Exzerpt Kapitel 4

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 Dem extrastriären Teil des visuellen Systems kommt eine gewichtige Funktion
zu
 Die rezeptiven Felder des striären Cortex nehmen eine erste grobe Analyse
der aufgenommenen visuellen Informationen vor
 Verarbeitungsmechanismen des striären Cortex = mehrere Stufen des
Gesamtprozesses der visuellen Verarbeitung
 Visuelle Verarbeitung erstreckt sich auf große Teile des
 parietalen
 temporalen
 frontalen Cortex
 mehr als die Hälfte des Cortex kann durch visuelle Reizmuster stimuliert
werden
Komplexe Verarbeitung im primären visuellen Cortex
 primärer visueller Cortex enthält Neurone, die für die Merkmale Orientierung,
Richtung, Ortsfrequenz und Länge visueller Reizmuster selektiv empfindlich
sind  geben den retinalen Ort der Reizung an
 es gibt auch Neurone, deren Antwort durch den Kontext moduliert wird, in dem
die Reizmuster eingebettet sind
 es kann Interaktionen zwischen den rezeptiven Feldern mit Zentrum-UmfeldStruktur und der „erweiterten“ Umgebung geben
 Vermutung, dass Reaktion dieser Neurone mit Auffälligkeit (salience)
zusammenhängt
 Auffälligkeit gering  Antwortrate niedriger
 Art des Kontexts hängt mit der Auffälligkeit des Liniensegments zusammen
und diese wiederum mit der Antwortrate
 Modulation der Antwort durch den Kontext benötigt gewisse Zeit
 Ergebnisse der Verarbeitung sind als Feedback-Signale im striären Cortex
wieder verfügbar
 Annahme, dass das visuelle System =komplexe Struktur mit
- Verarbeitung
- Signalweiterleitung
- Feedback-Bahnen
 Spätere Antworten auf Reizdarbietung werden durch Kontextinformationen
mitbestimmt und hängen mit Auswertungen auf höheren Ebenen zusammen
 Ohne Feedback-Schleifen lassen sich Prozesse der Figur-Grund-Trennung
und des Objekterkennens nicht erklären
Zwei verschiedene Bahnen der visuellen Verarbeitung im
extrastriären Cortex
 Es existieren zwei Bahnen der Verarbeitung im extrastriären Cortex:
 Getrennter Verlauf
 Unterschiedliche Funktionen
 Neuronen in verschiedenen Arealen sprechen auf unterschiedliche
Umweltmerkmale oder –eigenschaften an
 Zwei Organisationsprinzipien:
 Parallele Pfade
 Information wird in zwei unterschiedlichen Bahnen verarbeitet
 sie führen die magno- und parvozellulären Schichten aus dem
CGL weiter
 Modularität
 bestimmte Strukturen des ESC haben spezifische visuelle
Aufgaben
1. Organisation der extrastriären cortikalen Bahnen
 Ausgangspunkt:
 Zerstörung von Magnoneuronen beeinträchtigt die
Bewegungswahrnehmung
 Zerstörung von Parvoneuronen beeinträchtigt die Wahrnehmung
von Farbe, Form und räumlicher Tiefe
 Area striata  Bahn 1  Parietallappen
 Bahn 2  Temporallappen
 Bahnen für unterschiedliche Funktionen spezialisiert
 Bahn 1: Objekterkennung = ventrale Bahn
 Bahn 2: Objektlokalisierung = dorsale Bahn
 Um diese Bahnen zu finden, verwenden Forscher zwei Aufgaben:
a) Objektunterscheidung
 Vertrautmachen mit Gegenstand
 Wahlaufgabe mit zwei Alternativen
 Wahl des vertrauten Objekts: Belohnung
 Diese Aufgabe ist sehr schwierig, wenn man den
Temporallappen entfernt
b) Ortsunterscheidung
 Wahl eines dicht bei einem Zylinder liegenden Futters
 Diese Aufgabe ist sehr schwierig, wenn man den
Parietallappen entfernt
 Verarbeitung im Temporallappen kann Informationen über physische
Eigenschaften eines Objekts liefern  Erkennen des Objekts aus
verschiedenen Blickwinkeln und an verschiedenen Stellen im Raum
 Verarbeitung im Parietallappen liefert Informationen über Ort des
Gegenstandes
 Parietale Bahn = „Wo“-Bahn, beginnt bei retinalen M-Ganglienzellen
und den magnozellulären Schichten des CGL
 Temporale Bahn = „Was“-Bahn, beginnt bei retinalen P-Ganglienzellen
und den parvozellulären Schichten des CGL
 Bahnen unterschiedliche Funktion, aber keine strikte Trennung 
anatomische Verbindungen zwischen den Bereichen
 Areal V1: erhält große Zahl an Signalen aus höheren Ebenen
 Teil der Information  fließt vom striären Cortex in Richtung
temporalem und parietalem Cortex
 Anderer Teil  fließt umgekehrt
2. Zwei cortikale Sehsysteme: für das „Was“ und für das „Wo“ bzw. das „Wie“
 ventraler Pfad zum temporalen Cortex  Wahrnehmung von Objekten
 dorsaler Pfad zum parietalen Cortex  Wahrnehmung von
 Ort der Gegenstände
 Eigenen Aktionen, welche auf Gegenstände gerichtet sind
 Verbindung der beiden gibt die richtige Steuerung der motorischen
Aktion
 Beweis: Neuronen, die feuern, wenn:
 Affe dargebotenes Objekt erblickt
 Affe dieses ergreift
 Einführung in Neuropsychologie
 Verhalten von Patienten mit Hirnläsionen wird analysiert
 Modularitätshypothese: Gehirn besteht aus Teilsystemen oder
Modulen, die unabhängig voneinander arbeiten = Basis der
psychischen Leistungen
 Ziel der Neuropsychologie
„Welche Teilsysteme könne als unabhängig angenommen
werden?“
 Auf Unabhängigkeit oder Dissoziation der Teilsysteme kann
geschlossen werden, wenn ein bestimmtes Muster der
Leistungsunterschiede gefunden werden kann
 Doppelte Dissoziation = unterschiedliches und „konträres“
Auseinanderfallen von Leistungen im Vergleich zu einer normalen
Kontrollbedingung
 Fallbeschreibung Patienten D.F.
 Ausfall des ventralen Pfades
 gute Farbwahrnehmung und gutes Detailwahrnehmen
 kein Erkennen von einfachen geometrischen Formen oder
Umrisszeichnungen von Objekten
 Visuelle Formagnosie = Unfähigkeit, gewöhnliche Objekte wieder
zu erkennen
 Defizit im Erkennen geht nicht auf ein Wissensdefizit zurück
 Läsion des ventralen Pfades
 visuell motorische Orientierung intakt
 Wahrnehmung und Vergleich visueller Orientierungen nicht
mehr möglich
3. Modularität im extrastriären Cortex
 Spezialisierung verschiedener Areale auf unterschiedliche Aufgaben =
Modularität
 Modul = alle Strukturen, die eine spezifische visuelle Qualität
verarbeiten
4. Mediotemporales Areal (MT): ein Modul für Bewegungsanalyse
 Zerstörung des MT-Areals  Bewegungsrichtung wird nur noch dann
erkannt, wenn eine Korrelation (Versuch mit Zufallsmuster der
Bewegung) von mindestens 10-20% bestand
 MT-Läsionen heben also die Entdeckungsschwelle für die
Bewegungsrichtung deutlich an
5. Inferotemporales Areal (IT): ein Modul für Formanalyse
a) Neurone, die auf komplexe Formen antworten
 Primäre Zellen: antworten am stärksten auf eher einfache Formen
 Elaborierte Zellen: antworten bevorzugt auf komplexe Reize
b) Neurone, die auf Gesichter und auf Teile des Körpers antworten
 Gyrus fusiformis (im IT) auf Analyse von Gesichtern spezialisiert 
fusiformes Gesichter-Areal
 Neurone, die für Gesichter selektiv empfindlich sind
 Läsion im inferotemporalen Cortex  Prosopagnosie = Schwierigkeit,
vertraute Gesichter zu erkennen
Der sensorische Code: Wie Objekte im visuellen System
repräsentiert sind
 Sensorischer Code  enthält jene Informationsaspekte der neuronalen
Signale, welche die Wahrnehmung repräsentieren
1. Einzelzellencodierung
 Annahme, dass spezifische Reizmuster durch das Feuern bestimmter
Neurone, die dafür selektiv empfindlich sind, signalisiert werden
 Extrem unwahrscheinlich, dass die neuronale Codierung einem
extremen Muster der Einzelzellencodierung folgt
2. Populations – oder Ensemblecodierung
 Darunter versteht man, dass die Codierung auf ein Netzwerk von
Neuronen verteilt ist
 Vorteil: mit sehr wenigen Neuronen können sehr viele verschiedene
Objekte signalisiert werden
 Drei Arten von Neuronen, die daran beteiligt sind, Gegenstände in
verschiedenen Entfernungen, an verschiedenen Orten des visuellen Feldes
oder aus verschiedenen Blickrichtungen zu erkennen
 Größen-invariante Neuronen = Neuronen, die unabhängig von der
Größe der retinalen Abbildung eines Gegenstandes feuern
 Orts-invariante Neuronen = Neuronen, die unabhängig von der
Position der Abbildung auf der Retina feuern
 Sichten-invariante Neuronen = Neuronen, die unabhängig vom
Blickwinkel feuern
 Fazit: IT – Areal enthält
 größenspezifische/ -invariante
 ortsspezifische/ -invariante
 sichtenspezifische/ -invariante Neuronen
 Unsere Fähigkeit, Gegenstände zu erkennen, basiert auf der Kooperation
einer großen Zahl an verschiedenen Neuronen
Wie erhalten Neuronen ihre Spezialisierung?
 Woher kommt es, dass für Gesichter spezielle Neurone zuständig sind, die im
Gehirn ein eigenes Modul bilden?
 Evolution, Anpassung
 Individuelles Lernen
1. Ist neuronale Aktivität durch Evolution geformt worden?
 Prozess der Evolution formte visuelles System so, dass es Neurone
enthielt, die auf wichtige Umweltinformationen optimal reagieren
konnten
 Neuronale Grundausstattung und Funktion der Sinne durch Evolution
geprägt
 Evolutionäre Anpassung richtet sich auch auf Bandbreite, mit der
individuelles Lernen möglich ist
 Fazit: Evolutionäre Anpassung und individuelles Lernen ergänzen
einander
2. Neuronale Selektivität kann individuell gelernt werden
 Experiment: Affen wurden trainiert, nicht vertraute Figuren in einer
spezifischen Sicht wieder zu erkennen – andere Figuren
bzw. andere Sichten der gelernten Figuren sollten
anschließend wieder erkannt werden
 Ergebnis: Dies gelingt umso schlechter, je stärker die präsentierte Sicht
von der trainierten abweicht
 Neurone wurden im Verlauf des Wahrnehmungstrainings auf die
spezifische Form besser abgestimmt („tuned“)
 Zellen im inferotemporalen Cortex sind in der Lage, aufgrund der
Erfahrung zu lernen
 Fusiformes Gesichterareal = Gebiet des Gehirns, das nicht nur auf
Gesichter, sondern auch auf andere komplexe Objekte reagiert 
Objekte durch Lernen erworben
 Neuronale Selektivität = z.T. Folge der neuronalen Plastizität, d.h.
durch sie werden Neurone auf Informationsaspekte aus der Umwelt
abgestimmt
Verbindung von Neurophysiologie und Wahrnehmung
 Verbindung von neuronaler Aktivität und Wahrnehmung lässt sich durch
Läsionen nachweisen
 Anderer beweis: gleichzeitige Erfassung der neuronalen Antworten und der
Wahrnehmung
 Vermutung, dass Aktivität der IT-Neuronen mit der Wahrnehmung verbunden
ist
Visuelle Aufmerksamkeit: Visuelle und neuronale Selektivität
 Beobachter erwartet nicht einfach passiv ein Reizmuster – er sucht vielmehr
aktiv die Informationen der Umwelt
 Aufmerksamkeit = Prozess der Auswahl und der aktiven Zuwendung
1. Auswahl durch Aufmerksamkeit
 Perzeptuelle und kognitive Effekte spiegeln sich in speziellen
neuronalen Prozesse im Gehirn wider  Ausrichtung der
Aufmerksamkeit beeinflusst die Aktivität bestimmter Gehirnregionen
 „Mein bewusstes erleben ist das, was ich zu beachten beschließe“
 Inhalte, denen wir Aufmerksamkeit schenken, werden klarer und
prägnanter wahrgenommen als solche, auf die wir unsere
Aufmerksamkeit nicht richten
2. Können wir ohne Aufmerksamkeit sehen?
a) Blindheit durch Nichtaufmerksamkeit
 Reizmuster wird nicht gesehen, weil ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt
wird
b) Moment der unterdrückten Aufmerksamkeit
 Zeitdauer von ~500ms, während der ein zweites Reizmuster in einer Reihe
von kurzzeitig dargebotenen Reizmustern nicht entdeckt werden kann
 wurde mittels des Verfahrens der schnellen seriellen visuellen Darbietung
demonstriert
 Wechsel der Aufmerksamkeit kann offenbar erst wieder nach ~500ms
erfolgen = „Aufmerksamkeitsloch“
c) Blindheit für Veränderungen
 Unfähigkeit, Veränderungen in einer Szene zu sehen, die nicht mit
Aufmerksamkeit verfolgt werden
 Fazit: offenbar haben wir im Erleben ein allgemeines Bild unserer Umgebung
und der Objekte in ihr, wir haben aber weniger Details daraus verfügbar, als
wir annehmen
3. Visuelle Aufmerksamkeit und neuronale Verarbeitungen
 Aufmerksamkeitslenkung wirkt sich deutlich auf Reizantwort des
Neurons aus:
 Aufmerksamkeit für bevorzugten Reiz  gute Reaktion
 Aufmerksamkeit für nicht bevorzugten Reiz  geringere Reaktion
 Auch Antworten von Neuronen in der dorsalen visuellen Bahn werden
von der Aufmerksamkeit beeinflusst
 Aufmerksamkeit verändert die Informationsverarbeitung auf den
verschiedenen Stufen des visuellen Systems
Das Bindungsproblem: Die Verknüpfung cortikaler Signale
 Wie werden Bewegung, Farbe, Form...so miteinander verbunden, dass wir ein
einheitliches Objekt, Geschehen...statt getrennter, unabhängiger Merkmale
wahrnehmen?
 Bindungsproblem = Wie werden getrennte Informationen zu einem
perzeptuellen Ganzen verknüpft?
 Getrennte Orientierungssäulen kommunizieren miteinander und erreichen
somit die Verknüpfung
 Hinweise, dass Säulen durch ein Neuronennetzwerk verbunden sind
 Vorschlag, wie Kopplung der Information erfolgen könnte:
 Objekte werden im visuellen System durch Neuronengruppen
repräsentiert
 Diese Neuronen-Ensembles werden gemeinsam aktiviert
 Feuern der Neuronen erzeugt dabei oszillatorische Antworten 
untereinander synchronisieren
 Synchronizität der Reizantworten = „Leim“ für neuronale
Antworten  ganzes Objekt vorhanden
 Synchronizität tritt zwischen unterschiedlichen Feldern der visuellen
Verarbeitung auf
 Striär/ extrastriär
 Zwischen verschiedenen rezeptiven Feldern
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