leitantrag_extremismus_entwurf_24052012-doc

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Rechts, Links, oder doch "gemäßigte Mitte"?
- Politischer Extremismus in Deutschland Innerhalb des organisierten politischen Liberalismus wird gerne und oft gestritten, wo
er im sogenannten "Spektrum der Parteien" einzuordnen sei - in der Mitte zwischen
SPD und CDU? Haben sich die Positionen der Volksparteien inzwischen so
verändert, dass die FDP rechts der CDU einzuordnen ist? Wen diese Fragen
umtreiben, der sieht das politische Spektrum als klare Linie, auf der sich die Parteien
nebeneinander einordnen. Dabei ist man sich weitgehend einig, dass die
Gruppierungen an beiden Rändern als verwerflich zu betrachten sind. Immer wieder
stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen radikaleren, aber demokratischen
Positionen einerseits und extremen und verfassungsfeindlichen Ideologien
andererseits verläuft. Sensibilisiert durch die eigene Geschichte sind die Deutschen
zwar grundsätzlich misstrauisch gegenüber gerade rechtem Gedankengut, doch
erfahren die NPD sowie andere rechtsgerichtete Parteien in manchen Gegenden der
Bundesrepublik trotzdem einen großen Zuspruch.
Immer wieder kommt es überall in Deutschland zu Gewalttaten, die in
Zusammenhang mit politischem Extremismus stehen, vom Mord an
Generalbundesanwalt Buback in den 70er Jahren bis zu den so genannten
"Dönermorden" in den 2000er Jahren. Diese Vorkommnisse führen regelmäßig zu
Aufschreien in der Bevölkerung und müssen als Ausrede herhalten für Forderungen
nach besserer Überwachung durch Vorratsdatenspeicherung oder Parteiverbote. Die
etablierten Parteien sind hier gefordert, ohne Überreaktionen Antworten zu finden auf
steigenden Zuspruch zu extremen Parteien und politisch motivierte Verbrechen. Als
Regierungspartei in Bund und Land ist hier gerade die FDP in der Pflicht.
I. Arten des Extremismus
Das Vertreten inhaltlich extremer politischer Positionen ist für die JuLis Bayern nicht
grundsätzlich verwerflich, denn die Meinungsfreiheit gehört zu den Grundfesten
unseres Rechtsstaates. Extreme Meinungen in der politischen Landschaft dienen
der Schärfung des inhaltlichen Profils der Parteien, die sich selbst als "mittig"
einordnen. Sie treiben Gedanken auf die Spitze und fordern die Argumentationskraft
der gemäßigten politischen Akteure heraus. Aus diesen Gründen müssen radikale
Positionen aus Sicht der Jungen Liberalen Bayern zuallererst mit Argumenten
bekämpft werden. Erst wenn sie den Grundprinzipien des Grundgesetzes
widersprechen oder Gewalt als Mittel der Durchsetzung benutzt wird, ist ein
Einschreiten notwendig.
Allen extremen politischen Strömungen ist eines gemein: Ihr Ziel sind nicht kleinere
und größere Änderungen der deutschen Gesetzeslandschaft, um damit in einzelnen
Politikfeldern ihre Ansichten durchsetzen zu können - ihr Blick richtet sich auf das
große Ganze. Das haben linker, rechter und auch religiöser Extremismus, soweit er
politische Vorstellungen enthält, gemeinsam. Die Jungen Liberalen Bayern fordern
daher die Gleichbehandlung extremer und radikaler Gruppierungen jeder Couleur.
Linker Extremismus wird derzeit noch oft verharmlost oder nicht wahrgenommen,
während gegen rechten Extremismus großer Widerstand ständig stattfindet und
auch die Politik besonders sensibilisiert für jedwedes rechte Gedankengut ist.
Aufgrund der deutschen Geschichte ist dies zwar nachvollziehbar, es ist aber nicht
ersichtlich, warum das andere Ende des politischen Spektrums mehr oder weniger
unangefochten bleibt.
II. Parteiverbote
Die Jungen Liberalen Bayern stehen generell zum Instrument des Parteiverbotes.
Doch die Ausgestaltung des Verfahrens ist unklar und rechtsstaatlich bedenklich.
Zurzeit ist die einzige Rechtsgrundlage für ein Parteiverbotsverfahren der Satz
"Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf
ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu
beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind
verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das
Bundesverfassungsgericht." in Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes. Das Ermessen
über Ja oder Nein zum Verbot liegt demnach allein in der Hand der Richter des
Verfassungsgerichts. Das führt dazu, dass jedes Verbotsverfahren zu einem großen
Teil eine hochspekulatives Glücksspiel darstellt, dass unter anderem von der
aktuellen personellen Zusammensetzung der entscheidenden Richter abhängt.
In den Augen der Jungen Liberalen Bayern ist dies einem so wichtigen Verfahren wie
dem des Parteiverbotes nicht angemessen. Sie fordern daher die Aufstellung eines
Kriterienkataloges, der als Anhaltspunkt für die Erfolgschancen eines
Verbotsantrages gelten kann und für die Richter des Bundesverfassungsgerichtes
verbindlich ist. Unter anderem soll sich in diesem Katalog die Nicht-Existenz von VLeuten innerhalb der zu verbietenden Partei wiederfinden.
Weiterhin sehen die Jungen Liberalen eine Klärung der Frage, ob ein erneutes
Verbotsverfahren gegen die NPD angestrengt werden soll, als dringend notwendig
an.
Alternative 1: Dabei sprechen sie sich dafür aus, dass durch den Abzug der VLeute, die der Verfassungsschutz innerhalb der NPD positioniert hat, die
Voraussetzungen geschaffen werden, um einen neuen Antrag auf ein Verbot der
NPD beim Bundesverfassungsgericht stellen zu können. Bevor ein solcher
eingereicht wird, ist unbedingt sicherzustellen, dass er mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird. Stellt sich heraus, dass diese
Wahrscheinlichkeit nicht gegeben ist, so ist von einem Verbotsantrag abzusehen.
Alternative 2: Dabei sprechen sie sich gegen ein erneutes Verbotsverfahren gegen
die NPD aus. Der Abzug der V-Leute, der für ein erfolgreiches Verfahren zwingend
notwendig wäre, würde den wertvollen Informationsfluss über die Interna der Partei
jäh zum Erliegen bringen und würde bis zu einem möglichen Verbot radikalen
Strömungen innerhalb der NPD ermöglichen, unentdeckt agieren zu können. Zudem
würde ein möglicher weiterer Sieg der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht ihre
Stellung innerhalb der Parteienlandschaft stärken. Für die Jungen Liberalen muss in
einer Demokratie eine Partei, die eine gewisse Anzahl an Anhängern hat, auf dem
politischen Parkett entlarvt und übertrumpft werden, ohne dass man sich des Mittels
eines Parteiverbotes bedienen müsste.
III. Verfassungsschutz
Für die Bekämpfung extremistischer Organisation und politisch motivierter Gewalt ist
derzeit sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz zuständig als auch die
Landesämter für Verfassungsschutz sowie die Polizei. Dabei führt die aufgeteilte
Struktur in Bundesamt und Landesämter aber nicht zu effektiver Arbeitsteilung,
sondern zu Verwirrung. Im 21. Jahrhundert müssen nicht nur kleine Gruppierungen in
einzelnen Landkreisen beobachtet werden, auch Prävention muss neu gedacht
werden. Jugendliche können über das Internet leicht kontaktiert und angeworben
werden, die Grenzen zwischen den Bundesländern sind dabei mehr und mehr
irrelevant. Die Doppelstruktur der Verfassungsschutzämter in den Ländern führt
dabei nur zu großen Datenmengen, die ständig unter den Ämtern hin und her
geschoben werden müssen.
Die Jungen Liberalen Bayern fordern daher die Abschaffung der Landesämter für
Verfassungsschutz. Die Hauptaufgaben des Landesamtes in Bayern sollen
stattdessen zum größten Teil der bayerischen Polizei übertragen werden. Die
Betreuung der Aussteigerprogramme, das Anlegen von Täterdateien und die
Annahme anonymer Hinweise sind bei der Polizei in den richtigen Händen, vielmehr
erspart es sogar Schritte des Datenaustausches, wenn die Polizei die direkte
Zuständigkeit erhält. Die vom Landesamt für Verfassungsschutz geleistete
Öffentlichkeitsarbeit kann überwiegend auf das Bundesamt für Verfassungsschutz
übertragen werden. Diese muss nach Ansicht der Jungen Liberalen Bayern
außerdem moderner und zielgerichteter werden und darf sich nicht auf den
jährlichen, gedruckten Verfassungsschutzbericht beschränken.
IV. Volksverhetzung
Die Folgen des NS-Regimes und des Zweiten Weltkrieges sind in der
Bundesrepublik Deutschland in vieler Hinsicht deutlich sichtbar - eine davon ist das
deutsche Recht. In den 90er Jahren wurde in das deutsche Strafgesetzbuch der §
130 "Volksverhetzung" neu eingefügt. Er stellt in den Absätzen 3 und 4 nicht nur die
Leugnung, sondern auch die Billigung, Verharmlosung, Verherrlichung und
Rechtfertigung des Holocaustes und der nationalsozialistischen Herrschaft unter
Strafe.
Alternative 1: Die Jungen Liberalen tolerieren keine der im § 130 Abs. 3+4 StGB
erwähnten Handlungen und sehen sie als verwerflich an. Dennoch ist für sie ein eng
umgrenztes, klares und unpolitisches Strafrecht ein wesentlicher Teil des
funktionierenden Rechtsstaates. Gerade die Begriffe "Billigung" und
"Verharmlosung" lassen einen solch weiten Interpretationsspielraum, dass
vollkommen unklar ist, wann der Tatbestand des § 130 StGB erfüllt ist. Die Jungen
Liberalen fordern daher im Sinne eines Rechtsstaates ohne die Möglichkeit für
richterliche Willkür die Streichung des § 130 Abs. 3 und 4 StGB.
Alternative 2: Trotz rechtsstaatlicher Bedenken ob der Bestimmtheit dieser
Strafnorm halten die Jungen Liberalen Bayern grundsätzlich an ihr fest. Für sie ist
die abschreckende Wirkung, die von einem Strafgesetz ausgeht, essentiell und die
Symbolkraft ein wichtiges Zeichen für die noch lebenden Opfer des NS-Regimes.
Die Jungen Liberalen Bayern fordern jedoch die Konkretisierung der unter Strafe
gestellten Handlungen durch eine Änderung des § 130 StGB, um Willkür in der
Auslegung vorzubeugen.
V. Prävention durch Bildung
Das Ziel in der Erziehung junger Menschen kann es nach Ansicht der Jungen
Liberalen Bayern nicht sein, ihnen bestimmtes politisches Gedankengut
erklärungslos zu verbieten. Wir als Liberale ziehen aus unserem Selbstverständnis
heraus stets größtmögliche Information über vermeintlich schlechte Einflüsse dem
reinen Verbot vor - das gilt auch in Bezug auf politisch extremes Gedankengut. Die
momentane Praxis in den Lehrplänen bayerischer Schulen setzt auf die intensive
Beschäftigung mit den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges und der Nazizeit und
hofft, dass dies von allein dazu führt, dass das Label "rechts" für die Schüler
abschreckend wirkt. Längst hat sich aber die Strategie der NPD und anderer politisch
extremer Parteien gewandelt: Sie vermeiden jede Meinungsäußerung über das Dritte
Reich, betonen, dass dies Vergangenheit sei, und machen junge Menschen
stattdessen auf aktuelle politische Problemlagen aufmerksam, um sie zu ködern. Es
ist daher nicht allein Aufgabe des Geschichtsunterrichts, Schüler politisch zu
sensibilisieren.
Die Jungen Liberalen Bayern fordern eine Ausweitung des Sozialkundeunterrichts in
allen Schulformen. Zusätzlich zum bisherigen Lehrplan sollen vor allem die Prinzipien
des Grundgesetzes sowie die Geschichte und Entwicklung der einzelnen Parteien in
Bezug auf ihre Programmatik behandelt werden. Das Ziel soll dabei sein, die Schüler
so umfassend über das politische System der Bundesrepublik Deutschland zu
informieren, dass sie bei ihrer ersten Teilnahme an Wahlen am Ende der Schulzeit in
der Lage sind, Wahlversprechen und -programme kritisch zu hinterfragen und eine
überlegte Entscheidung zu treffen. Jeder gut informierte Schüler ist ein Wähler
weniger, der auf Köder der extremen Parteien hereinfällt.
Zudem fordern die Jungen Liberalen Bayern eine Umstrukturierung des
Geschichtsunterricht. Derzeit bietet der Lehrplan gerade in der Kollegstufe an den
Gymnasien eine Fülle an Stoff mit Bezug zur NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg.
Dieser Stoff soll sinnvoll gekürzt werden um Zeit zu schaffen für die Themen
"Deutsche Geschichte nach 1945" und "Kalter Krieg". Durch die momentane
Fokussierung auf rechtes Gedankengut in der Geschichte entsteht ein Missverhältnis
zu linksextremem Gedankengut. Die Geschichte der DDR, der Taten der RAF und
des Eisernen Vorhangs sind sind unverzichtbar für ein umfassendes politisches
Grundverständnis und dürfen in der Schulbildung nicht weiter zu kurz kommen.
VI. Ehrenamtliche Arbeit
Die ehrenamtliche Arbeit von Vereinen und Organisationen ist eine der wichtigsten
Säulen gegen politisch motivierte Gewalt. Es lässt sich aber eine klarer Schwerpunkt
in dieser Arbeit feststellen: Die meisten Organisationen kümmern sich um Aussteiger
aus der rechten Neonaziszene. Diese Arbeit ist zwar wichtig, jedoch auch etwas
einseitig. Auch hier müssen nach Ansicht der Jungen Liberalen Bayern alle Arten
extremistischer Gesinnung gleich behandelt werden. Die Gründung von Vereinen,
die sich speziell mit linksgerichtetem Extremismus beschäftigen, sowie von solchen
Organisationen, die hauptsächlich Aufklärung und Prävention von Jugendlichen
betreiben, muss gefördert werden. Die Jungen Liberalen Bayern fordern eine
stärkere Kooperation aller Schulformen mit ehrenamtlichen Organisationen, um die
klassische Schulbildung mit der Praxis verknüpfen zu können. Dabei darf aber die
politische Bildung nicht an Externe "abgeschoben" werden - diese muss weiter im
Klassenzimmer stattfinden.
Als großes Handlungshindernis für ehrenamtliche Arbeit erweist sich momentan vor
allem die Finanzierung. Vereine können nur von einem Jahr zum nächsten planen,
langfristige Programme, die nicht direkt in staatlicher Hand liegen, sind damit so gut
wie unmöglich. Hier muss eine Finanzierungsmöglichkeit gefunden werden. Die
Jungen Liberalen Bayern fordern daher die FDP Fraktion im Bayerischen Landtag
auf, zu prüfen, ob die Gründung einer Landesstiftung zur langfristigen Finanzierung
möglich ist. Dabei sollen die Mittel, die durch die Stiftung verteilt werden, zum
größtmöglichen Teil aus Spenden stammen, um ein gewisses Maß an Staatsferne zu
garantieren.
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