Klar - Sbv

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Klar Nr. 3, Herbst 2013
Das Schweizer Magazin zum Thema Sehbehinderung.
Mit einem Dossier zum Thema "Trends"
Bildlegenden ........................................................................................... 2
Editorial ...................................................................................................... 4
Liebe Leserinnen und Leser ................................................................... 4
Dossier ....................................................................................................... 5
„Die Bedeutung einer Sinnesbehinderung wird in der
Wissensgesellschaft kleiner.“ - Interview mit dem Zukunftsforscher G. G.
Roos ....................................................................................................... 5
Urlaubslektüre im Wandel der Zeit - Eine Kolumne ................................. 9
Im Trend aufgehen - Mode ist für sehbehinderte Menschen eine
Herausforderung. .................................................................................. 11
Fokus........................................................................................................ 14
Der positivste Ausdruck, den Gleichgültigkeit haben könnte - Interview
mit dem Nachwuchsautor Michael Fehr ................................................ 14
Fünfter Satz - Der scheinbare Fischer und wirkliche Säufer - Auszug aus
dem Spoken Skript "Kurz vor der Erlösung" von Michael Fehr .............. 20
Leben mit einer Sehbehinderung .............................................................. 24
Die Apfelschule - Seit einem Jahr unterrichten sich blinde und
sehbehinderte Apple-User gegenseitig ................................................. 24
Ein offenes Ohr - in der Sozialberatung haben Menschen mit einer
Sehbehinderung Raum für ihre Ängste und Gefühle............................. 26
Ferien und Reisen - immer mehr private Reiseanbieter sprechen
Menschen mit einer Sehbehinderung an .............................................. 28
Leserbrief ................................................................................................. 29
Der Korbflechter und sein Assistent ...................................................... 29
News ........................................................................................................ 30
UNO-Behindertenkonvention ................................................................ 30
IVG-Revision 6b: Vorlage im Parlament gescheitert ............................. 30
Hindernisfreier Verkehrsraum ............................................................... 31
Hinweise ............................................................................................... 31
Pinwand................................................................................................ 33
Inserate .................................................................................................... 33
DAB+-Radio ......................................................................................... 33
Eine Lehrstelle bei der Stadt Bern......................................................... 34
Ihre scharfe Begleitung unterwegs!....................................................... 35
Werden Sie unabhängig – mit Hilfsmitteln von Accesstech ................... 35
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MEZZO ................................................................................................. 36
Low Vision International: Und wenn die Brille nicht mehr ausreicht? .... 36
Schlafen, geniessen, erleben im Hotel-Restaurant Solsana in SaanenGstaad .................................................................................................. 37
Impressum ................................................................................................ 37
Bildlegenden
Jeroen van Rooijen:
Cover: Silhouette eines Stuhls
Klar – viel deutlicher kann man eine gestalterische Haltung nicht auf den
Punkt bringen als es ACE Design aus Lausanne mit ihrer Chaise tut. Vier
Beine, ein Zargenkreuz mit darauf ruhender kreisförmiger Sitzfläche und
eine brutal brettgerade Rückenlehne: das sind praktisch die Grundzutaten
des Stuhls, nicht mehr. Trotz seiner provokativen formalen Reduktion wirkt
der stapelbare Stuhl modern und selbstverständlich, ja fast archetypisch.
ACE Design, Lausanne
Bild Seite 2: Zwei junge japanische Models
Androgynität und Uniformität sind zwei wichtige Grundzüge unserer Zeit:
die wichtigsten Kleidungsstücke von Frauen und Männern gleichen sich
immer mehr an, bis zu dem Punkt, wo beide Geschlechter nur noch in
Jogginghosen und über den Hosenbund hängenden Hemden herumlaufen.
Was dann noch unterscheidet, ist gewachsene Physiognomie: Geschlecht,
Körperbau, Haar, Muskulatur.
Masahiro Sanb, GINZA Magazine Aug 2011, No. 170
Bild Seite 5 oben: BMW Motorrad
Ein kompromisslos auf Sportlichkeit getrimmtes Naked Bike ist derzeit
eines der bedeutendsten Fetische junger und jung gebliebener Männer.
Das BMW-Konzept suggeriert mit seinem einseitig aufgehängten Hinterrad
und frei schwebendem Sattel eine fast ideale Kombination aus absoluter
Leistung und grenzenloser Freiheit.
Christian Stoll für BMW
Bild Seite 5 unten Brett Anderson
Auch Männlichkeit wird heute saisonal neu verhandelt. Mal haben die
Exzentriker und Dramatiker die Oberhand, dann wieder die Existenzialisten
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und Puristen. Aktuell schwingt das Pendel zugunsten der Klarheit zurück:
ein sauberer Haarschnitt, ein klares Profil und ein frisch gebügeltes
weisses Hemd: Popstar Brett Anderson, seit Jahren ein versierter Tänzer
auf des Zeitgeists Messer Schneide, weiss, was derzeit gerade gefragt ist
und setzt sich entsprechend lässig in Szene.
Thomas Lohr für i-D
Bild Seite 7 Geometrie
Die absolute Essenz und sonst nichts: das lange verschmähte Wort des
Minimalismus macht in den kreativen Disziplinen wieder die Runde.
Fotografen wie Carl Kleiner, der für Flos einfachste Leuchten in Form von
zylindrischen Röhren kreativ in Szene setzte, bieten bereits kluge
Antworten auf die Anforderungen unserer Zeit. Vielleicht liegt ein neuer
Kubismus in der Luft?
Carl Kleiner
Bild Seite 19 oben
Feuerrot: Die Mode hat in den letzten Jahren die Lust an intensiven
Primärfarben wiederentdeckt. Das stark pigmentierte Leuchten wird mal
diskret als Farbtupfer eingesetzt, oft aber auch flächig, wie es Viviane
Sassen für das stilprägende AnOther Magazine tut: Knallrot wird zu Knallrot
kombiniert, dazu noch ein paar Handschuhe, Schuhe und Strümpfe in...
knallrot, was sonst!?
Bild Seite 19 unten
Auf den ersten Blick könnte der muskulöse Joe Hart auf dem Foto von Tom
Cockram alles sein: Pöstler, Spediteur, Türsteher, Chauffeur oder auch
Landwirt. Sein leicht blondiertes Haar verweist aber auf ein wesentlich
eitleres Gewerbe, und das Umbro-Logo auf der Brust seines Shirts
bestätigt den Verdacht: Charles Joseph John Hart ist Torwart von
Manchester City und englischer Nationalkeeper - und damit einer der
bedeutendsten Männer, der über den Seelenhaushalt der Briten wacht.
Tom Cockram, Umbro Joe Hart
Bild Seite 24?
Sonnenbrillen schützen die Augen vor zuviel Licht, klar. Doch das allein
erklärt kaum, warum dieses Accessoire in den letzten Jahren eine
Bedeutung bekommen hat, die fast an jene fetischhafte Verehrung
heranreicht, die Schuhen zuteil wird. Sonnenbrillen wie das bunt
gesprenkelte Retro-Modell in der angesagten Panto-Form von R.T. Co
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(gesehen bei Blackbird Berlin) verleihen ihrem Träger Coolness, Attitüde
und Sexappeal. Wer seine Augen verdeckt, lässt sich nicht in die Karten
blicken und wird dadurch mysteriös und spannend.
Credit?
Bild Seite 25
Spannung entsteht aus These und Gegenthese - oder aus Form und
Antiform. Containermade aus Sydney und Schanghai verschlanken ihre
kugelförmige Kunststoff-Puderdose "Puffball" (von Kevin Murphy) mit einer
gegenläufigen, ebenso kreisrunden Taillierung des Gefäßes. Das Resultat
wirkt so schlicht wie einleuchtend.
Puderdose, Container Made, Sidney/Shanghai
Bild Seite 30
Die Zeitgeistprognostiker liefern sich einen heissen Wettkampf: was wird
nach dem orangefarbenen Hugo von 2012 und dem honiggelben Lillet von
2013 der nächste Sommerdrink? Könnte es sein, wie Erik Wåhlström und
Daniel Carsten suggerieren, dass es ein simpler, granatroter Campari Soda
wird, dargereicht im einfachst möglichen Glas?
Erik Walström / Daniel Carlsten
Backcover
Die besten Ideen entstehen oft nicht dort, wo krampfhaft nach Originalität
und der beeindruckenden kreativen Geste gesucht, sondern ganz
pragmatisch nach der besten Verbindung aus Form und Funktion geforscht
wird. Den futuristischen Speedglas-Schweissschirm von 3M könnte
zumindest kein noch so ambitionierter Science-Fiction-Designer besser
gestalten als jene Fachleute, die wissen, worauf es in der Hitze des
Gefechts wirklich ankommt.
3M Speedglas 91000 V Schweissschirm
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser
Im Herbst 2013 kuschelt sich die modebewusste Frau in ihren XXL-Mantel.
Ihr Kostüm könnte mit einem Seidenpyjama verwechselt werden, würde sie
nicht Wildlederstiefel tragen, die wie Fischerstiefel bis übers Knie reichen.
Männer hingegen rüsten sich mit Hightech-Materialien für einen strengen
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Winter. Ihre Gesinnung demonstrieren sie, indem sie den aristokratischen
Look wählen.
Eine ganze Industrie lebt davon, uns zu jeder Saison neue Trends zu
verkaufen. Für Menschen mit einer Sehbehinderung ist dies eine stete
Herausforderung.
Das englische Verb "to trend" bedeutet "in eine bestimmte Richtung
laufen". Vor allem die Soziologie und die Zukunftsforschung versuchen,
gesellschaftliche Trends, also Entwicklungstendenzen, zu erkennen und zu
beschreiben. Zukunftsforscher Georges T. Roos nennt im Interview
Megatrends, die unsere Gesellschaft prägen. Während etwa die
zunehmende Beschleunigung es sehbehinderten und blinden Menschen
erschwert, mitzuhalten, ermöglicht der Trend zur Virtualisierung die
gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft, etwa dank eBooks.
Die Bildstrecke stammt aus der Welt des Designs. Seit fünf Jahren suchen
die beiden Grafic Designer Nathan Cowen und Jacob Klein das Internet
nach Bildern ab, die ihnen besonders gut gefallen und tragen sie auf hawlin.com zusammen. Der Blog ist so etwas wie eine öffentliche Diskussion
der beiden, was gutes Design sei. In der visuellen Kommunikation wird er
viel beachtet und ist selbst zu einer Art Trendbarometer oder gar
Trendsetter geworden. Der Blog hat bis zu 200'000 Besucher pro Monat
und Firmen bemühen sich darum, ihr Produkt darauf zu platzieren. Die
beiden Blogger Klein und Cowen lassen sich aber durch nichts Anderes als
ihr ästhetisches Empfinden bestechen. Jeroen van Rooijen, Stilfachmann
von Radio SRF 3, hat die Bilder mit gewohntem Esprit und viel Eleganz
kommentiert.
Von Naomi Jones, Chefredaktorin
Legende: Naomi Jones fotografiert von Christian Bühler
Dossier
„Die Bedeutung einer Sinnesbehinderung wird in der
Wissensgesellschaft kleiner.“
„Klar“ sprach mit dem Zukunftsforscher Georges T. Roos über die
Entwicklungen in der Gesellschaft und was sie für Menschen mit
einer Sehbehinderung bedeuten.
Von Naomi Jones
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Klar: Herr Roos, Sie sind Zukunftsforscher. Was darf ich mir darunter vorstellen?
Georges T. Roos: Jeder Mensch interessiert sich für die Zukunft. Er
beschäftigt sich damit in der Regel intuitiv und emotional, geprägt von
Angst und Hoffnung. Zukunftsforschung beschäftigt sich systematisch mit
ihrem Objekt. Sie analysiert die Gegenwart, versucht Trends und
Megatrends zu erkennen und macht Szenarien, wie die Zukunft unter
bestimmten Voraussetzungen aussehen könnte. Eine Frage ist zum
Beispiel wie sich die Werte der Gesellschaft wandeln werden, wenn der
Wohlstand der Bürger weiterhin steigt bzw. wenn der Wohlstand sinkt.
Klar: Trend ist ein verbreiteter Begriff. Aber was sind Trends und Megatrends in der
Zukunftsforschung?
G.T.R.: Soziale, ökonomische und technische Phänomene verändern sich
dauernd. Wenn diese Veränderungen einem erkennbaren Muster folgen
und strukturell beeinflussen, wie wir leben und arbeiten, nenne ich es
Megatrend. Die Alterung der Gesellschaft z.B. ist ein Megatrend. 2030 wird
jede vierte Person älter als 65 Jahre sein. Gesundheit ist ein weiterer
Megatrend. Was wir heute darunter verstehen ist etwas anderes, als was
wir vor zehn Jahren darunter verstanden haben. Virtualisierung und die
Wissensgesellschaft sind ebenfalls wichtige Megatrends. Unsere
Beziehungen und Geschäfte finden immer mehr in einer Welt statt, die von
allgegenwärtigen Informationsnetzen überlagert ist. Ausserdem wird
Wissen in unserer Gesellschaft immer wichtiger.
Klar: Und was bedeuten diese Trends für Menschen mit einer Behinderung?
G.T.R.: Megatrends bergen jeweils Chancen und Risiken. Ich bin aber
überzeugt, dass wir die Fähigkeit haben, mit den Herausforderungen
umzugehen. Die Virtualisierung bietet gerade für Sehbehinderte grosse
Chancen. Apple zeigt mit seinen Produkten, in denen standardmässig eine
Sprachausgabe und eine Zoomfunktion installiert sind, die Richtung auf.
Dies ist jedoch erst der Beginn einer Entwicklung. Zurzeit wird an
Touchscreens mit haptischem Eindruck geforscht. Die
Bedienerfreundlichkeit wird erhöht. Eine revolutionäre Entwicklung ist in
Sachen künstliche Intelligenz in Gang. IBM hat vor zwei Jahren einen
Supercomputer vorgestellt, der mündlich an ihn gestellte Fragen
beantwortet. Watson, so heisst die Maschine, kann mit Tausenden von
Informationen gefüttert werden, ohne dass sie vorgängig maschinenlesbar
gemacht werden müssen. Er ist fähig, Sprache in Form von Text oder
mündlicher Rede zu verstehen. Stellt man ihm eine Frage, bildet er
eigenständig Hypothesen. Diese Hypothesen überprüft er in einem
nächsten Schritt auf ihre Evidenz und gibt die Antwort. Ausserdem ist er
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lernfähig und speichert jede neue Information. Watson wird versuchsweise
in der Medizin, in der Forschung und in der Finanzwelt eingesetzt. Er
schlägt Therapien für Patienten vor, verweist Forscher auf neue mögliche
Wege und berechnet Anlagestrategien besser als jeder Broker. Es ist
möglich, dass wir in zehn Jahren Watson auf unsern Smartphones haben.
Verbunden mit einer Kamera und andern umweltsensiblen Geräten könnte
er blinden Menschen eine nie gekannte Orientierung bieten.
Klar: Sind sehbehinderte Menschen als Konsumentengruppe so stark, dass die
Entwicklung von sprechenden Computern und haptischen Bildschirmoberflächen
vorangetrieben werden?
G.T.R.: Nein. Dies geschieht eher im Hinblick auf die älter werdende
Gesellschaft. Ausserdem sind die Errungenschaften für alle andern ebenso
komfortabel. Die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine soll noch
benutzerfreundlicher werden.
Allerdings ist die Gesellschaft heute viel sensibler auf die Anliegen von
behinderten Menschen als noch vor zwanzig Jahren. Die wachsende
Sensibilität gegenüber Schwächeren ist klar ein Trend. Ich bin im
Gegensatz zu andern der Meinung, dass die Gesellschaft so solidarisch ist
wie noch nie. Bloss ist die Solidarität heute anders organisiert als früher.
Etwa mit Transferleistungen, Schutzbestimmungen, Gleichstellungs- und
Antidiskriminierungsgesetzen.
Klar: Glauben Sie also, dass es die Invalidenversicherung (IV) in zwanzig Jahren also
noch geben wird?
G.T.R.: Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass es sie nicht mehr geben
sollte. Der Solidaritätsgedanke ist nicht tot, und aus Spargedanken darf
man noch nicht schliessen, dass die Gesellschaft die Schwächeren nicht
mehr mittragen will.
Klar: Durch die technischen Entwicklungen können immer mehr Hilfsarbeiten an
Roboter delegiert werden. Wie wird sich der Arbeitsmarkt für Menschen mit einer
Behinderung entwickeln?
G.T.R.: Die technischen Fortschritte erlauben Menschen mit einer
Sehbehinderung eine bessere Teilnahme am Arbeitsmarkt. Die Arbeit wird
generell intellektuell anspruchsvoller. Wissen ist enorm wichtig und wird es
immer mehr. Selbst im klassischen Handwerk gibt es immer mehr
Wissensanteile. In einem Auto befinden sich heute zahlreiche Computer.
So hat sich der Beruf des Automechanikers in verschiedene Berufe
aufgeteilt. Die Arbeitswelt verändert sich also. Die Bedeutung einer
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Sinnesbehinderung wird in der Wissensgesellschaft kleiner. Ausserdem
glaube ich nicht, dass uns die Arbeit ausgehen wird. Aufgrund der
demografischen Entwicklung wird es in Zukunft eher zu wenige
Arbeitskräfte geben. Gerade dies aber ist eine Chance für Menschen mit
Behinderungen, zumindest für jene ohne intellektuelle Einschränkungen.
Klar: Blinde Menschen sind ihn ihrer Mobilität unter anderem dadurch stark
eingeschränkt, dass sie nicht Auto fahren können. Tut sich hier etwas?
G.T.R.: Google hat bereits ein Auto lanciert, das selbst fährt. Ob es sich
auch in einer süditalienischen Grossstadt bewährt ist eine andere Frage.
(In Kalifornien ist das Google-Auto im Strassenverkehr zugelassen, wenn
eine Person mit Führerausweis mitfährt. Anm. d. Red.). Aber ich bin
zuversichtlich. Technisch lässt sich alles machen. Es wird bloss noch eine
Weile dauern, bis es sich durchsetzt.
Klar: Beschleunigung ist ein Megatrend, den Sie genannt haben. Können
sehbehinderte Menschen in einer beschleunigten Gesellschaft noch mithalten?
G.T.R.: Jeder Megatrend hat seine Chancen und auch seine Risiken. Von
den technischen Innovationen angetrieben hat sich unsere Gesellschaft
immer weiter beschleunigt. Nun treten bereits erste
Beschleunigungskrankheiten wie Burn out oder ADHS bei Kindern auf. Für
viele Menschen wird die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit zur
Belastung. Die Halbwertszeit von Wissen ist kürzer. Ebenso diejenige von
Beziehungen. Heute sind wir frei, unsere Beziehungen zu wählen. Wir
werden nicht mehr aus wirtschaftlicher Not oder sozialer Norm in
Beziehungen gezwungen. Umso mehr allerdings müssen wir sie pflegen,
damit sie halten können. Dies geschieht vor allem bei jüngeren Menschen
über die sozialen Medien, dank denen eine Art emotionales Rauschen
aufrechterhalten wird. Hier sind Menschen mit einer Behinderung sicherlich
nicht benachteiligt. Ausserdem kommt ihnen entgegen, dass sie nicht
immer vor Ort sein müssen, um mit andern in Kontakt zu treten.
Behinderung bedeutet oft Zwangsentschleunigung. Das ist per se natürlich
eine Benachteiligung. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass jene, die unter
der Beschleunigung leiden oft eine Sehnsucht nach Entschleunigung
entwickeln. Zu jedem Megatrend gehört ein Gegentrend. Z.B. die
Sehnsucht nach Ruhe, Qualität und Intensität. Menschen, die
zwangsweise mit der Langsamkeit umzugehen gelernt haben, könnten
eine Kultur der Entschleunigung entwickeln und eine Vorbildfunktion
übernehmen. Man darf die Situation jedoch nicht verklären.
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Klar: Laut einer Studie des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen
(SZB) wird es 2030 sehr viel mehr Menschen mit einer Sehbehinderung geben, da es
viel mehr ältere und alte Menschen geben wird und da 20% aller Menschen, die mehr
als 80 Jahre alt sind, von einer Sehbehinderung betroffen sein werden. Stimmen Sie
dieser Prognose zu?
G.T.R.: Das stimmt, sofern sich der Prozentsatz der von Sehbehinderung
Betroffenen in dieser Altersgruppe nicht ändert. Die Babyboomer werden
dann 80 und mehr Jahre alt sein. Ich nehme allerdings an, dass die Rate
der Sehbehinderten in dieser Altersgruppe eher abnimmt. Denn wir altern
heute deutlich langsamer als früher. Unser biologisch-medizinisches Alter
ist tiefer als unser kalendarisches Alter. Dies hat mit Wohlstand,
Lebensbedingungen und medizinischem Fortschritt zu tun. Ich rechne also
damit, dass es in Zukunft in der Kohorte der Menschen in hohem Alter
prozentual eher weniger Menschen mit altersbedingten Behinderungen
geben wird. Durch die schiere Menge der Babyboomers wird allerdings die
Anzahl steigen.
Kasten
Georges T. Roos analysiert seit 1997 die treibenden Kräfte des
gesellschaftlichen Wandels. Er ist Gründer von ROOS Trends&Futures
www.kultinno.ch und der European Futurists Conference.
Roos ist Autor verschiedener Studien. Zuletzt erschienen: Lifestyle 202X.
Versuch einer Zeitdiagnose (2011). ISBN 978-3-033-03209-5
Legende S. 8: Georges T. Roos fotografiert von Alessandro Della Bella
Legende S. 11: Im Februar 2011 besiegte Watson in der Quizshow Jeopardy den
Champion Ken Jennings. Jennings hatte die Show vorher 74 Mal gewonnen. (AP
Photo/Seth Wenig)
Urlaubslektüre im Wandel der Zeit
Urlaub bedeutet zwar Entspannung und Luftveränderung, kann aber
die Selbstständigkeit eines blinden Reisenden auf eine harte Probe
stellen. Besondere Sorgfalt sollte man bei der Wahl der Begleitperson
walten lassen. Der Rest ist gute Organisation.
Von Jean-Marc Meyrat
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Québec 1998
Während die alte Welt sich über den Doping-Skandal bei der Tour de
France entrüstete, erkundete ich kurz vor der Jahrtausendwende mit
meiner Frau Francine per Tandem die „Belle Province“ Québec.
Damals waren Kassetten das einzige Medium für Hörbücher. Zum Glück
gab es ja schon den Walkman! Aber eine unserer Satteltaschen mit
Kassetten vollzustopfen, kam nicht in Frage. So mussten Francine und ich
ein gutes Buch finden, das wir gemeinsam lesen konnten. Nach einigem
Hin und Her entschieden wir uns für Jean M. Auels Ayla und der Clan des
Bären, dem ersten Band ihres Romanzyklus‘ "Die Erdenkinder". An
Lesefutter mangelte es also nicht. Ich gebe zu, dass mich die
prähistorische Barbiepuppe Ayla nervte, aber dafür liebte ich die
Schilderungen der Sitten und Gebräuche unserer Urahnen in der letzten
Eiszeit.
Am Ufer des schönen, breiten Flusses Richelieu im Gras ausgestreckt liest
Francine mir vor. Nach einer halben Stunde dann der folgende Dialog:
- Schläfst du?
- Nein.
- Wo in der Geschichte sind wir denn? Was haben wir zuletzt gelesen?
Ich muss gestehen, dass ich in der Tat eingenickt war und den Faden
verloren hatte.
- Ich habe es satt, dieselben Seiten viermal vorzulesen. Entweder du
machst ein Nickerchen und ich lese für mich, oder du hörst zu und ich lese
weiter vor.
Mein Nickerchen muss recht ausgedehnt gewesen sein, denn ich habe fast
ein Dutzend Seiten verpasst.
Fasziniert von der Geschichte, gebe ich mir alle Mühe, die Augen offen zu
halten, aber vergebens. Als ich schliesslich aufwache, schweigt Francine.
Selbstständige Ferien
In den folgenden Urlauben gab es dann schon Hörbücher im MP3- und
DAISY-Format, erst auf CD, dann auf digitaler Speicherkarte. Ein Buch
gemeinsam zu lesen war nun nicht mehr zwingend erforderlich. Dafür gab
es Lesegeräte mit Sprachsynthese zum Abspielen von Dateien, die man
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bei der Westschweizerischen Hörbibliothek gleich zu Dutzenden von der
Website herunterladen konnte. Ironie des Schicksals: Francine ist selbst
auf den Geschmack gekommen und hört so gern Audiobücher, dass wir
uns mit Behagen ein Paar Ohrknöpfe teilen. Wenn das nicht wahre Liebe
ist!
Inzwischen lade ich meine Bücher auf mein iPhone. Allerdings lese ich viel
weniger, seit ich Podcasts bekommen kann. Meine LieblingsRadiosendungen begleiten mich überall hin. An Hotelrezeptionen lautet
meine erste Frage, bevor ich überhaupt das Zimmer gesehen habe oder
weiss, wann das Frühstück serviert wird: Gibt es ein W-LAN und wenn ja,
kann ich bitte gleich das Passwort haben?
Neue Technologien sorgen für Gleichberechtigung in der Ehe!
Während ich früher auf unserem Tandem lediglich für die Klingel zuständig
war, die ich auf Zuruf betätige, bin ich heute vollwertiger Kopilot. Früher
drehte meine Frau langsam Runde um Runde im Kreisverkehr beim
krampfhaften Versuch, die Karte auszubreiten. Die Zeiten sind vorbei!
Heute bin ich derjenige, der ihr dank der GPS-Apps auf meinem iPhone die
Richtung vorgibt. Unterwegs bin ich derjenige, der Sehenswürdigkeiten
auswählt, Abfahrtszeiten öffentlicher Verkehrsmittel abfragt und gleich noch
das nächste Hotelzimmer bucht.
Ich werde wieder mehr lesen
Die vielen Funktionen des iPhones erlernt man am besten Schritt für
Schritt. Gerade eben habe ich einen Riesensprung voran gemacht. Ein
Freund erklärte mir geduldig, wie es funktioniert, und nach ein paar
Probeläufen kann ich inzwischen eBooks abrufen. Und jetzt raten Sie mal,
was ich gerade lese? Genussvoll verschlinge ich Antoine Blondins "Sur le
Tour de France".
Aber mag die neue Unabhängigkeit noch so befreiend sein – nie vergesse
ich die herrliche Dreiecksbeziehung zwischen mir, Francine und Ayla am
Ufer des grossen, schönen Flusses Richelieu in Québec!
Im Trend aufgehen
"Kleider machen Leute", besagt das Sprichwort. Aber Mode ist für
Sehbehinderte eine zusätzliche Herausforderung auf dem ohnehin
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glatten sozialen Parkett. Wer sich aufgrund der Behinderung
ausgestellt fühlt, möchte oft nicht mit Kleidern zusätzlich auffallen.
Von Naomi Jones
Visuelle Kommunikation
Jonas Pauchard und Andreas Schroth treffen sich zum Shopping. Andreas
hat soeben seine Ausbildung abgeschlossen, Jonas besucht das
Gymnasium. Beide geniessen die freie Zeit der langen Ferien. Sie wollen
eine neue Hose kaufen, bevor sie an diesem sommerlichen Nachmittag ins
Schwimmbad gehen. Jonas faltet seinen weissen Stock zusammen und
hängt sich bei Andreas ein.
Aus Kleidern schliessen wir auf Haltungen, Werte und sozialen Status. Wir
wollen mit Mode unsere Individualität unterstreichen. Die Sache hat einen
Haken. Mode ist visuelle Kommunikation.
Jonas will zu Jack&Jones. Es ist seine Adresse, wenn er Hosen braucht.
Andreas, der sehbehindert ist, mag den Laden nicht sehr gern: "Für mich
ist die Beleuchtung schlecht. Ich gehe lieber zu WE-Fashion. Der Laden ist
hell ausgeleuchtet und die Bedienung besser. Aber die Kleider sind dort
teurer." Dennoch führt er seinen Freund zielstrebig durch die Berner Laube
bis zum Geschäft. Im Laden findet Andreas das Gewünschte rasch.
Mode ist insbesondere für blinde Menschen Glatteis, das sie nicht
umgehen können. Die meisten möchten sich richtig anziehen, also
zeitgemäss und dem Anlass entsprechend. Jedoch können sie nicht
tagtäglich ihr Umfeld beobachten und sich anpassen. Sie können an ihren
Mitmenschen keine Reaktionen ablesen und sind dadurch in ihrer Wirkung
verunsichert.
"Mode ist mir eigentlich zu kompliziert", meint Jonas. "Sie ist mir aber nicht
egal, denn ich werde aufgrund meiner Kleider beurteilt. Somit beuge ich
mich der Mode soweit als nötig."
Er trägt ein grünes Marken-T-Shirt, dazu eine marineblaue Dreiviertelhose
und blaue Turnschuhe. Andreas' Poloshirt ist dunkelblau. Auch seine Hose
reicht bis auf die Waden. Dazu Flip-Flops. Die Freitagtasche haben sich
beide im Stil der Velokuriere quer über den Torso gehängt. Obwohl jede
Freitagtasche ein Einzelstück ist, sehen diese beiden Taschen sehr ähnlich
aus.
Beratung
Andreas nimmt eine Hose vom Stapel. "Diese hier ist blau." Jonas befühlt
den Stoff und die Form. Hat sie aufgesetzte Taschen? Jonas sucht eine
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schlichte Hose. "Mainstream", wie er sagt. "Ich möchte mit meiner Kleidung
nicht auffallen. Das tue ich schon mit meinem Blindenstock."
Blinde und sehbehinderte Menschen entwickeln ähnliche Strategien, um
mit dem Phänomen Mode umzugehen. Die meisten ziehen
Familienmitglieder und Freunde zu Rate. Dies ist aber nicht immer
problemlos, wie Dayadi Müller in ihrer Masterarbeit an der Zürcher
Hochschule der Künste aufzeigt. Junge Frauen etwa möchten sich vom Stil
ihrer Mütter loslösen. Andreas erzählt, dass es mit seiner Ex-Freundin
schwierig war, Kleider einzukaufen. Sie hatte eine andere Vorstellung
davon, was zu ihm passe, als er.
Für Jonas und Andreas sind Feedbacks von Kollegen besonders wichtig.
Auch wenn sie nicht nur positiv sind. Mit Kollegen, das bestätigen beide,
seien sie viel mutiger als zum Beispiel mit der Mutter und kauften auch mal
was Verrücktes. Und wenn sie gemeinsam ein Konzert besuchen,
beschreibt Andreas, was die Bandmitglieder und Fans tragen.
Die grossen Läden von Kleiderketten sind für viele blinde Menschen ohne
Begleitung nicht zugänglich. Das Personal hat keine Zeit für sie und ist in
der Regel nicht entsprechend ausgebildet. Aus diesem Grund gehen
Menschen mit einer Sehbehinderung oft in teure Markengeschäfte, obwohl
das Budget knapp ist. Allerdings ist es auch hier wichtig, dass ein
Vertrauensverhältnis zum Personal entstehen kann. "Man muss die
Ehrlichkeit der Verkäuferin prüfen", so Jonas. "Am Schluss will sie ja doch
bloss etwas verkaufen."
Eveline Marty von der Boutique Vivace Modes in Luzern sieht dies anders.
"Ich finde Ehrlichkeit im Verkauf grundlegend." Im Zweifelsfall würde sie
lieber nichts verkaufen, so Marty.
Sie bildet auch angehende Verkäufer und Verkäuferinnen aus. Im dritten
Lehrjahr sind Kunden mit speziellen Bedürfnissen Thema. Hier wird der
Umgang mit sehbehinderten Kundinnen kurz behandelt.
Eveline Marty, die seit bald zwanzig Jahren im Geschäft ist, denkt, dass es
auch in grösseren und preiswerten Geschäften ausgebildetes Personal
gebe, das sich Zeit für blinde Kunden nehmen könne. Etwa bei Voegele,
C&A oder Manor bzw. bei Zara und Mango für ein jüngeres Publikum. "Und
wenn die blinde oder sehbehinderte Person vorher anruft und sich
anmeldet, wird sich bestimmt jemand Zeit für sie nehmen", meint Marty.
Stil
Andreas hat Jonas unterdessen andere Modelle gebracht. Er beschreibt
sie geduldig. Mit seiner Lupenbrille sucht Andreas nach dem Preisschild
und den Angaben zur Grösse. Die Vintage-Jeans mit vorfabrizierten
Löchern ist nicht Jonas Stil. Die Hosen mit Camouflage-Aufdruck hat
Andreas gar nicht erst gebracht.
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"Früher waren Marken für mich sehr wichtig", erzählt Jonas. "Ich dachte,
ich könne mich besser orientieren, wenn ich mich auf eine kleinere
Auswahl konzentriere. Ausserdem hoffte ich, darin meinen eigenen Stil zu
finden." Dann räsoniert er weiter: "Ich habe meinen Stil noch nicht
gefunden. Ich muss auf andere hören. Es ist somit deren Stil. Allerdings
fühle ich mich darin wohl. Also ist es auch meiner. Aber: Muss ich
überhaupt einen eigenen Stil haben?"
Jonas wählt drei Modelle aus und lässt sich zur Umkleidekabine führen.
Zwei passen. Er führt sie vor: helles Blau die eine, knalliges Rostrot die
andere Hose. "Die rote Hose wirkt frecher", kommentiert Andreas. Jonas
wählt rot.
Kasten:
In ihrer Masterarbeit "Giuding the senses" an der Zürcher Hochschule der
Künste untersucht Dayadi Müller wie blinde Menschen mit Mode umgehen
und erarbeitet vor dem Gedanken der Gleichstellung Lösungsvorschläge.
Im Rahmen der Arbeit hat sie das Konzept einer auf die Bedürfnisse
blinder und sehbehinderter Menschen ausgerichtete Modewebsite erstellt.
Legende: Jonas Pauchard und Andreas Schroth fotografiert von Naomi Jones
Fokus
Der positivste Ausdruck, den Gleichgültigkeit haben könnte
Michael Fehr wurde im Juni 2013 für seinen Erstling, "Kurz vor der
Erlösung", mit dem mit 10'000 Franken dotierten Literaturpreis des
Kantons Bern ausgezeichnet. Fehr schloss 2012 das Literaturinstitut
in Biel ab. Er ist sehbehindert.
Von Naomi Jones
"Kurz vor der Erlösung" erzählt in 17 Spoken Word Texten, was an
verschiedenen Orten am Heiligen Abend geschieht. Dabei mutet keine der
Geschichten besonders weihnächtlich an. Wir lesen von einem
missmutigen Bauern, der ein Zigeunerpaar in seinem Stall aufscheucht,
von einem Soldaten im Schützengraben und von einer Chirurgin, die einen
Kaiserschnitt macht, um nur ein paar zu nennen. Alle Figuren werden an
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einem bestimmten Punkt der Geschichte von der feierlichen Stimmung des
Moments erfasst.
Klar: Wie arbeitest Du? Ich habe gelesen, dass Du diktierst.
Michael Fehr: Ich arbeite mit einem Programm, das wie ein sehr einfaches
Textverarbeitungsprogramm funktioniert, aber indem ich Teilsätze
aufspreche. Am Schluss habe ich eine playlist von vielleicht 10'000
Dokumenten. Wenn ich an der Feinarbeit bin, muss ich sehr genau wissen,
was ich im Track 887 gesagt habe.
Am Anfang meiner Texte stehen innere Bilder. Darin geht es um
Wahrnehmung von Kraft. Es sind oft Konstellationen von Figuren und
starken Farben. Sie ergeben für mich eine Geschichte, etwa so wie ich mir
klassische Malerei vorstelle.
Klar: Die Weihnachtsgeschichte bildet den Rahmen Deines Buches. Damit setzt Du die
Erlösung in einen metaphysischen Kontext. Also wird sie etwas sehr Grosses. Was ist
die Erlösung aber für Dich?
M. F.: Eigentlich ist es eine Entkrampfung. Sie ist der positivste Ausdruck,
den Gleichgültigkeit haben könnte. Gleichzeitigkeit von wach und in Ruhe
sein. Denn Wachheit, also Aufmerksamkeit ist etwas Aktives, etwas
Neugieriges, das etwas will. Und trotzdem ruhig.
Klar: Sind also das aktive Sein und das etwas Wollen verkrampft?
M. F.: Ja, wir trennen den Willen nicht mehr vom Resultatzwang. Aber der
Wille und das Bestreben sind sehr nötig. Denn ich meine nicht Lethargie
oder Resignation, sondern Gleichgültigkeit gegenüber dem Resultat.
Davon erzählt das Buch.
Wir können solche Situationen erleben. Aber wir können sie nicht machen.
Ich möchte sie aber immer wieder erleben und zwar unbedingt.
Das Problem liegt zwischen dem Willen und dem Zwang zum Resultat.
Und das interessiert mich sehr.
Klar: Hat es etwas damit zu tun, sich dem Schicksal hinzugeben? Den Dingen ihren
Lauf lassen?
M. F.: Ja sehr. Darum behaupte ich, dass ich ein selbstverhinderter
Gläubiger bin. Ich kriege den Moment des sich hingeben nicht zustande.
An wen oder was sollte ich mich hingeben? Wem könnte ich vertrauen?
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Klar: Gab es Situationen, in denen Du gar nicht anders konntest, als Dich
hineinzuschicken?
M. F.: Die gibt es eben und dies ist interessant im Zusammenhang mit der
Behinderung. Ich trage, solange ich denken kann, ein Schuldgefühl im
christlichen Sinn mit mir herum.
Klar: Also ein Schuldgefühl behindert zu sein?
M. F.: Ja, und zwar obwohl ich keinen explizit christlichen Hintergrund
habe. Ich trage einen Umstand mit mir herum, nämlich die Behinderung, für
die es keine Erklärung gibt. Ich habe aber, wie jeder Mensch den Wunsch
nach Erklärung. Offenbar habe ich schon sehr früh, den Kurzschluss auf
Schuld gemacht. Die Behinderung ist ein Mal, ein Brandmal, eine
Zeichnung, was natürlich eine äussere Figur impliziert, die mir das Mal
verpasst hat. Nun könnte man sagen, dass ich sehr unkritisch sehr wohl
gläubig bin. Denn der Gedanke daran, dass dir eine Strafe erteilt wird, ist
automatisch der, dass jemand diese Strafe erteilt. Dies hat dazu geführt,
dass ich sehr lange versucht habe, den Schuldberg ja nicht zu vergrössern.
Gleichzeitig vertraute ich darauf, dass diese Milchbüchleinrechnung korrekt
geführt würde und dass mir auch nichts Weiteres passieren würde, sofern
ich mich regelkonform benähme.
Mit etwa 27 Jahren habe ich plötzlich das Gefühl in meiner rechten
Körperseite verloren. Man fand einen Tumor in der Wirbelsäule, von dem
man ein Jahr lang nicht wusste, ob er gut- oder bösartig sei.
Im Resultat ist alles verhältnismässig gut gegangen. Aber hier ist mir etwas
passiert, obwohl ich die ganze Zeit dachte, dass wenn ich klein und
anständig wäre, mir nichts mehr geschehen würde. Als ich geheilt aus dem
Krankenhaus kam, wusste ich, dass ich Künstler werde. Ich musste
niemandem mehr genügen und ich wusste, dass man unter Umständen
nicht ewig Zeit hat. Das war ein sehr befreiender Anfang. Heute mache ich
die Dinge, weil ich sie will.
Klar: Warst Du da von der Schuld befreit, weil es offenbar keine Milchbüchleinrechnung
gibt?
M. F.: Genau. Das ist für mich ein neuer vorstellbarer Gedanke, der früher
unmöglich und jetzt zeitweise tragend für meine Handlungen ist.
Er macht mich mutig, z.B. meine Behinderung nicht zu beachten. Ich
mache jetzt etwas, weil ich es will, ohne mir zu überlegen, ob ich es kann.
Es sind kleine Dinge. Trotzdem. Es hat damit zu tun, Verantwortung und
Kontrolle abzugeben.
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Klar: Du warst von Geburt an sehbehindert?
M. F.: Ja, ich habe eine juvenile Makuladegeneration. Ich sehe sehr
unscharf. Farben sehr gut. Formen und Bewegungen. Vieles erschliesst
sich mir, indem es sich bewegt, oder indem ich mich im Verhältnis dazu
bewege. Vieles erschliesse ich aus dem Kontext, also indem ich denke.
Das gibt ein Weltbild aus lauter Substituten. Ich habe ein Repertoire von
Gegenständen, an denen ich die mir begegnenden Gegenstände
vergleiche. 15 Versionen Klappstühle. Ist dies auch einer? Das machen
vermutlich alle. Nur bin ich mir dessen sehr bewusst, weil ich es aktiv
machen muss.
Klar: Das erinnert mich an Platons Höhlengleichnis und seine Ideenlehre (Vgl. Kasten).
Welchen Einfluss hat dies aber auf Deine Sprache? Als ich Dein Buch gelesen habe,
habe ich vor mir das blinde Kind am Wasser gesehen, das fragt, was etwas ist. Weil es
den Begriff nicht versteht, fragt es weiter und die Person präzisiert mit einem Synonym,
das das Kind ebenfalls nicht versteht. So geht es weiter. Für mich als sehende Leserin
wurden die Begriffe immer hohler, was mich aber auch faszinierte.
M. F.: Diesen Schluss darfst Du nicht machen. Wird durch das Umkreisen
von etwas und das zunehmende Bewusstsein, dass es gar nicht
benennbar ist, der Begriff entleert oder füllt es ihn mit einer gewissen
Lebendigkeit? Wird etwas nicht gerade erst dadurch lebendig, dass ich
erkenne, dass ich es nicht festhalten kann, dass ich es nicht auf eine
Tatsache bringe, sondern nur auf eine Handlung?
Wir sind nicht in der Lage, Zustände zu erfassen, sondern nur Handlungen.
Wahrnehmung setzt Bewegung voraus, weil sie dadurch
Verhältnismässigkeit erkennt. Und ohne Verhältnis geht es nicht.
Bewegungen aber sind unendlich viele Zustände neben- und miteinander.
Ein Zustand allein ist schlecht wahrnehmbar. Indem ich immer nochmal
neu benenne, geraten ich wie auch das Wesen, dessen was mir
vorschwebt, in Bewegung und wird lebendig.
Der Rest stimmt aber total. Ich komme mir oft blind am Wasser vor und
möchte wissen, was es ist.
Klar: Überträgt sich hier Deine visuelle Wahrnehmung in die Sprache?
M. F.: Vielleicht insofern, als dass ich früh gemerkt habe, dass fast nichts
so ist, wie es scheint bzw. dass es sich im nächsten Moment wieder ändern
kann, selbst wenn es so ist, wie es scheint. Die Auflösung von vermeintlich
Tatsächlichem. Dies ist für andere vermutlich nicht so präsent. Für mich ist
es üblich. Metamorphosen sind für mich Alltag. Es geschieht, dass ich
denke, etwas ist ein Aschenbecher, dann ist es plötzlich ein Hund, der so
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hoch ist wie üblicherweise ein Aschenbecher im Restaurant und so
glänzend und so still und star … Dieses Bewusstsein ist für meine
Weltanschauung prägend und die Metamorphose ist etwas vom
Wichtigsten für meine Kunst.
Klar: Gibt es ein Initialbild für Dein Buch, so wie Du es eingangs beschrieben hast?
M. F.: Ich kann mich nicht daran erinnern. In "Kurz vor der Erlösung" geht
es um Fragen, die mich beschäftigen, seit ich denken kann: Was liegt
zwischen dem Potenzial und dem tatsächlichen Erscheinen eines
erlösenden Ereignisses? Was geschieht zwischen der Möglichkeit von
etwas Lösendem und der Manifestation von etwas Lösendem. Oder ist die
Möglichkeit das Lösende selbst? Gibt es die Verwirklichung von etwas
Lösendem, oder ist die Verwirklichung, also das Eintreten der Tatsache,
dass es erlöst, eine Bindung?
Der Eintritt der Erlösung ist möglicherweise eine gewisse Wahrheit. Wenn
es eine gewisse Wahrheit ist, ist es möglicherweise gebunden, an sich
selbst gebunden, indem es nicht mehr bestreitbar ist.
Währendem eine Möglichkeit das Wagen eines Kipp-Moments mit sich
trägt. Vielleicht liegt das Lösende in diesem Kipp-Moment, weil hier noch
Bewegung möglich ist. Liegt das Erlösende also in der Schwebe oder kann
es als Zustand eintreten? Aber ist es nicht eben dann gebunden ergo nicht
mehr löslich?
In unserer Tradition ist das Evangelium die Metapher für diese Frage. Im
Zusammenhang mit den Juden kann man sich aber fragen, ob der Erlöser
schon gekommen ist oder ob wir nicht immer noch warten. Es gibt also
eine Tradition, die den Eintritt der Erlösung verneint. Indem sie dies tut, hält
sie die Erlösungsfrage in der Schwebe. Ist nicht vielleicht gerade dies die
Erlösung, dass die Erlösung global betrachtet in der Schwebe bleibt?
In unserer Tradition steht die Weihnachtsgeschichte für etwas, das mich
beschäftigt. In einer andern Tradition hätte ich eine andere Geschichte als
Hintergrund des Buches gewählt. Das Wesen des Werkes wäre aber
dasselbe.
Klar: Eine Kritikerin schreibt, die Sätze oder Kapitel könnten in beliebiger Reihenfolge
stehen. Ich bin nicht dieser Meinung.
M. F.: Nein. Das Buch erzählt eine Geschichte. Die passiert so. Sie beginnt
mit Josef und Maria, die noch nicht so heissen, und hört beinahe dort
wieder auf.
Anderseits kann die Reihenfolge, nachdem die Geschichte bekannt ist, in
Bewegung geraten. Denn das Buch hört eigentlich nicht auf. Es wirkt
anders, wenn man es ein zweites und ein drittes Mal liest.
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Klar: Gibt es einen wichtigsten Satz, einen Kern?
M. F.: Dies ist eine Frage des Gesichtspunktes. Unter dem Gesichtspunkt
der Auseinandersetzung mit Existenz überhaupt ist es die Geschichte des
Soldates, weil dort jemand stirbt. Dort geschieht die einzige tatsächliche
Erlösung, auch wenn es nur die von der Leiblichkeit ist. Alle andern Sätze
dienen dann nur diesem zu.
Wenn man das Buch unter einem politisch engagierten Kontext liest, sind
der König und der Fusssoldat die wichtigsten Sätze. Sie sprechen von
Hierarchie, Ausnutzung, Macht, Missbrauch. Dort ist eine Anbindung an
eine heutige politische Realität.
Im Hinblick auf das Phänomen der Wahrnehmung von Schein und Sein ist
der fünfte Satz der wichtigste, der scheinbare Fischer und wirkliche Säufer.
Ich arbeite im ganzen Buch mit diesem Phänomen. Aber hier benenne ich
es sogar im Titel. Man könnte den Titel dieses Satzes auch umkehren. Der
scheinbare Säufer und wirkliche Fischer. Er benimmt sich so wie ein
Fischer. Nur ist nichts am Hacken. Etwas sieht so aus, aber ist es nicht
vielleicht doch eher so? Es geht vom Schein zu einem andern Schein zu
einem andern Schein zu einem andern… Ohne den Schein zu einer
Realität zu vergewaltigen.
Das Buch will Dich da berühren, wo Du jetzt denkst und fühlst. Und das
Buch nimmt seine Lesenden sehr ernst und für mündig. Es nimmt Dich
nicht in Spannung gefangen und führt Dich nicht hinters Licht. Es möchte,
dass Du Freude am Denken hast.
Kasten
Michael Fehr: Kurz vor der Erlösung. Siebzehn Sätze
Erschienen bei: Der gesunde Menschenversand, 2013. ISBN 978-3905825-51-0
www.menschenversand.ch
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
Der Verlag "Der gesunde Menschenversand" ist spezialisiert auf Spoken
Poetry und publiziert vor allem CDs
Höhlengleichnis:
Im Höhlengleichnis beschreibt der Philosoph Platon eine Gruppe von
Gefangenen, die ihr ganzes Leben in einer Höhle verbracht haben. An
einer Wand der Höhle sehen die Gefangenen Schatten von Menschen und
Gegenständen ausserhalb der Höhle. Weil sie gefesselt sind, können sie
den Ursprung der Schatten nicht sehen und halten diese für reale Wesen.
Platon illustriert mit dem Gleichnis seine Ideenlehre. Wie die Schatten in
der Höhle bloss Abbild von anderen Gegenständen sind, sind nach Platon
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alle sinnlich wahrnehmbaren Dinge bloss Abbild von unveränderlichen
Ideen oder Urbildern. Diese Ideen sind nach Platon Voraussetzung für die
Existenz der sinnlich wahrnehmbaren Dinge, können jedoch selbst nur mit
der Vernunft nicht aber mit sinnlicher Wahrnehmung erfasst werden.
Legende: Michael Fehr fotografiert von Alozija Arambasic
Fünfter Satz - Der scheinbare Fischer und wirkliche Säufer
Auszug aus dem Spoken Skript "Kurz vor der Erlösung" von Michael Fehr.
Und zur gleichen Zeit
am flotten
also freundlichen und friedlichen und munteren und
eiligen Strome
dessen Ränder dick und prall zugefroren waren
den oben zugefrorenen Rändern nach ging unten dem Grund nach sehr
fein und sehr sanft die Widerströmung
die über Kies
also feine Steinlein
und über Schutt
also gröbere Steine
und über Kempen
also grobe Steine
sanft ein wenig ripste
also darüberschmirgelte
und ein wenig im Kies wühlte und diesen ein wenig
aufwühlte und aufwirbelte
wobei die Steinlein aneinander und an den gröberen
Steinen ripsten
also rieben und ziemlich knirschten
aber die Akustik war wegen des marginalen Eisdeckels gegen sonst
ziemlich anders
und zwar versetzte dieser eisige Deckel dem Knirschen
welches friedlich vom Grund her kam
freundlich einen Dämpfer und repressierte es
unterdrückte es also und hielt es also nieder
und knirschte derweilen selber und lauter
seinerseits unter dem Druck der Strömung
welche stark war
und deckte so den Ton
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welchen unten die Steinlein wegen der Widerströmung beim Reiben
abgaben
zu
und so verlor die Widerströmung vor lauter Sanftmut
den Mut
verlor also den einenweg
also ohnehin
schwachen Widerwillen und verlor den eigenen Widerweg
gab also auf
gab also nach
gab also ab
liess also nach
kam unter dem Eis hervor
war nunmehr gewillt
den allgemeinen Weg der Strömung einzuschlagen
strebte darum nach der Mitte des Stromes und scherte ein in die Strömung
verlor sich in der flotten Strömung
gab sich auf
gab sich ab
gab sich hin
liess sich gehen
machte freundlich mit
ging friedlich mit
hielt eilig mit
war strömungskonform
bekam aber dann wieder einen Widerwillen
wenngleich einen sanftmütigen
gutmütigen
schwachen
bekam Mut
doch nicht weiter mitzumachen
doch nicht weiter mitzugehen
drängte schwach gegen aussen
gegen die Ränder hin
scherte aus der Strömung aus
drängte guten Mutes unter das Eis
um wieder zu widerstreben und dagegenzuhalten
und wieder als Widerströmung gegen die Strömung
anzukommen
und kam auch an und war wieder ein wenig nonkonform
die Nacht war indessen wirklich ganz und gar konform und recht hell
also eintönig und recht einhellig marineblau
und der Mond war wirklich ganz und gar blassgolden und riesengross und
voll
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und der Strom war breit und war wie der stille
Nachthimmel marineblau
da am Himmel oben war kein Stern
es war also kahl und also karg marineblau da oben bis auf den einsamen
blossen
also baren
also nackten
also blanken
vollen
also völligen
also fülligen
also bauchigen
also dicken und prallen
also riesigen
müden
also faden
also faulen
also matten
also blassen
also bleichen
also weissgoldenen Mond
die Sterne waren aber scheinbar da herabgefallen auf den Strom und
gaukelten und schaukelten und glitzerten und funkelten glänzig
weissgolden
auf den gleitigen
also eilig dahingleitenden
weichen
marineblauen Wellen
scheinbar waren die Sterne auf den Strom herabgefallen
aber in den Strom hinein waren sie nicht gefallen
versunken waren sie also nicht
darum war im Strom kein Licht
kein Marineblau und kein Gold
nicht in der Mitte
wo die starke Strömung war
nicht am Rande unter dem Eise
da war darum Tiefschwarz
und in solchem Schwarz wirbelte einmal hinauf und
einmal hinab und wühlte manchmal am Grund in Steinlein und ripste über
Steine ein einsamer
schwerer Haken ohne nichts
welcher an einer Schnur hing
die wiederum durch Tiefschwarz hinaufstieg und dann wieder in die
marineblaue Nacht heraufkam
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und da
in solch blauer Nacht
am Strome
auf dem marineblauen Eisdeckel
eine Fellmütze auf dem Kopf
an der sich hinten ein Teil herunterklappen liess
so dass er weit herabkam und warm wie Flaum die Ohren zudeckte
in einer dicken
wattierten
weichen Jacke
in gehörigen
also schweren
gefütterten Stiefeln
in anthrazitgrauer Wollhose
in einer Hand die lange Rute
deren dicken hinteren Teil unter die Achsel geklemmt
in der anderen Hand ein Metallfläschlein
silbern mit Schraubverschluss
dessen Deckel an einem Kettlein an ihm hinunterhing und dessen Loch am
Hals dem am Maul hing
welchem beide Hände gehörten
dem wegen des Eises sonderbar gedämpften und
unterdrückten Ton des Stromes lauschend und
hindurchdringend aus der fernen Stadt
gleich viel die zarten
hohen als die brachialen
tiefen Glocken der groben Kathedrale anschlagen hörend
unentwegt schnürfelnd
also die kardinalsrote Nase hochziehend
die marinebläulich war im Dunkeln
insgesamt also violett schien
welche jedoch niemand sah
da nah niemand um den Weg
also niemand zugegen war
das kalte Gesöff
welches wohlig heiss machte
im Ranzen
also im Bauch ankommen spürend
der flotte
also freundliche und friedliche und gemütliche scheinbare
Fischer und wirkliche Säufer
hob
in Betrachtungen der eisigen Strömung und des
knirschenden Eises unter seinen Stiefeln versunken
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und von der Hitze
die ihn alle Schlucke durchströmte
angeschlagen
die angeschlagene
raue Singstimme in die Nacht und melodierte und
modulierte
Halleluja
Halleluja
Leben mit einer Sehbehinderung
Die Apfelschule
Wie Smartphones und Tablets unsere Selbständigkeit erhöhen
Von Urs Kaiser
Hören, was das Auge nicht sehen kann
Die Sehbehinderung ist in erster Linie eine Informationsbehinderung.
Durch das fehlende oder eingeschränkte Sehvermögen sind uns blinden
und sehbehinderten Menschen viele Informationen nicht oder nur mittelbar
zugänglich. Das gilt nicht bloss für das geschriebene Wort, sondern auch
für Informationen aus unserer Umgebung. Und genau da leisten die
Smartphones und Tablets für uns unverzichtbare Dienste. Sie vermitteln
uns den direkten und selbständigen Zugang zu einer Fülle von
Informationen. Sie machen uns diese Informationen durch Vergrösserung
oder Umwandlung in Sprache oder Blindenschrift zugänglich.
Die Vorreiterrolle von Apple
Lange Zeit galten Touchscreens (berührungsempfindliche Bildschirme) für
blinde Menschen als unüberbrückbare Barrieren: Blinde Personen können
logischerweise nicht sehen, wo sie tippen müssen, um eine bestimmte
Aktion auszulösen. Die Firma Apple hat jedoch eine Pionierleistung
erbracht und mit „VoiceOver“ eine Lösung entwickelt, die auch blinden und
stark sehbehinderten Personen die autonome Bedienung und Nutzung von
iPhone und Co ermöglicht. Das Prinzip ist einfach. Ist VoiceOver
eingeschaltet, sagt eine Stimme der blinden Person, welches Element der
tastende Finger gerade berührt. Zum Aktivieren des Elements muss
doppelt getippt werden. Um die Lese- und Steuerungsmöglichkeiten von
VoiceOver voll auszuschöpfen, müssen rund 30 Gesten gelernt werden.
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Eine grosse Erleichterung der Bedienung haben zudem die sprachgeführte
Assistentin Siri und die Diktierfunktion gebracht. Eine weitere
Pionierleistung hat Apple damit geleistet, dass die Bedienungshilfen, wie
VoiceOver, standardmässig in das Betriebssystem integriert sind und somit
beim Kauf eines Apple-Produkts sofort aktiviert und genutzt werden
können.
Vielfältiger praktischer Nutzen
Wie führt jemand, der nichts sieht, seine Agenda? Wie macht man Notizen,
die man später wieder lesen will? Und wie schreibt eine blinde Person eine
SMS?- Der grosse Vorteil der Smartphones liegt in ihrer vielfältigen
Verwendbarkeit. Eine Telefonnummer nachschlagen, einen Termin
eintragen, den Wecker stellen, eine Zugverbindung heraussuchen, ein
Billett kaufen, die Tageszeitung oder ein Buch lesen, Radio hören oder
Fernsehen – das alles und noch viel mehr ist dank der sprachgeführten
Bedienung auch einer blinden Person möglich. Mit der eingebauten
Kamera lassen sich Texte und Gegenstände fotografieren und
interpretieren. Der eingebaute GPS-Empfänger ermöglicht die
Positionsbestimmung und die Navigation. Spezielle Apps ermöglichen eine
Lupenfunktion, die Lichtmessung und die Farberkennung.
Gute Kenntnisse erhöhen den Nutzen
Für gut sehende Leute zeichnen sich die neuen Geräte dadurch aus, dass
sie weitgehend intuitiv bedient werden können. Für blinde User ist es nicht
ganz so einfach. Wir müssen uns den Überblick schrittweise und mit
System verschaffen. Entsprechend dauert es länger, bis wir mit dem
Bildschirm und seinen Elementen vertraut sind. Eine gute Einführung mit
einer Schritt-für-Schritt-Anleitung und nützlichen Hinweisen auf allerlei
Kniffs und Tricks ist daher von grossem Vorteil.
Betroffene helfen Betroffenen
Grundsätzlich ist es möglich, sich das für die Bedienung eines iPhones
oder iPads erforderliche Wissen selber anzueignen. Der Austausch mit
andern blinden und sehbehinderten Usern ist aber sehr hilfreich. Vor
diesem Hintergrund ist vor einem Jahr die Apfelschule entstanden. Sie ist
ein Netzwerk von blinden und sehbehinderten Apple-Usern, die sich
gegenseitig bei der Bedienung ihrer Geräte helfen. Das Internetportal
www.apfelschule.ch dient dabei als Plattform, wo begeisterte Anwender
und Anwenderinnen ihre Kenntnisse weiter geben.
Kasten
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Auf www.apfelschule.ch befinden sich die Daten für Schnupper-, Basisund Aufbaukurse in Bern und Zürich, diverse Anleitungen, eine Helpline
und vieles mehr.
Die Apfelschule wird vom Schweizerischen Blinden- und
Sehbehindertenverband (SBV) unterstützt.
Urs Kaiser, selbst blind und begeisterter Anwender der Appleprodukte, ist
Gründer der Apfelschule.
Ein offenes Ohr
In der Sozialberatung einer Beratungsstelle für Sehbehinderte sucht
die Sozialarbeiterin zusammen mit der betroffenen Person nach
individuellen Strategien das Leben mit einer Sehbehinderung zu
bewältigen.
Von Beatrice Acuña
Heute kommt Frau E. zu mir zum Beratungsgespräch. Ich lege eine kleine
Auswahl gebräuchlicher Hilfsmittel bereit: Wecker mit grossen Ziffern,
sprechende Uhr, Schreibhilfen, elektronisches Gerät zum Lesen von
Hörbüchern und für Sprachnotizen, faltbarer weisser Stock. Zudem habe
ich Informationen über Kurse, Aktivitäten und Mitgliedschaft beim
Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV)
zusammengestellt. Am Telefon hat Frau E. zum Ausdruck gebracht, dass
sie jetzt bereit ist, Hilfsmittel und Kursangebote kennen zu lernen.
Raum für Gespräche
In Krisensituationen sind Denken, Erleben und Handeln von belastenden
Gefühlen bestimmt. Kreisende Gedanken engen ein. Eigene Fähigkeiten,
Handlungsmöglichkeiten und Potentiale können nicht erkannt werden. Im
Beratungsgespräch der Sozialberatung ist es daher wichtig, dass
Menschen mit einer Sehbehinderung ein offenes Ohr für ihre Themen
finden.
Frau E. kam vor zwei Monaten zum Erstgespräch in unsere
Beratungsstelle. Der Augenarzt hatte sie an uns verwiesen, um in einer
Low Vision-Abklärung prüfen zu lassen, wie ihr vorhandenes Sehvermögen
optimal genutzt werden könnte. Frau E. setzte grosse Hoffnungen in diese
Abklärung und war sehr enttäuscht zu erfahren, dass ihre Lesefähigkeit
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sich kaum verbessern liesse. Im Anschluss an die Abklärung fand das
Gespräch mit mir als Sozialarbeiterin statt.
Frau E. zeigte in diesem ersten Gespräch kein Interesse an Hilfsmitteln,
gutgemeinten Tipps oder sehbehinderungsspezifischen Techniken. Sie war
sehr von ihren Gefühlen in Beschlag genommen. Als ich sie fragte, wie sie
sich fühle, brach es geradewegs aus ihr heraus: Man könne nichts mehr
machen, die Augenerkrankung sei nicht heilbar. Sie wisse nicht, wie es
weitergehen solle. Lesen könne sie nicht mehr und ihre Hobbies könne sie
nicht mehr ausüben. Frau E. sprach über Gefühle von Wut und Trauer. Sie
äusserte ihre Befürchtungen und Ängste.
Belastende Gefühle brauchen ein Ventil. In der Beratungsstelle als
neutralem Ort ist möglich, was im Kreis der Angehörigen oft keinen Platz
hat. Denn die Angehörigen sind meist ebenfalls von der Situation sehr
belastet. Deshalb bemüht sich die sehbehinderte Person, tapfer zu sein
und den eigenen Schmerz unter Verschluss zu halten.
Neue Sichtweisen
Eine Sehbehinderung hat einschneidende Auswirkungen im Alltag und es
ist notwendig, andere Schwerpunkte zu setzen, Sichtweisen zu verändern
und neue Techniken zu erlernen.
Fensterscheiben sauber zu putzen, ist für Menschen mit einer
Sehbehinderung zwar meist ein erfolgloses Unterfangen. Mit der
Hilflosenentschädigung, die ihnen zusteht, können sie jedoch eine Putzfrau
anstellen. Deshalb ist eine sehbehinderte Frau keine schlechte Hausfrau,
sondern eine gute Managerin.
Um zu einer solch selbstbewussten Haltung zu gelangen, braucht es Zeit
für den Prozess der Trauer bevor eine Öffnung für Neues möglich ist. Es
gehört in den Beratungsstellen für sehbehinderte Menschen zu den
Aufgaben der Sozialberatenden, betroffene Personen in diesem Prozess
zu begleiten.
Nachdem Frau E. den ersten Schock überwunden hat, ist sie interessiert,
mehr über Hilfsmittel, Techniken und Freizeitmöglichkeiten zu erfahren. Ich
habe eine ganze Menge, die ich ihr heute zeigen kann.
Kasten
Beatrice Acuña ist Sozialarbeiterin und Leiterin der Beratungsstelle für
Sehbehinderte des Schweizerischen Blinden- und
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Sehbehindertenverbandes (SBV) in Zürich. Sie ist hochgradig
sehbehindert.
Ferien und Reisen
Immer mehr Reiseanbieter berücksichtigen die Bedürfnisse blinder
und sehbehinderter Menschen beim Entdecken einer fremden Kultur.
Zusammengestellt von Naomi Jones
Das deutsche Paar Gabriele Tiedtke und Andreas Schneider verfügt nach
eigenen Angaben über einen beruflichen Hintergrund im
Gesundheitswesen. Sie organisieren Individual- oder Gruppenreisen auf
den Britischen Inseln, die allen Menschen zugänglich sind, etwa den Trip
zum Weihnachtsmarkt in Edinburgh vom 29. November bis am 23.
Dezember.
www.schottland-fuer-alle.com
Die beiden Walliser Andrea Schild und Berno Z’Brun bieten in Russland
Gruppenreisen für sechs bis acht Personen an, die sich auch für blinde und
sehbehinderte Menschen eignen. Andrea Schild hat russische Literatur
studiert, Berno Z'Brun hat lange in Russland gearbeitet. Die nächste Reise
führt in den russischen Frühling und dauert vom 3. bis 11. Mai 2014.
www.russlandreisen.ch
In Italien führen die österreichische Kunsthistorikerin Martina Stromberger
und der Biologe Andreas Sax das Landgut L'Ariete mit Ferienapartments
und Restaurant. Sie bieten kulturelle Ausflüge für blinde und sehbehinderte
Menschen in die Renaissance-Städte der Umgebung sowie geführte
Wanderungen in Umbrien an.
www.lariete.org
Die Zugänglichkeitsberaterin Anastasia Kalou bietet multisensorielle
Aktivitäten für Menschen, die Griechenland mit allen Sinnen erfahren
wollen. Vom 31.Oktober bis am 3. November führt Kalou eine Gruppe
durch Athen. Auf dem Programm stehen das Tactual Museum of Greece,
griechische Instrumente und der Besuch einer Töpferei.
www.accessgreece.com
Das Resort Edelweiss in Sri Lanka wurde von den Bündner
Pflegefachleuten Monika und Armin Koch aufgebaut, die sich vor Ort für
Waisenkinder und andere soziale Projekte engagieren. Für sehbehinderte
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und blinde Menschen bieten die Kochs zwei bis drei begleitete Reisen pro
Jahr ab der Schweiz an. Die nächste Reise findet Mitte November statt.
Eine weitere Reise ist im Frühling 2014 geplant. Monika Koch ist selbst
sehbehindert und kennt die Bedürfnisse sehbehinderter Menschen
bestens.
www.resortedelweiss.ch
Das Haus Baan Sanploen bietet behinderten Menschen, die auf Pflege
oder Unterstützung angewiesen sind, Ferien in Thailand mit einer Eins-zueins-Betreuung an. Der Gastgeber und Reisebegleiter Pascal Frei ist
ausgebildeter Fachmann Betreuung. Er holt seine Gäste auf Wunsch
bereits am Flughafen Zürich oder zuhause ab und bringt sie wieder zurück.
www.baan.sanploen.ch
Kasten
Die Zusammenstellung ist unvollständig und bezieht sich, ohne Gewähr,
auf die Angaben der Anbieter. Sie befindet sich ausserdem auf der Website
des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes www.sbvfsa.ch in der Rubrik Pinnwand.
Leserbrief
Der Korbflechter und sein Assistent
Ich bin blind und arbeite als Juristin in einer Anwaltskanzlei, wo ich die
Fälle, die mit dem Assistenzbeitrag zu tun haben, betreue.
Leider sieht es in der Praxis nicht so rosig aus, wie es in Ihrem Artikel rüber
kommt. Ich kenne sehbehinderte Menschen, die am Pilotprojekt
teilgenommen haben und keinen Assistenzbeitrag mehr erhalten. Ich
kenne auch Menschen, die auf Grund des administrativen Mehraufwandes
aufgeben mussten, nicht zuletzt deshalb, weil dieser von der
Invalidenversicherung (IV) bei der Bedarfsermittlung nicht genügend
berücksichtigt wird. Ich kenne Menschen, die aufgeben mussten, weil die
IV Wartezeiten der Arbeitnehmer nicht berücksichtigt. Nun ist es aber so,
dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für Wartezeiten entschädigen
muss, ob das die IV bei ihrer Bedarfsermittlung anerkennt oder nicht. Mit
"aufgeben" meine ich, dass diese Menschen entweder zurück ins Heim
müssen oder neu Ergänzungsleistungen beantragen mussten, was ein
administrativer Mehraufwand bedeutet.
Der Stundenansatz von CHF 32.80 ist sehr niedrig gehalten, denn es
handelt sich dabei um das Arbeitgeberbrutto inkl. Ferienentschädigung von
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8.2%. Es ist auf dem heutigen Arbeitsmarkt üblich, eine
Krankentaggeldversicherung für den Arbeitnehmer abzuschliessen, auch
wenn es im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Diesen Umstand
berücksichtigt die IV nicht.
So kenne ich schwerst behinderte Menschen, die mit diesem niedrigen
Stundenansatz keine geeigneten Assistenzpersonen finden können, vor
allem nicht im Raum Zürich.
Der Assistenzbeitrag könnte eine gute Sache sein, aber in der Praxis fallen
zu viele Menschen mit einer Behinderung durch die Maschen und die
heutige Bedarfsabklärung, ausgearbeitet durch das Bundesamt für
Sozialversicherung (BSV), ist zu wenig praxisnah.
Irene Rohrbach-Gut
News
UNO-Behindertenkonvention
Der Nationalrat hat am 21. Juni 2013 der Ratifizierung der UNOBehindertenkonvention durch die Schweiz mit 119 zu 68 Stimmen bei 4
Enthaltungen klar zugestimmt. Ein Rückweisungsantrag von SVPNationalrat Toni Bortoluzzi wurde verworfen. Nun geht das Dossier in die
Kommission des Ständerates.
Die UNO-Behindertenkonvention wird die nationale Gesetzgebung mit dem
Diskriminierungsverbot und dem Behindertengleichstellungsgesetz sinnvoll
ergänzen. Sie wird dazu beitragen, das bestehende Behindertenrecht zu
präzisieren, Lücken zu schliessen und dessen Umsetzung zu
beschleunigen. Seit 2008 ist die UNO-Behindertenkonvention in Kraft und
wurde mittlerweile von 131 Staaten unterzeichnet. Mit einer Ratifizierung
der Konvention bekennt sich die Schweiz zur Gleichstellung von Personen
mit einer Behinderung.
Die Behindertenorganisationen und damit auch der Schweizerische
Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) begrüssen den Entscheid des
Nationalrates. OS
IVG-Revision 6b: Vorlage im Parlament gescheitert
Die zweite Tranche der 6. Revision der Invalidenversicherung (IV) ist am
19. Juni 2013 im Parlament definitiv gescheitert (110 zu 72 Stimmen).
National- und Ständerat fanden auch in der Einigungskonferenz keinen
gemeinsamen Nenner. Die strittigen Punkte waren die Höhe des IV-Grades
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einer ganzen Rente sowie ein Interventionsmechanismus bei erneuter
Verschuldung der Versicherung. Die Behindertenorganisationen haben sich
von Beginn weg gegen die Sparmassnahmen der Vorlage gewehrt und sind
erleichtert, dass kein Referendum ergriffen werden muss. OS
Hindernisfreier Verkehrsraum
Öffentliche Bauten und Anlagen müssen seit dem Inkrafttreten des
Behindertengleichstellungsgesetzes für Personen mit einer Behinderung
hindernisfrei erstellt werden. Während im Hochbau bereits längere Zeit
eine entsprechende Norm (SIA 500) das behindertengerechte Bauen
reglementiert, besteht im Tiefbau eine sogenannte Normierungslücke. Nun
ist ein Normenentwurf (SN 640 075) für einen hindernisfreien
Verkehrsraum in der Vernehmlassung.
Die Norm für den hindernisfreien Verkehrsraum tritt voraussichtlich 2014 in
Kraft. Sie enthält klare Anforderungen an die höhere Barrierefreiheit im
öffentlichen Raum. Sie stellt sicher, dass Verkehrsanlagen nach
standardisierten Grundsätzen im Sinne des
Behindertengleichstellungsgesetzes für Personen mit einer Behinderung
zugänglich sind. CL
Hinweise
Hilfsmittelworkshops
Die Firmen Tools4theblind und Invasupport führen in Winterthur am 2., in
Basel am 16. und in Bern am 30. November je eine Hilfsmittelausstellung
mit Workshops durch. An den Ausstellungen werden unter anderem
Braillezeilen und Vorleseprogramme, ein Laser-Langstock, ein sprechender
Videorecorder und andere Hilfsmittel gezeigt. Da die Teilnehmerzahl
begrenzt ist, bitten die Organisatoren um Anmeldung bis am 23. Oktober
2013. Für die Workshops verlangen sie einen Unkostenbeitrag von 20
Franken.
Anmeldung und Information: Tools4theblind GmbH, 052 222 1199,
[email protected], oder Invasupport, 044 317 9014,
[email protected]
Führungen für Blinde und Sehbehinderte im Kunstmuseum Basel
Blinde und Sehbehinderte sollen an einem kulturellen Grossereignis wie
der Ausstellung Piet Mondrian - Barnett Newman - Dan Flavin teilnehmen
können. Da man die wertvollen Gemälde nicht einfach berühren darf,
braucht es eine Übersetzungsarbeit. Mal geschieht dies durch detailliertes
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Beschreiben der Werke, mal über den haptischen Impuls einer
Nachbildung, mal über eine eingehende Beschäftigung mit der Biografie
des Künstlers, mal nimmt der Guide die Haltung oder Position von im
Kunstwerk dargestellten Figuren ein.
Die Führungen werden vom Kunsthistoriker Christian Jamin durchgeführt,
der bereits viel Erfahrung mit den besonderen Bedürfnissen eines blinden
und sehbehinderten Kunstpublikums hat. Die Führungen werden für
Gruppen von maximal zehn Personen durchgeführt. Information und
Terminvereinbarung: Christian Jamin: 061 206 63 00,
www.kunstmuseumbasel.ch
Tagung: Studieren ohne Barrieren am 17. Oktober
Am 17. Oktober 2013 findet an der Uni Basel die Tagung "Studieren ohne
Barrieren - Menschen mit Behinderungen an Schweizer Hochschulen"
statt. Vertreter und Vertreterinnen der Universität, von
Gleichstellungsstellen und Behindertenorganisationen sowie von einer
Behinderung betroffene Studierende diskutieren darüber, was Menschen
mit einer Behinderung benötigen, um am Studienbetrieb teilhaben zu
können und welche Unterstützung die Dozierenden im Umgang mit
behinderten Studierenden brauchen. Sämtliche Referate werden im
Anschluss der Tagung auf die Website der Universität Basel geschaltet:
www.stob.unibas.ch
E-Books bei der SBS
Sehbehinderte und blinde Personen können bei der SBS neu E-Books
ausleihen und kaufen. Unter online.sbs.ch stehen aktuell über 700 E-Books
zum Download bereit. Bei E-Books lassen sich Schriftgrössen, Schriftart
und Kontraste je nach Bedürfnis am Bildschirm des Readers einstellen.
Zudem kann der Text mit einer synthetischen Stimme abgespielt werden.
Die E-Books der SBS können auf Computern, Tablets und Smart-Phones
gelesen werden, die mit einem Daisy 3-Abspielprogramm ausgestattet
sind. www.sbs.ch Menu Online-Bibliothek.
Innovation dank Studierenden
Der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen (SZB) unterstützt
Masterarbeiten, die Ideen entwickeln, wie sich die Lebensqualität von
sehbehinderten und taubblinden Menschen verbessern lässt. Bis Ende
November dieses Jahres können sich Studierende von Schweizer
Fachhochschulen und Universitäten, beim SZB um finanzielle
Unterstützung ihrer Masterarbeit bewerben, wenn sie eine Arbeit mit
entsprechendem Inhalt planen.
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Inserate
DAB+-Radio
für seheingeschränkte Menschen
Der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen SZB bietet
erstmals ein von ihm mitentwickeltes Digitalradio an, das dank
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Sprachführung auch von seheingeschränkten Menschen problemlos
bedient werden kann.
Mit seinen fühlbaren Bedientasten sowie einem einrastenden Drehrad für
die Senderwahl ist das neue DAB+- Radiogerät Noxon Journaline von
Terratec sehr einfach zu bedienen. Zudem zeigt das Gerät die einzelnen
Sender mittels Sprachwiedergabe akustisch an, was die Orientierung
erleichtert. Es kann zusätzlich sogar als Funkwecker genutzt werden. Zu
jeden Gerät wird eine Audio-Bedienungsanleitung auf CD mit geliefert. Sie
erklärt Schritt für Schritt die Inbetriebnahme und Funktionalitäten. Das
Gerät ist in den Sprachversionen Deutsch, Französisch oder Italienisch
erhältlich.
Bestellen Sie das interaktive DAB-Radio noch heute zum Vorzugspreis von
CHF 149.– anstatt CHF 169.–
(Aktion gültig bis 30.9.2013) über unseren Webshop www.szb.ch/shop,
telefonisch 062 888 28 70 oder per E-Mail an [email protected].
Schweizerischer Zentralverein
für das Blindenwesen SZB
Hilfsmittel
Niederlenzer Kirchweg 1
CH-5600 Lenzburg
Eine Lehrstelle bei der Stadt Bern
Direktion für Bildung, Soziales und Sport
Bei der Direktion für Bildung, Soziales und Sport steht der Mensch im
Zentrum.
Per August 2014 bieten wir einem/einer motivierten Jugendlichen eine
Lehrstelle
als
Kauffrau / Kaufmann (B-Profil)
Ihre Aufgaben: Während der interessanten Berufsausbildung lernen Sie
verschiedene Abteilungen kennen. Es erwartet Sie eine praxisnahe
Ausbildung mit spannenden und vielseitigen Tätigkeiten.
Ihr Profil: Sie haben einen Sekundarschulabschluss oder verfügen über
einen Realschulabschluss mit einem 10. Schuljahr.
Sie sind eine kontaktfreudige, zuverlässige und engagierte Person und
arbeiten gerne im Team.
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Interessiert? Wir ermuntern insbesondere Jugendliche mit einer
Sehbehinderung, sich zu bewerben. Bitte senden Sie uns Ihre vollständige
Bewerbung mit einem Foto bis am 19. Oktober 2013 an:
Direktion für Bildung, Soziales und Sport
Herr Christian Lüthi, Berufsbildner
Predigergasse 5 / Postfach 275
3000 Bern 7
[email protected]
Tel. 031 321 68 81
www.bern.ch
Ihre scharfe Begleitung unterwegs!
Die portablen Bildschirmlesegeräte mit hoher Auflösung von Optelec
Die Compact Familie ist komplett! Neben dem Compact 5 HD und dem
Compact 7 HD ist nun auch das Compact 4 HD erhältlich.
Mit der hochauflösenden Kamera erhalten Sie ein portables
Bildschirmlesegerät mit einem grossen stufenlosen Vergrösserungsbereich
von 1.5x bis 24x auf Bildschirmgrössen von 10, 13 oder 18 cm (Diagonale).
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Luzern
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 Vergrösserungssoftware
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Unser umfassender Service von a bis z:
 kompetente Bedarfsabklärung und Beratung für berufliche und
private Arbeitsplatzlösungen
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 Lieferung, Installation und Schulung vor Ort
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st. gallen, rosenbergstr. 87
fon: 071 277 44 11
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fon: 032 725 32 25
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Elektronische Grossflächenlupe mit High Definition-Bildqualität. Durch die
leichte und handliche Bauweise eignet sich das System besonders für den
privaten Bereich und im Haushalt. Das Gerät lässt sich einfach
zusammenklappen und in der mitgelieferten Tasche transportieren.
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Sattelgasse 4 • 4051 Basel • Tel. 061 261 58 72 • [email protected] •
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des Herstellers
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Reparaturservice
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Design zu einem fairen Preis
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Schlafen, geniessen, erleben im Hotel-Restaurant Solsana in
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Tel: +41 (0) 33 748 94 94 / [email protected] | www.solsana.ch
Impressum
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"Klar", das Schweizer Magazin zum Thema Sehbehinderung. Nr. 3, Herbst
2013. 1. Jahrgang. Die Zeitschrift erscheint viermal im Jahr in Grossdruck
(ISSN 2296-1976), Braille Vollschrift (ISSN 2296-1968), Braille Kurzschrift
(ISSN 2296-2034), als DAISY-CD (2296-195X) und unter dem Titel "Clin
d'oeil" auf Französisch.
Redaktion: Naomi Jones (Chefredaktorin), Jean-Marc Meyrat (stv.
Chefredaktor)
Autoren: Jeroen von Rooijen (Bildlegenden), Beatrice Acuña, Urs Kaiser,
Olivier Schmid (OS), Christoph Landtwing (CL).
Musik: Jean-Yves Poupin, Epicycle und Achille (zum Thema)
Gestaltungskonzept und Bildredaktion: Mettler, Mettler + Mettler GmbH
Kontakt: [email protected], 031 390 88 00
Herausgeber: Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband
Gutenbergstrasse 40 b/ PF 8222
3001 Bern
031 390 88 00
www.sbv-fsa.ch
Leiter Informationsdienst: Jean-Marc Meyrat
Projektleitung "Klar / Clin d'oeil": Naomi Jones
Übersetzungen: USG Übersetzungs-Service AG
Druck: Ediprim AG, Druck auf umweltfreundliches FSC-Papier
Brailleumwandlung und -druck:
Simone Rentsch, Anton Niffenegger
Audio: Markus Amrein und Sylvia Garatti
Inserate: [email protected], 031 301 88 00
Abonnement: [email protected], 031 301 88 00
Fr. 28.– (Inland), Fr. 34.– (Ausland), gratis für Mitglieder des
Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes
Vorschau "Klar" Nr. 4: Wahrnehmung.
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