Didaktische Prinzipien - Einleitung - PH

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Franz Feiner
Kurzskriptum für den internen Gebrauch für Studierende der Kirchlichen
Pädagogischen Hochschule Graz
Graz 2008
1
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Unterrichtswissenschaft - Didaktische Prinzipien
Allen Lehrplänen ist gemeinsam, dass sie im Vorwort Gesichtspunkte formulieren,
die ihnen wichtig sind. Seit langem gelten die Didaktischen Prinzipien als
wesentlicher Bestandteil der jeweils gültigen Lehrpläne. Doch man fragt sich sowohl
als Praktiker als auch als Unterrichtswissenschafter:
a) Wie sind diese Prinzipien zu verwirklichen? (Sollten nicht die Lehrpläne auch bei
den Inhalten methodische Hilfen bieten, um die Umsetzung der Diaktischen
Prinzipien zu ermöglichen?)
b) Warum werden diese vorrangigen Gesichtspunkte so unterschiedlich benannt?
(Die Begriffe "Didaktische Prinzipien", "Unterrichtsprinzipien",
"Unterrichtsgrundsätze", "Didaktische Aufgaben", "Allgemeine Aufgabenbereiche"
werden meist synonym gebraucht).
c) Immer wieder wurden neue Aufgabenbereiche in die Lehrpläne aufgenommen,
z.B. Sexualerziehung, Medienerziehung, Friedenserziehung, Umwelterziehung,
usw. Wenn ich diese Aufgabenbereiche mit Inhalten fülle, kann ich allein damit
ein ganzes Jahr arbeiten und kann mir die Inhalte aus den einzelnen
Themenfeldern sparen, d.h. es ist damit wirklich ein "Nebenlehrplan" entstanden.
d) Die Inhalte sollen im Unterricht unter Berücksichtigung der Kindgemäßheit,
Anschaulichkeit, Selbsttätigkeit usw. durchgenommen werden. - Wieviel Übung
braucht man, um dies alles zu bedenken und zu berücksichtigen?
Weiters sei dazu angemerkt:
 Diese Prinzipien sind gültig für alle Unterrichtsfächer - zu fragen ist: Inwiefern
haben sie für den Religionsunterricht Gültigkeit?
 Wenn sie für den RU gültig sein sollen, müssen sie sich auch theologisch
begründen lassen.
 Wie lassen sie sich religionspädagogisch begründen?
 Welche methodisch-didaktischen Möglichkeiten ergeben sich?
Aus diesen Gedanken ergibt sich für dieses Skriptum folgende Struktur für die
Behandlung der einzelnen Prinzipien:
a) pädagogische Gesichtspunkte
b) theologische Gesichtspunkte
c) religionspädagogische Gesichtspunkte
d) methodisch-didaktische Impulse
Es werden zunächst die sogenannten sieben klassischen Didaktischen Prinzipien
behandelt; im weiteren sind auch Prinzipen zu bedenken, die in die Lehrpläne für die
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Sonderschule und Integrationsklassen Eingang gefunden haben, wie
Sachgerechtheit, Differenzierung und Integrierung, Besondere Lernhilfen und
Therapeutisch-funktionelle Übungen.
Zu reflektieren ist auch, dass der Lehrplan 2000 für die Schule der 10- bis 14jährigen von den Aufgabenbereichen der Schule spricht, die der Religionsunterricht
grundlegend unterstützt und zur Sinnfindung, religiösen Sachkompetenz und
Gestaltung des Schullebens wesentlich beiträgt.
Außerdem werden Beiträge des katholischen Religionsunterrichts zu den
Bildungsbereichen
 Sprache und Kommunikation
 Mensch und Gesellschaft



Natur und Technik
Kreativität und Gestaltung und
Gesundheit und Bewegung
aufgeschlossen.
Bezüglich der „Didaktischen Grundsätze“ schreibt der Lehrplan 2000 in seiner
novellierten Fassung: „Für alle Ziel- und Inhaltsformulierungen des Lehrplans gilt
nachstehendes Prinzip. Dieses beschreibt keine zeitliche Abfolge der einzelnen
Elemente, sondern fordert deren Verschränkung. In der praktischen Umsetzung soll
die Differenziertheit der Unterrichtssituation wahr- und ernstgenommen werden,
wodurch sich unterschiedliche Schwerpunktsetzungen ergeben.
Das Prinzip des Religionsunterrichts:
Religionsunterricht zielt Korrelation als wechselseitige Erschließung von Leben und
christlicher Tradition an.
Zum einen sind die Erfahrungen der SchülerInnen und LehrerInnen zur Sprache zu
bringen. Diese werden vielfältig zum Ausdruck gebracht, reflektiert, auf ihre religiöse
Sinndimension hin erschlossen und mit der biblischen sowie kirchlichen
Überlieferung wechselseitig in Beziehung gesetzt.
Zum anderen sind jene fachspezifischen Bildungsinhalte zur Sprache zu bringen, die
möglicherweise den SchülerInnen vorerst neu und fremd sind. Diese können bisher
Selbstverständliches im Leben der SchülerInnen in Frage stellen und neue
Erfahrungs- und Deutungsmöglichkeiten eröffnen.
Ein solcher Religionsunterricht intendiert, dass in den Unterrichtsprozessen die
christliche Botschaft erfahrbar wird.“1
1
Lehrplan für den Katholischen Religionsunterricht an Allgemeinbildenen Höheren Schulen (Unterstufe) und
Hauptschulen. Novellierter Lehrplan 2000, 2003, Präambel.
3
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Im folgenden sollen zuerst die sog. klassischen Didaktischen Prinzipien auf ihre
Relevanz für den RU geprüft werden.
1. Gemeinschaftserziehung / Soziales Lernen
2. Rücksicht auf die Eigenart der Schüler und ihre Entwicklungsstufe –
Kindgemäßheit
3. Lebensbezogenheit und Anschaulichkeit; Heimatnähe und Weltoffenheit,
Lebens- und Gegenwartsnähe
4. Selbsttätigkeit - Aktivierung und Motivierung
5. Sicherung des Unterrichtsertrages / Festigung
6. Konzentration der Bildung - Exemplarisches Lernen
7. Methodengerechtheit und Methodenfreiheit
1. Gemeinschaftserziehung - Soziales Lernen
1.1. Bedingungen schaffen, die soziales Lernen ermöglichen Pädagogische Gesichtspunkte
"Die Förderung der Persönlichkeit der Kinder zielt einerseits auf die Stärkung des
Selbstwertgefühls und andererseits auf die Entwicklung des Verständnisses für
andere."2
* Partnerschaftliche und gruppenunterrichtliche Arbeitsweisen fördern
Gesprächsfähigkeit und kooperatives Verhalten
* Díe Lehrperson soll mithelfen, einen Lern- und Lebensraum zu "schaffen, in dem
menschliche Wärme, der Grundsatz des Helfens, stabilisierende Ordnung und
positive Lernatmosphäre vorherrschen."3
Beim seit Jan Amos Comenius (1592-1670) bestehenden Prinzip des
Jahrgangsklassensystems ist ernsthaft zu fragen: Kann dieses Prinzip der
Gleichaltrigkeit wirklich absolut gesetzt werden? Soll nicht ein flexibler Schuleintritt
möglich sein, bzw. ist nicht das Repetieren einer Klasse die Störung
gemeinschaftlicher Spielregeln. Ist nicht auch ein Abbruch der Motivation gegeben,
wenn der Repetent in allen Gegenständen von vorne beginnen muß? Wären nicht
eine Anpassung an das individuelle Lerntempo und besondere Hilfen durch
spezifische Lernstrategien sinnvoller?
Schon im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts stellte der Jena-Plan von Peter
Petersen (1884 - 1952) das Jahrgangsklassensystem in Frage zugunsten einer
"Lebensgemeinschaftsschule". Petersen bevorzugte Stammgruppen mit relativer
2
3
Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule, Wien 2. Aufl. 1990, 37.
a.a.O. 38.
4
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Gleichaltrigkeit, Feier-, Spiel-, Arbeits- und Aussprachegemeinschaften, eine Schulwohnstube statt des Klassenzimmers. Für ihn ist die allgemeine Reife entscheidend
für den Übertritt in die nächste Stammgruppe; bedeutsam ist die gegenseitige
Hilfeleistung, indem ältere Schüler "Patenschaften" für jüngere übernehmen.
Als Konsequenz dieser Ideen sind entgegen zentralen Mammutschulen
überschaubare Schulen mit kleinen Klassen und dorfeigene Landschulen zu
bevorzugen. Zu hinterfragen ist demnach auch das in Österreich seit 1985
bestehende System der "neuen Hauptschule", wo die SchülerInnen nur wenig Zeit in
der Stammklasse verbringen, wo sie in den Hauptgegenständen in drei
Leistungsgruppen unterrichtet werden.
1.2. Ein Gott der Beziehung - Theologische Gesichtspunkte





Gott ist ein Gott, der in sich Beziehung ist, und der Beziehung unter den
Menschen will.
Schon im ersten Buch der Bibel ist davon die Rede, dass Gott nicht will, dass der
Mensch allein sei, und er gesellt Adam eine Gefährtin bei.
Jesu Handeln ist stets gemeinschaftfördernd, gemeinschaftsstiftend. Wenn er
Aussätzige, d.h. von der Gemeinschaft Ausgestoßene heilt, dann will er damit
v.a. ihre Gemeinschaftsfähigkeit bewirken.
Seine Stiftung des Letzten Abendmahls aus der Pascha-Erfahrung heraus will
Gemeinschaft stiften, communio wirken.
Kommunion ist der Auftrag an uns, Gemeinschaft zu ermöglichen,
Kommunikation (communio facere) im Alltag zu üben.
Am Anfang also: Beziehung.
Am Anfang: Rhythmus.
Am Anfang: Geselligkeit.
Und weil Geselligkeit: Wort.
Und im Werk, das sie schuf,
suchte die gesellige Gottheit sich
neue Geselligkeiten.
Weder Berührungsängste
noch hierarchische Attitüden.
Eine Gottheit, die vibriert
vor Lust, vor Leben.
Die überspringen will
auf alles,
auf alle.
(Kurt Marti)4
4
K. Marti, Die gesellige Gottheit. Ein Diskurs, Stuttgart 2. Aufl. 1993, 8f.
5
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1.3. Zur Kommunikation befähigen - Religionspädagogische
Gesichtspunkte
Da Gott ein Gott der Beziehung ist, will nicht nur die Liturgie zu communio führen,
sondern auch der Religionsunterricht sich durch Kommunikation untereinander
diesem Gott der Beziehung annähern.
Der/Die SchülerIn soll daher befähigt werden,
 soziale ... Zusammenhänge zu erkennen ... und Solidarität für die
Mitmenschen zu entwickeln,
 das befreiende Handeln Gottes für die Menschen und mit den Menschen zu
sehen und anzuerkennen",

sein/ihr Verhalten entsprechend der jeweiligen Situation, gemäß seinen/ihren
Bedürfnissen und Einsichten, sowie unter Bedachtnahme auf die Bedürfnisse
und Ansprüche seiner/ihrer Umwelt zu gestalten."

Soziales Lernen leistet in der Pubertät einen wesentlichen Beitrag zur
Identitätsfindung, der zentralen Entwicklungsaufgabe dieser Altersstufe".
Soziales Lernen schafft auch die Voraussetzung, als mündiger Christ
verantwortlich am Gemeindeleben teilzunehmen.

Wer das Prinzip des sozialen Lernens ernstnimmt, bedenkt:



"Das Lernklima hängt immer auch vom Gruppenklima ab" 5
"Auch in der Schule haben Jugendliche sozialemotionale Bedürfnisse" 6 nämlich
den Wunsch nach
- einem Aussprechenkönnen von Gedanken und Gefühlen,
- freien Entscheidungen über einzelne Lernschritte
- Anerkennung der eigenen Leistungen und der ganzen Person durch Lehrer und
Mitschüler,
- Zugehörigkeit zu einer Gruppe
- Unterstützung und Anregung, Auseinandersetzung und Führung
- Lernen durch Nachahmung und Identifikation
- Lernen durch Einfühlung und Nachempfinden
- Befriedigung des Strebens nach Herrschaft und erotischer Erregung. 7
Wer die "sozialemotionalen Bedürfnisse erzieherisch berücksichtigt, entstört
gleichzeitig die zwischenmenschlichen Beziehungen ... Er verbessert das soziale
5
B. Grom, Methoden für Religionsunterricht, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, Düsseldorf 1976
(Neuauflage 1996) 20.
6
a.a.O. 21.
7
a.a.O. 21.
6
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Klima (Einfühlung, Verständnis, Vertrauen, Spontaneität, Zusammenhalt) und übt




soziales Verhalten und Zusammenarbeit ein."8
Ein Unterricht, der die sozialemotionalen Bedürfnisse erzieherisch berücksichtigt,
fördert die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Schüler und
unterstützt ethisch-religiöse Lernprozesse.
"Religionspädagogische Lernziele und Inhalte erfordern eine beachtliche
Kommunikationsfähigkeit in der Lerngruppe ... Erfahrungsbezogenes Denken und
Sprechen gelingt ... nur dort, wo die Gesprächsteilnehmer ein Vertrauen
zueinander entwickeln, das ihnen erlaubt, ohne Angst vor Belächeltwerden oder
vor Mißdeutungen persönliche Fragen, Schwierigkeiten und Positiverfahrungen in
bezug auf das behandelte Thema auszusprechen." 9
"Die Beziehungen in der Lerngruppe sind ein bedeutsamer Erfahrungsraum für
die Erreichung religionspädagogischer Ziele ... Die 'Bedeutung der Liebe für
zwischenmenschliches Verhalten' kann beispielsweise nur dann befriedigend
erschlossen und verstanden werden, wenn die Grundwerte Gerechtigkeit,
Solidarität und Liebe auch in den Bemühungen der Gruppe um ein
entsprechendes Gesprächs- und Arbeitsklima zu erfahren sind."10
Die Klasse ist ein "soziales Zwangsgebilde" - "ohne systematische
Sozialerziehung geht es nicht"11. Auf die Frage, wieviel Sozialerziehung der RU
braucht und wieviel er leisten kann, kommt Grom zum Ergebnis: "Der RU muss
so viel Zeit und Kraft für die Förderung der Kommunikationsfähigkeit verwenden,
als ... für das Erreichen der ihm eigenen Lernziele notwendig ist." 12 Lehrplan und
Lehrerschaft sollen "anerkennen, dass im RU sozialemotionale und kognitive
Lernziele ihr Eigenrecht haben und eher aufeinander hingeordnet als einander
untergeordnet werden sollen. Denn häufig sind religionspädagogische Lernziele
nur auf der Grundlage einer vorausgehenden oder begleitenden Sozialerziehung
zu erreichen ... Es ist keineswegs aussichtslos, gleichzeitig soziale und
stoffbezogene Ziele anzustreben."13 Es genügt nicht, "nur über die
Stoffbearbeitung und über kooperative Arbeitsformen die Interaktion verbessern
zu wollen. Es bedarf auch eigener Übungen, die zu einer ausdrücklichen Klärung
sozialemotionaler Beziehungen und Konflikte in der Klasse beitragen." 14
8
a.a.O. 21f.
a.a.O. 23f.
10
a.a.O. 25.
11
a.a.O. 28.
12
a.a.O. 30.
13
a.a.O. 32.
14
a.a.O. 33.
9
7
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B. Grom plädiert dafür, sich "um eine schüler- und schulgerechte Auswahl und
Weiterentwicklung des gruppendynamischen Methodenangebots" 15 zu bemühen und
er gibt als Leitlinien an, dass
 die konstruktive Übung gegenüber der aufdeckenden Bewußtmachung
überwiegen soll, und
 die Beziehungsklärung im Zusammenhang mit der Sachbearbeitung versucht
werden soll.16
Manche Lehrpläne betonen, dass sich den Lernenden durch das soziale Lernen der
soziale Aspekt des Glaubensaktes erschließt.
Für den Lehrplan 2000 ist das Soziale Lernen ein wichtiges Prinzip, wenn er für RU
das kommunikative Geschehen betont, in dem das konkret erfahrene Leben bewusst
gemacht, auf religiöse Sinndimension erschlossen wird und mit der biblischen und
kirchlichen Überlieferung in Beziehung gebracht wird.
1.4. Methodisch didaktische Impulse:
Die Lehrpläne für den katholischen RU stellen auch in den einzelnen Themenfeldern
Inhalte des gemeinschaftsfördernden Lernens in das Zentrum des Unterrichts.
Im Lehrplan 2000 zählt z.B. Mensch und Gesellschaft zu einem der 5
Bildungsbereiche, wie weiters auch Sprache und Kommunikation.
Eine breite Palette an Übungen kann das soziale Lernen fördern , z.B.:
 Kommunikationsübungen helfen: Gefühle zeigen und ausdrücken, Feed-back

geben und empfangen, Offenheit für partnerzentriertes Gespräch ...
Gruppenübungen wollen Gruppenverhalten üben und reflektieren, das

Klassenklima verbessern ...
Im Planspiel werden Probleme des gesellschaftlichen Lebens durchgespielt;

Strukturen und Mechanismen, Beziehungen von Interessensgruppen werden
durchschaut.
Konfliktspiel: Schüler lernen für soziale Probleme offen zu werden; Konflikte zu
lösen fördert die ethische Phantasie.

Zum Psychodrama wird ein Rollenspiel dann, wenn eigene Lebensituation und
Betroffenheit mitschwingt und ins Spiel gebracht wird.17
15
a.a. O. 34.
vgl. a..a.O. 35.
17
vgl. F. Feiner, Typologie der Übungen, in: A. Höfer, G. Tröbinger, F. Feiner, Praktische Schülerübungen zu
den Religionsbüchern 5 - 8. Grundlegung, Donauwörth 1975, 41 - 47.
16
8
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2. Rücksicht auf die Eigenart der SchülerInnen und ihre
Entwicklungsstufe - Kindgemäßheit
2.1. Die SchülerInnen einer Klasse sind in ihrer Entwicklung
unterschiedlich weit - Pädagogische Gesichtspunkte
Man kann nicht eine ganze Klasse über einen Kamm scheren. Der
Entwicklungsstand der Schüler einer Klasse weist in Bezug auf körperliche und
geistige Reife oft eine große Bandbreite auf. Vor allem erleben wir, dass die
geschlechtsspezifische Reifung sehr unterschiedlich sein kann - Mädchen
kommen wesentlich früher in die Pubertät als Burschen.
Die Entwicklungspsychologie ist hilfreich, die Eigenart der SchülerInnen und ihre
Entwicklungsstufe berücksichtigen. Dabei rückt man auch in dieser Wissenschaft,
mehr und mehr von einer Phasenlehre weg und betont die individuelle
Entwicklung.18
Der Frontalunterricht ist daher sehr in Frage zu stellen. Denn dieser betrachtet die
Klasse als e i n denkendes Ganzes und zielt auf einen fiktiven Normschüler ab.
"Die logische Konsequenz sind Überforderung der Schwachen und Unterforderung
der Begabten."19
Man kann dem entgegenwirken durch Aktivierung der Schüler, Projektunterricht,
offene Lernformen. Vierlinger fordert "Lehrer, die zu einer Bewusstseinsänderung in
der methodischen Grundeinstellung bereit sind. Das grundsätzliche Ja des Lehrers
zur Individualisierung wird die eigentliche Drehscheibe der schulischen Innovation
sein und das vorzüglichste Instrument für die optimale Förderung des einzelnen bei
gleichzeitiger Sorge um die Gemeinschaft."20
Höchst beachtenswert ist das Buch von Ute Andresen: So dumm sind sie nicht 21. Sie
rmutigt, die Kinder in ihrer Individualität wahrzunehmen. – Einige Abschnitte seien
hier wiedergegeben:
„In der Schule wird man mich erkennen und schätzen als jemanden, der einmalig ist auf der Welt,
unverwechselbar. Ich werde den anderen etwas sein, etwas geben, was es ohne mich gar nicht gäbe.
Aber dann müssen alle Kinder in der Klasse immerzu dasselbe tun, dasselbe sehen, dasselbe zeigen, dasselbe
abgeben. Nicht das Besondere zählt, das Einmalige, Unverwechselbare, sondern das Vorgeschriebene. Erst wenn
das erledigt ist, darf das Unerwartete sich melden.
Welches unverstandene Elend spiegelt sich in den Fleißaufgaben, mit denen Kinder versuchen, ihrer Lehrerin zu
zeigen, dass sie ganz besonderer Aufmerksamkeit wert sind, Fleißaufgaben, die nur noch einmal wiederholen,
was die Lehrerin verlangt hat! Das ist es ja, das einzige, was sie schätzt, die Erfüllung ihrer Erwartungen.“22
18
L. Montada (Hrsg.), Brennpunkte der Entwicklunspsychologie, Stuttgart 1979.
R. Vierlinger, Unterrichtswissenschaft - Unterrichtslehre II. Didaktische Prinzipien - Unterrichtsgrundsätze,
Wien 1975, 11.
20
a.a.O. 18.
21
Untertitel: Von der Würde der Kinder in der Schule, Weinheim – Berlin 4. Aufl. 1991.
22
U. Andresen, So dumm sind sie nicht. Von der Würde der Kinder in der Schule, Weinheim – Berlin 4. Aufl.
1991, 54
19
9
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„Oft heißt es: »Kinder gewöhnen sich an alles!«, wenn man sich gegen eine Maßnahme der Schule wendet, die
empfindsame Seelen enttäuschen, verletzen oder verwirren muss. Wer Kinder davor schützen will, wird schnell
als wehleidig verdächtigt. Seelische Wunden kann man nicht vorweisen wie ein gebrochenes Bein. Einfühlung in
Kinder gehört nicht zu den Dienstpflichten von Lehrern, Rektoren und Schulverwaltungsbeamten. Sie ist auch
schwer zu lernen. Aber Einfühlung ist das wichtigste Organ aller Erwachsenen, die das Leben in der Schule
bestimmen.“23
„Neulich hat Katharina sich gemeldet und gesagt: »Immer schiebst du es auf uns, wenn es mal nicht klappt.« Ich
war sprachlos. Katharina hatte Recht. Es hängt von meinem Gemütszustand, von meiner Gesundheit ab, ob mich
etwas stört, ob ich mich an meine Erwartungen klammere oder in der Lage bin, unerwartete Ideen der Kinder
aufzunehmen und ihnen im Rahmen des Notwendigen Raum zu geben. Vor allem aber liegt es in meiner Macht,
festzulegen, was die Situation belastet. Es liegt in meiner Macht, zu übersehen, was einzelne oder alle Kinder
hindert, sich ganz auf den Unterricht einzulassen, nicht darauf zu achten und danach zu fragen, mir selbst aber
mildernde Umstände zu gewähren, wenn ich einmal nicht mit ganzer Kraft dabei bin.
Einmal haben wir darum eine Pinnwand eingerichtet, auf der jeder von uns morgens sein Namenskärtchen einem
lachenden Gesicht (für gute Stimmung) oder einem Tränengesicht (für schlechte Stimmung) zuordnen konnte.
Wer für sich schlechte Stimmung anzeigte, bat damit um Rücksicht und Schonung.
Es genügte, zwei Wochen lang durch die Tafel und das Umstecken der Kärtchen zu symbolisieren, dass es für
uns alle zählt, wie jeder sich fühlt. jetzt achten wir mehr aufeinander und jeder weiß, dass er das Recht hat,
Rücksicht und liebevolle Zuwendung zu erbitten.“24
“Wessen Raum aber ist das Klassenzimmer tatsächlich? Der Lehrer hängt Bilder auf, die ihm gefallen, und es ist
sein Raum. Schaut er die Bilder mit den Kindern an, lässt sie an ihnen etwas lernen, teilt er die Bilder und den
Raum mit ihnen.
Hängt er ihre Bilder auf, wird es noch etwas mehr ihr Raum. Sortiert er vorher einige Bilder aus, die ihm nicht
schön genug sind, schließt er die Kinder aus, die sie gemalt haben.
Ist er morgens vor den Kindern im Klassenzimmer und begrüßt sie förmlich, wenn sie hereinkommen, ist es sein
Raum. Sitzt er schon da, ist beschäftigt und begrüßt die Kinder nebenbei, wenn sie ihm begegnen, ist es schon
wieder mehr auch ihr Raum.
Warten sie auf dem Gang auf den Lehrer und betreten nach ihm das Zimmer, dann ist es mehr seines, als wenn
sie sich vordrängeln oder er sie vorlässt.
Laden die Kinder die Eltern in die Schule ein, um ihnen dort alles zu zeigen, dann sind sie eindeutig die
Gastgeber, und die Klasse und alles, was drinnen ist samt dem Lehrer, gehört ihnen, im Überschwang vielleicht
sogar die ganze Schule.
Und nun die Hefte, wem gehören sie?
Wenn ich als Kind mein Heft als etwas Eigenes empfinde, darf dann der Lehrer überhaupt ohne meine Erlaubnis
hineinschreiben, gar etwas ausstreichen und verändern? Was ich geschrieben oder gezeichnet habe, das bin ich,
das ist noch nicht ganz von mir getrennt. Erst wenn ich es aus der Hand gebe, gebe ich es auch preis. Und ich
hoffe, dass der, dem ich es anvertraue, nicht roh damit umgeht.
Wir Lehrer sagen den Kindern, die Schulhefte seien ihre Hefte, sie seien dafür verantwortlich. Tatsächlich aber
herrschen wir über die Hefte und in den Heften, bestimmen den Umschlag, das Etikett und die Form der Einträge
bis hin zu dem Irrwitz, dass um jede Seite zunächst mit Lineal und Farbstift ein Rand gezogen werden muss.
Natürlich ist es sinnvoll, dass in den Heften Aufgaben bearbeitet und Fehler vermerkt werden, dass Hefte nach
dem Willen des Lehrers ausgeteilt und eingesammelt werden. Wir müssen uns aber darüber klar werden, dass die
Hefte der Kinder ein Bereich des Übergangs vom Kind zum Lehrer, vom Lehrer zum Kind sind. Wir können sie
als Ebene der Auseinandersetzung, des Gesprächs, der Übung und der Dokumentation des Erreichten und
Erworbenen gemeinsam benutzen. Aber der Lehrer sollte sich dabei wie ein Gast benehmen, nicht wie der
Herrscher und Besitzer aufführen.
Ein gern gesehener Gast zeichnet sich durch Takt, Respekt, Wohlwollen und Aufmerksamkeit aus. Er fremdelt
nicht und spielt sich nicht auf. Er ist klar und erkennbar, spricht mir nicht nach dem Mund, sondern sagt deutlich,
was er denkt.“25
„Manchmal beneide ich die Kollegen, die meinen Kindern Religion geben, um ihre großen Themen und die Zeit,
die sie zur Verfügung haben, um mit den Kindern in Ruhe zu sprechen. Für viele Kinder ist Religion am Anfang
ein Lieblingsfach. Was sie dort erfahren, nehmen sie sehr ernst. /Peter saß in den Wochen vor Ostern nach der
Religionsstunde auf dem Boden und betrachtete, statt an die Tafel zu schauen oder mit den andern Kindern
23
ebd. 7.
Ebd 34.
25
Ebd. 50f.
24
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Blödsinn zu machen, das Kruzifix, das über der Tafel hängt. Er war ganz versunken in seine ernsten Gedanken.
»Weißt du, dass der Jesus wieder aufgestanden ist?« hat er mich später gefragt, wie einer, den diese Nachricht
innerlich ganz verwandelt hat.
Aber die großen Themen sind auch gefährlich. Wird der Unterricht ihnen nicht gerecht, ist die Nächstenliebe des
Lehrers, seine Ehrfurcht gegenüber den Menschen, die vor ihm Sitzen, nur schwach, dann kann es schnell
passieren, dass die Kinder ihn und den ganzen Religionsunterricht ablehnen. Womöglich werden sie sogar
zynisch gegenüber seinen Themen, die er zu klein gehandelt, selbst zu wenig ernst genommen hat.“26
“Christian und Jan sind albern. Sie stören das gemeinsame Gespräch, obwohl sie unser Thema interessiert. Die
Albernheit ist stärker. Schließlich gebe ich ihnen eine Strafaufgabe: »Schreibt auf, was ihr über Albernheiten
denkt, die guten und die schlechten Seiten.« Angenommen, wenn auch mit einer kleinen Grimasse. Am nächsten
Tag sind wir uns einig, dass jeder manchmal albern ist, sich aber, wenn's darauf ankommt, selbst beherrschen
muss.“27
“Sie versammeln sich im Kreis, die Zeit drängt, ich bin ungeduldig. Bettina redet mit Astrid. »Muss das sein,
Bettina?« - »Astrid hat mich was gefragt.« - »Hatte das was mit dem hier zu tun?« - »Nein, mit ihrem
Geburtstag.« -»Dann hättest du ihr sagen können: Später, jetzt ist nicht die richtige Zeit dafür.« - »Das hätte
genauso lange gedauert wie das, was ich gesagt habe.« Ich muss laut lachen.“28
„Einer meiner Buben hat mich wirklich furchtbar genervt. *Er ist mir im Kreisgespräch immer wieder ins Wort
gefallen, als gäbe es da nur ihn und mich, und er hat den andern Kindern nie zuhören mögen. Seit einiger Zeit
sitzt er im Kreis meistens direkt neben mir und ich habe fast vergessen, wie sehr er sonst gestört hat. Manchmal
kam es mir vor, als könne er es nicht ertragen, dass alle Kinder sich mir und nicht ihm zuwandten, und er
versuche, mit mir zu konkurrieren. jetzt sitzt er also neben mir, lehnt sich oft an und ist ganz still. Ich vermute,
dass er sich mit mir identifiziert, meine Rolle mit mir teilt, und sich darum nicht mehr vordrängt.
Meine Studenten, die uns gegenüber sitzen, sagen mir nun, dass er die ganze Zeit sehr aufmerksam ist, allen
Kindern genau zuhört und oft gedankenvoll nickt zu dem, was sie sagen. Als ich ihn frage, was er werden will,
sagt er: »Lehrer! Da kann man so schöne Sachen machen mit den Kindern!«“29
“Vor ein paar Jahren hatte eine Kollegin einige Stunden in meiner Klasse übernommen, die eine ganz andere
pädagogische Haltung vertritt als ich. Irgendwann fiel mir auf, dass die Kinder vor ihren Stunden im Ganzen
ruhiger waren als oft bei mir. Sie klagten zwar bei mir über ihre Strenge, aber es war offensichtlich, dass sie
braver wurden, wenn sie sie im Klassenzimmer erwarteten.
Als es mir eines Tages zuviel wurde, was die Kinder mir an Spannungen und Unruhe zumuteten, habe ich sie
gefragt: »Warum seid ihr bei Frau M. braver als bei mir?« »Sie ist halt strenger als du! « hieß es. »Sie wird gleich
böse, wenn wir nur ein bisschen reden.« »Und wenn einer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, wird sie gleich
so wütend!« - »Macht der sie dann das nächste Mal?« - »Meistens nicht. Aber dann muss er aufstehen und alle
müssen ihn anschauen. Das will natürlich keiner.«
Ich wusste, welche Kinder es waren, die dieses Schicksal traf. Die Klasse fand das eigentlich auch gemein, keiner
wollte es erleben, aber Mitgefühl, Solidarität mit den Sündenböcken war nicht zu spüren.
Alles, was ich bisher über die Funktion von Sündenböcken in einer Gesellschaft gelesen und verstanden zu haben
glaubte, fiel mir ein und verblasste doch vor der geradezu unheimlichen Wirklichkeit in meiner eigenen Klasse:
Die Braven wirkten vor den Stunden von Frau M. wie befriedet, als habe man ihnen alles Störende, Ungute
abgenommen. Sie gingen in der Rolle der Braven auf, weil es die eindeutig anderen gab, das Gegenbild. Die
anderen lebten das Böse, stellvertretend für alle, die es schafften, gut zu sein und gerne die eigene Nachtseite
vergessen wollten. Auf einmal konnte ich es mit Händen greifen, konnte zusehen, wie die Diffamierung der
Bösen die Guten immer besser machte, immer selbstgerechter und mitleidloser.
Damals begann mir zu dämmern, was ich von den Kinder verlange: Sie sollen zusammen mit mir deutlich sehen,
welches Verhalten störend, unangemessen, falsch, schwächlich ist. Gleichzeitig sollen sie verstehen, was einen
schwierigen Mitschüler bewegt, wenn er sich nicht so verhält, wie es von ihm erwartet wird und wie es mir und
den andern Kinder angenehm ist. Ich lasse nicht zu, dass der Schwierige ausgeschlossen wird, er bleibt, auch
wenn wir sein Tun gar nicht schätzen können, einer von uns.
Wenn ich ein schwieriges Kind annehme und von de Mitschülern verlange, dass sie das auch tun, müssen sie ihr
eigene Ähnlichkeit und Verwandtschaft mit ihm erkennen Sie werden dann sich selbst schwieriger. Widerspruch
und Weigerung, Hass und Zerstörungswut in sich selbst aufsteigen fühlen und dann zu beherrschen, das verlangt
26
Ebd. 130.132.
Ebd. 36.
28
Ebd. 184.
29
Ebd 163.
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mehr Reif und Kraft als das Abspalten solcher Impulse, ihre Verleugnung und Übertragung auf einen Mitschüler.
Mein Anspruch, dass niemand aus der Klassengemeinschaft ausgestoßen werden darf, muss immer wieder alle
Kinder sich selbst und auch für mich schwieriger machen.“30
“Das ist ein Rechenzettel von Christian aus der ersten Klasse. Die Zahlenreihe rechts hat er gebraucht, um seine
Ergebnisse zu kontrollieren. Er hat sie weggefaltet, bis er fertig gerechnet hatte, dann wieder aufgedeckt und hurra! Alles war richtig!
Statt sich selbst zum Lob das Herzchen unten auszumalen, hat er einen Skispringer gezeichnet. Gleich saust er
über die große 1 und durch die Luft, vielleicht mit derselben Freude, die Christian beim Rechnen erlebte. Ich
kanns!“31
„Meine Tochter fragt mich, wie denn den Menschen in Pompeii zumute gewesen sei, als der Vesuv ausbrach, ob
unter unseren Füßen wirklich die Erde rot glühend sei und wie lange man graben müsse, bis das Flüssige komme.
Sie will wissen, wie es war, als ich hier in München etwas von einem Erdbeben gespürt habe; immer wieder soll
ich es ihr erzählen. In der Schule nehmen sie den Vulkanismus durch, und ganz offenbar weckt das viele Ängste
bei ihr. Irgendwann frage ich sie: »Hast du denn schon erzählt, dass du zweimal auf einem Vulkan gewesen
bist?« Ihre Antwort: »Im Unterricht dürfen wir nichts erzählen, nur Fragen beantworten!«“32
“Alle schreiben in ihren Tagebüchern, nur Kirja zeichnet schon wieder. »Du sollst doch schreiben!« mahne ich
ihn unfreundlich. Am liebsten scheint er immer zeichnen zu wollen und soll doch schreiben üben. »Ich bin schon
fertig mit Schreiben!« sagt er geduldig und hebt sein Heft hoch. Was dort über das Weltall steht, erinnert mich an
die Zeit, als ich selber draußen im Dunkeln stehen blieb, zum Himmel hinaufsah und versucht habe, mir
vorzustellen, was Unendlichkeit ist.
Kirja hat Recht, mehr kann man dazu nicht schreiben. Und es ist phantastisch, wie er die Doppelseite benutzt, um
seine Vorstellung vom Weltall Bild werden zu lassen. Als ich später noch einmal in sein Tagebuch sehe, finde
ich noch eine Doppelseite über den Himmel.“33
2.2. Vor Gott ist jeder Mensch einmalig - Theologische
Gesichtspunkte
Zu den tiefsten Sehnsüchten gehört die Individualität, Einmaligkeit; von P. M.
Zulehner und Schmittchen als eines der Lebensheiligtümer bezeichnet.34
Viele Verse der Bibel drücken die Antwort darauf aus, was Menschen ersehnen.
Nämlich dass Gott der ist, der diese Einmaligkeit gewährt und garantiert. Schon vor
der Geburt will sich Gott als mütterlich schützender, umgebender Gott erweisen.
• "Du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir ...
du bist vertraut mit all meinen Wegen ...
Du hast mein Inneres geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter"
•
•
(aus Ps 139,1-3.13).
"Sieh her: ich habe dich eingezeichnet in meine Hände."(Jes 49, 16a)
Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist, und weil ich dich liebe, gebe
ich für dich ganze Länder. (Jes 43,4)
30
Ebd. 172f.
Ebd. 194.
32
Ebd. 200.
33
Ebd. 201.
34
vgl. P. M. Zulehner, "Leutereligion". Eine neue Gestalt des Christentums auf dem Weg durch die 80er Jahre?
Wien - Freiburg - Basel 1982, 10; vgl. auch ders., Vom Untertan zum Freiheitskünstler, Wien 1991.
31
12
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•
•
Ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand ergreift und der zu dir sagt:
Fürchte dich nicht, ich werde dir helfen. (Jes 41,13)
Wenn du durchs Wasser schreitest, bin ich bei dir,
wenn durch Ströme, dann reißen sie dich nicht fort.
Wenn du durch Feuer gehst, wirst du nicht versengt,
keine Flamme kann dich verbrennen.
Denn ich, der Herr, bin dein Gott, ich, der Heilige Israels, bin dein Retter.
(Jes 43,1b – 3)
2.3. Vermitteln, dass jeder Mensch einmalig ist Religionspädagogische Gesichtspunkte
K.E. Nipkow fordert als erste religionspädagogische Grundaufgabe,
Identitätshilfe zu leisten.35 Ihm geht es dabei, von Lebensangst hin zu einem
Leben in Hoffnung zu befreien.
Die Weisung, den Nächsten zu lieben wie sich selbst (vgl. Lk 10, 27b) wählt als Maß
für die Nächstenliebe die Selbstliebe. Dabei wird Jesus bestimmt an keine
eingeschränkte, sondern eine möglichst g r o ß e Liebe zu sich selbst als auch zum
Nächsten im Auge gehabt haben. Religionspädagogisch bedeutsam ist, dass der/die
SchülerIn mit seinen/ihren Fragen, Wünschen, Freuden, Sorgen und Sehnsüchten
seinen Platz im Unterricht hat. Einem Kind und jungen Menschen muss immer
wieder vermittelt werden: Du bist anerkannt, geschätzt und geliebt, dann wird es /
er sich in seiner Einmaligkeit sehen, sich und auch andere lieben können.
Der Synodenbeschluß der Bistümer Deutschlands (1974) nannte drei Gruppen von
Schülern, denen der Religionsunterricht gerecht werden soll: "gläubige", "suchende
oder im Glauben angefochtene" und "sich als ungläubig bezeichnende Schüler". 36
Man wird sich fragen: Entsprechen die Inhalte der einzelnen Schulstufen den
entwicklungspsychologischen Gegebenheiten?
Der österreichische ASO-Lehrplan beschreibt "Grunderfahrungen, LebensSituationen" in jedem Themenfeld jeder Schulstufe. Dadurch können
entwicklungspsychologische Gegebenheiten in bezug auf die jeweilige Thematik
besser gesehen werden. Natürlich kann die jeweilige Klasse bzw. können einzelne
Schüler entwicklungspsychologisch auf einen etwas anderen Stand sein. Dies
festzustellen und zu unterscheiden ist die Aufgabe des Lehrers / der Lehrerin.
2.4. Methodisch - didaktische Impulse
35
vgl. K. E. Nipkow, Grundfragen der Religionspädagogik, Bg 2, Gütersloh 3. Aufl. 1984, 101 - 228.
vgl. Der Religionsunterricht in der Schule. Ein Beschluß der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der
Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1974, 29.
36
13
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* Anzustreben ist die persönliche Aneignung des Lehrgutes
* Der/Die SchülerIn fragt zu Recht: Wie komme ich in dem Stoff vor?
* Lehrstoff mit dem eigenen Leben in Beziehung setzen
* Was von der biblischen Geschichte / Perikope spricht mich an?
* Wer bin ich in dieser biblischen Geschichte?
* Das eigene Leben auf Gott hin transparent werden lassen
Beim Vorbereiten einer Stunde wird der Lehrer / die Lehrerin nach den didaktischen
Bedingungen fragen:
2.4.1. Zur Vorgeschichte und Zusammensetzung der Klasse
Zahl und Alter der Mädchen und Buben; gibt es Repetenten, Gastarbeiter- oder
Flüchtlingskinder, besonders auffällige Kinder? Seit wann besteht die Klasse in
dieser Zusammensetzung? Lehrerwechsel?
2.4.2. Geistiges, affektives, soziales Klima der Klasse
Was ist über "Klassenklima", "Klassengeist" (Umgangsstil, Umgangston)
festzustellen? Welche Gruppenbildungen, Freundschaften, Rivalitäten, Rangordnung
gibt es? Wie ist die Grundhaltung/-einstellung der Kinder gegenüber der Schule,
Lehrer, Mitschüler (unterwürfig, partnerschaftlich, solidarisch ...; freundschaftlich,
feindselig, konkurrierend, hilfsbereit ...)? Wie verhält es sich mit Disziplin und
Arbeitshaltung?
2.4.3. Ansprechbarkeit, Arbeitsweise, Leistungsstand der SchülerInnen
Gibt es Kinder mit besonderen Interessen, Vorlieben, Vorerfahrungen, Fähigkeiten
für bestimmte Lern- und Themenbereiche? Gibt es "Fachleute", "Desinteressierte",
stets Ansprechbare; Streber, Blender, Dauerredner, stille Arbeiter ...?
Arbeitsweise der Schüler?
Mit welchen Unterrichtsformen sind sie vertraut (Diskussion im Klassenkreis,
Partnerarbeit, Gruppenarbeit, Helferdienst, Gruppenleiter ...)?
Arbeiten die Schüler manchmal in differenzierten Gruppen?
Gibt es große Leistungsunterschiede?
2.4.4. Arbeitsbedingungen in der Klasse und Schule
Womit ist die Schule, womit der Klassenraum ausgestattet? Womit die Schüler?
Wann und wie werden die Arbeitsmittel bereitgestellt? Wie wird in den Heften, auf
Blättern geschrieben?
2.4.5. Häusliche Verhältnisse und Erfahrungsbereich der Kinder
14
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Aus welchem Milieu kommen die Kinder (bäuerliche Welt, Welt des Fabrikarbeiters
..., Pflegekinder, Adoptivkinder, Waisen ...)?
Welche Freizeitgewohnheiten haben die Kinder (Benutzung der Massenmedien,
Video, Computer, Mitgliedschaft in Jungschar- oder Jugendgruppen, sportliche
Betätigung ...)?
Erfahren die Kinder zu Hause irgendeine besondere Förderung? 37
3. Lebensbezogenheit und Anschaulichkeit - Heimatnähe
und Weltoffenheit; Lebens- und Gegenwartsnähe
3.1. Sich von einer Sache ein Bild machen - Pädagogische
Gesichtspunkte
"Ausgangspunkt eines lebensnahen Unterrichts ist die Erfahrungswelt des Kindes.
... Aus dem Prinzip der Lebensbezogenheit ergibt sich, dass der Unterricht
grundsätzlich so anschaulich wie möglich zu gestalten ist."38
Pestalozzi (1746 - 1827): Anschauung ist das absolute Fundament aller Erkenntnis.
John Locke (1632 - 1704) "Nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu"
(Nichts ist im Geist, was nicht vorher in den Sinnen war).
Kant (1724 - 1804): Begriffe ohne Anschauungen sind leer, Anschauungen ohne
Begriffe sind blind. Kant stellte eine Synthese zwischen Empiristen und Rationalisten
(vgl. Descarts: „Cogito, ergo sum“) her39.
Das Kleinkind erlebt: Das Greifen ist notwendig für das Begreifen, um Begriffe
bilden zu können. Deswegen gelten auch für den Unterricht die Grundsätze: Vom
Leichten zum Schweren, vom Einfachen zum Komplizierten, vom Konkreten zum
Abstrakten Anschauung hat mit anschauen zu tun, mit dem Auge auffassen.
Doch nicht alles, was anschaulich ist, muß sichtbar sein, z.B. der Duft einer Blume,
37
vgl. Katholische Erziehergemeinschaft in Bayern e.V. (Hrsg.), Methodische Aspekte des Religionsunterrichts.
Ein Kompendium zu Grundsatzfragen, Planung und Gestaltung des Unterrichts von Horst Herion, Donauwörth
1990, 43 - 45; vgl. auch L. Kratochwil, Unterricht planen und gestalten, Wien 1982, 58f.
38
Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule, a.a.O. 38f.
39
Ohne Sinnlichkeit (=Veranschaulichung) würde uns kein Gegenstand gegeben und ohne Verstand
keiner gedacht werden.
Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.
Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen
(das ist, Ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen),
als auch seine Anschauungen sich verständlich zu machen
(das ist, sie unter die Begriffe zu bringen).
Der Verstand allein vermag nichts anzuschauen
und die Sinne allein vermögen nicht zu denken.
ImmanuelKant (1724-1804) in:"Kritik der reinen Vernunft"
15
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der Klang einer Glocke, die Temperatur des Wassers ... Die Anschauung betrifft alle
Sinnesgebiete.
Die sinnliche Anschauung ist die Grundlage der geistigen Anschauung. "Alles
möglichst mit allen Sinnen!" ist die goldene Regel der Didaktik von Jan Amos
Comenius. Die verschiedenen Anschauungsmittel können sich auch gegenseitig
unterstützen, z.B. Wort und Bild, Versuch und Zeichnung ... Es lässt sich keine
Rangordnung der Veranschaulichungsmittel aufstellen.
Außerdem können wir uns auch durch Vorstellungen ein Bild von einer Sache
machen, nicht nur durch Wahrnehmungen. Wenn wir eine Geschichte hören oder
lesen, sind uns nur Worte geboten. Wir setzen die Worte in Vorstellungen um, um
uns ein Bild machen zu können."Der Unterricht ist anschaulich, wenn sich der
Schüler bei allen Worten, die im Unterricht auftreten, ein klares Bild machen kann,
so dass er mit den auftretenden Worten und auch durch sie die gemeinten Sachen
voll erfasst."40 Die Anschauung ist wichtig für die Erkenntnis- und Begriffsbildung.
Arbeitet der Lehrer bei dieser geistigen Veranschaulichung mit dem Wort, können
Mimik und Gestik steigernd wirken. Hilfreich für die geistige Veranschaulichung sind
aber auch Anschauungsmittel, die man mit den Sinnen wahrnehmen kann.
Man kann aber die Veranschaulichung auch übertreiben, wenn man dem Vorstellen
und Denken nichts mehr zumutet, und wenn man durch ein Vielerlei an
Anschauungsmittel mehr verwirrt als erklärt.
Folgende skizzenhafte Differenzierung der Anschauungsmittel unterscheidet
zunächst zwischen sinnlicher und geistiger Veranschaulichung und differenziert
weiterhin:
Veranschaulichung
sinnlich
Wirklichkeit
echt
beschränkt
geistig
(durch Wort – Mimik – Phantasie)
Nachbildung
plastisch
Erinnerung
Phantasie
grafisch
Zeichnung
Druckbild
Bild
Lichtbild
Film, Video, Computer
41
40
41
nach F. Huber, Allgemeine Unterrichtslehre, Regensburg 11. Aufl. 1972, 113; ergänzt und verändert: FF
a.a.O. 115.
16
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Heimatnähe und Weltoffenheit: Der Begriff Heimatnähe darf nicht auf den
geografischen Aspekt eingeschränkt werden. Es stellt sich die Frage: Was ist heute
dem Kind räumlich und psychisch nah? Der Einfluß der Medien, Mobilität und
Tourismus sind zu bedenken.
Lebens und Gegenwartsnähe: John Dewey (1859 -1952) stellte den Grundatz auf:
Man muß Gegenstände und Betätigungsformen finden, die mit den lebendigen
Kräften in Beziehung stehen, und dass der Unterrichtsstoff auch im Leben verwendet
wird.
3.2. Gott schauen als Ziel des Glaubens - Theologische
Gesichtspunkte
Ziel des Glaubens ist die Gottschau, wie der Apostel Paulus sagt: "Jetzt schauen wir
wie in einem Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von
Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich ganz
erkennen, so wie auch ich ganz erkannt bin" (1 Kor 13, 12-13).
Wie anschaulich sind die Gleichnisse Jesu! In vielen Bildern wird erzählt, wie die
„neue Welt Gottes“ vorstellbar ist.
3.3. Glauben lernen durch schauen lernen - Religionspädagogische
Gesichtspunkte
Das Gehörte innerlich zu sehen, ist ein Anliegen des Religionsunterrichts.
Halbfas spricht von einem "dritten Auge".42 Jede/r SchülerIn wird sich sein/ihr „Bild
machen. Das innere Geschaute ist also immer schon die Mischung von
dargebotenem Glaubensgut und aufnehmender Glaubensfähigkeit."43 Ein
katechetischer Weg wird daher vom äußeren Schauen zur inneren Wahrnehmung
führen. Auch das Phantasieren und Träumen hat seinen Platz in der Katechese,
sind die Menschen doch im Träumen Gott nahe.
Das Korrelationsprinzip ist in den österreichischen Lehrplänen seit 1985 verankert.
Wesentlich ist dabei die wechselseitige und wechselseitig kritische Erschließung von
Glauben und Leben.
3.4. Methodische-didaktische Impulse:
-
Standortbezogenheit des Unterrichts: Der U. hat in allen Fächern auf den
Standort und die Heimat der Schüler Bezug zu nehmen - für Religion:
42
H. Halbfas, Das dritte Auge. Religionsdidaktische Anstöße, Düsseldorf 1982.
A. Höfer, Integrative Religionspädagogik, in: ders. (Hrsg.), Die neuen Glaubensbücher. Einführung in die
integrative Religionspädagogik. 5. - 8. Schulstufe, Graz - Wien - Köln 1979,a.a.O. 27.
43
17
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Kirchenjahr, Brauchtum der Heimat. Ein Projekt könnte z.B. Glaubenszeichen der
-
Pfarre erheben44
Gegenwartsbezogenheit des Unterrichts: Ereignisse aus Familie, Ort,
Persönliches, Volk, Staat, Welt
Durch die Bildbetrachtung und Arbeit mit Bildern schauen und glauben lernen;
Von der äußeren zur inneren Wahrnehmung
Träumen und Phantasieren (Inneres Bilderleben, biblische Bilder imaginieren,
Phantasiereisen …)
Aus Tagträumen heraus Taten setzen, damit Träume Wirklichkeit werden.
4. Selbsttätigkeit
4. 1. "Was man lernen soll, um es zu tun, kann man nur lernen,
indem man es tut" (Aristoteles)45 - Pädagogische Gesichtspunkte
Sage es mir, und ich vergesse es;
Es ist nicht genug zu wissen,
zeige es mir, und ich erinnere mich;
man muss auch anwenden.
lass es mich tun, und ich behalte es.
Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.
Konfuzius
Goethe46
Das Kind ist ein durch und durch tätiges Wesen. Es gibt sich mit Interesse, Lust und
Ausdauer seinem Tun hin. Der Mensch zeigt immer wieder, dass er ein nicht
unterdrückbares Bedürfnis an Selbsttätigkeit hat. Das äußert sich im Sträuben gegen
Bevormundung bis hin zur politischen Selbstbestimmung. Blaise Pascal sagte: "Man
wird im allgemeinen durch die Gründe, die man selbst gefunden hat, besser
überzeugt als durch die, welche im Geiste anderer entstanden sind."
Von Pestalozzis Prinzip von "Hand, Herz und Verstand" spricht man im
angloamerikanischen Raum von „hand, heart und head“ und Albert Höfer begründet
die Formel der 3 H "Hand - Herz - Hirn" in der entsprechenden Reihenfolge: „Das,
was man andauernd und intensiv tut, baut die entsprechende Gefühlswelt auf ...
Diese ... wirkt ... wie ein Magnet, der das entsprechende Wissen wie Eisenfeilspäne
anzieht oder anstößt."47
Diese Aussage macht auch die Reihenfolge deutlich: Zuerst kommt das Tun, dann
das Gefühl, und dann erst das Wissen. Pädagogisch wird klar: Kognitive Ziele sind
H. Eibler – F. Feiner, Glaubenszeichen in der Pfarre. Bericht von einem Schulprojekt einer 3. Klasse
Realschule, in: CPB 107 (1994) H. 3, 25 - 28.
45
Das Denken für sich allein bewegt nichts, sondern nur das auf einen Zweck gerichtete und praktische Denken.
(Aristoteles)
46
Wir behalten von unseren Studien am Ende doch nur das, was wir praktisch anwenden. (Goethe)
47
a.a.O. 55f.
44
18
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also nicht an die erste Stelle zu setzen, sondern zuerst geht es um das tätige
Umgehen mit einer Sache - operative Ziele haben Vorrang. Auf ihnen bauen die
affektiven und dann die kognitiven Ziele auf.
In der alten Lernschule herrschte vorrangig Passivität und Rezeptivität der Schüler
vor. Die Arbeitsschulbewegung setzte gegensätzliche Akzente. Georg
Kerscheinsteiner (1854 - 1932) kritisierte den Bildungsertrag der Lernschule, in der
sich die Schüler (Lehrlinge) nur intellektuell mit dem Bildungsgut beschäftigten. Er
forderte eine Verschmelzung von manuellem Tun und geistigem Operieren. Und
Hugo Gaudig (1860 - 1923) propagierte die freie geistige Schularbeit: Handeln aus
eigenem Antrieb, mit eigenen Kräften, auf selbstgewählten Bahnen zu freigewählten
Zielen.
 Aktivität des Schülers / der Schülerin, das "schaffende Lernen"
 Sich selbst ins Passivum, SchülerInnen ins Aktivum setzen



Nichts sagen, was SchülerInnen sagen, nichts geben, was SchülerInnen finden
können.
Echte Selbsttätigkeit ist mehr als Aktivität; sie schließt auch Spontaneität ein, also
Tun aus innerem Antrieb.
Freie geistige Tätigkeit
Bedeutung der Selbsttätigkeit:
 Entwicklung der Kräfte
 Steigerung des Selbstvertrauens
 Selbständigkeit
 Sebsttätigkeit steht im Dienste der sozialen, demokratischen, staatsbürgerlichen
Erziehung
Wenn SchülerInnen - wie übrigens auch Erwachsene - von direkter Lenkung befreit
sind, ihre Arbeit planen und Eigeninitiative entfalten dürfen, dann führen sie die
notwendigen Arbeiten bereitwilliger und verantwortungsvoller aus. Sie erfahren dabei
eine größere Befriedigung und suchen von selbst die Kooperation mit der Gruppe.
Neben dem Bereich der konkret-praktischen Selbsttätigkeit ist die geistige
Selbsttätigkeit hervorzuheben: Der/Die SchülerIn soll sich in einer echten
Erkundungssituation befinden und sich zu einer sinnvollen Tätigkeit veranlasst
sehen, die ihn um ihrer selbst willen interessiert.
Aus dieser Situation soll sich ein echtes Problem als Ansporn zum Nachdenken ergeben.
Der Schüler muss über notwendige Information verfügen, und die für die Lösung
notwendigen Beobachtungen machen können.
19
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Dem Schüler müssen sich vorläufige Lösungen zeigen, und er muß für ihre
ordnungsgemäße Durcharbeitung verantwortlich sein.
Er muß Möglichkeit und Gelegenheit haben, seine Ideen der praktischen Prüfung zu
unterziehen, um ihre Tragweite zu bestimmen und selbst ihre Gültigkeit zu
entdecken.
Der/Die SchülerIn als ForscherIn
Friedrich Copei spricht vom "fruchtbaren Moment im Bildungsprozeß" 48. Lehren heißt
für ihn, die Selbstverständlichkeiten zu erschüttern, Schüler zunächst zum Staunen
und Stutzigsein zu bringen. Ihre Fragehaltung ist "die natürliche Ausgangssituation
für den Bildungsvorgang". Daraus entsteht ein Suchen und Versuchen, das Drängen
und Bohren. In der Fragehaltung herrscht bereits eine Spannung, und diese
Spannung verstärkt sich und bereitet den Augenblick vor, in dem der Durchstoß, das
Überspringen des Grabens, erfolgt. Das ist der fruchtbare Moment.
Copei meint, die Unlust mancher Schüler kommt von unserem Unterricht, der oft nur
ein Antworten auf Fragen ist, die gar nicht gestellt sind, ein Abspeisen, wo nie ein
herzhafter Hunger wartet. Er erinnert an Heraklits Wort: "Viel Wissen lehrt den Geist
nicht!" Bildung kann letztlich nur Selbstbildung sein.
Entdeckender Unterricht - die Probleme werden nicht vorgegeben, sondern zum
Entdecken aufgegeben. Es geht nicht um schablonenhaftes Übernehmen von
Vorlagen, sondern um selbsttätige Auseinandersetzung mit Problemfeldern.
Unterricht soll nicht so sehr Begründungszuammenhänge liefern, sondern
Entdeckungsmöglichkeiten schaffen. - Die unmittelbare Konfrontation mit der
Realität verbürgt vertiefte Auseinandersetzungen.
Handlungsorientierung – Was ist handlungsorientierter Unterricht?
Die Lern- und Kognitionspsychologie hat von Piaget her aufgezeigt, „dass sich
Denkstrukturen aus verinnerlichten Handlungen entwickeln ... Wenn aber Denken
aus dem Handeln hervorgeht ..., dann kann man Wissen, Begriffe und ‚Stoffe‘ nicht
einfach in fertiger Form weitervermitteln oder wie Ziegelsteine von Generation zu
Generation weiterreichen (Dewey). Es kommt vielmehr darauf an, Lerngegenstände
so weit wie möglich in Handlungen zu übersetzen, handelnd Denkstrukturen
aufzubauen“49.
48
Heidelberg, 8. Aufl. 1966.
H. Gudjons, Was ist handlungsorientierter Unterricht? Argumente und Prinzipien, in: KatBl 125 (2000) 392 –
398, hier: 393.
49
20
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Handeln, Denken und Lernen verschränken sich wechselseitig. John Dewey hat
dafür die Begriffe „denkende Erfahrung“ und „learning by doing“ geschaffen.
Aus der Gehirnforschung wissen wir, dass das Gehirn Informationen nicht einfach in
Schubladen speichert, sondern zu komplexen Netzen ordnet. „Handelnd zu lernen in
lebensnahen Problemen, durch Forschen, Entdecken und Erkunden, fördert den
Aufbau solcher Netzwerke im Gehirn ... Je mehr kognitive Verarbeitungsnetze
aufgebaut werden, desto ‚bedeutsamer‘ wird eine eingehende Information, desto
mehr Zusammenhänge können hergestellt werden und desto ‚runder und
wirklichkeitserfüllter‘ wird unser Bild von einer Sache.“50
Handlungsorientierte Lernprozesse sind auch motivationspsychologisch bedeutsam:
Lernen im Tun geschieht normalerweise freudvoller.
Didaktisch ist die simple Formel ernstzunehmen: Lehren ist nicht mit lernen zu
verwechseln. Daher will Hartmut von Hentig die Mathetik (mathein [griech] = lernen)
über die Didaktik51 (didaskein [griech] = lehren) stellen. Die Konezption des
Offenen Lernens und der Freiarbeit will dies verwirlichen.
Handlungsorientierung als Basismodell?
1. Es gibt ein Problem / eine Dissonanz /einen Anlass, mich zielgerichtet mit einer
Sache auseinanderzusetzen und zu lernen
2. Eine Planung wird entwickelt, wie dabei vorzugehen ist
3. Diese Planung wird (auch mit Sackgassen und Rückkoppelungen zum Ziel)
durchgeführt
4. Das Ergebnis wird überprüft und der Handlungsverlauf reflektiert.52
Kennzeichen eines handlungsorientierten Unterrrichts
Handlungsorientierter Unterricht ermöglicht den SchülerInnen einen handelnden
Umgang mit den Lerngegenständen und –inhalten des Unterrichts mit dem Ziel,– die
Trennung zwischen Schule und Leben ein Stück weit aufzuheben - Erfahrungs- und
Handlungsspielräume mit der sie umgebenden gesellschaftlichen Wirklichkeit zu
schaffen.

Denkendes Tun statt action
Im Entwickeln einer Planung, in der Steuerung der Bearbeitung, in der
Überprüfung des Ergebnisses und der Reflexion des Gesamtprozesses stecken
erhebliche kognitive Leistungen. „Im handelnden Aneignungprozess wird
gelernt.“53
50
A.a.O. 393.
H.v. Hentig, Glaube. Fluchten aus der Aufklärung, Düsseldorf 1992, 106 – 122.
52
H. Gudjons, Was ist handlungsorientierter Unterricht? A.a.O. 394.
53
A.a.0. 396.
51
21
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

Selbststeuerung statt Anweisung
Zielpunkt ist die Selbststeuerung der Handelnden; der Handelnde bestimmt
selbst über das Vorhaben, ist an der Planung beteiligt, iidentifiziert sich mit dem
Ganzen.
Es sind „nicht die traditionellen Lernziele, sondern Handlungsprodukte, von
denen her sich der Unterricht strukturiert. Der Unterricht wird ... vom gemeinsam
gewünschten Ergebnis her organisiert. Damit ändert sich auch die Rolle des
Lehrers vom Instruktor eher zum Lernberater.“54
Handeln lernen statt Beschäftigungstherapie
Handeln ist mehr als Beschäftigung; SchülerInnen sollen Handlungskompetenzen
aufbauen.
Die Handlung hat ein Ziel. „Sie ist eine entdeckende Auseinandersetzung mit der
den Menschen umgebenden Welt, wobei diese wiederum auf die Person
zurückwirkt. Damit sind Handlungen nicht nur kognitiv bestimmt, sie entspringen
auch aus emotional eingefärbten Motiven und sind von Gefühlen begleitet ... Die
Handlungskompetenz (erweist sich) erst im Handlungsvollzug. Zum Erwerb von
Handlungskompetenz gehört vor allem die Fähigkeit des Menschen, seine
Handlungen zu reflektieren – zu lernen. Ein mit Wissen vollgestopfter Kopf nützt
den Schülern und Schülerinnen nicht, wenn sie nicht das Handeln lernen ... Das
Abrufen und Fruchtbarmachen von ‚sinvoll‘ geordneten Wissensbeständen aber

ist wiederum eine zentrale Bedingung dafür, handeln zu können ... Sachwissen
ist gut und nötig, aber für eine Handlungskompetenz ist es wichtig, dass unser
Sachwissen schon im Hinblick auf das Handeln organisiert ist. Und das geschieht
am besten, wenn es handelnd erworben wurde.“55
Zielperspektive statt Methoden-Spielerei
„Die ‚Reinform‘ handlungsorientierten Unterrichts ist das Lernen in Projekten.
Projektunterricht ist die Hochform handlungsorientierten Unterrichtes ...
„Es geht ... um ein grundlegend neues Verständnis von Lernen. Dabei ist der
handlungsorientierte Unterricht ein praktisches Konzept, aber theoretisch gut
begründbar, in seiner Relevanz für die Schulreform bedeutsam, aber kein
Patentrezept, in seiner Grundstruktur einfach, aber nicht simpel.“56
4.2. Der kreative Gott - der schöpferische Mensch - Theologische
Gesichtspunkte
Gott erweist sich als einer, der aus Liebe schafft. Immer wieder kehrt die Aussage:
"Und Gott sah, dass es gut war" (Gen 1 -2). "Diese gute Schöpfung übergab Gott
dem Menschen, dass er sie 'bebaue und behüte' ... Indem der Mensch in der Vielfalt
54
A.a.0. 396.
A.a.0. 397.
56
A.a.0. 398.
55
22
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seines persönlichen und gemeinschaftlichen Schaffens mehr Mensch wird,
verherrlicht er seinen Schöpfer, dessen Bild und Gleichnis er ist." 57 "Im
verantwortungsbewußten Gestalten der Erde entfaltet der Mensch das, was Gott mit
der Welt vorhat. Indem der Mensch auch durch seine Arbeit an der Vollendung des
Werkes Gottes mitwirkt, verschafft er sich nicht nur seinen Lebensunterhalt, sondern
entfaltet zugleich sich selbst. Im schöpferischen Tun weckt er die verborgenen
Talente, die der Schöpfer ihm geschenkt hat. Durch die Arbeit verwirklicht der
Mensch nicht nur den Plan Gottes mit der Welt, sondern auch den Plan Gottes mit
den Menschen, mehr Gott ähnlich werden, 'mehr Mensch werden'." 58
Alles sinnvolle Tun (auch in der Schule) ist Arbeit, ist Mitwirken an der Welt, am Plan
Gottes mit der Welt und damit auch für den Schüler "mehr Mensch zu werden".
Der Mensch ist aufgerufen, am Reich Gottes mitzuwirken, an der neuen Erde
mitzubauen. Dieses Aufgerufensein ist ein konkretes Handeln. Denn: "Nicht jeder,
der zu mir sagt: Herr! Herr! wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer nach
dem Willen meines Vaters handelt." (Mt 7,21)
Die Botschaft der Propheten des Alten Bundes zielt immer wieder darauf ab, Denken
und Tun zu ändern. – Heilungen Jesu sind Taten, die das Reich Gottes sichtbar und
spürbar werden lassen.
4.3. Durch das eigene Tun an der neuen Welt mitbauen Religionspädagogische Gesichtspunkte
Schon 1930 schrieb Copei: "Wir müssen erkennen, dass eine mechanische
Einprägung von Bibelsprüchen und Katechismussätzen noch so gar nichts zu tun hat
mir religiöser Erziehung. So werden Schätze religiösen Lebens durch gedankenlose
Einprägung entseelt und für das ganze Leben verdorben." 59 Katechetisch
entscheidend ist, dass man durch das Tun schon hier und heute am Reich Gottes
mitbaut. Wie der natürlichste Lernprozeß des Kindes über das Tun läuft, so ist es
auch im Glauben. "Wir müssen zuerst einmal mit unseren Kindern religiös handeln,
damit sie Religiöses fühlen und Religiöses überhaupt wissen wollen." 60 Doch nicht
nur das Tun mit der Hand, "auch das Wort kann ein Handeln sein, wenn es aus einer
inneren Beziehung kommt und an einer Beziehung wie an einer Brücke baut." 61
Daher legen wir in den Glaubensbüchern besonderen Wert auf die
Arbeitsanregungen.
In der Frage des Bewegtseins, der Motivation zum Handeln sei bedacht, dass
57
Sozialhirtenbrief der katholischen Bischöfe Österreichs, Wien 1990, 29.
a.a.O. 13.
59
F. Copei, Der fruchtbare Moment im Bildungsprozeß, Heidelberg 8. Aufl. 1966, 126f.
60
A. Höfer, Integrative Religionspädagogik, a.a.O. 56.
61
a.a.O. 57.
58
23
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"'glauben' als aktives Beteiligtsein an Gottes freiem Handeln ... allein durch sein
Handeln ... Ereignis werden"62 kann. Im Aufzeigen, "dass wir auf keine Weise zu ihm
kommen, es sei denn, dass er zu uns kommt" ist der Religionslehrer entlastet von
der Selbstüberforderung, die darin liegt, dass "er selbst durch den Unterricht in
Religion zum Glauben“63 motiviert. Stets dürfen wir uns befreit sagen: "Er bewegt die
Gegenwart von seiner Zukunft, von der verheißenen Erlösung her. Diese seine
Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde motiviert - wann und wo
Gottes Geist es will - jeden Menschen, der in diese Welt kommt."64
Im Lehrplan 2000 für die 10- bis 14-jährigen wird ein Akzent darin gesetzt, dass
neben dem Tun die contemplatio, das Innehalten, das Offensein für das Wirken
Gottes, hervorgehoben wird.65
4.4. Methodisch-didaktische Impulse:
Freiarbeit und offene Lernformen sind ein hervorragender katechetischer Weg, das
Didaktische Prinzip der Selbsttätigkeit zu verwirklichen.
Neuerdings wird vom einem „handlungsorientierten Religionsunterricht“ gesprochen,
der Denkendes Tun statt action, Selbststeuerung statt Anweisung, Handeln lernen
statt Beschäftigungstherapie und Zielperspektive statt Methodenspielerei fördert.66
Formen der Selbsttätigkeit
a) äußere und innere Selbsttätigkeit
b) Geistige oder manuelle Betätigung
c) Beteiligung bei der Unterrichtsplanung, Wahl der -mittel und -wege, Ausführung der
Arbeitsschritte, Überprüfung des Arbeitsergebnisses
d) Mitarbeit im Frontalunterricht und Alleinarbeit
e) Teilnahme bei Vorhaben, Projektunterricht
f) Als Klassen-, Gruppen-, Partner- und Einzelarbeit
5. Sicherung des Unterrichtsertrages - Festigung
5.1. Merkwürdiges einprägen - Pädagogische Gesichtspunkte
62
P. Eicher, "Ich komme zu euch". Das "primum movens" des Evangeliums, in: rhs 31 (1988) 86.
a.a.O. 86.
64
a.a.O. 92.
65
Vgl. auch M. Scharer, Wie sich Altes und Neues verbindet. Theologische und religionspädagogische
Grundlegung der neuen Glaubensbuchreihe für Zehn- bis Vierzehnjährige, in: CPB 114 (2001) 234 – 237.
66
Vgl. H. Gudjons, Was ist handlungsorientierter Unterricht, in: KatBl 125 (2000) 392 – 398.
63
24
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Reformpädagogen wie E. Key, M. Montessori, B. Otto erwecken den Eindruck, als ob
eigene Maßnahmen zur Sicherung des Unterrichtsertrages überflüssig wären, da das
natürliche Lernen Derartiges nicht kenne. Z.B. übt ein Kleinkind sehr ausdauernd.
Im besten Fall ist unsere Schule eine Erziehungsschule, die Leistungen nicht aus-,
sondern einschließt. Zum Wesen der Schule gehört es, Schüler leistungsbereit zu
machen. Häufig wird der Begriff der Leistung aber zu eng gefaßt und beschränkt sich
dann auf das intellektuelle Gebiet und die meßbaren Kenntnisse und Fertigkeiten.
Wirkliche Leistungen wurzeln jedoch in Gesinnung und Haltung; an ihnen ist die
ganze Person beteiligt.67
5.2. "Nicht wer sagt: Herr, Herr ..., sondern wer den Willen meines
Vaters tut" (Mt 7,21) - Theologische Gesichtspunkte
"Ich preise dich, ... weil du all das den Klugen und Weisen verborgen, den
Unmündigen aber geoffenbart hast." (Lk 10,21) "Anfang der Weisheit ist Furcht
Jahwes, Lohn des Guten allen, die danach tun, sein Ruhm besteht für immer." (Ps
111,10)
Der biblischen Weisheitsliteratur (Ijob, Psalmen, Sprichwörter, Kohelet, Hoheslied,
Weisheit, Jesus Sirach) geht es um altes Erfahrungswissen, das weitergegeben
wurde mit dem Zweck, "Schaden und Lebensminderung vom Menschen
fernzuhalten" (G. v. Rad). Nicht das Reden, nicht das Aufsagen des Gelernten ist für
Jesus entscheidend, sondern das Handeln. Er zählt diejenigen, die zu seinen
Brüdern und Schwestern, zu seiner Familie, die den Willen des Vaters tun (vgl. Mk
3,35).
5.3. Ein Wissen, das zu Gott führt - Religionspädagogische
Gesichtspunkte
Für den RU ist entscheidend: Es darf nicht nur um Sachwissen gehen, sondern um
ein "Wissen, das zu Gott führt"68. Darunter versteht A. Höfer zweierlei:
a) Wissen als Erleuchtung: Gott ist das Licht, das Dunkles erleuchtet, mein Leben
erleuchtet, meine Existenz erhellt.69
b) Wissen um die Beziehung: Nicht ein Vielerlei ist wichtig, wenn man zu einem
Menschen (Eltern, FreundIn, Partner ..) eine gute Beziehung haben will, sondern
eine innere Geneigtheit.70
67
vgl F. Huber, Allgemeine Unterrichtslehre, Regensburg 11. Aufl 1972, S. 122f.
A. Höfer, Integrative Religionspädagogik, a.a.O. 32.
69
vgl. a.a.0. 32f.
70
vgl. a.a.0. 33 - 34.
68
25
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Wichtig ist, das Tun (operative Ziele) in den Vordergrund zu stellen. Aus dem Tun
wächst Freude (= emotionale Geneigtheit). Und wer gern etwas tut, will auch viel
wissen.71
Glaube ist mehr als Wissen (Nicht: Glauben heißt nichts wissen, sondern: Wer
glaubt weiß mehr) und Wissen ist ein Aspekt des Glaubens.
Bei den kontrollierbaren Leistungen darf es nicht um ein Einpauken gehen, sondern
um eine innere Aneignung; nicht auf das Auswendiglernen kommt es an, sondern
auf das Verstehen.
Glaubensformeln - Merksätze
Drei Formeln haben über Jahrtausende in der Katechese genügt: das Credo, die
Zehn Gebote und das Vaterunser. Sie sind in ihrer Sprachgestalt einfach, allgemein
verständlich und schön formuliert. Dies ermöglicht, dass man sie ins Herz
aufnehmen - learning by heart - auswendig lernen kann.
Die Kurzformel schließt mehr ein, als sie auf den ersten Blick verrät und drängt nach
Entfaltung. Die Glaubensformel ist ein Band der Einheit, das Kommunikation im
Glauben ermöglicht.
Gebete und Lieder sind Glaubenserfahrungen, die in gebündelter Form oft uraltes
Glaubensgut weitergeben. Glaubensformeln sind wie eine Bienenwabe, die es gilt,
mit Erfahrungen, Erinnerungen, Querverbindungen usw., kurz: mit Leben zu füllen. 72
Merksätze dienen dazu,
- dass man eine gemeinsame Formulierung für das Gelernte findet;
- dass die Kinder etwas in der Hand haben, also sich vergewissern können, was sie
gehört / erarbeitet haben und lernen sollen.
"Auswendiglernen sei, mein Sohn, dir eine Pflicht!
Versäume mir dabei das Inwendiglernen nicht!
Auswendig ist gelernt, was dir vom Munde fließt,
inwendig, was im Sinn lebendig sich erschließt. (Rückert)
5.4. Wissen macht Freude - Vielfältige Formen der Wiederholung Methodisch-didaktische Impulse
a) Ein entsprechender Eindruck: Was keinen Eindruck macht, wir auch kaum
behalten, umgekehrt: starke Eindrücke werden unmittelbar behalten. Wird ein
neues Stoffgebiet dem Schüler spannend angeboten werden, wird er sich dieses
intensiver einprägen und eine höhere Bereitschaft zur Weiterarbeit haben.
71
72
vgl. a.a.0. 37f.
vgl. H. Krameritsch, Merksätze im Religionsunterricht, in: CPB 93 (1980) 40 - 44.
26
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b) Sinnvoller Inhalt: Dem Schüler sinnlos erscheinende Lernstoffe verursachen
Unmut, unverantwortlich viel Energieaufwand und oft die Zerstörung des
Interesses am Stoffgebiet fürs ganze Leben. Sinnvolle Inhalte führen zu einem
dreifach höheren Lernergebnis: Zum ersten ist die Eingrägung beim ersten Mal
höher, zum zweiten die Lust am Wiederholen und drittens wid das Kind das
Erlernte auch auf anderen Lernsituationen übertragen können.
c) Eine bewußt gepflegte Einprägung, z.B. durch: Quiz, Wettbewerb, 10'Wiederholung in spielerischer Form - Im Wettbewerb lernt der Schüler, mit Erfolg
und Mißerfolg umzugehen. Dabei sollte beachtet werden, dass alle Schüler
Chance auf Teilerfolge haben. Bei Gruppenwettbewerben möglichst gleichwertige
Gruppen zusammenstellen.
d) Vielgestaltige Anwendung des Gelernten, z.B.: Beispiele aus dem Leben suchen,
aus Zeitungen, Film und Fernsehen ...
e) Häufige, kurze, und abwechslungsreiche Wiederholung: In unseren Schulen wird
zu viel gelehrt und zu wenig gelernt (Kehr).
f) Jedes Jahr wiederkehrende Themen, z.B. Advent, Weihnachten, Ostern,
Pfingsten .... von verschiedenen Seiten beleuchten, d.h. die Akzente sollen vom
jeweiligen Jahresthema her gesetzt werden.
Merksätze als gebündelte Einsichten - sie dienen zum Meditieren, Verweilen
- Sinnsprüche aus der Bibel als Ratschläge
- gemeinsame Formulierung für das Gelernte
- Hilfen für das Lernen, Behalten, Überprüfen und Wiederauflebenlassen
Wertzulegen ist auf "Übungen mit abwechslungsreichem Material und Wechsel
der Aufgabenstellung, Anknüpfen an bereits Bekanntem, Herstellen von
Querverbingungen und ständiges Aktivieren der Schüler.
 Spielerischen Übungsformen kommt wegen der motivierenden Wirkung
besondere Bedeutung zu."73
 Auch für den RU gibt es inzwischen eine Fülle publizierter Spiele, die


Wissensaneignung in gemeinschaftlicher Atmosphäre fördern.74
Risiko-Quiz, LÜK-Spiele, Elektro-Kontakt, Lotto-Form ...75
Gruppen fragen Gruppen, Begriffe zu einem System ordnen, Glüxkstopf als
Stoffwiederholung, Wiederholungskarten zum Vernetzen des Lernthemas,
73
Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule, a.a.O. 43f.
vgl. die Publikationen im Elke Dieck Verlag u.a.
75
vgl. F. Feiner, Spiele und Übungen im Religionsunterricht an Sonderschulen, RPI Graz 3. Aufl. 1992.
74
27
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Fragen bündeln, Aha-Sätze, Stellung nehmen zu einem Bild/Text, SchülerSelbst-Einschätzung, Lehrerfeedback76
Zielsetzungen und Bewertungskriterien
für den Religionsunterricht
zum Schreiben von Berichtzeugnissen

Das Kind ist bereit und fähig, seine Fragen nach dem Woher, Wozu und Wohin des Lebens
und seine Sichtweise dazu in Wort oder Bild zu äußern.
- FRAGEKOMPETENZ

Das Kind ist bereit und fähig, sich und die Welt mit allen Sinnen wahrzunehmen und seine
Erfahrungen andern gegenüber zum Ausdruck zu bringen.
- WAHRNEHMUNGSKOMPETENZ

Das Kind ist bereit und fähig, sich auf die Texte, Bilder und Musik des Religionsunterrichts
einzulassen, sie zu deuten, und sich auf die Grundlage unterrichtlicher Impulse in eigenen
Worten und Bildern zu Fragen und Themen des Religionsunterrichts zum Ausdruck zu bringen.
- GESTALTUNGS – UND URTEILSKOMPETENZ

Das Kind ist bereit und fähig, sich an den Gesprächen und Symbolhandlungen (Ritualen) des
Religionsunterrichts innerlich und mit eigenen Beiträgen zu beteiligen.
- KOMMUNIKATIVE KOMPETENZ

Das Kind ist bereit und fähig, grundlegende Kenntnisse und Hintergründe über Inhalt und
Entstehung einzelner biblischer Texte zu erwerben und sie für sich und andere wertvoll zu
machen.
- BIBELBEZOGENE KOMPETENZ

Das Kind ist bereit und fähig, biblische Sätze und Geschichten auf eigene Erfahrungen zu
beziehen und dadurch die Bibeltexte sowie das eigene Leben neu und anderes zu sehen und
zu verstehen.
- KORRELATIVE KOMPETENZ

Das Kind ist bereit und fähig, sich mit den Inhalten und Ausdrucksformen anderer Religionen
auseinander zu setzen und Achtung sowie Verständnis gegenüber Menschen mit anderen
Lebensdeutungen zu entwickeln.
- INTERRELIGIÖSE KOMPETENZ

Das Kind ist bereit und fähig, Probleme des Menschen und des menschlichen Miteinanders zu
erkennen, Einfühlungsvermögen in den anderen zu entwickeln und sich Lösungswege
vorzustellen oder sie nachzuvollziehen.
- ETHISCHE KOMPETENZ

Das Kind ist bereit und fähig, seine mit Gott zusammengebrachten Vorstellungen und
Erfahrungen auszudrücken, sich vertraut zu machen mit den christlich jüdischen
Gottesvorstellungen und – erfahrungen und sie als Anstoß für die eigene (religiöse)
Entwicklung zu begreifen.
- THEOLOGISCHE KOMPETENZ
Anmerkungen zur Benotung im Religionsunterricht
a) Unzulässig und unmöglich ist es, religiöse Fähigkeiten wie Glauben, Liebe,
Mitfühlen, Ehrfurcht usw. durch Leistungsmessung zu erfassen. Solch religiöse
76
M. Thanhoffer, R. Reichel, R. Rabenstein, kreativ unterrichten. Möglichkeiten ganzheitlichen Lernens,
Münster 1992, S. 115 - 121.
28
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Fähigkeiten zu messen sind Beziehungen zwischen Gott und Mensch, die auf der
dialogischen Intimbeziehung und auf dem Geöffnetsein des Menschen
untereinander beruhen. Solches im Sinne der Notengebung zu messen, haben
wir weder Auftrag noch ein Recht.
b) Religiöse Einstellungen, affektive Lernziele, emotionales Lernen können im
schulischen Raume nicht benotet werden. Wir haben weder das Recht, das
Innenleben unserer Kinder auszuspionieren noch darüber zu richten.
c) Das Verhalten undisziplinierter oder sehr kritischer Kinder darf nicht in die
Religionsnote einbezogen werden. Dazu ist die Verhaltensnote da.
d) Eindeutig bewerten kann man kognitive Leistungen. Es soll von vornherein
zwischen Lehrer und Schülern geklärt werden, was bewertet wird: dazu gehören
z.B. auch operative Leistungen wie Arbeit in Gruppen, Heftführung, Gestaltung
der „Religionsecke“, Wiederholung/Test, Mitarbeit. Aufzeichnungen darüber sind
regelmäßig im Handkatalog einzutragen.
e) Die Note muß objektiv sein. Dies sieht man, wenn andere Lehrer zum gleichen
Ergebnis kommen.
f) Wenn der Lehrer einen Fragebogen erstellt, so ist wichtig, dass dieser Test auch
das mißt, was er zu messen vorgibt und was der Schüler in den
vorangegangenen Stunden wirklich gelernt hat.
g) Der Katechet wird die Schüler nach ihrem eigenen Vermögen beurteilen. Er legt
für jeden einzelnen Schüler den jeweiligen individuellen Standard fest. Er beurteilt
damit die Leistung eines jeden Schülers aufgrund des individuellen
Gütestandards, der aufgebrachten Anstrengung und der objektiven Leistung.
h) Benotung und Leistungsmessung dürfen nicht als so wichtig erachtet werden,
dass sie den ganzen Religionsunterricht betreffen, die affektiven und
erfahrungsmäßigen Lernziele, wie Begegnung, Kommunikation, Gebet, Tanz,
Musik, Meditation usw. auslöschen. Notengebung soll Rückmelde- und
Anreisfunktion für Lehrer und Schüler ausüben.77
Da die ziffernmäßige Beurteilung in der fünfteiligen Notenskala so wenig über
tatsächliches Wissen, Können und Lernfortschritte aussagt, rückt die verbale
Leistungsbeurteilung rücken immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses. 78
An Formen der Leistungsbeurteilung werden vorgeschlagen:
 Portfoliobeurteilung
 Lernzielkatalog
 Direkte Leistungsvorlage
77
vgl. F. Oser, O. Keel, V. Merz, O Herr, wir rufen alle zu dir. Ein Psalm. (modelle 8) Werkbuch für Lehrer,
Olten 1973, 75 - 78.
78
Vgl. Empehlungen für Leistungsbeurteilung mit Beispielen aus der Praxis. Broschüre des Landesschulrates für
Steiermark, o.O. o.J.
29
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
Das Leistungsblatt
 Lernentwicklungsberichte79
Im Folgenden ist exemplarisch ein Lernzielkatolog für den Religionsunterricht
wiedergegeben:
79
A.a.O. 12 – 14.
30
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Religion
Der Schüler / die Schülerin hat sich mit folgenden
Themen in Form von Gesprächen, Meditation, Gebet,
Spiel, bildnerischer Gestaltung etc. aktiv
auseinandergesetzt:
Semester 1 Semester 2
 Die Verantwortung für sich und andere wahrnehmen (unsere Klasse)
________  ________ 
 Die Problematik der Mission und Entwicklungshilfe
________  ________ 
 Mein Lebensraum, meine Lebensgeschichte
________  ________ 
 Wer bin ich? Psalm 139
________  ________ 
 Meine Familie und ich
________  ________ 
 Jesus Christus als Vorbild christlicher Lebensgestaltung
________  ________ 
 Mein persönliches Glaubensbekenntnis
________  ________ 
 Aus der Mitte leben und feiern
________  ________ 
 Gedanken zu Advent und Weihnachten
(Gott wird Mensch - werde Mensch)
________  ________ 
 Schöpfung: die biblische Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Welt
und des Lebens
________  ________ 
 Die Taufe und Firmung als Grundlage unseres Lebens als Christen
________  ________ 
 Ich bin Kirche (von der Pfarre bis zur Weltkirche)
________  ________ 
 Begegnen lernen:
sich öffnen, sich mitfreuen, mitleiden als Grundverantwortung für
Freundschaft
________  ________ 
 Du bist geboren zum Lieben und um geliebt zu werden
(vom Säugling bis zum Erwachsenen)
________  ________ 
 Ich meine dich ganz
Ehe als Abbild der Liebe Gottes zum Menschen
________  ________ 
 Mit Kreativität, meinen Fähigkeiten, mein Leben gestalten
________  ________ 
 Arbeit und Beruf als Aufgabe
________  ________ 
31
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Religion
Der Schüler / die Schülerin hat sich mit folgenden
Themen in Form von Gesprächen, Meditation, Gebet,
Spiel, bildnerischer Gestaltung etc. aktiv
auseinandergesetzt:
Semester 1 Semester 2
 Die Berufswelt und die Würde des Menschen
(Berufung - Job - arbeitslos)
________  ________ 
 Das wachsende Freizeitangebot als Möglichkeit sinnvoller Gestaltung
erkunden
________  ________ 
 Freizeit: Möglichkeiten und Gefahren
(von Besinnung - aktiv sein - Betäubung)
________  ________ 
 Gefahren von Alkohol und Drogen
________  ________ 
 Auf der Suche nach Lebenssinn und Lebensfreude
________  ________ 
 Weltreligionen: Lebensformen anderer Religionen kennenlernen
________  ________ 
 Auf der Suche nach Gott
________  ________ 
 Pfingsten: Du bist eingeladen
________  ________ 
 Ich bin Christ - Gabe - Aufgabe
________  ________ 
 Das Kirchenjahr - beten und feiern
________  ________ 
 beteiligt sich aktiv an religiösen Feiern ( Advent, Gottesdienst,..)
________  ________ 
 bereichert durch seine/ihre Mitarbeit den Unterricht
________  ________ 
 arbeitet im Heft sehr sorgfältig
________  ________ 
Anmerkungen
1. Semester: _______________________________________________________________
__________________________________________________________________________________________
__________________________________________________________
2. Semester: _______________________________________________________________
__________________________________________________________________________________________
__________________________________________________________
32
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6. Konzentration der Bildung - Das Prinzip des
Exemplarischen
6.1. Die Fülle des Stoffes - Beschränkung auf das Wesentliche Pädagogische Gesichtspunkte
Die Fülle des Lehrstoffes bringt es mit sich, dass man sich auf das Wesentliche
konzentrieren muß. Nicht ein Vielerlei, sondern die Fähigkeit das exemplarisch
Gelernte transferieren zu können, soll gelernt werden. Von derselben Sache sprach
man in unterschiedlichen Begriffen: exemplarisches Lernen, Mut zur Lücke,
Entrümpelung der Lehrpläne usw.
Man will dies durch diverse Arten der Konzentration der Bildung erreichen:
a) Der Gesamtunterricht nimmt von einer Scheidung des Lehrstoffes in Stunden und
Fächer Abstand. Der Unterricht wurzelt im heimatlichen Sachunterricht und bringt
das Lehrgut in Ausschnitten aus dem Leben planmäßig an das Kind heran. So
lernt das Kind das Bild seiner Umwelt und seines Erlebniskreises überschauen
und gliedern. (1. - 3. /4. Schulstufe)
b) Fächerübergreifender Unterricht setzt ein kooperationsfähiges Lehrerteam
voraus, das zur regelmäßiger Absprache und Vorplanung bereit ist. Der Lehrplan
2000 lebt von der Realisierung des fächerübergreifenden und
fächerverbindenden Unterrichts.
c) Epochalunterrricht: Z. B. würden in den Stunden GW, Ph, GS für zwei Wochen
Geografie angesetzt, um zu einem Thema ....
d) Projektunterricht: Ein Thema wird von mehreren Fächern über einen längeren
Zeitraum (üblich ist eine Woche oder auch länger) behandelt. Dabei sollen die
Schüler selbsttätig an das Thema herangehen, am Ende soll ein faßbares
Ergebnis stehen.
6.2. Suchet zuerst Gottes Reich, und alles andere wird euch
dazugegeben werden ( vgl. Mt 6,33) - Theologische Begründung
Welche Antwort gibt Jesus auf die Frage nach dem Wesentlichen? Sich das "Leben
in Fülle" (Joh 10,10) schenken zu lassen und sich auf die Suche nach dem Reich der
Himmel zu machen, nach der Herrschaft Gottes.
6.3 Das verheißene "Leben in Fülle" erahnen Religionspädagogische Gesichtspunkte
33
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Einem erfahrungsorientierten Religionsunterricht kann es nicht darum gehen, jedes
Detail zu vermitteln, sondern er wird Zentrales und Wesentliches thematisieren. "Im
Sinn der 'Hierarchie der Wahrheiten' (II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus
Nr. 11) kann er sich in seiner Zielsetzung auf den Kern der Botschaft, auf die Zusage
des Heils in der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus konzentrieren. Es geht
nicht um bloßes Glaubenswissen, sondern darum, das Evangelium als Weisung des
Lebens zu verstehen und zu 'ergreifen'. Alle sonstigen Inhalte des
Religionsunterrichts ... müssen von dieser Mitte her begründet ... werden.
Die Auswahl exemplarischer Inhalte aus dem umfassenden Geflecht des
menschlichen Lebens und aus dem großen Schatz der christlichen
Überlieferungsgeschichte ist vor allem deswegen naheliegend, weil in der religiösen
Dimension menschlicher Existenz wie im Glauben alles immer schon von sich aus
auf ein letztes Zentrum verweist."80
Es gilt, "das Eigentliche, die Gottesbeziehung des Menschen als das 'Leben in Fülle'
zu erschließen."81
6.4. Methodisch-didaktische Impulse
Die Frage der vier- bzw. fünffachen Elementarisierung:
Aufbauend auf W. Klafki (Elementare Bildungsinhalte, 1961), H. Stock und I.
Baldermann (Elementarisierung biblischer Stoffe) hat in den 80-er Jahren K.E.
Nipkow das vielbeachtete didaktische Konzept der Elementarisierung entwickelt:
1. Elementare Strukturen: Zunächst gilt es, den Unterrichtsgegenstand - aus dem
sachorientierten Blickwinkel - sach- und schülergemäß zu vereinfachen. "Die
Komplexität von Theologie erfordert sach- und textgemäße Konzentration auf
theologisch Wesentliches als Grund-Legendes und Einfaches im Sinne
elementarer Strukturen, die charakteristisch, konstitutiv und unverzichtbar sind
und bedarf konkretisierender Auswahl jenseits enzyklopädischer Ansprüche und
subjektiver Vorlieben."82
Sowohl beim Erstellen von Lehrplänen und Schulbüchern, als auch beim Planen
des Unterrichts kann man von Karl Rahners Kurzformel des Glaubens ausgehen:
In der Mitte ist Christus als Konzentrationspunkt, Um ihn sind die acht
wesentlichen Themen angeordnet: a)Gott (Geheimnis), b)Gnade, göttliches
80
Lehrplan für den katholischen Religionsunterricht an HS (Ausgabe 1985), 7.
a.a.O. 8.
82
W. H. Bitter, Stichwort "Elementarisierung", in: KatBl 126 (2201)83.
81
34
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Leben c) Offenbarung in Geschichte, d) Jesus von Nazareth, e) der dreifaltige
Gott, f) Kirche, g) Sakramente, h) Hoffnung, ewiges Leben.
In weiteren konzentrischen Kreisen können die acht großen Themen in
Beispielen entfaltet werden.K.E. Nipkow wiederum nennt zu dieser
fachwissenschaftlichen Elementarisierung, die den Inhalt nicht verkürzt, sondern
in der Kürze das Wesentliche bringt, drei weitere:
2. Elementare Erfahrungen: Aus dem anthropologischen Blickwinkel ist auf der
Sach- und Schülerebene die Lebensbedeutung zu reflektieren:
"Schülererfahrungen und die in elementaren Strukturen überlieferten Erfahrungen
sind didaktisch zu bedenken u nd so aufeinander zu beziehen, dass sie sich
wechselseitig erhellen."83
3. Elementare Zugänge: Lebensgeschichtliche und entwicklungsbedingte Zugänge
ermöglichen - entwicklungspsychologischer Blickwinkel.
4. Elementare Wahrheiten: fundamentale Wahrheitszumutungen schrittweise
erschließen - theologischer Blickwinkel: Die Wahrheit steht didaktisch nicht "als
Wahrheit 'an und für sich' ... fest, sondern ergibt sich zwischen Sache und
Person prozessual als Wahrheit 'für mich'"84.
5. W. Bitter schlägt vor, als fünfte Elementarisierung die Frage der Elementaren
Lernwege zu bedenken: sach- und schülergerechte Lernwege gestalten didaktischer Blickwinkel.
7. Methodengerechtheit und Methodenfreiheit
7.1. "Sei dein eigener chairman - mit Blick auf deine Klasse" Pädagogische Gesichtspunkte
Methodengerechtheit:
* Zu unterscheiden ist zwischen der Eigenart des Gegenstandes und der Eigenart
seiner Aneignung. Daraus ergeben sich drei Dimensionen:
1. Sachgemäßheit: Von der geistigen Struktur eines Stoffes her sind die Methoden
zu entwerfen und zu begründen.
2. Psychische Adäquatheit: Eine Turnübung kann nur durch Turnen eingeübt,
Sprachformen / Vokabel können nur durch Einprägen angeeignet werden.
3. Entwicklungsgemäßheit: die Leistungsanforderungen müssen dem Schüler
entsprechen. Es ist Rücksicht zu nehmen auf Begabung, Lerntempo und
Entwicklungsstand des einzelnen Schülers.
83
84
A.a.O. 83.
A.a.O. 83.
35
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Methodenfreiheit:
In den österreichischen Lehrplänen ist dieses Prinzip, verbunden mit dem der
Methodengerechtheit, fest verankert. Wenn auch der Lehrer in ein vielfaches Korsett
gepreßt ist (50-Minuten-Stunde, Pflicht zur Beurteilung in der fünfteiligen Notenskala,
Verwaltung und Bürokratie ...), so hat er doch innerhalb seines Faches Freiheit in der
Wahl der Unterrichtswege. Niemand, keine Autorität kann ihm Vorschriften machen,
welche Lehr- und Lernwege er zu beschreiten hat; er allein ist verantwortlich, im
Hinblick auf seine Klasse die Entscheidung über die Unterrichtsformen zu treffen.
Der/Die LehrerIn benötigt ein Maß an nicht reglementierbarer Freiheit. "Diese
pädagogische Freiheit ist dem Lehrer nicht erst durch den Staat zu übertragen,
sondern sie ihm ursprünglich zu eigen, eben da Erziehen einen Raum freier,
eigenverantwortlicher Entscheidungen voraussetzt." 85 Denn "die Art der Begegnung
des Lehrers mit dem einzelnen Schüler ... läßt sich nicht von außen reglementieren."
Und der/die LehrerIn muss durch den Lehrplan aufgegebene Stoffe in der ihm/ihr
„adäquat erscheinenden Weise darbieten dürfen ... Wieviel an pädagogischer
Freiheit nötig ist, bestimmt sich also von der Aufgabe des Unterrichtens und
Errziehens her."86
7.2. "Ich bin der Weg ... "(Joh 14, 6) - Theologische Gesichtspunkte


Gott entlässt den Menschen in Freiheit. Er hat ihn in die Welt hineingestellt, um
sie zu gestalten; er greift nicht kontrollierend in das Handeln des Menschen ein.
Gott gibt den Auftrag, die Welt zu gestalten, er schreibt kein WIE vor.
"Zur Freiheit hat euch Christus befreit ..." (Gal 5,1) "Gott hat euch zur Freiheit
berufen ..." (Gal 5,13). Wie die Freiheit zu gebrauchen ist, wird nicht gesagt, sondern
nur: sich nicht wieder zu Sklaven machen zu lassen, und die Freiheit nicht zu
mißbrauchen.

Vorrangig für Christen wird sein, sich zu Christus auf den Weg machen.
7.3. Freiheit der Methode - Freiheit der Inhalte? Religionspädagogische Gesichtspunkte
Die Lehrpläne für den katholischen Religionsunterricht verankern nicht nur die
Methodenfreiheit, sondern auch eine weitgehende Freiheit bei der Auswahl der
Inhalte.
85
86
P. Kral, Gedanken zur pädagogischen Freiheit des Lehrers, in: Pflichtschullehrer (1985) Nr. 2, 16.
a.a.O. 16f.
36
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


Der Volksschullehrplan (1991) stellt den Lehrinhalt ist in zwei Spalten dar. „In der
linken Seite wird die stoffliche Grobstruktur angegeben und dadurch die
inhaltliche Linienführung des Religionsunterrichts verdeutlicht. In der rechten
Spalte wird die Grobstruktur konkretisiert, oft beispielhaft interpretiert." 87
Der Lehrplan für Allgemeine Sonderschulen hingegen formuliert in der Präambel
bahnbrechend und richtungweisend in bezug auf Auswahl der Inhalte. "Sie (die
Inhalte, d.V.) geben Beispiele an, mit deren Hilfe die Intentionen verwirklicht
werden können."88 Damit sind also auch die Inhalte weitgehend der Autonomie
und Entscheidung des Lehrers anheimgestellt.
Der Lehrplan 2000 formuliert über alle vier Schulstufen sieben Zielbereiche und
entfaltet daraus eine geringe Zahl von Inhalten für die einzelnen Schulstufen.
Bei der Zielsetzung, ein hohes Maß an fächerverübergreifenden und
fächerverbindenden Unterricht zu gestalten, stellt sich die Frage: Wie hoch muss
der „Kernstoff“ eines Faches sein? Was kann als „Erweiterungsstoff“ gelten?
7.4. Methodisch-didaktische Impulse


In der Frage der Methodenauswahl sind die behandelten Didaktischen Prinzipien
zu berücksichtigen.
Im Hinblick auf Schüler, Inhalt, Ziel, Mittel, Zeit, Raum sind die geeigneten Lehr-/
Lernwege zu wählen.
 Grundlegende Modelle, Grundstrukturen (Basismodelle) wollen behilflich sein,
einen vielfältigen Unterricht nach den den Inhalten adäquaten Kriterien zu
strukturieren.
 Zu wünschen ist ein Religionsunterricht, der vielfältige Lehr-/Lernwege einsetzt,
die der Sache und den Schülern entsprechen.
8. Differenzierung und Individualisierung
8.1. Den vielfältigen Interessen, Neigungen und Fähigkeiten
Rechnung tragen – Pädagogische Gesichtspunkte
In den Integrationsklassen, Sonderschulen und Sonderklassen finden sich
besonders viele SchülerInnen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten: Nicht in erster
Linie die Defizite, das Fehlende, den Mangel bei den SchülerInnen mit
sonderpädagogischem Förderbedarf zu sehen, ist vorrangige Aufgabe der
87
Lehrplan für den katholischen Religionsunterricht an der Volksschule. Vorschulstufe. Grundschule (1. bis 4.
Stufe der Volksschule), Wien 1991, 5.
88
Lehrplan: röm.-kath. Religionsunterricht an der Allgemeinen Sonderschule, Wien 1992, 8.
37
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LehrerInnen, sondern das, was SchülerInnen – trotz ihrer Mägel – an Fähigkeiten
mitbringen.
Seit langem wird schon unterschieden zwischen

Äußerer Differenzierung (z.B. nach Leistungsgruppen) und

Innerer Differenzierung (Förderung der unterschiedlichen Begabungen innerhalb
der Klasse).
8.2. „Was willst du, dass ich für dich tun soll?“ (Mk 10,51) –
Unterschiedliche Bedürfnisse und verschiedene Charismen Theologische Gesichtspunkte

Jesus geht auf jeden bedürftigen Menschen zu, lässt jeden auch zu ihm kommen,
überschüttet ihn aber nicht ungefragt mit Heilung und Heil, sondern fragt: „Was willst du,
dass ich für dich tun soll?“ Dies ist der Aspekt des Geschehenlassens, der contemplatio,
das Wahrnehmen dessen, was ich brauche.

Der andere Aspekt ist die actio, das Tun: Paulus spricht im 12. Kapitel des 1. Briefes an
die Korinther von Charismen, die vielfältig gegeben sind zum Aufbau der Gemeinde, des
Leibes Christi. Entscheidend ist in diesem Kapitel wohl die Mitteilung, dass gerade die
schwächer scheinenden Glieder genauso zum Leib gehören und genauso wichtig sind.
8.3. Wahrnehmen was ich brauche und was ein/e andere/r braucht
– religionspädagogische Gesichtspunkte
„Was der oder die alles kann!“ – Wir staunen oft über Fähigkeiten anderer, vergleichen uns
mit anderen, was ein/e anderer besser kann als ich und ich komme mir klein, unfähig und
minderwertig vor. – Selbst für Erwachsene kann ein häufiges Vergleichen mit anderen
entmutigend wirken.
Hüten wir uns davor, SchülerInnen mit anderen zu vergleichen. Angebracht ist bei eine/m/r
SchülerIn nur ein zeitlicher Vergleich, und zwar nur auf ihn/sie selbst bezogen – und mit
ermutigenden Worten geäußert: „Was du in den letzten zwei Monaten alles dazugelernt
hast!“
Wir fragen: Was kann ich von meinen Fähigkeiten in Gemeinschaften einbringen?
War nicht die Situation in Korinth ähnlich wie wir sie heute in vielen Schulklassen vorfinden?
Ist 1 Kor 12 nicht eine Ermutigung für die schwächeren Teile der Gesellschaft? Wäre nicht
„Integration“ von Paulus her dahingehend zu begründen, dass die Schwächeren
unentbehrlich sind und des besonderen Schutzes bedürfen: Sie sind wichtig für die
Stärkeren und für den ganzen Organismus der Gemeinschaft. Wenn nicht alle Teile des
38
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Körpers füreinander sorgen, leidet der ganze Leib Christi. Wenn ein Teil geehrt wird, werden
alle verherrlicht.
8.4. Methodisch-didaktische Impulse
– Unterschiedliche Aufgabenstellungen mit verschiedenen Lösungswegen und
–niveaus
– zusätzliche individuelle Hilfen oder zusätzliche Medien
– offene Fragestellungen;
– Freiarbeitsphasen mit unterschiedlicher Lernzeit, Aufgabenzahl oder Übungsform
9. Besondere Lernhilfen
9.1. Stärkere helfen Schwächeren
In der Geschichte der Pädagogik gibt es mehrfach Ansätze, wo Ältere den Jüngeren,
Stärkere den Schwächeren, Verstehende den Nicht-Verstehenden helfen.
Maria Montessori greift zum Beispiel ein Wort von Kindern auf und macht es zu
einem entscheidenden Schwerpunkt für ihre Pädagogik: „Hilf mir, es selbst zu tun!“
Es genügt „nicht für das Kind Gegenstände zuzurüsten, die in Form und Ausmaß zu
ihm passen: es gilt, den Erwachsenen zuzurüsten, auf dass er ihm zu helfen
vermöge.“89
9.2. „Versteht ihr dieses Gleichnis nicht?“ (Mk 4,13) –
Theologische Gesichtspunkte
Was haben die Jünger Jesu verstanden? Den Petrus weist der Rabbi mehrmals scharf
zurecht; sogar bei seiner Festnahme meint Petrus noch, das Reich Gottes wäre eine
Herrschaft mit Gewalt, und er zückt sein Schwert.
Bei einem Gleichnis gibt er – auf die Frage: „Versteht ihr dieses Gleichnis nicht?“ - eine
Deutung.
Die professionellen Ausleger des Wortes Gottes zur Zeit Jesu verstehen wenig, da die
Bereitschaft zum Offensein und zum Handeln fehlt; im Gegensatz zu den Armen, Kleinen,
Kindern: „Ich preise dich, Vater, ... weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den
Unmündigen aber offenbart hast.“(Lk 10,21) – Gott selbst schenkt das Verstehen denen, die
sich ihm öffnen. „Aus dem Mund von Kindern und Säuglingen hast du dir Lob bereitet“. (
)
89
M. Montessori, Kinder sind anders, (dtv-tb 15036) München 6. Aufl. 1991, 201.
39
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9.3. Dem Verstehen nachhelfen und für die Deutungen der
SchülerInnen offen sein – Religionspädagogische Gesichtspunkte
Jesus hat von der neuen Welt Gottes, von der Königsherrschaft Gottes immer wieder in
Bildern und Gleichnissen gesprochen. Dies ist auch religionspädagogisch für heute die
Aufforderung und der Weg, konkret, anschaulich, lebensnah von Gott zu sprechen.
In gleicher Weise wichtig ist es zu erhorchen, wie unsere SchülerInnen die Botschaft
aufnehmen und zu ermutigen, in ihrer Sprache (auch mit Musik, Tanz, Zeichnen,
unkonventionellen Worten ...) die Gute Nachricht auszudrücken.
9.4. Methodisch-didaktische Aspekte
- Darbietungen überschaubar bringen und auf Wesentliches beschränken
- Lehrstoff gut gegliedert, in Teilschritte zerleget und anschaulich den Lernvoraussetzungen
der SchülerInnen angepasst darbieten
– die wichtigsten Sachverhalte klar herausheben
– zusammenfassende Wiederholungen
– einprägsame Formulierungen und Gedächtnisstützen
– Skizzen, Zeichnungen,
- gedankliche Verknüpfungen
– langsames Fortschreiten auf der sicheren Basis von Gekonntem
10. Therapeutische und funktionelle Übungen
10.1. Integrieren und fördern - Pädagogische Aspekte
„Schulisch relevante Lernbeeinträchtigungen entstehen häufig durch Störungen und Ausfälle
im sozial-emotionalen, im kognitiven, motorischen, sensorischen und/oder sprachlichen
Bereich. Mit Hilfe therapeutischer und funktioneller Übungen sollen die für das
Unterrichtsgeschehen wichtigen körperlichen und geistigen Grundfunktionen gestärkt
werden.“90
Wichtig sind die therapeutischen und funktionellen Übungen im Sprach- und
Mathematikunterricht und in der Bewegungsförderung durch Schulung der Motorik. Letzteres
wirkt sich überaus positiv auf das gesamte Lern- und Leistungsverhalten aus.
Einen besonderen Stellenwert unter diesem Übungen nimmt die rhythmisch-musikalische
Erziehung ein. Sie fördert die Entwicklung, steigert die Körperbeherrschung und
Konzentrationsfähigkeit und trägt zu einer kontinuierlichen Formung der
Gesamtpersönlichkeit wirksam bei.
90
Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule, a.a.O. 44.
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10.2. Heilende Momente - Theologische Gesichtspunkte
Was hat Jesus getan, wenn er Menschen geheilt hat? - Wertvoll ist, sein Handeln, wie es in
den Verba konkret dargestellt wird, genauer anzuschauen:

Bei der Heilung der Schwiegermutter des Petrus heißt es: „Er ging zu ihr, fasste sie an
der Hand und richtete sie auf.“ (Mk 1, 29 - 31)

zum Mann mit der verdorrten Hand sagte er: „Steh auf und stell dich in die Mitte! ...
Streck deine Hand aus!“ (Mk 3,1-6)

Dem unreinen Geist befahl er: „Schweig und verlass ihn!“ (Mk 1, 23 – 28)

Von der blutflüssigen Frau spürte er die Berührung des Gewandes; er sagte ihr zu:
„Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! Du sollst von deinem
Leiden befreit sein!“ (Mk 5,24-34)

Die Tochter des Jairus fasste er an der Hand und sagte ihm zu: „Talita kum! Mädchen,
ich sage dir, steh auf!“ (Mk 5,35-43)

Zum Taubstummen sagte er: „Effata! Öffne dich!“ (Mk 7,31-37)

Den Blinden in Betsaida nahm er bei der Hand, führte ihn vor das Dorf hinaus, bestrich
seine Augen mit Speichel, legte ihm die Hände auf und frage ihn: „Siehst du etwas?“ (Mk
8,22-26)
10.3. Wusstest du schon, dass die Nähe eines Menschen gesund
machen kann? - Religionspädagogische Gesichtspunkte
Wir haben entmutigende Worte im Ohr und haben im Leben Verletzungen erlebt. - Spüren
wir für uns selber nach, welch wohltuende Wirkung es hat, wenn jemand uns an der Hand
nimmt und aufrichtet. Wie oft erlebten wir in Begegnungen, wie ein Lächeln ansteckt, wie es
uns Mut machte, wenn uns etwas zugetraut wurde.
wusstest du schon
dass die nähe eines menschen
gesund machen
krank machen
tot und lebendig machen kann
wusstest du schon
dass die nähe eine menschen
gut machen
böse machen
traurig und froh machen kann
wusstest du schon
dass das wegbleiben eines menschen
sterben lassen kann
dass das kommen eines menschen
wieder leben lässt
wusstest du schon
dass das wort
oder das tun einen menschen
wieder sehen machen kann
einen
der für alles blind war
der nichts mehr sah
in dieser welt
und in seinem leben
wusstest du schon
dass das zeithaben für
einen menschen
mehr ist als geld
mehr als medikamente
unter umständen
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mehr als eine geniale operation
wusstest du schon
dass die stimme eines menschen
einen anderen wieder aufhorchen lässt
der für alles taub war
wusstest du schon
dass das anhören eines menschen
wunder wirkt91
„Dann rief er die Zwölf zu sich und gab ihnen die Kraft und die Vollmacht, alle Dämonen
auszutreiben und die Kranken zu heilen. Und er sandte sie aus mit dem Auftrrag, das Reich
Gottes zu verkünden und zu heilen ... Sie verkündeten das Evangelium und heilten überall
die Kranken.“ (Lk 9,1-2.6)
10.4. Methodisch-didaktische Impulse
Pierre Stutz, ein Mystiker unserer Tage, ermutigt, den eigenen Erfahrungen zu trauen und
Gebärden und Rituale zu leben. Er entwickelt Impulse nach den Heilungsgeschichten nach
Markus und gibt Anregungen, Spiritualität hier und heute zu leben, d.h. etwas, was wir
ohnehin tun, langsamer, achtsamer und intensiver zu tun, z.B. atmen, aufstehen, die Hände
ausbreiten ... „Ein spiritueller Mensch vertraut auf eine heilende Kraft in jedem Menschen.
Sie wird erfahrbar, wenn wir in all unserem Sein und Tun Gottes Atem spüren.“ 92 Spiritualität
kommt übrigens von spirare, das bedeutet „atmen“.

Meine Stimme finden

Mein HANDeln vertiefen

Stell dich in die Mitte

Meiner Lebenskraft trauen

Aufstehen zum Leben

Nähe und Distanz einüben

Heilendes Teilen

Kraftvolle Zuwendung

Das Kreuz umarmen

Mit Widersprüchlichkeiten leben können

Segnendes Mitsein

Wohltuendes Salben
91
92
Nach W. Willms, der geerdete himmel. Wiederbelebungsversuche, Kevelaer 2 Aufl. 1976, 5.5
P. Stutz, Heilende Momente. Gebärden – Rituale – Gebete, München 2000, 7.
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