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Pressedienst Travail.Suisse – Nr. 10 – 25. Juni 2007 – Bildung
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Ständerat stiehlt sich in der Berufsbildung aus der Verantwortung
Jetzt ist der Nationalrat gefordert!
Die letzte Woche in der BFI-Botschaft vom Ständerat bewilligten Beiträge des
Bundes an die Berufsbildung liegen weit unter dem im Berufsbildungsgesetz
festgeschriebenen Bundesanteil von 25 Prozent. Nun ist der Nationalrat gefordert, dafür zu sorgen, dass sich der Bund an seine Verpflichtungen gegenüber
jährlich über 70'000 Jugendlichen, die neu in die Berufsbildung einsteigen, hält.
Der Bund hat in den letzten Jahren wichtige bildungspolitische Entscheidungen getroffen.
In der Berufsbildung wurden mit dem neuen Berufsbildungsgesetz die Regelungskompetenzen für die Gesundheits-, Sozial- und Kunstberufe (GSK-Berufe) neu dem Bund übertragen. Weiter wurden u.a. die zweijährigen Grundbildungen (Attest) für schulschwächere Jugendliche eingeführt, die Durchlässigkeit der Ausbildungsgänge untereinander erhöht und eine Innovationsförderung eingeführt. Insgesamt sind heute eine klare Systematik und zeitgemässe Angebote im Entstehen begriffen.
Kostenbeteiligung des Bundes zu tief
Mit dem Ausbau der Regelungskompetenzen und der Erneuerung der Ausbildungsangebote sollte aber nach dem Willen des Bundesparlaments auch eine schrittweise Erhöhung
des Bundesanteils an den Berufsbildungskosten auf 25 Prozent bis 2008 einhergehen. So
ist es im neuen Berufsbildungsgesetz festgeschrieben. Heute liegt der Bundesanteil an den
Berufsbildungskosten bei rund 16 Prozent. Mehr als 200 Millionen Franken jährlich unter
dem Sollwert also und auch deutlich unter den Bundesbeiträgen an den Hochschulbereich. Es fehlen jährlich über 200 Millionen Franken für die Berufsbildung.
Ständerat foutiert sich um eingegangene Verpflichtungen
Letzte Woche nun hat der Ständerat im Rahmen der Botschaft für Bildung, Forschung
und Innovation die Rahmenkredite der Bundesbeiträge an die Berufsbildung für die Zeitspanne 2008 bis 2011 festgelegt. Um die Verpflichtung im neuen Berufsbildungsgesetz
einzuhalten, wäre eine massive Erhöhung der Zahlungskredite vonnöten gewesen. Zwar
wurde der Berufsbildung eine durchschnittliche jährliche Erhöhung von über 8 Prozent
gewährt. Damit ist jedoch das Ziel des 25-Prozent-Bundesanteils in weite Ferne gerückt:
Über eine halbe Milliarde Franken wird den Kantonen und Gemeinden in den nächsten
vier Jahren bei der Durchführung der Berufsbildung fehlen!
Pressedienst Travail.Suisse – Nr. 10 – 25. Juni 2007 – Bildung
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Attraktive Berufsbildung erfordert Zusatzinvestitionen
Dabei gibt es gute Gründe, wieso der Bund seinen im Berufsbildungsgesetz verankerten
Viertel beitragen sollte: Die Integration der GSK-Berufe verschluckt einen guten Teil der
vom Ständerat gewährten Zahlungskredite bereits. Soll die duale Berufsbildung aber weiterhin als vollwertiger Ausbildungsweg gelten, muss sie weiter modernisiert und den
heutigen Anforderungen angepasst werden. Dabei steht sie vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss für die stärkeren Jugendlichen attraktiv bleiben, muss aber gleichzeitig auch die schwächeren Schülerinnen und Schüler fördern. In beiden Bereichen sind
wichtige Schritte unternommen worden.
Wert der Höheren Berufsbildung anerkennen
Die Attraktivität für starke Jugendliche muss mit einem gut wahrnehmbaren Angebot der
Höheren Berufsbildung (Höhere Fachschulen, Berufs- und höhere Fachprüfungen) gesteigert werden. Zu Unrecht sind diese Ausbildungsgänge in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Sie stellen heute für die Schweizer Wirtschaft einen Grundstock an praxisnahem
Expertenwissen dar. Bis jetzt wurde dieser wichtige Bereich vom Bund viel zu wenig gefördert. Über 20'000 Abschlüsse werden pro Jahr vom Bundesamt für Statistik gezählt.
Aber: Der Bund gibt fast zehnmal mehr Geld für die Hochschulen aus als für die Höhere
Berufsbildung, obwohl diese mehr Abschlüsse liefert als die Hochschulen zusammen! Das
Bewusstsein, dass dieser Zweig punkto Unterstützung ausgebaut werden muss, ist nun
aber da. So wurde z.B. ein Masterplan Höhere Berufsbildung in Angriff genommen.
Berufsbildung als Integrationsfaktor
Gleichzeitig ist es auch die Aufgabe der Berufsbildung, möglichst auch den schwächeren
Jugendlichen einen Bildungsabschluss zu ermöglichen. Mit der Einführung der zweijährigen Grundbildung (Attest) als Alternative zu den drei- und vierjährigen Berufslehren
wurde ein wichtiger Schritt gemacht. Zudem wird zurzeit vom BBT und den Kantonen
viel in die frühe Erfassung und Begleitung von Jugendlichen mit Schwierigkeiten investiert („Case Management Berufsbildung“). Eine Investition, die sich wahrlich lohnt, können so doch jahrelange Abhängigkeiten, beispielsweise von der Arbeitslosenversicherung
und der Sozialhilfe, vermieden werden.
Kurskorrektur vom Nationalrat gefordert
Mit dem ständerätlichen Verdikt sind nun all diese innovativen Massnahmen gefährdet
oder müssten zumindest stark redimensioniert werden. Die Kantone werden auf Grund
der fehlenden Bundesfinanzierung ihre Aufgabe als Umsetzer der Berufsbildung nicht
voll wahrnehmen können. Nun ist der Nationalrat gefordert. Er kann in der Herbstsession
die Bundesbeiträge an die Berufsbildung nach oben korrigieren und dafür sorgen, dass
der Bund seine Verantwortung gegenüber den Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Pressedienst Travail.Suisse – Nr. 10 – 25. Juni 2007 – Bildung
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besser wahrnimmt. Vergessen wir die Relationen nicht: Für die zwei Drittel der Jugendlichen, die in der Schweiz eine Berufslehre absolvieren, will der Bund in den nächsten vier
Jahren 2.7 Milliarden Franken locker machen. Zum Vergleich: Für ETH und Universitäten
steht im gleichen Zeitraum vier Mal mehr Geld zur Verfügung (rund 11 Milliarden Franken).
Matthias Kuert Killer
Projektverantwortlicher Umsetzung Berufsbildungsgesetz Travail.Suisse
Travail.Suisse, Hopfenweg 21, 3001 Bern, Tel. 031 370 21 11, e-mail: [email protected],
www.travailsuisse.ch
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