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MEMO/06/287
Brüssel, den 17. Juli 2006
Neue Gemeinschaftsregeln für das anwendbare
Recht und die Rechtsprechung in Scheidungsfragen,
um die Rechtssicherheit und Flexibilität zu stärken
und
den
Zugang
zu
den
Gerichten
in
„grenzüberschreitenden“ Scheidungsverfahren zu
gewährleisten
Die Kommission schlägt die Einführung harmonisierter Regeln über das anwendbare
Recht und die Überarbeitung der bestehenden Rechtsprechungsregeln in
Scheidungsfragen vor. Sie verfolgt das Ziel, die Rechtssicherheit und Flexibilität für
die große Zahl an Ehepaaren zu erhöhen, die jährlich von „grenzüberschreitenden“
Scheidungsverfahren in der Europäischen Union betroffen sind. Außerdem soll EUBürgern, die in Drittstaaten leben, der Zugang zu den Gerichten gewährleistet
werden.
Hintergrund
Der Kommissionsvorschlag ist Teil der Arbeiten der EU zur Schaffung eines echten
Rechtsraumes, der auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Urteile
beruht, wie dies in dem Programm des Jahres 2000 über die gegenseitige
Anerkennung von Urteilen dargelegt und vom Europäischen Rat in Den Haag im
November 2004 bekräftigt wurde. Gegenwärtig gibt es keine gemeinschaftlichen
Regeln über das anwendbare Recht in Scheidungsfragen. Die Verordnung (EG)
Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 („die neue Verordnung Brüssel II)
enthält zwar einheitliche Regeln über Rechtsprechung und die Anerkennung von
Scheidungsurteilen, jedoch keine Vorschriften über das anwendbare Recht.
Die Kommission hat im Jahr 2005 eine öffentliche Konsultierung eingeleitet und im
März dieses Jahres ein Grünbuch über anwendbares Recht und Rechtsprechung in
Scheidungsfragen veröffentlicht, woraufhin bei ihr 65 Antworten eingingen. In der
Mehrzahl der Antworten wurde ein gemeinschaftliches Vorgehen zur Verbesserung
der Rechtssicherheit und Flexibilität und zur Gewährleistung des Zugangs zu den
Gerichten für erforderlich gehalten.
Die Kommission schlägt nunmehr die Einführung harmonisierter Regeln über
anwendbares
Recht
und
die
Überarbeitung
der
bestehenden
Rechtsprechungsregeln in Scheidungsfragen vor. Sie verfolgt das Ziel, die
Rechtssicherheit und Flexibilität für die tausende Paare zu stärken, die jedes Jahr in
grenzüberschreitende Scheidungsverfahren in der Europäischen Union verwickelt
sind. Ein weiteres Ziel ist die Gewährleistung des Zugangs der in Drittstaaten
lebenden europäischen Bürger zu den Gerichten.
Das Erfordernis eines gemeinschaftlichen Vorgehens
Durch die zunehmende Mobilität der Bürger in der Europäischen Union hat die
Anzahl der Paare zugenommen, bei denen die Ehegatten eine unterschiedliche
Nationalität haben oder in verschiedenen Mitgliedstaaten leben oder wo die
Ehegatten zwar die gleiche Nationalität haben, jedoch in einem anderen
Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsland leben.
Die nationalen Gesetze unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der
Scheidungsgründe und –verfahren. So erlaubt das maltesische Recht zwar keine
Scheidungen, anerkennt jedoch Scheidungsurteile, die von zuständigen Gerichten
im Ausland gefällt werden. Die Unterschiede lassen sich durch die verschiedenen
kulturellen und historischen Bedingungen erklären. Mit diesem Vorschlag sollen nicht
die nationalen Scheidungsgesetze harmonisiert werden, vielmehr soll es den Paaren
leichter gemacht werden, herauszufinden, welches Recht auf ihren Scheidungsfall
Anwendung findet.
Die Frage der Anwendbarkeit wird gegenwärtig gemäß den nationalen Vorschriften
über anwendbares Recht, die häufig als „Rechtskollisionsregeln“ bezeichnet werden,
geregelt. In einigen Mitgliedstaaten wird das anwendbare Recht anhand einer Skala
korrelierender Faktoren ermittelt (z.B. Nationalität der Ehegatten), um zu
gewährleisten, dass die Scheidung der Rechtsordnung unterliegt, zu der die
Beteiligten die engste Verbindung haben. Andere Mitgliedstaaten wenden
grundsätzlich ihr eigenes Recht auf Scheidungsverfahren unabhängig von der
Nationalität der Ehegatten an. Wegen dieser Unterschiede ist es für die Paare
schwer zu erkennen, welches Recht auf ihr Scheidungsverfahren Anwendung findet.
Die öffentliche Konsultierung hat ergeben, dass Ehepaare in der EU vor praktischen
und rechtlichen Problemen stehen und dass die gegenwärtige Lage zu Ergebnissen
führen kann, die nicht ihren berechtigten Erwartungen entspricht. Erstens ist es für
die Paare schwer, vorherzusagen, welches Recht auf ihr Scheidungsverfahren
zutrifft. Zweitens haben die Paare gegenwärtig nur geringe oder keine Möglichkeit,
das auf ihre Scheidung anwendbare Recht selbst zu wählen. Drittens verführen die
gegenwärtigen Regeln einen Ehegatten dazu, vor dem Ehepartner „zum Gericht zu
eilen“, um ein Urteil zu erlangen, das für ihn bzw. sie günstiger ist. Schließlich
gewährleisten die gegenwärtigen Vorschriften keinen ausreichenden Zugang zu den
Gerichten, vor allem für in Drittstaaten lebende Bürger.
Tatsachen und Zahlen
Angesichts der großen Zahl an Scheidungen in der Europäischen Union betreffen
Fragen des anwendbaren Rechts und der Rechtsprechung eine große Anzahl von
Bürgern. Die Kommission hat Daten über die Anzahl der grenzüberschreitenden
Scheidungsfälle in den Mitgliedstaaten für die Jahre 2000-2004 zusammengetragen.
Die daraus erstellten Statistiken sind als Teil der Folgenauswertung, die dem
Vorschlag beigefügt ist, erhältlich.
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Aus den Zahlenangaben zu allen 13 Mitgliedstaaten, für die Daten vorliegen, geht
hervor, dass der Anteil der grenzüberschreitenden Scheidungen an der Gesamtzahl
an Scheidungen in sämtlichen Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Portugal und
Estland zugenommen hat. Die Anzahl der internationalen Scheidungen ist mit 50 %
in Estland am höchsten und mit 1,5 % in Ungarn am niedrigsten. Die größte Zahl an
grenzüberschreitenden Scheidungen verzeichnete im Jahr 2004 Deutschland mit
3 693, die niedrigste Zahl Slowenien mit 256. Gemäß den verfügbaren Daten
werden in der Europäischen Union rund 2,2 Millionen Ehen jährlich geschlossen.
Schätzungsweise sind 350 000 dieser Ehen grenzüberschreitend. Die Zahl der
Scheidungen in der Europäischen Union beträgt rund 875 000 jährlich. Anhand der
verfügbaren Daten wird geschätzt, dass hiervon rund 170 000 entsprechend 16 %
grenzüberschreitend sind.
Zusammenfassung des Vorschlags
Mit dem Vorschlag wird durch die Harmonisierung der Regeln über anwendbares
Recht und die Änderung der Rechtsprechungsregeln in Scheidungsfragen die
Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 geändert, um
folgendes zu erreichen:
• Stärkung der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit
Der Vorschlag führt harmonisierte Regeln für die Rechtskollision in
Scheidungsfragen und die Trennung von Tisch und Bett ein, damit die Ehegatten
wissen, welches Recht anwendbar ist. Die vorgeschlagene Regelung sieht
grundsätzlich eine Wahlmöglichkeit für die Ehegatten vor. Sollte diese nicht
bestehen, wird das anwendbare Recht anhand einer Skala korrelierender Faktoren
ermittelt, die gewährleisten, dass die Scheidung dem Recht unterliegt, zu dem die
Ehegatten eine enge Beziehung haben.
• Erhöhung der Flexibilität, indem die Ehegatten die eingeschränkte Möglichkeit
erhalten, das anwendbare Recht und zuständige Gericht selbst zu wählen.
Der Vorschlag macht die rechtlichen Rahmenbedingungen flexibler, indem die
Ehegatten die eingeschränkte Möglichkeit erhalten, (a) das anwendbare Recht und
(b) das zuständige Gericht in Scheidungsverfahren und bei der Trennung von Tisch
und Bett zu wählen. Dies wird sich in Fällen der einvernehmlichen Scheidung als
besonders nützlich erweisen. Die Wahl ist auf Rechtsvorschriften und Gerichte
beschränkt, zu denen die Ehegatten eine enge Beziehung haben, sei es, weil sie in
dem betreffenden Land leben bzw. gelebt haben oder weil sie Staatsbürger dieses
Landes sind. Es sind Sicherungen eingebaut, die gewährleisten sollen, dass beiden
Ehegatten die Folgen ihrer Wahl bewusst sind. Die Wahl muss deshalb schriftlich
erfolgen und von beiden Gatten unterschrieben werden.
• Verhindern, dass ein Ehegatte „zu Gericht eilt“
Der Vorschlag verringert den Anreiz für einen Ehegatten, vor dem anderen „zu
Gericht zu eilen“, um ein für ihn bzw. sie günstigeres Ergebnis zu erlangen. Das zu
Gericht Eilen erschwert die Versöhnungsbemühungen und lässt keinen Spielraum
für eine Schlichtung. Es kann auch zur Anwendung eines Rechtes führen, das die
Interessen des/der Beklagten nicht berücksichtigt. Die Schwächung dieses Anreizes
erfolgt dadurch, dass das anwendbare Recht anhand gemeinsamer Regeln
unabhängig davon ermittelt wird, welches Gericht zu befassen ist.
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• Gewährleistung des Zugangs zu Gericht für in Drittstaaten lebende EU-Bürger.
Schließlich wird mit dem Vorschlag der Zugang zu Gericht in Scheidungsverfahren
für Ehegatten unterschiedlicher Nationalität verbessert, die in einen Drittstaat leben.
Mit den gegenwärtigen Regeln wird nicht wirksam gewährleistet, dass ein Gericht
eines Mitgliedstaates für Scheidungsfälle betreffend EU-Bürger, die in einem
Drittstaat leben, zuständig ist, so dass dessen Recht zur Anwendung kommt. Für die
nationalen Regeln gelten jedoch unterschiedliche Kriterien, die nicht in allen Fällen
den Zugang zu Gericht den in Drittstaaten lebenden EU-Bürgern wirksam
gewährleisten. Dies kann dazu führen, dass weder das Recht eines EUMitgliedstaates noch eines Drittstaates bei einer Scheidungsklage zuständig wird.
Mit dem Vorschlag wird deshalb eine einheitliche und erschöpfende
Rechtsprechungsregelung eingeführt, um den Gerichtszugang für in Drittstaaten
lebende EU-Bürger zu gewährleisten.
Fragen und Antworten
• Werden mit dieser Vorlage die Scheidungsgesetze harmonisiert? Gemeinsame
Scheidungsregeln eingeführt?
Nein, mit dem Vorschlag werden die nationalen Scheidungsgesetze, die aufgrund
historischer und kultureller Gegebenheiten stark voneinander abweichen, nicht
harmonisiert, sondern uneingeschränkt beachtet. Die EU ist für die Gesetze
betreffend Familiensachen einschließlich Scheidung materiell rechtlich nicht
zuständig. Der Vorschlag beschränkt sich auf Fragen der Rechtsanwendbarkeit und
Rechtsprechung in Scheidungsangelegenheiten. Er zielt auf die Gewährleistung der
Rechtssicherheit, die Flexibilität und den Zugang zu den Gerichten ab und will die
Niederlassungsfreiheit der Bürger erleichtern, wobei die bestehenden Regeln und
Vorschriften betreffend Ehescheidungen fortbestehen.
•Zielt der Vorschlag auf eine Harmonisierung der Rechtsprechung ab?
Der Vorschlag wird nicht zu einer Harmonisierung der bestehenden nationalen
Rechtsvorschriften betreffend Scheidung führen, vielmehr zielt er auf die Einführung
harmonisierter Regeln über anwendbares Recht und die Überarbeitung der
bestehenden Rechtszuständigkeitsregeln in Scheidungsangelegenheiten ab.
• Wird mit diesem Vorschlag die Scheidung erleichtert? Führt er zur „juristischen
Selbstbedienung“?
Nein, der Vorschlag wird die Scheidung weder erschweren noch erleichtern (siehe
nachstehende Beispiele). Er führt für die Ehegatten die begrenzte Möglichkeit ein,
das anwendbare Recht und zuständige Gericht selbst zu wählen, um die
Rechtssicherheit zu stärken und einvernehmliche Lösungen zwischen den
Ehegatten zu fördern. Die neuen Regeln führen auch nicht zu einer
„Selbstbedienung“, da die Auswahl auf Rechtsprechungen und Gerichte beschränkt
ist, zu denen die Ehegatten eine enge Beziehung haben. Er wird diese nicht in die
Lage versetzen, die Scheidung in einem anderen Mitgliedstaat mit freizügigeren
Gesetzen zu betreiben, es sei denn, sie hatten eine enge Beziehung zu diesem
Staat.
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Besteht ein tatsächliches Erfordernis für diese Verordnung?
Ja: Gemäß den vorliegenden Zahlen werden gegenwärtig jährlich in der
Europäischen Union rund 2,2 Millionen Ehen geschlossen. Hiervon soll es sich bei
rund 350 000 um grenzüberschreitende Ehen handeln. In der Union kommt es
jährlich zu rund 875 000 Scheidungen. Gemäß den vorliegenden Daten sind
schätzungsweise
170 000
entsprechend
16 %
der
Scheidungen
grenzüberschreitend
einschließlich
Scheidungen
zwischen
Ehegatten
unterschiedlicher Nationalität und Ehegatten der gleichen Nationalität, die in einem
anderen Mitgliedstaat leben.
• Erstreckt sich der Vorschlag auf unverheiratete Paare?
Nein, der Vorschlag betrifft nur Scheidungsangelegenheiten. Er berührt nicht die
Trennung nicht verheirateter Paare.
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