamesischen
Lager, um so die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre gemäß ihrer ideologischen Ideen
zu bilden und so gut wie möglich für ihre eigenen Zwecken einsetzen zu können.
Die Berichte über die Tätigkeit im Quarantänelager geben Auskunft darüber, wie die
politische und ideologische Betreuung vonstatten ging. Bei der Schulung der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre standen vier Schwerpunkte auf der Tagesordnung. Erstens
wurden die Heimkehrer über die Rolle und Bedeutung des Arbeiter- und Bauernstaates in der
DDR geschult. Zweitens wurde ihnen erklärt, was die Rechte und Pflichten eines DDRBürgers waren. Drittens hielten Wissenschaftler, Aktivisten und Genossenschaftsbauern
Vorträge über den Aufbau des ostdeutschen Staates. An letzter Stelle nahm die kulturelle
Betreuung eine wichtige Rolle ein.155
Es wurde ein vierwöchiges Ausbildungsprogramm entworfen, um diese vier
Schwerpunkte zu behandeln. Eine Vorplanung anlässlich des sechsten Heimkeher-Transports
gibt Auskunft über den Inhalt dieses Programms. In der ersten Woche mussten die
ehemaligen Fremdenlegionäre zuerst registriert und vom Rat des Bezirkes und Rat der Stadt
begrüßt werden. Schon ab dem dritten Tag fand eine Berichterstattung der schon mit den
vorigen Heimkehrer-Transporten zurückgekehrten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
statt. Ihr sofortiger Einsatz zeigt, wie viel Wert die DDR auf diesen Einsatz legte. In einem
Brief des Abteilungsleiters für Innere Angelegenheiten beim Rat des Bezirkes Frankfurt Oder,
Cottbus, Neubrandenburg, Schwerin und Potsdam wurde die Bezirke gebeten, dem
Ministerium des Innern die Adressen von schon zurückgekehrten deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären mitzuteilen. Der Abteilungsleiter betonte, dass es sich um diejenigen
handeln müsse, die schon längere Zeit in der DDR waren und eine gute gesellschaftliche
Entwicklung genommen hatten, wenn möglich in der Landwirtschaft.156 Diese Menschen, die
mittlerweile schon in der DDR integriert waren, mussten den neuen Heimkehrern über ihren
Arbeitseinsatz, ihre berufliche Entwicklung, die Gestaltung ihres Familienlebens, die
154
BArch, DO I/9125, Walter Kaβner an das ZK der SED, 8.1.1953. Kaβner war u.a. ab 1951 Abteilungsleiter
im MdI und später Parteisekretär im Büro des Ministerrates. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches
Handbuch Bd. 1, S. 377.
155
BArch, DO I/9125, Staatssekretär Joseph Hegen an Minister Karl Maron, 14.2.1956. Hegen war zwischen
1953 und 1957 Staatssekretär und Stellvertretender Minister des Innern. Siehe dazu: Baumgartner,
Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 287. Maron war u.a. ab 1954 Mitglied des ZK der SED und zwischen 1955
und 1963 Minister des Innern. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 514.
156
BArch, DO I/9125, Brief an den Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten beim Rat des Bezirkes
Frankfurt Oder, Cottbus, Neubrandenburg, Schwerin und Potsdam, ohne Datum.
60
materielle und ideelle Unterstützung von der staatlichen, gesellschaftlichen Organisationen,
von der Werkleitung und von den Arbeitskameraden, sowie ihrer Beteiligung am
gesellschaftlichen Leben erzählen.157
Die DDR ging davon aus, dass diese Erfahrungsberichte eine positive Auswirkung auf
die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und ihre Einstellung haben würde, und dass sie
ihnen weniger misstrauisch gegenüberstehen als den Vertretern der DDR. Über die
Heimkehrer des fünften Heimkehrer-Transportes wurde gesagt: „Bis jetzt waren im Lager drei
ehemalige Fremdenlegionäre, die bereits vor längerer Zeit zurückkehrten und deren
Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik uns die Garantie gab, daβ die positiv
auf die Heimkehrer einwirkten. Diese Tatsache hat sich auch voll und ganz bestätigt.“158 Nach
den Gesprächen mit den Vorgängern der neuen Heimkehrer und dessen Schlussbesprechung
mit dem Bezirk und der Lagerleitung wurde im vierwöchigen Programm vorgeschlagen, den
Film „Ritter des goldenen Sterns“ zu zeigen, und sie an Kulturgruppen beteiligen zu lassen.159
In der zweiten Woche mussten Aktivisten aus den Baubetrieben über ihre
volkseigenen Betriebe und über das Verhältnis der Arbeiter zu diesen Betrieben sprechen.
Außerdem sollten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre über Sozialversicherungen
aufgeklärt werden. Das Kulturprogramm konnte in der zweiten Woche weitergeführt werden.
Am vierten Tag der zweiten Woche hatte die DDR vor, die Mitarbeiter des FDGB Gespräche
mit den Fremdenlegionären vereinbaren zu lassen. Die dritte Woche musste vor allem im
Zeichen der Entwicklung der DDR vom „Beginn der Zerschlagung des Faschismus“ und der
Entwicklung Ostdeutschlands als „souveräner Staat“ stehen. Für die vierte Woche schließlich
wurde vorgeschlagen, den Film „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse“ zu zeigen. Außerdem
sollte in dieser Woche auf die internationalen Beziehungen der DDR zur UdSSR, zu den
Volksdemokratien und zu anderen Ländern eingegangen werden. Der ganze vierte Tag wurde
dafür bestimmt, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre über die Genfer Konferenz und
ihre Auswirkungen in Indochina und das totale Weltfriedenslager aufzuklären. Der fünfte Tag
sollte ähnlich bestritten werden. Zentral standen ein Film und das Thema „Die Pariser
Verträge – eine Gefahr für die Weltfrieden.“160 Wenn den Heimkehrern während ihres
157
BArch, DO I/9125, Vorplanung des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten, Bezirksverwaltung
Dresden, über den Heimkehrer-Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 5.4.1955.
158
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht des Staatssekretariats für innere Angelegenheiten des MdI über den
fünften Heimkehrer-Transport und die Aufnahme ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 30.9.54, S.
000092-000094.
159
BArch, DO I/9125, Vorplanung des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten, Bezirksverwaltung
Dresden, über den Heimkehrer-Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 5.4.1955.
160
BArch, DO I/9125, Ibidem.
61
vierwöchigen Aufenthalts mal kein Film gezeigt wurde und sie ebenfalls keine Gespräche
führten oder auf irgendeiner anderen Weise aufgeklärt wurden, standen ihnen Zeitungen,
Bücher und Zeitschriften zur Verfügung. Aus einem Bericht aus dem Jahr 1952 geht hervor,
dass diese sogar den kranken deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre übergeben wurden.161
Aus dem vierwöchigen Programm in Bischofswerda kam schon die Bedeutung und
zentrale Rolle der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von vorigen HeimkehrerTransporten zum Tragen. Ihnen sollte verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet werden, weil die
DDR ihren Einsatz offensichtlich als sehr wichtig empfand. Was dafür spricht, ist nicht nur
ihr Einsatz im Quarantänelager Bischofswerda, sondern auch der Briefwechsel mit deutschen
Fremdenlegionären in Indochina. Die DDR und DRV korrespondierten über die Erlaubnis
dieser Briefwechsel und zogen die Schlussfolgerung, ein Briefwechsel sei für beide Seiten
vorteilhaft. Der DDR zufolge stehe Vietnam der Briefwechsel aus menschlichen Motiven zu,
aber auch auf Grund der propagandistischen Wirkung der Briefe. Sie selbst musste der DRV
dabei behilflich sein. Der Briefwechsel unterstütze den nordvietnamesischen Kampf, da die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre über die gute Behandlung der Vietnamesen und die
Grausamkeiten der Franzosen schreiben würden. Die DDR und die DRV gingen davon aus,
durch die Briefe mehr deutsche ehemaligen Fremdenlegionäre beeinflussen zu können und sie
zur Überzulaufen und Repatriierung in die DDR zu bewegen.162 Die Heimkehrer riefen in
ihren Briefen auch direkt zum Überlaufen auf: „[…] kommt nach Hause hier in Deutschland
wartet man auf euch alle, warum noch länger für die Geldsache unsere deutsche Haut zu
Markte tragen?“ 163 Die Briefe durften nicht mehr als dreihundert Wörter umfassen und
wurden über das Ministerium des Innern geschickt.164
Neben Briefen war die nordvietnamesische Regierung auch daran interessiert, wie sich
die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR beruflich und politisch entwickelt
hatten. Die meisten geeigneten deutschen ehemaligen Fremdenlegionär sollten einen Bericht
über sich selbst erfassen. Nicht nur die propagandistische Bedeutung solcher Berichte für
Nordvietnam, sondern auch die Vorteile für die DDR zur propagandistischen Tätigkeit unter
den Kriegsgefangenen und die sich noch in der Fremdenlegion befindlichen Deutschen wurde
161
BArch, DO I/9131, Bericht der HA Staatliche Verwaltung des MdI über den am 8.4.1952 im Quarantänelager
Bischofswerda eingetroffenen Transport ehemaligen Fremdenlegionäre aus Vietnam, 21.4.1952.
162
BArch, DO I/9143, Brief von Referentin Engelhardt des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten an
Herr Fritschke der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 18.9.1953. Auskünfte über Engelhardt und Fritschke
konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
163
BArch, DO I/9141, Brief von einem ehemaligen Fremdenlegionär, 14.8.1953.
164
BArch, DO I/9143, Brief von Referentin Engelhardt des Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten an
Herr Fritschke der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 18.9.1953.
62
betont. Die DDR überprüfte den Inhalt der Berichte. Das Ministerium des Innern wurde
beauftragt, in Zukunft darauf zu achten, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in
ihren Berichten mehr über ihr jetziges Leben berichten würden.165 In den nächsten Jahren
wurde dieser Anfrage mehrmals wiederholt, wie zum Beispiel am 18. Mai 1954.166 Die
Anfrage bezog sich natürlich nur auf von der DDR als zuverlässig bezeichnete deutsche
ehemalige Fremdenlegionäre.
Zusammenfassung
Bevor von einer Zusammenarbeit zwischen der DDR und der DRV in Bezug auf die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre die Rede war, arbeiteten drei ehemalige
Fremdenlegionäre in Nordvietnam aus eigener Initiative schon an der Seite der Volksarmee.
Von denen nahm Borchers eine Schlüsselposition ein, die er in der ersten Hälfte der Fünfziger
Jahre gewann. Er beschäftigte sich vornehmlich mit der Propaganda- und Umschulungsarbeit
der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre während ihrer Schulung in der DRV. Ab 1950
wurden die Kontakte zwischen der DDR und der DRV auf Regierungsebene ausgebreitet, als
die DDR von der DRV in einem Brief auf die große Zahl der deutschen Kriegsgefangenen
aufmerksam gemacht wurde. Zur gleichen Zeit versuchte die DRV ihre internationale Position
zu festigen und dafür internationale Beziehungen zu knüpfen. Die DDR sah sich jetzt vor eine
schwierige Aufgabe gestellt, die sie mit gemischten Gefühlen anging. Auf der einen Seite war
sie in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre auf Grund der Weltlage nicht in der Lage,
Beziehungen zur DRV zu unterhalten. Auf der anderen Seite hatte sie den Wunsch und fühlte
sie die Verpflichtung, ein kommunistisches Brüdervolk zu unterstützen, da diese
Unterstützung auch ihrer eigenen isolierten Lage zu Gute kommen würde.
Der Brief der KVP bezüglich der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurde auf
Grund dessen als Ersatz für die Aufnahme internationaler Beziehungen angesehen. Die DDR
entschied sich in einer Regierungserklärung vom 2. Februar 1950 dazu, die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre in die DDR repatriieren zu lassen. Diese Entscheidung zeigt
eine doppele Haltung der DDR. Einerseits stand Ostdeutschland den deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären auf Grund ihrer Herkunft, ihrer Arbeit in der Fremdenlegion und ihrem
165
BArch, DO I/9141, Das MfAA an die Abt. Bevölkerungspolitik des Staatssekretariats für Innere
Angelegenheiten im MdI, 5.12.1953.
166
BArch, DO I/9139, Oberreferentin Junge an den Rat des Bezirkes Potsdam, 18.5.1954. Auskünfte über
Oberreferentin Junge konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
63
Status als Kriegsgefangene oder Überlaufer misstrauisch gegenüber. Andererseits sah die
DDR auch vom Anfang an, wie die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auf Grund ihrer
Vergangenheit in der Öffentlichkeit für ihre Westarbeit ausgenützt werden konnten. Die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre hatten sich nicht nur zwischen zwei
kommunistischen Systemen befunden, sie bewegten sich ebenfalls zwischen dem Misstrauen
und der Erwartung der DDR.
Das Hass-Liebe Verhältnis der DDR hinsichtlich der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre kam während der sechs Heimkehrer-Transporte zwischen 1951 und 1956
und nach Ankunft der Heimkehrer im Quarantänelager Bischofswerda zum Ausdruck.
Während ihrer Rückkehr in die DDR wurden die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
von politisch-ideologisch zuverlässigen Vertretern beobachtet und Informationen über sie
eingeholt. Auch wurde ihre in Nordvietnam angefangene politische Schulung fortgesetzt. Ziel
dessen war die Vorbereitung auf ihre Heimkehr in die DDR. Diese politische und
propagandistisch-ideologische Instrumentalisierung wurde im Quarantänelager Bischofswerda
mittels Gesprächen und eines ideologischen Programms sowie mit Hilfe von anderen
deutschen ehemaligen Fremdenlegionären fortgeführt.
64
Kapitel III: Der Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und die
Aufarbeitung des Themas „deutsche ehemalige Fremdenlegionäre“ in der Öffentlichkeit
Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war sich schon 1950 darüber im Klaren, dass
die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein wichtiges Thema in ihrer Propaganda und
Öffentlichkeitsarbeit gegenüber dem Westen darstellte. Ab 1950 setzte sie denn auch alles ins
Werk, um dieses Thema so gut wie möglich in der Presse, auf Pressekonferenzen mit
heimgekehrten deutschen ehemaligen Fremdenlegionären, in der Repräsentation, in der
ostdeutschen Literatur, aber auch in den Veranstaltungen der gesellschaftlichen
Organisationen, darzustellen. Bis 1956 blieben die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
aus der Demokratischen Republik Vietnam (DRV) ein Thema, mit dem die DDR sich immer
wieder auseinandersetzte. Sie spielten während dieser Jahre eine wichtige Rolle in der
ostdeutschen Öffentlichkeitsarbeit. Warum wurden die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre von der DDR als so wichtig betrachtet und auf welche Weise wurden sie in
der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit instrumentalisiert?
Par. 1 Die Aufarbeitung in den Medien
Schon vorangehend und während der Heimkehrer-Transporte dachte die DDR über die
Gestaltung des Themas „deutsche ehemaligen Fremdenlegionäre“ und ihre Einbeziehung in
die Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit nach. Während der Transporte wurde durch
persönliche Unterredungen und Aussprachen mit den Heimkehreren über eine
Pressekonferenz gesprochen und Vorbereitungen für die weitere Auswertung in der DDR
getroffen.167 Durch diese Gespräche konnte die DDR einschätzen, wer von den
Fremdenlegionären zuverlässig war und wem sie die Aufgabe in der Öffentlichkeit
aufzutreten zutrauen konnte. Anlässlich des zweiten Heimkehrer-Transportes schrieb das
Ministerium des Innern: „Dem Amt für Information konnte von den mitfahrenden Begleitern
wertvolle Hinweise für eine propagandistische Auswertung übermittelt werden.“168
Abgesehen von der Einschätzung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von Seiten der
DDR konnten sie durch das Führen von Gesprächen schon auf ihre neuen Aufgaben in der
167
Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Bericht von Joseph Schütz, ohne Datum (wahrscheinlich aus 1953/1954). Schütz
war u.a. zwischen 1949 und 1956 Leiter der Konsularabteilung, der diplomatischen Mission bzw. der Botschaft
der DDR in Moskau. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 834.
168
BArch, DO 1/9131, Das MdI über die Dienstreise vom 2.3.-11.4.1952 von Hauptsacharbeiter Bruno
Sedlaczek und Hauptreferent Heinze, 15.4.1952.
65
DDR vorbereitet werden.
Eine zentrale Rolle in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit nahmen das
Zentralkomitee (ZK) der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) und das Amt für
Information, mit Gert Eisler an der Spitze, ein.169 Anlässlich des ersten HeimkehrerTransportes wurde vorgeschlagen, das Amt für Information hiervon in Kenntnis zu setzen, um
diesem Ereignis die größtmögliche Publizität zu geben. Andererseits wollte die DDR auch
erwägen, ob von Regierungsseite offizielle Vertreter in die Außendarstellung einbezogen
werden sollten. Wichtiger war aber, dass im Bericht über die Ausführung und die Ziele dieser
Publizität geschrieben wurde: „Rundfunk, Presse müsste durch Interviews, Berichte und
Fotomaterial die Rückkehr der ehemaligen Vietnam-Söldner zur Kampagne gegen die
Remilitarisierung Deutschlands gründlich ausnützen.“170 Der gleiche Bericht wurde im März
1951 mehrmals geschickt. Auch Ulbricht war von der propagandistischen Auswertung
überzeugt als er Hermann Axen am 29. März 1951, dem Tag, an dem der ersten HeimkehrerTransport in Bischofswerda eintraf, mitteilte: „Durch Interviews, Rundfunkreportagen,
Fotoberichte müsste eine öffentliche Berichterstattung erfolgen in Verbindung mit dem
Kampf gegen die Remilitarisierung Deutschlands.‘171
In diesen Berichten wurden die Ziele der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit
sichtbar. Die DDR versuchte Widerstand gegen die westdeutschen Entwicklungen in der
ersten Hälfte der Fünfziger Jahren zu leisten. Die wichtigsten Themen waren die
Remilitarisierung der Bundesrepublik Deutschland (BRD), deren Westintegration und dessen
Bündnis mit den westlichen Alliierten, die Rolle Adenauers im Prozess der Westintegration
und Wiederbewaffnung, sowie die Verabschiedung des EVG-Vertrags, der von der DDR als
„Generalkriegsvertrag“ bezeichnet wurde. Die DDR war mit diesen Entwicklungen nicht
einverstanden, da sie den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands verbauten und einen
Friedensvertrag unmöglich machten. Sie war jedoch nicht in der Lage, sich auf politischer
Ebene gegen die Entwicklungen in Westdeutschland zu wehren. Was übrig blieb, war die
Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit. Die Rückkehr der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre fand zur gleichen Zeit statt, als in der BRD im Bezug auf diese Themen
Entscheidungen getroffen wurden. Der Indochinakrieg wurde von der DDR als Muster für die
169
BArch, DO I/9125, Siegfried Büttner an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 20.3.1951.
SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Hausmitteilung von Max Keilson, Hauptabteilungsleiter der HA I des
MfAA, über den ersten Heimkehrer-Transport.
171
SAPMO-BArch, NY 4182/1269, Walter Ulbricht an Hermann Axen, 29.3.1951. Axen war u.a. ab 1950
Mitglied des ZK der SED und zwischen 1949 und 1953 Abteilungsleiter für Agitation im ZK der SED. Siehe
dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1 , S. 19.
170
66
sogenannte Kriegspolitik Westdeutschlands und die Haltung Adenauers betrachtet. Die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre als Zeugen des Krieges konnten von der DDR als
Spielball für die Auseinandersetzung mit dem Westen angesehen werden und wurden zu
diesen Zwecken eingesetzt. Sie waren in der Lage, die DDR-Bürger über den Indochinakrieg
in allen Aspekten aufzuklären. Ihre Nachrichten drängten auch zum Westen durch, wo die
DDR hoffte, Sympathisanten für ihre Politik zu gewinnen. Außerdem erreichten die Berichte
die sich noch in der DRV befindlichen Fremdenlegionäre.
Die propagandistische Auswertung des Themas der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre war nicht bei allen Heimkehrer-Transporten identisch. Nach dem ersten
und zweiten Transport war die Auswertung am umfangreichsten. Das hatte einerseits mit der
Neuheit des Themas zu tun. Als Teil ihrer Westarbeit beabsichtigte die DDR, die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre bei den Ost- und Westdeutschen zunächst einmal vorzustellen.
Nur wenn sie umfangreich über das Thema aufgeklärt würden, glaubten die Ostdeutschen,
würde ihre Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit auch erfolgreich sein können. Andererseits
hatte die DDR 1951 und 1952 noch die größte Hoffnung, mittels ihrer Propaganda und
Öffentlichkeitsarbeit die in der BRD angefangenen Prozesse rückgängig machen zu können.
In den folgenden Jahren wurde Westdeutschland immer mehr im Westen eingebunden, und
der DDR wurde klar, dass die Entwicklungen in Westdeutschland trotz ihrer Proteste
stattfanden.
Es ist auffällig, dass nach dem sechsten und siebten Heimkehrer-Transport im April
1955 beziehungsweise Januar 1956, keine Auswertung mehr stattfand. Die Erklärung dafür
scheint einerseits in der Beendigung des Indochinakrieges am 21. Juli 1954 zu liegen. Die
DDR konnte sich wegen der französischen Kapitulation nicht mehr über die Ungerechtigkeit
des Krieges und des Kapitalismus äußern. Dadurch war es auch unmöglich geworden, weitere
Parallelen zwischen dem Indochinakrieg und den angeblichen Kriegsplänen Adenauers zu
ziehen. Andererseits machte es für die DDR auch keinen Sinn mehr, sich in ihrer Propaganda
und Öffentlichkeitsarbeit mit den Entwicklungen in Westdeutschland hinsichtlich der
Wiederbewaffnung und der Westintegration auseinanderzusetzen. Diese Prozesse waren mit
dem Inkrafttreten der Pariser Verträge und der Aufnahme der BRD in der North Atlantic
Treaty Organisation (NATO) 1955 abgeschlossen und mit der Hallstein-Doktrin bestätigt.
Die DDR musste anerkennen, dass sie den Kürzeren gezogen hatte. Ihre Politik wurde seit
1955 von der schon 1953 angefangen „Zwei-Staaten-Theorie bestimmt. Ihr Streben Anfang
der Fünfziger Jahren zur Wiedervereinigung und zu einem Friedensvertrag für Deutschland
67
war nicht mehr durchführbar. Die DDR brachte ihre Heimkehrer-Arbeit zu Ende, da sich noch
deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in der DRV befanden, die nach der Beendigung des
Indochinakrieges in die DDR zurückkehren mussten. Propagandistische
Auswertungsmöglichkeiten des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre gab es
nach 1955 jedoch nicht mehr.
Die propagandistische Auswertung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und
die Öffentlichkeitsarbeit der DDR im Zeitraum 1951 bis 1955 soll näher betrachtet werden.
Im Allgemeinen ist darüber zu sagen, dass diese Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit vor
allem aus der Organisation und Durchführung von Pressekampagnen und Pressekonferenzen
bestand. Auf den Pressekonferenzen waren Vertreter der DDR-Regierung, eine Delegation
der schon während der Heimkehrer-Transporte und in Bischofswerda selektierten deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre sowie Vertreter der in- und ausländischen Presse anwesend.
Außerdem konnten die Einwohner von Berlin sich an diesen öffentlichen Veranstaltungen
beteiligen. Die Pressekampagnen bestanden darin, dass in Zeitungen wie Neues Deutschland,
Die Tägliche Rundschau, Junge Welt und Die Tribüne Artikel über die Pressekonferenzen und
über die Fremdenlegion, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, ihre Heimkehr und die
Haltung der DDR in Bezug auf diese Frage publiziert wurden. Es gab verschiedene Artikel.
So schrieben die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Erlebnisberichte und nahmen in
den Berichten Stellung gegen die Politik Adenauers. Außerdem riefen sie in publizierten
Briefen die noch in der DRV befindlichen Fremdenlegionäre auf, in die DDR
zurückzukehren. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden zum Schreiben der
Briefe angespornt, da die DDR mit diesen Briefen beabsichtigte, die Fremdenlegionäre in der
DRV zum Überlaufen zu bewegen und vom guten Leben in der DDR zu überzeugen. Über die
Auswertung der Briefe wurde der Abteilung Bevölkerungspolitik des Ministeriums des Innern
am 17. September 1951 mitgeteilt: „Die für die Veröffentlichung geeigneten Briefe bitten wir,
nach Bearbeitung durch sie, dem Amt für Information zu übermitteln.“172 Die Briefe wurden
in einer Artikelenserie in der Presse publiziert.173
Die einzelnen Pressekampagnen und Pressekonferenzen spiegelten die westdeutschen
Entwicklungen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre. Die erste vom Amt für Information
im ostdeutschen Friedrichstadtpalast am 4. April 1951 organisierte Pressekonferenz und die
172
Pol.Arch.AA., MfAA/A 8678, Oberreferent Decker an Siegfried Büttner der Abt. Bevölkerungspolitik des
MdI, 17.9.1951. Auskünfte über Decker konnten von der Autorin nicht übermittelt werden.
173
BArch, DO I/9143, Bericht von Herrn Heinze der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI an Herrn Deckere der
Konsularabteilung des MfAA, 18.12.1951. Auskünfte über Deckere konnten von der Autorin nicht ermittelt
werden. Wahrscheinlich handelt es sich um die gleiche Person wie in Fußnote 6.
68
erste Pressekampagne im März und April 1951 müssen im Licht der westdeutschen Ereignisse
1950 gesehen werden. Trotz der Beschäftigung anderer Länder mit der Wiederbewaffnung
und Westintegration der DDR betrachtete die DDR Adenauer als Initiator dieser Prozesse und
übte vor allem Kritik an ihm und seiner Politik. Die DDR betrachtete ihn als Unterstützer des
imperialistischen Indochinakrieges, da er sich nicht gegen die groß angelegten Anwerbungen
für die Fremdenlegion in der BRD gewehrt hatte. Adenauer war der DDR zufolge dafür
verantwortlich, dass man in Westdeutschland Männer, darunter die beim ersten HeimkehrerTransport 69 zurückgekehrten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre „mit den infamsten
Methoden in diese imperialistische Söldnertruppe gezwungen hatte.“174 Auf der
Pressekonferenz hatte Eisler eine Rede gehalten, worin er mitteilte, dass während die DDR
die Fremdenlegionäre aus der DRV zurückkehren ließ, die „Adenauer Clique“ noch immer
neue Männer an die Fremdenlegion verkaufe. Er sprach laut der Jungen Welt über Adenauer
als „Menschenhändler“.175 Das Verkaufen von Männern war Bestandteil der
Remilitarisierung, die ganz Westdeutschland zu einer Fremdenlegion der Vereinigten Staaten
von Amerika (USA) machen solle.176 Adenauer, und mit ihm Kurt Schumacher, arbeiteten
Die Tägliche Rundschau zufolge „für die imperialistischen Eroberungspläne der USA“. Die
Junge Welt schrieb, dass Adenauer die Erfahrungen, die er beim Hineinpressen der
Westdeutschen in die Fremdenlegion gesammelt hatte, jetzt für den Aufbau einer
europäischen Armee anwenden wolle.177
Die auf der ersten Pressekonferenz anwesenden fünfzehn ehemaligen
Fremdenlegionäre mussten diese Theorie der DDR und die Rede Eislers bestätigen und
verstärken. Auf dieser Konferenz und in unterschiedlichen Zeitungsartikeln im März und
April 1951 berichteten sie über das Hineinpressen in die Fremdenlegion und die von den
Franzosen in der DRV begangenen Gräueltaten. Dem gegenüber stellten sie die gute
Behandlung in der Volksarmee und teilten sie den Zuhörern mit, auf welche Weise die DRV
sich gegen die französischen und amerikanischen Imperialisten wehrte. Ein wichtiger
Bestandteil des Einsatzes der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre war die Warnung der
Jugend, die sie „vom wahren Gesicht des Imperialismus“ und dem menschenunwürdigen
System des Kapitalismus überzeugen wolle.178 Ihre Absicht war es, für den Frieden und gegen
Neues Deutschland, „Keinen Deutschen mehr für die Fremdenlegion“, 5.4.1951.
Junge Welt, „So wurden wir in die Söldnerarmee gepreβt“, 6.4.1951.
176
Neues Deutschland, „Keinen Deutschen mehr für die Fremdenlegion“, 5.4.1951.
177
Junge Welt, „Dem Söldnertod entronnen“, 6.4.1951.
178
Die Tägliche Rundschau, „Ehemalige Fremdenlegionäre danken Präsident Pieck“, 24.4.1951.
174
175
69
den amerikanischen Imperialismus zu kämpfen.179 In den Zeitungsartikeln, wie in der Tribüne
vom 14. April 1951, wurde betont, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aus ihrer
Vergangenheit eine Lehre gezogen hatten. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass sie von
der DDR jetzt für die Erhaltung des Friedens eingesetzt würden. So wie sie eine Lehre
gezogen hatten, „[…] so wird das gesamte deutsche Volk dazu beitragen diese Absichten der
Bonner Regierung und ihrer Helfershelfer zu durchkreuzen.“180
Diese Unterstützung gegen die Pläne der Bonner Regierung war am 26. April 1952,
während der zweiten Pressekonferenz und während der Pressekampagne im April 1952 umso
notwendiger. Der Grund dafür war die kommende Unterzeichnung des Deutschland- und
EVG-Vertrags im Mai 1952. Noch immer stand Adenauer im Zentrum der Kritik. Diese
Kritik wurde jetzt besonders mit dem Kritik am „Generalkriegsvertrag“ sowie dem Abschluss
eines Friedensvertrags verbunden. Es wurden Parallelen zwischen der Fremdenlegion, der
geplanten westdeutschen Armee und dem EVG-Vertrag gezogen: „Was die französische
Fremdenlegion im kleinen ist, dass ist die amerikanischen Söldnerarmee, die in WestDeutschland errichtet werden soll, im großen. Was der schändliche Verpflichtungsvertrag für
die Legion im kleinen ist, das ist der schändliche Generalkriegsvertrag, den Adenauer
unterzeichnen will, im großen.“181 Laut der Täglichen Rundschau vom 27. April 1952 würde
die europäische Fremdenlegion aus angeworbenen deutschen Soldaten bestehen.182
Die zweite Pressekonferenz wurde ebenfalls im Friedrichstadtpalast organisiert. Der
Leiter war der Vizepräsident der Volkskammer und Mitglied des Nationalrats der Nationalen
Front, Heinrich Homann. Bei der öffentlichen Pressekonferenz waren das Neue Deutschland
vom 26. April 1952 zufolge außer der innen- und ausländischen Presse dreitausend Berliner
anwesend.183 Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung standen, wie bei der ersten
Pressekonferenz, die heimgekehrten deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Dass sie nicht
freiwillig an der Pressekonferenz teilnahmen beweist ein Bericht vom Ministerium des
Innern, in dem die verpflichtete Teilnahme aller ehemaligen deutschen Fremdenlegionäre an
der Pressekonferenz mitgeteilt wurde.184 Letztendlich beteiligten sich 68 von den 133
ehemaligen deutschen Fremdenlegionäre des zweiten Heimkehrer-Transports, wahrscheinlich
weil die DDR nach Überprüfung nicht alle deutschen ehemaligen Fremdenlegionären als
Neues Deutschland, „Keinen Deutschen mehr für die Fremdenlegion“, 5.4.1951.
Die Tägliche Rundschau, „Der Hölle von Indochina entronnen“, 14.4.1951.
181
Neues Deutschland, „Junge Deutsche der Söldnertruppe entronnen“, 27.4.1952.
182
Die Tägliche Rundschau, „133 Fremdenlegionäre kehrten in die Heimat zurück“, 27.4.1952.
183
Neues Deutschland, „Läβt euch nicht für eine Söldnerarmee missbrauchen!“, 26.4.1952.
184
BArch, DO I/9131, Bericht der HA Staatliche Verwaltung des MdI über den am 8.4.1952 im Quarantänelager
Bischofswerda eingetroffenen Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam, 21.4.1952.
179
180
70
zuverlässig ansah. Eisler war zwar nicht der Leiter dieser zweiten Pressekonferenz, doch er
hielt wie bei der ersten Pressekonferenz eine Rede. Ihm zufolge belief sich die Zahl der seit
1945 in die Fremdenlegion angeworbenen Deutschen auf 175.000, von denen schon 40.000
bereits in Indochina ums Leben gekommen waren.185
Ein wichtiges Thema auf der zweiten Pressekonferenz war die Status der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre. In der Tribüne wurde über die Rede Eislers erwähnt, dass die
Anwesenden der Pressekonferenz minutenlang applaudiert hatten, als Eisler verkündete, dass
die Hälfte der 133 ehemaligen Fremdenlegionäre Überläufer waren.186 Diese Zahl stimmte
allerdings nicht und belief sich in der Wirklichkeit auf 41. Die Darstellung der großen
Überläuferzahl passte aber in die propagandistische Auswertung der DDR. Die Überläufer
hatten nämlich die Imperialisten und den „schmutzigen Krieg“ hinter sich gelassen. Im Aufruf
der 68 ehemaligen Fremdenlegionäre wurde im Namen aller deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre verkündet: „Keine Tropfen deutschen Blutes mehr für den schmutzigen
Krieg in Vietnam! Keinen Mann für die aggressive amerikanische Söldnerarmee in WestDeutschland! Alle Kraft für den Frieden, Einheit und Wiederaufbau! Alle Kraft für den
Abschluβ eines Friedensvertrags mit Deutschland!“187
Anlässlich des dritten Heimkehrer-Transports wurde von der DDR am 25. März 1953
ebenfalls eine Pressekonferenz organisiert. Die DDR war der Meinung, dass die zweite
Pressekonferenz einen großen Widerhall in der demokratischen Presse des In- und Auslandes
gefunden hatte und eine wirksame Unterstützung des vietnamesischen Volkes in seinem
Befreiungskampf war.188 Diese dritte Pressekonferenz ist insofern interessant, da im Archiv
des Nationalrates der Nationalen Front, im Gegensatz zu den anderen Pressekonferenzen,
Berichte über die Organisation und Durchführung der dritten Pressekonferenz vorhanden
sind.189Aus einem Brief des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes (ADN) an das
Presseamt vom 25. März 1953 offenbart sich, wie sehr die Zeitungsartikel vom Presseamt
vorgegeben wurden: „Anbei senden wir Ihnen die Unterlagen von der Pressekonferenz
zurück. Wir haben das gesamte Material wörtlich verwendet.“190 In der gleichen Akte wurde
Junge Welt, „133 Söldner fanden den Weg in die Freiheit“, 26.4.1952.
Die Tribüne, „Der Hölle des Krieges entronnen“, 26.4.1952.
187
Neues Deutschland, „Junge Deutsche der Söldnertruppe entronnen“, 27.4.1952.
188
BArch, DO I/9125, Walter Kaβner an das Sekretariat des Leiters des Presseamts beim Ministerpräsidenten,
11.3.1953.
189
Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass nur die dritte Pressekonferenz vom Nationalrat der Nationalen Front
organisiert wurde.
190
BArch, DC 9/327, Bericht von der Hauptredaktion des ADN der DDR an das Presseamt beim
Ministerpräsidenten, 23.3.1953.
185
186
71
der Ablauf der Pressekonferenz festgestellt. Zuerst würde von Heinrich Homann die
Eröffnung und eine Einleitung auf das Thema der Pressekonferenz gehalten werden, dann
konnten vier vorher selektierte deutsche ehemalige Fremdenlegionäre des dritten HeimkehrerTransportes und ein Heimkehrer des zweiten Transportes über ihre Erfahrungen berichten und
schließlich könnten die Pressevertreter Fragen stellen.191 Aus den Akten des Nationalrates der
Nationalen Front geht hervor, dass die Reden der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
vor der Pressekonferenz korrigiert wurden, was die Instrumentalisierung der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre beweist. Das gleiche trifft auf ihre Auswahl zu. Nicht alle
konnten auf der Pressekonferenz vertreten sein, sondern nur diejenigen, die von der DDR
ausgewählt wurden. Auch die Tatsache, dass der Ablauf der Pressekonferenz vorher genau
festgelegt wurde, zeigt den planmäßigen Charakter der Öffentlichkeitsarbeit der DDR.
In der Presse wurde Ende März über die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und
die Pressekonferenz berichtet, doch die Zeit der groß angelegten Pressekampagnen zu diesem
Thema war vorbei. Ein interessanter Zeitungsartikel wurde jedoch am 30. März publiziert. In
dem Artikel wurde berichtet, wie junge Westdeutsche mit Flugzeugen nach Frankreich
gebracht wurden, während die „Adenauer-Clique“ das alles duldete und „[…] mit der
Ratifizierung des Generalkriegsvertrags der unbegrenzten Verschleppung junger Deutscher
als Söldner in alle Erdteile zugestimmt hat.“192 In den Zeitungsartikeln anlässlich der dritten
Pressekonferenz wurden keine neuen Themen aufgeworfen. Besonders die Unterzeichnung
des Deutschlandvertrags blieb im Mittelpunkt der Kritik. Das Neue Deutschland schrieb am
27. März 1953 über die Rede Homanns: „In seinen einleitenden Worten brandmerkte er die
Ratifizierung des Generalkriegsvertrags als eine Handlung der Schmach, der Schande und des
nationalen Verrats.“ In dieser Rede wies Homann auf die Kriegsverbrechen hin, die von der
Adenauer-Regierung durch die Ratifizierung der Kriegsverträge in Bonn und Paris begangen
waren. Er verglich die Fremdenlegion mit der künftigen „Europa-Armee“. Ihm zufolge diente
diese „Europa-Armee“ nur den Interessen der Imperialisten. Homann warnte die deutsche
Bevölkerung davor, nicht in einem mit dem Indochinakrieg vergleichbaren Krieg zu landen
.193
Auch die 32 auf der Pressekonferenz anwesenden deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre äußerten ähnliche Aussagen wie ihre Vorgänger während der ersten zwei
Pressekonferenzen. Erneut wurde die unmenschliche Werbung für den Indochinakrieg und
191
BArch, DC 9/327, Ablauf der Pressekonferenz am 25.3.1953, ohne Datum.
Junge Welt, “Menschenschmuggel auf dem Luftweg”, 30.3.1953.
193
Junge Welt, “Kein deutsches Blut für fremde Interessen!“, 27.3.1953.
192
72
dessen grausamen Charakter betont. Ihre Erfahrungen hatten eindringlich vor Augen geführt,
wie notwendig es sei, dass der „Generalkriegsvertrag“ niemals durchgeführt würde, und dass
„das deutsche Volk in gemeinsamen Aktionen das Adenauer Regime hinwegfegt“.194 In ihrem
Aufruf an das gesamtdeutsche Volk betonten sie, die Durchführung der amerikanischen
Kriegspakte könne nur durch den Regierungssturz Adenauers – der von ihnen als
„Hauptkriegstreiber“ bezeichnet wurde – zustande kommen. Der deutsche ehemalige
Fremdenlegionär des zweiten Heimkehrer-Transports rief die Fremdenlegionäre in der DRV
auf, sich in die Front der am sozialistischen Aufbau schaffenden Werktätigen einzureihen. Er
verkündete, dass diese Handlungsweise die Antwort auf „den schädlichen Verrat der
Adenauer Clique“ sein solle.“ 195
Nach dem Eintreffen des vierten Heimkehrer-Transports im September 1953 wurde
keine Pressekonferenz organisiert und es fand auch keine Auswertung in der Presse statt. Die
Erklärung liegt wahrscheinlich darin begründet, dass dieser Transport im gleichen Jahr wie
der dritte Transport eintraf. Eine propagandistische Auswertung fand erst wieder und zum
letzten Mal mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären des fünften HeimkehrerTransports statt. Die Botschaft der DDR wurde frühzeitig, nämlich schon im Mai 1954, vom
Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten darüber in Kenntnis gesetzt. Der Briefwechsel
zeigt, wie sehr auch die vierte und letzte Pressekonferenz die internationalen Ereignisse
widerspiegelte. So hieß es: „Es ist beabsichtigt im Zusammenhang mit der Genfer Konferenz
mit den Rückkehrern in Berlin eine Pressekonferenz durchzuführen.“196 Diese
Pressekonferenz wurde am 17. September 1954 vom Deutschen Jugendring im Zentralen
Klubhaus der Berliner Jugend organisiert. Von den mit dem fünften Heimkehrer-Transport
zurückgeführten achtzig deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre beteiligten sich dreißig an
der Pressekonferenz.197 Aus einem Vorschlag für die Durchführung der Pressekonferenz geht
hervor, dass sechs bis acht von ihnen über ihre Erfahrungen erzählen mussten. Sie mussten
unter anderem betonen, wie Fremdenlegionäre für das Gold und den Gewinn der Imperialisten
und ein gutes Leben der Offiziere in der Fremdenlegion starben.198 Der deutsche ehemalige
Junge Welt, „Wir sahen ein Volk für seine Freiheit kämpfen“, 26.3.1953.
Neues Deutschland, „Heimgekehrte deutsche Fremdenlegionäre rufen zum Kampf gegen USA-Kriegspakte“,
26.3.1953.
196
Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Abteilungsleiter Änne Kundermann an die Botschaft der DDR in Moskau,
25.5.1954. Kundermann war u.a. zwischen 1953 und 1960 Leiterin der Abt. UdSSR in der HA I des MfAA.
Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 449.
197
Junge Welt, „Ehemalige Fremdenlegionäre warnen die Jugend Westdeutschlands“, 18.9.1954.
198
BArch, DO I/9130, Vorschlag für die Durchführung einer Pressekonferenz mit ehemaligen
Fremdenlegionären aus Vietnam, die im August 1954 in die DDR kamen.
194
195
73
Fremdenlegionär Landrab war einer der auf der Pressekonferenz anwesenden ehemaligen
deutschen Fremdenlegionäre. Er rief alle deutsche Jugend- und Massenorganisationen auf,
sich gegen das „massenhaften Sterben“ zu wehren. Er verurteilte die Zustände im AdenauerStaat, die für den Eintritt mancher Jugendliche in die Fremdenlegion nach Kriegsende 1945
verantwortlich waren. Er beabsichtigte, die Jugend vor einem Eintritt zu bewahren. Mit der
Fortsetzung der Verkündung der alten Themen von den deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären und im Zeigen der immer prekärer werdenden internationalen Lage
wurden auch die angeblichen Anwerberzahlen von der DDR vergrößert. Während im April
1951 noch über die Anwerbung von 175.000 Deutschen geschrieben wurde, ermittelte das
Neue Deutschland am 18. September 1954 eine Zahl von 232.000 Deutschen in der
Fremdenlegion.199
Obwohl die gesamte Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit in den Medien von der
DDR initiiert und gestaltet wurde, gab es ebenfalls manche Einzelinitiative der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre. So beabsichtigten drei von ihnen im April 1951 eine deutschvietnamesische Arbeitergemeinschaft zu bilden und eine Bildzeitschrift zu publizieren, mit
dem Zweck der Berichterstattung. Die DDR betrachtete diese Initiative als unerwünscht, da
sie nach der ersten Beurteilung noch keine Gewähr für die richtige und zuverlässige Arbeit
der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre habe. Sie wurde auf Grund der Initiative jedoch
auf eine Idee gebracht, die die Abteilung Staatliche Verwaltung der Abteilung Agitation am 9.
April 1951 unterbreitete: „Da eine politische Auswertung auf jeden Fall erfolgen muss,
schlagen wir vor, dass das Amt für Information mit den drei politisch zuverlässigsten
Heimkehrern eine Bildzeitschrift erarbeitet und herausgibt, die vor allen Dingen auch als
wertvolles Material im Kampf gegen die Remilitarisierung in Westdeutschland verwendet
werden könnte. Rundfunksendungen über den Kurzwellensender könnten ebenfalls in
Erwägung gezogen werden.“200 Dieses Zitat zeigt, wie sehr die DDR im Prinzip an eine
propagandistische Auswertung des Themas der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
interessiert war und nichts zu dessen Aufarbeitung unversucht ließ. Die Haltung der DDR
hinsichtlich der Bildzeitschriftinitiative enthüllt allerdings auch, dass der ostdeutsche Staat
diese Auswertung nur konform ihre eigenen Ideen gestaltete und keine Risiken in Bezug auf
die Zuverlässigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre eingehen wollte. Diese
doppelte Haltung kam in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre in der ganzen
Neues Deutschland, “Nicht mehr morden wollen wir, sondern glücklich leben“, 18.9.1954.
SAPMO-BArch, DY 30 /IV2 – 391, Herr Köppen der Abt. Staatliche Verwaltung an die Abt. Agitation,
9.4.1951. Auskünfte über Köppen konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
199
200
74
propagandistischen Auswertung und Öffentlichkeitsarbeit zum Ausdruck.
Par. 2 Die Aufarbeitung in der Repräsentation
Die vier Pressekonferenzen und Pressekampagnen waren die wichtigste Art und Weise,
mittels derer die DDR das Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der
Öffentlichkeit lancierte. Es gab jedoch in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre nicht nur eine
propagandistische Auswertung in der Presse, sondern auch in der allgemeinen Repräsentation.
Die DDR gab Aufträge zum Produktion von Dokumentarfilmen und Theaterstücken, mit
denen sie erhoffte, viele Ostdeutschen zu erreichen. Die Dokumentarfilme bezogen sich
selbstverständlich auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und ihre Familie. So
erhielt eine Frau vom Deutschen Frauenverlag 1952 den Auftrag, eine Reportage mit den
deutschen ehemaligen Fremdenlegionären und ihren Müttern zu machen.201 Die
Dokumentarfilme konnten auch für die deutschen Fremdenlegionäre in der DRV gemacht
werden. Zu diesem Zweck musste das Ministerium des Innern beispielsweise einem Reporter
des Staatliche Rundfunkkomitees für seinen „Dienstantrag“ 1954 das benötigte Material zur
Verfügung stellen, damit er einen Dokumentarfilm für die kämpfenden Fremdenlegionäre
machen konnte.202
Die Theaterstücke hatten ebenfalls die Erlebnisse der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre in der DDR und ihrer Kollegen in der DRV zum Thema. Ein in der ersten
Hälfte der Fünfziger Jahre oft aufgeführtes Theaterstück von J. Vilain war „Colonel Forster
bekennt sich schuldig“, das später von der DDR in „Colonel Forster ist schüldig“ umgetauft
wurde.203 Das Hörspiel „Jack Holsten“ und das Drama „Auf verlorenem Posten“ von Paul
Herbert Freyer waren ebenfalls tonangebend. Im Hörspiel „Jack Holsten“ handelte es sich um
die wahre Geschichte des gleichnamigen deutschen ehemaligen Fremdenlegionärs, der
zusammen mit drei anderen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären des ersten HeimkehrerTransportes – Martin Dutschke, Siegfried Richter-Luckner und Martin Müller – in den
Westen geflohen war. Dort wurden sie am 23. Juni 1951 von der britischen und der Berliner
Polizei verhaftet und an Frankreich ausgeliefert. Dutschke konnte fliehen, doch die anderen
wurden in Algerien von der Fremdenlegion zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Dieses
Ereignis passte natürlich in die DDR-Propaganda in Bezug auf die Schutzlosigkeit der
201
BArch, DO I/9141, Brief von der Redaktion von Die Frau von heute beim Deutscher Frauenverlag GMBH an
das Amt für Information, 31.10.1952.
202
BArch, DO I/9143, Das Staatliche Rundfunkkomitee an das MdI, 22.3.1954.
203
Krüger, S. 822. Der Text des Theaterstückes konnte von der Autorin nicht ermittelt werden.
75
westdeutschen Bevölkerung und der Willkür der westalliierten Besatzungsmächte. Ein
Theaterstück galt als die perfekte Möglichkeit einer Auswertung. Von der Volkskammer
wurde ein Appell zur Freilassung verfasst und zur Unterzeichnung an die Betriebe der DDR
geschickt, um ihn daraufhin an Adenauer weiter zu schicken.204
„Auf verlorenem Posten“ handelte nicht von einem Erlebnisbericht, sondern von einer
laut der DDR wahrheitsgetreue Geschichte. Im Drama standen drei deutschen
Fremdenlegionäre zentral, die von der Fremdenlegion abgeschnitten waren und auf Grund der
nordvietnamesischen Anwesenheit nicht zurückkehren konnten. Sie verhafteten eine
Nordvietnamesin und wollten sie erschießen, doch keiner konnte es. Das zentrale Thema des
Dramas ist ihre Bewusstseinsveränderung. Die nordvietnamesische Frau, die als einziges
deutsches Wort „Freiheit“ kannte, überredete sie überzulaufen und zeigte den Aufruf der
DDR. Zur gleichen Zeit hörten die deutschen Fremdenlegionäre über das Rundfunkgerät, dass
sie von der Fremdenlegion nicht gerettet werden konnten und liefen zur Volksarmee über.205
Par. 3 Die Aufarbeitung in der DDR-Literatur
Einige deutsche ehemalige Fremdenlegionäre wurden von der DDR in den Fünfziger Jahren
beauftragt, ihre Erfahrungen in Büchern aufzuzeichnen. Der Vorteil der Veröffentlichung von
Büchern war, dass ausführlicher als auf Pressekonferenzen und in Pressenartikeln über die
Themen der Fremdenlegion, des Indochinakriegs, der Haltung der Nordvietnamesen sowie
der Heimkehr und dem Aufenthalt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR
berichtet werden konnte. Auf diese Weise konnten viele Ostdeutsche erreicht und aufgeklärt
werden. Das traf natürlich auch auf die neu in die DDR repatriierten deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre zu. Außerdem wurden die Bücher unter den Namen der Heimkehrer
publiziert, wodurch der Anschein erweckt wurde, dass es sich um authentische
Erfahrungsberichte handelte. Abgesandte der DDR schrieben höchstens Vorworte. So schrieb
Dr. Wiedemann, der Oberbürgermeister von Weimar und der erste Vorsitzende des
Solidaritätsausschusses für Korea und Vietnam beim Nationalrat der Nationale Front, das
Geleit des Buches des deutschen ehemaligen Fremdenlegionärs Werner Stage Hông Chi. Vom
Legionär zum Vietnamoi. Erlebnisbericht des ehemaligen Legionärs 51 484 aus dem Jahr
1955. Er schrieb: „Der Wert des Buches besteht darin, dass hier ein Mann spricht, der die
204
205
Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 223-224.
Paul Herbert Freyer, Auf verlorenem Posten. Schauspiel in drei Akten (Halle 1953), S. 28-29, 32 und 35.
76
Qualen des Legionärsdaseins am eigenen Leibe erfahren hat und der über sein Schicksal
nachdenkend, auf Grund eigenen Erlebens zu einer fundierten Überzeugung kommt.“206
In Wirklichkeit wurden die Geschichten in den Büchern natürlich von der DDR
inszeniert. Obwohl die Bücher von unterschiedlichen deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären geschrieben wurden, kommen in allen die gleichen Themen zum
Ausdruck. Diese Themen stimmen mit dem Bild der Fremdenlegion überein, das in den
Zeitungsartikeln und auf den Pressekonferenzen geschildert wurde. Ein erstes Thema war das
Skizzieren der aussichtslosen Situation in der BRD Mitte der Vierziger Jahre. So beschrieb
Stage, wie er während des Zweiten Weltkrieges bei der Wehrmacht und nach dem Krieg als
Übersetzer im Dienst der Amerikaner war. Auf Grund der schlechten Behandlung flüchtete er
und lernte zwei junge Männer, Paul und Heinz, kennen. Diese Männer waren ebenfalls der
Meinung, dass ihr Leben aussichtslos war.207 Eine ähnliche Situation wird im Buch Die
Straße der Legionäre. Tatsachen aus der französischen Fremdenlegion beschrieben, in dem
drei junge, arbeitslosen Männer – nämlich Karl Dudek, Werner Schneider und Georg Täler –
im Mittelpunkt standen.208 Im Buch von Günther Halle, Légion Étrangère. Tatsachenbericht
nach Erlebnissen und Dokumenten von Rückkehrern aus Vietnam, wurde detailliert
beschrieben wie es in den französischen Kriegsgefangenenlagern zuging. In einem Lager
seien 20.000 Männer ansässig gewesen, sie hätten in dem strömenden Regen gearbeitet und
viele seien krank gewesen. Die Ernährung sei ebenfalls fürchterlich gewesen: „Drei Biskuits
und ein Becher Brühe – die Kameraden nannten sie der Farbe wegen ‚Eiersuppe‘ -, ein
wahrhaft fürstliches Mahl.“209
Ein zweites Thema in der DDR-Literatur hing mit dem ersten Thema zusammen. Die
aussichtslose Situation der Deutschen in der BRD oder in den französischen
Kriegsgefangenenlagern hatte zu ihrer Anwerbung für die Fremdenlegion geführt. In der
Literatur wurde betont, welcher schändlichen Werbungsmethoden sich die Franzosen
bedienten, wie viel Deutsche angeworben wurden und die Zahl der Minderjährigen unter
ihnen. So schrieb Stage, wie er unter Druck gesetzt wurde, in die Fremdenlegion einzutreten,
nachdem er mit Paul und Heinz nach Landau gezogen sei, um dort als Fremdarbeiter zu
206
Werner Stage, Hông Chi. Vom Legionär zum Vietnamoi. Erlebnisbericht des ehemaligen Legionärs 51 484
(Ostberlin 1955), S. 5.
207
Ibidem, S. 17.
208
Die Straβe der Legionäre. Tatsachen aus der französischen Fremdenlegion (Aufgezeichnet nach dem
Berichten der ehemaligen Legionäre Martin Dutschke, Arno Marx und Günter Walter), Amt für Information der
Regierung der DDR, Serie: Die Wahrheit dem Volke Nr.17, (Leipzig o.J.).
209
Günther Halle, Légion Étrangère. Tatsachenbericht nach Erlebnissen und Dokumenten von Rückkehrern aus
Vietnam (Ostberlin 1952), S. 14-15.
77
arbeiten. Er betonte, dass er nicht der einzige gewesen sei, der angeworben wurde. Er habe in
Landau ein Gespräch mit einem vierzehnjährigen Jungen geführt, der zwischen der Schule
und dem Elternhaus von Werbern erwischt worden sei. Die Eltern blieben ohne Nachricht
über den Verbleib ihres Sohnes.210 Dudek, Schneider und Täler sei es den Autoren des Buches
Die Straße der Legionäre zufolge nicht besser ergangen. Sie wurden beschuldigt, die
Sprengkammern der neuen Brücke mit Zement verfüllt zu haben. Im Büro der Amerikaner
erhielten sie Essen und es wurde ihnen Arbeit in dem Berg- und Straßenbau angeboten. In
betrunkenem Zustand unterschrieben sie einen Vertrag für die Fremdenlegion. In Die Straße
der Legionäre wird betont, dass es auch Minderjährigen so erging. Viele sechzehnjährige
wurden angeworben und von den Franzosen zwei Jähre älter gemacht.211 In den französischen
Kriegsgefangenenlagern waren ebenfalls Werber anwesend, die bedrängend auf die
Kriegsgefangenen eingeredet hätten. Sie stellten „grauer Himmel, Hunger und Schlamm“ vor
Ort gegenüber „weißer Sand und schattige Palmen“ in der Fremdenlegion.212
Obwohl das Leben in der Fremdenlegion der DDR-Literatur zufolge von den Werbern
als schön dargestellt würde, kommt in den Büchern das schlechte Leben in der Fremdenlegion
und das unmoralische Verhalten der Franzosen als drittes Thema zum Ausdruck. So wurde im
Buch Die Straße der Legionäre diese Straße von Deutschland via Frankreich und Oran in
Algerien nach Sidi-bel-Abbès umschrieben als: „Es ist die Straße, die aus einem jungen
blühenden Menschen eine namenlose Nummer und in den meisten Fällen einen Toten
macht.“213 Das Motto der Franzosen sei „Marschier oder Krepier“. Die Ausbildung in Sidibel-Abbès sei schwer, und die Fremdenlegionäre hätten kaum Essen und ärztliche Betreuung
erhalten.214 In Bezug auf das unmoralische Verhalten der Franzosen wurde im Vorwort des
Büches Hông Chi angedeutet, die Wert des Buches sei, das Unrecht der Imperialisten
gegenüber den Kolonialvölkern zu thematisieren.215 Auch in den anderen Büchern war diese
moralische Nachricht sichtbar. Schmalenbach schrieb in seinem Buch Flucht ins Leben.
Erlebnisbericht aus Vietnam aus dem Jahr 1954, unter was für schrecklichen Umstände die
Nordvietnamesen lebten: Sie wurden ermordet und ihre Dörfer wurden in Schutt und Asche
gelegt. 216
Er zog in seinem Buch die Schlussfolgerung, die Fremdenlegion kämpfe gegen ein
210
Stage, Hông Chi, S. 18 und 21.
Die Straβe der Legionäre, S. 7-8.
212
Halle, Légion Étrangère, S. 17.
213
Die Straβe der Legionäre, S. 10.
214
Ibidem, S. 12.
215
Stage, Hông Chi, S. 5.
216
Kaspar Schmalenbach, Flucht ins Leben. Erlebnisbericht aus Vietnam (Pöβneck 1954), S. 5.
211
78
Volk, das nur für seine Freiheit kämpfe.217 Diese Bewusstseinsveränderung vom Überlaufen
zur nordvietnamesischen Volksarmee bis zur Heimkehr in die DDR sowie das gute Leben in
der DDR wurde in allen Büchern als viertes Thema thematisiert. In Die Straße der Legionäre
wurde über den Fremdenlegionär Günter Walter geschrieben. Er habe rechtzeitig erkannt,
dass er „für koloniale Machtsgelüste der französischen und amerikanischen Finanzhyänen“
gekämpft habe.218 Zusammen mit einem Freund sei er übergelaufen, und der Empfang der
Nordvietnamesen sei sehr herzlich gewesen.219 Auch Stage schrieb über die gute Behandlung
der Nordvietnamesen. Er wurde von ihnen als ein neues Familienmitglied aufgenommen und
erhielt den Namen Hông Chi. Anlässlich einer Brief aus der DDR entschied er sich dafür, in
die DDR zurückzukehren. In den Büchern wurde nichts vermieden, die Leser auf die
fürsorgliche Haltung der DDR aufmerksam zu machen. So schrieb Stage, dass er in Viet Bac
mit einem Transport deutscher Kriegsgefangene vereinigt worden sei, die auch durch das
großzügige Abkommen zwischen den Regierungen der DRV und der DDR nach Hause
zurückkehren konnten. Nach dem Eintreffen in die DDR habe er ein Stipendium bekommen
und sei Volkserzieher für Völkerfreundschaft und Internationale Solidarität geworden.
Außerdem kämpfe er gegen die imperialistischen Eroberungspläne.220 Auch Halle
verherrlichte in seinem Buch das Überlaufen, die Heimkehr und den Aufenthalt in der DDR.
Er schrieb über das gleiche „Komitee für Frieden und Heimkehr“, das im ersten Paragraf
erwähnt wurde. Ihm zufolge kam es schon am 27. Januar 1952 in Nordvietnam zusammen. In
der Rede des Sekretärs dieses Komitees wurde die Ansicht vertretet, das Komitee kämpfe für
die Freiheit Nordvietnams und das Zurückziehen der französischen Truppen. Außerdem habe
er betont: „Wir schwören unermüdlich für die Freiheit unserer deutschen Heimat und gegen
die Remilitarisierung in Westdeutschland zu kämpfen.“ Mit viel Lob wurde außerdem über
die Pressekonferenz geschrieben, und auch, was für ein gutes Leben die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre jetzt hätten. Das Land, in das sie zurückgekehrt waren, sei
nicht das gleiche Land, aus dem sie abgereist seien.221
Die moralische Botschaft der Bücher war ähnlich wie in den Medien und in der
Repräsentation – und kam in Der Straße der Legionäre am besten zum Ausdruck. In dem
Buch würde erwähnt, wie 69 ehemalige Fremdenlegionäre vor dem Tod gerettet worden
seien, doch die USA streben eine Wiederholung des Kriegszustande an, da sie neue
217
Ibidem, S. 5.
Die Straβe der Legionäre, S. 14.
219
Ibidem, S. 23-24.
220
Stage, Hông Chi, S. 181.
221
Halle, Légion Étrangère, S. 278 und 281.
218
79
Militärverbände initiiere und sich mit der Rüstungsproduktion beschäftige. Sie verletze die
Vereinbarungen des Potsdamer Abkommens und beabsichtige außerdem kein einiges
Deutschland, sondern eine europäische Basis für ihren nächsten Krieg. Die DDR aber wolle
nicht die Straße der Legionäre laufen, sondern sich für einen Weg der „hellen, lichtvollen
Zukunft“ einsetzen. Um die Leser der Bücher davon zu überzeugen, wurde sogar ein Brief an
die Leser hinzugefügt, in dem sie dazu aufgefordert wurden, sich gegen das Verschleppen von
Menschen durch die USA und den Sklavenhandel zu wehren.222 Zum Zweck der
Überzeugung der Leser wurden auch Dokumente wie den Aufruf der DDR vom 2. Februar
1950 in den Büchern abgedruckt.
Par. 4 Das Engagement der gesellschaftlichen Organisationen
Die gesellschaftlichen Organisationen waren ebenfalls am Thema der deutschen (ehemaligen)
Fremdenlegionäre beteiligt, von denen die wichtigsten der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund
(FDGB), die Freie Deutsche Jugend (FDJ), die Nationalrat der Nationalen Front und der
Ausschuss für Deutsche Einheit waren.223 Obwohl sie unterschiedliche Aufgaben in der DDRGesellschaft und in Bezug auf die deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre hatten, gab es
auch Übereinstimmung. Alle wurden von der SED streng beobachtet und besaßen einen
kleinen Handlungsspielraum. Ihre Beteiligung zeigt jedoch, wie sehr die DDR auf alle
möglichen Weisen versuchte, dem Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
Aufmerksamkeit zu schenken und die gesellschaftlichen Organisationen, auf Grund ihrer
Möglichkeit zum Erreichen einer große Masse, in ihre Arbeit miteinbezog. Die Arbeit der
gesellschaftlichen Organisationen bezog sich auf drei verschiedene Ebenen. Das war erstens
die propagandistische Beeinflussung der deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre in der
DRV. Zweitens wurden die gesellschaftlichen Organisationen während der HeimkehrerTransporte, bei der Reintegration der ehemaligen deutschen Fremdenlegionäre im
Quarantänelager Bischofswerda und bei dessen Arbeitseinsatz in den Betrieben eingesetzt.
Drittens spielten sie eine wichtige Rolle bei den von der DDR organisierten
Sonderveranstaltungen.
Hinsichtlich der propagandistischen Beeinflussung in der DRV wurden von den
Die Straβe der Legionäre, S. 29-32.
Die Archive des Ausschusses für Deutsche Einheit sind verschollen, so wurde es die Autorin im
Bundesarchiv mitgeteilt. Auf Grund dessen kann in dieser Master-Arbeit nicht auf die Beteiligung dieses
Ausschusses eingegangen werden.
222
223
80
gesellschaftlichen Organisationen Aufrufe verfasst und Flugblätter gedruckt. Schon im Jahre
1950, als die ersten Vorbereitungen für die Heimkehrer-Transporte getroffen wurden, wurden
die gesellschaftlichen Organisationen beteiligt. Diese Aufgabe setzten sie in den nächsten
Jahren fort. Die erste Initiative war der Aufruf der FDJ vom 21. Februar 1951. Über diesen
Aufruf wurde am 21. Februar während der Sitzung des Sekretariats des Zentralrates diskutiert.
Der zweite Punkt der Sitzung war der „Aufruf an die deutschen Fremdenlegionäre in
Vietnam“. Der dritte Punkt war der „Aufruf an die ehemaligen deutschen Fremdenlegionäre,
die sich der vietnamesischen Freiheitsarmee angeschlossen haben“. Auf der Sitzung wurde
der Entwurf des Aufrufes vom 20. Februar bestätigt, und das Internationale Büro der FDJ
wurde damit beauftragt, den Aufruf zu verschicken. Außerdem sollte die Junge Welt den
Aufruf mit Kommentar publizieren.224
Am 25. Oktober 1952 wurde ein Appell des Nationalrates der Nationalen Front an die
Fremdenlegionäre in der DRV gerichtet. Auf dem III. Weltgewerkschaftskongress, der vom
10. bis 21. Oktober 1953 vom Weltgewerkschaftsbund und FDGB in Wien in Anwesenheit
von Delegationen aus 79 Ländern stattfand, rief die gesamtdeutsche Gewerkschaftsdelegation
die Fremdenlegionäre in Nordvietnam auf, mit dem Krieg Schluss zu machen. Sie teilten mit,
der Krieg diene nur den Interessen der französischen und amerikanischen Konzerne, der
Banken und der Plantagenbesitzer. In der DDR warte auf sie ein Leben als ehrliche
Werktätige und eine Wiedervereinigung mit ihren Familien.225 Ein Jahr später folgten weitere
Appelle. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten beabsichtigt im Mai 1954 einen
Aufruf an die Mütter der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in Westdeutschland zu
schicken. Außerdem musste das ostdeutsche Rote Kreuz einen Brief an das westdeutsche Rote
Kreuz schicken. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten war der Meinung, dass
diese Briefe die Nordvietnamesen unterstützen würden, und dass die „augenblickliche
Gelegenheit der Genfer Konferenz“ ausgenutzt werden musste. Desweiteren war im Bericht
von einem Aufruf der Regierung die Rede. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten
hielt es für notwendig, schnell zu handeln, „da nach dem Fall von Dien Bien Phu die
Stimmung unter den Fremdenlegionären eine besondere günstige ist.“226 Am 15. und 16. Mai
224
SAPMO-BArch, DY34/257, Bericht über die Sitzung des Sekretariats des Zentralrates der FDJ am 21.2.1950,
unter der Leitung von Erich Honecker, ohne Datum.
225
Die Tribüne, „Macht Schluss mit dem schmutzigen Krieg“, 23.10.1953.
226
Pol.Arch.AA, MfAA/A 8299, Hauptabteilungsleiter Fritz Willibald Groβe an Staatssekretär Fritz Geyer der
Regierungskanzlei, 11.5.1954. Groβe war u.a. zwischen 1953 und 1957 Leiter der HA I und Mitglied des
Kollegiums des MfAA. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 249. Geyer war u.a.
zwischen 1950 und 1956 Chef der Regierungskanzlei bzw. Leiter des Büros des Präsidenten des Ministerrats der
DDR. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 221.
81
1954, während des II. Nationalkongresses, wurde deswegen von dem Nationalrat der
Nationalen Front ein Aufruf an die Fremdenlegionäre in der DRV verfasst. Sie wurden zum
Überlaufen aufgefordert und ein Werbungsverbot wurde beschlossen.
Die gesellschaftlichen Organisationen unterstützten das Drucken von Flugblättern für
die Fremdenlegionäre in der DRV. Auch die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden
dabei eingesetzt. Vor allem im Juni 1954, nach dem Fall von Dien Bien Phu, wurde das
Drucken von Flugblättern viel Aufmerksamkeit gewidmet. Am 11. Juni fand im Referat
Vietnam des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten eine Besprechung mit einem
Vertreter des Zentralrats der FDJ, des Ausschusses für Deutsche Einheit und des FDGBBundesvorstandes statt. Laut der Aktennotiz sei der Inhalt der Besprechung die Verbesserung
der propagandistischen Arbeit unter den deutschen Fremdenlegionären, die in Nordvietnam
auf der Seite der Franzosen kämpften, gewesen. Das Ministerium für Auswärtige
Angelegenheiten habe vorgeschlagen, jede gesellschaftliche Organisation solle ein Flugblatt
mit einer Auflage von 20.000 Stück publizieren. In Bezug auf den Inhalt habe das
Ministerium sich für einen Aufruf von einem in einem volkseigenen Betrieb arbeitsamen
deutschen ehemaligen Fremdenlegionär entschieden, und die Form solle ein persönlicher
Brief sein. Im Flugblatt solle die unter den Fremdenlegionären herrschende Auffassung der
sogenannten Solidarität der französischen Soldaten mit den deutschen Fremdenlegionären
wiederlegt wurden. Diese Auffassung bestätigte nämlich die Europäische
Verteidigungsgemeinschaft, und: „In diesem Flugblatt soll also kurz und prägnant diese
Legende von der angeblichen Solidarität im Hinblick auf die EVG zerschlagen werden.“227
Der Aufruf des II. Nationalkongresses wurde dreizigtausend Mal gedruckt. Ein Brief
war von einer deutschen Mutter an einem Fremdenlegionär. Ein anderer Brief war von einem
deutschen Arbeiter, in dem er schrieb, wie sein Leben sich mit Hilfe der DDR verbessert hatte
und die Fremdenlegionäre aufrief mit den schmutzigen Krieg aufzuhören. Ein dritter Brief
war von einer Jugendfreundin der FDJ an einem Fremdenlegionär. Alle drei Briefe wurden
zehntausend Mal gedruckt. Ein Flugblatt des Zentralrates der FDJ, in dem stand, wie die
ostdeutsche Jugend lernte, arbeitete, sich vergnügte und zusammen mit der westdeutschen
Jugend für den Aufbau eines einheitlichen und demokratischen Vaterlandes kämpfte, sowie
227
SAPMO-BArch, DY 34/5532, Aktennotiz, Verteiler: Kurt Helbig, Heinz Huth, der internationale
Verbindungssektor UdSSR/Volksdemokratien, ohne Datum. Helbig war u.a. zwischen 1948 und 1959 zuerst
Abteilungsleiter und nachher Sekretär des FDGB-Bundesvorstandes und hörte zwischen 1954 und 1958 das ZK
der SED an. Huth war u.a. Abteilungsleiter der allgemeinen Verwaltung im MdI der Landesregierung Thüringen
und Abteilungsleiter in der Landesbehörde Sachsen-Anhalt der DVP. Auch war er Oberst der KVP und Leiter
der Verwaltung Werbung und Rekrutierung und zeitweise stellvertretender Innenminister. Siehe dazu:
Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 295 und 345.
82
ein Flugblatt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre über ihr Leben in der DDR wurden
ebenfalls je zehntausend Mal gedruckt.228 Bezüglich dem propagandistischen Inhalt der
Flugblätter wurden die politischen Entwicklungen in Betracht gezogen, damit die
propagandistische Auswertung so gut wie möglich konform der aktuellen Weltlage gestaltet
werden konnte. Dafür stand die DDR auch mit der Botschaft in Peking in Verbindung, der
1954 mitgeteilt wurde: „Wir haben bereits drei weitere Flugblätter vorbereitet. Vor dem
Druck wollen wir jedoch erst das Ergebnis der Genfer Konferenz zur Indochina-Frage
abwarten.“229
Neben dieser Arbeit der gesellschaftlichen Organisationen „hinter den Kulissen“,
beschäftigten sie sich – vor allem der FDGB – auch mit der personellen Besetzung der
Heimkehrer-Transporte. Der FDGB stellte dem Ministerium des Innern im Dezember 1951
zum Beispiel drei Vertreter vor.230 In einem Bericht wurde auch über einen Vertreter des
Ausschusses für Deutsche Einheit geschrieben. Er habe während des Heimkehrer-Transports
die Aufgabe, die Pressekonferenz und die weitere Auswertung der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre in der DDR vorzubereiten.231 Der FDGB war ebenfalls – zusammen mit
dem ZK der SED – für die kulturelle und politische Betreuung der ehemaligen
Fremdenlegionäre verantwortlich.232 Trotz der großen Bedeutung des FDGB bemerkte die
DDR-Führung auch die Vorteile der Beteiligung der anderen gesellschaftlichen
Organisationen: „Nach Ankunft der ehemaligen Fremdenlegionäre ist es ratsam, mit den
Massenorganisationen, wie deutsch-sowjetische Freundschaft, Kulturbund, FDJ, usw.,
Verbindung aufzunehmen und diese für zwangslose Aussprachen mit den ehemaligen
Fremdenlegionäre zu gewinnen.“233 Dieser Einsatz fand außer in Bischofswerda auch in den
Betrieben statt, in denen deutsche ehemalige Fremdenlegionäre arbeiteten. Die Anwesenheit
der gesellschaftlichen Organisationen in den Betrieben seien laut der DDR sehr wichtig, da
sie dafür sorgten könnten, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre sich schnell in
Pol.Arch.AA, MfAA/A 8299, Abteilungsleiter Rudolf Roβmeisl an die Botschaft der DDR in Moskau,
22.6.1954. Roβmeisl war u.a. zwischen 1950 und 1956 Leiter der Abt. Asiatische Volksdemokratien in der HA I
des MfAA und der Botschaftsrat. Siehe dazu: Baumgartner Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 735.
229
Pol.Arch.AA, MfAA/A 8299, Referentin Engelhardt an die Botschaft der DDR in Peking, 19.7.1954.
230
BArch, DO I/9125, Brief des Abt. Kader des FDGB an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 21.12.1951.
231
Pol.Arch.AA, MfAA/1054, Bericht vom Kollegen Josef Schütz. Schütz war u.a. zwischen 1949 und 1956
Leiter der Konsularabteilung, der Diplomatischen Mission bzw. Botschaft der DDR in Moskau. Siehe dazu:
Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 834.
232
BArch, DO I/9125, Siegfried Büttner an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI, 20.3.1951.
233
BArch, DO I/9143, Herr Fritzsche an das Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten des MdI,
Bezirksverwaltung Dresden, 5.8.1954.
228
83
der DDR zuhause fühlten.234
Die von den gesellschaftlichen Organisationen organisierten einmaligen
Veranstaltungen bezogen sich nicht an erster Stelle auf die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre, sondern auf die DDR-Bevölkerung. Sie thematisierten den Indochinakrieg
und die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR in Zusammenhang mit den
internationalen Entwicklungen in der BRD. Die wichtigste Einzelveranstaltung wurde vom
FDGB zwischen dem 13. und 19. Dezember 1953 organisiert. Auf dem III.
Weltgewerkschaftskongress war zur „Woche der Internationalen Solidarität“ aufgerufen. Der
19. Dezember wurde zum “Tag der Internationalen Solidarität” bestimmt, weil dieser Tag der
siebte Jahrestag des Beginns des Indochinakrieges war. Auf der 15. Tagung des
Bundesvorstandes des FDGB vom 12. bis 14. November nahm der FDGB Stellung zu den
Ergebnissen des III. Weltgewerkschaftskongresses: „Der Bundesvorstand ruft alle
Werktätigen auf, den 19. Dezember 1953 zum Kampftag für die Einstellung des
Kolonialkrieges in Vietnam und für die aktive Solidarität mit dem Volk von Vietnam zu
machen, in den Betrieben und Versammlungen, Ausstellungen usw. über den schmutzigen
Kolonialkrieg der französischen Imperialisten gegen das tapfere Volk von Vietnam
durchzuführen. Die westdeutschen Werktätigen werden diesen Tag benutzen, um den Kampf
gegen die Hineinpressung junger Deutscher in die französische Fremdenlegion zu führen.“235
Der offizielle Aufruf für diesen Tag wurde vom Sekretariat des FDGB-Bundesvorstandes am
21. November in der Tribüne publiziert und Ende November auch in den anderen Zeitungen.
Im Aufruf wurde auf den Solidaritätstag aufmerksam gemacht. Außerdem wurde zu
Spendensammlungen aufgerufen, zum Schreiben von Protesten an der United Nations
Organisation (UNO) und die französischen Regierung sowie zur Stellungnahme zum
Indochinakrieg.236 Das Ziel des Solidaritätstages war „den niederträchtigen kolonialen
Raubkrieg in Viet-nam ein Ende zu setzen“.237 Die DDR hoffte, mit ihrem Aufruf auch die
234
BArch, DO I/9143, Brief von Herrn Fritzsche, der Abteilungsleiter der HA Staatliche Verwaltung im MdI, an
die Bezirksverwaltung der Abt. Bevölkerungspolitik an das Staatssekretariat für Innere Angelegenheiten,
11.9.1954.
235
SAPMO-BArch, DY 34/21845, Entschlieβung der 15. Tagung des Bundesvorstandes des FDGB über die
Ergebnisse des III. Weltgewerkschaftskongresses vom 12.-14.11.1953, ohne Datum.
236
Die Tribüne, „Tag der Internationalen Solidarität mit Vietnam“, 21.11.1953.
237
SAPMO-BArch, DY 34/5498, Appell des WGB an alle Gewerkschaften und alle Arbeiter der Welt den 19.
Dezember 1953 zu einem internationalen Tag der Solidarität und des Kampfes für die Einstellung des
Kolonialkrieges in Vietnam zu machen, Wien 20.11.1953.
84
westdeutschen Werktätigen zum Protest zu bewegen.238
Bevor die Woche und der „Tag der Internationalen Solidarität“ durchgeführt werden
konnten, musste vom FDGB viel organisiert und vorbereitet werden. Diese Vorbereitung
bestand darin, dass sowohl die Ost- wie Westdeutschen über die Veranstaltungen informiert
wurden. Die Vorbereitung wurde auf Grund dessen ein Teil der Westarbeit der DDR. In der
DDR wurden in der Zeit vom 7. bis 19. Dezember neun Plakate mit drei verschiedenen Fotos
in den Betrieben aufgehangen, mit einer Auflage von fünfzehntausend Stück. Diese wurden
zu den Betrieben geschickt, aber auch an allen Gemeinden mit mehr als fünftausend
Einwohnern. Insgesamt wurden vierhundertsiebzig Städten Plakate geschickt, die an etwa
zehntausend verschiedenen Orten aufgehangen wurden. Sie wurden auch in der Presse
veröffentlicht.239 Nach Westdeutschland wurden fünfzigtausend Flugblätter mit dem Aufruf
der gesamtdeutschen Gewerkschaftsdelegation an die deutschen (ehemaligen)
Fremdenlegionäre in der DRV gesendet.
Vor und während der Solidaritätswoche wurde dem Thema der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre auch im Rundfunk verstärkt Aufmerksamkeit gewidmet. Es wurde das
Hörspiel „Jack Holsten“ und das Drama „Auf verlorenem Posten“ gesendet.240 „Auf
verlorenem Posten“ wurde außerdem auf Sprechbühnen aufgeführt und war zu der Zeit schon
mehr als eintausend Mal aufgeführt worden.241 Desweiteren wurde im Monat Dezember eine
Pressekampagne organisiert, in der vor allem Stellung gegen die Haltung der Franzosen und
Amerikaner genommen wurde und der Freiheitskampf des nordvietnamesischen Volkes
Erwähnung fand. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden bei dieser
Pressekampagne eingesetzt, indem sie in Zeitungsartikeln über ihre Erfahrungen berichteten.
In diesen Zeitungsartikeln kamen die gleichen Themen zum Ausdruck wie in den
Pressekampagnen anlässlich der Heimkehrer-Transporte. Der deutsche ehemalige
Fremdenlegionär Walter Koch schrieb zum Beispiel, dass Adenauer ein Verräter sei, der die
Deutschen und ganz Europa in einem dritten Weltkrieg manövriere: „Er will, dass unsere
238
SAPMO-BArch, DY 34/21845, Entschließung der 2. Bezirksvorstandssitzung des FDGB-Bundesvorstandes
über die Ergebnisse des III. Weltgewerkschaftskongresses in Wien, vom FDGB-Bundesvorstand Karl-MarxStadt, Gezant Kirbach, 20.11.1953. Auskünfte über Kirbach konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
239
SAPMO-BArch, DO 34/21845, Die Abt. Internationale Verbindungen des FDGB-Bundesvorstandes über die
Durchführung des internationalen Solidaritätstages für die Beendigung des niederträchtigen Kolonialkrieges in
Viet-nam, 13.1.1954.
240
BArch, DO I/9141, Zweiten Bericht des FDGB: Maßnahmen zur Durchführung des 19. Dezember 1953 als
internationalen Solidaritätstag für die Beendigung des niederträchtigen Kolonialkrieges in Vietnam, 18.12.1953.
241
SAPMO-BArch, DO 34/21845, Die Abt. Internationale Verbindungen des FDGB-Bundesvorstandes über die
Durchführung des internationalen Solidaritätstages für die Beendigung des niederträchtigen Kolonialkrieges in
Viet-Nam, 13.1.1954.
85
deutsche Jugend in ein Massengrab marschiert.“242
Auch während der Solidaritätswoche und am 19. Dezember wurden die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre in der Öffentlichkeitsarbeit instrumentalisiert. Schon Anfang
Dezember wurde bestimmt, dass einige deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre vom 13. bis
19. Dezember Reden hielten sollten, unter der Voraussetzung, dass vorher mit ihnen
gesprochen würde.243 Die Sprecher auf dem Solidaritätstag erhielten an dem Tag frei von
ihrer Arbeit, ihre Verpflegungskosten wurden bezahlt und sie bekamen 50 DM pro Person.244
In jedem Bezirk der DDR fanden vom 13. bis 19. Dezember Großveranstaltungen statt.
Deutsche ehemalige Fremdenlegionäre wurden Anfang Dezember angeschrieben und
während der Solidaritätswoche bei den Großveranstaltungen eingesetzt.245 Die
Veranstaltungen in Leipzig waren am bedeutendsten. Am 16. Dezember hielt Werner Stage,
der gleiche der das Buch Hông Chi geschrieben hatte, hier eine Rede. Die DDR beabsichtigte
mit den Reden der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre die Arbeiter und andere Bürger
im Osten und Westen aufzuklären. Während der Solidaritätswoche wurden ansonsten
Spenden gesammelt, es waren Ausstellungen über Nordvietnam zu besichtigen und die
Arbeiter in den Betrieben schrieben Protestbriefe an die UNO und die französische
Regierung. Am 12. Dezember hatte auch der Bundesvorstand des FDGB einen Brief an den
Generalsekretär der UNO geschrieben, in dem er schrieb: „Die FDGB protestiert in Namen
seiner fünf Millionen Mitglieder auf schärfste gegen die Weiterführung des barbarischen
Kolonialkrieges in Vietnam.“246Am gleichen Tag wurde der Zentralvorstand der
Gewerkschaften Vietnams in einem Brief über die Veranstaltungen am 19. Dezember
informiert.247
Zusammenfassung
Die DDR entschied sich auf Grund der internationalen Lage, des Verhältnisses zwischen Ostund Westdeutschland und ihrer eigenen ohnmächtigen politischen Position dafür, die
Die Tribüne, „Aktive Solidarität mit Vietnam üben“, 19.12.1953.
BArch, DO I/9141, Bericht vom Bezirksvorstand des FDGB Rostock, 4.12.1953.
244
BArch, DO I/9141, Abteilungsleiter des FDGB-Bundesvorstandes Schiller an den Bezirksvorstand des
FDGB, 7.12.1953.
245
SAPMO-BArch, DY 34/5531, Maßnahmen von der Abt. Internationale Verbindungen des FDGBBundesvorstandes zur Durchführung des 19. Dezember 1953 als internationalen Solidaritätstag für die
Beendigung des niederträchtigen Kolonialkrieges in Vietnam, 8.12.1953.
246
SAPMO-BArch, DY 34/5815, Brief von Herbert Warnke an den Generalsekretär der UNO, 12.12.1953.
247
SAPMO-BArch, DY 34/5815, Brief von Herbert Warnke an den Zentralrat der Gewerkschaften in Vietnam,
12.12.1953.
242
243
86
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in ihrer Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit zu
instrumentalisieren. Sowohl das Thema des Indochinakrieges im Allgemeinen als auch die
Rolle der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in diesem Krieg konnten nämlich
außerordentlich gut in der ostdeutschen Westarbeit eingepasst werden. Der Indochinakrieg
war der DDR zufolge ein unberechtigter Krieg der den Frieden gefährdenden Imperialisten.
Er wurde als Muster für die sogenannte imperialistische Kriegspolitik der BRD dargestellt.
Vor allem die Haltung Adenauers wurde von der DDR kritisiert. Die Kritik am
Indochinakrieg wurde dafür verwandt, die Kritik an die Entwicklungen in der BRD in der
ersten Hälfte der Fünfziger Jahre hinsichtlich der Westintegration und der Remilitarisierung
zu verstärken. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden von der DDR als so
wichtig angesehen, weil sie Augenzeugen des unberechtigten Krieges waren. Dieser Position
sorgte dafür, dass sie ihre sich noch in der Fremdenlegion befindenden Kollegen erreichen
und zum Überlaufen bewegen konnten. Außerdem waren sie imstande, die ost- und
westdeutsche Bevölkerung aufzuklären.
Nachdem die DDR sich für die Instrumentalisierung der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre entschieden hatte, ließ deren Gestaltung nicht lange auf sich warten.
Hinsichtlich des Themas der „deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre“ nahmen die
Heimkehrer selbst die Schlüsselposition ein. Ihr breiter Einsatz durchdrang die Medien, die
Repräsentation, die DDR-Literatur und die Veranstaltungen der gesellschaftlichen
Organisationen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre. Darüber hinaus wurde ihr Einsatz von
den internationalen Entwicklungen bestimmt. Anlässlich der ersten zwei HeimkehrerTransporte war die Aufmerksamkeit für die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre am
größten. Die DDR hatte am Anfang der Fünfziger Jahre nämlich die große Hoffnung, die
Prozesse in der BRD rückgängig zu machen. Nachdem 1955 die Spaltung zwischen Ost- und
Westdeutschland offensichtlich war, verloren die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
deshalb für sie an Bedeutung.
Obwohl die DDR es so darstellte, hatten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
bei der Aufarbeitung in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit keinen Handlungsspielraum
und ihnen wurde ihre Meinung von der DDR vorgegeben. Die DDR bestimmte, wer für die
Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt wurde. Eigene Initiativen von deutschen
ehemaligen Fremdenlegionären wurden abgelehnt. Die Themen in der Propaganda und
Öffentlichkeitsarbeit wurden ebenfalls von den Ostdeutschen festgelegt. Das sorgte dafür,
dass die gleichen Themen sowohl in den Medien, in der Repräsentation, in der DDR-Literatur
87
und in den Veranstaltungen verschiedener Art und Weise wiederkehrten. Diese Themen
berührten die großen Themen der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre.
88
Kapitel IV: Der Staatssicherheitsdienst in der DDR in der ersten Hälfte der Fünfziger
Jahre
Das ostdeutsche Ministerium für Staatssicherheit nahm von Anfang an eine wichtige Position
im es sich entwickelnden Ost-West-Konflikt ein. Hierfür wurde in den Fünfziger Jahren ein
umfangreicher Personalbestand auf zentraler und dezentraler Ebene angelegt. Das
Ministerium für Staatssicherheit arbeitete vom Anfang an mit DDR-Bürgern zusammen.
Bestimmte Individuen und Gruppen, wie die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre,
wurden hierzu vom Staatssicherheitsdienst selektiert. Um ihre Arbeit so gut wie möglich zu
gestalten, wurden im Gründungsjahrzehnt des Ministeriums für Staatssicherheit die
Grundlagen für die Entwicklung in den späteren Jahrzehnten gelegt. Auch wurde ihr
Handlungsspielraum in Bezug auf die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR)
bestimmt. Wie kann das Ministerium für Staatssicherheit in der ersten Hälfte der Fünfziger
Jahre charakterisiert werden und welche Schwerpunkte berücksichtigte es in seiner Arbeit?
Par 1. Die Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit
Ab 1945 wurde mit dem Aufbau eines Staatssicherheitsapparates in der Sowjetischen
Besatzungszone Deutschlands (SBZ) begonnen, der in den ersten Jahren noch stark dem
Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR (MGB) unterstand. Zwischen 1945 und 1950
wurden zwei Versuche zum Aufbau unternommen. Dabei nahm zunächst das Kommissariat 5
(K5) der Kriminalpolizei eine wichtige Position ein. Das K5 war die erste deutsche,
polizeiliche Abteilung, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der SBZ existierte, neben der
Deutschen Verwaltung des Innern (DVdI) als zentrales sowjetisches Polizeiorgan. Es wurde
im Sommer 1945 in Sachsen gegründet und Anfang 1947 auch in den anderen ostdeutschen
Ländern installiert. Das Befehl Nr. 201 vom August 1947 im Bezug auf die Entnazifizierung
war maßgeblich für das K5. Es wurde mit der gesamten Entnazifizierung in der SBZ
beauftragt, und erhielt dafür spezielle Kompetenzen. Außerdem wurde es für die Ausführung
dieser Aufgabe politisiert.248
Das Kommissariat nahm eine zwiespältige Position ein. Auf der einen Seite war das
K5 dem MGB sowie der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) unterstellt und
248
Norman M. Naimark, The Russians in Germany. A history of the Soviet zone of occupation, 1945-1949
(Cambridge u.a.1995), S. 360-361.
89
konnte nur konform dem sowjetischen System arbeiten. Es konnte keine selbständigen
Entscheidungen treffen und führte im Auftrag der MGB Ermittlungen, Durchsuchungen und
Festnahmen durch. Das K5 wurde von Kommunisten geleitet und nur diejenigen, die von der
UdSSR als zuverlässig betrachtet wurden, konnten für das K5 arbeiten.249 In diesem Rahmen
kann das K5 als „Hilfsorgan“ des MGB betrachtet werden.250 Auf der anderen Seite wurde
das K5 das zentrale Organ für politische Aktivitäten und Autorität in der SBZ. Das K5 erhielt
bald mehr Aufgaben als nur die Entnazifizierung. In den Vordergrund kamen die Bewachung
und Bekämpfung des „Gegners des demokratischen Aufbaus“ zu stehen. Am 8. Januar 1948
wurden ihre organisatorischen Richtlinien festgelegt. Das Kommissariat wurde in fünf
Abteilungen untergliedert. Die erste Abteilung beschäftigte sich mit Kriminalität, die zweite
mit kriminellen Aktivitäten gegen die Mitglieder des Alliierten Kontrollrats, die dritte mit
Sabotage des Wiederaufbaus, die vierte mit antidemokratischen Aktivitäten und die fünfte mit
technischen Angelegenheiten.251
Ein zweiter Weg zur Gestaltung eines Sicherheitsapparates wurde 1948 projektiert,
als die Ostdeutschen zum Ausdruck brachten, dass sie an einem eigenen Geheimdienst
interessiert waren. Sie schlugen vor, das K5 aufzulösen und durch die „Hauptverwaltung zum
Schutz der Volkswirtschaft“ zu ersetzen. Diese neue Hauptverwaltung sollte nicht mehr der
Kriminalpolizei unterstellt werden, sondern direkt dem Präsidenten der DVdI und der MGB.
Stalin war mit diesem Vorschlag einverstanden, unter der Auflage, dass die Hauptverwaltung
von der MGB streng kontrolliert würde.252 Am 5. Mai 1948 wurde die Hauptverwaltung
gegründet. Sie wurde für die administrative Kontrolle des ganzen Volkseigentumes zuständig.
Die Hauptverwaltung musste nicht nur das Volkseigentum, sondern auch die konfiszierten
und enteigneten Betriebe und Banken sichern und sie vor Missbrauch sowie Sabotage
schützen. Erich Mielke wurde der Vorsitzende der „Hauptverwaltung zum Schutz der
Volkswirtschaft“ und übte diese Tätigkeit neben seiner Tätigkeit als Vizepräsident des DVdI
aus.253 Ein Jahr nach der Gründung der Hauptverwaltung, am 6. Mai 1949, wurde das K5
tatsächlich von der Kriminalpolizei ersetzt. Von der MGB wurden 115 zusätzliche Offiziere
zur Mitarbeit in die Hauptverwaltung entsandt. Nur etwa zehn Prozent der K5-Mitarbeiter
wurden hier angestellt. Die meisten waren zuvor in der Kriminalpolizei oder in der Deutschen
249
Karl Wilhelm Fricke, Die DDR-Staatssicherheit. Entwicklung, Strukturen, Aktionsfelder (Köln 1989), S. 2122.
250
Jens Gieseke, Der Mielke-Konzern. Die Geschichte der Stasi 1945-1990 (München 2006), S. 41.
251
Naimark, The Russians in Germany, S. 360-362.
252
Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 44-45.
253
Fricke, Die DDR-Staatssicherheit, S. 22.
90
Volkspolizei (DVP) tätig. Die Auswahl des neuen Personals unterlag einer strengen
Kontrolle.254
Ein nächster Schritt zur Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit wurde Anfang
1950 gemacht. In der Presse wurden agitatorisch-propagandistische Artikel über die Spionage
und Sabotage in der SBZ veröffentlicht. In einem Bericht von Mielke, der am 28. Januar
erschien, warnte er vor „kriminelle Verbrecher im Dienst des amerikanischen und Britischen
Geheimdienstes“ und vor Sabotage- und Diversionsaktionen. Außerdem erwähnte er die
systematischen Terroraktionen, die gegen Funktionäre der ostdeutschen Parteien und gegen
demokratische Organisationen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
durchgeführt wurden. Die DDR sammelte jetzt im großen Stil Spionagematerial. In einem
Bericht vom 26. Januar wurden die Gründe der Spionage des Westens erklärt. Der DDR
zufolge hatte der Aufstieg der Wirtschaft, die Festigung der demokratischen Ordnung und die
wachsende Friedensfront in Ostdeutschland zur verstärkten Tätigkeit von Spionen, Saboteurs
und Agenten beigetragen. Die ideologische Vorbereitung würde von Organisationen wie dem
Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS) durchgeführt. Desweiteren würden illegale
Flugblätter in der DDR verteilt und nach feindlich gesinnte Leute in staatlichen Einrichtungen
der DDR gefahndet.255
Die DDR war der Meinung, dass die Staatssicherheitsorgane diese westlichen Feinde
bekämpfen müsse. Deswegen entschied sie sich am 8. Februar 1950 dafür, die
Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft im Ministerium für Staatssicherheit
aufgehen zu lassen. Dieses Ministerium sollte sich mit Spionage, Diversions- und
Sabotagetätigkeiten beschäftigen, allerdings wurden gesetzlich keine offizielle
Aufgabestellung und Zuständigkeitsbestimmung geregelt.256 Was vereinbart wurde, war die
personelle Besetzung, die Territorialstruktur und die Leitprinzipien. Am 26. Februar wurden
von Ulbricht Wilhelm Zaisser als Minister und Mielke als Staatssekretär des neuen
Ministeriums für Staatssicherheit benannt. Das zentrale Ministerium wurde in der
Normannenstraβe in Berlin-Lichterfelde eingerichtet. Des weiteren entstanden auch in den
fünf Ländern (Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen)
Verwaltungen. Die Landesverwaltungen bekamen ihre eigenen Untersuchungsgefängnisse.
Darüber hinaus wurde in der Prenzlauer Allee die Verwaltung für Groβ-Berlin und schließlich
in Siegmar-Schönau die Verwaltung Wismut errichtet. Diese Verwaltung beschäftigte sich
254
Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 45-46.
Fricke, Die DDR-Staatssicherheit, S. 23.
256
Ibidem, S. 24.
255
91
mit dem Schutz der Sowjetischen Aktiengesellschaft (SAG) Wismut, die für die Produktion
von Uran zuständig war.257 Auch in mehr als einhundert Kreisen wurden Dienststellen des
Ministeriums für Staatssicherheit eingerichtet. Nach der Verwaltungsreform 1952 und der
Umbildung der fünf Länder in fünfzehn Bezirke wurden die Dienststellen mehr als
verdoppelt. Anfangs gab es jedoch noch ein Defizit an überprüften und zuverlässigen
Mitarbeiter, was zur Folge hatte, dass manche Dienststellen für zwei Kreise zuständig waren.
So wurden zum Beispiel erst 1954 Kreisdienststellen in Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Dresden,
Halle, Magdeburg und Rostock errichtet. Am wichtigsten waren allerdings die
Bezirksverwaltungen, die das Rückgrat des Ministeriums für Staatssicherheit auf dezentraler
Ebene ausmachten.258
Die Leitprinzipien des Ministeriums für Staatssicherheit gaben vor, mit welchen
Themen der Staatssicherheitsdienst sich auf zentraler und dezentraler Ebene beschäftigte. Das
Ministerium für Staatssicherheit wollte alle gesellschaftliche Bereichen wie Politik, Kultur,
Wissenschaft, Kirchen, Jugend und Sport überwachen.259Als einheitliches Aufklärungs- und
Abwehrorgan musste es die DDR und die SED mit allen möglichen geheimdienstlichen
Methoden gegen feindliche Einflüsse beschützen. In diesem Sinne hatte es in der ersten Phase
seiner Existenz alle klassischen Funktionen einer politischen Geheimdienstpolizei und eines
Spionagedienstes in sich vereinigt.260 Das Ministerium für Staatssicherheit hatte sieben Ziele.
Das erste Ziel war die Aufklärung der Pläne und Aktivitäten anderer Staaten, ihrer
Einrichtungen und nicht-staatlichen Organisationen, die sich der DDR zufolge politisch,
militärisch und subversiv gegen den ostdeutschen Staat richteten. Zweitens mussten die gegen
die ostdeutsche, sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen so
frühzeitig wie möglich entdeckt, bekämpft und verhindert werden. Drittens sollten alle
Oppositionsgruppen mit geheimdienstlichen Mitteln bekämpft werden. Das vierte Ziel mit
besonderem Bezug auf die Spionageabwehr hing damit zusammen. Fünftens sah das
Ministerium für Staatssicherheit es als ihre Aufgabe, die Volkswirtschaft, das Verkehrswesen
und das Post- und Meldewesen gegen kriminelle Aktionen wie Sabotage und Diversion zu
beschützen. Sechstens mussten Straftaten gegen die Staatsgrenze und
Personenausschleusungen entdeckt und verhütet werden. An letzter Stelle stand das
257
Ibidem, S. 25.
Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 135.
259
David Gill und Ulrich Schröter, Das Ministerium für Staatssicherheit. Anatomie des Mielke-Imperiums (Berlin
1991), S. 95.
260
Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 71.
258
92
Entdecken und Bearbeiten von faschistischen Kriegsverbrechen.261
Diese Ziele wurden konform dem Linien- und Schwerpunktprinzip von verschiedenen
Hauptabteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit verfolgt. Alle Felder des
gesellschaftlichen Lebens wurden von einer Hauptabteilung kontrolliert, die in ihren
Teilbereich bestimmte Objekte, Einrichtungen, gesellschaftliche Prozessen oder
Personengruppen bearbeitete.262 Diese Hauptabteilungen wurden im zentralen Ministerium,
aber auch auf dezentraler Ebene in den Bezirksverwaltungen eingerichtet. Beispiele dieser
Hauptabteilungen waren die Hauptabteilung (HA) I für Spionageabwehr feindlicher Dienste
im Militärbereich, die HA II für Allgemeine Spionageabwehr, die HA III für Funkaufklärung,
die HA XXII für Terrorabwehr und die „Sicherung“ der Staatsgrenze, die HA XVIII für die
soziale Volkswirtschaft und naturwissenschaftliche Forschung sowie die Hauptverwaltung
(HV) A für Auslandsspionage.263 In der Praxis wurden bezüglich dieser Hauptabteilungen
Schwerpunkte im Aufgabenfeld gesetzt, da die DDR nicht alle Tätigkeiten als gleichwertig
empfand.264
In den ersten Jahren nach der Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit standen
diese Hauptabteilungen im Ministerium und in den Bezirksverwaltungen unter Kontrolle der
UdSSR. Die wichtigsten Funktionäre des Staatssicherheitsdienstes wurden in der UdSSR
ausgebildet und Personen aus der UdSSR waren im Staatssicherheitsdienst tätig. Auf diese
Weise konnten sie über die Zusammenarbeit informiert werden und zugleich das Personal
kontrollieren.265 Andererseits war das Ministerium für Staatssicherheit der SED unterstellt. In
diesem Kontext ist der Staatssicherheitsdienst als „Schild und Schwert der Partei“ bezeichnet
worden. Trotz der Abhängigkeit des Staatssicherheitsdienstes von der UdSSR und SED
erhielt er in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre mehr eigene Kompetenzen. So wurde ihm
zum Beispiel am 16. Mai 1952 die Grenzpolizei unterstellt, die vorher der DVP und dem
Ministerium des Innern angehörte. Am 26. Mai 1952 ergriff das Ministerium für
Staatssicherheit Maßnahmen zum Schutz der Demarkationsgrenze und Sperrzone. Die II.
Parteikonferenz der SED vom 9. bis 12. Juli 1952 verstärkte ebenfalls die Position des
Ministeriums für Staatssicherheit. Es übernahm die Hoheit über die Bezirksverwaltungen und
die Kreisdienststellen. Im Jahre 1955 wurde die Autorität des Ministeriums für
261
Gill, Das Ministerium für Staatssicherheit, S. 32.
Ibidem, S. 53.
263
Clemens Vollnhals, „Das Ministerium für Staatssicherheit. Ein Instrument totaler Herrschaftsausübung“, in:
Hartmut Kaelbe, Jürgen Kocka und Hartmut Zwahr (Hrsg.), Sozialgeschichte der DDR (Stuttgart 1994), S. 498518, hier S. S. 500.
264
Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 138.
265
Gill, Das Ministerium für Staatssicherheit, S. 76-77.
262
93
Staatssicherheit noch größer, als die Deutschen ihre eigenen Urteile in den Militärtribunalen
vollziehen dürften. Im März des gleichen Jahres wurde der ostdeutsche Staatssicherheitsdienst
während einer Konferenz mit den Geheimdiensten der UdSSR, der Tschechoslowakischen
Sozialistischen Republik (CSSR) und Polen gleichgeschaltet. Das Ministerium für
Staatssicherheit wurde ab jetzt als eigenständiges, sowjetisches „Brüderorgan“ betrachtet.266
Es musste allerdings auch akzeptieren, dass ihre ohnmächtige Haltung beim
Volksaufstand am 17. Juni 1953 dafür sorgte, dass der Ministerrat am 23. Juli das
Ministerium in ein Staatssekretariat im Ministerium des Innern umbildete. Diese Umbildung
hatte wahrscheinlich damit zu tun, dass sich in der UdSSR eine ähnliche Entwicklung nach
dem Tod Stalins durchgesetzt hatte. Nach der Entlassung Zaissers wurde Ernst Wollweber
Leiter des Staatssekretariates. Er setzte eine offensive Kampagne durch, in der er mit Hilfe
von Agitation und den Massenmedien die Bevölkerung über Agenten und Agentenzentralen
aufklärte. Seine Taktik trug zur erneuten Selbstbestimmung des Staatssekretariats bei, dass
gemäß einem Beschluss vom 3. März 1954 in eine selbständige Hauptverwaltung und am 24.
November 1955 wieder in ein Ministerium umgestaltet wurde.267 Am 1. November 1957
wurde die Entlassung Wollwebers in den ostdeutschen Zeitungen verkündet. Mielke wurde
daraufhin Minister des Ministeriums für Staatssicherheit.268
Par.2 Die Inoffiziellen Mitarbeiter
Das Ministerium für Staatssicherheit brauchte zuverlässige Mitarbeitern. Zwei Gruppen
waren im Ministerium für Staatssicherheit arbeitsam: Die Hauptamtlichen Mitarbeiter und die
Inoffiziellen Mitarbeiter (IM). Die Hauptamtliche Mitarbeiter (HM) hatten eine feste
Anstellung im Ministerium für Staatssicherheit. Nur diejenigen, die von der Staatssicherheit
als politisch und ideologisch zuverlässig angesehen wurden, konnten auf eine Anstellung im
Ministerium für Staatssicherheit hoffen. Statt ihrer Ausbildung spielten ihre Weltsicht und
ihre Herkunft bei der Anwerbung eine Rolle. Dieses nachdrückliche Hervorheben ihrer
Zuverlässigkeit statt ihrer Qualitäten sorgte in den Fünfziger Jahren dafür, dass nicht alle HM
aus professioneller Sicht für ihre Arbeit geeignet waren. Auch ihre Ausbildung in einer 1951
errichteten Ausbildungsstätte in Potsdam-Eiche, die 1965 eine Hochschule wurde, konnte
daran nichts ändern. Die Zahl der HM belief sich 1952 auf etwa viertausend, 1955 bereits
266
Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 60.
Fricke, Die DDR-Staatssicherheit, S. 26-30.
268
Ibidem, S. 33.
267
94
neuntausend. Im Jahre 1957 stieg diese Zahl bis auf 17.500 HM.269
Die HM konnten ihre Arbeit im sich in den Fünfziger Jahren entwickelnden
Ministerium für Staatssicherheit nur mit Unterstützung von IM ausführen. Diese wurden von
Anfang an eingesetzt und ihre Zahl wuchs in den Fünfziger Jahren sowie in den folgenden
Jahrzehnten ständig. Zwischen 1950 und 1952 belief ihre Zahl sich auf etwa dreizigtausend.
Diese IM waren nichtöffentliche, geheime oder inoffizielle Mitarbeiter, die sich für eine
konspirative Zusammenarbeit verpflichtet hatten. Von einer eigentlichen Zusammenarbeit war
allerdings nicht die Rede. Trotz der Bezeichnung des Ministeriums für Staatssicherheit der IM
als „Werktätigen“, mit denen es „vertrauensvoll“ zusammenarbeitete, wurden sie in
Wirklichkeit von der Staatssicherheit für geheimdienstliche Arbeit instrumentalisiert.270 Eine
einheitliche Charakterisierung dieser IM ist nicht ermittelbar, da sich ihre Tätigkeiten
während der gesamten DDR-Geschichte mehrmals änderten.271 In allen Jahrzehnten war es
allerdings von Vorteil, dass sie sich in den verschiedenen Einzelbereichen des politischen,
kulturellen und wirtschaftlichen Lebens gut auskannten. Besonders auch in den Bereichen, wo
das Ministerium für Staatssicherheit nicht vertreten war, zum Beispiel in den Kirchen.272 Auf
Grund ihrer Funktion konnten die IM als die Augen und Ohren der Staatssicherheit bezeichnet
werden. Sie waren das Bindeglied zwischen der Staatssicherheit und der Gesellschaft. In ihrer
Funktion waren sie die „Hauptwaffe gegen den Feind“. Konform Mielkes Ideologie, „Überall
zu sein, alles zu wissen“, operierten sie in der DDR-Gesellschaft.273
In der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre wurde vom Ministerium für Staatssicherheit
die Arbeit mit IM in zwei Richtlinien festgelegt. Die Erfassungsrichtlinie vom 20. September
1950 war maßgeblich, da die Bezeichnung der IM hier verkündet wurde. Zwischen 1945 und
1950 waren die IM als „V-Mann“ (Vertrauensmann) angedeutet. Ab 1950 ersetzte die
Charakterisierung als Geheimer Informator (GI) oder Geheimer Mitarbeiter (GM) diesen alten
Begriff. Die Bezeichnung als GI und GM entsprach die geheimdienstliche SowjetTerminologie und kehrte sich gegen die bürgerliche Bezeichnung. Sie war damit Teil eines
„sprachhygienischen“ Programms.274 Konform der Richtlinie waren GI, GM und „Personen,
die eine konspirative Wohnung unterhalten“ (KW) in Dienst des Ministeriums für
Staatssicherheit. In der Richtlinie wurde außerdem festgelegt, welche Aufgaben diese drei
Vollnhals, „Das Ministerium für Staatssicherheit“, S. 502.
Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 113-114.
271
Helmut Müller-Enbergs, Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, Bd. 1 Richtlinien und
Durchführungsbestimmungen (Berlin 1996), S. 11.
272
Gill, Das Ministerium für Staatssicherheit,S. 95.
273
Peter Siebenmorgen, Staatssicherheit der DDR. Der Westen im Fadenkreuz der Stasi (Berlin 1993), S. 64.
274
Gieseke, Der Mielke-Konzern, S. 112.
269
270
95
Gruppen hatten. Die GI wurden für die Sicherung bestimmter gesellschaftlicher Bereiche
eingesetzt. Sie mussten Informationen über Personen oder Ereignisse sammeln und waren
bedeutend für den Erhalt der internen Sicherheit. Die GI mussten für diese
Informationsermittlung über bestimmte Fachkenntnisse verfügen, und führten auf Grund
dessen Aufträge aus, die mit ihrem Beruf zusammenhingen. Obwohl sie zwischen 1950 und
1952 oft als Informator angedeutet wurden, war ab 1952 die Bezeichnung als Agent ebenfalls
üblich. In den Fünfziger und Sechziger Jahren wurden die meisten IM als GI verpflichtet.275
Dem gegenüber waren nur etwa drei Prozent der IM als GM angestellt. Diese GM wurden zur
„Feindbekämpfung“ eingesetzt. Sie mussten nicht nur Informationen sammeln, sondern auch
Aufträge des Ministeriums für Staatssicherheit ausführen. Sie überprüften „Feinde“ und
ermittelten Beweise für die „Feindtätigkeit“ einzelner Personen oder Organisationen.
Manchmal standen sie zu diesem Zweck sogar in Verbindung zu gegnerischen Geheim- oder
Nachrichtendiensten in Westberlin oder in der BRD.276 Die dritte Gruppe der IM, die KW,
stellten ihre „konspirative Wohnung“ der Staatssicherheit für die Kommunikation zwischen
den Hauptamtlichen Mitarbeitern und den IM zur Verfügung, und boten so logistische
Hilfe.277
Die zweite Richtlinie für die Arbeit der IM in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre,
bekannt als Richtlinie 21, wurde von Mielke am 20. November 1952 verkündet. Sie umfasste
bereits alle Grundelemente für die späteren Richtlinien im Bezug auf IM. Der wichtigste
Bestandteil dieser zweiten Richtlinie war die Einordnung der Arbeit von IM in der politischen
Lage der DDR und die Verbindung zur inneren Sicherung der DDR sowie der
„Feindbekämpfung“. Die internationalen Entwicklungen, vor allem in der BRD, sorgten
dafür, dass besonders den GM eine bedeutende Rolle zugeignet wurde. Das Ministerium für
Staatssicherheit umschrieb sie als die „wichtigste Waffe im Kampf gegen Agenten, Spione,
Saboteure und Diversanten“. In Richtlinie 21 wurden die GI nicht erwähnt, da sie auf Grund
ihres Einsatzes nicht direkt für die „Feindbekämpfung“ eingesetzt wurden.278 Richtlinie 21
war damit wichtig für die Differenzierung zwischen den GI und GM.
In beiden Richtlinien aus dem Jahr 1950, beziehungsweise 1952, wurde der
Rekrutierungsprozess der DDR-Bürger als GI und GM erwähnt. In der Erfassungsrichtlinie
wurde die administrative Seite dieser Rekrutierung von der Abteilung Erfassung und Statistik
275
Müller-Enbergs, Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, S. 63.
Ibidem, S. 76-77.
277
Ibidem, S. 81.
278
Ibidem, S. 29-32.
276
96
im Ministerium und in den Länderverwaltungen der Staatssicherheit festgelegt.279 Der
Anwerbungsprozess fand in verschiedenen Stadien statt. Zuerst wurden zuverlässige Personen
ausgewählt, die auf keinen Fall für Geheimdienste oder Nachrichtendienste arbeiteten und
geeignet waren für den Einsatz bei nachrichtendienstlichen Problemen, wie zum Beispiel
Spionage durch den Westen. In der Erfassungsrichtlinie wurde festgelegt, dass die GM im
Gegensatz zu den GI über Kontakte mit „Feinden“ oder „feindlichen“ Personen verfügen
mussten. Gemäß Richtlinie 21konnten auch diejenigen, die als Ansprechpartner für feindliche
Organisationen einsetzbar waren, als GM angestellt worden.280 Nach der Auswahl wurden die
Personalien, Verwandtschaftsbeziehungen, Gewohnheiten, Leidenschaften und eventuelle
Erpressungsmöglichkeiten von der zukünftigen GI, GM und KW überprüft.281 Nach der
Feststellung der Zuverlässigkeit nahm die Staatssicherheit Kontakt zu ihnen auf und sie
wurden rekrutiert. Diese Rekrutierung wurde sorgfältig vom Leiter des Diensteinheit des
Staatssicherheitsdienstes vorbereitet. Es wurde ein „Auskunftsbericht“ erstellt, in dem die
Merkmale der potentiellen GI, GM oder KW aufgezeichnet wurden. Die Durchführung der
Anwerbung fand am Anfang der Fünfziger Jahre auf Grund des Mangel an konspirativen
Wohnungen in Gebäuden der Staatssicherheit statt. 282 Die GI, GM oder KW verpflichteten
sich entweder mit einer mündlichen, doch häufiger mit einer schriftlichen Erklärung. Diese
schriftliche Erklärung wurde von ihnen mit einem Decknamen unterzeichnet. Nach der
Verpflichtung war von einer offiziellen Arbeitsverpflichtung für den Staatssicherheitsdienst
die Rede. Bei verschiedenen Zusammenkünften – von der Staatssicherheit als „Treffs“ betitelt
– wurde konspirativ mit den GI, GW und KW gesprochen und es wurden ihnen Aufträge
übermittelt. Über jeden Treff wurde ein Bericht geschrieben.283
Die Motive der DDR-Bürger, sich als GI, GM oder KW zu verpflichten, waren
einerseits politisch. Sie glaubten daran, einen Beitrag zum Aufbau des Sozialismus und bei
der Bekämpfung der feindlichen Kräften zu leisten. Auch ließen sich viele IM anwerben, da
sie daran glaubten, aus ihrer Anstellung beim Ministerium für Staatssicherheit persönliche
Vorteile ziehen zu können. Oft handelten sie auch aus Angst vor den Maßnahmen der
Staatssicherheit bei einer Verweigerung. Am Anfang der Fünfziger Jahre waren Erpressungen
ein häufiges Mittel zur Gewinnung von GI, GM oder KW. Dies änderte sich erst Mitte der
Fünfziger Jahre. Ab 1954 wurden vom Ministerium für Staatssicherheit vermehrt auf die
279
Ibidem, S. 24-26.
Ibidem, S. 91.
281
Ibidem, 99.
282
Ibidem, 99-105.
283
Ibidem, S. 131 und 136.
280
97
DDR-Bürger eingeredet, um sie von der Tätigkeit politisch zu überzeugen.284
Par. 3 Die Hauptabteilung II: Spionageabwehr
Über die ersten Jahre der Spionageabwehr der DDR sind H. Labrenz-Weiß zufolge nur
wenige Akten erhalten, doch es steht fest, dass dieses Thema von Anfang an für das
Ministerium für Staatssicherheit bedeutungsvoll war.285 Das traf sicher auf die erste Hälfte der
Fünfziger Jahre zu, als die Spionageabwehr mit der Westintegration und der Remilitarisierung
verbunden werden konnte. Eine der bedeutendsten und größten Abteilungen des Ministeriums
für Staatssicherheit war auf Grund dessen die HA II für Spionageabwehr gegen die westlichen
Geheim- und Nachrichtendiensten – vor 1953 als HA IV bekannt. In dieser Position war diese
Abteilung ebenfalls in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre für die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre zuständig, worauf im sechsten Kapitel näher eingegangen wird.
Die Geschichte der HA IV führt zurück zu den ersten Nachkriegsjahren, als sie, noch
bevor das Ministerium für Staatssicherheit gegründet war, als Bestandteil der
„Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft“ wirkte. Während ihrer ganzen
Geschichte beschäftigte sie sich mit der „operativen Bearbeitung“ von westdeutschen und
westalliierten Geheim- und Nachrichtendiensten.286 Auch Institute, Einrichtungen und ihre
Mitarbeiter wurden kontrolliert, die zum Teil von den Geheim- und Nachrichtendiensten
betrieben wurden. Beispiele dafür sind die RIAS und Radio Free Europe, aber auch
Organisationen wie die „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“.287 Der Auftrag der HA II
bestand gemäß einen Politbürobeschluss vom 23. September 1953 im „Eindringen der
Informatoren in die Spionageorgane, Schulen und Zentren von Spionage- und
Diversionsorganisationen zwecks Aufdeckung der Pläne und Absichten des Feindes sowie der
in die DDR, UdSSR und in die Länder der Volksdemokratien und westberliner Spionage-,
Diversions- und terroristischen Organisationen“.288
Der erste Leiter der HA IV war zwischen 1949 und 1950 Werner Kukelski. Mit der
Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit wurde die HA IV im Ministerium und in den
284
Ibidem, S. 131.
Hanna Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II: Spionageabwehr. Anatomie der Staatssicherheit. Geschichte,
Struktur und Methoden. MfS Handbuch Teil III/7 (2. Auflage, Berlin 1995), S. 32.
286
Ibidem, S. 3.
287
Günter Möller und Wolfgang Stuchley, „Zur Spionageabwehr (HA II im MfS/Abt. II der BV), in: Reinhard
Grimmer, Willi Opitz und Wolfgang Schwanitz (Hrsg.), Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS Bd. 1 (3.
Auflage, Berlin 2003), S. 431-559, hier S. 433.
288
Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 3.
285
98
Ländern eingegliedert. Paul Rumpelt ersetzte Kukelski im Dezember 1950 als Leiter der HA
IV und behielt diese Funktion bis 1952. In diesem Jahr wurde die HA IV in den neuen
Bezirken installiert und wurde Rolf Markert ihr neuen Leiter.289 Erst 1953 wurden auch in den
Kreisen Mitarbeiter und Arbeitsgruppen der HA IV tätig.290 Die Kreise spielten jedoch keine
bedeutende Rolle bei der Spionageabwehr, weil sie die Bezirksverwaltungen oder die zentrale
HA IV direkt über Ereignisse oder Personen benachrichtigten.291 Ende 1953 wurde Markert
von Josef Kiefel ersetzt, der bis 1960 Leiter der HA II blieb. Am 25. November war dazu
übergangen worden, die HA IV für Spionageabwehr und die HA II für die Westarbeit in die
HA II zusammenzuführen. Die HA II hatte im November 1953 hundertfünfzig Mitarbeiter.292
Die HA II war in vier Referate untergliedert, die alle einen Teil der Spionageabwehr
abdeckten. Das erste Referat, unter der Leitung von Oberstleutnant Boede, war für die
amerikanische Linie, das zweite, unter der Leitung von Major Grünert, für die britische, das
dritte, mit Oberstleutnant Heine an der Spitze, für die französische und das vierte, dessen
Leiter Oberstleutnant Kukelski war, für die westdeutsche Linie zuständig.293 Die Referate
waren an Informationen über ihren jeweiligen Teilbereich interessiert. So setzte das dritte
Referat sich mit den französischen Geheimdiensten in Westberlin und in der Bundesrepublik
Deutschland (BRD) auseinander. Diese Geheimdienste waren im Saarland, in Baden-Baden
und in Rheinland-Pfalz tätig. In Westberlin war das „Quartier Napoleon“ in Reinickendorf am
wichtigsten. Der französische Auslandsnachrichtendienst Direction General de la Securité
Exterieur, der zentrale Abwehrdienst Direction de la Surveillance du Territoire als Teil des
französischen Ministeriums des Innern und der militärische Nachrichtendienst Direction du
Renseignement Militaire standen im Blickfeld des Referats drei. Der militärische
Nachrichtendienst würde auch als das Deuxième Bureau bezeichnet und war dem
französischen Verteidigungsministerium unterstellt. Es war das zentrale Aufklärungs- und
Abwehrorgan der französischen Armee.294 Am Ende des Jahres 1952 wurde ein fünftes
Referat errichtet, das allgemeine Aufgaben erhielt die nicht zu einer einzelnen Linie gehörten.
Beispiele dafür waren die Überwachung von Ausländern und diejenigen, die unter Verdacht
von Spionagetätigkeiten standen, die Bearbeitung von Gefangenen aus Volksdemokratien,
legalen und illegalen Rückkehrern und den Übersiedlern aus Westdeutschland oder Osteuropa
289
Ibidem, S. 32.
Möller, „Zur Spionageabwehr“, S. 482.
291
Hubertus Knabe, West-Arbeit des MfS. Das Zusammenspiel von ‚Aufklärung‘ und ‚Abwehr‘ (2. Auflage,
Berlin 1999), S. 69.
292
Möller, „Zur Spionageabwehr“, S. 483.
293
Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 35.
294
Möller, „Zur Spionageabwehr“, S. 474.
290
99
in den Quarantänelagern.295 Die Referate blieben während der gesamten Fünfziger Jahre
erhalten, allerdings nicht ohne verschiedene strukturelle Änderungen. In März 1955 wurde
zum Beispiel die HA II mit der Überwachung der Militärmissionen als zusätzliche Aufgabe
beauftragt und im Januar 1956 wurde die HA II ebenfalls für die Funkabwehr und
entsprechende Maßnahmen im Westen zuständig. Keine dieser Maßnahmen änderte aber die
Grundlage der HA II entscheidend. 296
Die HA II hatte im Rahmen der „Abwehr“ und „Aufklärung“ IM in Dienst.297 Diese
IM hatten oft Verbindungen zu den Geheim- und Nachrichtendiensten in Westberlin oder in
der BRD. Sie betrieben im Westen Gegenspionage, infiltrierten in die Geheim- und
Nachrichtendienste und lieferten der DDR auf diese Weise Informationen. Auch wurden sie
im Umfeld von Spionageverdächtigen und bei der Post- und Telefonüberwachung eingesetzt.
Wenn besondere Ereignisse stattfanden, wie der Verlust von vertraulichen Unterlagen, oder
wenn Mitarbeiter eines Betriebs sich verdächtig verhielten, arbeiteten die IM vor Ort. Das
Ziel der DDR war ihre Spionageabwehr mit den IM so umfassend wie möglich zu gestalten.
Nur dann konnten Spione identifiziert und entlarvt werden und die HA II über die aktuellsten
Informationen hinsichtlich dem Handel und Wandel der Geheim- und Nachrichtendiensten
verfügen.298 Die IM dienten einerseits dazu, sich den Spionageobjekten so nah wie möglich
anzunähern, andererseits die DDR so schnell wie möglich zu benachrichtigen.
Die IM wurden während der Fünfziger Jahre auch bei den Großaktionen gegen den
Westen eingesetzt. Gewalttätige Aktionen mit Einbrüchen, Sprengstoffattentaten und
Menschenraubaktionen waren keine Ausnahme. Diese Aktionen machten die HA II
berüchtigt. Im Oktober 1953 wurde die Aktion „Feuerwerk“ ausgeführt. Bei dieser Aktion
wurden Filialen der Organisation Gehlen – dem Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes – in
Westberlin zerschlagen und die Informanten der Organisation Gehlen entlarvt. Im August
1954, bei der Aktion „Pfeil“, wurden 354 spionageverdächtige Personen, die für die
Organisation Gehlen arbeiteten, festgenommen.299 Im Jahre 1955 wurden bei den Aktionen
„Frühling“, „Gärtner“ und „Anweisung“ 380 andere Personen unter Verdacht von
geheimdienstlicher Kooperation verhaftet. Die Aktion „Schlag“ gegen die Zentrale des
Military Intelligence Department in Würzburg war ebenfalls aufsehenerregend. Mit Hilfe
295
Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 32.
Ibidem, S. 55.
297
Die Begriffe „Abwehr“ und „Aufklärung“ sind von Hubertus Knabe in seinem Buch West-Arbeit des MfS.
Das Zusammenspiel von ‚Aufklärung‘ und ‚Abwehr‘ verwendet worden.
298
Möller, „Zur Spionageabwehr“, S. 492.
299
Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 36.
296
100
eines GM konnten zwei Panzerschränke mit der kompletten Agentenkartei des damaligen
westdeutschen Militärspionagedienstes konfisziert werden. Mit den Informationen aus dieser
Kartei wurden 140 Agenten entlarvt.300 Die Panzerschränke der Zentrale der Sozialistischen
Partei Deutschlands (SPD) in Bonn, in dem die Personalkartei des Ostbüros aufbewahrt
wurde, wurde ebenfalls in den Besitz der HA II gebracht.
Zusammenfassung
Das Ministerium für Staatssicherheit entstand aus den Initiativen zur Gründung eines
Sicherheitsapparates in der ostdeutschen Zone, die zwischen 1945 und 1950 einerseits von der
UdSSR und andererseits von den Ostdeutschen ergriffen wurden. Obwohl die UdSSR das
Sagen über die Ostdeutsche Staatssicherheit hatte, entwickelte das Ministerium für
Staatssicherheit sich nach seiner Gründung am 8. Februar 1950 rasch zu einem eigenständigen
Sicherheitsapparat mit eigenen Kompetenzen, ohne dass der personellen Wechsel und die
institutionellen Umgestaltungen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre von einem
Ministerium in ein Staatsekretariat und umgekehrt etwas daran änderten. In den Fünfziger
Jahren, aber auch in späteren Jahrzehnten, war es das „Schild und Schwert“ der SED. Es
durchdrang alle gesellschaftlichen Bereiche und setzte sich mit Objekten, Einrichtungen,
gesellschaftlichen Prozessen und Personengruppen auseinander.
Das Ministerium für Staatssicherheit beschäftigte sich zusammen mit einer ständig
anwachsenden Zahl HM und verschiedenen IM konform ihrem Linien- und
Schwerpunktprinzip in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre auf zentraler und dezentraler
Ebene mit Spionage-, Diversions- und Sabotagetätigkeiten des Westens in Ostdeutschland.
Die verschiedenen Hauptabteilungen bildeten Untergliederungen der Arbeit des Ministeriums
für Staatssicherheit. Die HA II für Spionageabwehr war eine große und wichtige
Hauptabteilung, da ihre Arbeit in den Fünfziger Jahren mit der Spionage bezüglich der
Westintegration und der Remilitarisierung verbunden werden konnte. Ihre Aufklärungs- und
Abwehrarbeit wurde von Anfang an mit den Tätigkeiten westlicher Geheim- und
Nachrichtendienste verbunden. Die vier Referate der HA II beschäftigten sich
mit den verschiedenen Teilbereichen der Spionageabwehr. Unter ihnen war das dritte Referat
für die französische Linie zuständig.
300
Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 37.
101
Kapitel V: Der Aufenthalt der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der DDR
Obwohl die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre von der Deutschen Demokratischen
Republik (DDR) für Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit instrumentalisiert wurden,
bedeutete das nicht, dass die DDR unbedingt ein positives Bild von ihnen hatte, oder dass sie
als zuverlässig angesehen wurden. Schon im dritten Kapitel wurde die umfassende
Untersuchung der DDR vor und während der Heimkehrer-Transporte hinsichtlich der
Ansässigkeit der Heimkehrer und ihrem Status als Überläufer oder Kriegsgefangene
dargestellt. Dieses frühzeitige Beobachten kennzeichnete das Misstrauen der DDR in Bezug
auf ihre Auseinandersetzung mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären während der
Heimkehrer-Transporte und in der DDR. Wie wurden die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre von der DDR betrachtet und wie wurden sie demzufolge in der ersten
Hälfte der Fünfziger Jahre in der ostdeutschen Gesellschaft integriert?
Par. 1 Die Betrachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch die DDR
Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden von der DDR hinsichtlich ihres
Charakters, ihres Bewusstseins, ihrer Disziplin und ihrer Zuverlässigkeit misstrauisch und
negativ betrachtet. Das hing auf der einen Seite eng mit der Sicht auf ihre Prägung durch die
Umstände in den ersten Nachkriegsjahren zusammen. Die DDR stellte fest, aus welchen
Gründen sie übergelaufen waren, um so ihre Hintergründe zu kartieren und ihr Verhalten zu
verstehen. Es stellte sich heraus, dass meistens unpolitische Gründe zur Eintritt in die
Fremdenlegion beigetragen hatten. Laut der DDR lag erstens der Schwarzhandel dem Eintritt
in die Fremdenlegion zugrunde. Aus Angst vor Entdeckung und Strafe waren die zukünftigen
Fremdenlegionäre nach Westdeutschland geflüchtet, wo sie keine Arbeit gefunden hatten.
Zweitens hatte die französische Propaganda durch Filme und Zeitschriften einerseits, sowie
mittels persönlichen Werbungen andererseits das Leben in der Fremdenlegion als schön und
gut dargestellt. Familienstreitigkeiten, meistens durch die Ernährungslage oder
Geldangelegenheiten hervorgerufen, waren einen dritter Grund. Der vierte Grund bezog sich
auf den vielfachen, illegalen Grenzübertritt ostdeutscher zukünftiger Fremdenlegionäre. Nach
ihrer Verhaftung in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) bekamen sie entweder eine Strafe
auferlegt oder sie traten in die Fremdenlegion ein. Außerdem wurden die an die französischen
Regierung übergebenen Kriegsgefangenen schlecht behandelt. Der Eintritt in die
102
Fremdenlegion bracht in dieser Situation Freiheit anstatt Prügel und Hunger.301
Auf der anderen Seite musste das Verhalten der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre der DDR zufolge im Licht ihrer von kriminellen Straftaten
gekennzeichneten Vergangenheit gesehen werden, und darüber hinaus auch ihre Tätigkeit in
der Fremdenlegion. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre waren in den Augen der
DDR nicht denazifiziert und es war so, dass sie „[…]aufgrund ihrer längeren Zugehörigkeit
zur Waffen SS oder anderen nazistischen Verbände noch nazistisches Gedankengut mit sich
tragen“.302 Die DDR ging davon aus, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
menschlich und moralisch schwach seien. Diese Schwächen rührten aus dem Leben in der
Wehrmacht und in der Fremdenlegion.303 Aus einem Bericht aus dem Quarantänelager
Bischofswerda geht hervor, was die DDR unter diesen Schwächen verstand: „Bei den
ehemaligen Fremdenlegionären handelt es sich zum größten Teil um asoziale Elemente, die
mehr oder weniger mit Verbrechen, Vergehen belastet sind. Vom Mord über die
scheußlichsten Grausamkeiten, begangen an der vietnamesischen Zivilbevölkerung,
homosexuellen Entartungen und Perversitäten bis zum Diebstahl ist jeder mehr oder weniger
bis auf geringe Ausnahmen belastet.“304
Berichte über die Heimkehrer-Transporte und den Aufenthalt im Quarantänelager
Bischofswerda zeigen den geringen Effekt der politischen Schulung in Nordvietnam. In den
Berichten über die Heimkehrer des ersten Transportes wurde die geringe politische und
moralische Auswirkung der dreimonatigen politischen Schulung in Nordvietnam erwähnt. Ihr
Einsatz als Propagandist oder als bewaffneter Kämpfer in der Volksarmee hätten die
Schwächen der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre nicht beseitigen können und die
Schulung reiche für ein Verständnis der gegenwärtigen politischen Lage – besonders in der
DDR – nicht aus.305 Eine Bewusstseinsänderung sei nicht aufgetreten. Das treffe besonders
auf die Kriegsgefangenen zu, so die Meinung der DDR anlässlich des zweiten HeimkehrerTransports. Sie begründete das durch das schnelle Durchlaufen der verschiedenen Etappen
301
BArch, Do I/9131, Gründe zum Eintritt in die Fremdenlegion.
BArch, DO I/9130, Bericht von Ernst Kusch über den Transport ehemaliger Fremdenlegionäre aus Vietnam
in die DDR vom 24.7.-16.8.1954, ohne Datum. Auskünfte über Kusch konnten von der Autorin nicht ermittelt
werden.
303
BArch, DO I/9131, Bericht über die Repatriierung von 69 deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aus
Vietnam, 3.4.1951.
304
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Paul Rumpelt der Abt. IV an Erich Mielke im Hause, betr. der Ablauf unserer
Arbeit im Quarantänelager Bischofswerda, 8.4.1951.
305
SAPMO-BArch, DY 30/IV2-391, Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951. SAPMO-BArch, DY
30/IV2-391, Bericht über die Repatriierung von 69 deutschen ehemaligen Fremdenlegionären aus Vietnam,
3.4.1951.
302
103
Fremdenlegion, Kriegsgefangenschaft und Heimkehr in die DDR.306 Die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre hatten, abgesehen von einer Bewusstseinsänderung, ebenfalls
keine Lehre aus ihrer „Landsknechtvergangenheit“ gezogen. Sie seien der Meinung, dass der
Dienst in der Fremdenlegion ganz normal und unschandbar war.307 Darüber hinaus
verweigerten sie sich, negativ Stellung gegenüber der Fremdenlegion zu nehmen und
erzählten immer wieder übertriebene Geschichten über ihre Erlebnisse als
Fremdenlegionär.308
Das Leben in der Fremdenlegion, das von den deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären als abenteuerlich dargestellt wurde, stimmte auf Grund dessen nicht mit
dem negativen Bild überein, das in den Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit von der DDR
und von den Heimkehrern selbst dargestellt wurde. Die DDR war sich darüber im Klaren und
wurde außerdem auch von den Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes darin bestätigt. So
wurde in einem Stimmungsbericht ermittelt, dass das innere Stimmungsbild der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre anders sei als ihre Äußerungen. Das habe eine gekünstelte
Darstellung zur Folge.309 In einem anderen Stimmungsbericht hieß es sogar, 96% seien über
den Zeitungsartikel „Rückkehr von 69 ehemaligen Fremdenlegionäre“ verärgert.310 Die sehr
geringe Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die sich aus eigener Initiative für
die Öffentlichkeitarbeit einsetzten wollte, zeigt ebenfalls, wie sehr die Standpunkte der
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der Propaganda und Öffentlichkeit von der DDR
vorgegeben wurden. Außerdem wird klar, dass die politische Schulung in Bischofswerda
wenig erfolgreich war. Vom ersten Transport hatten sich zum Beispiel nur die drei Initiatoren
der Deutsch-Vietnamesischen Arbeitsgemeinschaft freiwillig mit Politik und Propaganda
beschäftigt.311
Diese fragwürdige Haltung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre kam nicht nur
in ihren Berichten über die Fremdenlegion, sondern auch in ihrer Disziplinierung im
Quarantänelager Bischofswerda zum Ausdruck. Über die Heimkehrer des ersten Transportes
wurde geschrieben, dass sie undurchsichtig, abwartend, verschlagen und zur Zeit brutal seien.
Es wurde von der DDR ein Unterschied zwischen den jüngeren (zwischen 1947 und 1950
306
BArch, DO I/9142, Information vom MdI Abt. Bevölkerungspolitik über den am 7.4.1952 in der DDR
eingetroffenen Heimkehrer-Transport aus Vietnam, 28.4.1952.
307
BArch, DO I/9131, Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951.
308
SAPMO-BArch, DY 30/IV2-391, Bericht von Siegfried Büttner über die Übernahme eines Sondertransportes
mit 69 ehemaligen Fremdenlegionären aus Vietnam, 31.3.1951.
309
BStU, MfS 511/62, Bd. 5, Abschrift von einem Stimmungsbericht in Bischofswerda, 1.4.1951, S. 000020.
310
BStU, MfS 511/62, Bd. 5, Abschrift von einem Stimmungsbericht in Bischofswerda, 4.4.1951, S. 000022.
311
BArch, DO I/9131, Bericht von Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951.
104
übergelaufen oder gefangen genommen) und den älteren (ab 1950 übergelaufen oder gefangen
genommen) deutschen ehemaligen Fremdenlegionären gemacht. Sie glaubte, dass die
Jüngeren sich am besten integrieren könnten, während die Älteren leichter in alte
Gewohnheiten zurückfallen könnten.312 Dem stand jedoch gegenüber, dass die Jüngeren in
den Diskussionen zurückhaltender und die Älteren empfänglicher seien. Die DDR suchte die
Erklärung darin, dass der „westdeutschen Lügenfeldzug zum Beispiel gegen die Oder-NeißeFriedensgrenze“ sie beeinflusst habe.313 Auf sowohl die Älteren wie auch die Jüngeren traf
jedoch zu, dass sie die Lagerdisziplin nicht respektierten und zeitweise aus dem
Quarantänelager entkamen. Sogar die Heimkehrer im Krankenhaus waren schwer
disziplinierbar, da auch sie das Krankenhaus in der Nacht verließen. Des weiteren gingen die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre unsorgfältig und unachtsam mit ihren erhaltenen
Sachen um. Die Heimkehrer des zweiten Transportes verkauften ihre Kleidung oder stahlen
von ihren Kameraden und kauften von dem Geld Alkohol.314 Das geschah anscheinend öfter,
da das Ministerium des Innern sich am 27. April 1953 dazu entschied, ihre wattierten Jacken
zurückzufordern, bevor alle sie verkaufen könnten. Der Verkauf der Jacken habe keine
positive Auswirkung auf die Moral der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und
außerdem verstand die Bevölkerung von Bischofswerda es nicht.315 Die DDR war natürlich
sehr bemüht, sich vor einer negativen Darstellung des Themas der „deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre“ zu hüten, da sonst die Auswirkungen der Propaganda und
Öffentlichkeitsarbeit fehlgeschlagen hätten.
Nicht ihr Charakter, ihr Bewusstsein oder die Disziplinierung der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre, sondern das Bild der DDR im Bezug auf ihre Zuverlässigkeit
trug am meisten zum negativen Bildformung bei. Mit dieser Zuverlässigkeit meinte man vor
allem den Verzicht auf Westkontakte und den bleibenden Aufenthalt in der DDR. In Bezug
auf die Zuverlässigkeit konnte die DDR am wenigsten Einfluss ausüben. Sie konnte eine
umfangreiche politische Schulung organisieren und die Integration der Heimkehrer gestalten,
doch eine positive Auswirkung konnte sie nicht erzwingen. Viele deutsche ehemalige
Fremdenlegionäre verließen in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre die DDR. Die
312
BArch, DO I/9131, Bericht über die Übernahme eines Sondertransportes mit 69 ehemaligen
Fremdenlegionären aus Vietnam, 31.3.1951.
313
BArch, DO I/9130, Die Abt. Innere Angelegenheiten des Rat des Bezirkes Dresden an das Staatssekretariat
für Innere Angelegenheiten des MdI, 7.3.1956.
314
BArch, DO I/9142, Stellungnahme der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI zur Übernahme von weiteren 69
ehemaligen Fremdenlegionären, die aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft entlassen und in die DDR
überführt werden sollen, 14.10.1952.
315
BArch, DO I/9143, Herr Heinze an den Rat des Bezirkes, 27.4.1953.
105
Abwanderungszahlen, die von den Bezirken zwischen 1956 und 1958 erstellt wurden, machen
die Menge der „Republikflüchtige“ unter ihnen deutlich sichtbar. Von den insgesamt 763 in
den Bezirken aufgenommen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären verließen 307 von
ihnen die DDR illegal und legal, von denen die Mehrheit illegal. Das Scheitern der
ostdeutsche Versuchen, sie zur zuverlässigen DDR-Bürgern zu erziehen, wird noch besser
sichtbar als bei den Vorgängern, die von der DDR noch als einigermaßen zuverlässige
Heimkehrer in Betracht kamen. Die DDR hatte keine Gewähr, dass diese Heimkehrer sich
bleibend in der DDR aufhielten. Selbst diejenigen, die das „Komitee für Frieden und
Heimkehr“ gegründet hatten, verzogen alsbald in den Westen. Die DDR bezeichnete diese
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre vom zweiten Transport, die anfangs ihre
Bereitschaft zur Zusammenarbeit gezeigt hatten, als heuchlerisch. Auf Grund der hohen
Abwanderungszahlen beabsichtigte die DDR ab 1952 mit Hilfe einer „längeren
internatmäβigen Unterbringung, verbunden mit einer stärkeren ideologischen Einflussnahme“
die Zahl der Abgänge zu reduzieren.316
Eine längere Quarantänezeit war allerdings auch keine erfolgreiche Maßnahme.
Politisch hätte die DDR die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wahrscheinlich nicht
erreichen können. Die meisten von ihnen handelten nämlich nicht aus politischen Gründen
und waren auch nicht an der Politik interessiert. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
waren nicht nur in ihrer Entscheidung, in die Fremdenlegion einzutreten und später zur
Volksarmee überzulaufen, von materiellen statt politischen Gründen geleitet. Auch ihre
Republikflucht fand aus persönlichen Gründen statt. Die Heimkehrer strebten einfach ein
besseres Leben an. Vielen glaubten nach Ankunft in der DDR, dass das in der BRD auf sie
wartete und so zogen sie in den Westen um. Außerdem rechneten viele mit einer Rückkehr in
die Fremdenlegion. Der deutsche diplomatische Mission in Peking schrieb über die
Heimkehrer des zweiten Heimkehrer-Transport : „Außer den sehr positiven Auffassungen, die
bei der Mehrzahl der Angehörigen des Transportes über die bevorstehende Rückkehr in die
Heimat vorhanden sind, gibt es auch einige negative Auffassungen, deren Vertreter nach ihrer
Rückkehr in die DDR wieder nach Westdeutschland gehen wollen, um dort nach ihrer
Meinung ihre früheren gut bezahlten Stellungen wieder einzunehmen oder von dem
Söldnerlohn (sie glaubten, diesen von den Franzosen nach ihrer Rückkehr zu erhalten) sich
316
BArch, DO I/9142, Stellungnahme der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI zur Übernahme von weiteren 69
ehemaligen Fremdenlegionären, die aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft entlassen und in die DDR
überführt werden sollen, 14.10.1952.
106
eine neue Existenz aufzubauen.“317 Die DDR war ebenfalls der Meinung, dass vor allem das
Erhalten eines höheren Dienstgrades für den Umzug in den Westen verantwortlich war und
keine Bestrafung der Fremdenlegion auf Grund des Überlaufens befürchtet werden musste.
Als dritten Grund nennte sie das Geld, das die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auf
ihrem französischen Bankkonto hatten. Darüber hinaus wohnten Familienmitglieder der
Heimkehrer in Westberlin oder im Westen.318
Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre stellten auf Grund ihrer Republikflucht
einen Risikofaktor für die DDR dar. Es war schlecht für den Ruf der DDR, wenn so viele, die
für die Westarbeit eingesetzt waren, selbst in den Westen umzogen. Die Propaganda und
Öffentlichkeitsarbeit könnte auf Grund dessen an Glaubwürdigkeit verlieren. Außerdem
bestand die Gefahr, dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre sich im Westen negativ
über die politische und gesellschaftliche Lage der DDR äußerten. Die DDR versuchte jedoch
nicht die Heimkehrer in der DDR zurückzuhalten, da das ebenfalls schlecht für ihren
internationalen Ruf gewesen wäre. Es wäre unerwünscht gewesen wenn der Westen vermutet
hätte, dass die DDR die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zwar zurückkehren ließ,
aber sie danach gefangen hielt. Das traf besonders auf die Heimkehrer zu, die vor ihrer
Dienstzeit in der Fremdenlegion in der BRD ansässig gewesen waren.
Auf Grund dessen beschränkte sich die DDR auf eine propagandistische
Beeinflussung und einer Beobachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Mit ihrer
Propaganda setzte sich die DDR zum Ziel, sie von einer Abwanderung und Gegenpropaganda
abzuhalten. Der Flucht in den Westen und die Verhaftung von Jack Holsten und seiner
Gruppe im Juni 1951 von der britischen und der Berliner Polizei war beispielsweise ein guter
Anlass, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre vor der Republikflucht zu warnen. Im
Prinzip unternahm die DDR hinsichtlich der Heimkehrer keine gezielten Aktionen, aber das
bedeutete nicht, dass sie alles akzeptierte. Sie behielt immer ihre eigenen Interessen im Auge:
„Die Toleranz der DDR muss auch dort seine Grenzen finden, wo das staatliche Prestige
verletzt und die Verhältnismäßigkeit zwischen den materiellen Aufwendungen und dem
politischem Erfolg nicht mehr gewährt ist“.319
317
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Abschrift von einem streng vertraulichen Auszug aus einem Bericht eines
Vertreters der deutschen diplomatischen Mission in Peking, der mit der Regelung des Transportes auf dem
Gebiete der Volksrepublik China beauftragt war, 18.2.1952.
318
BArch, DO I/9142, Bericht von der Abt. Bevölkerungspolitik des MdI über die Betreuung und Einbürgerung
von 133 deutschen ehemaligen Fremdenlegionären, die von der Volksrepublik Vietnam entlassen wurden,
5.12.1952.
319
BArch, DO I/13963, Die HA Innere Angelegenheiten des MdI an die HA Konsularische Angelegenheiten des
MfAA, 2.10.1957.
107
Par. 2 Die Integration der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
Die sich noch in Ostdeutschland befindenden Heimkehrer wurden von der DDR in das
berufliche und gesellschaftliche Leben integriert, obwohl diese Integration eine spätere
Abwanderung in den Westen natürlich nicht verhinderte. Über diese Integration wurde von
der DDR schon während der Heimkehrer-Transporte nachgedacht. Sie zog die
Schlussfolgerung, dass die Heimkehrer am besten als normale Bürger behandelt werden
konnten. Es müsse dabei versucht werden sie „[…] wieder für ein normales Leben in
geordneten Verhältnissen zu gewinnen“.320 Am besten sei es, wenn sie aus ihrer ehemaligen
Zugehörigkeit zur Fremdenlegion keine Schwierigkeiten empfänden.321 Das hieß, sie seien
nicht als „Mensch zweiter Klasse“ zu behandeln.322 Der Grund dafür war wahrscheinlich, dass
auf diese Weise möglichst keine negative Berichterstattung über die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre entstehen sollte. Auch hinsichtlich der Integration der Heimkehrer behielt
die DDR immer ihre Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit im Auge.
Die Integration wurde schon im Quarantänelager Bischofswerda gestaltet. Bei ihrer
Entlassung bekamen die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Kleidung, Geld und eine
freie Bahnkarte zum neuen Wohnort. Die Arbeit war schon im Quarantänelager bestimmt. Die
meisten erhielten einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft oder in den Betrieben. Die DDR
ließ nichts dem Zufall überlassen, denn wirklich alles wurde für die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre erledigt, was die ostdeutsche Neigung zur Kontrolle der Heimkehrer
beweist. Auch in den ebenfalls schon im Quarantänelager bestimmten Wohnorten wurde diese
Beobachtung aufrechterhalten. Am besten sei es, wenn die Heimkehrer in ihrem neuen
Wohnort bei „zuverlässigen Genossen in Untermiete gebracht wurden“, wenn eine
Heimatweisung nicht möglich war.323 Auch Umzüge, sowohl innerhalb Ostdeutschland als
auch legal und illegal in den Westen, wurden genau von der DDR registriert. Die neuen
Anschriften mussten sofort dem Ministerium des Innern gemeldet werden.
Die DDR legte hinsichtlich ihrer Beobachtung viel wert auf die Zusammenarbeit mit
den Arbeitsämtern, den Betrieben und den Betriebsorganisationen. Erstens beabsichtigte sie,
dass nur eine geringe Zahl deutscher ehemaliger Fremdenlegionäre in den gleichen Betrieben
320
BArch, DO I/9131, Herbert Warnke an das ZK der SED, 3.4.1951.
BArch, DO I/9143, Herr Fritzsche der HA Staatliche Verwaltung des MdI an die Abt. Bevölkerungspolitik
des Staatssekretariats für Innere Angelegenheiten, 11.9.1954.
322
BArch, DO I/9143, Entwurf der Abt. Bevölkerungspolitik an alle Bezirksverwaltungen und den Magistrat von
Groβ-Berlin, ohne Datum.
323
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Die Abt. Staatliche Verwaltung beim ZK der SED an die Abt. Staatliche
Verwaltung der Landesleitung Sachsen-Anhalt in Halle, 9.4.1951.
321
108
untergebracht wurde.324 So hoffte sie wahrscheinlich, einer eventuellen Verschwörung auf
Grund der Unzufriedenheit unter den Heimkehrern entgegenzutreten. Zweitens war es von
Vorteil, dass die Betriebsverwaltungen wichtige Informationen über sie ermitteln konnten.
Darüber hinaus wurde die politische Schulung hier von den Kulturgruppen oder den
Vertretungen der gesellschaftlichen Organisationen mittels kultureller Veranstaltungen und
Gesprächen mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären fortgesetzt. Die Sozialistische
Einheitspartei Deutschlands (SED) informierte die Landesverwaltungen über die Bedeutung
dieser Schulungen: „Es ist selbstverständlich, dass der Betreuung dieser Heimkehrer,
insbesondere in politischer Hinsicht, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss“.325
Die Betriebe erledigten die Berichterstattung an das Ministerium des Innern in den
Ländern über die Integration der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Sie hatten den
besten Einblick auf die politischen Fortschritte und bemerkten als erste, wenn die Heimkehrer
von der Arbeit wegblieben und möglicherweise in den Westen gezogen waren. Nicht nur die
Betriebe, auch die Landes- und Kreisverwaltungen erstatteten Bericht. So wurde in einem
Bericht des Kreisrats Meissen an das Ministerium des Innern in Sachsen mitgeteilt, dass ein
deutscher ehemaliger Fremdenlegionär mit den Verhältnissen in der DDR nicht einverstanden
und verschollen sei. Zu drei Anderen wurden erwähnt, sie hätten Schwierigkeiten sich zu
integrieren, was auf ihre Vergangenheit zurückgeführt werden könnte.326 Das Ausmaß, in dem
sich die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre als politisch zuverlässig entwickelten,
bestimmte ihre weiteren Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten. In den Betrieben
beobachtete der Kulturleiter diese Entwicklung. Über einen deutschen ehemaligen
Fremdenlegionär, der als Landarbeiter arbeitete, wurde erwähnt: „Es werde L. bei weiterer
günstiger Entwicklung vom Kulturleiter im Aussicht gestellt, dass er in circa zwei Monaten
zum Traktoristen-Lehrgang delegiert wird“. Einerseits versuchte die DDR die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre an sich zu binden, indem sie ihnen Perspektive eröffnete. Auf
der anderen Seite konnten sie sich selbst auf diese Weise entwickeln. Je besser ihre
Integration in die DDR vonstatten ging, desto unwahrscheinlicher war eine Abwanderung in
den Westen. Ein weiterer Vorteil war, dass sie in den Betrieben den Mangel an bestimmten
324
BArch, DO I/9132, Die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI an die Abt. Arbeitskräftelenkung des Ministeriums
für Arbeit, 15.9.1954.
325
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Die Abt. Staatliche Verwaltung beim ZK der SED an die Abt. Staatliche
Verwaltung der Landesleitung Sachsen-Anhalt in Halle, 9.4.1951.
326
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Der Kreisrat Meissen an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI des Landes
Sachsen, 11.7.1951.
109
Arbeitskräften verkleinerten. Das war zum Beispiel in Bezug auf Traktoristen der Fall.327 Die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden also auch als Arbeitskräfte für die DDR
instrumentalisiert.
Zusammenfassung
Das negative Bild der DDR hinsichtlich des Charakters, des Bewusstseins, der Disziplin und
der Zuverlässigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre bezog sich auf ihre
Lebensumstände in der Nachkriegsgesellschaft, ihre eigene, oft kriminelle Vergangenheit und
ihre Arbeit in der Fremdenlegion. Trotz der ostdeutschen Bemühungen die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre für ihr neues Leben in der DDR im Quarantänelager
Bischofswerda und an ihrem Arbeitseinsatz politisch umzuschulen und konform ihrer
Anforderungen in der Gesellschaft zu integrieren, schlug ihre Integration in den meisten
Fallen fehl. Die DDR beklagte sich darüber, dass keine Bewusstseinsänderung stattfand und
die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre – besonders die Kriegsgefangenen – keine Lehre
aus ihrer Vergangenheit zogen.
Das negative Bild der DDR bezog sich nicht nur auf die Vergangenheit der deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre, sondern wurde auch von ihrem Verhalten in der DDR
bestimmt. Diese Faktoren trugen dazu bei, dass sie für die DDR einen Risikofaktor
darstellten. Erstens vertraten sie in Wirklichkeit eine andere Meinung als in der Öffentlichkeit
geäußert. Die Mehrheit war nicht an der völlig von der DDR inszenierten Propaganda und
Öffentlichkeitsarbeit interessiert. Zweitens verhielten sie sich im Quarantänelager
Bischofswerda fragwürdig. Die DDR versuchte dieses schlechte Verhalten vor der Außenwelt
zu verstecken, um ihre Öffentlichkeitsarbeit nicht zu gefährden. Das versuchte sie auch
bezüglich der Republikfluchten der Heimkehrer. Materielle statt politische Gründe sorgten für
den Umzug der meist unpolitischen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Es bestand aber
trotzdem die Gefahr der politischen Gefährdung der Öffentlichkeitsarbeit, insofern, dass sie
anlässlich der Republikflucht an Glaubwürdigkeit verlieren könnte und die politische und
gesellschaftliche Lage Ostdeutschlands von den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären im
Westen kritisiert werden könnte. Die DDR verhinderte die Republikflucht nicht, denn ihr
internationaler Ruf stand auf dem Spiel. Stattdessen entschied sie sich für eine
327
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Der Kreisrat Pirna an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI des Landes
Sachsen, 15.6.1951.
110
propagandistische Bearbeitung und eine Beobachtung der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre. Darüber hinaus wurde bezüglich ihrer Integration mittels einer
fortgesetzten politischen Schulung und offerierten Weiterbildungsmöglichkeiten versucht, die
Heimkehrer von einer Republikflucht abzuhalten.
111
Kapitel VI: Die Bemühung des Ministeriums für Staatssicherheit
Das dritte Referat der Hauptabteilung (HA) IV, beziehungsweise HA II des Ministeriums für
Staatssicherheit war vom allerersten Moment am Thema der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre beteiligt. Das traf sowohl auf die Heimkehrer wie auch auf die entlassenen
Fremdenlegionäre zu. Über die Position dieser zweiten Gruppe in der Propaganda und
Öffentlichkeit ist zwar wenig bekannt, doch bezüglich ihrer Beziehung zum Ministerium für
Staatsicherheit liegen einige Archivakten vor. Das Ministerium für Staatssicherheit übernahm
die wichtige Aufgabe, beide Gruppen der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
einzuschätzen, zu überwachen und für die Ziele der Deutschen Demokratischen Republik
(DDR) in Ost- und Westdeutschland einzusetzen. Auf Grund dessen wird in diesem Kapitel
beiden Gruppen Aufmerksamkeit geschenkt. Warum machte sich das Ministerium für
Staatssicherheit so große Mühe mit den zwei Gruppen der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre und wie wurde dieser Einsatz gestaltet?
Par. 1 Die Gründe der Staatsicherheit sich mit den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären
zu beschäftigen
Prinzipiell hatte das Ministerium für Staatssicherheit drei Gründe, sich mit dem Thema der
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auseinanderzusetzen. Der erste Grund war
sicherheitspolitisch, die beiden anderen waren geheimdienstlich. Für die Staatssicherheit
waren die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre gefährlich, die unter Verdacht von
Kontakten mit dem Westen und Republikflucht standen. Auch wenn sich die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre laut DDR überwiegend aus materialistischen Gründen dazu
entschieden, in den Westen umzuziehen, boten sie trotzdem eine sicherheitspolitische Gefahr.
Aus Angst vor der Beeinflussung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch den
Westen und eine mögliche Gegenpropaganda beschäftigte das Ministerium für
Staatssicherheit sich mit ihnen. Die DDR hatte Angst, dass die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre die westdeutschen Medien wie der Rundfunk im amerikanischen Sektor
(RIAS) aufsuchten, dessen Nachrichten eine große Masse im Westen erreichten. Das traf vor
allem auf die Heimkehrer zu, die sich im großen Stil in den Medien profilierten und auf den
Pressekonferenzen außerdem Kontakte zur Westpresse knüpfen konnten.
Die Angst vor der Unzuverlässigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in
112
Bezug auf die Gegenpropaganda war allerdings nicht so groß wie die Angst, dass sie sich mit
Spionageaktivitäten für den Westen beschäftigten. Das was auch der Grund dafür, dass sich
innerhalb des Ministeriums für Staatssicherheit die HA II mit den deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären auseinandersetzte. Sie war davon überzeugt, dass die westlichen
Geheimdienste die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre zu Spionagezwecken in der DDR
und in Ostberlin ausnutzten, und dass sie dazu mit Aufträgen legal und illegal über die
Demarkationslinie geschickt wurden. Die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre täuschten
dann vor, dass sie Deserteure, Entlassene oder gesundheitlich geschädigt seien und erhielten
so das Vertrauen der DDR.328 Über die Heimkehrer schrieb der Staatssicherheitsdienst: „Es ist
ohne weiteres anzunehmen, dass ein Teil dieser zurückgekehrten ehemaligen Legionäre im
Auftrag der französischen Zweigbüros oder anderen Geheimdienstorganisationen mit
Aufträgen in die vietnamesische Volksarmee geschickt wurden, um dort Zersetzungsarbeit
und Spionage zu treiben.“329 Einmal als Agent angeworben, seien sie im Kampf gegen die
DDR eingesetzt, seien sie von Seiten des Westens unter Druck gesetzt für sie zu arbeiten und
könnten sie so als „willenslose Werkzeuge für ihre Ziele ausnutzen“.330
Die HA II ging davon aus, dass vor allem die Franzosen und die französischen
Geheimdienste schuldig waren, weswegen das dritte Referat sich mit den deutschen
ehemaligen Fremdenlegionären beschäftigte. Diese Angst wurde darin begründet, dass diese
Menschen in der Fremdenlegion, einer französischen Organisation, tätig gewesen waren und
die französischen Geheimdienste sich an sie wenden konnten. Laut der HA II/3 sei die Police
Sureté Terriotor eine wichtige Organisation. Aus den Informationen des Ministeriums für
Staatssicherheit über diese Organisation geht hervor, dass sie die Dachorganisation des
gesamten französischen Geheimdienstes sei und sie direkt dem französischen
Kriegsministerium unterstehe. Das Bureau Secret de la Légion Étrangère (B.S.L.E.) – von der
DDR auch als Deuxième Bureau bezeichnet – sei speziell für die Fremdenlegion zuständig. Es
habe den zentralen Sitz in Sidi-bel-Abbès und des weiteren eigene Dienststellen in allen
größeren Einheiten, Regimentern und Bataillonen der Fremdenlegion. Darüber hinaus verfüge
das B.S.L.E. über eine eigene Spionageschule in Marseilles-Malmus, die dem
328
BStU, Zentralarchiv, MfS-BdL/Dok. Nr. 002066, Chefinspekteur Rudolf Menzel der Abt. IV an die
Verwaltung von Thüringen, 16.6.1951, S. 000001-000002. Menzel war u.a. zwischen 1950 und 1952 Leiter der
Landesbehörde der Staatssicherheit Thüringen und zwischen 1953 und 1954 stellvertretender Minister für
Staatssicherheit. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 2, S. 534.
329
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Paul Rumpelt der Abt. IV an Erich Mielke, betr. der Ablauf unserer Arbeit im
Lager Bischofswerda, 8.4.1951, S. 000278-000279.
330
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Analyse der Abt. II/3 über die Bearbeitung der ehemaligen Fremdenlegionäre in
Rostock, 25.4.1958. S. 000313-000317.
113
Kriegsministerium unterstellt war. In dieser Schule seien französische Soldaten und
Fremdenlegionäre untergebracht, die von französischen Offizieren für Spionagezwecken
geschult und ausgebildet worden seien. Schon bei der Anwerbung seien die Fremdenlegionäre
mit Verbindungsoffizieren oder Adjutanten der Geheimdienste in Verbindung gebracht. Die
DDR vermutete auch, dass 1952 noch eine andere Spionageschule des B.S.L.E. eingerichtet
sei.331
Die HA II/3 glaubte, dass die französischen Geheimdienste in der Fremdenlegion
Männer auswählte, die später eingesetzt wurden. Sie war der Meinung, dass sowohl die
Heimkehrer wie auch die entlassenen Fremdenlegionäre Risikofaktoren darstellten. In Bezug
auf die Heimkehrer ging sie davon aus, dass unter ihnen Agenten seien, die mit den
Heimkehrer-Transporten eingeschleust seien.332 Die entlassenen Fremdenlegionäre konnten
aus der Bundesrepublik Deutschland (BRD) von den Franzosen in die DDR geschickt worden
sein. Die HA II/3 nannte in ihren Berichten und Untersuchungsvorgängen verschiedene
Gründe, dass es sich bei den Heimkehrern und entlassenen Fremdenlegionären um Spione
handeln könnte. Diese breite Skala an Gründen veranschaulicht die misstrauische Haltung der
HA II/3. Fast jeder deutsche ehemalige Fremdenlegionär erschien für sie verdächtig. An erster
Stelle wurde die eventuelle Agententätigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre mit
ihrer Entwicklung verbunden. So wurde über einen Heimkehrer geschrieben, dass er mit der
„fortschrittlichen Entwicklung in der DDR“ nicht einverstanden und außerdem
spionageverdächtig sei, da er sich an „feindlichen Diskussionen gegenüber den französischen
Patrioten“ beteiligte.333 In einem anderen Fall konnte nicht festgestellt werden, dass ein
Heimkehrer Verbindungen nach Frankreich oder der französischen Besatzungszone hatte,
aber „auf Grund der Tatsache, dass er Fremdenlegionär war, die französische Sprache
beherrscht“, sei er laut Staatssicherheit unzuverlässig.334 Angaben die von den entlassenen
Fremdenlegionären, die in die BRD umgezogen waren, gemacht waren und von der HA II/3
als zweifelhaft interpretiert wurden, konnten auch zum Verdacht von Agententätigkeit
beitragen. In diesen Fällen ging die HA II/3 davon aus, dass sie den Auftrag erhalten hatten,
331
BStU, MfS 511/62, Bd. 28/1, Wie arbeitet der Geheimdienst innerhalb der Légion Étrangère und wie baut er
sich auf?, ohne Datum. S. 000065-000066.
332
SAPMO-BArch, DY 30/IV 2-391, Bericht von der Abt. Staatliche Verwaltung der Landesleitung Thüringen
an die Abt. Staatliche Verwaltung des ZK der SED, 19.4.1951.
333
BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Zusammenfassender Bericht von Leutnant Richter, Leiter der Kreisverwaltung,
12.3.1956. S. 000394-000396. Auskünfte über Richter konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
334
BStU, MfS 511/62, Bd. 4, Bericht von Leander Kröber über einen ehemaligen Fremdenlegionär, ohne Datum.
S. 000077. Kröber war u.a. zwischen 1948 und 1950 Chefinspekteur und Chef der DVP-Landesbehörde
Thüringen, später Angehörige der Grenzpolizei, Oberst und dann Kommandant der Zentralschule der
Grenztruppen. Siehe dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 439.
114
sich freiwillig bei der Volkspolizei an der Demarkationslinie zu melden.335 Der gleiche
Verdacht bestand bei den entlassenen Fremdenlegionären, von denen die Staatssicherheit
feststellte, dass es „Verdachtsmomente“ in ihren Angaben über ihre Vergangenheit gab.336
Verdächtig waren auch diejenigen, die oft nach Westberlin reisten, der HA II zufolge „über
ihre Verhältnisse lebten“ und Geld aus Westberlin erhielten.337 Selbstverständlich wurden
auch alle deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die in der Vergangenheit für französische
Dienststellen gearbeitet hatten, mit Misstrauen betrachtet.
Die HA II/3 hatte jedoch am meisten Angst vor den entlassenen Fremdenlegionären,
die eine Vierteljahresrente von der Fremdenlegion erhielten. Die Höhe der Rente war
abhängig vom Dienstgrad und der Länge der Dienstzeit. Sowohl deutsche ehemalige
Fremdenlegionäre in der BRD wie in der DDR konnten die Renten empfangen, vorausgesetzt,
sie hatten mindestens fünf Jahre als Fremdenlegionär gedient. Die Heimkehrer kamen daher
nicht für einen Rentenanspruch in Betracht. Die Fremdenlegionäre die mehr als zehn Jahre
gedient hatten, bekamen eine Pension. Die Pensionen und Renten konnten nur im
französischen Konsulat, La Maison de France, am Kurfürstendamm, Ecke Uhlandstraβe, in
Westberlin abgeholt werden. Überweisungen an die deutsche Notenbank erfolgten nicht. Laut
der HA II/3 stand die Kartei der Rentenempfänger dem französischen Geheimdienst zur
Verfügung. Die HA II/3 war der Meinung: „Es besteht stets die Möglichkeit, dass
entsprechend interessante Personen über ihre Verbindung zum Konsulat vom französischen
Geheimdienst für eine Feindtätigkeit ausgenutzt werden“.338 Die HA II/3 untersuchte auf
Grund dessen genau, welche deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Rente empfingen.
Obwohl die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die eine Rente in der BRD
abholten, einen Risikofaktor für die HA II/3 darstellten, boten sie zugleich eine Perspektive.
Das war der dritte Grund der Staatssicherheit, sich mit den deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären zu beschäftigen. Diejenigen, die viermal im Jahr ihre Rente abholten,
hatten Zugang zum französischen Konsulat, kannten dort Leute und oft auch andere deutsche
ehemalige Fremdenlegionäre. Auf ihrer Reise konnten sie mit Spionageaufträgen in den
Westen geschickt werden. Dadurch könnte die HA II/3 zum Beispiel herausfinden, „ob das
335
BStU, MfS 511/62, Bd. 7, Auszüge aus der verantwortlichen Vernehmung sowie einen selbstgeschrieben
Bericht eines ehemaligen Fremdenlegionärs, 4.4.1952, S. 000102-000103.
336
BStU, MfS 511/62, Bd. 7, Die Abt. IV an die Bezirksverwaltung Erfurt, betr. einen ehemaligen
Fremdenlegionär, 13.7.1953. S. 000190.
337
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Abschlussbericht der Oberfeldwebel Risch zum Untersuchungsvorgang 67/57,
28.10.1958. S. 000036-000038. Auskünfte über Risch konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
338
BStU, MfS 511/52, Bd. 14, Josef Kiefel der HA II/3 an die Bezirksverwaltung Magdeburg, Kreisdienststelle
Burg über die Abt. II der BV Magdeburg, 19.10.59. S. 000097.
115
französische Konsulat sich in irgendeiner Weise feindlich gegen die DDR betätigt“.339
Außerdem hatten manche deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre Verbindung zum Anciens
Légionnaires Étrangère Francais (A.L.E.F.) oder Amikale, dem Club der ehemaligen
Fremdenlegionäre. Über einen deutschen ehemaligen Fremdenlegionär, der Kontakt zu
diesem Club hatte, erwähnte die HA II/3: „Aufgrund seiner Angehörigkeit zur Legion und
den Club der Amikale (Legionärsclub) ist er in der Lage, uns genaue Unterlagen über zwei
große Munitionslager zu besorgen, die er selber mit bewacht hat und wo er heute noch einen
guten Freund hat, der dort der Wachhabende ist“. Der deutsche ehemalige Fremdenlegionär
war aus noch einem weiteren Grund zum Vorteil: „Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur
Amikale ist er in der Lage, in Wetzlar alle Kasernen zu betreten und die genau
aufzuklären“.340 In diesem Club konnten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre auch
Hinweise und Material für die operative Arbeit der HA II/3 ermitteln. Für die HA II/3 waren
sie daher im Westen vielfaltig einsetzbar.
Par. 2 Die Beobachtung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre durch die HA II/3
Da die Heimkehrer und die entlassenen Fremdenlegionäre eine Gefahr darstellten und der
Staatssicherheit zugleich potenziell von Vorteil waren, wurden sie von der HA II/3
beobachtet. Die Heimkehrer wurden von Anfang an, schon während der HeimkehrerTransporte, kontrolliert. Anlässlich des ersten Heimkehrer-Transportes wurde in einem
Bericht von der Staatssicherheit vorgeschlagen, bei den zukünftigen Transporten einen
Transportbegleiter des Ministerium für Staatssicherheit mitzuschicken.341 Er könnte dann
während des Transportes Hinweise über die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
erhalten, damit die HA II/3 so bald wie möglich eine Einschätzung gewinnen konnte.
Während ihres Aufenthaltes im Quarantänelager Bischofswerda wurde diese Einschätzung
vervollständigt. Nach dem Eintreffen der Heimkehrer-Transporte wurde vom Ministerium für
Staatssicherheit sofort mit den Vernehmungen angefangen. Der erste Heimkehrer-Transport
traf am 29. März 1951 ein, und die Vernehmungen fingen am 30. März an. Die
339
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Die Abt. II/3 des MfS in Schwerin an die Abt. II/3 des MfS, 13.11.1958. S.
000035.
340
BStU, MfS 511/62, Bd. 10, Vorschlag der HA II/3 zur Zurückschickung einer Person nach Westdeutschland
(französische Zone), 28.2.1956. S. 000005-000006.
341
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Paul Rumpelt der Abt. IV an Erich Mielke, betr. der Ablauf unserer Arbeit im
Lager Bischofswerda, 8.4.1951, S. 000278-000279.
116
Vernehmungsarbeiten wurden bis zum 6. April 1951 ausgeführt.342 Auch als die Heimkehrer
zur Pressekonferenz gingen, wurde das Ministerium für Staatssicherheit beteiligt. Es
beabsichtigte, die Heimkehrer des fünften Heimkehrer-Transportes, die am 17. September
1954 an der Pressekonferenz teilnahmen, während der Reise vom Quarantänelager
Bischofswerda nach Berlin vom Staatssicherheitsdienst zu begleiten.343
Nicht nur bei dieser Gelegenheit, sondern auch während ihres vierwöchigen
Aufenthaltes im Quarantänelager, wurde vom HA II/3 zuverlässiges Personal zur
Beobachtung eingesetzt. Obwohl sie dazu angestellt wurden, die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre zu beobachten, wurden sie selber auch streng kontrolliert. So wurde zum
Beispiel eine weibliche Schreibkraft an einem Abend um halb Neun zusammen mit einem
deutschen ehemaligen Fremdenlegionär in ihrem Zimmer aufgespürt. Nachdem sie das Licht
ausgeschaltet hatte, wartete die Staatssicherheit zehn Minuten bevor sie eine Mitarbeiterin zur
Kontrolle ins Zimmer schickte; allerdings: „Beim Betreten des Zimmers stellte diese
Genossin fest, dass der Legionär an der Tür und das Mädchen circa drei Meter von ihm
entfernt stand“. Die Schreibkraft erklärte daraufhin, dass der deutsche ehemalige
Fremdenlegionär plötzlich ihr Zimmer betreten habe und sie nicht erwischt werden wolle, da
sie keine Bindung zu ihm habe. Aus dem gleichen Bericht geht ebenfalls hervor, dass manche
Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit „wegen ihres disziplinlosen Verhaltens“ zur
Meldung gebracht wurden.344
Das Verhalten des Quarantänepersonals war wichtig auf Grund der Tatsache, dass die
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein heikles Thema für die DDR darstellten. Das
Ministerium für Staatssicherheit legte viel Wert auf ihre Zuverlässigkeit, da manchmal
Fachkräfte im Quarantänelager für die Staatssicherheit verpflichtet wurden. Anlässlich das
Eintreffen der Heimkehrer des zweiten Transportes wurde von der Staatssicherheit erwähnt:
„Die Lagerleitung sowie die dortige Krankenschwester ist zu verpflichten“. Bei den
Heimkehrern des letzten Transportes wurde von der Staatssicherheit mitgeteilt: „Von Seiten
der Bezirksverwaltung wurde zur Betreuung der Legionäre ein GI mit eingebaut, welcher als
Arzthelfer tätig war“.345 Das Personal wurde eingesetzt, um Auskünfte über die
342
Ibidem.
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Aktennotiz von Unterleutnant Röder betr. die Sicherung des HeimkehrerTransportes von dreißig ehemaligen Fremdenlegionären aus Bischofswerda nach Berlin und zurück, 16.9.1954.
S. 000160. Auskünfte über Röder konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
344
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Bericht der Abt. IV an Erich Mielke im Hause, betr. die Arbeit der Mitarbeiter
des MfS im Quarantänelager Bischofswerda, ohne Datum. S. 000280-000281.
345
BStU, MfS 511/62, Bd. 30, Bericht von Sachbearbeiter Leutnant Mückenheim der Abt. II/3 betr. des siebten
Heimkehrer-Transportes ehemaliger Fremdenlegionäre nach der DDR, 13.2.1956. S. 000104-000105.
343
117
Zuverlässigkeit der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre einzuholen, aber auch um zum
Beispiel das Schmuggeln von Kassibern und anderen Briefen aus dem Quarantänelager heraus
zu verhindern. Außerdem waren sie bei der Postüberwachung eingesetzt. Die von den
deutschen ehemaligen Fremdenlegionären in den Lagerbriefkasten eingeworfenen Briefe
wurden vom Lagerpersonal empfangen, und an die Dienststelle in Dresden weitergeleitet, dort
kontrolliert und zensiert.346
Die entlassenen Fremdenlegionäre verblieben nicht im Quarantänelager
Bischofswerda. Manchmal verblieben sie jedoch kurz in einem Rückkehrheim. Hier trafen sie
andere Rückkehrer, doch die meisten Leute im Rückkehrerheim hatten keine Verbindung zur
Fremdenlegion. Die entlassenen Fremdenlegionäre verblieben auch nicht alle zusammen und
zur gleichen Zeit in einem Rückkehrerheim. Das hatte zur Folge, dass die HA II/3 ihre
Beobachtung in der DDR anders als die Überwachung der Heimkehrer gestalten musste. Sie
konnte erst erfolgen, als die entlassenen Fremdenlegionäre aus der BRD in die DDR umzogen
und sich dazu an der Demarkationslinie bei einer Meldestelle meldeten, um ihre Aufnahme in
der DDR zu beantragen. Wenn die Meldestelle herausfand, dass sie mit einem deutschen
ehemaligen Fremdenlegionär zu tun hatte, wurden die HA II/3 und das VolkspolizeiPräsidium sofort informiert. Die Staatssicherheit entschied, wer in der DDR aufgenommen
wurde. Aus den Arbeitsrichtlinien von der Verwaltung Gross-Berlin geht hervor, dass
innerhalb von 24 Stunden nachdem der deutsche ehemalige Fremdenlegionär sich gemeldet
hatte, die HA II/3 seine Personalien an die HA XII für Auskunft, Speicher und Archiv
schicken musste, damit eine Kontrolle stattfand. Diese Personalien umfassten Auskunft über
seine Vergangenheit, und außerdem stellte die HA II/3 ihm Fragen über zum Beispiel
militärische Angelegenheiten und den französischen Geheimdienst sowie die französischen
Dienststellen. Die entlassenen Fremdenlegionäre durften nicht weitergeleitet werden bevor
das Überprüfungsergebnis der HA XII vorlag.347 Sie wurden laut der HA II/3 ins
Volkspolizei-Präsidium geschickt „[…]damit wir sofort eine Kontrolle über diesen
Personenkreis haben“.348 Auch registrierte das Präsidium die entlassenen Fremdenlegionäre
beim Pass- und Meldewesen. Nicht jeder wurde in der DDR aufgenommen. Wenn die DDR
Zweifel an der Zuverlässigkeit hegte, wurde der Antrag abgelehnt. In einem Bericht der HA
346
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Herr Wicht der Abt. IV/3 betr. die ehemaligen Fremdenlegionäre, 7.4.1952. S.
000317. Auskünfte über Wicht konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
347
BStU, MfS 1310/67, Bd. 3, Arbeitsrichtlinie von der Abt. II der Verwaltung Groβ-Berlin an die
Kreisdienststelle Gross-Berlin, 14.2.1957. S. 000015-000018.
348
BStU, MfS 511/62, Bd. 20, Die Verwaltung Groβ-Berlin an die Abt. IV des MfS, 3.6.1953. S. 000044000045.
118
II/3 von 1956 wurden über einen entlassenen Fremdenlegionär zum Beispiel geschrieben:
„Die Rückkehrerstelle lehnte seine Aufnahme in die DDR ab, da seine Angaben
widerspruchsvoll waren“.349
Auf beide Gruppen der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre traf zu, dass sie nach
ihrer Eingliederung in der ostdeutschen Gesellschaft – die Heimkehrer in ihren neuen
Arbeitsplatz und Wohnort und die entlassenen Fremdenlegionäre nach ihrem Umzug in die
DDR – unter einer laufenden Beobachtung der HA II/3 standen. Obwohl es im Archiv kaum
Richtlinien des Ministeriums für Staatssicherheit hinsichtlich dieser Beobachtung gibt, wird in
einigen Berichten auf die Richtlinien verwiesen. So wurde 1957 mitgeteilt, dass nochmals auf
die Richtlinien hingewiesen werden müsse, da die Rolle der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre unterschätzt sei. Laut dem Bericht sei so bald wie möglich eine genaue
Übersicht von den Bezirksverwaltungen und den Kreisdienststellen zu erstellen, damit die
Staatssicherheit darüber informiert sei, wo die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
ansässig seien. Ansonsten sei eine „unkontrollierte Tätigkeit“ dieser Personen nicht mehr zu
verantworten. Es sei daher zweckmäßig, in Bezug auf die bisher nicht registrierte entlassenen
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre die zuständigen Meldeämter der Volkspolizei zu
erkundigen. Über jeden müsse eine Handakte angelegt werden. Auch wurden monatliche
Berichten aus den Bezirken an die zentrale HA II/3 geschickt, angereichert mit Informationen
unter anderem über die Entwicklung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und ihre
Verbindungen zum Westen. Vor allem diejenigen, die in bestimmten Betrieben arbeitsam
seien oder hier eine verantwortliche Position einnahmen, seien zu kontrollieren. Eine
operative Bearbeitung müsse bei den entlassenen Fremdenlegionäre stattfinden, die eine
Rente von der Fremdenlegion erhielten. Konzentrationen von deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären in den Betrieben seien zu verhindern.350 Außerdem sei eine
Postüberwachung durchzuführen und Geheime Mitarbeiter (GM) auf die entlassenen
Fremdenlegionäre anzusetzen.351 Die Aufgabe der GM sei es, eine genaue Berichterstattung
zu leisten und Auskünfte über Spionagetätigkeiten zu erhalten. Falls sie in den Westen zögen
349
BStU, MfS 511/62, Bd. 10, Bericht der HA II/3, 23.3.1956. S. 000214.
BStU, MfS 1310/67, Bd. 3, Arbeitsrichtlinie von der Abt. II der Verwaltung Gross-Berlin an die
Kreisdienststelle Gross-Berlin, 14.2.1957. S. 000015-000018.
351
BStU, MfS BVfS Cottbus Abt. II 150, Chefinspekteur Hermann Gartmann der Volkspolizei der Verwaltung
Brandenburg an die Dienststelle Cottbus, 14.4.1951. S. 000009. Gartmann war u.a. 1948 stellvertretender Leiter
der DVP, zwischen 1949 und 1952 Leiter der MfS-Landesbehörde Brandenburg, zwischen 1952 und 1954 Leiter
der Hauptverwaltung Deutsche Grenzpolizei, 1955 Generalmajor und Militärberater des Staatssekretariats für
Staatssicherheit und zwischen 1956 und 1958 Leiter der MfS-Hauptverwaltung. Siehe dazu: Baumgartner,
Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 210-211.
350
119
müsse festgestellt werden, „wohin sie fahren und wen sie anlaufen“.352
In Bezug auf die Heimkehrer würden ähnliche Maßnahmen ergriffen. Die Heimkehrer
seien einer laufenden vertraulichen Kontrolle und Überwachung zu unterziehen und darüber
musste, wie bei den entlassenen Fremdenlegionären – ein GM zur operativen Bearbeitung auf
jede Person angesetzt werden und monatliche Berichte erstattet werden. Schwerpunkte in den
Berichten waren Informationen über den Wohnort, die Tätigkeit, den Umgang, das
charakterliche und moralische Verhalten, die Einschätzung der gesellschaftlichen und
beruflichen Tätigkeit sowie die Einzelheiten, die im Laufe der Zeit über den Betreffenden
bekannt wurden. Auch eventuelle Aussagen gegen andere deutsche ehemalige
Fremdenlegionäre über Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Geheimverbindungen oder
falsche Namensangaben seien der HA II/3 zu berichten. Die Heimkehrer wurden vor allem in
den Betrieben von der HA II/3 kontrolliert. Die Bezirksverwaltungen schickten monatliche
Berichte über ihr Verhalten und ihre Entwicklung. Diese monatlichen Berichte waren nicht
immer positiv, wie ein Bericht vom 28. Juni 1951 zeigt. In dem Bericht wurden drei deutsche
ehemalige Fremdenlegionäre erwähnt, die bei einer Firma gearbeitet hatten. Laut dem Bericht
hätten sie eine Gefahr für die fünfzehn- bis achtzehnjährigen Schüler in der Firma dargestellt,
da sie sie politisch und moralisch beeinflussen konnten. Die Firma habe darüber nachgedacht,
sie in einem Privatquartier unterzubringen, doch am 9. Juni waren sie verschwunden.353
Schließlich wurde auch von der HA II/3 in Bezug auf die Heimkehrer eine
Postkontrolle durchgeführt. Diese bezog sich sowohl auf die Verbindungen zwischen den
Heimkehrern im Osten als auch auf die Verbindungen zwischen den Heimkehrern im Westen
und im Osten. Diese Verbindungen könnten eine gegenseitige, negative Beeinflussung von
deutschen ehemaligen Fremdenlegionären zur Folge haben. Die DDR sah diese Verbindungen
mit Skepsis, da sie zur Republikflucht leiten könnten. Ihre Zweifel waren umso stärker, wenn
die HA II/3 die Kommunikation und den Briefaustausch nicht unterbinden konnte. Es gelang
einem deutschen ehemaligen Fremdenlegionär des zweiten Heimkehrer-Transportes 1952
zum Beispiel, einen Brief aus Potsdam ohne Kontrolle an die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre im Osten zu schicken.354 Manchmal schaffte es die HA II/3, Briefe
352
BStU, MfS BdL/Dok.Nr. 002066, Die Abt. IV an z.Hd.d. Herrn Chefinspekteur Rudolf Menzel der
Verwaltung des MfS in Thüringen, 16.6.1951. S. 000001-000002.
353
BStU, MfS 511/62, Bd. 3, Die Abt. IV des MfS Thüringen an die Abt. IV in Weimar, 28.6.1951. S. 000132000133.
354
BArch, DO I/9142, Sonderbericht von Rudi Bellmann an die Abt. Bevölkerungspolitik des MdI.
Zurückgeführte ehemaligen Fremdenlegionäre verlassen die DDR, 27.11.1952. Bellmann war u.a. in den
Fünfziger Jahren Abteilungsleiter des Amts für Information und des Amts für Literatur und Verlagswesen. Siehe
dazu: Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 45.
120
abzufangen, so wie einen, in dem ein deutscher ehemaliger Fremdenlegionär seiner Freundin
berichtete, dass er nach seiner Rückkehr in Westdeutschland Sold für elf Monate erhalten
hatte und jetzt Urlaub am Mittelmeer machte.355 Manchmal stellte die HA II/3 aber auch fest,
dass die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre nicht von Kurieren angelaufen wurden und
es ebenfalls keine organisierte Verbindung zwischen ihnen gab.356
Par. 3 Der Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre für die HA II/3
Die Heimkehrer und die entlassenen Fremdenlegionäre wurden nicht nur vom Anfang an von
der HA II/3 kontrolliert, sie wurden auch für den Staatssicherheitsdienst eingesetzt, oder gar
mit dem Ziel des Einsatzes beobachtet. Das bedeutete für die Heimkehrer, dass manche schon
während der Heimkehrer-Transporte von den Begleitern des Ministeriums für Staatssicherheit
angeworben wurden. Sie hatten während der Reise nämlich eine gute Übersicht über die
Heimkehrer. Laut der Staatssicherheit seien diese Personen beauftragt „entsprechende
Personen als G.M. festzulegen bzw. zu werben“.357 Im Quarantänelager Bischofswerda wurde
die Anwerbung der Heimkehrer als GM oder Geheimer Informant (GI) fortgesetzt, und
manchmal entschied sich die Staatssicherheit auch dafür, die Heimkehrer als Kontaktperson
anzustellen. So wurden zum Beispiel fünfzehn deutsche ehemalige Fremdenlegionäre vom
ersten Heimkehrer-Transport als GM verpflichtet.358 Nach dem sechsten Transport wurden
drei GI angeworben, die der DDR zufolge fortschrittlich eingestellt seien, an der Seite der
Nordvietnamesen gekämpft hätten und auf Grund dessen gut als Informatoren einsetzbar
seien.359 Als Kontaktpersonen wurden vom fünften Heimkehrer-Transport beispielsweise drei
Mitglieder des „Komitees für Frieden und Heimkehr“ angestellt.360
Aus den Archivakten ist schwer zu ermitteln, warum die Heimkehrer sich vom
Ministerium für Staatssicherheit anwerben ließen und ob diese Anwerbung freiwillig geschah.
Möglicherweise fühlten sie sich zu einer Anwerbung verpflichtet, da die DDR sich große
Mühe gegeben hatte, sie zurückzuführen und in die ostdeutsche Gesellschaft zu integrieren.
355
Ibidem.
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Rechenschaftsbericht der Abt. IV/3, 4.6.1953. S. 000243.
357
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Paul Rumpelt der Abt. IV an Erich Mielke, betr. der Ablauf unserer Arbeit im
Lager Bischofswerda, 8.4.1951, S. 000278-000279.
358
Ibidem.
359
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Die HA II des Staatssekretariat für Staatssicherheit im MdI an Schwerin,
6.7.1955. S. 000165.
360
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Tätigkeitsbericht von Unterleutnant Röder über die Arbeit in dem
Quarantänelager Bischofswerda während einer Dienstreise vom 21.8.-27.8.1954. S. 000126-000127.
356
121
Ihre Arbeit für den Staatssicherheitsdienst stellte so eine Gegenleistung dar. Gefühle von
Angst vor dem Ministerium für Staatssicherheit und Stolz auf ihre Arbeit als Kontaktperson,
GI oder GM sind ebenfalls nicht auszuschliessen. Vielleicht glaubten die Heimkehrer auch,
durch ihre Arbeit aus ihrer ziemlich isolierten gesellschaftlichen Position zu entkommen und
von der DDR positiver betrachtet zu werden. Die Arbeit für das Ministerium für
Staatssicherheit gab ihnen ein neues, hochgestelltes Ziel in ihrem Leben. Ein anderer Grund
könnte sein, dass die Heimkehrer auf Beförderung in ihrer normalen Arbeit in der
Landwirtschaft oder in den Betrieben hofften oder eventuell auf eine finanzielle
Unterstützung, auch wenn darüber im Archiv nichts ermittelbar ist.
Über den Einsatz der von der HA II/3 als Kontaktperson, GM oder GI angeworbenen
Heimkehrer im Quarantänelager Bischofswerda ist mehr bekannt. Sie wurden gegen ihre
Kollegen eingesetzt. Dieser Einsatz war schlüssiger als der Einsatz vom Lagerpersonal oder
von der Staatssicherheit, da die Heimkehrer zusammen gekämpft hatten und ein gegenseitiges
Vertrauen aufgebaut hatten. Die Heimkehrer wussten nicht von einander, wer für den
Staatssicherheitsdienst arbeitete. So konnten in der Regel zwei befreundete Heimkehrer
einander bespitzeln, ohne dass sie das von einander wussten. Die Bespitzelung diente zur
Überwachung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre. Auf diese Weise konnten
Stimmungsberichte ermittelt wurden. Diese Stimmungsberichte waren die DDR für ihre
allgemeine Einschätzung und Beurteilung der Heimkehrer und die darauffolgende,
dementsprechende Handlungsweise im Bezug auf die propagandistische Auswertung des
Themas Fremdenlegion behilflich. Laut einem Heimkehrer hatten seine Kollegen Aussagen
gemacht, die „[…]nicht der Wirklichkeit entsprechen können, da sie selbst in der Légion
Étrangère nur als Ordonanzen tätig waren, und dass irgendwelche frei erfundene
Schilderungen, hinsichtlich einer Propaganda, wie sie vom Informationsministerium geplant
ist, sich nur negativ auswirken können.“361 Diese Mitteilungen der GM konnten die DDR
davor schützen, ihre Propaganda zu gefährden. Die angeworbenen Heimkehrer wurden
ebenfalls zur Befragung ihrer Kollegen in Bezug auf eventuelle Spionagetätigkeiten innerhalb
der Fremdenlegion beauftragt. Ein Heimkehrer des fünften Heimkehrer-Transportes befragte
die Heimkehrer, von denen bekannt war, dass sie in Verbindung zum Deuxième Bureau
standen oder bei einer Spezialeinheit in der Fremdenlegion tätig gewesen waren.362 Damit
361
BStU, MfS 511/62, Bd. 5, Abschrift von einem Bericht betr. die Delegation zur Pressekonferenz, 1.4.1951. S.
000370.
362
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Tätigkeitsbericht von Unterleutnant Röder über die Arbeit in dem
Quarantänelager Bischofswerda während einer Dienstreise vom 21.8.-27.8.1954. S. 000126-000127.
122
schlug die DDR zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits ergänzte sie ihr Bild über die
Zuverlässigkeit der Heimkehrer, andererseits vergrößerte sie ihr Wissen über die
Fremdenlegion und die französischen Geheimdienste.
Es war allerdings nicht so, dass die Staatssicherheit nur im Quarantänelager
Bischofswerda Heimkehrer als Kontaktperson, GI oder GM einsetzte. Anlässlich des ersten
Heimkehrer-Transportes teilte das Ministerium für Staatssicherheit mit, es sei neben der
operativen Bearbeitung der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre und unabhängig davon
„[…] mit den Personen, die bereits im Lager als G.M. verpflichtet und in der beigefügten
Liste gekennzeichnet sind, hinsichtlich der weiteren Arbeit in Verbindung zu treten“.363 Wenn
die HA II/3 einmal deutsche ehemalige Fremdenlegionäre im Blickfeld hatte, ließ sie diese
nicht mehr aus den Augen. Diese weitere Arbeit beinhaltete vor allem die Beobachtung der
Zuverlässigkeit, aber auch der Westkontakte, der Westpropaganda und einer möglichen
Republikflucht.
Der Auftrag eines deutschen ehemaligen Fremdenlegionärs, der mit dem ersten
Heimkehrer-Transport in die DDR gekommen war, macht die Auseinandersetzung mit diesen
Themen anschaulich. Er hielt seine ehemaligen Kollegen – besonders drei von ihnen – im
Blickfeld und erstattete im Juni 1951 darüber mehrere Berichte. In diesen Berichten blickte er
zunächst auf ihre Zeit im Quarantänelager Bischofswerda vom 29. März bis 4. April 1951
zurück und gab an, er sei zusammen mit den drei anderen Heimkehrern vom 4. April bis 4.
Mai in einem Sanatorium gewesen. Es sei ihm im Quarantänelager bald klar geworden, dass
die drei Heimkehrer in den Westen umziehen wollen. In Voraussicht dieser Umstände sei er
immer in enger Fühlung mit diesem Kreis geblieben. Im Sanatorium hätten die Heimkehrer
Kontakte mit dem Amt für Information, der Redaktion der Jungen Welt und der Zeit im Bild
geknüpft. Der Zeit im Bild hätten sie ein Fotoalbum verkauft und Artikel geliefert. Des
weiteren hätten sie ein Gespräch mit dem Dresdner Radiosender geführt. Ziel dieser
Annäherung sei es, einen tiefen Einblick in die Propagandaarbeit der DDR zu erhalten und
Verbindungen zu knüpfen. Er erwähnte über sich selbst: „Ich hatte weiterhin die Verbindung
mit meinen Kameraden aufrecht erhalten und hatte die Absicht, jeden zum Westen gehenden
Schritt zu unterbinden.“364 Auf Grund dessen verpflichtete er sich nach seiner Entlassung aus
363
BStU, Zentralarchiv, MfS BdL/Dok. Nr. 003670, Das MfS an die Verwaltung Sachsen, z.Hd. des
Chefinspekteur Josef Gutsche, 8.4.1951. S. 000001-000002. Gutsche war u.a. zwischen 1947 und 1949 Präsident
des Landespolizeiamtes Sachsen, zwischen 1949 und 1950 Leiter der Abt. Schutz der Volkswirtschaft und ab
1950 Mitarbeiter des MfS, später Fachberater des MfS. Er besaß den Rang der Generalmajor. Siehe dazu:
Baumgartner, Biographisches Handbuch Bd. 1, S. 263.
364
BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Vermerk von Abt. V, 5.6.1951. S. 000132-000133.
123
dem Quarantänelager am 6. Mai 1951 als GI für den Staatssicherheitsdienst. Die Volkspolizei
hatte am 2. Mai einen Anruf erhalten, dass „auf dem Revier ein Mann sitzt, welcher über
Personen Angaben machen will, die nach Westberlin zum RIAS gefahren und dort
Hetzpropaganda betreiben wollen“. Daraufhin wurde der Heimkehrer am 6. Mai von einem
Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes in seiner Wohnung besucht und verpflichtet. Zuerst
teilte er seine Wohnung mit einem anderen deutschen ehemaligen Fremdenlegionär, nachher
mit einem der drei von ihm überwachten Heimkehrer.365
Der GI berichtete, wie die drei Heimkehrer im Mai 1951 in den Westen fahren
wollten. Der Grund dafür sei, dass sie auf der von der DDR organisierten Pressekonferenz am
4. April Kontakte zur Westpresse hätten knüpfen können und „H. und D. wollen diese
Bekanntschaften benutzen, um Informationen über Dinge zu erhalten die nicht für jeden
bestimmt sind.“ Dadurch, dass H. und D. ihre Artikel veröffentlichen wollen „erschleichen sie
das Vertrauen der zuständigen“ und die erhaltenen Informationen könnten sie dann „für die
Westpropaganda ausnutzen“.366 Im Mai befürchtete der GI, der bei ihm einwohnende
Heimkehrer wolle nach Westberlin fahren, um dort in Verbindung mit den zwei anderen
deutschen ehemaligen Fremdenlegionären die Pressekonferenz von Eisler zu widerlegen und
eine Gegenpropaganda zu starten.367 Der GM fuhr mit den anderen nach Westberlin. Dort
versicherte einer der Heimkehrer einem Mann, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
in der DDR seien zum Überlaufen in den Westen zu bewegen. Zusammen sei eine
Propagandaaktion gegen die DDR und China und eine Widerlegung der Pressekonferenz
durchzuführen.368 Die HA II/3 fasste diese Angaben des GI in einem Bericht treffend
zusammen, in dem über einen Heimkehrer geschrieben wurde: „Dort [in Westberlin] gab R.
an, dass er die Pressekonferenz des Amtes für Information mit der Begründung, die Berichte
der Fremdenlegionäre seien ihnen fertig vorgelegt worden, widerlegen will. Er will damit
sagen, dass die Berichte nicht von den Fremdenlegionären, sondern vom Amt für
Informationen und somit nicht den Tatsachenberichten der Fremdenlegionäre entsprachen.“369
Des weiteren wurde von den drei Heimkehrern während ihrer Woche im Westen eine kurze
Sendung für den RIAS gemacht und weitere Nachrichten seien im Mai in Vorbereitung
gewesen. Dem GI zufolge seien auch tatsächlich Briefe an andere deutsche ehemalige
365
BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Bericht der Abt. V, 2.6.1951. S. 000120-000121.
BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II , Abschrift von GI „Hauk“, 12.6.1951. S. 000114.
367
BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Abschrift von GI „Hauk“, Abt. V, 5.6.1951. S. 000134-000135.
368
Ibidem.
369
BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Bericht der Abt. V, 2.6.1951. S. 000120-000121.
366
124
Fremdenlegionäre geschickt worden.370 Darüber hinaus hätten die Heimkehrer sich stets
negativer über die DDR geäußert.371 Die Geschichte endete damit, dass die drei Heimkehrer
im Juni 1951 in den Westen flüchteten.
Während die DDR befürchtete, dass Heimkehrer in den Westen umzogen, schickte sie
die entlassenen Fremdenlegionäre selbst mit Aufträgen in den Westen. Auch sie wurden bald
nachdem sie ins Blickfeld der HA II/3 gerieten, als Kontaktperson, GM oder GI angestellt.
Wenn die Bezirke einen geeigneten entlassenen Fremdenlegionär im Visier hatten, wurde ein
begründeter Vorschlag zur Anwerbung an die HA II/3 vorbereitet. Nachdem dieser Vorschlag
genehmigt war, wurde vom Angeworbenen ein Verpflichtungsbericht und wurden von den
Bezirken Werbungsberichte erstattet. In den Werbungsverpflichtungen wurde von den
entlassenen Fremdenlegionären selbstverständlich betont, sie verpflichten sich „für die
Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung und Sicherheit“, sie werden „[…]nicht nur
übertragene Aufgaben erfüllen[…]“ sondern gleichfalls alle ihren „[…] bekannt gewordenen
Vorfälle melden“ und schließlich waren sie sich darüber im Klaren, dass ihre Tätigkeit
absolute Geheimhaltung bedeutete und „[…] dass ein Bruch der Schweigepflicht, nach den
Gesetzen der DDR bestraft wird“.372
Einige entlassene Fremdenlegionäre wurden schon während ihrer Meldung bei der
Meldestelle angeworben. Manchmal sorgte auch die Postkontrolle dafür, dass sie ins Blickfeld
der HA II/3 gerieten. Ein Untersuchungsvorgang zeigt, wie ein entlassener deutscher
ehemaliger Fremdenlegionär zum Revier der Volkspolizei bestellt wurde, um über seinen
Lebenslauf zu reden. In dem Gespräch kam heraus, dass die HA II/3 bei der Postkontrolle
einen Brief von der französischen Napoleon-Kaserne abgefangen hatte, in dem er dazu
aufgefordert wurde, dieser Kaserne einen Besuch abzustatten.373 Eine andere Möglichkeit war
eine Anwerbung während der Arbeit. Der GI „Baum“ zum Beispiel wurde im Juni 1953 von
einem Mitarbeiter der Staatssicherheit in seinem Betrieb angesprochen, als der Parteisekretär
einen Moment weg war.374 Manchmal war der Anwerbungsprozess auch komplizierter. Die
HA II/3 beabsichtigte ihre Arbeit in Bezug auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
geheim zu halten und gab sich viel Mühe dabei. Ein entlassener Fremdenlegionär musste
beispielsweise gemäß dem Werbungsvorschlag am 26. November 1956 in seiner Wohnung
BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Abschrift von GI „Hauk“, Abt. V, 5.6.1951. S. 000134-000135.
BStU, MfS 511/62, Bd. 16-II, Abschrift von GI „Hauk“, 9.6.1951. S. 000144-000145.
372
BStU, MfS 511/62, Bd. 3, Abschrift von einen Anwerbungsverpflichtung, 6.4.1951. S. 000219.
373
BStU, MfS 511/62, Bd. 20, Bericht über die Rücksprache mit einem regulier entlassenen ehemaligen
Fremdenlegionär, 14.6.1955. S. 000048-000049.
374
BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Werbebericht vom 18.6.1953. S. 000152-000153.
370
371
125
besucht werden. Seine Frau arbeitete zu der Zeit nämlich in der Spätverkaufsstelle. Es müsste
ihm von dem Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes eine Legende erzählt werden, dass er
für die Lausitzer Rundschau arbeite und ihn bitten einen Artikel für die Zeitung zu verfassen.
Demnächst müsste herausgefunden werden, wo er arbeite, damit der Mitarbeiter den Artikel
persönlich abholen konnte. Dann war es für den Mitarbeiter an der Zeit, seine wahre Identität
zu enthüllen und den entlassenen Fremdenlegionär nochmals über die Fremdenlegion zu
befragen. In den nächsten Gesprächen müsste er dann gefragt werden, ob er bereit wäre, mit
dem Ministerium für Staatssicherheit zusammenzuarbeiten.375
Laut diesem Bericht sollte der entlassene Fremdenlegionär auf freiwilliger Basis
angeworben werden.376 Ein anderer Bericht der Bezirksverwaltung Rostock bestätigt diese
Freiwilligkeit und gibt sogar Auskunft darüber, wie die Werbung in Rostock gestaltet wurde:
„Die Anwerbung selbst geschah auf dem Wege der Überzeugung, indem die Kandidaten an
Hand von Beispielen klargemacht wurde, wie der Gegner versucht, die DDR zu schädigen.“
Dem Bericht zufolge akzeptierten daraufhin die meisten entlassenen Fremdenlegionäre die
Zusammenarbeit mit der HA II/3, obwohl ihre Überprüfung auf Ehrlichkeit noch nicht
beendet sei.377 Wie bei den Heimkehrern gab es für die entlassenen Fremdenlegionäre
wahrscheinlich verschiedene – meist ähnliche – Gründe sich anwerben zu lassen.
Möglicherweise sorgte in einigen Fällen die ideologische Überzeugung tatsächlich für die
Anwerbung. Über GI „Baum“ wurde beispielsweise erwähnt, er sei kooperativ eingestellt und
sein Verhalten zeige seine antiamerikanische Haltung.378 Wahrscheinlich aber spielte die
skeptische Blick der DDR auf die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, ihre negative
Berichterstattung über die Fremdenlegion und die Angst vor der Staatssicherheit für die
entlassenen Fremdenlegionäre eine größere Rolle als die Ideologie. Sie wollten ihre guten
Absichten zeigen und fühlten sich geschmeichelt, wenn sie von der HA II/3 angesprochen
wurden. Ein Werbungsvorschlag macht diese Argumentation anschaulich: „Bis jetzt kam ich
mir immer wie ein Ausgestoßener vor, ja ich wurde sogar als Spitzel und Agent für die
kapitalistischen Staaten angeschaut. Was mir aber nie eingefallen wäre. Gebt mir eine Chance
und ich werde euch das Gegenteil beweisen. Mein Bedarf von Kapitalismus ist gedeckt.“379
Vielleicht trug auch das Geld, das einige entlassene Fremdenlegionäre für ihren Auftrag im
375
BStU, MfS BVfS Cottbus Abt. II 160, Werbungsvorschlag in Cottbus vom 23.11.1956. S. 000011-000014.
Ibidem.
377
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Oberleutnant Steinfeld der Bezirksverwaltung des MfS in Rostock an die HA II/3,
9.9.1957. S. 000336-000337. Auskünfte über Steinfeld konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
378
BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Werbebericht vom 18.6.1953. S. 000152-000153.
379
BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Erklärung von einem regulier entlassenen ehemaligen Fremdenlegionär,
22.5.1954. S. 000161.
376
126
Westen erhielten, zur Anwerbung bei. Durchschnittlich betrug dieser Betrag je Auftrag
fünfzig Deutsche Mark (DM).
Nur die entlassenen Fremdenlegionäre, die in den Westen fahren konnten, den Club
der ehemaligen Fremdenlegionäre besuchten, ihre Rente oder Pension im Westen abholten
oder dort Kontakte hatten wurden als Kontaktperson, GI oder GM angeworben. Daraus folgt,
dass nicht jeder entlassene Fremdenlegionär von der HA II/3 angeworben wurde. Diese
Haltung der DDR zeigt das Ausmaß, in dem sie auch hinsichtlich der Staatssicherheit nur den
Zielen der DDR dienten. Über einen entlassenen Fremdenlegionär wurde mitgeteilt: „In
Westberlin kenne er niemanden und ist weder in der Lage noch in sonst einer Stelle
angelaufen, den Club der Fremdenlegionäre kenne er überhaupt nicht. H. hat deshalb für uns
keine Bedeutung und es wäre angebracht, ihn nicht weiter anzulaufen.“380 Ein anderes
Beispiel zeigt, wie jemand auf Grund seiner Kontakte mit einem Feldwebel als Kontaktperson
angestellt wurde, jedoch nicht als GI. Er hätte nach seinen bisherigen Angaben nämlich zu
wenig Kontakte im Westen und war entschieden, nicht wieder in den Westen zu fahren.381
Eine Anwerbung konnte auch verweigert werden, wenn die HA II/3 einem Familienmitglied
der entlassenen Fremdenlegionäre misstraute. Jemand wurde zum Beispiel nicht an der
Meldestelle kontaktiert, da sein Schwager wegen Verletzung der Dienstpflicht aus der
Volkspolizei entlassen sei.382 Charakterliche oder politische Unzuverlässigkeit schloss eine
Zusammenarbeit ebenfalls aus. Auch wenn die HA II/3 vermutete, dass der entlassene
Fremdenlegionär für die Franzosen arbeitete, kam eine Anwerbung logischerweise nicht in
Frage.383
Die Aufträge von der HA II/3 bezogen sich meist auf die Bekanntschaften der
entlassenen Fremdenlegionäre im Westen und auf ihre Möglichkeiten die französischen
Geheimdienste und Einrichtungen der Fremdenlegion zu besuchen. Von der HA II/3 wurden
mit Hilfe der Informationen der Kontaktpersonen, GI und GM „Objektvorgänge“ über diese
Gebäude angefertigt. Die HA II/3 richtete ihr Interesse erstens auf die Maison de France am
Kurfürstendamm 211 in Berlin-Charlottenburg, die sich über vier Etagen erstreckte. Im
Erdgeschoss gab es unter anderem das Cinema Paris, einen französischen Buchladen, die Air
de France Luftpost und Ausstellungsräume des Institut Français. Das französische Konsulat
und ein Konferenzsaal befanden sich im dritten Stock. Ansonsten waren im Gebäude unter
380
BStU, MfS 511/62, Bd. 19, Bericht über einen regulier entlassenen ehemaligen Fremdenlegionär, 14.6.1951.
S. 000220.
381
BStU, MfS 511/62, Bd. 5, Nachtrag zum Protokoll einer Heimkehrer, ohne Datum. S. 000361-000362.
382
BStU, MfS 511/62, Bd. 10, Bericht von der HA II/3 an die Rückkehrerstelle, 18.8.1956. S. 000170.
383
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Die HA II an die HA II im Bezirk Schwerin, 31.5.1956. S. 000152.
127
anderem noch eine Handelsdelegation zwischen Frankreich und der DDR, ein interalliierter
Club und ein Archiv.384 Zweitens schenkte die HA II/3 der Napoleon-Kaserne am Spandauer
Weg 42 in Berlin-Reinickendorf Aufmerksamkeit. Hier wurden den deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären Renten und Pensionen ausgezählt. In der Napoleon-Kaserne war der
Service Sozial untergebracht, laut der DDR eine Betreuungsstelle der aktiven und bereits
entlassenen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die darüber hinaus Verbindungen zum
Deuxièume Bureau haben würde.385 Dem Bureau, das sich in der Müllerstraβe 126 befand,
wurde von der HA II/3 mit zweiter Priorität nach der Maison de France Aufmerksamkeit
gewidmet. Drittens hatte die HA II/3 die A.L.E.F. im Blick, wo ihr zufolge die
Neuanwerbungen für die Fremdenlegion, die Betreuung der entlassenen deutschen
Fremdenlegionäre und ihre Neuanwerbung für den französischen Geheimdienst stattfanden. 386
Viertens stand das französische Kasino, das Foyer du Soldat – ebenfalls als das Foyer du
Wedding bezeichnet – im Mittelpunkt. Es befand sich auf der Ecke Müllerstraβe/Seestraße.
Der HA II/3 war der Meinung, dass sich hier viele Franzosen sowie deutsche ehemalige
Fremdenlegionäre aufhielten, billigere Ernährungsmittel und Zigaretten verkauft würden und
möglicherweise auch Verbindungen zu den französischen Geheimdiensten gelegt wurden.387
Während ihrer Reisen in den Westen mussten die Kontaktpersonen, GI oder GM
soviel Informationen wie möglich über die französischen Gebäude und die Mitarbeiter
sammeln, indem sie Fragen stellten und das Vertrauen der Mitarbeiter in Gesprächen
gewinnen sollten. Obwohl von einer Bespitzelung die Rede war, betrachtete die HA II/3 die
Agententätigkeit der entlassenen Fremdenlegionäre als Gegenspionage. Die
Informationssammlung wurde von der HA II/3 hochgeschätzt, doch noch besser war es, wenn
einige GI oder GM sich von den Franzosen anwerben ließen. Im Prinzip wurden sie dadurch
Doppelspion. Die DDR gab ihnen genaue Hinweise, wie sie sich verhalten und anwerben
lassen sollten. Gemäß einem Auftragsbericht aus dem Jahr 1955 musste ein GM den
Franzosen erzählen, er habe in der DDR noch keinen richtigen Job gefunden, er sei in der
DDR „mit vielem nicht einverstanden“ und auch, dass sie „[…]als ehemalige
Fremdenlegionäre was anderes gewöhnt“ seien. Er sollte sich von den Franzosen nicht
einschüchtern lassen, sich im Westen nicht zu lange an unbekannten Orten aufhalten, sich in
384
BStU, MfS 511/62, Bd. 28-I, Bericht der HA II/3, 12.10.1954. S. 000127-000129.
BStU, MfS 511/62, Bd. 12, Die Abt. IV des Staatssekretariats für Staatssicherheit an die Bezirksverwaltung
Potsdam, 28.10.1953. S. 000095.
386
BStU, MfS 1310/67, Bd. 2., Beschluss vom MfS Abt. II/3 in Groβ-Berlin über das Anlegen eines
Objektvorganges, 9.6.1954. S. 000010.
387
BStU, MfS, 1310/67, Bd. 2, Bericht von Unterleutnant Ficker der HA II/3 über das Foyer du Soldat,
9.1.1956. S. 000034. Auskünfte über Ficker konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
385
128
der Öffentlichkeit zurückhaltend verhalten und nicht die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich
lenken. Hinsichtlich einer Anwerbung für den französischen Geheimdienst erwähnt der
Bericht: „Falls sie aufgefordert werden, für den westlichen Geheimdienst zu arbeiten, sagen
sie nicht sofort zu, sondern tun sie so, als wenn sie nicht dazu in der Lage wären und Angst
vor einer Verhaftung hatten. Erklären sie, dass ‚die da drüben mächtig aufpassen‘. Bei einer
mehrmaligen Aufforderung oder bei Zwang erklären sie sich einverstanden, fragen aber, was
sie tun sollen und wem das Material zu übergeben haben bzw. wie dieses nach Westberlin
geschafft werden soll.“388
Abgesehen von der Konzentration auf die Franzosen beschäftigte sich die HA II/3
auch immer mit der Kontaktaufnahme zu anderen entlassenen Fremdenlegionären durch
Kontaktpersonen, GI und GM im Westen. Auf diese Weise konnten immer mehr deutsche
ehemalige Fremdenlegionäre von der DDR registriert werden, was eine größere politische
Sicherheit versprach. Die HA II/3 hoffte nicht nur auf eine Festigung ihres Zugriffs auf sie,
sondern auch auf eine größere Auswahl für ihre Anwerbungen. In einem Plan zum Eindringen
in die A.L.E.F. wurde festgestellt: „Die Kontaktperson L. ist so zu lenken, dass er im Club der
ehemaligen Legionäre eintritt und dort die Legionäre aufklärt, um aus diesen Kreisen dann
weitere Anwerbungen durchführen zu können.“389 Außerdem wurden die entlassenen
Fremdenlegionäre gegen einander zur „Überprüfung ihrer Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit“
eingesetzt. Im Bezug auf GI „ Baum“ wurde über seine Beobachtung geschrieben, dass ein
Freund ihm während seiner Reise nach Westberlin beobachten musste und darüber hinaus den
Auftrag erhielt, festzustellen welche Stelle GI „ Baum“ in Westberlin anlief.390 Die
Staatssicherheit hoffte so eine Spionage für die Franzosen auszuschließen. Die Akten im
Archiv zeigen, in welch großem Umfang sich die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes mit
den Kontakten zwischen den Kontaktpersonen, den GI und GM auseinandersetzten.
Es ist in dem Archiv allerdings nicht erforschbar, wie lange die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre im Dienst der HA II/3 blieben. Die Akten geben nur Auskunft über die
Aufträge, die sie kurz nach ihrer Anwerbung erhielten. Möglicherweise blieb ihr Einsatz auch
zeitlich eingeschränkt. In der zweiten Hälfte der Fünfziger Jahre sowie in den nächsten
Jahrzehnten kehrten immer wieder deutsche ehemalige Fremdenlegionäre in die DDR zurück.
Der Einsatz dieser neuen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die aktuellere Kenntnisse
388
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Auftrag für einen regulier entlassenen ehemaligen Fremdenlegionär aus Rostock,
5.5.1955. S. 000352-000355.
389
BStU, MfS 1310/67, Bd. 2, Plan zum Eindringen in das Objekt der ehemaligen Fremdenlegionäre (A.L.E.F.),
ohne Datum. S. 000018-000020.
390
BStU, MfS 511/62, Bd. 29, Beobachtung GI „Baum“, 19.1.1954. S. 000219.
129
über die französischen Geheimdienste und die Einstellungen der Fremdenlegion besaßen,
scheint wahrscheinlich. Außerdem blieb die Zuverlässigkeit ein wichtiges Thema für die
DDR. Regelmäßig wurde die Zusammenarbeit mit angeworbenen deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären auf Grund ihrer „Dekonspiration“ beendet. Unter einer „Dekonspiration“
verstand die DDR das Brechen der Geheimhaltungspflicht, das Nichterscheinen auf den
„Treffs“, das Nichterfüllen der Aufgaben oder im schlimmsten Fall die Republikflucht. Ein
entlassener Fremdenlegionär „dekonspirierte“ sich zum Beispiel, nachdem er zu viel Alkohol
getrunken und seine Tätigkeit preisgegeben hatte.391 Ein anderer habe sich der HA II/3
zufolge zuerst ablehnend gegenüber die Fremdenlegion geäußert, doch er änderte seine
Meinung, als er vom französischen Konsulat eine Nachricht über den Empfang seiner Rente
erhielt. Im Juni/Juli 1957 setzte er sich nach Westberlin ab.392 Die Leerstellen, die auf Grund
der „Dekonspiration“ im Personalbestand der IM entstanden, konnten von neuen deutschen
ehemaligen Fremdenlegionären – mit denen die HA II/3 noch keine negativen Erfahrungen
gesammelt hatte – neu besetzt werden.
Zusammenfassung
Die DDR hatte sich auf Grund ihres Bemühens um die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre mit einem schwierigen Thema auseinandergesetzt. Das wird nicht nur von
ihrem Einsatz in der Öffentlichkeit, sondern auch dem in der Staatssicherheit bewiesen.
Besonders hinsichtlich ihrer Verbindung zur Staatssicherheit wird klar, welchem Spagat die
DDR vollzog. Die HA II/3, als die für die französische Spionageabwehr zuständige
Abteilung, beschäftigte sich aus sicherheitspolitischen und geheimdienstlichen Gründen mit
den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären. Die DDR ging von ihrer Zusammenarbeit mit
den französischen Geheimdiensten aus. Laut der DDR wurden die Heimkehrer schon während
ihrer Zeit in der Fremdenlegion angeworben und einige als Agent mit einem HeimkehrerTransport in die DDR gekommen. Die entlassenen Fremdenlegionäre wurden, so die
Vermutung, von Frankreich in der BRD zur Agententätigkeit in der DDR angeworben. Trotz
der Gefahr der Spionage konnten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre aber von der
Staatssicherheit für dieselben geheimdienstlichen Tätigkeiten eingesetzt werden.
391
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Herr/Frau Linow der Abt. II des MfS Schwerin an die HA II/3, 5.8.1957. S.
000123-000124. Auskünfte über Linow konnten von der Autorin nicht ermittelt werden.
392
BStU, MfS 511/62, Bd. 11, Oberleutnant Steinfeld der Bezirksverwaltung des MfS in Rostock an die HA II/3,
9.9.1957. S. 000336-000337.
130
Die Haltung der HA II/3 bezüglich der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre war sehr
misstrauisch und ihre Beobachtungen bestätigten die Haltung. Diejenigen, die sich in der
DDR nicht genau so entwickelten, wie die Ostdeutschen das sich wünschten, die gute
Französisch-Kenntnisse besaßen oder oft in den Westen fuhren standen unter den Verdacht
von Spionagetätigkeiten. Sie wurden von der HA II/3 operativ bearbeitet. Diese Operative
Bearbeitung beinhaltete Postüberwachung und der Einsatz einer Kontaktperson, GI oder GM.
Die Heimkehrer wurden schon während der Heimkehrer-Transporte und im Quarantänelager
Bischofswerda beobachtet, die entlassenen Fremdenlegionäre seit ihrem Eintreffen.
Auch die Beobachtung durch und der Einsatz für die HA II/3 zeigen die Hass-Liebe
der DDR und auch das Ausmaß, in dem die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre als
Spielball eingesetzt wurden. Die Beobachtung und der Einsatz erfolgten einerseits aus
Misstrauen, andererseits jedoch auch aus Opportunismus. Die Spionagetätigkeiten mussten
entdeckt und unterbunden werden, aber die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre konnten
zugleich auch als Agent für die DDR eingesetzt werden. Die Heimkehrer bespitzelten als
Kontaktperson, GI oder GM vornehmlich ihre Kollegen auf Spionagetätigkeiten oder
Republikflucht hin. Die entlassenen Fremdenlegionäre wurden auch gegen ihre Kollegen
eingesetzt, allerdings im Westen. Sie waren auf Grund ihrer Möglichkeiten in den Westen zu
reisen und dort Kontakte zu knüpfen für die Staatssicherheit die interessanteste Gruppe
deutscher ehemaliger Fremdenlegionäre. Sie bearbeiteten Objekte wie die A.L.E.F., das
Deuxième Bureau und die Napoleon-Kaserne. Auf Grund ihrer Möglichkeiten stellten sie
gleichzeitig den größten Risikofaktor von allen deutschen ehemaligen Fremdenlegionären dar.
131
Fazit
„DDR Patria Nostra?“
In der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre war die Deutsche Demokratische Republik (DDR) ein
isolierter Staat im Aufbau. Auf nationaler Ebene versuchte sie trotz der sowjetischen
Herrschaft ihre eigene Identität zu festigen. International gesehen wurde ihre Position von
ihrem Verhältnis zur Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) bestimmt, jedoch
auch von der deutsch-deutschen Systemauseinandersetzung. Diese Auseinandersetzung wurde
einerseits von Abgrenzung und andererseits von Verflechtung gekennzeichnet. Die DDR zog
in dieser Systemauseinandersetzung immer den Kürzeren. Während sich die Bundesrepublik
Deutschland (BRD) mit Hilfe des Westens in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre in Bezug
auf die Westintegration und die Wiederbewaffnung entwickeln und profilieren konnte, wurde
die DDR international nicht anerkannt. Das Jahr 1955 bildete den Höhepunkt der Prozesse
von Westintegration und Wiederbewaffnung in der BRD. In diesem Jahr wurde die HallsteinDoktrin verkündet und die BRD beziehungsweise die DDR wurden in der North Atlantic
Treaty Organisation (NATO) und im Warschauer Pakt aufgenommen.
Die DDR pflegte auf internationaler Ebene allerdings nicht nur mit der BRD und der
UdSSR Beziehungen. In den Fünfziger Jahren gab es mehrere sozialistische Staaten, denen es
auf Grund ihrer politischen Ausrichtung ebenfalls an Handlungsspielraum, Anerkennung und
Legitimität mangelte. Die Demokratische Republik Vietnam (DRV) gehörte zu diesen
Staaten. Sie suchte ab 1950 internationale Bundesgenossen, um ihre Machtposition zu
festigen. Dafür wandte sie sich unter anderem an die DDR. Die DDR sah sich allerdings jetzt
in der Situation vor ein Problem gestellt. Auf der einen Seite machte es die internationale
Lage für sie unmöglich, Beziehungen zur DRV einzugehen. Auf der anderen Seite war es aber
für ihre internationale Position auch von Vorteil, sich der DRV anzunähern. Darüber hinaus
fühlte sie sich verpflichtet, einem kommunistischen Brüdervolk zu helfen.
Anstatt direkte Beziehungen zur DRV aufzunehmen, entschied sich die DDR dafür,
das Problem der deutschen (ehemaligen) Fremdenlegionäre in der DRV zu lösen, worauf sie
in einem Brief der Lao Dong Partei aufmerksam gemacht worden war. Dadurch rettete sie
sich aus einer schwierigen Situation. Diplomatische Beziehungen musste sie auf diese Art und
Weise nicht eingehen, sie zeigte aber trotzdem Solidarität. Die DDR reagierte in einer
Regierungserklärung vom 2. Februar 1950 auf den Brief der Lao Dong Partei. Sie rief die
132
deutschen Fremdenlegionäre auf, den Indochinakrieg zu beenden und in die DDR
zurückzukehren.
Die DDR war zwar eher zufällig auf die deutschen Fremdenlegionäre in Indochina
aufmerksam gemacht worden, sie instrumentalisierte sie aber bereits 1950 für ihre Ziele. Die
Ziele bezogen sich auf die Westintegration und die Remilitarisierung der BRD. Die DDR war
nicht in der Lage, sich politisch gegen diese Prozesse wehren zu können. In ihrer Arbeit mit
den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären sah sie Möglichkeiten, sich mittels Propaganda
und Öffentlichkeitsarbeit zu den Prozessen der Westintegration und der Remilitarisierung zu
äußern; in der Hoffnung, sie rückgängig zu machen. Seit 1950 wurden Vorbereitungen
getroffen, die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre mit Heimkehrer-Transporten in die
DDR zurückzuführen. Dafür arbeitete die DDR mit der DRV zusammen, aber auch mit Erwin
Borchers, der sich als Überlaufer im Dienst des Viet Minh schon ab 1950 mit den deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre beschäftigte, noch bevor die DDR sich überhaupt mit ihnen
auseinandersetzte.
Zwar konnten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre für die DDR vorteilhaft
eingesetzt werden, sie waren aber gleichzeitig eine problematische Personengruppe. Das
Verhältnis der DDR zu den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären war nie eindeutig
positiv, es ist eher als eine Hass-Liebe zu bezeichnen. Die DDR vermochte die Heimkehrer
zwar einerseits zu instrumentalisieren, und sie „liebte“ sie dafür. Andererseits aber wurden sie
während der ganzen ersten Hälfte der Fünfziger Jahre von der DDR mit Misstrauen und Angst
betrachtet. Die Hass-Liebe kam zuerst während der Vorbereitungen, die der ostdeutsche Staat
für die Heimkehrer-Transporte traf, zum Ausdruck. Schon 1950 wurde eine Übersicht über
die Identität der Heimkehrer erstellt, in der als Schwerpunkte ihre Ansässigkeit und ihr Status
als Überlaufer oder Kriegsgefangener erfasst wurden. Aufbauend auf die misstrauische
Beobachtung aller deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden die westdeutschen
Heimkehrer und die Kriegsgefangenen noch argwöhnischer beäugt. Die Westdeutschen
könnten wieder in den Westen gehen, und hinsichtlich der Kriegsgefangenen hegte die DDR
Zweifel an deren Zuverlässigkeit.
Zweitens zeigte sich die Hass-Liebe der DDR zu den deutschen ehemaligen
Fremdenlegionären auch in Umgang mit ihnen. Die DDR ging von ihrer Unzuverlässigkeit
aus und glaubte daran, dass sie politisch und gesellschaftlich geschult werden mussten, um
auf ein neues Leben in Ostdeutschland vorbereitet zu sein. Die Schulungen begangen in den
Lagern in der DRV, und wurden während den Heimkehrer-Transporte fortgesetzt. Die
133
politisch und ideologisch zuverlässigsten DDR-Bürger wurden mit diesen Transporten
betraut. Ihre Aufgabe bestand darin, den Heimkehrern ein politisches Programm anzubieten
und Gespräche mit ihnen zu führen. Auch nach dem Eintreffen in Quarantänelager
Bischofswerda erwartete die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre ein einmonatiges
Umerziehungsprogramm.
Diese Vorbereitungen und Handlungen der DDR dienten dazu, sich der
Zuverlässigkeit der Heimkehrer zu versichern um ihren Einsatz in der Propaganda und
Öffentlichkeitsarbeit zu optimieren. Dieser Einsatz zielte in der ersten Hälfte der Fünfziger
Jahre auf die gesamte ostdeutsche Gesellschaft. Die Themen der Fremdenlegion und der
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre wurden in der Öffentlichkeit, in der Repräsentation
und von den gesellschaftlichen Organisationen aufgenommen. Die Heimkehrer spielten auf
allen Ebenen eine zentrale Rolle und sollten dem Ansehen der DDR dienen. Am wichtigsten
bewertete die DDR ihren Einsatz in den Pressekampagnen und auf den Pressekonferenzen, die
zwischen 1951 und 1954 organisiert wurden. Auf den Pressekonferenzen wurde sowohl die
ost- wie auch die westdeutsche Presse eingeladen. Abgesehen von der Auswertung in der
Pressearbeit wurden manche deutsche ehemalige Fremdenlegionäre von der DDR damit
beauftragt, ihre „Erlebnisberichte“ in Büchern zu publizieren. Die Auswertung des Themas
der Fremdenlegion und der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der Repräsentation
umfasste die Produktion von Filmen und Theaterstücken sowie deren mehrfache Aufführung
in den Fünfziger Jahren. Des weiteren wurden die Heimkehrer eingesetzt, um ihre Kollegen in
der DDR über ihr politisches und gesellschaftliches Leben in der DDR aufzuklären. Ihre
Kameraden in der DRV erhielten Briefe, in denen ihnen über das gute Leben in der DDR
berichtet wurde. Die DDR beabsichtigte damit, noch mehr deutsche ehemalige
Fremdenlegionäre in die DDR zurückzuführen.
Die DDR stellte es in der ganzen Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit so dar, als ob
die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre spontan authentische Berichte verfassten. Sie
hätten dazu auch allen Anlass, da sie Augenzeugen eines in den Augen der DDR
unberechtigten Krieges waren. Tatsächlich wurden die Heimkehrer jedoch während der
Heimkehrer-Transporte zunächst einmal politisch und ideologisch eingeschätzt und selektiert.
Danach wurden ihnen die von der DDR vorbereiteten Berichte übergeben. Eigene Initiative
wurde von der DDR nicht geschätzt. Sie wäre sowieso kaum nennenswert, da die meisten
Heimkehrer der DDR-Ideologie skeptisch gegenüberstanden und heimlich eine ganz andere
Meinung vertraten. So waren sie zum Beispiel viel positiver gegenüber der Fremdenlegion
134
eingestellt als die Aussagen die sie in der Öffentlichkeit äußerten beziehungsweise äußern
mussten. Alles in Bezug auf die Themen Fremdenlegion und deutsche ehemalige
Fremdenlegionäre wurde also von der DDR inszeniert. Diese Inszenierung ist am besten in
der Ähnlichkeit der Themen auf alle Ebenen der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit
sichtbar. Zu den wichtigsten Themen gehörten die Verurteilung des Indochinakrieges,
Adenauers Haltung hinsichtlich dieses Krieges und die – laut der DDR – schändlichen
Werbungsmethoden für die Fremdenlegion. Desweiteren wurde immer wieder Kritik an den
in der BRD ratifizierten Verträgen im Rahmen der Westintegration und der
Wiederbewaffnung gehegt, wie zum Beispiel die EVG- und Deutschlandverträge. Auch
wurde von der DDR ein schwarz-weißes Bild hinsichtlich der Fremdenlegion und der
Volksarmee gemalt. Das Leben in der Fremdenlegion sei die Hölle für die Fremdenlegionäre
gewesen, und die Volksarmee hätte sie freundlich aufgenommen und Kontakte zur DDR
geknüpft, die zu ihrer Heimkehr beigetragen hätten.
So begeistert die DDR ihre Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit 1951 umfassend
begonnen hatte, so schnell endete sie auch wieder. Trotz der Versuche der DDR, die Prozesse
der Westintegration und der Remilitarisierung der BRD entgegenzuwirken, wurden diese
Prozesse 1955 abgeschlossen. Da die Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit dem
Rückgängigmachen dieser Prozesse gedient hatte, hatte sie nun ihr Sinn verloren. Es war
vielleicht naiv von der DDR zu denken, dass ihre Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit
politische Änderungen hätte auslösen können. Sie war sich bewusst, dass sie politisch keinen
Handlungsspielraum besaß. Es ist jedoch auch verständlich, dass die DDR mangels anderer
Möglichkeiten der Beeinflussung alles versuchte, die westdeutschen Entwicklungen zu
verhindern. Ab 1954, und verstärkt ab 1955, taugten die deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre für die DDR auf jeden Fall nicht länger als direkte politische Werbeträger.
Sie konnten auf Grund der Beendigung des Indochinakrieges 1954 weder gegen die
behauptete Ungerechtigkeit dieses Krieges noch für die Auseinandersetzung mit
Westdeutschland eingesetzt werden. Die DDR konnte ihre Arbeit aber nicht plötzlich
beenden. Besonders, da sich die DRV der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre entledigen
wollte. Die sich noch in der DRV befindlichen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
wurden wie ihre Kameraden noch bis 1956 zurückgeführt. Für die Heimkehrer der letzten
Transporte wurden allerdings weder Pressekonferenzen noch Pressekampagnen organisiert.
Obwohl der wenig erfolgreiche Einsatz der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit Mitte der Fünfziger Jahre beendet wurde,
135
bedeutete das keineswegs das Ende der Beschäftigung der DDR mit ihnen. Sie wurden von
der DDR nicht nur hinsichtlich der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit zugleich gehasst und
geliebt sowie instrumentalisiert, sondern auch hinsichtlich der Arbeit des Ministeriums für
Staatssicherheit. In den Augen der DDR stellten sie auf Grund ihres Charakters, ihres
Bewusstseins, ihrer Disziplin und ihrer Unzuverlässigkeit einen Risikofaktor dar. Für die
DDR lagen die Gründe dafür im Charakter, in der Vergangenheit und in der Arbeit der
Heimkehrer in der Fremdenlegion. Das politische Umschulungs- und
Überzeugungsprogramm scheiterte. Die meisten von ihnen konnten nicht von der guten Sache
der DDR überzeugt werden und waren überhaupt nicht mit der Gestaltung der Propaganda
und Öffentlichkeitsarbeit einverstanden. Auch die Integration der Heimkehrer war schwierig.
Die DDR sah deshalb in der Fünfziger Jahre einen ständigen Bedarf an Beobachtung der
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in ihren neuen Wohnorten und an ihren neuen
Arbeitsplätzen. Viele Heimkehrer zogen aber rasch illegal in den Westen um. Die DDR
konnte die Republikflucht zwar in der Öffentlichkeit vertuschen, sie hatte aber trotzdem
Angst vor der Gefährdung ihrer Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit sowohl im Osten wie
im Westen. Es sah natürlich nicht gut aus, wenn die den Westen kritisierenden Heimkehrer
selbst in den Westen verzogen. Das machte die DDR-Berichterstattung unglaubwürdig.
Darüber hinaus hätten die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre die ostdeutsche politische
und gesellschaftliche Lage im Westen kritisieren können, auch wenn die meisten unpolitisch
waren und aus rein opportunistischen Gründen in den Westen zogen. Die aktive Verhinderung
des Republikflucht wurde von der DDR jedoch auch als unerwünscht erachtet. Jede
internationale Entwürdigung des ostdeutschen Staates im Westen sollte verhindert werden. In
diesem Kontext sollte der Westen die DDR nicht als Gefängnis wahrnehmen.
Das Ministerium für Staatssicherheit wurde damit beauftragt, die deutschen
ehemaligen Fremdenlegionäre während der Heimkehrer-Transporte, im Quarantänelager
Bischofswerda und in ihren neuen Wohn- und Arbeitsorten zu beobachten und operativ zu
bearbeiten. Neben sicherheitspolitischen Gründen spielten geheimdienstliche Gründe und
Ziele eine Rolle. Einerseits war die Überwachung der Heimkehrer also notwendig,
andererseits auch vorteilhaft. Vorteilhaft in dem Sinne, dass die vom Ministerium für
Staatssicherheit selektierten Heimkehrer später, im Quarantänelager Bischofswerda oder nach
der Quarantänezeit, als Kontaktperson, Geheimer Informant oder Geheimer Mitarbeiter
angeworben wurden. Nach ihrer Anwerbung wurden die Heimkehrer zur Bespitzelung ihrer
Kollegen eingesetzt. So hoffte die DDR, die Republikflucht und die Gefährdung ihrer
136
Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit zu verhindern.
Die Heimkehrer wurden vom Ministerium für Staatssicherheit jedoch als weniger
unzuverlässig und damit vorteilhafter bewertet als die aus der Kriegsgefangenschaft
entlassenen Kameraden. Dies hing erstens mit deren Status zusammen. Die entlassenen
Fremdenlegionäre hatten ihre Dienstzeit normal beendet und kamen meist aus der BRD in die
DDR. Die DDR ging davon aus, dass dieser Umzug von den französischen Geheimdiensten
initiiert wurde und Spionagetätigkeiten in der DDR diente. Entlassene Fremdenlegionäre, die
sich zum Beispiel nicht genau so entwickelten, wie es die DDR beabsichtigte, die die
französische Sprache beherrschten oder für den Geschmack der DDR zu oft in den Westen
reisten standen unter Verdacht. Sie stellten auf Grund dem Erhalt einer Vierteljahresrente
einen Risikofaktor für die DDR da. Diese Rente konnte nur im französischen Konsulat in
Westberlin persönlich vom Fremdenlegionär abgeholt werden. Die entlassenen
Fremdenlegionäre waren im Westen in der Lage, Kontakte zur Fremdenlegion und zu anderen
deutschen ehemaligen Fremdenlegionären zu knüpfen.
Trotz des großen Misstrauens der DDR war die Gruppe der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre zugleich auch am besten als Kontaktperson, GI oder GM in der
(sicherheits)politischen Auseinandersetzung mit dem Westen instrumentalisierbar, da sie ihre
Rente oder Pension im Westen abholten, hier für die DDR interessante Kontakte hatten oder
den Anciens Légionnaires Étrangère Francais (A.L.E.F.) besuchen konnten. Sie standen zwar
im Verdacht von französischen Agententätigkeiten standen, sie konnten aber trotzdem von der
DDR für Spionageziele eingesetzt werden. Auf diese Weise konnte die DDR über die
Instanzen der Fremdenlegion, wie zum Beispiel das Deuxième Bureau und den A.L.E.F.
aufgeklärt werden, worüber „Objektvorgänge“ angelegt wurden. Die entlassenen
Fremdenlegionäre sollten nicht nur zur Infiltration für Informationen, sondern auch zur
Kontaktknüpfung zu Kameraden verwandt werden, damit die DDR später eventuell auch sie
für das Ministerium für Staatssicherheit anwerben konnte.
Wenn jetzt die Bilanz über die Arbeit der DDR hinsichtlich der Heimkehrer und der
entlassenen Fremdenlegionäre gezogen wird, kann erstens festgestellt werden, dass auf Grund
intensiver Archivforschung neue Fakten über diese zwei Gruppen deutscher ehemaliger
Fremdenlegionäre bekannt werden. Diese neue Fakten ergänzen die Studien von Michels,
Michelers und Schütte. Michels bietet eine umfangreiche Übersicht über die Fremdenlegion
und alle deutsche Fremdenlegionäre zwischen 1870 und 1965. Michelers beschäftigte sich vor
allem mit den Erlebnisberichten einzelner deutscher ehemaliger Fremdenlegionäre. Schütte
137
schließlich nimmt das Thema der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der ersten
Hälfte der Fünfziger Jahre zum ersten Mal als einzelnes Thema auf, indem er über drei
Überläufer zum Viet Minh berichtete. In dieser Master-Arbeit wurde auf das Thema der
deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre als einzelne
und wichtige Gruppe in der Geschichte der DDR konzentriert.
Zweitens kann festgestellt werden, dass die Heimkehrer und die entlassenen
Fremdenlegionäre zwar von der DDR vollständig instrumentalisiert wurden, aber für den
ostdeutschen Staat ebenfalls ein Risiko darstellten. Die DDR investierte aus Eigennutz und
nicht aus humanitären Gründen Zeit, Geld und Energie in die Heimkehrer. Der von ihr
erwartete politische und ideologische Erfolg in der Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit blieb
jedoch aus, und der gezielte Einsatz der Heimkehrer war außerdem nur sehr kurzfristig
möglich. Die Beschäftigung des Ministeriums für Staatssicherheit war kaum erfolgreicher, da
mit den Heimkehrern in der Staatssicherheit auf Grund ihrer unpolitischen Haltung, ihrer
Unzuverlässigkeit und der großen Zahl von Republikflüchtigen nicht viel erreicht wurde. Die
(sicherheits)politischen Instrumentalisierung der entlassenen Fremdenlegionäre war ähnlich
mangelhaft. Die Staatssicherheit gab sich große Mühe, diese Gruppe zu beobachten und
operativ zu bearbeiten, doch diese Mühe stand in keinem Verhältnis zum Nutzen der
entlassenen Fremdenlegionäre. Auch wenn sie für Spionagetätigkeiten in den Westen
geschickt wurden, bestand stets die Gefahr der Unzuverlässigkeit und der „Dekonspiration“.
Die DDR wurde zwar von den deutschen ehemaligen Fremdenlegionären aufgeklärt, bezahlte
dafür aber einen hohen Preis.
138
Literatur- und Quellenverzeichnis
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Bd. 3691
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DY 30 Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED)
Bd. IV 2-391
Bd. J IV 2/2 J-97
DY 34 Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB)
Bd. 257
Bd. 5498
Bd. 5815
Bd. 5531
Bd. 5532
Bd. 21845
NY 4182 Nachlass Walter Ulbricht
Bd. 1269
Bd. 1270
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Bd. 712
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Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten
Bd. 1054
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Bd. A 8299
Bd. A 8324
Bd. A 8678
Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU), Berlin
Zentralarchiv des Ministeriums für Staatsicherheit
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MfS 511/62, Bd. 3
MfS 511/62, Bd. 4
MfS 511/62, Bd. 5
MfS 511/62, Bd. 7
MfS 511/62, Bd. 10
MfS 511/62, Bd. 11
MfS 511/62, Bd. 12
MfS 511/62, Bd. 14
MfS 511/62, Bd. 16-II
MfS 511/62, Bd. 19
MfS 511/62, Bd. 20
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MfS 511/62, Bd. 29
MfS 511/62, Bd. 30
Dokumenten des Ministeriums für Staatssicherheit
MfS-BdL/Dok. Nr. 002066
MfS BdL/Dok. Nr. 003670
Bezirksverwaltungen des Ministeriums für Staatssicherheit
MfS BVfS Cottbus Abt. II 150
MfS BVfS Cottbus Abt. II 160
144
Anhang I: Einsätze der französischen Fremdenlegion393
Datum
Einsatz
1831-1882
Algerien
1835-1839
Spanien
1836-1849
Algerien
1854-1856
Krim
1859
Italien
1863-1867
Mexiko
1870-1871
Französisch-Preußischer Krieg
1871
Pariser Kommune
1881
Tunesien
1883-1897
Tonkin
1892-1894
Dahomey und Sudan
1895-1904
Madagaskar
1907-1934
Marokko
1914-1918
Erster Weltkrieg
1915-1918
Naher Osten
1925
Syrien
1939-1945
Zweiter Weltkrieg
1945-1954
Indochina
1952-1954
Tunesien
1953-1956
Marokko
1954-1962
Algerien
1956
Ägypten
1969-1970
Tschad
1978
Zaire
1982-1983
Libanon
1983-1984
Tschad
1990
Gabun
393
In: Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965 und Jordan, Die Geschichte der Fremdenlegion von
1831 bis heute.
145
1991
Erster Golfkrieg
1992-heute
Balkan
1992-1993
Kambodscha, Somalia
1993-2003
Bosnien, Kosovo, Makedonien
1994
Ruanda
1996-1997
Kongo
2002-2007
Afghanistan
2003-2006
Irak
146
Anhang II: Deutsche in der Fremdenlegion394
Datum
Zahl
1870-1895
ca. 50% (Deutsche und Elzaβ-Lothringer)
1895-1914
ca. 25%
1918
ca. 15%
1919-1933
ca. 50%
1939
ca. 20%
1945
ca. 10%
1953-1954
ca. 55%
1962
ca. 35%
Ende der Sechziger Jahre
ca. 20%
394
In: Michels, Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965, S. 332.
147
Anhang III: Der Ministerratsbeschluss vom 2.2.1950395
Erklärung der Provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vom
2. Februar 1950 zur Frage der Fremdenlegionäre in Vietnam
Das deutsche Volk, die Deutschen des Saargebiets eingeschlossen, selbst bedrängt von angloamerikanischen und französischen Imperialisten, sieht in allen unterdrückten Völkern seine
natürlichen Bundesgenossen im Kampf um die nationale Freiheit und um den Frieden. Die
Regierung der Deutschen Demokratischen Republik erklärt daher ihre Sympathie und
Freundschaft für den heldenmütigen Kampf der Demokratischen Republik Vietnam um
Freiheit und nationale Unabhängigkeit.
Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik stellt mit Entrüstung fest, daβ
Tausende junger Deutscher durch Ausnutzung ihres Hungers und ihrer Verzweiflung, ihrer
Angst vor Repressalien, nach langer Internierung in die französische Fremdenlegion gepreβt
wurden. Zehntausende junger Deutscher sind bereits auf den Schlachtfeldern Vietnams
gefallen, und noch Zehntausenden droht der Tod in diesem verbrecherischen Krieg der
Imperialisten gegen die Volksrepublik.
Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik fordert alle Deutschen, die als
Fremdenlegionäre in die französische Kolonialarmee gepreβt wurden, auf, mit dem
schmutzigen Krieg gegen Vietnam Schluβ zu machen und zur Volksarmee Vietnams
überzugehen. So werden die zu französischen Söldnern gepreβten Deutschen nicht nur ihr
eigenes Leben, sondern auch die Ehre Deutschlands retten und die Interesse der deutschen
Nation in dem schweren Kampf um die Einheit und die nationale Unabhängigkeit des
demokratischen Deutschland verteidigen.
Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik garantiert allen deutschen
Soldaten, die aus der französischen Kolonialarmee zur Volksarmee Vietnams übergehen,
vollkommene Amnestie, Arbeit entsprechend ihren Wünschen und Fähigkeiten sowie
berufliche Ausbildungsmöglichkeiten.
Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik wird alles unternehmen, um
die Heimreise dieser deutschen Soldaten zu erleichtern. Wir fordern alle deutschen Soldaten
in der französischen Kolonialarmee auf: Kämpft nicht gegen den Freund des deutschen
395
In: BArch, DO I/9125.
148
Volkes, Vietnam, kommt nach Hause, kehrt zurück nach Deutschland, hier wartet auf Euch
ein ehrenhaftes und sinnvolles Leben.
149
Anhang IV: Die Heimkehrer-Transporte 1951-1956
Transport
Datum 396
Zahl der deutschen ehemaligen
Fremdenlegionäre
I
29.03.1951
69 Überläufer
II
08.04.1952
41 Überläufer, 92 Kriegsgefangenen
III
16.02.1953
28 Überläufer, 11 Kriegsgefangenen
IV
13.09.1953
12 Überläufer, 2 Kriegsgefangenen
V
16.08.1954
39 Überläufer, 41 Kriegsgefangenen
VI
05.04.1955
357 Überläufer
VII
30.01.1956
71 Überläufer
Gesamtzahl der Überläufer: 617
Gesamtzahl der Kriegsgefangenen:146
396
Das Datum bezieht sich auf den Tag, an dem die deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in Bischofswerda
eintrafen.
150
Anhang V: Die Zahlen der republikflüchtigen deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre
1951-1956397
Rat des Bezirkes Potsdam, 22.2.1957:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 41
Noch im Bezirk: 11
Die DDR illegal verlassen: 23
Aufenthaltsort unbekannt: 7
Rat des Bezirkes Dresden, 25.2.1957:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 139
Noch im Bezirk: 68
Die DDR illegal verlassen: 59
Die DDR legal verlassen: 3
In andere Bezirken umgezogen: 9
Rat des Bezirkes Suhl, 23.2.1957:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 27
Noch im Bezirk: 13
Die DDR illegal und legal verlassen: 9398
In anderen Bezirken umgezogen: 3
Aufenthaltsort unbekannt: 2
Rat des Bezirkes Cottbus, 30.11.1956:399
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 42
Noch im Bezirk: 15
Die DDR illegal verlassen: 22
In andere Bezirken umgezogen: 4
Per Fernschreiben gemeldet aber nicht eingetroffen: 2
397
In: BArch, DO I/15861.
In den Akten wird kein Unterschied zwischen den legalen und illegalen Umziehenden gemacht.
399
Es gibt ein Fehler in dieser Quelle. Während die Gesamtzahl der DDR sich auf 42 beläuft, ergibt sich ihre
Aufteilung auf 43.
398
151
Rat des Bezirkes Magdeburg, 16.11.1956:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 73
Noch im Bezirk: 30
Die DDR illegal verlassen: 25
Die DDR legal verlassen: 2
In andere Bezirken umgezogen: 7
Aufenthaltsort unbekannt: 6
Im Gefängnis: 2
Selbstmord begangen: 1
Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, 22.11.1956:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 75
Noch im Bezirk: 40
Die DDR illegal verlassen: 19
Die DDR legal verlassen: 9
In andere Bezirken umgezogen: 7
Rat des Bezirkes Schwerin, 17.11.1958:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 51
Noch im Bezirk: 22
Die DDR illegal verlassen: 24
In andere Bezirken umgezogen: 4
Im Gefängnis: 1
Rat des Bezirkes Erfurt, 14.11.1956:400
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 32
Noch im Bezirk: 17
Die DDR illegal verlassen: 11
In andere Bezirken umgezogen: 2
Im Gefängnis: 1
400
Es gibt auch hier einen Fehler. Die Gesamtzahl der DDR beträgt nämlich 32, während ihre Aufteilung 31
ergibt.
152
Rat des Bezirkes Frankfurt Oder, 15.11.1956:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 44
Noch im Bezirk: 21
Die DDR illegal verlassen: 19
Die DDR legal verlassen: 2
Verstorben: 2
Rat des Bezirkes Neubrandenburg, 6.12.1956:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 49
Noch im Bezirk: 17
Die DDR illegal verlassen: 25
In andere Bezirken umgezogen: 7
Rat des Bezirkes Rostock, 19.11.1956:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 33
Noch im Bezirk: 14
Die DDR illegal verlassen: 16
In andere Bezirken umgezogen: 3
Rat des Bezirkes Halle, 13.11.1956:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 70
Noch im Bezirk: 32
Die DDR illegal verlassen: 27
In andere Bezirken umgezogen: 11
Rat des Bezirkes Leipzig, 14.11.1956:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 60
Noch im Bezirk: 31
Die DDR illegal verlassen: 19
In andere Bezirken umgezogen: 10
Rat des Bezirkes Gera, 13.11.1956:
Zahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre, die im Bezirk aufgenommen wurden: 27
153
Noch im Bezirk: 14
Die DDR illegal verlassen: 8
Die DDR legal verlassen: 1
In andere Bezirken umgezogen: 3
Im Gefängnis: 1
Gesamtzahl der deutschen ehemaligen Fremdenlegionäre in den Bezirken: 763
Von denen republikflüchtig: 306
154
Anhang VI: Organigramm der HA II des Ministeriums für Staatssicherheit im Jahre
1958401
401
In: Labrenz-Weiβ, Die Hauptabteilung II, S. 39.
155
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