Der Patient als Partner

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Elektronische Patiententagebücher
Der Patient als Partner
Von Claudia Borchard-Tuch
In Patiententagebüchern schreibt ein Kranker mehrmals täglich auf, wann und wie viel er von einem Medikament eingenommen hat und wie
er sich fühlt. Bestanden die herkömmlichen Tagebücher aus Papier, sind die modernen programmierbaren Computer im
Westentaschenformat. Mehrere Studien zeigten, dass sie die Compliance des Patienten deutlich steigern und eine schnellere Reaktion auf
eine Verschlechterung der Symptomatik ermöglichen (3, 6).
Bereits vor einigen Jahren entwickelte Dr. med. Falk von Zitzewitz, Neurologe und Psychiater
aus Ludwigsburg, ein kleines elektronisches Tagebuch, genannt Medicus 1 (2). Vor kurzem
präsentierte er dessen Weiterentwicklung, den Medicus 2. Er ist etwas kleiner als sein
Vorgänger, nämlich 9 x 6 x 2,5 Zentimeter groß, und wiegt nur 150 Gramm (Abbildungen 1
und 2).
„Die Bedienung ist auch für technisch weniger versierte Patienten leicht zu verstehen“,
erklärte von Zitzewitz. Als Erstes muss Medicus 2 in einer Apotheke oder Arztpraxis auf die
speziellen Bedürfnisse des Patienten eingestellt werden. Zumeist ist es eine Helferin, die das
Gerät mit einem Kabel an einen PC anschließt und über diesen programmiert. Entscheidend
bei der Programmierung sind die Symptomatik der Erkrankung und das therapeutische
Vorgehen.
Ist die individuell auf den Patienten abgestimmte Programmierung abgeschlossen, so macht
ein Klingelton den Patienten darauf aufmerksam, dass die Zeit für eine
Medikamenteneinnahme gekommen ist. Mit dem „Therapieknopf“ (dargestellt durch eine
Medikamentenflasche) dokumentiert der Kranke die Medikamenteneinnahme. Im Gegensatz
zu seinem Vorgängermodell kann Medicus 2 einzelne Medikamente mit Dosisangabe
gleichzeitig registrieren. Damit ist es möglich, verschiedene Kombinationstherapien zu
untersuchen.
„Auch nichtmedikamentöse Behandlungsformen, beispielsweise Gymnastik, können in ihrer
Intensität, Dauer und Häufigkeit eingegeben werden“, erklärte von Zitzewitz. Drückt der
Patient die „Befindlichkeitstaste“, so erscheinen auf dem Display Symptome, die für die
Erkrankung typisch sind. Leidet der Patient beispielsweise an einer Schizophrenie, so können
Stimmungsänderungen, Müdigkeit, Angst oder innere Unruhe auftreten. Mit Hilfe die Tasten
„↑“ und „↓“ stellt der Patient den Grad einer Veränderung ein, beispielsweise „nicht müde“
oder „sehr müde“. Die Skala verfügt über 16 verschiedene Stufen. Der Patient drückt die
„ok“-Taste, und die Daten werden gespeichert. Hierbei registriert das Gerät automatisch
Uhrzeit und Datum. Mit Hilfe der „ok“-Taste ist es auch möglich, wichtige technische Daten
zum Gerät zu erfragen – wie beispielsweise den Zustand der Batterie.
Kommt der Patient nach etwa einer Woche wieder in die Apotheke oder Praxis, werden die
Daten über ein Kabel in einen Computer übertragen. Der Rechner wandelt die Daten in
Grafiken um, die den Behandlungserfolg veranschaulichen. „So ist eine minutengenaue
Erfassung von Einnahme und Wirkeintritt möglich“, sagt von Zitzewitz.
Abgesehen von einer verbesserten Diagnostik bietet die genaue Erfassung auch andere
Vorteile: Medikamente können effizienter eingesetzt, nicht wirksame Medikamente schneller
abgesetzt oder die Dosis optimiert werden. Erforderliche Dosisanpassungen sind sehr leicht
erkennbar: Trotz Medikamenteneinnahme ist der Zustand des Patienten schlecht geblieben.
Außerdem zeigt Medicus 2 sofort an, wenn ein Patient nicht regelmäßig die Medikamente
eingenommen hat.
Die Mitverantwortung an der Krankheit werde den Patienten bewusst, ihre Mitarbeit werde
gefördert, sagte Zitzewitz. „Es hat sich gezeigt, dass die Handhabung des Gerätes oftmals den
Verlauf der Krankheit verbessert“, erklärte er. „Einige Patienten sagten sogar ausdrücklich,
der Medicus gebe ihnen ein Gefühl der Sicherheit.“
Daher bietet von Zitzewitz das Gerät sowohl Ärzten als auch Apotheken an. Sie können das
Gerät an Patienten verleihen, welche Medikamenteneinnahme und Verlauf ihrer Erkrankung
selbstständig überwachen möchten.
„Der Medicus 2 eignet sich für zahlreiche Erkrankungen“, erklärte von Zitzewitz. Da bis zu
zwanzig verschiedene therapeutische Vorgehensweisen und ebenso viele Symptome
einprogrammiert werden können, kann Medicus 2 im Prinzip bei jeder Erkrankung verwendet
werden. Von Zitzewitz gab eine Reihe recht verschiedenartiger Erkrankungen an, bei denen
der Medicus bereits erfolgreich eingesetzt wurde. Zu ihnen gehören psychiatrische und
neurologische Erkrankungen wie chronischen Schmerzerkrankungen, Parkinsonerkrankung,
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Depressionen und bipolaren
Störungen, Schizophrenie, Angststörungen, Zwangshandlungen, aber auch Erkrankungen der
Inneren Medizin wie Asthma oder Diabetes mellitus. In der häuslichen Pflege kann das Gerät
den Angehörigen eine wichtige Hilfe sein, die Befindlichkeit des Betreuten exakter zu
erfassen, sodass eine genauere therapeutische Einstellung möglich wird.
Auch die Pharmaforschung bekundete bereits Interesse. Hier könnte der Einsatz
elektronischer Patiententagebücher zu einer Verbesserung der Datenqualität bei klinischen
Zulassungsprüfungen und zu einer Erhöhung der Compliance führen. In einer von dem
Kinder- und Jugendpsychiater und Psychologen Priv. Doz. Dr. med. Dr. psych. Jan Frölich,
Stuttgart, geleiteten Studie wird Medicus 2 eingesetzt. Die Studie soll u.a. die Frage
beantworten, ob eine individualisierte, computergestützte Behandlung mit Methylphenidat zu
einer Optimierung der Behandlung des Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätssyndroms
( ADHS) geeignet ist.
Inzwischen hat von Zitzewitz Patenten in über 20 Ländern erhalten, darunter in mehreren
europäischen Staaten sowie in Australien, Kanada, Japan und den USA.
Auch andere Hersteller elektronischer Tagebücher waren bereits erfolgreich. So untersucht
das Med-eMonitor-System ebenfalls Compliance und Gesundheitsstatus. Das System wird via
Internet programmiert, und die Daten können über eine geschützte Internetseite abgerufen
werden. Der Med-eMonitor lässt einen Ton erklingen, welcher den Patienten auffordert, seine
Medikamente einzunehmen, und kontrolliert die Medikamenteneinnahme. Eingesetzt wurde
und wird das System bereits in mehreren Studien, so bei der Behandlung von Schizophrenie
(5), Schlaganfall (1,4).
Eine Übersichtsstudie ergab, dass elektronische Patiententagebücher den herkömmlichen im
Hinblick auf Datenqualität und Compliance deutlich überlegen sind. Und das Erstaunlichste:
Die meisten Patienten arbeiten lieber mit einem elektronischen Patiententagebuch als mit
einem Tagebuch aus Papier (3).
Literatur:
(1) Adler, N., InforMedix in pilot program with University of Pennsylvania, Washington
Business Journal, August 24 (2006).
(2) Gerlof, H., Der niedergelassene Arzt wurde zum EDV-Entwickler, Ärztezeitung,
http://www.aerztezeitung.de/docs/2003/04/09/01ao0405.asp, 2007
(3) Hufford M., Shields A., Electronic Diaries: Applications and What Works in the Field,
Applied Clinical Trials 4 (2002), 46-56.
(4) InforMedix' Med-eMonitor Improves Patient Medication Adherence To Over 92%,
Reduces Hemoglobin A1c Levels By 18.5%, In Type II Diabetes Medication Management
Program, Business Wire, Feb 13 (2006).
(5) Ruskin, P. E., van der Wende, J., Clark, C. R., Fenton, J., et al., Feasibility of Using the
Med-eMonitor System in the Treatment of Schizophrenia: A Pilot Study, Drug Information
Journal 37 (2003) 283-291.
(6) Stone, A. A., Shiffman, S., Schwartz, J. E., Broderick, J. E., Hufford, M. R., Patient
compliance with paper and electronic diaries, Control Clin. Trials 24, 2 (2003), 182-199.
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