Ergebnisprotokoll der Sitzung vom 13. Juli 2011

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Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät
Sommersemester 2011
HS: Parteien und Parlamentarismus in der Weimarer Republik
Dozent: Prof. Dr. Karsten Ruppert
Protokollant: Kollyn Kettlitz
Ergebnisprotokoll der Sitzung vom 13. Juli 2011
Quellen vom 6. Juli 2011:
Im Reichstag wurde am 28. April 1926 die Fürstenenteignung debattiert. Damit waren die
ehemals regierenden Fürsten (z.B. der König von Preußen, der König von Bayern, u.v.m.)
gemeint, die bis November 1918 die Rolle von Staatspräsidenten in den jeweiligen
Bundesstaaten inne hatten.
Warum wurde die Enteignung der Fürsten nicht bereits in der Nationalversammlung gelöst?
Nach dem verlorenen Weltkrieg waren es andere Themen, die zu lösen Priorität hatte. Die
Fürstenfrage wurde vergessen. Die Enteignung wurde dann Mitte der 20er Jahre ein enormes
Politikum, weil die deutschen Bürger auf die Kompromisse und Vergleiche aufmerksam
wurden, welchen die jeweiligen Landesregierungen mit den ehemals regierenden Häusern
schlossen. Dort wo keine Einigung möglich war, versuchten die Adeligen ihre Forderungen
einzuklagen. Die meist maßlosen Ansprüche ihre ehemaligen Herrscher verärgerten das
Deutsche Volk außerordentlich. Der einfache Bürger litt unter wirtschaftlichen Einbußen,
Arbeitslosigkeit und finanzieller Not. Die Fürsten jedoch sollten weiterhin reich bleiben. Eine
paradoxe Situation, da im November 1918 eine Revolution des Volkes die Herrscher
abgesetzt hatte. Nun aber schienen die Fürsten die finanziellen Gewinner zu werden.
Die Regierung Marx reagierte auf die wachsende Spannung im Land und griff den Versuch
einer verfassungsrechtlichen Lösung des Problems der Vorgängerregierung Luther auf.
Sondergerichte mit Teilnahme von Laien sollten individuelle Lösungen erarbeiten. Dies hätte
bedeutet, dass alle bisherigen Vergleiche der einzelnen Länder, z.B. Bayern, null und nichtig
geworden wären. Es sollte zwischen zwei Arten von Fürstenbesitz unterschieden werden: 1.
dem Besitz des Staatsoberhauptes 2. dem privaten Besitz. Die KPD war über den
Gesetzesentwurf unzufrieden, da er ihr nicht weit genug ging. Aus diesem Grund initiierten
die Kommunisten 1925 ein Volksbegehren, welches die totale Enteignung der Fürsten ohne
Entschädigung vorsah. Dieses Volksbegehren wurde das aller erste auf Reichsebene in der
Weimarer Republik. Im Januar 1926 schloss sich die SPD an. Vorraussetzung für einen Erfolg
war, dass sich innerhalb von 14 Tagen mindestens 10% der Deutschen (10% = ca. vier
Millionen) eintrugen. 12,5 Millionen Bürger beteiligten sich. KPD und SPD hatten bei den
letzten Reichstagswahlen zusammen ungefähr 10 Millionen Wählerstimmen. Daraus lässt sich
schließen, dass Wähler von anderen Parteien und Neutrale sich von dem Volksbegehren
angesprochen fühlten. Alle Abstimmenden mussten Bekennermut haben, weil jeder der
wählen ging, dafür war.
Der Reichstag musste nun zum Volksbegehren Stellung beziehen. Hier gab es drei
Möglichkeiten: 1. Annahme des Begehrens, somit wurde es Gesetz. 2. Der Reichstag erklärt
es für verfassungswidrig. Somit hätte die Hälfte aller Wahlberechtigten daran teilnehmen und
die Mehrheit hätte dafür sein müssen. 3. Das Parlament akzeptiert das Begehren als
verfassungskonform, nimmt es aber nicht an. Das hätte bedeutet, dass nicht die Hälfte aller
Wahlberechtigten an dem Volksentscheid hätten teilnehmen müssen.
Die Reichstagsdebatte über die Fürstenenteignung vom 28. April 1926
SPD: Unterstützt das Volksbegehren. Späte Einsicht: Erst sechs Jahre nach Ende der
Revolution werden die Sozialdemokraten aktiv. In 1918 hätten sie das Problem sofort lösen
können, da sie die Macht hatten.
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DNVP: Gegen das Volksbegehren. Argumentiert, dass die Fürstenenteignung nur der erste
Schritt auf dem Weg des Bolschewismus wäre. Als nächstes würden Kirchen enteignet und
schließlich alles Privateigentum abgeschafft. Die DNVP will mit dem Zentrum und den
bürgerlichen Parteien eine Einheitsfront des Anti-Bolschewismus bilden.
DVP: Gegen das Volksbegehren. Die ehemaligen Fürsten sind nun deutsche Staatsbürger. Der
Volksentscheid würde diese Gruppe brutal entrechten.
KPD: Initiatoren des Volksbegehrens. KPD droht mit möglichen Neuwahlen, bei Ablehnung
des Begehrens durch das Parlament.
DDP: Unterstützt das Volksbegehren. Kritisiert späte Lösung. Enorme Empörung über Gier
der Fürsten, die in einer Schicksalsgemeinschaft mit dem deutschen Volk gefangen sind.
Reichsminister des Innern Dr. Külz: Gegen das Volksbegehren. Betont die Ablehnung des
Begehrens durch die Regierung, da es gegen verfassungsmäßige Grundsätze verstöße. Betont,
dass die SPD 1918 gegen Enteignungen war. Er hofft so, die Stimmen der Opposition, auch
der SPD zu gewinnen. Er argumentiert, dass bei Scheitern des Volksentscheids das Gesetz der
Regierung Marx besser wäre als nichts.
BVP: Gegen das Volksbegehren. Enteignung der Fürsten bedeute „einen schweren Verstoß
gegen das sittliche Gebot des Schutzes des Privateigentums“. Es wird hervorgehoben, dass es
in Bayern bereits eine geltenden Abmachung mit den Wittelsbachern gäbe.
Antrag von den Völkischen, NSDAP: Die Völkischen Gruppierungen im Parlament forderten
während der Debatte eine vollständige Enteignung der sogenannten „Bank-und
Börsenfürsten“, der „Ostjuden“ und den sonstigen „Fremdstämmigen“. Dies verdeutlicht die
großen Gefahren, die von Volksbegehren ausgehen können. Gesetze werden geschaffen, die
bestimmte Teile der Bevölkerung diskriminieren und vernichten könnten.
10. Juni 1926:
Die Regierung Marx legte ihren Gesetzentwurf zur rechtlichen Lösung der Fürstenfrage dem
Parlament vor (siehe Quelle Erklärung des Reichskanzlers Dr. Marx vom 10. Juni 1926). Dies
führte zu einer paradoxen Situation: Das Weimarer Parlament ging aus dem Volk durch
Wahlen hervor. Somit basierte es auf Volkssouveränität, welche die Machtgrundlage
darstellte. Den Volksvertretern gegenüber stand das Volksbegehren. Auch dieses wurde durch
eine Abstimmung des Volkes legitimiert und konnte sich daher genauso auf
Volkssouveränität berufen. Ein Plebiszit stand gegen ein Reichsgesetz. Das Volk gegen das
Volk.
Wie endete die geplante Enteignung/Entschädigung?
14,5 Millionen Bürger unterstützten den Volksentscheid. Folglich scheiterte die Initiative der
KPD, weil mindestens 20 Millionen benötigt worden wären. Auch der Gesetzesentwurf der
Regierung wurde nicht vom Parlament verabschiedet. Somit gab es keine allgemeine
Regelung für die Enteignung und Entschädigung der ehemals herrschende Häuser. Die
Fürsten blieben die finanzielle Gewinner der Revolution. Hier wird ein typisches Problem der
Weimarer Republik offensichtlich: Das alte System des Kaiserreiches war noch nicht
überwunden. 1918 stellte nur eine „halbe Revolution“ dar. Weimar scheiterte an einer
Vergangenheit, die nicht die eigene war.
Die KPD profitierte trotz Scheitern enorm. Sie stand in der Mitte der öffentliche
Aufmerksamkeit. Die SPD schloss sich lediglich an, wodurch die KPD in die Führungsrolle
schlüpfte. Da der Volksentscheid von weiten Teilen der Gesellschaft – nicht nur der
Arbeiterschaft - unterstützt wurde, konnte die kommunistische Partei sich als wahre
Volkspartei bezeichnen. Die KPD erhielt von nun an mehr Wählerstimmen bei den
Reichstagswahlen. Des weiteren war sie nicht länger isoliert im Parteiensystem.
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Kabinett Luther
Eine Erweiterung nach rechts war unmöglich. Die DNVP wäre ein zu großes außenpolitisches
Problem geworden ( Locarno-Vertrag). Eine Erweiterung nach links war nicht möglich,
weil die SPD gegen das Gesetz zur Fürstenenteignung war. Die einzige Lösung stellte ein
Minderheitskabinett da.
Charakterisierung von Reichskanzler Wilhelm Marx
Marx wurde aufgrund seiner guten Beziehungen zu Reichspräsident von Hindenburg von
Stresemann als Reichskanzler vorgeschlagen. Die Regierung Marx bestand bis auf den Posten
des Reichskanzlers aus den selben Personen und Parteien wie die Regierung Luther.
Marx war ein wenig profilierte Politiker. Er war kein dezidierter Monarchist, kein Liberaler
und kein Sozialist. Ehrgeiz und Machstreben waren ihm fremd. Er sah sich als Beamter, der
seine Pflicht erfüllte. Aufgrund seiner tiefen Verwurzlung im Katholischen Glauben, war
Nächstenliebe für ihn von großer Wichtigkeit. Seine „positive Mittelmäßigkeit“ gereichte ihm
zum Vorteil. Er war umgänglich und kompromissbereit. Die meisten Parteien im Reichstag
konnten sich mit seinen grundlegenden Werten identifizieren: Staat und Volksgemeinschaft.
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