Photorespiration: ein Relikt der Evolution?

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10. Photosynthese
10.1 Pflanzen und andere autotrophe Organismen sind die
Primärproduzenten der Biosphäre
Jedes Lebewesen muss die organischen Verbindungen, die es zu Gewinnung von Energie und
Kohlenstoffgerüsten braucht, auf einem von zwei Wegen gewinnen: durch autotrophe oder
heterotrophe Ernährung.
Autotrophe Organismen stellen ihre organischen Moleküle aus anorganischen Rohstoffen
her, die sie aus der Umwelt beziehen. Deshalb bezeichnet man die autotrophen Organismen
auch als Primärproduzenten der Biosphäre. Die Überführung körperfremder Stoffe in
körpereigene Substanzen nennt man auch Assimilation.
Pflanzen sind autotroph, oder genauer gesagt, photoautotroph: Sie synthetisieren organische
Moleküle mithilfe des Sonnenlichts aus CO2 und Wasser.
Heterotrophe Organismen verschaffen sich ihr organisches Material mit einer anderen
Ernährungsweise. Sie können den lebensnotwendigen Kohlenstoff nicht aus CO2 gewinnen,
sondern nur aus organischen Verbindungen, die andere Lebewesen erzeugt haben; deshalb
bezeichnet man die heterotrophen Arten als Konsumenten der Biosphäre.
Viele heterotrophe Arten leben von der Zersetzung organischer Abfälle – beispielsweise von
Kadavern, Kot oder Laub; deshalb nennt man sie auch Destruenten oder „Saprobionten“
(Fäulnisbewohner).
10.2 Chloroplasten sind bei Pflanzen die Orte der Photosynthese
Ein Quadratmillimeter der Blattoberfläche enthält etwa eine halbe Million Chloroplasten. Ihre
Farbe haben die Blätter vom Chlorophyll, dem grünen Pigment in den Chloroplasten. Die
vom Chlorophyll absorbierte Lichtenergie treibt die Synthese der Nährstoffmoleküle in den
Chloroplasten an. Die meisten Chloroplasten liegen zwischen oberer und unterer Epidermis in
den Zellen des Mesophylls, des Gewebes im Innern der Blätter. Mikroskopisch kleine Poren,
die Spaltöffnungen oder Stomata, lassen Kohlendioxid in das Blatt eintreten und Sauerstoff
entweichen. Das von den Wurzeln aufgenommene Wasser gelangt über bestimmte Gefässe
der Leitbündel in die Blätter. Andersartige Leitbündelröhren dienen zum Transport des
Zuckers von den Blättern zu den Wurzeln und anderen nicht photosynthetisch aktiven Teilen
der Pflanze.
10.3 Nachdem man wusste, dass Chloroplasten Wassermoleküle spalten,
konnte man Atome durch die Photosynthese verfolgen:
Wie Forschung funktioniert
Unter dem Einfluss von Licht produzieren die grünen Teile der Pflanzen aus Kohlendioxid
und Wasser organisches Material und Sauerstoff. In der Sprache der Chemie lässt sich die
Photosynthese mit folgender Reaktionsgleichung zusammenfassen:
6 CO2 + 12 H2O + Lichtenergie  C6H12O6 + 6 O2 + 6 H2O
Wir können die Gleichung vereinfachen, indem wir den Nettoverbrauch an Wasser angeben:
6 CO2 + 6 H2O + Lichtenergie  C6H12O6 + 6 O2
Als nächstes kürzen wir die Reaktionsgleichung der Photosynthese durch 6 und bringen sie so
in die einfachste Form, die möglich ist:
CO2 + H2O  CH2O + O2
Die Spaltung des Wassers
Einen der ersten Hinweise auf den Mechanismus der Photosynthese erhielt man aus der
Entdeckung, dass der Sauerstoff, den die Pflanzen abgeben, nicht aus dem Kohlendioxid,
sondern aus dem Wasser stammt.
Mit dem schweren Isotop Sauerstoff-18 als Markierung verfolgte man das Schicksal der
Sauerstoffatome während der Photosynthese. Das von den Pflanzen abgegebene O2 war nur
dann mir Sauerstoff-18 markiert, wenn sich die Markierung zuvor in den Wassermolekülen
befunden hatte. Brachte man den Sauerstoff-18 mit dem Kohlendioxid in die Pflanzen,
tauchte die Markierung im freigesetzten Sauerstoff nicht auf.
Das wichtigste Ergebnis der Atomumordnung während der Photosynthese ist die Abspaltung
des Wasserstoffs aus dem Wasser und sein Einbau in Zucker. O2, das Abfallprodukt der
Photosynthese, ersetzt in der Atmosphäre den Sauerstoff, der durch die Zellatmung verbraucht
wird.
Wie das Experiment also gezeigt hat, spaltet der Chloroplast Wassermoleküle in Wasserstoff
und Sauerstoff (Photolyse), wobei die Elektronen des Wasserstoffs in die Bindungen der
Zuckermoleküle eingehen. Die Photosynthese ist also ein Redoxvorgang, bei dem Wasser
oxidiert und Kohlendioxid reduziert wird.
10.4 Die Lichtreaktionen und der Calvin-Zyklus wirken zusammen und
setzen Lichtenergie in die chemische Energie der Nährstoffe um:
Eine Übersicht
Die beiden Abschnitte der Photosynthese bezeichnet man als Lichtreaktionen (der PhotoTeil der Photosynthese) und als Calvin-Zyklus (der Synthese-Teil).
Die Lichtreaktionen in der Thylakoidmembran erzeugen ATP (sie liefern die Energie für die
Bindung einer Phosphatgruppe an ADP, ein Vorgang, den man als Photophosphorylierung
bezeichnet) und spalten Wasser; dabei wird Sauerstoff frei, und durch die Übertragung von
Protonen und Elektronen vom H2O auf das NADP+ entsteht NADPH.
Wie zu beachten ist, entsteht in den Lichtreaktionen kein Zucker; das geschieht erst im
Calvin-Zyklus, dem zweiten Abschnitt der Photosynthese.
Der Zyklus beginnt, indem CO2 aus der Luft mit organischen Molekülen reagiert, die bereits
im Chloroplasten vorhanden sind. Diesen ersten Einbau von Kohlenstoff in organische
Verbindungen bezeichnet man als Kohlenstoff-Fixierung. Der so gebundene Kohlenstoff
wird dann im Calvin-Zyklus durch Aufnahme von Elektronen zum Kohlenhydrat reduziert.
Der Calvin-Zyklus ist also derjenige Prozess, der die Zuckermoleküle erzeugt, aber das ist nur
mit Hilfe von NADPH und ATP aus den Lichtreaktionen möglich. Die
Stoffwechselreaktionen des Calvin-Zyklus bezeichnet man manchmal auch als
Dunkelreaktionen, weil keine davon unmittelbar Licht benötigt. Der Calvin-Zyklus läuft im
Stroma ab.
10.5 Die Lichtreaktionen verwandeln Sonnenenergie in die chemische
Energie von ATP und NADPH: Eine nähere Betrachtung
Die Eigenschaften des Sonnenlichts
Licht ist eine Form der sogenannten elektromagnetischen Energie, auch Strahlung genannt.
Elektromagnetische Energie wandert in Rhythmischen Wellen. Den Abstand zwischen den
Kämmen elektromagnetischer Wellen bezeichnet man als Wellenlänge. Den gesamten
Wellenlängenbereich nennt man auch elektromagnetisches Spektrum. Nur einen sehr
kleinen Teil davon können wir als sichtbares Licht (380-750 nm) verschiedener Farben
wahrnehmen. Das Modell, wonach Licht aus Wellen besteht, erklärt viele seiner
Eigenschaften, aber in mancherlei Hinsicht verhält sich das Licht auch so, als bestünde es aus
einzelnen Teilchen, die man Photonen nennt. Je kürzer die Wellenlänge, desto grösser die
Energie eines Photons der betreffenden elektromagnetischen Strahlung.
Der Teil des Spektrums, den wir sehen können – das sichtbare Licht – treibt die
Photosynthese an. Blau und Rot, die beiden Wellenlängen, die das Chlorophyll am
wirksamsten absorbiert, sind auch die Farben, die für die Lichtreaktionen am nützlichsten
sind.
Photosynthesepigmente: die Lichtrezeptoren
Wenn Licht auf Materie trifft, kann es reflektiert, durchgelassen oder absorbiert werden.
Substanzen, die sichtbares Licht bestimmter Wellenlängen absorbieren, nennt man Pigmente.
Ein Blatt erscheint grün, weil das Chlorophyll rotes und blaues Licht absorbiert und grünes
Licht reflektiert beziehungsweise durchlässt. Die Kurve, die sich ergibt, wenn die
Lichtabsorption eines Pigments gegen die Wellenlänge aufgetragen wird, bezeichnet man als
Absorptionsspektrum. Genauer als das Absorptionsspektrum gibt das Wirkungsspektrum
die Leistungsfähigkeit der einzelnen Wellenlängen wieder. Ein Wirkungsspektrum erhält
man, wenn man die Chloroplasten mit Licht verschiedener Wellenlängen bestrahlt und dann
die Wellenlängen gegen die gemessene Photosyntheserate aufträgt.
Nur Das Chlorophyll a ist unmittelbar an den Lichtreaktionen beteiligt, durch die das
Sonnenlicht in chemische Energie umgesetzt wird, aber auch andere Pigmente können Licht
absorbieren und die Energie dann auf das Chlorophyll a übertragen, das die Lichtreaktionen
in Gang setzt. Eines dieser Hilfspigmente oder „akzessorischen Pigmente“ ist das
Chlorophyll b, das sich nur geringfügig vom Chlorophyll a unterscheidet. Absorbiert das
Chlorophyll b ein Photon des Sonnenlichts, überträgt es die Energie auf das Chlorophyll a,
das sich dann genauso verhält, als habe es das Photon direkt aus dem Sonnenlicht
aufgenommen. Weiterhin befinden sich in den Chloroplasten die Carotinoide, eine Familie
von Hilfspigmenten in verschiedenen Farbvarianten von gelb und orange. Diese Moleküle
sind zusammen mit den beiden Chlorophylltypen in die Thylakoidmembran eingelagert.
Anregung des Chlorophylls durch Licht
Energie kann nicht verschwinden; wenn ein Molekül mein Photon absorbiert, wird eines
seiner Elektronen auf ein höheres Niveau gehoben. Solange das Elektron sich auf dem
niedrigeren Energieniveau befindet, ist das Pigmentmolekül im Grundzustand. Hat ein
absorbiertes Photon das Elektron jedoch auf das energiereichere Niveau verschoben, spricht
man vom angeregten Zustand des Pigments. In isolierten Pigmenten kann das Elektron dort
aber nicht lange bleiben, denn der angeregte Zustand ist wie alle hohen Energieniveaus
instabil. Wenn Pigmente Licht absorbieren, fallen ihre angeregten Elektronen im Allgemeinen
schon nach einer Milliardstelsekunde wieder auf das Niveau des Grundzustandes zurück, und
die Energiedifferenz wird als Wärme frei.
Manche Pigmente, so auch das Chlorophyll, senden nach der Absorption von Photonen nicht
nur Wärme, sondern auch Licht aus. Das Elektron springt in einen energiereicheren Zustand,
und wenn es zurückfällt, wird ein Photon abgegeben. Ein solches Nachleuchten bezeichnet
man als Fluoreszenz.
Die Photosysteme: Lichtsammelkomplexe in der Thylakoidmembran
Die Anregung des Chlorophylls in den Chloroplasten hat völlig andere Folgen, als wenn
isoliertes Chlorophyll Lichtenergie absorbiert. In der natürlichen Umgebung der
Thylakoidmembran ist das Chlorophyll zusammen mit anderen Molekülen in Photosystemen
organisiert.
Ein Photosystem besitzt einen lichtsammelnden Antennenkomplex (auch „LHC“, vom
englischen light harvesting complex) aus mehreren hundert Chlorophyll-a-, Chlorophyll-b-
und Carotinoidmolekülen. Wenn eines dieser „Antennenpigmente“ ein Photon absorbiert,
wird dessen Energie zum nächsten Antennenpigment weitergeleitet, bis sie zwei ganz
bestimmte Chlorophyll-a-Moleküle erreicht. Das Besondere an diesen ist nicht ihre Struktur,
sondern ihre Position. Nur diese beiden Chlorophyllmoleküle befinden sich im
Reaktionszentrum, jenem Bereich des Photosystems, in dem die erste lichtgetriebene
chemische Reaktion der Photosynthese stattfindet.
Neben dem speziellen Chlorophyll-a-Paar befindet sich im Reaktionszentrum ein weiteres
Molekül, der primäre Elektronenakzeptor. An ihn verliert das Chlorophyll-a-Paar in einer
Redoxreaktion eines seiner Elektronen.
Die von der Sonne angetriebene Elektronenübertragung vom Chlorophyll zum primären
Elektronenakzeptor ist die erste Stufe der Lichtreaktionen.
Die Thylakoidmembran ist mit zwei Typen von Photosystemen besetzt, die in den
Lichtreaktionen der Photosynthese zusammenwirken. Sie werden in der Reihenfolge ihrer
Entdeckung als Photosystem I und Photosystem II bezeichnet. Jedes von ihnen besitzt ein
charakteristisches Reaktionszentrum mit einem typischen primären Elektronenakzeptor und
einem Chlorophyll-a-paar (diese Chlorophyll-a-Paare (Pigmente) werden P700 bzw. P680,
nach ihrem besten Absorptionsbereich, genannt), das mit spezifischen Proteinen assoziiert ist.
Als nächstes wollen wir uns ansehen, wie die beiden Photosysteme durch ihr
Zusammenwirken ATP und NADPH erzeugen, die Hauptprodukte der Lichtreaktionen.
Nichtzyklischer Elektronentransport
Beim nichtzyklischen Elektronentransport, der während der Lichtreaktionen der
Photosynthese vorherrscht, kehren die von den Chlorophyllmolekülen abgegebenen
Elektronen nicht mehr zu ihrem Ursprungsort zurück, sondern sie werden vom primären
Elektronenakzeptor eingefangen.
Das so oxidierte Chlorophyll wird dabei zu einem sehr starken Oxidationsmittel, indem es
bestrebt ist, seine Elektronenlücke wieder zu füllen.
Wenn das Photosystem II Licht absorbiert, werden im Reaktionszentrum die auf ein höheres
Energieniveau gebrachten Elektronen des P680 vom primären Elektronenakzeptor
eingefangen.
Ein Enzymkomplex, der wasserspaltende Komplex, entzieht einem Wassermolekül zwei
Elektronen und überträgt sie auf die beiden P680-Moleküle, wo sie die nach der Absorption
der Lichtenergie verlorengegangenen Elektronen ersetzen. Diese lichtinduzierte
Wasserspaltung wird als Photolyse bezeichnet. Sie setzt in der Photosynthese das O2 frei.
Die angeregten Elektronen fliessen über eine Elektronentransportkette vom primären
Elektronenakzeptor des Photosystems II zum Photosystem I. Diese Kette ähnelt stark
derjenigen der Zellatmung. In den Chloroplasten besteht sie zunächst aus einem
Elektronenüberträger namens Plastochinon (Pq), dann folgt ein Komplex aus Zwei
Cytochromen und schliesslich ein kupferhaltiges Protein namens Plastocyanin (Pc).
Wenn die Elektronen die Energiekaskade der Transportkette passieren, nutzt die
Thylakoidmembran ihren exergonischen Fluss zur Produktion von ATP. Diese Art der ATPSynthese nennt man Photophosphorylierung, weil sie von Lichtenergie angetrieben wird.
Genauer bezeichnet man die Produktion von ATP durch nichtzyklischen Elektronentransport
als nichtzyklische Photophosphorylierung.
Das in den Lichtreaktionen gebildete ATP liefert die Energie für die Zuckerproduktion im
Calvin-Zyklus, dem zweiten Abschnitt der Photosynthese.
Wenn die Elektronen das untere Energieniveau der Transportkette erreichen, füllen sie
Elektronenlücken im P700 auf, dem Chlorophyll-a-Paar im Reaktionszentrum des
Photosystems I. Sie ersetzen dort diejenigen Elektronen, welche die Lichtenergie vom P700
zum primären Elektronenakzeptor des Photosystems I getrieben hat.
Der primäre Elektronenakzeptor des Photosystems I gibt die angeregten Elektronen an das
Ferredoxin (Fd) weiter, ein eisenhaltiges Protein. Ein Enzym namens NADP+-Reductase
überträgt die Elektronen dann von Fd auf NADP+. Durch diese Redoxreaktion werden die
energiereichen Elektronen im NADPH gespeichert, jenem Molekül, welches im CalvinZyklus das Reduktionsmittel für die Zuckersynthese darstellt.
 Mit Sonnenenergie werden in den Lichtreaktionen ATP und NADPH regeneriert; ATP ist
die chemische Energiequelle und NADPH das Reduktionsmittel für die Zuckersynthese im
Calvin-Zyklus.
Zyklischer Elektronentransport
Unter bestimmten Bedingungen können die angeregten Elektronen einen anderen Weg
einschlagen, den zyklischen Elektronentransport, an dem nur das Photosystem I beteiligt
ist, nicht aber das Photosystem II.
Dabei wird weder NADPH produziert noch Sauerstoff freigesetzt. Der zyklische
Elektronentransport erzeugt aber ATP. Man spricht deshalb auch von zyklischer
Photophosphorylierung im Gegensatz zur nichtzyklischen Photophosphorylierung.
Welche Funktion erfüllt der zyklische Elektronentransport? Beim nichtzyklischen Prozess
entstehen ATP und NADPH in ungefähr äquimolaren Mengen, aber der Calvin-Zyklus
verbraucht mehr ATP als NADPH, wie wir noch sehen werden. Den Unterschied gleicht der
zyklische Elektronentransport aus.
Die Chemiosmose der Chloroplasten und Mitochondrien: Ein Vergleich
Chloroplasten und Mitochondrien erzeugen ATP durch den gleichen grundlegenden
Mechanismus: die Chemiosmose. Eine in die Membran integrierte Elektronentransportkette
pumpt Protonen durch diese Membran, und gleichzeitig durchlaufen Elektronen eine
Energiekaskade hin zu immer elektronegativeren Transportmolekülen. Die
Elektronentransportkette wandelt also im Verlauf von Redoxreaktionen freigesetzte
chemische Energie in protonenmotorische Kraft um, in potentielle Energie, die sich aus dem
H+-Gradienten und dem Membranpotential zusammensetzt. In dieselbe Membran ist ein
ATP-Synthase-Komplex eingelagert, der die durch die protonenmotorische Kraft getriebene
Diffusion der Protonen mit der Phosphorylierung von ADP koppelt. Einige
Elektronenüberträger, so die eisenhaltigen Proteine aus der Familie der Cytochrome, sind sich
in Chloroplasten und Mitochondrien sehr ähnlich. Auch die ATP-Synthase-Komplexe der
beiden Organellentypen ähneln sich stark. Aber es gibt auch auffällige Unterschiede zwischen
der oxidativen Phosphorylierung in den Mitochondrien und der Photophosphorylierung in den
Chloroplasten. In den Mitochondrien wurden die energiereichen Elektronen, welche die
Transportkette durchlaufen, den Nährstoffmolekülen durch Oxidation entzogen.
Chloroplasten brauchen keine Nährstoffe, um ATP zu erzeugen; ihre Photosysteme fangen
Lichtenergie ein und heben mit ihrer Hilfe die Elektronen energetisch an den Anfang der
Transportkette. Mit anderen Worten: Mitochondrien übertragen chemische Energie von den
Nährstoffmolekülen auf ATP, Chloroplasten dagegen wandeln Lichtenergie in chemische
Energie um. Auch in der räumlichen Anordnung der Chemiosmose unterscheiden sich
Chloroplasten und Mitochondrien. (Abb. 10.14)
10.6 Im Calvin-Zyklus dienen ATP und NADPH dazu, Zucker aus CO2
herzustellen: Eine nähere Betrachtung
Bei dem Kohlenhydrat, das im Calvin-Zyklus unmittelbar entsteht, handelt es sich nicht um
Glucose, sondern um Glycerinaldehyd-3-phosphat (G3P), einen Zucker mit drei
Kohlenstoffatomen. Damit unter dem Strich ein Molekül dieses Zuckers synthetisiert wird,
muss der Zyklus dreimal ablaufen, so dass drei CO2-Moleküle fixiert werden.
Der Calvin-Zyklus ist in drei Phasen zerlegt:
Phase 1: Kohlenstoff-Fixierung. Der Calvin-Zyklus nimmt ein CO2-Molekül auf, indem er es
an das Ribulose-1,5-bisphosphat (RuBP) anlagert, einen Zucker mit fünf Kohlenstoffatomen.
Das Enzym, das diesen ersten Schritt katalysiert, heisst RuBP-Carboxylase oder kurz
Rubisco. Das Produkt der Reaktion, ein Molekül mit sechs Kohlenstoffatomen, ist so instabil,
dass es sofort zu zwei Molekülen des 3-Phosphoglycerats zerfällt.
Phase 2: Reduktion. An jedes Molekül des 3-Phosphoglycerats wird eine weitere
Phosphatgruppe angehängt. Ein Enzym überträgt das Phosphat vom ATP, und als Produkt
entsteht 1,3-Bisphosphoglycerat. Im nächsten Schritt reduziert ein vom NADPH
beigesteuertes Elektronenpaar das 1,3-Bisphosphoglycerat zu G3P.
Am Anfang des Zyklus standen 15 Kohlenstoffatome in Form dreier Moleküle der Pentose
RuBP, und am Ende sind es 18 Kohlenstoffatome in Form von sechs Molekülen der Triose
G3P. Eines davon verlässt den Zyklus und kann von der Pflanzenzelle anderweitig verwendet
werden, aber die übrigen fünf dienen zur Regeneration der drei RuBP-Moleküle.
Phase 3: Regeneration des CO2-Akzeptors (RuBP). In den letzten Schritten des CalvinZyklus werden die Kohlenstoffgerüste der fünf G3P-Moleküle in einer komplizierten
Reaktionsfolge so umgeordnet, dass wieder drei Moleküle RuBP entstehen. Dazu verbraucht
der Zyklus nochmals drei ATP-Moleküle. Anschliessend kann das RuBP erneut CO2
aufnehmen, und der Zyklus läuft ein weiteres Mal ab.
Um insgesamt ein Molekül G3P zu erzeugen, verbraucht der Zyklus neun ATP- und sechs
NADPH-Moleküle. Das G3P, welches den Calvin-Zyklus verlässt, dient als
Ausgangssubstanz für Stoffwechselwege, auf denen andere organische Verbindungen
synthetisiert werden, darunter auch Glucose und weitere Kohlenhydrate. Weder die
Lichtreaktionen noch der Calvin-Zyklus können für sich allein Zucker aus CO2 herstellen.
Die Fähigkeit zur Photosynthese erwächst aus dem Gesamtgeschehen im Chloroplasten, das
beide Prozesse in sich vereinigt.
10.7 In heissen und trockenen Lebensräumen haben sich alternative
Mechanismen der Kohlenstoff-Fixierung entwickelt
Oft werden in der Biologie Probleme durch einen Kompromiss gelöst. Ein Beispiel ist das
Verhältnis zwischen der Photosynthese und der Vermeidung übermässigen Wasserverlustes
bei den Pflanzen. Das für die Photosynthese benötigte CO2 gelangt durch die Spaltöffnungen
in das Blatt. Diese sind aber auch der wichtigste Weg der Wasserabgabe, denn durch sie
verdunstet das Wasser aus den Blättern. Bei heissem, trockenen Wetter schliessen die meisten
Pflanzen ihre Spaltöffnungen, um Wasser zu sparen. Aber diese Reaktion vermindert auch die
Photosyntheseleistung, weil die verfügbare CO2-Menge sinkt. Diese Bedingungen setzen im
Blatt einen offenbar verschwenderischen Prozess in Gang: die Photorespiration.
Photorespiration: ein Relikt der Evolution?
In den meisten Pflanzen erfolgt die anfängliche Kohlenstoff-Fixierung durch die Rubisco,
jenes Enzym des Calvin-Zyklus, das CO2 an Ribulose-1,5-bisphosphat bindet. Solche
Pflanzen bezeichnet man als C3-Pflanzen, weil das erste Produkt der Kohlenstoff-Fixierung
bei ihnen das 3-Phosphoglycerat ist, eine Verbindung mit drei Kohlenstoffatomen.
Bei heissem, trockenem Wetter schliessen die meisten Pflanzen ihre Spaltöffnungen, um
Wasser zu sparen. Daraufhin sammelt sich der Sauerstoff aus den Lichtreaktionen im Blatt an.
Wenn O2 statt CO2 am aktiven Zentrum der Rubisco gebunden wird, bildet sich das
Zwischenprodukt Glycolsäure, die aus dem Chloroplasten transportiert wird und in den
Peroxisomen weiter oxidiert. Schliesslich wird in den Mitochondrien ein Molekül CO2
abgespalten.
Den Gesamtprozess nennt man Photorespiration oder Lichtatmung, weil er im Licht
abläuft, O2 verbraucht und CO2 produziert. Anders als bei der Zellatmung entsteht bei der
Lichtatmung kein ATP, und im Gegensatz zur Photosynthese erzeugt sie auch keine
Nährstoffe. Im Gegenteil: Die Photorespiration vermindert die Photosyntheseleistung, weil sie
organisches Material aus dem Calvin-Zyklus abzieht.
Ob die Photorespiration den Pflanzen in irgend einer Form nützt, ist noch nicht ganz klar.
Eine Reihe von Pflanzenarten haben Alternativmethoden der Kohlenstoff-Fixierung, um sich
an extreme Bedingungen anzupassen. Die beiden wichtigsten derartigen Modifikationen
finden sich bei den C4-Pflanzen und den CAM-Pflanzen.
C4-Pflanzen
Die C4-Pflanzen heissen so, weil ihrem Calvin-Zyklus eine andere Art der KohlenstoffFixierung vorgeschaltet ist, bei der als erstes Produkt eine Verbindung mit vier
Kohlenstoffatomen entsteht. Landwirtschaftlich wichtige C4-Pflanzen sind unter anderem
Zuckerrohr und Mais, die zu den Gräsern gehören.
Der Mechanismus des C4-Dicarbonsäurewegs ist an einen besonderen anatomischen Aufbau
der Blätter gebunden. C4-Pflanzen besitzen zwei Typen photosynthetisch aktiver Zellen: die
Bündelscheidenzellen der Leitbündel und die Mesophyllzellen.
Die Bündelscheidenzellen sind als dichter Kranz um die Leitbündel angeordnet. Zwischen
diesen Leitbündelscheide und der Blattepidermis (äusseres Abschlussgewebe) liegen die
lockerer gepackten Mesophyllzellen.
Um die Photorespiration zu verhindern wird die Reaktion von dem Enzym PEP-Carboxylase
katalysiert, das im Vergleich zu Rubisco eine wesentlich höhere Affinität zum CO2 hat.
Deshalb kann die PEP-Carboxylase den Kohlenstoff auch dann sehr wirksam fixieren, wenn
Rubisco dazu nicht in der Lage ist – das heisst, wenn bei Hitze der CO2-Partialdruck im Blatt
sinkt und der O2-Partialdruck steigt. Nachdem die C4-Pflanze das Co2 fixiert hat, leiten die
Mesophyllzellen ihre Produkte – Dicarbonsäure-Anionen mit vier Kohlenstoffatomen – über
die Plasmodesmen an die Bündelscheidenzellen weiter. In diesen Zellen setzen die C4Dicarbonsäuren dann wieder CO2 frei, das von der Rubisco über den Calvin-Zyklus in
organischen Verbindungen fixiert wird.
CAM-Pflanzen
Diese Pflanzen öffnen die Spaltöffnungen nachts und schliessen sie am Tage, genau
umgekehrt wie die anderen Pflanzen. Wenn sie die Spaltöffnungen tagsüber geschlossen
halten, vermindert sich der Wasserverlust, aber gleichzeitig kann auch kein CO2 in die Blätter
gelangen. Nachts nehmen die Pflanzen durch die geöffneten Spaltöffnungen CO2 auf und
bauen es in verschiedene Carbonsäuren ein, hauptsächlich in Malat. Diesen Weg der
Kohlenstoff-Fixierung nennt man diurnalen Säurerhythmus oder, weil man ihn bei
Sukkulenten aus der Familie der Crassulaceen entdeckt hat, Crassulaceen-Säurestoffwechsel
(Crassulacean acid metabolism, CAM). Die Mesophyllzellen solcher CAM-Pflanzen
speichern die Carbonsäuren, die sie nachts produzieren, bis zum Morgen in grossen Vakuolen
und schliessen dann ihre Spaltöffnungen. Tagsüber, wenn die Lichtreaktionen ATP und
NADPH für den Calvin-Zyklus liefern, wird das CO2 aus den in der Nacht zuvor gebildeten
Carbonsäuren in denselben Zellen wieder freigesetzt, so dass es in den Chloroplasten in
Zuckermoleküle eingebaut werden kann.
Der CAM-Reaktionsweg ähnelt dem der C4-Pflanzen: In beiden Fällen wird das
Kohlendioxid zunächst in organische Zwischenprodukte eingebaut und gelangt erst dann in
den Calvin-Zyklus. Der Unterschied besteht darin, dass die ersten Schritte der KohlenstoffFixierung bei den C4-Pflanzen räumlich vom Calvin-Zyklus getrennt sind, während bei
CAM-Pflanzen beide Prozesse zu unterschiedlichen Zeiten ablaufen.
10.8 Die Photosynthese ist die Stoffwechselgrundlage der Biosphäre: Eine
Übersicht
Wie sieht das weitere Schicksal der Photosyntheseprodukte aus? Der in den Chloroplasten
erzeugte Zucker wird enzymatisch weiter zu Saccharose (Transportform) und Stärke
(Speicherform) aufgebaut und versorgt die gesamte Pflanze mit chemischer Energie und
Kohlenstoffgerüsten für die Synthese aller organischen Verbindungen durch die Zellen. Etwa
die Hälfte des organischen Materials, das durch die Photosynthese entsteht, wird in den
Mitochondrien der Pflanzen als Betriebsstoff für die Zellatmung verbraucht. Ein Teil der
Produkte geht oft durch die Photorespiration verloren.
Genaugenommen sind die grünen, chlorophyllhaltigen Zellen die einzigen autotrophen Teile
der Pflanzen. Alle übrigen Teile sind auf die organischen Moleküle angewiesen, die über die
Leitbündel aus den Blättern abtransportiert werden.
Überschüssiges organisches Material wird in Form von Stärke, Ölen und Proteinen in
Blättern, Wurzeln, Knollen, Samen und Früchten gespeichert. Einen grossen Teil dieses
organischen Materials verbrauchen die heterotrophen Lebewesen.
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