I ) Wie ich mit den vorliegenden Texten beten kann

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I ) Wie ich mit den vorliegenden Texten beten
kann
1) Ich übe mich täglich in folgenden Punkten



ich richte den äußeren Raum ein
ich werde ruhig und öffne meinen inneren Gebetsraum
ich spüre mich in meinem Leib und werde gegenwärtig
und still
 ich nehme Beziehung zu Gott in mir auf.
Anfänglich wird mir dies wahrscheinlich mehr Mühe bereiten,
da ich mit den Strukturen noch nicht so vertraut bin, als mit der
Zeit, wenn die Abläufe geläufiger werden.
In all diesen geistlichen Übungen verkrampfe ich mich nicht.
Ich setze mich selbst nicht unter Druck und unterwerfen mich
keinem Leistungsprinzip (z. B. „Ich darf ja keinen Fehler
machen!“). Ich versuche das zu berücksichtigen und zu
achten, was sich in mir aktuell zeigt bzw. zu Wort meldet.
Achtsamkeit mir selbst, den anderen und dem, was Gott mir
mit auf meinen Weg geben will, steht jetzt - und eigentlich
immer - im Mittelpunkt der Spiritualität des Alltags, also meines
täglichen Lebens.
Vor mir liegt eine Sammlung von unterschiedlichen Texten und
Bildern, angereichert mit vielen Impulsen für jeden Tag der
kommenden fünf Wochen. Die Fülle an Texten kann mitunter
verunsichern: wie soll ich das nur bewältigen?
Indem ich ohne Stress das Maß und den Inhalt meiner
Gebetseinheit selbst ertaste, ausprobiere und letztlich selbst
bestimme.
Ich nehme mir, wenn möglich, täglich eine fixe Zeit fürs Gebet.
Das gute Maß könnte ca. 30-60 Minuten sein (verteilt auf eine
z. B. Zeit am Morgen, eventuell eine Zeit mitten am Tag und
die abschließende Zeit am Abend).
Aber erneut ist es mir bewusst, dass ich auch mit kleinen
Schritten ans Ziel komme. Wenn mir „nur“ zehn bewusste
Minuten am Tag möglich sind, dann seien Sie in diesen zehn
Minuten vor Gott ganz gegenwärtig und so mit Gott unterwegs.
2) Der Aufbau der spirituellen Einheiten

Das Tagesthema:
Ich finde ein Tagesthema zu
Beginn des jeweiligen Tages. Es soll mir dabei helfen,
mich inhaltlich auf die nun folgenden Gebetsteile
einzustellen.

Das tägliche Eröffnungsgebet:
Ein
Wochengebet kann das Gebet sein, mit dem ich nach meiner
inneren Vorbereitung die tägliche Gebetszeit beginne.

Die Leibübung:
Mein Körper funktioniert nicht
einfach nur, sondern ist Heimat für Emotionen, Herz
und Seele. Der beseelte Körper wird in der Theologie
und Philosophie als Leib bezeichnet. Jeden Tag
konzentriere ich mich bei einer Übung auf einen
anderen Aspekt meines Leibes, komme ihm näher.
Dieser Leib-Impuls führt hin zum biblischen Text des
jeweiligen Tages. Die Öffnung für meinen Leib (Körper)
und die Identifizierung mit ihm wird hier angestrebt. Die
Übungen zielen darauf, dass ich mir meiner
verschiedenen Sinne und Körperteile bewusster werde.
In meinem Körper sind alle meine Empfindungen und
Erinnerungen an Vergangenes gespeichert. Diese
kommen zum Teil bei einzelnen Übungen in
Schwingung. Ein Ziel kann sein, dass ich daraus einen
wohlwollenden Zugang zum meinem körperlichen Sein
finde.

Der biblische Text:
Im
Zentrum
des
fünfwöchigen Prozesses stehen neutestamentliche
Heilungsgeschichten. Für jeden Tag gibt es einen oder
mehrere Bibelverse, die von der körperlichen und/oder
psychischen Einschränkung zur körperlichen und/oder
psychischen Heilung führen. In diesen Texten ist die
Lebens- und Glaubenserfahrung einzelner Gläubiger in
der Begegnung mit Jesus verdichtet.

Die Impulse zum biblischen Text:
Die
biblische
Heilungsgeschichte wird auf der symbolischen Ebene
des Glaubens tiefgründiger betrachtet und auf eine
persönliche Ebene gebracht. Fragen und Impulse, die
aus dem Thema erwachsen, werden benannt und
fordern heraus, mich eingehender damit zu
beschäftigen.

Lyrische Texte: Ein lyrischer Text greift Gedanken
und Emotionen auf und verdichtet sie.

Die Stille:
Ich baue vor Beginn der Gebetszeit
und im Gebetsablauf immer wieder Zeiten, Momente
der (inneren) Stille ein. In dieser Stille bin ich bei mir
selbst und auch bei Gott. Ich bin ungestört, nicht
abgelenkt und daher offen für das, was sich in mir zu
Wort meldet, was sich an Gefühlen und Bildern in mir
zeigt. In dieser Stille kann der biblische Text, die
bildliche Gestalt, das, was beim Hören Schwingungen
in mir hervorruft, der Impuls – der mich zu mir selber
führen möchte – nachklingen und Heimat finden. In
diesem Begegnungsraum kann Gott mich berühren,
aufrütteln, beheimaten.

Tagesrückblick und/oder Gebet:
Den Abschluss
des Tages (oder der täglichen Gebetszeit) bilden
rückblickende Gedanken und/oder ein Gebet.
II) Vertiefung der einzelnen Schritte
Im Folgenden werden die einzelnen Schritte der Tagesstruktur
noch klarer erläutert und ergänzt.
1)
Meine innere Vorbereitung auf das Gebet
a) Meinen Gebetsraum entdecken
Ein Raum in meiner Umgebung wird mir zum Gebetsraum.
 Der Äußere Raum
Mit diesem Raum ist jener Raum bezeichnet, der mich umgibt:
mein Zimmer, meine Wohnung/mein Haus, mein Garten, der
Wald, ein Platz am See, ein Platz auf dem Berg, ein
Gebetsraum …
 Der Innere Raum
Mit diesem eher symbolischen Raum ist jener Raum gemeint,
den meine inneren Bilder, Gefühle, Erinnerungen und
Gedanken, Empfindungen, mein Bewusstsein … einnehmen.
 Der Glaubensraum
Unter diesem Raum versteht sich zum Einen die biblische
(äußere) Wirklichkeit, die mir in den biblischen Texten
begegnet; zum anderen aber auch jener (innere) Raum, in
dem ich mich öffne für die Erfahrungen mit Gott, die mit
Staunen, Zweifeln, Vertrauen, Warten, Hoffen, Anbeten …
umschrieben werden können.
Wenn ich mich auf Gott bewusst einlassen möchte, dann
können klar gesetzte Schritte den Boden ebnen (auch wenn
Gott mitten in meinen Alltag einfach – unvorhergesehen und
unerwartet – „einbrechen“ kann!). Einer dieser Schritte ist es,
sich für die Dauer der geistlichen Übungen der kommenden
Wochen einen äußeren Raum zu suchen und diesen auch zu
gestalten, damit das Geschehen in meinem inneren Raum
offen und weit wird, so dass ein Glaubensraum erfahrbar
werden kann.
Die Gestalt des äußeren Raumes wird meinem WohlEmpfinden entsprechen. Dieser äußere Rahmen soll mich
dabei unterstützen, zur Ruhe und zur Entspannung zu
kommen. Telefon und andere Eindringlinge in meine
Stillephase sollen, wenn möglich, ausgeklammert werden. Das
allgemeine Wohlbefinden sollte vorhanden sein. Eine Decke,
eine
Kerze,
eine
gute
Sitzunterlage,
angenehme
Lichtverhältnisse bei wohltuender Raumtemperatur sind
unterstützend. Alles, was mich vom Eigentlichen ablenken
könnte, stört.
Es ist hilfreich, diesen Platz während der fünf Wochen zu
„bewohnen“, wenn er sich vielleicht auch etwas verändern
mag. Es gibt auch Schutz, wenn ich immer ungefähr zur
selben Zeit diesen Raum aufsuche. Diese Regelmäßigkeit hilft
unserem etwaigen Umfeld, die Grenze der Stille, des
Ungestörtseins, zu achten.
Anselm Grün schreibt in seinem Buch über Exerzitien für den
Alltag (Vier-Türme-Verlag, Münsterschwarzach 2009), dass
am Ende der Exerzitien die Entscheidung stehen soll, Gott in
mir mehr Raum zu geben, damit Gott mich wandeln kann,
damit Christus in mir wachsen und Gestalt annehmen kann.
Das Ziel dieses „Glaubensraumes“ ist es also, ein wachsendes
Gespür für die Liebe Gottes zu entwickeln.
b) Gebet der Woche
Das Wochengebet kann zu Beginn der Gebetszeit gebetet
werden. Es soll die Gebetszeit bewusst eröffnen und zum
kommenden Dialog mit Gott hinführen. Es passt sich inhaltlich
an die Themen der Woche an und begleitet die einzelnen
Gedanken des Tages.
c) Meinen Leib als Raum des Gebetes entdecken
Mein Leib ist Wohnort des Heiligen Geistes, der Ruach – jener
Schöpferkraft, die ins Leben ruft und lebendig macht. Dieser
Leib kann das innere Empfinden in verschiedenen Gebärden
nach außen verkörpern und somit ohne Worte ausdrücken,
was im Innersten gefühlt wird. Der Mensch reagiert unbewusst
mehr auf Haltungen und Körpergebärden des Gegenübers als
aufs gesprochene Wort.
Der Leib umfasst die Ganzheit des Menschen (er wird zum
Ausdrucksbild der Seele, damit auch innerster Gefühle). Der
Leib ist das Gefäß, in dem Begegnung mit der göttlichen
Wirklichkeit gefasst ist. Gebärden, die dem eigenen Gefühl
entspringen und nach außen gezeigt werden, können im
Inneren wandeln und sind heilsam. Ganzheitliches Beten ist
auch Leib-Präsenz: ich nehme die Wirklichkeit, diesen
Augenblick, mit allen Sinnen wahr und schenke ihr/ihm einen
Ausdruck meines Seins.
 Das Stehen
Der Fuß am Boden versinnbildlicht die Erdverbundenheit, den
Lebensweg,
den
eigenen
Standpunkt,
die
Heimatverbundenheit, aber auch das Pilgerdasein, die
Beweglichkeit …
Verwurzelt kann ich geradestehen, eintreten und auftreten für
etwas/jemanden, kann ich Ehrfurcht und Konzentration
ausdrücken.
Im Heben meines Fußes zeige ich meine Beweglichkeit, die
Möglichkeit des Aufbrechens, der Flexibilität, aber auch meine
Verletzlichkeit, wenn mir der Boden unter den Füßen fehlt.
Im aufrechten Stehen zeige ich meine Aufrichtigkeit, meine
Verbundenheit mit dem Göttlichen und nehme das Geschenk
an, dass Gott zu mir steht.
Das Stehen vor Gott drückt Aufmerksamkeit, Hören und
Verehren dem/der Höchsten gegenüber aus.
 Das Sitzen
Dies ist eine Haltung des aufnehmenden und betrachtenden
Hörens. Ich sitze vor Gott, der/dem ich mein Sein verdanke.
o Bequeme Kleidung, kein Gürtel
o Ein geeigneter Stuhl ist einer, der eine feste,
waagrechte Sitzfläche hat. Die Sitzhöhe sollte so sein,
dass beide Füße gut auf dem Boden stehen können.
o Der Oberkörper ist aufgerichtet. Zur Stuhllehne hat
nach Möglichkeit nur das Becken mit dem Kreuzbein
Kontakt.
o Oberkörper, Beine und Füße sollten in einer
ausgeglichenen Spannung im rechten Winkel
zueinander
sein,
also:
Oberkörper senkrecht,
Oberschenkel waagrecht, Unterschenkel senkrecht und
Füße wiederum waagrecht auf dem Boden.
o Knie und Füße sind dicht beieinander; die Füße stehen
parallel, so dass beide Fußsohlen guten Kontakt zum
Boden haben.
o Der Scheitel des Kopfes ist nach oben ausgerichtet.
o Die
Augen
schauen
geradeaus
unter
den
geschlossenen oder offenen Lidern.
o Die Oberarme liegen senkrecht am Oberkörper; die
Handflächen ruhen auf den Oberschenkeln oder als
Schale im Schoß.
 Das Knien und die Verbeugung
Indem ich in die Knie gehe, erkenne ich meine Grenzen/
Schwächen an und verneige mich vor der Kraft, die mich
erlöst.
 Die Hand und ihre Gebärden
Hände legen Zeugnis ab für das innere Befinden des
Menschen. Hände sind Instrumente menschlichen Handelns
und Zeichen der menschlichen Aktivitäten.
o erhobene Hände: Ich bete, ich rufe zu Gott, ich weite
mich auf Gott hin, ich versuche Gott zu „erfassen“, ich
strecke meine Hände hilfesuchend nach Gott aus. Gott
wird als jene/r anerkannt, der/die segnend handelt.
o ausgebreitete Hände - Orantenhaltung:
Der
gekreuzigte Christus wird in dieser Haltung angedeutet.
Er hält den vorhandenen Spannungen stand und
verbindet sich mit allen Menschen (in Not).
o geöffnete Hände: Ich bin bereit auch zu empfangen,
meine Bedürftigkeit, meine Grenzen anzuerkennen.
Wenn ich mich für das Gebet öffne, dann tue ich es mit
meinem ganzen leiblichen Sein. Es ist sinnvoll, für mich (evtl.
am Beginn der fünf Wochen oder auch am Beginn der
Gebetszeit) eine passende Gebärde zu suchen bzw. zu finden,
die einerseits aufschließt/öffnet, andererseits auch wieder
konzentriert/sammelt.
Diese Gebärde kann ich zu Beginn der Gebetszeit einsetzen,
ihr auch ganzheitlich nachspüren (Was empfinde ich in dieser
Haltung? Was sagt sie über meine momentane Befindlichkeit
aus?) – ich kann sie aber auch während meiner Gebetszeit
einnehmen – oder aber der neuen Situation entsprechend
anpassen, wenn meine Empfindungen sich während der
Gebetszeit veränderten.
Zur Vertiefung der Bibelstelle ist es empfehlenswert, mal eine
Haltung zu suchen, die der Lebenssituation der dargestellten
Gestalt entsprechen könnte – und sich über diese Haltung
noch intensiver mit dieser Gestalt als konkret geschichtlicher
Person auseinander zu setzen: Gefühle zulassen, benennen
und mit meiner eigenen Lebenserfahrung vergleichen.
2)
Die Stille
Gott wirkt in mir/ Gott atmet in mir
Es ist gewinnbringend, während der Zeit der Exerzitien auf zu
viel äußere Aktivität (Besuche, Fernsehen, Bücher etc.) zu
verzichten und die Aufmerksamkeit nach innen zu richten.
 Die Stille
Stille Zeiten, ohne Geräusche, ohne Stimmengewirr, ohne
Medien und Kommunikationsmittel sind rar geworden. Die
Nachfrage nach Orten der Stille steigt. Eine lebendige Stille
wie sie die Natur bietet, wie sie ein Gebetsraum bietet, wird oft
als Erholungsraum herbeigesehnt, manchmal sogar real
aufgesucht.
Während der Zeit der Exerzitien soll es eine tägliche Übung
sein, sich Zeiten der Stille zu gönnen, Stille zu erobern. Dies
mag zu Beginn befremden, möglicherweise sogar Unlust oder
Überwindung kosten. Sich für diese stillen Zeiten einzusetzen,
ist jedoch notwendig, damit das Gebet als Beziehungsraum
mit Gott Raum erhält. Diese Zeiten der Stille sind in den
Impulsen für den Tag eingebettet, können aber während des
bewusst gelebten Tages immer wieder selbst eingefügt
werden, wo Stille mich wieder mehr mir selber annähern kann.
Ein paar Minuten des Innehaltens, des bewussten
Durchatmens lösen Spannungen, führen zur eigenen Mitte
(zurück).
 Der Preis der Stille
Die Stille ist der Ort der Begegnung. Sie ist der Ort, an dem ich
nicht mehr ausweichen kann vor der Wahrheit, der Einsicht,
dem Glauben oder Unglauben. Die Zeit der Stille ist eine
„brennende Dornbusch-Erfahrung“ (Exodus 3,1-14): Gott ist
anwesend, ich muss mich ihm/ihr nackt zeigen, die Schuhe –
das, was mich vom Boden trennt – ausziehen, mich zeigen.
Dabei kann ich innerlich brennen vor Freude, Leid, Zweifel,
Glaube u.v.m. Ich kann aber auch dem Dornengestrüpp in mir
und um mich herum begegnen. Die Stille wird mich aber
sicherlich mit dem konfrontieren, was ist. Das kann
beglückend aber auch schmerzlich sein. Das macht mir
vielleicht sogar Angst.
 Der Wert der Stille
In der Stille komme ich zu mir selbst, und damit ist der Raum
geöffnet, in dem mir Gott begegnen kann. Die leisen,
zögerlichen, zarten Stimmen in mir werden hörbar. Gott kann
in dieser Stille in mir zu Wort kommen. Wege, Einsichten
können sich so öffnen, dass sie auch keimen, wurzeln,
wachsen und später Frucht bringen können. Die Stille eröffnet
den Raum der Heilung, Wandlung und Erneuerung. Aus dieser
erfahrenen Mitte heraus kann ich den Alltag bewältigen, auch
wenn er dornig ist, mich bis ins Tiefste erschüttert. So
entdeckt, ist die Stille Quelle des Heils.
3)
Das Wort Gottes
Jeder Mensch hat einen ganz persönlichen Zugang zum Wort
und besonders zum Wort Gottes. Gott offenbart sich darin als
Gegenüber, das in Beziehung kommen möchte mit dem
hörenden Menschen. Um eine kostbare Begegnung zu
ermöglichen, gilt es sich ansprechen zu lassen und letztlich
auch zu antworten: mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen und
auch mit dem Leib.
Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, mit dem biblischen Text
in Kontakt zu treten – ich lade ein, die eine oder andere
Möglichkeit auszuprobieren und sich und Gott darin zu finden.
Mit meinem Atem beten
 Der Atem
Atmen bedeutet leben. Am Beginn der Schöpfung hauchte
Gott seinen/ihren Atem in den Menschen ein, rief ihn so ins
Leben. Im Einatmen lasse ich mich beschenken, nehme ich
an, im Ausatmen gebe ich etwas von mir und meiner
Lebenskraft weiter, ich lasse los. Zwischen Ein- und Ausatmen
gibt es eine kleine natürliche Pause, die mich daran erinnern
will, dass ich Ruhephasen in meinen Lebensrhythmus
einbauen soll.
Der Atem und dessen Rhythmus ist auch ein Zeichen für die
innere Befindlichkeit oder die Belastbarkeit des Körpers. In
Zeiten der Angst halte ich den Atem geschockt an, im
(körperlichen) Stress kann ich sogar außer Atem geraten. Der
Atem spiegelt daher auch die Befindlichkeit der Seele wider.
Gleichmäßiges, ruhiges Atmen unterstützt meine Meditation,
ist selbst schon in seiner entspannenden Kraft Gebet. Meine
Allgemeinbefindlichkeit wird dadurch reguliert und aufgeheitert.
Leib und Seele können im Atem (hebräisch Ruach: Geist,
Atem Gottes) als eine spirituelle Einheit erfahren werden.
Über meinen Atem verbinde ich mich gleichzeitig mit der
Außenwelt – mit dem Atem des Nächsten/der Nächsten und
mit der ganzen Schöpfung, die selbst den Atem für mich
spendet. Der Kreislauf des Nehmens und Gebens ist dadurch
gefestigt und das Leben gesichert.
 Das Atemgebet
Ich finde mich vor Gott ein:
Ich sitze so, dass mein Atem ruhig und frei strömen kann.
Ich nehme wahr, wie mein Atem kommt und geht,
ohne dass ich etwas dafür tun muss.
Ich lasse den Atem geschehen,
steuere nichts und nehme nur wahr,
wie die Luft durch meine Nase ein- und ausströmt …
Wahrnehmen und geschehen lassen …
Jetzt beginne ich mit dem Atemgebet.
Ich wähle ein oder mehrere Wort/e aus biblischen Texten und
bete damit einige Zeit:
Einzelne Worte aus Psalm 73 könnten sich zum Beten eignen:
Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Ich setze auf Gott mein Vertrauen.
o Beten mit einem Wort: Wenn ich ein einzelnes Wort
wähle, z. B. „Glück / Vertrauen“, bete ich dieses Wort
beim Einatmen, das Ausatmen geschieht dann ohne
Wort.
o Beten mit mehreren Wörtern: Mehrere
verteilen sich auf das Ein- und das Ausatmen,
„mein“
beim Einatmen
„Glück“
beim Ausatmen
„ich setze auf Gott“
beim Einatmen
„mein Vertrauen“
beim Ausatmen
Wörter
Wenn ich merke, dass ich mit meinen Gedanken abgeschweift
bin, lenke ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Atem
und kehre zum gewählten Gebetswort oder Gebetsruf zurück.
4)
Der Tagesrückblick
Am Ende des Tages ist es gewinnbringend, wenn ich mich
noch einmal zurück besinne auf das heute Erlebte. Im Text
finde ich konkrete Fragen, die das Thema des Tages
abrunden helfen. Ich kann mit dem Gebet der liebenden
Aufmerksamkeit nochmals den Blick nach innen wenden und
den Tag so noch einmal würdigen. Als Abschluss eines jeden
Tages kann ein vorgegebenes Gebet (wie im Buch) oder ein
selbst formuliertes Gebet dienen.
 Das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit
Ich gönne mir wieder einige Zeit der äußeren und inneren
Ruhe. Ich sammle mich und richte meine Aufmerksamkeit auf
Gott – dazu kann ich den Hl. Geist, die Ruach, um
Unterstützung bitten: „Öffne du, Gott, die Augen meines
Herzens für den Verlauf meines Tages.“
Ich lasse innere Bilder zum Tag auftauchen und versuche die
inneren Bewegungen, Gefühle, Empfindungen und Gedanken
in meiner persönlichen „Tagesschau“ zu entdecken. Ich bleibe
bei dem, was mich stärkt und was mich zum Dank befähigt.
Dann aber konzentriere ich mich auch auf Spuren der
Neuorientierung oder Wandlung in mir. Diese können auch
durch gemachte Fehler ausgelöst werden. Hierin ist auch das
Zukunftspotential und die Möglichkeit einer Umorientierung
begründet. In allem versuche ich dem Leben zu trauen, weil
Gott es mir zutraut und geschenkt hat.
5) Der Sprachgebrauch
Unsere Kommunikation stützt sich neben der Körpersprache
auch auf die durch konkrete Worte geäußerte Sprache. Der
Gebrauch des Wortes ist vom Umfeld, dem Zeitgeist, der
Bildung, der persönlichen Erfahrung, den wahrgenommenen
Emotionen, den inneren Bildern etc. geprägt. Diese Prägungen
können fixieren, können aber auch aufgebrochen werden.
Die zitierten biblischen Texte entstammen unterschiedlichen
Quellen: der Lutherbibel, der Revidierten Elberfelder
Übersetzung, der Neuen Genfer Übersetzung und der
Einheitsübersetzung.
Durch
den
bewussten
Gebrauch
verschiedener
Übersetzungen wird versucht manches Gewohnte zu
durchbrechen und somit die eigenen oder übernommenen
Erfahrungen, die individuellen inneren Bilder zu weiten.
In den nicht-biblischen Texten dieses Buches werden Gott
sowohl weibliche als auch männliche Attribute zugeschrieben.
So wird sich immer wieder das männliche Gottesbild zwar
durchsetzen – es ist auch das uns Vertraute – aber es wird
bewusst immer wieder mit dem weiblichen erweitert.
Gott ist ein Geheimnis, unergründlich und nicht beschreibbar.
Wir sind aufgerufen, Gott nicht in herkömmlichen oder
einseitigen Bildern einzusperren, sondern Gott immer weiter,
immer tiefer und immer neu und anders zu sehen. Dies wird
durch den verwendeten Sprachgebrauch versucht.
6) Beten mit Bildern zu biblischen Texten
a) Bilder als Anregung für Kommunikation: Assoziationen,
Emotionen, Konfrontation
b) Verschiedene Wege, Bilder zu betrachten: Bildbetrachtung
ist eine Wahrnehmungsübung, die die Fantasie anregt.
Betrachtendes Da-Sein mit dem Bild:
in Stille das Bild wahrnehmen
Entdeckendes Betrachten:
Bildteile werden sukzessive aufgedeckt
Aktives Betrachten: weitermalen, Schriftworte ergänzen …
Das Bild unter formalen Aspekten betrachten: (Farben,
Formen, Anordnung, Vordergrund, Hintergrund, Mitte, …)
Das Bild unter inhaltlichen Aspekten betrachten: (Wirkung,
Deutung,
Assoziationen,
Titel
und
Geschichte
erfinden/schreiben, zur eigenen Geschichte kommen)
1. Das Fremde zulassen (=das Wesen Gottes umkreisen):
Bilder wollen einladen zur Begegnung mit einer
Wirklichkeit, die immer neue Perspektiven eröffnet. Ein
Bild kann uns neu in Bewegung setzen und uns für
neue Gottesbilder öffnen.
2. Einladung vom Bildbetrachten zum Beten mit Bildern:
Beim Betrachten eines Bildes werde ich mit mir selbst
konfrontiert – dem was ich glaube, hoffe, liebe, was
mich ängstigt, was in mir verkümmert und verleugnet ist
… Beim Betrachten eines Bildes bleibt das Geheimnis
bestehen. Mit Bildern kann ich kommunizieren und der
Geist Gottes kann mich zum Gebet führen.
Aus: Kyrilla Schweitzer. Spiritualität der Exerzitien. Bilder tun der
Seele wohl. Von der Bildkraft in Exerzitien. GCL, Nr. 91, 2007.
Angelika Gassner, Referat für Spiriutalität und Exerzitien.
Erzdiözese Salzburg.
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